Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Jan. 2016 - V ZB 115/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:280116BVZB115.15.0
bei uns veröffentlicht am28.01.2016
vorgehend
Amtsgericht Wolfenbüttel, 23 K 101/09, 23.01.2015
Landgericht Braunschweig, 4 T 93/15, 17.07.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 115/15
vom
28. Januar 2016
in der Zwangsversteigerungssache
ECLI:DE:BGH:2016:280116BVZB115.15.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Januar 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland, den Richter Dr. Kazele und die Richterin Haberkamp

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 17. Juli 2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 11. August 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Die Vollziehung des Zuschlagsbeschlusses des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 23. Januar 2015 (23 K 101/09) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde des Schuldners ausgesetzt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 180.300 € für die anwaltliche Vertretung des Beteiligten zu 1.

Gründe:

I.

1
Die Gläubigerin betreibt seit dem Jahr 2009 die Zwangsversteigerung der eingangs genannten Grundstücke des Schuldners. Nach einem ersten Versteigerungstermin im Jahr 2012 wurde der Zuschlag versagt und das Verfahren wegen einer Suizidgefährdung des Schuldners - zuletzt bis zum 30. April 2014 - einstweilen eingestellt. Der von Seiten des Gerichts erteilten Auflage, die regelmäßige Teilnahme an einer Gesprächstherapie nachzuweisen, kommt der Schuldner seither nach. Kurz vor dem für den 21. November 2014 anberaumten Versteigerungstermin beantragte er wegen akuter Suizidgefahr erneut die Einstellung des Verfahrens. Der Versteigerungstermin wurde ungeachtet dessen durchgeführt. Meistbietende blieben die Beteiligten zu 3 und 4 (im Folgenden Ersteher).
2
Durch Beschluss vom 23. Januar 2015 hat das Vollstreckungsgericht den Erstehern den Zuschlag erteilt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will der Schuldner die Aufhebung des Beschlusses und die einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens für weitere zwei Jahre erreichen.

II.

3
Das Beschwerdegericht geht nach Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens davon aus, dass der Schuldner psychisch erkrankt und bei einem Eigentumsverlust durch Zuschlagserteilung akut suizidgefährdet ist. Bei Abwägung der widerstreitenden Interessen sei jedoch den Interessen der Gläubigerin Vorrang einzuräumen. Die bisherige ambulante Therapie habe eine Stabilisierung bewirkt, die durch den erneuten Versteigerungstermin einen Rückschlag erlitten habe. Sie reiche wegen einer Chronifizierung der Symptomatik nicht aus, um die mit dem Eigentumsverlust verbundene akute Suizidgefahr abzuwenden. Grundsätzlich geeignet sei dazu aber eine geschlossene Unterbringung , die nicht außer Verhältnis zu den Interessen der Gläubigerin stehe. Zwar sei eine sichere Prognose zu Dauer und Erfolgsaussicht der stationären Unterbringung nicht möglich. Aus den gutachterlichen Ausführungen folge aber auch nicht, dass die intensivere Behandlung während der geschlossenen Unterbringung nicht erfolgreich sein werde. Unter dieser Voraussetzung halte die Kammer eine Fortführung des Zwangsversteigerungsverfahrens bei gleichzeitiger Einschaltung der Lebensschutzbehörden zur Sicherstellung einer zeitweisen geschlossenen Unterbringung des Schuldners für angemessen.

III.

4
Das Rechtsmittel ist aufgrund der für den Senat bindenden Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hält die Entscheidung des Beschwerdegerichts rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
1. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass einer Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss nach § 100 Abs. 3 i.V.m. § 83 Nr. 6 ZVG stattzugeben ist, wenn wegen eines Vollstreckungsschutzantrags des Schuldners nach § 765a ZPO bereits der Zuschlag wegen einer mit dem Eigentumsverlust verbundenen konkreten Gefahr für das Leben des Schuldners oder eines nahen Angehörigen nicht hätte erteilt werden dürfen (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 12. November 2014 - V ZB 99/14, NJW-RR 2015, 393 Rn. 6 mwN). Den Feststellungen des Beschwerdegerichts zufolge ist der Schuldner aufgrund einer psychischen Erkrankung ernsthaft suizidgefährdet , und zwar durch den Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses als solchen; hiervon ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren auszugehen.
6
2. Zutreffend ist auch, dass der Zuschlag nicht ohne weiteres zu versagen und die Zwangsversteigerung (einstweilen) einzustellen ist, wenn eine solche konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners mit der Zwangsvollstreckung verbunden ist. Das in solchen Fällen ganz besonders gewichtige Interesse der von der Vollstreckung Betroffenen (Lebensschutz, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) ist gegen das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers (Gläubigerschutz, Art. 14 GG; wirksamer Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG) abzuwägen. Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung nicht auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Im Hinblick auf die Interessen des Erstehers gilt nichts anderes (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 12. November 2014 - V ZB 99/14, NJW-RR 2015, 393 Rn. 7 mwN).
7
a) Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, die Ingewahrsamnahme des suizidgefährdeten Schuldners nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen sowie die betreuungsrechtliche Unterbringung (§ 1906 BGB). Kann der Suizidgefahr des Schuldners auf diese Weise entgegengewirkt werden, scheidet die Einstellung aus. Der Verweis auf die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Gerichte ist verfassungsrechtlich allerdings nur tragfähig, wenn diese entweder Maßnahmen zum Schutz des Lebens des Schuldners getroffen oder aber eine erhebliche Suizidgefahr gerade für das diese Gefahr auslösende Moment (Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses oder Räumung) nach sorgfältiger Prüfung abschließend verneint haben (vgl. BVerfG, NZM 2014, 701 Rn. 12). Hat die Ordnungsbehörde Maßnahmen ergriffen, kann das Vollstreckungsgericht davon ausgehen, dass diese ausreichen; flankierende Maßnahmen hat es nur zu erwägen, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass die von der Behörde ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen, oder wenn sich konkrete neue Gesichtspunkte erge- ben, die die Lage entscheidend verändern (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 12. November 2014 - V ZB 99/14, NJW-RR 2015, 393 Rn. 8 mwN; LG Kleve, NZM 2015, 270 ff.).
8
b) Steht hingegen fest oder ist aller Voraussicht nach davon auszugehen, dass die Anordnung der Unterbringung zu einer bloßen Verwahrung auf Dauer führte, so ist eine Freiheitsentziehung zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung unverhältnismäßig und das Verfahren (ggf. erneut) auf bestimmte Zeit einzustellen. Gleiches gilt, wenn der Gefahr der Selbsttötung nur durch eine außer Verhältnis stehende jahrelange Unterbringung ohne erkennbaren therapeutischen Nutzen begegnet werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10, NJW-RR 2010, 1649 Rn. 14 mwN; siehe auch BVerfG, NZM 2014, 701 Rn. 11 mwN). Anders verhält es sich dagegen, wenn innerhalb eines überschaubaren Zeitraums eine Chance dafür besteht, dass die Freiheitsentziehung zu einer Stabilisierung des Suizidgefährdeten führen und durch therapeutische Maßnahmen während der Unterbringung die Grundlage für ein Leben in Freiheit ohne konkrete Suizidgefährdung gelegt werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10, NJW-RR 2010, 1649 Rn. 14 mwN).
9
3. Diesen Vorgaben der ständigen Rechtsprechung sowohl des Bundesgerichtshofs als auch des Bundesverfassungsgerichts wird die Vorgehensweise des Beschwerdegerichts aus mehreren Gründen nicht gerecht.
10
a) Im Ausgangspunkt rügt die Rechtsbeschwerde zu Recht, dass das Beschwerdegericht keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich der erforderlichen Maßnahmen getroffen hat.
11
aa) Stellt das Gericht - wie hier - fest, dass eine konkrete und ernsthafte Suizidgefährdung vorliegt, erstreckt sich seine Aufklärungspflicht auch auf die Frage, ob und mit welchen Mitteln diese abgewendet werden kann. Hält es eine Unterbringung für erforderlich, muss es - wie bereits ausgeführt - auch abklären , ob innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zumindest eine Chance dafür besteht, dass die Freiheitsentziehung zu einer Stabilisierung des Suizidgefährdeten führen kann. Da es sich insoweit um Fragen aus dem Bereich der Medizin bzw. Psychiatrie handelt, muss das Gericht einen medizinischen Sachverständigen einschalten und darlegen, woraus es dessen spezielle Sachkunde herleitet. Widersprüche oder Unklarheiten in dem Gutachten muss es durch Nachfragen bei dem Sachverständigen und ggf. durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens aufklären (vgl. BVerfG, NJW-RR 2012, 393 Rn. 55 ff.; Schuschke, NZM 2015, 233, 239).
12
bb) Daran gemessen reicht das amtsärztliche Gutachten zur Sachaufklärung nicht aus. Hierauf gestützt gelangt das Beschwerdegericht zu dem Ergebnis , es lasse sich nicht feststellen, ob und in welchem Zeitfenster eine Heilung durch eine Behandlung während einer stationären Unterbringung zu erreichen sei. Die Amtsärzte haben sich zu der auf diesen entscheidenden Punkt bezogenen Frage jedoch nur mit dem Satz geäußert, es sei amtsärztlicherseits prognostisch nicht zu beantworten, ob durch die stationäre Unterbringung eine Verarbeitung des die Suizidgefahr auslösenden Ereignisses - auch langfristig - erreicht werden könne. Dies lässt sich so verstehen, dass die Amtsärzte selbst ihre Sachkunde für die Beurteilung verneinen. Jedenfalls haben sie die Frage zu den therapeutischen Erfolgsaussichten inhaltlich nicht hinreichend beantwortet. Daher sind weitere Feststellungen erforderlich, bevor das Gericht eine auf Tatsachen gestützte Abwägung vornehmen kann. Durch ein amtsärztliches Gutachten kann zwar zunächst abgeklärt werden, ob eine ernsthafte Suizidgefahr besteht oder ob diese nur vorgetäuscht wird. Wird dabei aber - wie hier - festgestellt, dass tatsächlich eine ernsthafte psychische Erkrankung vorliegt, die die Gefahr der Selbsttötung hervorruft und nur durch eine Unterbringung abge- wendet werden kann, muss das Gericht die Eignung der Unterbringung in der Sache prüfen. Befasst es den Amtsarzt auch mit dieser Frage, muss es entweder dessen besondere Sachkunde auf dem Gebiet der Psychiatrie darlegen oder ggf. einen psychiatrischen Sachverständigen einschalten.
13
b) Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass und auf welche Weise die von dem Beschwerdegericht für notwendig gehaltene stationäre Unterbringung des Schuldners sichergestellt werden soll.
14
aa) Eine freiwillige stationäre Behandlung hat der Schuldner abgelehnt. Von einer Unterbringung nach dem einschlägigen Landesgesetz (vgl. §§ 1, 16 Niedersächsisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke [NPsychKG] vom 16. Juni 1997, Nds. GVBl. 1997, 272) ist nach dem bisherigen Sachstand nicht auszugehen. Der durch das Amtsgericht eingeschaltete sozialpsychiatrische Dienst hat es abgelehnt, den erforderlichen Antrag auf Anordnung der Unterbringung bei dem zuständigen Betreuungsgericht (vgl. § 17 Abs. 1 NPsychKG) in die Wege zu leiten. Diese Entscheidung beruhte zwar allein auf den Angaben des ambulant behandelnden Arztes; es ist aber nicht ersichtlich, dass der sozialpsychiatrische Dienst erneut mit dem Sachverhalt befasst worden ist.
15
bb) Auch das Betreuungsgericht ist nach den bisherigen Feststellungen nicht eingeschaltet worden. Ob ggf. die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung vorliegen (§ 1896 BGB) und ob eine betreuungsrechtliche Unterbringung (§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB) in Betracht kommt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. September 2015 - XII ZB 225/15, FGPrax 2015, 269 f.), ist bislang nicht festgestellt worden. Im Gegensatz zu einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung setzt dies keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betreuten voraus. Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für dessen Leib und Leben, wobei die Anforderungen an die Voraussehbarkeit einer Selbsttötung oder einer erheblichen gesundheitlichen Eigenschädigung jedoch nicht überspannt werden dürfen (näher BGH, Beschluss vom 13. Januar 2010 - XII ZB 248/09, FamRZ 2010, 365 Rn. 14; Beschluss vom 23. Juni 2010 - XII ZB 118/10, NJW-RR 2010, 1370 Rn. 10).

