Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2012 - V ZB 115/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17. Oktober 2011 Sicherungshaft bis zum 16. Januar 2012 gegen den Betroffenen angeordnet. Mit Schreiben vom 12. Januar 2012, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Beteiligte zu 2 als von dem Betroffenen benannte Vertrauensperson beantragt, die Haft aufzuheben und festzustellen, dass sie ab dem 12. Januar 2012 rechtswidrig ist. Das Amtsgericht hat das Schreiben als Beschwerde gegen die Haftanordnung angesehen, dieser nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht vorgelegt , das die Beschwerde als unzulässig verworfen hat. Dagegen wendet sich der Beteiligte zu 2 mit der Rechtsbeschwerde, mit der er nach der Entlassung des Betroffenen am 13. Januar 2012 die Rechtswidrigkeit der Haft am 12. und 13. Januar 2012 feststellen lassen will.
II.
- 2
- Das Beschwerdegericht legt das Schreiben vom 12. Januar 2012 als Beschwerde gegen die Haftanordnung aus, die nicht innerhalb der Frist des § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt worden und damit als unzulässig zu verwerfen sei.
III.
- 3
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist der Beteiligte zu 2 beschwerdebefugt, weil der Betroffene ihn als Vertrauensperson benannt hat (§ 429 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 418 Abs. 3 Nr. 2 FamFG). Er war, wie es gemäß § 429 Abs. 2 FamFG erforderlich ist, bereits im ersten Rechtszug beteiligt, weil er den Haftaufhebungsantrag vor dem Amtsgericht gestellt hat.
- 4
- 2. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Das Beschwerdegericht hat das Schreiben vom 12. Januar 2012 zu Unrecht als (unzulässige) Beschwerde gegen die Haftanordnung angesehen. Der Antrag war ausdrücklich als Haftaufhebungsantrag bezeichnet und damit offenkundig auf § 426 Abs. 2 FamFG gestützt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ändert der Eintritt der formellen Rechtskraft der Haftanordnung nichts daran, dass während des Haftvollzugs jederzeit ein solcher Antrag gestellt werden kann. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass neue Umstände eingetreten sind; der Antrag kann auch - wie hier - darauf gestützt werden, dass die Haft von vornherein nicht hätte an- geordnet werden dürfen (näher Senat, Beschluss vom 26. Mai 2011 - V ZB 214/10, juris Rn. 7; Beschluss vom 26. Mai 2011 - V ZB 318/10, Rn. 16, juris; Beschluss vom 15. Dezember 2011 - V ZB 302/10, juris Rn. 13).
IV.
- 5
- Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben.
- 6
- 1. Sie ist nicht aus anderen Gründen richtig; denn der Antrag ist zulässig. Die Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Haftaufhebungsantrags kann nach der Erledigung durch die Haftentlassung gemäß § 62 Abs. 1 FamFG mit dem Ziel weiter verfolgt werden, die Rechtsverletzung des Betroffenen festzustellen (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 28. April 2011 - V ZB 292/10, FGPrax 2011, 200 Rn. 7 f.; vom 15. Dezember 2011 - V ZB 302/10, juris Rn. 12). Die formelle Rechtskraft der Haftanordnung hat allerdings zur Folge, dass die Rechtswidrigkeit in dem Haftaufhebungsverfahren erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Haftaufhebungsantrags bei Gericht festgestellt werden kann (Senat, Beschluss vom 26. Mai 2011 - V ZB 214/10, juris Rn. 15; Beschluss vom 26. Mai 2011 - V ZB 318/10, juris Rn. 16). Dem hat der Beteiligte zu 2 Rechnung getragen, indem er den Feststellungsantrag auf die Inhaftierung am 12. und 13. Januar 2012 beschränkt hat.
- 7
- 2. Weil das Amtsgericht bislang nur eine Abhilfeentscheidung hinsichtlich der Haftanordnung getroffen hat, sieht der Senat ausnahmsweise die Zurückverweisung an das Gericht des ersten Rechtszugs als geboten an (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG), das sich mit dem Antrag des Beteiligten zu 2 in der Sache auch unter Berücksichtigung der Rechtsbeschwerdebegründung zu befassen hat. Stresemann Roth Brückner Weinland Kazele
AG Geldern, Entscheidung vom 17.10.2011 - 29 XIV 58/11 B -
LG Kleve, Entscheidung vom 06.06.2012 - 4 T 129/12 -
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Die Beschwerde ist, soweit gesetzlich keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Frist von einem Monat einzulegen.
(2) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wenn sie sich gegen folgende Entscheidungen richtet:
- 1.
Endentscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung oder - 2.
Entscheidungen über Anträge auf Genehmigung eines Rechtsgeschäfts.
(3) Die Frist beginnt jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Kann die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden, beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
(1) Zu beteiligen sind die Person, der die Freiheit entzogen werden soll (Betroffener), und die Verwaltungsbehörde, die den Antrag auf Freiheitsentziehung gestellt hat.
(2) Der Verfahrenspfleger wird durch seine Bestellung als Beteiligter zum Verfahren hinzugezogen.
(3) Beteiligt werden können im Interesse des Betroffenen
(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde zu.
(2) Das Recht der Beschwerde steht im Interesse des Betroffenen
- 1.
dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie dessen Eltern und Kindern, wenn der Betroffene bei diesen lebt oder bei Einleitung des Verfahrens gelebt hat, den Pflegeeltern sowie - 2.
einer von ihm benannten Person seines Vertrauens
(3) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.
(4) Befindet sich der Betroffene bereits in einer abgeschlossenen Einrichtung, kann die Beschwerde auch bei dem Gericht eingelegt werden, in dessen Bezirk die Einrichtung liegt.
(1) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, ist vor Ablauf der nach § 425 Abs. 1 festgesetzten Frist von Amts wegen aufzuheben, wenn der Grund für die Freiheitsentziehung weggefallen ist. Vor der Aufhebung hat das Gericht die zuständige Verwaltungsbehörde anzuhören.
(2) Die Beteiligten können die Aufhebung der Freiheitsentziehung beantragen. Das Gericht entscheidet über den Antrag durch Beschluss.
(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.
(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn
(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.