Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2009 - XI ZB 6/08

bei uns veröffentlicht am20.01.2009
vorgehend
Landgericht Leipzig, 4 O 4352/06, 29.11.2007
Oberlandesgericht Dresden, 8 U 26/08, 10.03.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 6/08
vom
20. Januar 2009
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. h.c. Nobbe, den Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen und
die Richter Dr. Ellenberger und Dr. Matthias
am 20. Januar 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. März 2008 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert beträgt 168.787,48 €.

Gründe:


I.


1
Kläger Die machen gegenüber der Beklagten Ansprüche im Zusammenhang mit einem Darlehen geltend, mit dem sie den Erwerb einer Eigentumswohnung finanziert haben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
2
Gegen das ihnen am 6. Dezember 2007 zugestellte landgerichtliche Urteil haben die Kläger am 4. Januar 2008 Berufung eingelegt. Mit beim Oberlandesgericht am 7. Februar 2008 eingegangenem Schriftsatz haben sie die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat beantragt. Nach entsprechendem Hinweis darauf, dass diese Frist bereits am 6. Februar 2008 abgelaufen sei, haben sie am 20. Februar 2008 hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und mit Schriftsatz vom selben Tag die Berufung begründet.
3
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags haben die Kläger vorgetragen, die verfristete Einreichung des Verlängerungsantrags beruhe auf einem Versehen der seinerzeit im letzten Ausbildungsjahr bei ihrem Prozessbevollmächtigten beschäftigten und als außerordentlich zuverlässig bekannten Auszubildenden F. . Ihr Prozessbevollmächtigter habe, als im Rahmen einer routinemäßigen Überprüfung festgestellt worden sei, dass in dieser Sache von einer anderen Kanzleikraft eine fehlerhafte Berufungsbegründungsfrist notiert gewesen sei, Frau F. die Einzelweisung erteilt, die Fristnotierung sofort zu berichtigen. Gleichwohl sei eine solche Berichtigung versehentlich unterblieben und die Akte irrtümlich wieder in den Schrank gelegt worden. Ausweislich ihrer zur Glaubhaftmachung beigefügten eidesstattlichen Versicherung hatte Frau F. von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger die Weisung erhalten, die Eintragung im Fristenbuch und im elektronischen Fristenkalender zu ändern; sie habe die Akte dann zur Seite gelegt und sei möglicherweise an diesem Tag durch mehrere Telefonanrufe, die kurz hintereinander eingegangen seien, abgelenkt gewesen. Die Akte sei dann irgendwie wieder in den Schrank gehängt worden, so dass sie sie vergessen habe.
4
Berufungsgericht Das hat die Berufung unter gleichzeitiger Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig verworfen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kläger seien nicht ohne Verschulden ihres vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten daran gehindert gewesen, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Dem Wiedereinsetzungsgesuch sei nicht zu entnehmen, dass die vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten den von der Rechtsprechung aufgestellten Sorgfaltspflichten in Fristensachen gerecht geworden seien. Unabhängig hiervon scheitere das Wiedereinsetzungsgesuch daran, dass die nachgeholte Berufungsbegründung ihrerseits nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen an die versäumte Prozesshandlung genüge.

II.