IV.

16
1. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Sie ist nicht zur Entscheidung reif. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine erneute befristete Einstellung des Verfahrens durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht angezeigt, da nach dem bisherigen Sachstand nicht ausgeschlossen ist, dass die Suizidgefahr durch eine zeitweilige stationäre Unterbringung des Schuldners abgewendet werden kann.
17
2. Angesichts der bisherigen Verfahrensdauer und im Hinblick auf die Interessen der Ersteher wird das Beschwerdegericht das weitere Verfahren mit der größtmöglichen Beschleunigung zu führen haben. Insoweit weist der Senat auf Folgendes hin:
18
a) Zunächst wird das Beschwerdegericht die fehlenden tatsächlichen Feststellungen zu dem langfristigen therapeutischen Nutzen einer Unterbringung nachzuholen haben. Bereits in diesem Stadium des Verfahrens sollte es sich zweckmäßigerweise mit dem Betreuungsgericht (vgl. § 22a FamFG) und der gemäß § 3 NPsychKG zuständigen Behörde ins Benehmen setzen, die ggf. eine anschließende Unterbringung des Betroffenen sicherzustellen haben werden. So kann ein etwa eingeholtes weiteres Gutachten ggf. auch als Grundlage für die betreuungsrechtliche Unterbringung dienen (vgl. § 321 Abs. 1 Satz 1, § 30 Abs. 1 und 2 FamFG, § 411a ZPO; Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl., § 30 Rn. 94) und muss den insoweit geltenden Vorgaben genügen (vgl. § 280 Abs. 1 Satz 2, § 321 Abs. 1 Satz 4 FamFG; hierzu BGH, Beschluss vom 9. Februar 2011 - XII ZB 526/10, FGPrax 2011, 119 Rn. 11 mwN), was eine Kooperation der beteiligten Stellen sinnvoll erscheinen lässt.
19
b) Gelangt das Beschwerdegericht bei der abschließenden, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Würdigung der Gesamtumstände (vgl. BVerfG, NZM 2014, 701 Rn. 19; Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2012 - V ZB 80/12, NZM 2013, 162 Rn. 8) zu dem Ergebnis, dass eine zeitweise Unterbringung vor Erteilung des Zuschlags geboten ist, muss es - wie bereits ausgeführt - sicherstellen, dass die für den Lebensschutz zuständigen Stellen solche Maßnahmen rechtzeitig ergreifen (vgl. z.B. LG Kleve, NZM 2015, 270, 272). Dabei sollte es angesichts des bereits seit mehreren Jahren laufenden Verfahrens darauf hinweisen, dass der Lebensschutz nicht dauerhaft auf Kosten der Gläubigerin gewährleistet werden kann und sich eine Unterbringung daher nicht schon deshalb als unverhältnismäßig erweist, weil die Zwangsvollstreckung weiter eingestellt werden könnte.

V.

20
1. Da aus dem Zuschlagsbeschluss schon vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts gemäß §§ 575 Abs. 5, 570 Abs. 3 ZPO auszu- setzen (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 - V ZB 48/10, NJW-RR 2011, 1452 Rn. 17).
21
2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die anwaltliche Vertretung des Beteiligten zu 1 beruht auf § 26 Nr. 2 RVG. Gerichtskosten sind in dem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht angefallen.
Stresemann Brückner Weinland Kazele Haberkamp

Vorinstanzen:
AG Wolfenbüttel, Entscheidung vom 23.01.2015 - 23 K 101/09 -
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Der Zuschlag ist zu versagen:

1.
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2.
wenn bei der Versteigerung mehrerer Grundstücke das Einzelausgebot oder das Gesamtausgebot den Vorschriften des § 63 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 zuwider unterblieben ist;
3.
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7.
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8.
wenn die nach § 68 Abs. 2 und 3 verlangte Sicherheitsleistung nicht bis zur Entscheidung über den Zuschlag geleistet worden ist.

