Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Feb. 2016 - VII ZB 36/15
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Februar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, die Richter Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack und Wimmer
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Beklagte war vom 5. Mai 2008 bis zum 9. Oktober 2009 als selbständiger Handelsvertreter für die Klägerin tätig und vermittelte für diese Anträge auf Versicherungen. Für vermittelte Anträge wurden dem Beklagten Abschlussprovisionen gewährt. Wegen zahlreicher Vertragsstornierungen macht die Klägerin nach Beendigung des Vertrages die Rückzahlung vorschussweise gezahlter Handelsvertreterprovisionen im Umfang von 22.295,69 € geltend.
- 2
- Der Beklagte ist durch Versäumnisurteil des Landgerichts vom 22. September 2014 antragsgemäß zur Zahlung verurteilt worden. Nach rechtzeitigem Einspruch des Beklagten hat das Landgericht mit Urteil vom 23. März 2015, das dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten noch am gleichen Tag zugestellt worden ist, das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Mit am 20. April 2015 eingegangenem Schriftsatz hat der Beklagte gegen das Urteil des Landgerichts vom 23. März 2015 Berufung eingelegt. Bis zum Ablauf des 26. Mai 2015 (Dienstag nach Pfingsten) ist keine Berufungsbegründungsschrift zur Akte gelangt. Nach einem Hinweis des Gerichts vom 29. Mai 2015 hat der Beklagte mit am 5. Juni 2015 eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und die Berufung mit einem am 9. Juni 2015 eingegangenen Schriftsatz begründet.
- 3
- Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat der Beklagte ausgeführt , die Fristenkontrolle bei seinem Prozessbevollmächtigten sei so organisiert , dass Notfristen von diesem selbst vermerkt und kontrolliert und im Anwaltskalender eingetragen würden. Der 26. Mai 2015 sei hier im Fristenkalender als Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingetragen worden, ebenso eine Vorfrist von einer Woche. Da dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten die Erstellung der Berufungsbegründung binnen der laufenden Frist wegen hoher anderweitiger Arbeitsbelastung nicht möglich gewesen sei, habe er am 22. Mai 2015 die ausgebildete und zuverlässige Mitarbeiterin R., welche seit mehr als 15 Jahren beanstandungslos als ausgebildete Kraft tätig sei, beauftragt , einen Fristverlängerungsantrag für die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu fertigen und diesen zur Versendung vorab per Telefax mit der Akte zur Unterschrift vorzulegen. Dem sei die Mitarbeiterin auch nachgekommen. Wie in Fristsachen üblich sei die Mitarbeiterin R. sodann vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten beauftragt worden, den unterschriebenen Schriftsatz unmittelbar nach der Unterzeichnung per Telefax zu versenden und diesen nach Kontrolle des Sendeberichts unmittelbar in den Postlauf zu geben. Die Mitarbeiterin R. habe die Akte, nachdem der Antrag vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten unterschrieben gewesen sei, mit diesem Auftrag mitgenommen. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten habe daraufhin die Frist im Fristenkalender gestrichen und parallel zur Wiedervorlage eine Kontrollfrist über die verfügte Fristverlängerung eingetragen. Die Mitarbeiterin habe jedoch entgegen der erteilten Weisung und der üblichen Vorgehensweise bei der Versendung von Fristsachen den unterschriebenen Schriftsatz mit dem Fristverlängerungsgesuch weder per Telefax an das Berufungsgericht versandt noch diesen in den Postlauf gegeben. Das Versehen sei erst nach Wiedervorlage der Akte zur Kontrollfrist aufgefallen. Bei der Mitarbeiterin R. handele es sich um eine geschulte und zuverlässige Bürokraft, wie die regelmäßigen und üblichen Kontrollen des Prozessbevollmächtigten des Beklagten ergeben hätten. Sie habe ihre Aufgaben insbesondere zum dargestellten Fax- und Postversand in Fristsachen stets sorgfältig und fehlerlos ausgeführt.