5
Rechtsbeschwerde Die ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. Senat, BGHZ 161, 86, 87 m.w.Nachw.), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Kläger ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nicht erforderlich. Es liegt weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor noch verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs oder wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip ; vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281).
6
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ohne Rechtsfehler mit der Begründung verweigert, ein den Klägern nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten sei nicht ausgeschlossen, weil es an Vortrag fehle, dass und welche organisatorischen Maßnahmen im Büro der Klägervertreter ergriffen worden seien, um zu verhindern, dass eine mündliche Einzelweisung - wie hier die Weisung, die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist zu korrigieren - in Vergessenheit gerate.
7
Berufungsgericht Das hat damit - worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend hinweist - auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entschieden. Danach müssen in einer Anwaltskanzlei organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass eine mündliche Einzelweisung, die einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist betrifft, in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung - wie hier geschehen - unterbleibt (BGH, Beschlüsse vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688 f., vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04, FamRZ 2004, 1711 und vom 4. April 2007 - III ZB 85/06, NJW-RR 2007, 1430, 1431, jeweils m.w.Nachw.).
8
Dass im Büro der vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger organisatorische Maßnahmen getroffen worden wären, um zu vermeiden , dass mündlich erteilte Weisungen in Vergessenheit geraten, wird mit dem Wiedereinsetzungsantrag nicht vorgetragen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde durfte das Berufungsgericht damit von einem Verschulden der vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger ausgehen. Werden solche Maßnahmen gegen das Vergessen einer lediglich mündlich erteilten Anweisung nämlich nicht mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung vorgetragen und glaubhaft gemacht, ist ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten nicht ausgeschlossen und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen (BGH, Beschluss vom 4. November 2003 aaO).
9
SoweitdieRechtsbesch werde beanstandet, es erschließe sich aus der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht, welche organisatorischen Maßnahmen insoweit in Betracht kämen, übersieht sie den Hinweis des Berufungsgerichts darauf, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger, bevor er die Handakte der Auszubildenden überlassen habe, etwa einen Wiedervorlagetermin hätte verfügen können, um auf diese Weise zu kontrollieren , ob eine Berichtigung der Frist erfolgt ist (hierzu auch BGH, Beschluss vom 4. November 2003 aaO).
10
Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde auch auf den Beschluss des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 2. April 2008 (XII ZB 189/07, NJW 2008, 2589 f.). Dort ist eine nachträgliche Kontrolle, ob eine mündliche Weisung ausgeführt worden war, ausnahmsweise als entbehrlich angesehen worden, da eine präzise und klare Anweisung des Anwalts zur sofortigen Eintragung der Begründungsfrist vorlag, die vor dem Hintergrund einer allgemeinen Büroanweisung, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen Aufträgen zu erledigen, erteilt worden war (aaO Tz. 14 f.).
11
Ein solcher Fall ist hier jedoch in dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht schlüssig dargetan und glaubhaft gemacht. Es fehlt bereits an einer entsprechenden allgemeinen Büroanweisung, deren Existenz auch von der Rechtsbeschwerde nicht behauptet wird. Für die Annahme einer unmissverständlichen und klaren Anweisung, den Auftrag vor allen anderen Aufgaben auszuführen, genügt das glaubhaft gemachte Vorbringen der Kläger überdies nicht. Mit dem im Wiedereinsetzungsgesuch enthaltenen Vortrag, der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Kläger habe die Weisung erteilt, die Fristnotierung sofort zu berichtigen, ist nicht ausreichend dargetan und glaubhaft gemacht, dass die Mitarbeiterin hiermit präzise und unmissverständlich angewiesen worden war, den Auftrag vor allen anderen Aufgaben auszuführen. Insbesondere belegt ihre zur Glaubhaftmachung vorgelegte eidesstattliche Versicherung nicht, dass ihr überhaupt präzise und klar eine Weisung erteilt worden ist, sofort tätig zu werden. Dort ist nur ausgeführt, dass sie die Weisung erhalten habe , die Eintragung im Fristenbuch und im elektronischen Fristenkalender zu ändern, und die Akte dann zur Seite gelegt habe. Dass ihr dort aufgetragen worden wäre, alles andere zurückzustellen und als erstes die Korrektur vorzunehmen, wird durch die eidesstattliche Versicherung nicht belegt.
12
DieKostenentscheidungfo lgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Nobbe Joeres Mayen
Ellenberger Matthias

Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 29.11.2007 - 4 O 4352/06 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 10.03.2008 - 8 U 26/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2009 - XI ZB 6/08

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2009 - XI ZB 6/08

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie
Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2009 - XI ZB 6/08 zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2009 - XI ZB 6/08 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2009 - XI ZB 6/08 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04

bei uns veröffentlicht am 22.06.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 10/04 vom 22. Juni 2004 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 233 Fd Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn ein Rechtsanwalt seiner Büroangestellten mündlich die Anw

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Nov. 2003 - VI ZB 50/03

bei uns veröffentlicht am 04.11.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 50/03 vom 4. November 2003 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 233 Fb a) In einer Anwaltskanzlei müssen organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, daß eine mündliche Ei