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 5. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt

294.000 € für die Gerichtskosten,

147.635,53 € für die Vertretung der Beteiligten zu 1,

13.087,28 € für die Vertretung der Beteiligten zu 2,

42.948,52 € für die Vertretung der Beteiligten zu 3,

100.000 € für die Vertretung der Beteiligten zu 4 und

396.000 € für die Vertretung des Beteiligten zu 5.

Gründe

I.

1

Die Gläubigerinnen betreiben die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung des eingangs genannten Grundstücks des Schuldners. Die in dem Zwangsverwaltungsverfahren eingeleitete Räumungsvollstreckung stellte das Vollstreckungsgericht im Jahr 2012 bis zum 31. Dezember 2012 aufgrund einer Suizidgefährdung des Schuldners einstweilen ein und lehnte einen weiteren Räumungsschutzantrag ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Schuldners hatte Erfolg; das Landgericht stellte am 26. September 2013 die Zwangsvollstreckung aus dem Räumungsbeschluss erneut bis zum 26. März 2014 ein, um dem Vollstreckungsgericht die Gelegenheit zu geben, ein Betreuungsverfahren einzuleiten. Das Betreuungsgericht richtete eine Betreuung jedoch nicht ein, weil der Schuldner dies in freier Willensbestimmung ablehne.

2

Am 14. Januar 2014 hat das Vollstreckungsgericht den Zuschlag auf das Meistgebot in Höhe von 294.000 € erteilt. Auf die Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht den Beschluss aufgehoben, den Zuschlag versagt und die Zwangsversteigerung bis zum 5. Mai 2015 einstweilen eingestellt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wollen die Gläubigerinnen die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts wiederherstellen lassen.

II.

3

Das Beschwerdegericht geht sachverständig beraten davon aus, dass die eintretende Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses bei dem Schuldner eine depressive Krise sicher hervorrufen werde; infolgedessen sei eine akute Suizidalität zu befürchten. Wirksame therapeutische Maßnahmen seien nicht erkennbar. Aufgrund der langjährigen narzisstischen Kränkungen könne die Suizidgefährdung allenfalls durch eine langjährige Psychotherapie wirksam abgewendet werden; dies scheitere aber daran, dass der Schuldner zu einer Mitwirkung nicht bereit und eine Therapie gegen seinen Willen nicht erfolgversprechend sei. Die Einschaltung der Ordnungsbehörde könne den Suizid nicht verhindern. Denn vor Zustellung des Beschlusses sei der Schuldner nicht akut suizidgefährdet. Dass die Ordnungsbehörde den Schuldner gleichzeitig mit der Zustellung des Zuschlagsbeschlusses aufsuche, sei mit erheblichen organisatorischen Unsicherheiten behaftet und berge die Gefahr, dass die Maßnahmen zu spät kämen.

4

Letztlich könne eine Unterbringung die Suizidgefahr auch nicht beseitigen. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass eine Unterbringung von mehr als sechs Wochen äußerst unwahrscheinlich sei, da der Schuldner auf seine Entlassung drängen werde. Es lasse sich nicht feststellen, dass der Betroffene im Anschluss an die Unterbringung dazu befähigt sei, ein Leben in Freiheit ohne Suizidgefahr zu führen. Zwar könne die Unterbringung nur beendet werden, wenn die behandelnden Ärzte eine krankheitsbedingte Suizidgefährdung verneinten. Es bestehe aber weiterhin die Gefahr eines - nicht krankheitsbedingten - "Bilanzselbstmords". Nachdem die Einrichtung einer Betreuung bereits abgelehnt worden sei, sei der Zuschlag zu versagen und das Zwangsversteigerungsverfahren zunächst für ein Jahr einzustellen. Nach Ablauf dieses Jahres werde erneut zu überprüfen sein, inwieweit der Lebensschutz des Schuldners gegenüber den Gläubigerinteressen abzuwägen sei. Eine kürzere Einstellung komme nicht in Betracht, weil auch der gerichtliche Sachverständige eine gewisse Hilflosigkeit einräume und letztlich keine Veränderung erwarte, da der Schuldner keinerlei Krankheitsgefühl habe und Zeichen einer spontanen Änderung seiner Grundeinstellung nicht erkennen lasse.

III.

5

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

6

1. Das Beschwerdegericht geht zutreffend davon aus, dass einer Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss nach § 100 Abs. 3 i.V.m. § 83 Nr. 6 ZVG stattzugeben ist, wenn wegen eines Vollstreckungsschutzantrags des Schuldners nach § 765a ZPO bereits der Zuschlag wegen einer mit dem Eigentumsverlust verbundenen konkreten Gefahr für das Leben des Schuldners oder eines nahen Angehörigen nicht hätte erteilt werden dürfen (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 17. August 2011 - V ZB 128/11, NZM 2011, 786 Rn. 13; vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10, NJW-RR 2011, 421 Rn. 16 jeweils mwN). Den nicht angegriffenen Feststellungen zufolge ist der Schuldner aufgrund einer depressiven Anpassungsstörung ernsthaft suizidgefährdet, und zwar durch den Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses als solchen. Diese Überzeugung stützt das Beschwerdegericht sowohl auf das in diesem Verfahren eingeholte amtsärztliche Sachverständigengutachten als auch auf das in dem Betreuungsverfahren erstellte Gutachten. Beide Gutachter sehen eine akute und ernsthafte Suizidgefahr, wenn der Eigentumsverlust in letzter Instanz bestätigt wird. Damit hat das Beschwerdegericht - wie es die höchstrichterliche Rechtsprechung vorgibt - eine mit Tatsachen untermauerte Prognoseentscheidung getroffen (vgl. BVerfG, NJW-RR 2014, 584 Rn. 13; Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2012 - V ZB 80/12, NZM 2013, 162 Rn. 11; vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10, NJW-RR 2011, 421 Rn. 23; vom 30. September 2010 - V ZB 199/09, ZfIR 2011, 29 Rn. 7 und 11; s. auch Schmidt-Räntsch, ZfIR 2011, 849, 851 f., jeweils mwN).

7

2. Allerdings ist der Zuschlag nicht ohne weiteres zu versagen und die Zwangsversteigerung (einstweilen) einzustellen, wenn eine solche konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners mit der Zwangsvollstreckung verbunden ist. Erforderlich ist vielmehr, das in solchen Fällen ganz besonders gewichtige Interesse der von der Vollstreckung Betroffenen (Lebensschutz, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) gegen das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers (Gläubigerschutz, Art. 14 GG; wirksamer Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG) abzuwägen. Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung nicht auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann (Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - V ZB 67/07, NJW 2008, 586 Rn. 8). Mit Blick auf die Interessen des Erstehers gilt nichts anderes (Senat, Beschluss vom 9. Juni 2011 - V ZB 319/10, NJW 2011, 2807 Rn. 8 mwN).

8

a) Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, die Ingewahrsamnahme des suizidgefährdeten Schuldners nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen sowie die betreuungsrechtliche Unterbringung (§ 1906 BGB). Kann der Suizidgefahr des Schuldners auf diese Weise entgegengewirkt werden, scheidet die Einstellung aus. Der Verweis auf die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Gerichte ist verfassungsrechtlich allerdings nur tragfähig, wenn diese entweder Maßnahmen zum Schutz des Lebens des Schuldners getroffen oder aber eine erhebliche Suizidgefahr gerade für das diese Gefahr auslösenden Moment (Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses oder Räumung) nach sorgfältiger Prüfung abschließend verneint haben (BVerfG, NZM 2014, 701 Rn. 12; Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2012 - V ZB 80/12, NZM 2013, 162 Rn. 12; Schmidt-Räntsch, ZfIR 2011, 849, 852 ff., jeweils mwN; zum Umgang mit einer "Blockadesituation" zwischen Vollstreckungs- und Betreuungsgericht im Beschwerdeverfahren Senat, Beschluss vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10, NJW-RR 2010, 1649 Rn. 11 ff.). Hat die Ordnungsbehörde Maßnahmen ergriffen, kann das Vollstreckungsgericht davon ausgehen, dass diese ausreichen; flankierende Maßnahmen hat es nur zu erwägen, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass die von der Behörde ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen, oder wenn sich konkrete neue Gesichtspunkte ergeben, die die Lage entscheidend verändern (Senat, Beschluss vom 9. Juni 2011 - V ZB 319/10, NJW 2011, 2807 Rn. 9 ff.).