- 4
- Mit Beschluss vom 16. Juni 2015 hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass im Falle der Fristwahrung durch ein Telefaxschreiben die Frist erst gelöscht werden dürfe, wenn eine Eingangsbestätigung des Empfängers oder ein vom Absendegerät ausgedrucktes Sendeprotokoll vorliege. Diese organisatorischen Anforderungen seien im vorliegenden Fall nicht eingehalten worden. Denn der Beklagtenvertreter habe die notierte Berufungsbegründungsfrist in seinem Kalender bereits gestrichen, nachdem er seiner Mitarbeiterin die Akte zur weiteren Veranlassung übergeben gehabt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet gewesen, dass diese die Anweisung zur unverzüglichen Versendung des Schriftsatzes befolgen würde. Der Beklagtenvertreter hätte sich vielmehr vor Streichung der Frist von seiner Mitarbeiterin - sei es mündlich oder durch einen schriftlichen Vermerk - bestätigen lassen müssen, dass das Telefax versandt worden sei und ein Sendeprotokoll darüber vorliege.
- 5
- Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten. Er macht geltend, der angefochtene Beschluss verletze ihn in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip), weil das Berufungsgericht die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Büroorganisation zur Wahrung von Fristen überspannt habe. Das Berufungsgericht habe außerdem den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, weil es entscheidungserhebliches Vorbringen des Beklagten zur beabsichtigten Postversendung des Schriftsatzes nicht in seine Erwägungen einbezogen habe.
II.
- 6
- 1. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Der angefochtene Beschluss verletzt weder den Anspruch des Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz noch auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
- 7
- 2. Der Beklagte war nicht ohne sein Verschulden gehindert, die Frist für die Berufungsbegründung einzuhalten. Sein Prozessbevollmächtigter hat diese Frist schuldhaft versäumt; dessen Verschulden muss sich der Beklagte gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
- 8
- a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Prozessbevollmächtigte in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hinausgehen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 - VI ZB 42/13, NJW-RR 2015, 442 Rn. 8; Beschluss vom 28. Februar 2013 - I ZB 75/12, NJWRR 2013, 1008 Rn. 6; Beschluss vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, NJW-RR 2012, 427 Rn. 9; Beschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 177/10, NJW 2011, 385 Rn. 9 und Beschluss vom 26. Januar 2006 - I ZB 64/05, NJW 2006, 1519 Rn. 9). Bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax kommt der Rechtsanwalt seiner Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, nur dann nach, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2013 - XII ZB 115/13, NJW-RR 2013, 1328 Rn. 6; Beschluss vom 28. Februar 2013 - I ZB 75/12, aaO; Beschluss vom 7. Juli 2010 - XII ZB 59/10, NJW-RR 2010, 1648 Rn. 12; Beschluss vom 26. Januar 2006 - I ZB 64/05, aaO).
- 9
- b) Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat die Versäumung der Frist schuldhaft verursacht, indem er die Frist zur Berufungsbegründung im Kalender als erledigt vermerkte, ohne sichergehen zu können, dass die Einhaltung der Frist in der dargelegten Weise ausreichend kontrolliert worden war. Der Rechtsanwalt kann zwar die Ausgangskontrolle auf zuverlässiges Büropersonal übertragen und braucht sie nicht selbst vorzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2014 - VI ZB 45/13, NJW-RR 2014, 634 Rn. 7; Beschluss vom 11. Februar 2009 - IV ZB 26/08, NJW-RR 2009, 785 Rn. 7; Beschluss vom 26. Januar 2006 - I ZB 64/05, NJW 2006, 1519 Rn. 10; Beschluss vom 23. März 1995 - VII ZB 19/94, NJW 1995, 2105, 2106, juris Rn. 9). Übernimmt er sie aber im Einzelfall selbst, muss er auch selbst für eine wirksame Ausgangskontrolle Sorge tragen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2009 - IV ZB 26/08, aaO Rn. 7; Beschluss vom 26. Januar 2006 - I ZB 64/05, aaO Rn. 10). Hierzu gehört , dass sich der Prozessbevollmächtigte vor Löschung der Frist im Fristenkalender darüber Klarheit verschafft, dass ein ordnungsgemäßes Sendeprotokoll und eine Empfangsbestätigung vorliegen. Indem der Prozessbevollmächtigte des Beklagten dies unterließ, bevor er die Erledigung im Fristenkalender vermerkte , war seine Ausgangskontrolle unzureichend (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2009 - IV ZB 26/08, aaO Rn. 8; Beschluss vom 26. Januar 2006 - I ZB 64/05, aaO Rn. 11).
