Bundesgerichtshof Beschluss, 20. März 2012 - VIII ZB 41/11

bei uns veröffentlicht am20.03.2012
vorgehend
Amtsgericht Schwarzenbek, 2 C 893/09, 13.01.2011
Landgericht Lübeck, 14 S 36/11, 11.05.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 41/11
vom
20. März 2012
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. März 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen Dr. Milger, Dr. Hessel und
Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 11. Mai 2011 aufgehoben. Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gewährt. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Wert des Beschwerdeverfahrens: 1.509,95 €.

Gründe:

I.

1
Der Beklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts zur Zahlung von 1.509,95 € Schadensersatz aus einem Kaufvertrag verurteilt worden.
2
Das Urteil ist dem Beklagten am 19. Januar 2011 zugestellt worden. Am 21. Februar 2011, einem Montag, hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Berufung eingelegt. Auf seinen Antrag ist die Frist zur Begründung der Berufung um einen Monat bis zum 19. April 2011 verlängert worden. Am Tag des Fristablaufs ist per Telefax die Berufungsbegründung beim Berufungsgericht eingegangen; auf dem Schriftsatz hat die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten des Beklagten gefehlt. Am 21. April 2011 (Donnerstag) ist beim Berufungsgericht der Originalschriftsatz - ebenfalls ohne Unterschrift - nebst den mit Unterschrift versehenen beglaubigten Abschriften eingegangen. Nach Hinweis des Gerichts auf die fehlende Unterschrift hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am 26. April 2011 (erneut) eine - diesmal unterschriebene - Berufungsbegründung per Fax bei Gericht eingereicht.
3
Am 27. April 2011 hat das Berufungsgericht den Beklagten darauf hingewiesen , dass die Berufung wegen Versäumens der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig zurückzuweisen sei. Mit am 9. Mai 2011 per Telefax eingegangenem Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat er vorgetragen und glaubhaft gemacht, er habe den Text der Berufungsbegründung bereits unterschrieben und die RechtsanwaltsgehilfinK. angewiesen gehabt, das Original per Telefax abzusenden und die beglaubigte und einfache Abschrift zu erstellen und alles in den Postausgang zu geben. Anschließend sei ihm jedoch aufgefallen, dass das Geschäftszeichen des Berufungsgerichts im Eingang der Berufungsbegründung gefehlt habe. Daher habe er die Rechtsanwaltsgehilfin angewiesen, dieses noch hinzuzusetzen, was auch geschehen sei. Dadurch habe sich der Seitenumbruch verändert mit der Folge, dass der gesamte Text nochmals ausgedruckt worden sei, so dass die Unterschrift auf dem erneuten Ausdruck gefehlt habe. Dieser Ausdruck sei dann versehentlich per Telefax übermittelt und mit der Post abgesandt worden. Da der Beklagtenvertreter davon ausgegangen sei, das Original bereits unterschrieben zu haben, habe er dann nur noch die beglaubigte Abschrift unterzeichnet.
4
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
6
1. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die angefochtene Entscheidung verletzt die Verfahrensgrundrechte des Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Zwar konnte die am 19. April 2011 bei dem Berufungsgericht per Telefax eingegangene Berufungsbegründung die Frist nicht wahren, weil sie nicht vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten gemäß § 130 Nr. 6 ZPO unterzeichnet war. Das Beschwerdegericht hat aber zu Unrecht dem Beklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt.
8
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe infolge eines ihm gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschuldens seines Pro- zessbevollmächtigten die Frist zur Begründung der Berufung versäumt. Zwar dürfe ein Rechtsanwalt einfache Verrichtungen, die keine juristische Schulung verlangten, zur selbständigen Erledigung seinem geschulten und zuverlässigen Büropersonal übertragen. Versehen dieses Personals, die nicht auf eigenes Verschulden des Anwalts zurückzuführen seien, habe die Partei nicht zu vertreten. Vorliegend handele es sich jedoch nicht allein um ein Verschulden der Büroangestellten , da der Anwalt selbst bemerkt habe, dass das Geschäftszeichen gefehlt habe und deshalb ein Neuausdruck erforderlich gewesen sei. Diesen hätte er auf seine Unterschrift kontrollieren und unterzeichnen müssen.
9
b) Damit hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Prozessbevollmächtigten des Beklagten überspannt.
10