9

b) Steht indessen fest, dass derartige Maßnahmen nicht geeignet sind, der mit der Fortsetzung des Verfahrens für den Schuldner verbundenen Gefahr einer Selbsttötung wirksam zu begegnen, oder führte die Anordnung der Unterbringung aller Voraussicht nach zu einer bloßen Verwahrung auf Dauer, so ist das Verfahren einzustellen. Dabei verbietet das Interesse des Gläubigers an der Fortsetzung des Verfahrens eine dauerhafte Einstellung, weil die staatliche Aufgabe, das Leben des Schuldners zu schützen, nicht auf unbegrenzte Zeit durch ein Vollstreckungsverbot gelöst werden kann (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2007 - V ZB 28/07, NJW 2007, 3719 Rn. 15). Die Einstellung ist zu befristen und mit Auflagen zu versehen, die das Ziel haben, die Gesundheit des Schuldners wiederherzustellen. Das gilt auch dann, wenn die Aussichten auf eine Besserung des Gesundheitszustands des Schuldners gering sind. Diesem ist es im Interesse des Gläubigers nämlich zuzumuten, auf die Verbesserung seines Gesundheitszustands hin zu arbeiten und den Stand seiner Behandlung regelmäßig nachzuweisen (Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - V ZB 67/07, NJW 2008, 586 Rn. 10; BGH, Beschlüsse vom 9. Oktober 2013 - I ZB 15/13, NJW 2014, 2288 Rn. 24 ff., und vom 14. Januar 2010 - I ZB 34/09, WuM 2010, 250 Rn. 11). Nur in absoluten Ausnahmefällen kann die Einstellung des Verfahrens unbefristet (vgl. BVerfGE 52, 214, 219 ff.; BVerfG, NJW 1998, 295, 296; NZM 2005, 657, 659; NZM 2014, 701 Rn. 11) oder ohne derartige Auflagen erfolgen.

10

c) Einen solchen Ausnahmefall, in dem eine befristete Einstellung ohne Auflagen erfolgen kann, nimmt das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei an.

11

aa) Eine betreuungsrechtliche Unterbringung scheidet derzeit aus. Das sachverständig beratene Betreuungsgericht hat eine Betreuung nicht eingerichtet, weil der Schuldner dies ablehnt und auch in der Lage ist, einen freien Willen zu bilden (vgl. § 1896 Abs. 1a BGB; dazu BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 - XII ZR 577/13, NJW-RR 2014, 770 Rn. 10 ff. mwN).

12

bb) Nicht zu beanstanden ist auch seine weitere Annahme, wonach eine zeitweilige Unterbringung des Schuldners an der Suizidgefahr nichts ändern wird. Dem Sachverständigengutachten zufolge kann allenfalls eine langjährige Psychotherapie zum Erfolg führen, die aber eine - nicht vorhandene - Einsicht des Schuldners voraussetzt. Der mit einer dauerhaften Unterbringung verbundene Eingriff in die von Art. 2 Abs. 2 GG geschützte Freiheit des Schuldners würde durch das Vollstreckungsinteresse der Gläubigerin nicht gerechtfertigt. Ohnehin geht das Beschwerdegericht unter Bezug auf das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen vom 7. April 2014 davon aus, dass mit einer Unterbringungsdauer von höchstens sechs Wochen zu rechnen sei, weil sich der Schuldner der Maßnahme widersetzen werde. Dies ist nachvollziehbar, weil die Unterbringung nach dem einschlägigen Landesgesetz unter anderem voraussetzt, dass der Schuldner infolge seines Geisteszustands eine Gefahr für sich selbst darstellt (vgl. §§ 1, 10 hessisches FrhEntzG), also an einer psychischen Erkrankung leidet; im Sinne des Unterbringungsrechts darf einer Persönlichkeitsstörung erst ab einem erheblichen Schweregrad Krankheitswert beigemessen werden (BVerfGE 58, 208, 224 ff.; 66, 191, 195 f.). Diese Voraussetzung verneint das Beschwerdegericht im Anschluss an das Gutachten. Gleichwohl sieht es nach dem Ende der Unterbringung weiter die ernsthafte Gefahr eines - nicht krankheitsbedingten - "Bilanzselbstmords" als gegeben an; insoweit deckt sich seine Einschätzung mit der des Gutachters, der hieraus lediglich andere rechtliche Schlussfolgerungen zieht und eine spätere Selbsttötung als Ausdruck freier Willensbestimmung einordnet. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass auch eine nicht krankheitsbedingte Suizidgefährdung Anlass für die Einstellung des Verfahrens geben kann (BVerfG, NJW-RR 2001, 1523, 1524; Senat, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - V ZB 215/09, NZM 2011, 166 Rn. 9).

13

cc) Damit aber verbleibt im Ergebnis nur der von dem Beschwerdegericht beschrittene Weg, die Zwangsvollstreckung auf Zeit einzustellen, um nach Ablauf dieser Zeit zu überprüfen, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen der Vollstreckung Fortgang gegeben werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2013 - I ZB 15/13, NJW 2014, 2288 Rn. 24 ff.). Dem Schuldner aufzugeben, fortwährend an der Verbesserung seiner seelischen Gesundheit zu arbeiten und dies laufend nachzuweisen, ist in dem vorliegenden Ausnahmefall nicht sinnvoll. Auflagen können nur dann gemacht werden, wenn eine Erfolgsaussicht - sei sie auch noch so gering - besteht. Daran fehlt es hier; denn der Schuldner selbst hat keine Krankheitseinsicht und beide Gutachter halten eine Therapie gegen seinen Willen nicht für angezeigt.

14

3. Infolgedessen ist der Zuschlag zu Recht versagt worden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 18. September 2008 - V ZB 22/08, NJW 2009, 80 Rn. 7; vom 14. Juni 2007 - V ZB 28/07, NJW 2007, 3719 Rn. 7). Auch die Dauer der Einstellung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

IV.

15

1. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Verpflichtung der Gläubigerinnen, die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen, ergibt sich aus dem Gesetz. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten kommt nicht in Betracht, da sich die Beteiligten bei einer Zuschlagsbeschwerde in der Regel, und so auch hier, nicht als Parteien im Sinne der §§ 91 ff. ZPO gegenüberstehen (Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378 Rn. 7).

16

2. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren bestimmt sich für die Gerichtsgebühren nach § 47 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 Satz 1 GKG und für die Rechtsanwaltsgebühren nach § 26 Nr. 2 und Nr. 3 RVG.

Stresemann                          Schmidt-Räntsch                          Brückner

                     Weinland                                        Kazele

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 5. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt

294.000 € für die Gerichtskosten,

147.635,53 € für die Vertretung der Beteiligten zu 1,

13.087,28 € für die Vertretung der Beteiligten zu 2,

42.948,52 € für die Vertretung der Beteiligten zu 3,

100.000 € für die Vertretung der Beteiligten zu 4 und

396.000 € für die Vertretung des Beteiligten zu 5.

Gründe

I.

1

Die Gläubigerinnen betreiben die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung des eingangs genannten Grundstücks des Schuldners. Die in dem Zwangsverwaltungsverfahren eingeleitete Räumungsvollstreckung stellte das Vollstreckungsgericht im Jahr 2012 bis zum 31. Dezember 2012 aufgrund einer Suizidgefährdung des Schuldners einstweilen ein und lehnte einen weiteren Räumungsschutzantrag ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Schuldners hatte Erfolg; das Landgericht stellte am 26. September 2013 die Zwangsvollstreckung aus dem Räumungsbeschluss erneut bis zum 26. März 2014 ein, um dem Vollstreckungsgericht die Gelegenheit zu geben, ein Betreuungsverfahren einzuleiten. Das Betreuungsgericht richtete eine Betreuung jedoch nicht ein, weil der Schuldner dies in freier Willensbestimmung ablehne.

2

Am 14. Januar 2014 hat das Vollstreckungsgericht den Zuschlag auf das Meistgebot in Höhe von 294.000 € erteilt. Auf die Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht den Beschluss aufgehoben, den Zuschlag versagt und die Zwangsversteigerung bis zum 5. Mai 2015 einstweilen eingestellt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wollen die Gläubigerinnen die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts wiederherstellen lassen.

II.