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Apr. 2007 - III ZB 85/06

bei uns veröffentlicht am 04.04.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZB 85/06 vom 4. April 2007 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 233 Fd Ein Rechtsanwalt, der seiner Kanzleiangestellten die Einzelanweisung erteilt, einen Schriftsatz zur Wah

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Apr. 2008 - XII ZB 189/07

bei uns veröffentlicht am 02.04.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 189/07 vom 2. April 2008 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 233 Fb, Fd Zur Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung eines Rechtsmittels, wenn diese versäumt wurde, weil
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2009 - XI ZB 6/08.

Bundessozialgericht Beschluss, 01. Nov. 2017 - B 14 AS 26/17 R

bei uns veröffentlicht am 01.11.2017

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 3. August 2016 wird als unzulässig verworfen.

Bundessozialgericht Beschluss, 03. Aug. 2016 - B 6 KA 5/16 B

bei uns veröffentlicht am 03.08.2016

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 9. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 50/03
vom
4. November 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) In einer Anwaltskanzlei müssen organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen
sein, daß eine mündliche Einzelanweisung über die Eintragung einer an eine
Fachangestellte nur mündlich mitgeteilten Berufungsfrist in Vergessenheit gerät
und die Fristeintragung deshalb unterbleibt.

b) Werden die (gegen das Vergessen einer lediglich mündlichen Anweisung) getroffenen
organisatorischen Vorkehrungen nicht mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung
gegen die Versäumung der Berufungsfrist vorgetragen und glaubhaft gemacht
, ist ein Organisationsverschulden des Prozeßbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2
ZPO) zu vermuten und der Antrag zurückzuweisen.
BGH, Beschluß vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - LG Saarbrücken
AG Saarbrücken
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. November 2003 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluß der 13. Zivilkammer A des Landgerichts Saarbrücken vom 8. Juli 2003 wird als unzulässig verworfen. Der Kläger hat auch die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 1.565,74

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 17. April 2003 die Klage abgewiesen. Die Berufungsfrist lief am 30. Mai 2003 ab. Die Berufung des Klägers ist am 17. Juni 2003 zusammen mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist beim Landgericht eingegangen. Der Kläger hat zur Begründung vorgetragen, er habe am 13. Mai 2003 seine Prozeßbevollmächtigten mit der Durchführung des Berufungsverfahrens beauftragt. Der die Sache bearbeitende Assessor T. habe die Unterlagen zur Neuanlage der Akte, Notierung der Berufungsfrist auf den 30. Mai 2003 und der Berufungsbegründungsfrist auf den 30. Juni 2003 an die Fachangestellte C. verfügt. Bei einer
routinemäßigen Durchsicht der Akte zur Vorbereitung der Berufungsbegründung am 13. Juni 2003 habe T. festgestellt, daß die Berufung nicht eingelegt war und die Berufungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist im Terminbuch nicht eingetragen gewesen seien. Auf Frage habe die Mitarbeiterin C. mitgeteilt, sie habe trotz entsprechender Weisung versäumt, die Fristen einzutragen. Das Landgericht hat mit Beschluß vom 8. Juli 2003 die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen und seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen. Der Kläger habe nichts dazu vorgetragen, in welcher Form der Fristenkalender bei seinen Prozeßbevollmächtigten geführt werde, ob hier eine Wiedervorlagefrist verfügt und ob der Zustellungstag in der Handakte vermerkt worden sei. Eine Überprüfung, ob die Fristeneintragung und -überwachung ausreichend organisiert gewesen sei, sei nicht möglich. Von einem fehlenden Verschulden des zweitinstanzlichen Anwalts an der Fristversäumung könne daher nicht ausgegangen werden. Gegen den ihm am 18. Juli 2003 zugestellten Beschluß des Landgerichts hat der Kläger am 12. August 2003 Rechtsbeschwerde eingelegt und diese innerhalb verlängerter Begründungsfrist am 18. September 2003 begründet.