aa) Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Falle einer Fristversäumung den Rechtsanwalt ein der Partei zurechenbares Verschulden nicht trifft, wenn er einer bislang zuverlässigen Kanzleiangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat seiner Mitarbeiterin die klare Anweisung erteilt , das Geschäftszeichen des Berufungsgerichts der bereits von ihm unterschriebenen Berufungsbegründung hinzuzusetzen. Ihm kann nicht als Verschulden vorgehalten werden, dass er die Berufungsbegründungsschrift vor der von ihm für erforderlich gehaltenen Korrektur unterzeichnet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - III ZB 54/08, NJW 2009, 296 Rn. 9 mwN). Ebenso ist er dabei regelmäßig nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern. Auch bei einem so wichtigen Vorgang wie der Anfertigung einer Rechtsmittelschrift darf der Rechtsanwalt einer zuverlässigen Büroangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilen, deren Ausführung er grundsätzlich nicht mehr persönlich überprüfen muss (BGH, Be- schlüsse vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11, juris Rn. 29, 31; vom 21. April 2010 - XII ZB 64/09, FamRZ 2010, 1067 Rn. 11; vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 154/09, VersR 2011, 89 Rn. 16; vom 30. Oktober 2008 - III ZB 54/08, aaO Rn. 9 f.).
11
bb) Grundsätzlich darf der Rechtsanwalt darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte , die sich bisher - wie hier vom Berufungsgericht zugrunde gelegt - als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Die Anforderungen an die anwaltliche Sorgfaltspflicht würden überspannt, wollte man stets verlangen, dass der Rechtsanwalt bei einer Angestellten, an deren Zuverlässigkeit keine Zweifel bestehen, die Vornahme einer einfachen Berichtigung zu kontrollieren hätte. Eine besondere Kontrolle ist nur dann erforderlich, wenn die Rechtsmittelschrift mehrere für die Zulässigkeit relevante Fehler enthält (BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - III ZB 54/08, aaO Rn. 10 mwN). Dies war hier nicht der Fall. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat lediglich die Kanzleiangestellte zu einer einzelnen Korrektur des Schriftsatzes angewiesen.
12
Im vorliegenden Fall lagen auch keine zusätzlichen Umstände vor, die Anlass zu der Befürchtung gegeben hätten, die Büroangestellte werde die erteilte Einzelanweisung nicht ordnungsgemäß befolgen. Zwar musste dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten klar sein, dass der Berufungsbegründungsschriftsatz infolge des Hinzusetzens des Geschäftszeichens des Gerichts neu auszudrucken war. Er durfte jedoch davon ausgehen, dass die im Übrigen zuverlässige Bürokraft entweder nur die erste Seite des bereits unterschriebenen Originalschriftsatzes austauschen oder aber, falls es zu einem veränderten Seitenumbruch kommen sollte, ihm den Schriftsatz erneut zur Unterschrift vorlegen würde. Einer weiteren Weisung durch den Rechtsanwalt bedurfte es insoweit nicht, da es sich um eine Selbstverständlichkeit handelte.
13
Allerdings war der Prozessbevollmächtigte des Beklagten im Hinblick darauf , dass er die Anweisung nur mündlich erteilt hat, gehalten, ergänzende Vorkehrungen dagegen zu treffen, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die rechtzeitige Einreichung des Schriftsatzes beim Gericht unterbleibt (BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 2008 - VI ZB 43/08, juris Rn. 12; vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11, aaO Rn. 31; jeweils mwN). Ob er dieser Pflicht nachgekommen ist, kann dahin stehen, denn eine mögliche Pflichtverletzung ist nicht kausal geworden. Die Kanzleikraft hat die ihr erteilte Anweisung ausgeführt.
14
3. Da der Beklagte somit die Frist zur Begründung der Berufung ohne eigenes oder ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten versäumt hat, ist ihm auf seinen Antrag gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Soweit die Berufung gemäß § 522 ZPO als unzulässig verworfen worden ist, ist der angegriffene Beschluss des Berufungsgerichts damit gegenstandslos (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2005 - XII ZB 80/05, NJW-RR 2006, 142 unter II 2 mwN). Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Schwarzenbek, Entscheidung vom 13.01.2011 - 2 C 893/09 -
LG Lübeck, Entscheidung vom 11.05.2011 - 14 S 36/11 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. März 2012 - VIII ZB 41/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. März 2012 - VIII ZB 41/11