3

Das Beschwerdegericht geht sachverständig beraten davon aus, dass die eintretende Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses bei dem Schuldner eine depressive Krise sicher hervorrufen werde; infolgedessen sei eine akute Suizidalität zu befürchten. Wirksame therapeutische Maßnahmen seien nicht erkennbar. Aufgrund der langjährigen narzisstischen Kränkungen könne die Suizidgefährdung allenfalls durch eine langjährige Psychotherapie wirksam abgewendet werden; dies scheitere aber daran, dass der Schuldner zu einer Mitwirkung nicht bereit und eine Therapie gegen seinen Willen nicht erfolgversprechend sei. Die Einschaltung der Ordnungsbehörde könne den Suizid nicht verhindern. Denn vor Zustellung des Beschlusses sei der Schuldner nicht akut suizidgefährdet. Dass die Ordnungsbehörde den Schuldner gleichzeitig mit der Zustellung des Zuschlagsbeschlusses aufsuche, sei mit erheblichen organisatorischen Unsicherheiten behaftet und berge die Gefahr, dass die Maßnahmen zu spät kämen.

4

Letztlich könne eine Unterbringung die Suizidgefahr auch nicht beseitigen. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass eine Unterbringung von mehr als sechs Wochen äußerst unwahrscheinlich sei, da der Schuldner auf seine Entlassung drängen werde. Es lasse sich nicht feststellen, dass der Betroffene im Anschluss an die Unterbringung dazu befähigt sei, ein Leben in Freiheit ohne Suizidgefahr zu führen. Zwar könne die Unterbringung nur beendet werden, wenn die behandelnden Ärzte eine krankheitsbedingte Suizidgefährdung verneinten. Es bestehe aber weiterhin die Gefahr eines - nicht krankheitsbedingten - "Bilanzselbstmords". Nachdem die Einrichtung einer Betreuung bereits abgelehnt worden sei, sei der Zuschlag zu versagen und das Zwangsversteigerungsverfahren zunächst für ein Jahr einzustellen. Nach Ablauf dieses Jahres werde erneut zu überprüfen sein, inwieweit der Lebensschutz des Schuldners gegenüber den Gläubigerinteressen abzuwägen sei. Eine kürzere Einstellung komme nicht in Betracht, weil auch der gerichtliche Sachverständige eine gewisse Hilflosigkeit einräume und letztlich keine Veränderung erwarte, da der Schuldner keinerlei Krankheitsgefühl habe und Zeichen einer spontanen Änderung seiner Grundeinstellung nicht erkennen lasse.

III.

5

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

6

1. Das Beschwerdegericht geht zutreffend davon aus, dass einer Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss nach § 100 Abs. 3 i.V.m. § 83 Nr. 6 ZVG stattzugeben ist, wenn wegen eines Vollstreckungsschutzantrags des Schuldners nach § 765a ZPO bereits der Zuschlag wegen einer mit dem Eigentumsverlust verbundenen konkreten Gefahr für das Leben des Schuldners oder eines nahen Angehörigen nicht hätte erteilt werden dürfen (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 17. August 2011 - V ZB 128/11, NZM 2011, 786 Rn. 13; vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10, NJW-RR 2011, 421 Rn. 16 jeweils mwN). Den nicht angegriffenen Feststellungen zufolge ist der Schuldner aufgrund einer depressiven Anpassungsstörung ernsthaft suizidgefährdet, und zwar durch den Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses als solchen. Diese Überzeugung stützt das Beschwerdegericht sowohl auf das in diesem Verfahren eingeholte amtsärztliche Sachverständigengutachten als auch auf das in dem Betreuungsverfahren erstellte Gutachten. Beide Gutachter sehen eine akute und ernsthafte Suizidgefahr, wenn der Eigentumsverlust in letzter Instanz bestätigt wird. Damit hat das Beschwerdegericht - wie es die höchstrichterliche Rechtsprechung vorgibt - eine mit Tatsachen untermauerte Prognoseentscheidung getroffen (vgl. BVerfG, NJW-RR 2014, 584 Rn. 13; Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2012 - V ZB 80/12, NZM 2013, 162 Rn. 11; vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10, NJW-RR 2011, 421 Rn. 23; vom 30. September 2010 - V ZB 199/09, ZfIR 2011, 29 Rn. 7 und 11; s. auch Schmidt-Räntsch, ZfIR 2011, 849, 851 f., jeweils mwN).

7

2. Allerdings ist der Zuschlag nicht ohne weiteres zu versagen und die Zwangsversteigerung (einstweilen) einzustellen, wenn eine solche konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners mit der Zwangsvollstreckung verbunden ist. Erforderlich ist vielmehr, das in solchen Fällen ganz besonders gewichtige Interesse der von der Vollstreckung Betroffenen (Lebensschutz, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) gegen das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers (Gläubigerschutz, Art. 14 GG; wirksamer Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG) abzuwägen. Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung nicht auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann (Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - V ZB 67/07, NJW 2008, 586 Rn. 8). Mit Blick auf die Interessen des Erstehers gilt nichts anderes (Senat, Beschluss vom 9. Juni 2011 - V ZB 319/10, NJW 2011, 2807 Rn. 8 mwN).

8

a) Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, die Ingewahrsamnahme des suizidgefährdeten Schuldners nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen sowie die betreuungsrechtliche Unterbringung (§ 1906 BGB). Kann der Suizidgefahr des Schuldners auf diese Weise entgegengewirkt werden, scheidet die Einstellung aus. Der Verweis auf die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Gerichte ist verfassungsrechtlich allerdings nur tragfähig, wenn diese entweder Maßnahmen zum Schutz des Lebens des Schuldners getroffen oder aber eine erhebliche Suizidgefahr gerade für das diese Gefahr auslösenden Moment (Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses oder Räumung) nach sorgfältiger Prüfung abschließend verneint haben (BVerfG, NZM 2014, 701 Rn. 12; Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2012 - V ZB 80/12, NZM 2013, 162 Rn. 12; Schmidt-Räntsch, ZfIR 2011, 849, 852 ff., jeweils mwN; zum Umgang mit einer "Blockadesituation" zwischen Vollstreckungs- und Betreuungsgericht im Beschwerdeverfahren Senat, Beschluss vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10, NJW-RR 2010, 1649 Rn. 11 ff.). Hat die Ordnungsbehörde Maßnahmen ergriffen, kann das Vollstreckungsgericht davon ausgehen, dass diese ausreichen; flankierende Maßnahmen hat es nur zu erwägen, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass die von der Behörde ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen, oder wenn sich konkrete neue Gesichtspunkte ergeben, die die Lage entscheidend verändern (Senat, Beschluss vom 9. Juni 2011 - V ZB 319/10, NJW 2011, 2807 Rn. 9 ff.).

9

b) Steht indessen fest, dass derartige Maßnahmen nicht geeignet sind, der mit der Fortsetzung des Verfahrens für den Schuldner verbundenen Gefahr einer Selbsttötung wirksam zu begegnen, oder führte die Anordnung der Unterbringung aller Voraussicht nach zu einer bloßen Verwahrung auf Dauer, so ist das Verfahren einzustellen. Dabei verbietet das Interesse des Gläubigers an der Fortsetzung des Verfahrens eine dauerhafte Einstellung, weil die staatliche Aufgabe, das Leben des Schuldners zu schützen, nicht auf unbegrenzte Zeit durch ein Vollstreckungsverbot gelöst werden kann (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2007 - V ZB 28/07, NJW 2007, 3719 Rn. 15). Die Einstellung ist zu befristen und mit Auflagen zu versehen, die das Ziel haben, die Gesundheit des Schuldners wiederherzustellen. Das gilt auch dann, wenn die Aussichten auf eine Besserung des Gesundheitszustands des Schuldners gering sind. Diesem ist es im Interesse des Gläubigers nämlich zuzumuten, auf die Verbesserung seines Gesundheitszustands hin zu arbeiten und den Stand seiner Behandlung regelmäßig nachzuweisen (Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - V ZB 67/07, NJW 2008, 586 Rn. 10; BGH, Beschlüsse vom 9. Oktober 2013 - I ZB 15/13, NJW 2014, 2288 Rn. 24 ff., und vom 14. Januar 2010 - I ZB 34/09, WuM 2010, 250 Rn. 11). Nur in absoluten Ausnahmefällen kann die Einstellung des Verfahrens unbefristet (vgl. BVerfGE 52, 214, 219 ff.; BVerfG, NJW 1998, 295, 296; NZM 2005, 657, 659; NZM 2014, 701 Rn. 11) oder ohne derartige Auflagen erfolgen.

