Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2015 - VIII ZB 94/14
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Das Landgericht hat die - vom Amtsgericht nicht zugelassene - Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil durch Beschluss vom 2. Oktober 2014 als unzulässig verworfen und den Streitwert für das Beru- fungsverfahren auf 308 € festgesetzt. Das Berufungsgericht hat, soweit hier von Interesse, ohne Mitteilung der Sachanträge und des Sachverhalts sowie ohne Begründung seiner Rechtsansicht ausgeführt, dass der Berufungsstreitwert nicht erreicht sei.
- 2
- Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.
II.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss vom 2. Oktober 2014 ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
- 4
- 1. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, weil er nicht mit Gründen versehen ist.
- 5
- a) Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den maßgeblichen Sachverhalt , über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand sowie die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den nach dem Gesetz (§ 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6 ZPO) erforderlichen Gründen versehen und bereits deshalb aufzuheben (BGH, Beschlüsse vom 16. April 2013 - VI ZB 50/12, NJW-RR 2013, 1077 Rn. 4; vom 16. September 2014 - XI ZB 5/13, juris Rn. 5; siehe auch Senatsurteil vom 1. Juli 2015 - VIII ZR 278/13, FamRZ 2015, 1712 Rn. 13; jeweils mwN). Das Rechtsbeschwerdegericht hat grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Berufungsgericht festgestellt hat (§ 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO). Enthält der angefochtene Beschluss keine tatsächlichen Feststellungen, ist das Rechtsbeschwerdegericht nicht zu einer rechtlichen Prüfung in der Lage.
- 6
- Dies gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verwirft, weil die Berufungssumme nicht erreicht sei (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Denn eine Wertfestsetzung kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht die angekündigten Anträge zur Kenntnis genommen und zutreffend bewertet und die Grenzen eines ihm gegebenenfalls durch § 3 ZPO eingeräumten Ermessens überschritten oder rechtsfehlerhaft von ihm Gebrauch gemacht hat (Senatsbeschluss vom 9. Juni 2004 - VIII ZB 124/03, NJW 2004, 2904, unter II 2 b). Wird diesen Anforderungen nicht genügt, liegt ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensmangel vor, der die Aufhebung der Entscheidung des Berufungsgerichts nach sich zieht (BGH, Beschlüsse vom 16. April 2013 - VI ZB 50/12, aaO; vom 16. September 2014 - XI ZB 5/13, aaO). Eine Sachdarstellung ist lediglich dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt und das Rechtsschutzziel noch mit hinreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen ergeben (BGH, Beschlüsse vom 16. April 2013 - VI ZB 50/12, aaO Rn. 5; vom 16. September 2014 - XI ZB 5/13, aaO Rn. 6).
- 7
- b) Diesen Maßstäben wird die angefochtene Verwerfungsentscheidung nicht gerecht. Sie enthält nicht die für eine Sachprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlichen Feststellungen. In dem Verwerfungsbeschluss wird der maßgebliche Sachverhalt, über den entschieden werden soll, an keiner Stelle wiedergegeben, ebenso wenig die Anträge beider Instanzen. Der Beschluss enthält weder eine Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil noch hat ihn das Berufungsgericht mit einer Begründung versehen. Eine solche wird auch in der in Bezug genommenen Hinweisverfügung der Kammervorsitzenden nicht gegeben.
- 8
- 2. Die Sache ist daher unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO), welches über die Wertfestsetzung erneut zu befinden haben wird. Im Hinblick auf das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17. September 2014 (XII ZB 284/13, NJW 2015, 251) hin.
III.
- 9
- Die Entscheidung über die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger Kosziol
AG München, Entscheidung vom 06.05.2014 - 212 C 13143/13 -
LG München I, Entscheidung vom 02.10.2014 - 20 S 11662/14 -
Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2015 - VIII ZB 94/14
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Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2015 - VIII ZB 94/14 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf der Verletzung des Bundesrechts oder einer Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt.
(2) Die Rechtsbeschwerde kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat.
Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,
- 1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; - 2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist; - 3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war; - 4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat; - 5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; - 6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.
(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Antragsteller begehrt unter anderem von der Antragsgegnerin zu 2, seiner geschiedenen Ehefrau, die Herausgabe zweier Kostenfestsetzungsbeschlüsse , die sie in zwei Unterhaltsverfahren gegen ihn erwirkt hatte. In dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17. Dezember 2010 wurden die Kosten in Höhe von 747,46 € zu ihren Gunsten festgesetzt; in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. Januar 2011 in Höhe von 40,07 €.
- 2
- Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin zu 2, die Antragsgegnerin zu 1, erwirkte auf der Grundlage der vorgenannten Kostenfestsetzungsbeschlüsse auf ihren Namen einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Nach dessen Zustellung behielt die Arbeitgeberin des Antragstellers insgesamt 1.053,69 € von dessen Lohn ein und hinterlegte diesen Betrag beim Amtsgericht. Anschließend hob das Amtsgericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf, weil die Kostenfestsetzungsbeschlüsse nicht die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin zu 2 als Gläubigerin ausgewiesen hätten.