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer
Bundesgerichtshof Beschluss, 20. März 2012 - VIII ZB 41/11 zitiert 9 §§.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

Zivilprozessordnung - ZPO | § 130 Inhalt der Schriftsätze


Die vorbereitenden Schriftsätze sollen enthalten: 1. die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; die Bezeichnung des Gerichts und des Streitgegenstandes; die Zahl der Anlag

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Die vorbereitenden Schriftsätze sollen enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; die Bezeichnung des Gerichts und des Streitgegenstandes; die Zahl der Anlagen;
1a.
die für eine Übermittlung elektronischer Dokumente erforderlichen Angaben, sofern eine solche möglich ist;
2.
die Anträge, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt;
3.
die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden tatsächlichen Verhältnisse;
4.
die Erklärung über die tatsächlichen Behauptungen des Gegners;
5.
die Bezeichnung der Beweismittel, deren sich die Partei zum Nachweis oder zur Widerlegung tatsächlicher Behauptungen bedienen will, sowie die Erklärung über die von dem Gegner bezeichneten Beweismittel;
6.
die Unterschrift der Person, die den Schriftsatz verantwortet, bei Übermittlung durch einen Telefaxdienst (Telekopie) die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

9
Das aa) Berufungsgericht hat übersehen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Falle einer Fristversäumung den Rechtsanwalt ein der Partei zurechenbares Verschulden nicht trifft, wenn er einer bislang zuverlässigen Kanzleiangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Grundsätzlich trägt der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung dafür, dass die Rechtsmittelschrift rechtzeitig bei dem zuständigen Gericht eingeht. Demgemäß muss er sich bei Unterzeichnung dieses Schriftsatzes davon überzeugen, dass er zutreffend adressiert ist (Senatsbeschluss vom 27. Februar 2003 - III ZB 82/02 - NJW-RR 2003, 934, 935 unter 2. b; BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 1982 - VIII ZR 76/81 - NJW 1982, 2670 unter 2. b aa m.w.N.; vom 6. Mai 1992 - XII ZB 39/92 - VersR 1993, 79 m.w.N.; vom 29. Juli 2003 - VIII ZB 107/02 - NJOZ 2003, 2736, 2737 unter II. 2.). Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ist dieser Pflicht nachgekommen und hat seiner Mitarbeiterin die klare Anweisung erteilt, die Bezeichnung des Berufungsgerichts zu korrigieren. Ihm kann auch nicht als Verschulden vorgehalten werden, dass er die Berufungsschrift vor der von ihm für erforderlich gehaltenen Korrektur unterzeichnet hat (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Februar 2003 aaO m.w.N.; BGH, Beschlüsse vom 4. November 1981 - VIII ZB 59, 60/81 - NJW 1982, 2670, 2671 unter 2. b; vom 10. Februar 1982 aaO unter 2. b bb, cc; vom 29. Juli 2003 aaO).
29
b) Ein Rechtsanwalt darf allerdings grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (Senatsbeschlüsse vom 21. April 2010 - XII ZB 64/09 - FamRZ 2010, 1067 Rn. 11 und vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 154/09 - VersR 2011, 89 Rn. 16; BGH Beschluss vom 2. November 1995 - VII ZB 13/95 - VersR 1996, 779).
16
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Rechtsanwalt jedenfalls grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete schriftliche Einzelanweisung befolgt, weshalb er im Allgemeinen nicht verpflichtet ist, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (BGH Beschlüsse vom 15. April 2008 - VI ZB 29/07 - juris Tz. 7 f.; vom 23. November 2000 - IX ZB 83/00 - NJW 2001, 1578, 1579). In diesem Fall kommt es auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei nicht mehr an (BGH Beschluss vom 15. April 2008 - VI ZB 29/07 - juris Tz. 7).