II.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2, 238, 574 Abs. 1 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist entgegen der Ansicht des Klägers zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 ZPO) nicht erforderlich.
1. Eine Divergenz (vgl. Senatsbeschluß vom 13. Mai 2003 - VI ZB 76/02 – NJW-RR 2003, 1366; BGHZ 151, 221, 225 f.) macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend. 2. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dann erforderlich, wenn bei der Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren (vgl. Senatsbeschluß vom 13. Mai 2003 - VI ZB 76/02 – aaO; BGHZ aaO). Das kann insbesondere auch bei einer Verletzung von Verfahrensgrundrechten der Fall sein, etwa wenn der angefochtene Beschluß die Partei in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG; vgl. BGH, Beschluß vom 27. März 2003 - V ZR 291/02 - VersR 2003, 1144, 1146, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) oder wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. mit dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. Senatsbeschluß vom 13. Mai 2003 - VI ZB 76/02 - aaO) beeinträchtigt. Eine Verletzung von Verfahrensgrundrechten muß nach den Darlegungen des Beschwerdeführers im Einzelfall klar zutage treten, also offenkundig sein; ferner muß die angefochtene Entscheidung hierauf beruhen (vgl. BGHZ aaO und BGH, Beschluß vom 27. März 2003 - V ZR 291/02 - aaO). Ein solcher Zulassungsgrund liegt hier nicht vor. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht nicht auf einem entscheidungserheblichen klar zutage tretenden Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte des Klägers; sie ist zudem einzelfallbezogen und erfordert deshalb keine korrigierende Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
a) Dies gilt insbesondere, soweit das Berufungsgericht Angaben zur allgemeinen Organisation und Fristenkontrolle vermißt, obwohl der Kläger eine
Einzelanweisung seines Berufungsanwalts im konkreten Fall zur Fristeintragung vorgetragen hat, die von der Fachangestellten versehentlich nicht berücksichtigt worden sei. Die Rechtsbeschwerde verkennt die für einen solchen Fall in der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze. Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren , wenn eine Partei ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Das ist hier nicht der Fall. Die Versäumung der Berufungsfrist beruht auf einem Verschulden des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, das sich der Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. aa) Die ordnungsgemäße und insbesondere fristgerechte Einlegung des Rechtsmittels setzt voraus, daß die Berufungsschrift rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muß der Anwalt eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren und insbesondere einen Fristenkalender führen (vgl. BGH, Beschluß vom 11. Januar 2001 - III ZR 148/00 - VersR 2002, 380, 381). Dabei setzt eine wirksame Fristenkontrolle voraus, daß Fristen zur Einlegung und Begründung von Rechtsbehelfen deutlich als solche gekennzeichnet werden. Sie müssen so notiert werden, daß sie sich von gewöhnlichen Wiedervorlagefristen unterscheiden (vgl. BGH, Beschluß vom 21. Juni 2000 - XII ZB 93/00 - VersR 2001, 607, 608). Ferner obliegt dem Prozeßbevollmächtigten eine wirksame Ausgangskontrolle, durch die gewährleistet wird, daß fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hinausgehen. Er hat sicherzustellen , daß eine Frist im Fristenkalender erst dann als erledigt gekennzeichnet wird, wenn der Schriftsatz abgesandt oder zumindest postfertig gemacht ist (vgl. BGH, Beschluß vom 2. März 2000 - V ZB 1/00 - VersR 2000, 1564). Daß die Organisation der Fristenkontrolle im Büro seines Prozeßbevollmächtigten diesen Anforderungen genügt hätte, hat der Kläger weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Das Berufungsgericht hat hiernach ohne Rechtsfehler ein
Verschulden des Klägers bzw. seines Prozeßbevollmächtigten für nicht ausgeschlossen erachtet und dementsprechend den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Oktober 1995 - I ZB 15/95 - VersR 1996, 256, 257 und vom 9. Juni 1994 - I ZB 5/94 - VersR 1995, 72, 73). bb) Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang darauf, vorliegend komme es auf die allgemeine Organisation der Fristenkontrolle im Büro der Prozeßbevollmächtigten des Klägers nicht an, weil die Fachangestellte eine auf den konkreten Fall bezogene Einzelanweisung zur Fristeintragung versehentlich nicht befolgt habe. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers hierzu nicht übergangen und nicht gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßen. Allerdings braucht ein Rechtsanwalt grundsätzlich nicht die Erledigung jeder konkreten Einzelanweisung zu überwachen (vgl. BGH, Beschluß vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91 - VersR 1992, 764, 765). Im allgemeinen kann er ferner darauf vertrauen, daß eine sonst zuverlässige Büroangestellte auch mündliche Weisungen richtig befolgt (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1987 - VI ZR 43/87 - VersR 1988, 185, 186). In der Anwaltskanzlei müssen jedoch ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, daß die mündliche Einzelanweisung über die Eintragung einer an eine Fachangestellte nur mündlich mitgeteilten Berufungsfrist in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. September 2002 - VI ZR 419/01 - NJW 2002, 3782, 3783 und vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - NJW 2003, 435, 436). Wenn ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einer Berufungsfrist nur mündlich vermittelt wird, dann bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (vgl. BGH, Beschluß vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91 - aaO).