10

c) Einen solchen Ausnahmefall, in dem eine befristete Einstellung ohne Auflagen erfolgen kann, nimmt das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei an.

11

aa) Eine betreuungsrechtliche Unterbringung scheidet derzeit aus. Das sachverständig beratene Betreuungsgericht hat eine Betreuung nicht eingerichtet, weil der Schuldner dies ablehnt und auch in der Lage ist, einen freien Willen zu bilden (vgl. § 1896 Abs. 1a BGB; dazu BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 - XII ZR 577/13, NJW-RR 2014, 770 Rn. 10 ff. mwN).

12

bb) Nicht zu beanstanden ist auch seine weitere Annahme, wonach eine zeitweilige Unterbringung des Schuldners an der Suizidgefahr nichts ändern wird. Dem Sachverständigengutachten zufolge kann allenfalls eine langjährige Psychotherapie zum Erfolg führen, die aber eine - nicht vorhandene - Einsicht des Schuldners voraussetzt. Der mit einer dauerhaften Unterbringung verbundene Eingriff in die von Art. 2 Abs. 2 GG geschützte Freiheit des Schuldners würde durch das Vollstreckungsinteresse der Gläubigerin nicht gerechtfertigt. Ohnehin geht das Beschwerdegericht unter Bezug auf das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen vom 7. April 2014 davon aus, dass mit einer Unterbringungsdauer von höchstens sechs Wochen zu rechnen sei, weil sich der Schuldner der Maßnahme widersetzen werde. Dies ist nachvollziehbar, weil die Unterbringung nach dem einschlägigen Landesgesetz unter anderem voraussetzt, dass der Schuldner infolge seines Geisteszustands eine Gefahr für sich selbst darstellt (vgl. §§ 1, 10 hessisches FrhEntzG), also an einer psychischen Erkrankung leidet; im Sinne des Unterbringungsrechts darf einer Persönlichkeitsstörung erst ab einem erheblichen Schweregrad Krankheitswert beigemessen werden (BVerfGE 58, 208, 224 ff.; 66, 191, 195 f.). Diese Voraussetzung verneint das Beschwerdegericht im Anschluss an das Gutachten. Gleichwohl sieht es nach dem Ende der Unterbringung weiter die ernsthafte Gefahr eines - nicht krankheitsbedingten - "Bilanzselbstmords" als gegeben an; insoweit deckt sich seine Einschätzung mit der des Gutachters, der hieraus lediglich andere rechtliche Schlussfolgerungen zieht und eine spätere Selbsttötung als Ausdruck freier Willensbestimmung einordnet. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass auch eine nicht krankheitsbedingte Suizidgefährdung Anlass für die Einstellung des Verfahrens geben kann (BVerfG, NJW-RR 2001, 1523, 1524; Senat, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - V ZB 215/09, NZM 2011, 166 Rn. 9).

13

cc) Damit aber verbleibt im Ergebnis nur der von dem Beschwerdegericht beschrittene Weg, die Zwangsvollstreckung auf Zeit einzustellen, um nach Ablauf dieser Zeit zu überprüfen, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen der Vollstreckung Fortgang gegeben werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2013 - I ZB 15/13, NJW 2014, 2288 Rn. 24 ff.). Dem Schuldner aufzugeben, fortwährend an der Verbesserung seiner seelischen Gesundheit zu arbeiten und dies laufend nachzuweisen, ist in dem vorliegenden Ausnahmefall nicht sinnvoll. Auflagen können nur dann gemacht werden, wenn eine Erfolgsaussicht - sei sie auch noch so gering - besteht. Daran fehlt es hier; denn der Schuldner selbst hat keine Krankheitseinsicht und beide Gutachter halten eine Therapie gegen seinen Willen nicht für angezeigt.

14

3. Infolgedessen ist der Zuschlag zu Recht versagt worden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 18. September 2008 - V ZB 22/08, NJW 2009, 80 Rn. 7; vom 14. Juni 2007 - V ZB 28/07, NJW 2007, 3719 Rn. 7). Auch die Dauer der Einstellung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

IV.

15

1. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Verpflichtung der Gläubigerinnen, die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen, ergibt sich aus dem Gesetz. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten kommt nicht in Betracht, da sich die Beteiligten bei einer Zuschlagsbeschwerde in der Regel, und so auch hier, nicht als Parteien im Sinne der §§ 91 ff. ZPO gegenüberstehen (Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378 Rn. 7).

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2. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren bestimmt sich für die Gerichtsgebühren nach § 47 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 Satz 1 GKG und für die Rechtsanwaltsgebühren nach § 26 Nr. 2 und Nr. 3 RVG.

Stresemann                          Schmidt-Räntsch                          Brückner

                     Weinland                                        Kazele

14
bb) Nicht hinreichend beachtet hat das Beschwerdegericht indessen den auch im Zwangsversteigerungsverfahren zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. nur Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, NJW 2007, 3719, 3720 f.; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., vor § 704 Rdn. 29 m.w.N.). Zwar hat es der Sache nach zu Recht angenommen, dass der Gefahr der Selbsttötung vorliegend nicht effektiv mit dem milderen Mittel ambulanter therapeutischer Maßnahmen begegnet werden kann. Nicht geprüft hat es jedoch, ob die Dauer einer Unterbringung außer Verhältnis steht zu dem damit verfolgten Zweck der Fortführung des Zwangsversteigerungsverfahrens. Steht fest oder ist aller Voraussicht nach davon auszugehen, dass die Anordnung der Unterbringung zu einer bloßen Verwahrung auf Dauer führte, so ist eine Freiheitsentziehung zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung unverhältnismäßig und das Verfahren (ggf. erneut) auf bestimmte Zeit einzustellen (Senat, Beschl. v. 6. Dezember 2007, V ZB 67/07, NJW 2008, 586). Gleiches gilt, wenn der Gefahr der Selbsttötung nur durch eine außer Verhältnis stehende jahrelange Unterbringung ohne erkennbaren therapeutischen Nutzen begegnet werden kann. Anders verhält es sich dagegen, wenn innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes eine Chance dafür besteht, dass die Freiheitsentziehung zu einer Stabilisierung des Suizidgefährdeten führen und durch therapeutische Maßnahmen während der Unterbringung die Grundlage für ein Leben in Freiheit ohne konkrete Suizidgefährdung gelegt werden kann. Tatrichterliche Feststellungen hierzu hat das Beschwerdegericht nicht getroffen. Dies wird nachzuholen sein.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB225/15
vom
23. September 2015
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine Betreuung ist nur dann gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht erforderlich
, wenn konkrete Alternativen im Sinne dieser Vorschrift bestehen. Die Möglichkeit
einer Bevollmächtigung steht der Erforderlichkeit der Betreuung daher
nur entgegen, wenn es tatsächlich mindestens eine Person gibt, welcher der
Betroffene das für eine Vollmachterteilung erforderliche Vertrauen entgegen
bringt und die zur Übernahme der anfallenden Aufgaben als Bevollmächtigter
des Betroffenen bereit und in der Lage ist.
BGH, Beschluss vom 23. September 2015 - XII ZB 225/15 - LG Hanau
AG Gelnhausen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. September 2015 durch
den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter,
Dr. Botur und Guhling

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 23. April 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Wert: 5.000 €

Gründe:

I.