9
Das aa) Berufungsgericht hat übersehen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Falle einer Fristversäumung den Rechtsanwalt ein der Partei zurechenbares Verschulden nicht trifft, wenn er einer bislang zuverlässigen Kanzleiangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Grundsätzlich trägt der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung dafür, dass die Rechtsmittelschrift rechtzeitig bei dem zuständigen Gericht eingeht. Demgemäß muss er sich bei Unterzeichnung dieses Schriftsatzes davon überzeugen, dass er zutreffend adressiert ist (Senatsbeschluss vom 27. Februar 2003 - III ZB 82/02 - NJW-RR 2003, 934, 935 unter 2. b; BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 1982 - VIII ZR 76/81 - NJW 1982, 2670 unter 2. b aa m.w.N.; vom 6. Mai 1992 - XII ZB 39/92 - VersR 1993, 79 m.w.N.; vom 29. Juli 2003 - VIII ZB 107/02 - NJOZ 2003, 2736, 2737 unter II. 2.). Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ist dieser Pflicht nachgekommen und hat seiner Mitarbeiterin die klare Anweisung erteilt, die Bezeichnung des Berufungsgerichts zu korrigieren. Ihm kann auch nicht als Verschulden vorgehalten werden, dass er die Berufungsschrift vor der von ihm für erforderlich gehaltenen Korrektur unterzeichnet hat (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Februar 2003 aaO m.w.N.; BGH, Beschlüsse vom 4. November 1981 - VIII ZB 59, 60/81 - NJW 1982, 2670, 2671 unter 2. b; vom 10. Februar 1982 aaO unter 2. b bb, cc; vom 29. Juli 2003 aaO).
12
Wie oben dargelegt, gilt der Grundsatz, dass ein Anwalt nicht verpflichtet ist, die Ausführung seiner Anweisung zu kontrollieren, nicht ausnahmslos. Betrifft die Anweisung z.B. einen wichtigen Vorgang wie die Einreichung eines Antrags auf Verlängerung einer Rechtsmittelbegründungsfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die rechtzeitige Einreichung beim zuständigen Gericht durch fehlerhafte Adressierung unterbleibt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - aaO; vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - aaO; vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - aaO; vom 12. Juni 2007 - VI ZB 76/06 - aaO). Hier hat Rechtsanwalt H. bei Unterschrift des Antrags die fehlerhafte Adressierung bemerkt und deshalb die Fachangestellte T. angewiesen, ihm den Fristverlängerungsantrag im Original zur Prüfung der Anschrift erneut vorzulegen. Damit hatte er seiner Kontrollpflicht genügt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein Anwalt nicht verpflichtet, die ordnungsgemäße Ausführung einer ange- ordneten Korrektur zu überprüfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 1982 - VIII ZB 76/81 - VersR 1982, 471; vom 27. Februar 2003 - III ZB 82/02 - NJW-RR 2003, 934, 935). Die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts überspannt die an die Sorgfaltspflicht eines Anwalts zu stellenden Anforderungen.
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b) Ein Rechtsanwalt darf allerdings grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (Senatsbeschlüsse vom 21. April 2010 - XII ZB 64/09 - FamRZ 2010, 1067 Rn. 11 und vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 154/09 - VersR 2011, 89 Rn. 16; BGH Beschluss vom 2. November 1995 - VII ZB 13/95 - VersR 1996, 779).