- 10
- 3. Dass der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 22. Mai 2015 nicht noch am selben Tag mit der Post an das Berufungsgericht versandt worden ist, was nach dem Vorbringen des Beklagten bei üblichem Postlauf für einen rechtzeitigen Eingang bei Gericht vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ausgereicht hätte, beruht ebenfalls auf einem dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbaren Verschulden seines Prozessbevollmächtigten. Dieser hat keine ausreichenden Sicherungsvorkehrungen dafür getroffen, dass der von ihm unterschriebene Schriftsatz vom 22. Mai 2015 mit dem Antrag auf Fristverlängerung noch am selben Tag per Post an das Berufungsgericht versandt wurde.
- 11
- a) Welche organisatorischen Maßnahmen der Prozessbevollmächtigte des Beklagten getroffen hatte, um den Postausgang im Allgemeinen zuverlässig sicherzustellen, hat der Beklagte nicht dargelegt. Auf die allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen einer Kanzlei für die Ausgangskontrolle kommt es allerdings dann nicht an, wenn im Einzelfall eine konkrete Anweisung erteilt wird, die bei Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013 - XII ZB 47/10, NJW-RR 2013, 1393 Rn. 12; Beschluss vom 22. Januar 2013 - VIII ZB 46/12, NJW-RR 2013, 699 Rn. 13; Beschluss vom 10. Dezember 2008 - XII ZB 132/08 Rn. 15). Eine den Anforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle von fristwahrenden Schriftsätzen genügende konkrete Anweisung liegt ebenfalls nicht vor. Die vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten der Mitarbeiterin R. erteilte Weisung, den Schriftsatz vom 22. Mai 2015 unmittelbar in den Postauslauf zu geben, nachdem dieser vorab per Telefax an das Berufungsgericht übermittelt worden war, machte eine Ausgangskontrolle nicht entbehrlich (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2013 - I ZB 75/12, NJW-RR 2013, 1008 Rn. 8; Beschluss vom 15. Juni 2011 - XII ZB 572/10, NJW 2011, 2367 Rn. 13 und Beschluss vom 26. Januar 2006 - I ZB 64/05, NJW 2006, 1519 Rn. 10 m.w.N.).
- 12
- b) Grundsätzlich darf ein Rechtsanwalt allerdings darauf vertrauen, dass ausgebildetes Büropersonal, das sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Er ist deshalb im Allgemeinen nicht verpflichtet , sich anschließend zu vergewissern, ob eine erteilte Weisung auch ausgeführt worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 189/07, NJW 2008, 2589 Rn. 12; Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04, NJW-RR 2004, 1361, 1362, juris Rn. 4 m.w.N.). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Betrifft die Einzelanweisung einen so wichtigen Vorgang wie die Absendung eines Fristverlängerungsantrags zur Wahrung der Frist zur Begründung eines Rechtsmittels und wird sie nur mündlich erteilt, müssen ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen worden sein oder werden , dass die Anweisung nicht in Vergessenheit gerät und die Absendung unterbleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013 - XII ZB 47/10, NJW-RR 2013, 1393 Rn. 12; Beschluss vom 15. Mai 2012 - VI ZB 27/11, NJW-RR 2013, 179 Rn. 12; Beschluss vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11, NJW 2012, 1591 Rn. 31; Beschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 189/07, aaO Rn. 13 m.w.N.). Hierzu genügt es regelmäßig, wenn die Anweisung hinreichend klar und präzise ist und das Büropersonal aufgefordert wird, den Auftrag sofort vor allen anderen Aufgaben zu erledigen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 2009 - XII ZB 150/08, FamRZ 2009, 1132 Rn. 20; Beschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 189/07, aaO Rn. 14; Beschluss vom 15. November 2007 - IX ZB 219/06, NJW 2008, 526 Rn. 12). Der Rechtsanwalt muss, wenn er nicht die sofortige Ausführung seiner Anweisung anordnet, durch allgemeine Weisung oder besonderen Auftrag Vorkehrungen gegen das Vergessen treffen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2007 - IX ZB 219/06, aaO; Beschluss vom 4. April 2007 - III ZB 85/06, NJW-RR 2007, 1430 Rn. 9). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
- 13
- aa) Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass sein Prozessbevollmächtigter der Mitarbeiterin R. die Weisung gegeben hatte, den von diesem unterschriebenen Schriftsatz mit dem Fristverlängerungsgesuch sofort und vor allen anderen Aufgaben in den Postausgang zu geben. Die Mitarbeiterin war nach dem Vorbringen des Beklagten vielmehr angewiesen worden, diesen Schriftsatz zunächst per Telefax an das Berufungsgericht zu versenden und ihn erst anschließend zur Post zu geben. Dass weitergehende Vorkehrungen dagegen getroffen worden sind, dass die der Mitarbeiterin R. mündlich erteilte Weisung, den Schriftsatz in den Postlauf zu geben, nicht in Vergessenheit geriet, hat der Beklagte nicht dargelegt. Den Anforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle ist danach nicht genügt.