1
Der Betroffene wendet sich dagegen, dass Amts- und Landgericht ihm die Bestellung eines Betreuers versagt haben.
2
Auf Anregung des Vollstreckungsgerichts ist für den im Jahre 1950 geborenen Betroffenen ein Betreuungsverfahren eingeleitet worden, weil sich im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens Hinweise auf eine psychische Erkrankung des Betroffenen mit Suizidgefahr ergeben hatten. Der Betroffene hat auch selbst die Einrichtung einer Betreuung beantragt und zur Begründung ausgeführt, er sei insbesondere nicht in der Lage, seine finanziellen Angelegenheiten selbst zu erledigen.
3
Der von Vollstreckungsgericht und Betreuungsgericht beauftragte sozialpsychiatrische Dienst hat in einem amtsärztlichen Gutachten eine depressive Symptomatik diagnostiziert, derentwegen der Betroffene mit der Regelung seiner finanziellen und schriftlichen Angelegenheiten überfordert sei. Er sei aber zur Vollmachterteilung sowie dazu in der Lage, seinen Willen unbeeinflusst von dieser Beeinträchtigung zu bilden.
4
Das Amtsgericht hat die Bestellung eines Betreuers abgelehnt, weil der Betroffene sich erforderliche Hilfen durch Erteilung einer (Vorsorge-)Vollmacht beschaffen könne. Die Beschwerde des Betroffenen ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtet sich seine Rechtsbeschwerde.

II.

5
Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht statthafte (Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 519/13 - FamRZ 2014, 652 Rn. 8) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
6
1. Das Beschwerdegericht hat unter Bezugnahme auf die amtsgerichtliche Entscheidung zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Betroffene leide zwar an einer depressiven Episode. Er sei aber unbeschränkt geschäftsfähig und in der Lage, eine (Vorsorge-)Vollmacht zu erteilen. Von der Möglichkeit, eine Vollmacht zu erteilen, habe er im Übrigen sowohl im Betreuungsverfahren als auch im Zwangsversteigerungsverfahren Gebrauch gemacht. Gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB sei die Einrichtung einer gesetzlichen Be- treuung nicht erforderlich, wenn ein Betroffener geschäftsfähig sei, Vollmachten erteilen und sich alternative Hilfen beschaffen könne. So liege es hier. Der Betroffene vermöge einer Person seines Vertrauens eine Vollmacht in den Angelegenheiten zu erteilen, die er selbst nicht erledigen könne. Dass eine solche Person nicht zur Verfügung stehe, sei nicht hinreichend dargetan. Der Vortrag, die Familienangehörigen hätten im Hinblick auf die damit verbundene Verantwortung Bedenken geäußert, sei jedenfalls nicht ausreichend.
7
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand
8
a) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts , wonach gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB die Betreuung nicht erforderlich ist, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten oder durch andere Hilfen ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Daher erübrigt sich eine Betreuungsanordnung jedenfalls dann, wenn der Betroffene noch in der Lage ist, eine Person seines Vertrauens mit der Wahrnehmung der Angelegenheiten zu beauftragen und ein besonderes Bedürfnis für die mit der Betreuung verbundene gerichtliche Kontrolle nicht ersichtlich ist (Senatsbeschluss vom 21. November 2013 - XII ZB 481/12 - FamRZ 2014, 294 Rn. 11 mwN).
9
b) Die Annahme des Beschwerdegerichts, nach diesen Maßstäben sei eine Betreuung im vorliegenden Fall nicht erforderlich, hat hingegen keinen Bestand.
10
aa) Nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen leidet der Betroffene jedenfalls unter einer psychischen Krankheit im Sinne des § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB, aufgrund derer er zumindest teilweise nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten zu besorgen. Er ist allerdings nach wie vor geschäftsfähig und damit in rechtlicher Hinsicht imstande, Vollmachten zu erteilen.
11
Die von der Rechtsbeschwerde hiergegen geltend gemachten Verfahrensrügen greifen nicht durch. Insbesondere gehen die auf § 280 FamFG gestützten , gegen das amtsärztliche Gutachten und dessen Verwertung geführten Angriffe der Rechtsbeschwerde schon deshalb ins Leere, weil der Anwendungsbereich dieser Vorschrift mangels Bestellung eines Betreuers oder Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nicht eröffnet war. Auch ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 26 FamFG liegt insoweit nicht vor. Die von der Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang angeführten Umstände führen nicht dazu, dass das Beschwerdegericht zur Frage der Geschäftsfähigkeit weitere Ermittlungen hätte anstellen müssen.
12
bb) Das Beschwerdegericht hat aber zu Unrecht von der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen und der daraus folgenden Möglichkeit, eine (Vorsorge-) Vollmacht zu erteilen, darauf geschlossen, dass es an einem Betreuungsbedarf fehlt.
13
Ist ein Betroffener in der von § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB erfassten Art und Weise an der eigenverantwortlichen Erledigung seiner Angelegenheiten ganz oder teilweise gehindert und liegt ein Betreuungsbedürfnis vor, kann die Erforderlichkeit der Betreuung nur dann gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB verneint werden, wenn konkrete Alternativen im Sinne dieser Vorschrift bestehen. Daher ist das Vorliegen der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen und die damit einhergehende rechtliche Möglichkeit der Bevollmächtigung nicht ausreichend. Vielmehr muss es auch tatsächlich mindestens eine Person geben, welcher der Betroffene das für eine Vollmachterteilung erforderliche Vertrauen entgegen bringt und die zur Übernahme der anfallenden Aufgaben als Bevollmächtigter bereit und in der Lage ist.
14
Hierzu fehlt es - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - an ausreichenden tatrichterlichen Feststellungen. Der amtsgerichtliche Beschluss erwähnt zwar die "Familienangehörigen", ohne sich aber zum Vertrauensverhältnis , zur Eignung als Bevollmächtigte und dazu zu verhalten, ob sie als solche zur Verfügung stehen würden. Das Beschwerdegericht wiederum beschränkt sich insoweit auf den Hinweis, das Fehlen einer zu bevollmächtigenden Person sei "nicht hinreichend dargetan". Dabei geht es offensichtlich unzutreffend von einer entsprechenden Vortragslast des die Betreuung beantragenden Betroffenen aus und verkennt damit grundlegend die aus § 26 FamFG folgende Verpflichtung des Gerichts, von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.
15
3. Die Sache ist gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG zur Nachholung der bislang unterbliebenen Feststellungen an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
16
4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
Dose Klinkhammer Günter Botur Guhling
Vorinstanzen:
AG Gelnhausen, Entscheidung vom 14.01.2015 - 76 XVII 507/14 -
LG Hanau, Entscheidung vom 23.04.2015 - 3 T 60/15 -
14
Im Gegensatz zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung verlangt die zivilrechtliche Unterbringung durch einen Betreuer keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betreuten. Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Betreuten (BT-Drucks. 11/4528 S. 146; Staudinger/Bienwald BGB (2006) § 1906 Rdn. 23; Jürgens/Marschner Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1906 BGB Rdn. 13). Der Grad der Gefahr ist in Relation zum möglichen Schaden ohne Vornahme der freiheitsentziehenden Maßnahme zu bemessen (Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1906 Rdn. 91). Die Gefahr für Leib oder Leben setzt kein zielgerichtetes Verhalten des Betreuten voraus, so dass auch eine völlige Verwahrlosung ausreichen kann, wenn damit eine Gesundheitsgefahr durch körperliche Verelendung und Unterversorgung verbunden ist (BT-Drucks. 11/4528 S. 146; BayObLG FamRZ 1993, 998; OLG München BtPrax 2006, 105; MünchKomm/Schwab BGB 5. Aufl. § 1906 Rdn. 16; Staudinger/Bienwald BGB (2006) § 1906 Rdn. 23). Das setzt allerdings objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens voraus (Bamberger/Roth/ Müller BGB 2. Aufl. § 1906 Rdn. 9). Die Genehmigung einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB muss zudem erforderlich sein (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866, 867). Wenn die Gefahr durch andere Mittel als die freiheitsentziehende Unterbringung abgewendet werden kann, kommt eine Unterbringung als unverhältnismäßig nicht in Betracht (MünchKomm/Schwab BGB 5. Aufl. § 1906 Rdn. 18; Staudinger/ Bienwald BGB (2006) § 1906 Rdn. 25).
10
Wie der Senat ebenfalls dargelegt hat, verlangt diese Vorschrift - im Gegensatz zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung - keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betreuten. Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für dessen Leib und Leben (Senatsbeschluss vom 13. Januar 2010 - XII ZB 248/09 - FamRZ 2010, 365 Tz. 14), wobei die Anforderungen an die Voraussehbarkeit einer Selbsttötung oder einer erheblichen gesundheitlichen Eigenschädigung jedoch nicht überspannt werden dürfen. Die Prognose ist im Wesentlichen Sache des Tatrichters (Senatsbeschluss vom 13. Januar 2010 - XII ZB 248/09 - FamRZ 2010, 365 Tz. 14).