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 80/05
vom
13. Juli 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 91 a, 522 Abs. 1, 520 Abs. 2, 233 B; GG Art. 103 Abs. 1

a) Vor der Verwerfung einer Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist
ist dem Berufungskläger rechtliches Gehör zu gewähren (im
Anschluß an BGH, Beschluß vom 29. Juni 1993 - X ZB 21/92 - NJW 1994,
392).

b) Zur Erledigung der auf eine Verletzung dieser Pflicht gestützten Rechtsbeschwerde
gegen den Verwerfungsbeschluß, wenn das Berufungsgericht
während des laufenden Rechtsbeschwerdeverfahrens Wiedereinsetzung in
die versäumte Frist gewährt (Fortführung von BGH, Urteil vom 12. Mai 1998
- XI ZR 219/97 - NJW 1998, 2453 f.).
BGH, Beschluß vom 13. Juli 2005 - XII ZB 80/05 - OLG Zweibrücken
LG Frankenthal
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Juli 2005 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die
Richterin Dr. Vézina

beschlossen:
Es wird festgestellt, daß die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des 4. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 1. März 2005 erledigt ist. Von der Erhebung von Gerichtskosten für die Rechtsbeschwerdeinstanz wird abgesehen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG). Die weiteren Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Kläger. Beschwerdewert: 82.767 €

Gründe:

I.