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- bb) Es fehlt darüber hinaus auch an einer hinreichend konkreten und präzisen Einzelweisung. Der der Mitarbeiterin R. erteilte Auftrag, den Schriftsatz vom 22. Mai 2015 in den Postauslauf zu geben, lässt nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, wie das Schriftstück zuverlässig auf den Postweg zu bringen war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Prozessbevollmächtigter dafür sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei Gericht eingeht. Im Rahmen der dafür erforderlichen Fristenkontrolle muss durch organisatorische Maßnahmen gewährleistet sein, dass für den Postversand vorgesehene Schriftstücke zuverlässig auf den Postweg gebracht werden. Das ist im Allgemeinen nur dann der Fall, wenn durch die Kanzleiorganisation sichergestellt wird, dass der fristwahrende Schriftsatz in ein Postausgangsfach der Kanzlei als "letzter Station auf dem Weg zum Adressaten" eingelegt und von dort unmittelbar zum Briefkasten gebracht wird. Eine zusätzliche Ausgangskontrolle ist dann entbehrlich (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 12. April 2011 - VI ZB 6/10, NJW 2011, 2051 Rn. 7; Beschluss vom 5. Februar 2003 - IV ZB 34/02, NJW-RR 2003, 862, juris Rn. 5; Urteil vom 11. Januar 2001 - III ZR 148/00, NJW 2001, 1577, 1578, juris Rn. 7). Eine Weisung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten gegenüber der Mitarbeiterin R. dahingehend, dass der Schriftsatz entsprechend diesen Vorgaben postfertig gemacht werden solle, hat der Beklagte nicht dargelegt.
III.
- 15
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Vorinstanzen:
LG Limburg, Entscheidung vom 23.03.2015 - 2 O 49/11 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 16.06.2015 - 6 U 72/15 -
Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Feb. 2016 - VII ZB 36/15
Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Feb. 2016 - VII ZB 36/15
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Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Feb. 2016 - VII ZB 36/15 zitiert oder wird zitiert von 27 Urteil(en).
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Die Klägerin hat die Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls auf Schadensersatz in Höhe von 1.677,93 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 2. Juni 2003 zugestellt worden. Am 20. Juni 2003 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung endete am Montag, dem 4. August 2003. Die Berufungsbegründung ist per Fax am 5. August 2003 eingegangen. Auf gerichtlichen Hinweis hat die Klägerin am 15. August 2003 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Landgericht den Antrag im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, die Klägern habe nicht dargetan, daß im Büroihres Prozeßbevollmächtigten eine zuverlässige Ausgangskontrolle für fristgebundene Schriftsätze stattgefunden habe. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 238 Abs. 2 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordern. Die Rechtsfragen, die der Streitfall aufwirft, sind höchstrichterlich geklärt. Eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt nicht vor. 1. Die Rechtsbeschwerde wendet sich nicht gegen die Erwägungen des Beschwerdegerichts hinsichtlich einer unzureichenden Ausgangskontrolle im Büro des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin. Sie meint jedoch, dieser Gesichtspunkt stehe nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorliegend der Wiedereinsetzung deswegen nicht entgegen, weil der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin seiner - qualifizierten und zuverlässigen - Kanzleiangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilt habe, deren Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Dies habe das Beschwerdegericht verkannt. 