- 3
- Unter anderem mit der Behauptung, die Antragsgegnerin zu 2 sei noch im mittelbaren Besitz der Kostenfestsetzungsbeschlüsse, begehrt der Antragsteller die Herausgabe der beiden Kostenfestsetzungsbeschlüsse von der Antragsgegnerin zu 2, gesamtschuldnerisch mit der Antragsgegnerin zu 1.
- 4
- Das Amtsgericht hat die Klage durch Teilurteil abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung des Antragstellers verworfen. Hiergegen wendet sich dieser mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
- 5
- Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
- 6
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 117 Abs. 1 Satz 4, 112 Nr. 1 FamFG iVm §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft (zum anwendbaren Verfahrensrecht vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2008 - XII ZB 125/06 - MDR 2009, 1000 Rn. 28). Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsteller in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip), das den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 25. September 2013 - XII ZB 200/13 - NJW 2014, 77 Rn. 4 mwN).
- 7
- 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat den Wert des Beschwerdegegenstands zu niedrig bemessen und damit das Rechtsmittel zu Unrecht verworfen. Maßgeblich ist nach § 61 Abs. 1 des auf die vorliegende Familienstreitsache anzuwendenden Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) - ebenso wie nach dem vom Beschwerdegericht herangezogenen § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO - die Wertgrenze von 600 €.
- 8
- a) Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass sich der Streitwert nach dem Interesse des Rechtsmittelführers am Besitz der Urkunden bemesse, das darin bestehe, einen Missbrauch der Titel durch die Antragsgegnerin zu 2 zu verhindern. Dieser Wert sei auf 10 % der Hauptsachebeträge der streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschlüsse zu schätzen, mithin auf 78,82 €. Bei der Bewertung sei zu berücksichtigen, dass eine Vollstreckung aus den beiden Kostenfestsetzungsbeschlüssen bereits erfolgt sei und die Drittschuldnerin den entsprechenden Betrag hinterlegt habe. Der Streit der Beteiligten drehe sich daher vorrangig um die Frage, wer Anspruch auf den hinterlegten Betrag habe.
- 9
- Der Antragsteller habe selbst vorgetragen, dass lediglich von ihrer Verfahrensbevollmächtigten , nicht aber von der Antragsgegnerin zu 2 Vollstreckungsmaßnahmen erfolgt seien. Die Aufrechnung und der Bestand der Forde- rung, mit der gegen die streitbefangenen Kostenfestsetzungsbeschlüsse aufgerechnet worden sei, seien nicht bestritten. Streitig sei allein die zeitliche Priorität der Abtretung an ihre Verfahrensbevollmächtigte und die Tatsache, dass die Antragsgegnerin zu 2 die den Kostenfestsetzungsbeschlüssen zugrunde liegenden Forderungen tatsächlich abgetreten habe. Bereits hieraus erhelle sich, dass von der Antragsgegnerin zu 2 eine vernachlässigbare geringe Vollstreckungsgefahr für den Antragsteller ausgehe. Die Hinweise auf ein Weisungsrecht der Antragsgegnerin zu 2 gegenüber ihrer Verfahrensbevollmächtigten gingen fehl, da nach dem Sach- und Streitstand ein solches Weisungsrecht nicht in Betracht komme. Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin zu 2 habe nach dem Vortrag des Antragstellers in der Klageschrift die letztlich gescheiterte Pfändung des Arbeitseinkommens des Antragstellers, die zur Hinterlegung eines Betrags von 1.053,69 € geführt habe, aus eigenem Recht betrieben.
- 10
- b) Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 11
- aa) Bei einem Streit um die Herausgabe von gerichtlichen Titeln wird der Wert vom Gericht gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen bestimmt. Maßgeblich für diese Bestimmung ist in der Rechtsmittelinstanz das Interesse des jeweiligen Rechtsmittelklägers. Verfolgt ein Beteiligter nach Abweisung des Herausgabeantrages in der Vorinstanz den Antrag mit der Beschwerde weiter, bestimmt sich der Wert somit nach seinem Interesse am Besitz der Urkunde. Dieses Interesse besteht nicht darin, die Vollstreckungstitel für eigene Zwecke nutzen zu können, sondern allein darin, einen Missbrauch der Titel durch den Antragsgegner zu verhindern. Die Schätzung des Wertes muss umso niedriger ausfallen, je geringer diese Gefahr im Einzelfall ist (vgl. Senatsbeschluss vom 25. September 1991 - XII ZB 61/91 - FamRZ 1992, 169, 170).
- 12
- (1) Die Festsetzung eines in Ausübung des Ermessens gemäß § 3 ZPO konkret bestimmten Wertes kann der Senat nur dahin überprüfen, ob das Rechtsmittelgericht die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (BGH Beschluss vom 9. Juni 2004 - VIII ZB 124/03 - FamRZ 2004, 1477, 1478).