Durch Urteil des Landgerichts wurden die Beklagten unter Abweisung der Klage im übrigen sowie der Widerklage zur Zahlung von 82.767,20 € nebst Zinsen verurteilt. Gegen dieses ihnen am 29. Dezember 2004 zugestellte Urteil legten sie am 27. Januar 2005 Berufung ein. Mit Beschluß vom 1. März 2005, den Beklagten zugestellt am 4. März 2005, verwarf das Oberlandesgericht die Berufung ohne vorherigen Hinweis mangels rechtzeitiger Berufungsbegründung als unzulässig.
Gegen diesen Verwerfungsbeschluß richtet sich die am 1. April 2005 eingelegte Rechtsbeschwerde der Beklagten, für die die Begründungsfrist bis zum 6. Juni 2005 verlängert wurde. Zuvor hatten die Beklagten beim Oberlandesgericht am 17. März 2005 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und am 18. März 2005 eine Berufungsbegründungsschrift eingereicht. Mit Beschluß vom 25. April 2005 gewährte das Oberlandesgericht die beantragte Wiedereinsetzung mit der Begründung, die Versäumung der Begründungsfrist beruhe auf einem den Beklagten nicht zuzurechnenden Verschulden einer Kanzleiangestellten ihrer Prozeßbevollmächtigten. Innerhalb laufender Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde erklärten die Beklagten daraufhin das Rechtsmittel für erledigt und beantragten unter Verwahrung gegen die Kostenlast, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und festzustellen, daß die Rechtsbeschwerde erledigt ist. Sie wiesen darauf hin, das Oberlandesgericht habe ihre Berufung ohne vorherigen Hinweis als unzulässig verworfen, und die Rechtsbeschwerde sei eingelegt worden, um den Eintritt der Rechtskraft des Verwerfungsbeschlusses zu vermeiden. Die Kläger haben sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen. Eine weitere Begründung der Rechtsbeschwerde ist innerhalb der verlängerten Frist nicht eingegangen.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie war auch zulässig, weil die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde darlegt, daß das Berufungsgericht das Recht der Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt habe (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO; vgl. BGHZ 154, 288, 296 f.). Zwar war die Zweimonatsfrist zur Begründung der rechtzeitig eingelegten Berufung gegen das am 29. Dezember 2004 zugestellte Urteil des Landgerichts am 28. Februar 2005 abgelaufen (§ 188 Abs. 3 BGB). Dennoch hätte das Oberlandesgericht die Berufung am 1. März 2005 nicht als unzulässig verwerfen dürfen , ohne den Beklagten hierzu durch einen entsprechenden Hinweis rechtliches Gehör zu gewähren (vgl. BGH, Beschluß vom 29. Juni 1993 - X ZB 21/92 - NJW 1994, 392; Musielak/Ball ZPO 4. Aufl. § 522 Rdn. 4 m.w.N. in Fn. 5 aaO). Die Beklagten haben zwar nach Einlegung der Rechtsbeschwerde diese für erledigt erklärt und innerhalb der verlängerten Begründungsfrist keine gesonderte , als solche bezeichnete Rechtsbeschwerdebegründung eingereicht. Der mit der Erledigungserklärung verbundene Hinweis, das Oberlandesgericht habe die Berufung ohne vorangegangenen Hinweis als unzulässig verworfen, ist jedoch als hinreichende Begründung durch Rüge eines Verfahrensfehlers zu verstehen. Einer weiteren Begründung bedurfte es hier nicht. 2. Die Rechtsbeschwerde war auch begründet. Zwar ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung mangels rechtzeitiger Begründung verwerfenden Beschluß die Frage der Wiedereinsetzung nicht zu prüfen, so daß die Beklagten im vorliegenden Verfahren nicht geltend machen können, die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist habe auf einem der Partei
nicht zuzurechnenden Verschulden beruht (vgl. Senatsbeschluß vom 7. Oktober 1981 - IVb ZB 825/81 - FamRZ 1982, 163). Mit Rücksicht auf den gerügten Verfahrensfehler war die Rechtsbeschwerde aber gleichwohl begründet und hätte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht geführt. Durch die nach Einlegung der Rechtsbeschwerde vom Oberlandesgericht gewährte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, auf die die angefochtene Entscheidung gestützt war, ist diese Entscheidung indes gegenstandslos geworden (Senatsbeschluß vom 9. Februar 2005 - XII ZB 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792 m.w.N.; BGH, Beschluß vom 22. November 1957 - IV ZB 236/57 - LM § 519 b ZPO Nr. 9; RGZ 127, 287 f.), ohne daß es ihrer förmlichen Aufhebung bedarf. Dadurch entfiel das erforderliche Rechtsschutzinteresse der Beklagten an der Anfechtung dieser Entscheidung, da eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ihre Rechtsstellung nun nicht mehr hätte verbessern können. Dies gilt auch hinsichtlich der in dem angefochtenen Beschluß getroffenen Kostenentscheidung, da auch sie gegenstandslos geworden ist (vgl. BGH, Beschluß vom 29. April 2004 - V ZB 33/03 - FamRZ 2004, 1189). Daraus haben die Beklagten die gebotene Konsequenz gezogen, ihre Rechtsbeschwerde für erledigt zu erklären und damit auf den Kostenpunkt zu beschränken (vgl. auch BGH, Beschluß vom 29. April 2004 aaO). Ungeachtet der umstrittenen Frage, ob auch ein Rechtsmittel Gegenstand einer Erledigungserklärung sein kann, gehört der hier vorliegende Fall jedenfalls zu jenen, in denen es zur Vermeidung einer nicht gerechtfertigten Belastung des Rechtsmittelführers mit den Kosten des Rechtsmittelverfahrens geboten ist, eine auf das Rechtsmittel beschränkte Erledigungserklärung zuzulassen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 - XI ZR 219/97 - veröffentlicht bei JURIS).
Da sich die Kläger der Erledigungserklärung nicht angeschlossen haben, war die Erledigung des Rechtsmittels mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO festzustellen. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren war gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG abzusehen, weil es der Rechtsbeschwerde nicht bedurft hätte, wenn das Berufungsgericht den Beklagten vor der Verwerfung ihrer Berufung rechtliches Gehör gewährt hätte. Dann hätten die Beklagten nämlich auf entsprechenden Hinweis sogleich Wiedereinsetzung beantragt , so wie sie es nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses mit Erfolg getan haben, und über diesen Antrag hätte das Berufungsgericht vorab entscheiden müssen.
Hahne Sprick Fuchs Ahlt Vézina