2. Richtig ist, daß ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen darf, daß eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Er ist deshalb im allgemeinen nicht verpflichtet , sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1987 - VI ZR 43/87 - VersR 1988, 185 f.;Senatsbeschlüsse vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02 - VersR 2003, 1462 und vom 9. Dezember 2003 - VI ZB 26/03 - MDR 2004, 477; BGH, Beschluß vom 13. April 1997 - XII ZB 56/97 - NJW 1997, 1930). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Betrifft die Anweisung z.B. einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, daß die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt. In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (Senatsbeschlüsse vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - VersR 2003, 1459 und vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688; v. Pentz, NJW 2003, 858, 863 f.). Ein solcher Organisationsfehler ist auch im vorliegenden Fall ursächlich dafür, daß die Berufungsbegründung nicht rechtzeitig per Fax an das Berufungsgericht übermittelt worden ist. Ebenso wie die nur mündlich angeordnete Eintragung einer Rechtsmittelfrist schlichtweg vergessen werden kann und deswegen eine besondere Kontrolle erfordert, kann im Einzelfall auch die Gefahr bestehen, daß die nur mündlich angeordnete Absendung eines Schriftsatzes in Vergessenheit gerät. Ein solcher Fall ist hier gegeben, weil der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin die Anweisung, die Berufungsbegründung per Fax an das Landgericht zu senden, seiner Büroangestellten schon am Vormittag erteilt hatte, ohne dabei aber eine unverzügliche Ausführung zu verlangen. Für den Fall, daß die Absendung am Vormittag unterblieb, bestand die nicht fernliegende Gefahr, daß die Angestellte die Anweisung nach ihrer Mittagspause vergessen könnte. Ein solches Versehen kann auch einer ansonsten stets zuverlässigen Bürokraft unterlaufen. Deswegen hätte der Prozeßbevollmächtigte hier, um seiner Sorgfaltspflicht zu genügen, die klare und präzise Anweisung (vgl. BGH, Beschluß vom 31. Mai 2000 - V ZB 57/99 - NJW-RR 2001, 209) erteilen müssen, die Berufungsbegründung umgehend, jedenfalls aber noch am
Vormittag abzusenden. Sah er davon ab, gereicht ihm zum Verschulden, daß er keine Vorkehrungen dagegen getroffen hat, die Ausführung seiner Anweisung auf andere Weise sicherzustellen oder zu kontrollieren. Gemäß § 85 Abs. 2 ZPO muß sich die Klägerin dieses Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten zurechnen lassen. Das Beschwerdegericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mithin zu Recht zurückgewiesen. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen :
Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gewährt.
Beschwerdewert : 2.118,68
Gründe :
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten, ihren Versicherungsnehmer, nach Regulierung eines Haftpflicht-Schadensfalles wegen einer angeblichen Obliegenheitsverletzung in Höhe von 2.109,48 in Regreß. Das Amtsgericht hat den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin sein klagabweisendes Urteil am 30. April 2002 zugestellt. Am 29. Mai 2002 hat die Klägerin dagegen Berufung eingelegt. Unter dem 22. Juli 2002 hat das Landgericht den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin mit-
geteilt, die Frist zur Begründung der Berufung sei abgelaufen. Mit zwei am 30. Juli 2002 bei Gericht eingegangenen Schriftsätzen ist daraufhin die Berufung begründet und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begründungsfrist beantragt worden.
Die Klägerin stützt ihr Wiedereinsetzungsgesuch darauf, der ursprüngliche Berufungsbegründungsschriftsatz sei verloren gegangen. Die Sekretärin des Sachbearbeiters im Büro ihrer Prozeßbevollmächtigten habe die Berufungsbegründung am 28. Juni 2002 geschrieben, sie sodann dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt zur Unterschrift vorgelegt und daran anschließend persönlich dafür gesorgt, daß der frankierte Brief in den Postausgang gekommen sei. Der Brief sei noch am selben Tag zur Post gebracht worden, er sei nicht in der Rechtsanwaltskanzlei verblieben. Am Abend des 28. Juni 2002 habe keine Post mehr im Postausgang gelegen.