- 13
- (2) Bei Vorliegen einer die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärenden Entscheidung nach § 120 Abs. 1 iVm § 767 ZPO kann für die Bemessung der Beschwer hinsichtlich des Antrags auf Titelherausgabe die Gefahr eines Missbrauchs des Vollstreckungstitels durch den Antragsgegner vernachlässigt werden (vgl. BGH Beschluss vom 9. Juni 2004 - VIII ZB 124/03 - FamRZ 2004, 1477, 1478).
- 14
- (3) Etwas anderes gilt aber, wenn der Rechtsmittelführer allein mit dem Antrag auf Titelherausgabe die Beseitigung der Vollstreckbarkeit des Titels erreichen will. Liegt eine die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärende Entscheidung nach § 767 ZPO nicht vor, kommt dem nur auf Herausgabe des Titels gerichteten Antrag bezogen auf den Wert des Beschwerdegegenstandes eine eigenständige Bedeutung zu. In diesem Fall ist dieser regelmäßig genauso hoch anzusetzen wie bei dem Vollstreckungsabwehrantrag. Solange der Gläubiger im Besitz des Titels ist, kann er die Vollstreckung betreiben, ohne dass ihm eine gerichtliche Entscheidung nach § 767 ZPO entgegengehalten werden könnte.
- 15
- Der Wert des Vollstreckungsabwehrantrags selbst bemisst sich wiederum nach dem Umfang der erstrebten Ausschließung der Zwangsvollstreckung. Dabei ist der Nennbetrag des vollstreckbaren Anspruchs ohne Rücksicht auf seine Realisierbarkeit anzusetzen. Da der Streitgegenstand ausschließlich vom Antragsteller des Vollstreckungsgegenantrages bestimmt wird, kommt es nicht darauf an, ob die titulierte Forderung in Wahrheit ganz oder teilweise getilgt ist und ob dies ganz oder teilweise im Verlauf des Verfahrens unstreitig wird (vgl. BGH Beschluss vom 9. Februar 2006 - IX ZB 310/04 - NJW-RR 2006, 1146 f. mwN). Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass sich aus den Anträgen oder der Antragsbegründung ergibt, dass die Zwangsvollstreckung wegen eines Teilbetrags oder eines Restbetrags für unzulässig erklärt werden soll; dann ist dieser Betrag zu Grunde zu legen (BGH Beschluss vom 9. Februar 2006 - IX ZB 310/04 - NJW-RR 2006, 1146, 1147 mwN).
- 16
- bb) Gemessen hieran ist die durch das Beschwerdegericht vorgenommene Schätzung des Wertes auf 10 % der Titelbeträge ermessensfehlerhaft.
- 17
- Zu Recht hat die Rechtsbeschwerde hiergegen eingewandt, dass der Antragsteller vorliegend nicht nach § 767 ZPO vorgegangen sei. Die Antragsgegnerin zu 2, zu deren Gunsten die beiden Kostenfestsetzungsbeschlüsse ergangen sind, könnte mithin gegen den Antragsteller die Vollstreckung betreiben, ohne dass ihr eine gerichtliche Entscheidung nach § 767 ZPO entgegengehalten werden könnte.
- 18
- Die Frage, ob der Titelgläubiger im Besitz des Titels ist und diesen somit auch herausgeben kann, ist im Rahmen der Begründetheit zu beantworten. Für die Bemessung der Beschwer kommt es demgegenüber auf die Realisierbarkeit des vollstreckbaren Anspruchs nicht an.
- 19
- Ebenso wenig ist für die Wertbemessung die Frage von Belang, ob die Aufrechnung und der Bestand der Forderung, mit der gegen die streitbefangene Kostenfestsetzungsbeschlüsse aufgerechnet worden sei, unstreitig sind. Es kommt nicht darauf an, ob die titulierte Forderung in Wahrheit ganz oder teilweise getilgt ist.
- 20
- Die Beschwer ist vorliegend auch nicht etwa deswegen geringer zu bewerten , weil die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin zu 2 bereits zu Lasten des Antragstellers aus den beiden Titeln Vollstreckungsmaßnahmen hat durchführen lassen, in deren Folge die Arbeitgeberin des Antragstellers aufgrund des zunächst erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eine Hinterlegung des von ihr überwiesenen Geldes veranlasst hat. Unbeschadet des Umstands, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss später wieder aufgehoben worden ist, wirkt sich die Hinterlegung auf die Festsetzung des Beschwerdegegenstandes nicht aus, weil die Vollstreckbarkeit des Titels hinsichtlich des ganzen Anspruchs bestehen geblieben ist (vgl. BGH Beschluss vom 9. Februar 2006 - IX ZB 310/04 - NJW-RR 2006, 1146, 1147).
- 21
- 3. Gemäß § 74 Abs. 5, Abs. 6 Satz 2 FamFG ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen.
Vorinstanzen:
AG Dachau, Entscheidung vom 06.07.2012 - 3 C 436/12 -
LG München II, Entscheidung vom 25.04.2013 - 2 S 3609/12 -
(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.
(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.