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Wird infolge eines gerichtlichen Verfahrens eine Tätigkeit des Familien- oder Betreuungsgerichts erforderlich, hat das Gericht dem Familien- oder Betreuungsgericht Mitteilung zu machen.

(2) Im Übrigen dürfen Gerichte und Behörden dem Familien- oder Betreuungsgericht personenbezogene Daten übermitteln, wenn deren Kenntnis aus ihrer Sicht für familien- oder betreuungsgerichtliche Maßnahmen erforderlich ist, soweit nicht für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass schutzwürdige Interessen des Betroffenen an dem Ausschluss der Übermittlung das Schutzbedürfnis eines Minderjährigen oder Betreuten oder das öffentliche Interesse an der Übermittlung überwiegen. Die Übermittlung unterbleibt, wenn ihr eine besondere bundes- oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelung entgegensteht.

(1) Vor einer Unterbringungsmaßnahme hat eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige hat den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Das Gutachten soll sich auch auf die voraussichtliche Dauer der Unterbringungsmaßnahme erstrecken. Der Sachverständige soll Arzt für Psychiatrie sein; er muss Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein. Bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung soll der Sachverständige nicht der zwangsbehandelnde Arzt sein.

(2) Für eine freiheitsentziehende Maßnahme nach § 312 Nummer 2 oder 4 genügt ein ärztliches Zeugnis.

(1) Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob es die entscheidungserheblichen Tatsachen durch eine förmliche Beweisaufnahme entsprechend der Zivilprozessordnung feststellt.

(2) Eine förmliche Beweisaufnahme hat stattzufinden, wenn es in diesem Gesetz vorgesehen ist.

(3) Eine förmliche Beweisaufnahme über die Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung soll stattfinden, wenn das Gericht seine Entscheidung maßgeblich auf die Feststellung dieser Tatsache stützen will und die Richtigkeit von einem Beteiligten ausdrücklich bestritten wird.

(4) Den Beteiligten ist Gelegenheit zu geben, zum Ergebnis einer förmlichen Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, soweit dies zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur Gewährung rechtlichen Gehörs erforderlich ist.

Die schriftliche Begutachtung kann durch die Verwertung eines gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem anderen Verfahren ersetzt werden.

(1) Vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts hat eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige soll Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein.

(2) Der Sachverständige hat den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Das Ergebnis einer Anhörung nach § 279 Absatz 2 Satz 2 hat der Sachverständige zu berücksichtigen, wenn es ihm bei Erstellung seines Gutachtens vorliegt.

(3) Das Gutachten hat sich auf folgende Bereiche zu erstrecken:

1.
das Krankheits- oder Behinderungsbild einschließlich dessen Entwicklung,
2.
die durchgeführten Untersuchungen und die diesen zugrunde gelegten Forschungserkenntnisse,
3.
den körperlichen und psychischen Zustand des Betroffenen,
4.
den aus medizinischer Sicht aufgrund der Krankheit oder Behinderung erforderlichen Unterstützungsbedarf und
5.
die voraussichtliche Dauer der Maßnahme.

(1) Vor einer Unterbringungsmaßnahme hat eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige hat den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Das Gutachten soll sich auch auf die voraussichtliche Dauer der Unterbringungsmaßnahme erstrecken. Der Sachverständige soll Arzt für Psychiatrie sein; er muss Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein. Bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung soll der Sachverständige nicht der zwangsbehandelnde Arzt sein.

(2) Für eine freiheitsentziehende Maßnahme nach § 312 Nummer 2 oder 4 genügt ein ärztliches Zeugnis.

11
Im Rahmen der Einrichtung einer Betreuung "soll" der Sachverständige Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Psychiatrie sein. Nur bei psychischen Krankheiten oder geistig-seelischen Behinderungen "ist grundsätzlich" ein Facharzt für Psychiatrie oder Neurologie zu beauftragen, zumindest aber ein in der Psychiatrie erfahrener Arzt (zum früheren Recht vgl. OLG Brandenburg Beschluss vom 16. Januar 2007 - 11 Wx 66/06 - juris Rn. 7; BayObLG FamRZ 1993, 351, 352). Der Gesetzgeber hat insoweit bewusst eine Sollvorschrift gewählt, um anderen Erkrankungen Rechnung zu tragen, die nicht lediglich aus psychiatrischer Sicht beurteilt werden können. In solchen Fällen sind eine Facharztausbildung oder Erfahrungen auf dem Gebiet der Psychiatrie nicht zwingend erforderlich. Dabei unterscheidet sich diese Vorschrift von § 321 Abs. 1 Satz 4 FamFG, wonach der Gutachter im Rahmen einer Unterbringung Arzt für Psychiatrie sein soll und jedenfalls Erfahrungen auf dem Gebiet der Psychiatrie haben "muss" (vgl. Senatsbeschluss vom 15. September 2010 - XII ZB 383/10 - FamRZ 2010, 1726 Rn. 13 ff.). Im Hinblick auf das vorliegende hirnorganische Psychosyndrom des Betroffenen mit massiver Störung des Kurzzeitgedächtnisses erfüllt der beauftragte Amtsarzt deswegen die Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Satz 2 FamFG.
8
b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts entfällt die Schutzbedürftigkeit der Schuldnerin nicht deshalb, weil sie "ihre psychische Erkrankung und eine daraus resultierende Selbstmordgefährdung hinnimmt". Eine solche Sichtweise wird dem in Art. 2 Abs. 2 GG enthaltenen Gebot zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nicht gerecht. Die Unfähigkeit, aus eigener Kraft oder mit zumutbarer fremder Hilfe die Konfliktsituation situationsangemessen zu bewältigen, verdient auch dann Beachtung, wenn ihr kein Krankheitswert zukommt (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - V ZB 215/09, NJW-RR 2011, 423 Rn. 9). Erst recht gilt dies, wenn die Passivität , was hier in Betracht kommt, Teil des Krankheitsbildes ist. Sie enthebt das Vollstreckungsgericht deshalb nicht von der notwendigen umfassenden, an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Würdigung der Gesamtumstände , die sowohl den dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechten als auch den gewichtigen, ebenfalls grundrechtlich geschützten Interessen der anderen Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens Rechnung trägt. Im Rahmen dieser Abwägung ist zugleich zu prüfen, ob der Gefahr für das Leben des Schuldners auf andere Weise als durch die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses und eine vorübergehende Einstellung der Zwangsvollstreckung begegnet werden kann (vgl. BVerfG, NJW-RR 2012, 393, 395 Rn. 52).

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

17
2. Da aus dem Zuschlagsbeschluss schon vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Aussetzung der Vollstreckung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts gemäß §§ 575 Abs. 5, 570 Abs. 3 ZPO auszusprechen (Se- nat, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10, NJW-RR 2011, 421, 423). Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub

In der Zwangsversteigerung bestimmt sich der Gegenstandswert

1.
bei der Vertretung des Gläubigers oder eines anderen nach § 9 Nummer 1 und 2 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung Beteiligten nach dem Wert des dem Gläubiger oder dem Beteiligten zustehenden Rechts; wird das Verfahren wegen einer Teilforderung betrieben, ist der Teilbetrag nur maßgebend, wenn es sich um einen nach § 10 Absatz 1 Nummer 5 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung zu befriedigenden Anspruch handelt; Nebenforderungen sind mitzurechnen; der Wert des Gegenstands der Zwangsversteigerung (§ 66 Absatz 1, § 74a Absatz 5 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung), im Verteilungsverfahren der zur Verteilung kommende Erlös, sind maßgebend, wenn sie geringer sind;
2.
bei der Vertretung eines anderen Beteiligten, insbesondere des Schuldners, nach dem Wert des Gegenstands der Zwangsversteigerung, im Verteilungsverfahren nach dem zur Verteilung kommenden Erlös; bei Miteigentümern oder sonstigen Mitberechtigten ist der Anteil maßgebend;
3.
bei der Vertretung eines Bieters, der nicht Beteiligter ist, nach dem Betrag des höchsten für den Auftraggeber abgegebenen Gebots, wenn ein solches Gebot nicht abgegeben ist, nach dem Wert des Gegenstands der Zwangsversteigerung.