Mit Beschluß vom 20. September 2002 hat das Landgericht die Berufung verworfen und das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin zurückgewiesen. Es geht zwar davon aus, die Klägerin habe ihren Sachvortrag durch eine entsprechende eidesstattliche Versicherung der Anwaltssekretärin glaubhaft gemacht. Wiedereinsetzung sei gleichwohl zu versagen, weil die Sekretärin den Brief unstreitig nicht eigenhändig zur Post gebracht habe und damit der weitere Verbleib des Schreibens nach dem Einlegen in das Postausgangsfach der Kanzlei offen bleibe. Den erforderlichen "Nachweis", daß der Brief wirklich in den ordnungsgemäßen Postlauf gelangt sei, habe die Klägerin nicht erbracht.
II. Die dagegen gerichtete, gemäß den §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO n.F. statthafte Rechtsbeschwerde (zur Statthaftigkeit auch bei Gegenstandswerten von weniger als 20.000 vgl. BGH, Beschluß vom 4. September 2002 - VIII ZB 23/02 - NJW 2002, 3783 unter II.1) des Beklagten ist zulässig.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muß ein Prozeßbevollmächtigter dafür sorgen, daß ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei Gericht eingeht. Im Rahmen der dafür erforderlichen Fristenkontrolle (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. Januar 2001 - III ZR 148/00 - NJW 2001, 1577 = VersR 2002, 380 unter II 1 m.w.N.) muß durch organisatorische Maßnahmen auch gewährleistet sein, daß für den Postversand vorgesehene Schriftstücke zuverlässig auf den Postweg gebracht werden. Das ist im allgemeinen dann der Fall, wenn durch die Kanzleiorganisation sichergestellt wird, daß der fristwahrende Schriftsatz in ein Postausgangsfach der Kanzlei als "letzter Station auf dem Weg zum Adressaten" eingelegt und von dort unmittelbar zum Briefkasten gebracht wird. Eine zusätzliche Ausgangskontrolle ist dann entbehrlich (BGH aaO m.w.N.). Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang die allgemeine Anweisung eines Rechtsanwalts, die in einem solchen Postausgangsfach liegende Post von Mitarbeitern zweimal täglich frankieren und (ohne weiteren Zwischenschritt ) zum Briefkasten bringen zu lassen, als ausreichend angesehen (BGH aaO unter II. 2). Einen "Nachweis" dafür, daß das Schriftstück tatsächlich in den Postlauf gelangt ist, hat der Bundesgerichtshof ebensowenig gefordert wie eine - meist nicht mögliche - Darlegung, wann und wie genau ein Schriftstück verloren gegangen ist. Vielmehr genügt die Glaubhaftmachung, daß der Verlust mit großer Wahrschein-
lichkeit nicht im Bereich, für den die Partei (auch über § 85 ZPO) verantwortlich ist, eingetreten ist (BGHZ 23, 291, 293).
2. Gemessen daran hat das Berufungsgericht die Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts für die Kontrolle ausgehender fristgebundener Post überspannt. Die Anwaltssekretärin hat eidesstattlich versichert, der Schriftsatz sei noch am 28. Juni 2002 aus dem Postausgangsfach der Kanzlei zur Post gebracht worden, er sei nicht in der Kanzlei geblieben. Soweit das Berufungsgericht darüber hinaus eine Darlegung vermißt, wer den Brief zur Post gebracht habe, übersieht es, daß es insoweit um Botendienste einfachster Art geht (vgl. dazu auch BGH, Beschluß vom 3. Juli 1992 - V ZB 11/92 - BGHR ZPO § 233 Büropersonal 5), die den damit betrauten Personen keine weitergehenden eigenen Entscheidungen abverlangen und deshalb von jedermann - und insbesondere auch von Auszubildenden einer Rechtsanwaltskanzlei - geleistet werden können. Da ein mögliches Verschulden des Boten für den Verlust des
Schriftsatzes auf dem Botengang selbst der Klägerin über § 85 ZPO nicht mehr zuzurechnen wäre (BGH aaO), hat sie ausreichend glaubhaft gemacht, daß die Berufungsbegründung mit großer Wahrscheinlichkeit außerhalb ihres Verantwortungsbereichs verloren gegangen ist.
Terno Dr. Schlichting Ambrosius
Wendt Felsch
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Den Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gewährt.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagten haben gegen das der Klage auf Zahlung einer Maklerprovision stattgebende Urteil des Landgerichts rechtzeitig Berufung eingelegt. Ihre Berufungsbegründungsschrift vom 2. Dezember 1999 ist aber nicht innerhalb der bis zum 6. Dezember 1999 verlängerten Begründungsfrist, sondern erst am 7. Dezember 1999 beim Oberlandesgericht eingegangen. Nach telefonischem Hinweis auf die Verspätung haben die Beklagten fristgerecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung vorgetragen:
Der Schriftsatz vom 2. Dezember 1999 sei in den Morgenstunden dieses Tages von der Rechtsanwaltsfachangestellten W. geschrieben, für die Post vorbereitet und dem Anwalt zur Unterschrift übergeben worden. Dieser habe ihn zusammen mit den Kopien für die Mandantschaft unterzeichnet, eigenhändig kuvertiert und zu der "Poststelle" der Kanzlei gegeben. Die Einrichtung dieser Poststelle bestehe aus einer Arbeitsplatte, der Frankiermaschine und einem Behälter mit der Aufschrift "herausgehende Post". Es lägen rote DIN-C4Freistempler -Umschläge bereit, in welche die frankierte Post gesteckt werde. Täglich gingen aus der Kanzlei allein über die Deutsche Post AG ca. 50 bis 100 Briefe an verschiedene Empfänger. Es würden bis zu sechs und acht Freistempler -Umschläge an jedem Arbeitstag in einen nahegelegenen Briefkasten eingeworfen. Sechs Kanzleimitarbeiter frankierten je nach Arbeitslage die hinausgehende Post. Die Poststelle sei so gestaltet, daß keine Briefe liegenbleiben könnten. Die Post werde erstmals in den frühen Nachmittagsstunden und später noch einmal in den Abendstunden in den genannten Briefkasten eingeworfen. Demgemäß hätten auch die Beklagten die Kopien des Schriftsat-
zes am darauf folgenden Tag oder spätestens am Sonnabend erhalten. Zur Glaubhaftmachung haben sich die Beklagten auf eine eigene eidesstattliche Versicherung, auf eidesstattliche Versicherungen der Angestellten W. und ihres Prozeßbevollmächtigten sowie auf einen Ausdruck aus dem Schreibcomputer der Anwaltskanzlei bezogen.
Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen und in den Gründen seiner Entscheidung den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht führt aus: Die Beklagten hätten nicht glaubhaft gemacht, daß sie ohne ein ihnen zuzurechnendes Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten gehindert gewesen seien, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Glaubhaft gemacht sei allein, daß die Berufungsbegründung am 2. Dezember 1999 von der Mitarbeiterin W. geschrieben, zusammen mit den für die Beklagten bestimmten Kopien von dem Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet, von ihm kuvertiert und zu der Poststelle seiner Kanzlei gegeben
wurde, außerdem, daß die Beklagten den Schriftsatz am 3. oder 4. Dezember 1999 erhalten hätten. Nicht glaubhaft gemacht sei indessen, daß das für das Gericht bestimmte Original am 2. Dezember 1999 oder zumindest so rechtzeitig abgesandt worden sei, daß es bei normalem Postlauf innerhalb der Berufungsbegründungsfrist beim Oberlandesgericht eingegangen wäre. Es sei nicht dargetan, ob und auf welche Weise in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten der Postausgang überwacht wurde (Postausgangsbuch, Ab-Vermerk in der Handakte oder im Fristenkalender, Überprüfung der Erledigung am Abend anhand des Fristenkalenders), zumal der Fristenkalender nicht vorgelegt worden sei. Zwar müsse kein Mitarbeiter des Rechtsanwalts am Briefkasten stehen und jeden eingeworfenen Brief in einem Postausgangsbuch abhaken. Zu verlangen sei jedoch, daß durch geeignete Maßnahmen später nachvollzogen werden könne, wann ein ganz bestimmter Schriftsatz das Büro tatsächlich verlassen habe.
II.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Den Beklagten ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu bewilligen (§ 233 ZPO).
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der im Ansatz auch das Berufungsgericht ausgeht, gehört es zu den Aufgaben des Prozeßbevollmächtigten, dafür zu sorgen, daß ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muß er eine zuverlässige Fristenkontrolle organisie-
ren und insbesondere einen Fristenkalender führen (vgl. nur BGH, Beschluß vom 15. Juli 1998 - IV ZB 8/98 - NJW-RR 1998, 1443, 1444 m.w.N.). Die Fristenkontrolle muß jedoch nur gewährleisten, daß der fristwahrende Schriftsatz rechtzeitig hergestellt und postfertig gemacht wird. Ist dies geschehen und ist die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet, so darf die fristwahrende Maßnahme im Kalender als erledigt gekennzeichnet werden (BGH, Beschluß vom 13. Oktober 1995 - VII ZB 48/93 - NJW-RR 1994, 565, 566; Beschluß vom 27. November 1996 - XII ZB 177/96 - NJW 1997, 1312, 1313; Beschluß vom 9. September 1997 - IX ZB 80/97 - NJW 1997, 3446, 3447; Beschluß vom 15. Juli 1998 aaO). Das ist im allgemeinen anzunehmen, wenn der fristwahrende Schriftsatz in ein Postausgangsfach des Rechtsanwalts eingelegt wird und die abgehende Post von dort unmittelbar zum Briefkasten gebracht wird, das Postausgangsfach also "letzte Station" auf dem Weg zum Adressaten ist (s. dazu BGH, Beschluß vom 9. September 1997 aaO). Eine zusätzliche Überwachung der abgehenden Post, etwa durch Führung eines Postausgangsbuchs, ist unter diesen Umständen nicht erforderlich (BGH, Beschluß vom 25. Juni 1980 - VIII ZB 20/80 - VersR 1980, 973; Beschluß vom 14. Juli 1994 - VII ZB 7/94 - NJW 1994, 2958, 2959; Beschluß vom 27. November 1996 aaO).
2. Nach diesen Maßstäben besteht kein Anhalt dafür, daß ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten an dem Fristversäumnis mitgewirkt haben könnte (§ 85 Abs. 2 ZPO). Die Beklagten haben - auch nach Meinung des Berufungsgerichts - glaubhaft gemacht, daß ihr Prozeßbevollmächtigter das für das Gericht bestimmte Original der Berufungsbegründung am 2. Dezember 1999 unterzeichnet, kuvertiert und selbst zur Poststelle der Kanzlei gebracht hat. Die weitere Postbeförderung war nach ihrem Vortrag so organi-
siert, daß alle dort lagernden Briefe von Mitarbeitern frankiert und zweimal täglich unmittelbar zum Briefkasten gebracht wurden, also - anders als in der Entscheidung vom 9. September 1997 (aaO) - ohne Zwischenschritte. Der Senat versteht das Vorbringen der Beklagten so, daß auch entsprechende allgemeine Anweisungen ihres Prozeßbevollmächtigten erteilt waren, insbesondere, jeden in der Poststelle lagernden Brief noch am selben Tage bei der Post einzuliefern. Damit war im Streitfall bereits mit dem eigenhändigen Ablegen des Briefes in der Poststelle durch den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten das Ziel einer Fristenkontrolle erreicht, selbst wenn der Brief anschließend noch von Kanzleiangestellten frankiert werden mußte und erst dadurch endgültig "postfertig" wurde, ohne daß es darauf ankommt, ob nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Beklagten die der Fristenkontrolle im übrigen dienenden Maßnahmen hinreichend durchgeführt wurden, was das Berufungsgericht bezweifelt. Etwaige Versäumnisse des Rechtsanwalts in dieser Hinsicht wären mit anderen Worten für die Fristversäumnis nicht ursächlich geworden. Soweit schließlich das Berufungsgericht verlangt, daß im nachhinein durch geeignete Maßnahmen feststellbar sein müsse, wann ein bestimmter Schriftsatz das Anwaltsbüro tatsächlich verlassen habe, überspannt es, wie der Revision zuzugeben ist, die an die Ausgangskontrolle zu stellenden Anforderungen. Ein Postausgangsbuch muß der Rechtsanwalt offenbar auch nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht führen. Welche sonstigen "geeigneten" und zumutbaren Maßnahmen zum Nachweis der Absendung eines einzelnen Schriftstücks in Betracht kommen sollen, legt das Berufungsgericht nicht dar; sie sind auch
nicht ersichtlich. Bei dieser Sachlage kommen als mögliche Ursache der Verzögerung allein Fehler in der Postbeförderung oder ein Versehen des Büropersonals in Betracht. Für beides wären die Beklagten nicht verantwortlich.
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)