b) Aus demselben Grund ist auch keine Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anzunehmen. Der Rechtsbeschwerde kann nicht darin gefolgt werden, daß auch bei Beachtung der erforderlichen Organisationsmaßnahmen die Fehlleistung der Büroangestellten nicht vermieden worden wäre. Sie verkennt, daß es nicht darum geht, die Möglichkeit eines Fehlers auszuschließen. Es muß vielmehr Vorsorge dagegen getroffen werden, die Folgen eines Fehlers von Büroangestellten möglichst zu vermeiden. Das aber wäre durch eine Kontrolle der Fristeintragung erreicht worden, beispielsweise in Form der vom Berufungsgericht vermißten Wiedervorlageanweisung, wozu selbstverständlich auch deren Vermerk gehört, oder durch einen deutlich sichtbaren Vermerk auf der Handakte, wenn dessen Bearbeitung durch eine weitere Person sichergestellt worden wäre.
c) Nach alledem ist die Rechtsbeschwerde auch nicht deshalb zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil das Berufungsgericht gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich einer auf den konkreten Fall bezogenen Einzelanweisung verstoßen hätte. Die hierzu aufgestellten Grundsätze (etwa zum Vertrauen auf die Ausführung durch eine bisher zuverlässige Büroangestellte - vgl. BGH, Beschluß vom 18. Februar 1998 - VIII ZB 1/98 - NJW-RR 1998, 932) betrafen die Übermittlung eines Schriftsatzes an das Rechtsmittelgericht oder eine eigenmächtige Berechnung der
Rechtsmittelfrist trotz anderweitigem Vermerk auf einem Handzettel (vgl. BGH, Beschluß vom 23. November 2000 - IX ZB 83/00 - VersR 2002, 211 f.). Hier dagegen geht es um die unterlassene Ausführung einer lediglich mündlich erteilten Anweisung über die Eintragung einer Rechtsmittelfrist, die schon aufgrund allgemeiner Anweisung hätte sichergestellt werden müssen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 10/04
vom
22. Juni 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn ein Rechtsanwalt seiner Büroangestellten
mündlich die Anweisung erteilt hat, die Berufungsschrift per Telefax an das
Rechtsmittelgericht zu übermitteln, die Absendung jedoch im Laufe des Tages in
Vergessenheit gerät und unterbleibt.
BGH, Beschluß vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - LG Aachen
AG Eschweiler
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juni 2004 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 7. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 10. Dezember 2003 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen. Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 1.677,93 €

Gründe:

I.

Die Klägerin hat die Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls auf Schadensersatz in Höhe von 1.677,93 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 2. Juni 2003 zugestellt worden. Am 20. Juni 2003 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung endete am Montag, dem 4. August 2003. Die Berufungsbegründung ist per Fax am 5. August 2003 eingegangen. Auf gerichtlichen Hinweis hat die Klägerin am 15. August 2003 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Landgericht den Antrag im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, die Klägern habe nicht dargetan, daß im Büro
ihres Prozeßbevollmächtigten eine zuverlässige Ausgangskontrolle für fristgebundene Schriftsätze stattgefunden habe. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 238 Abs. 2 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordern. Die Rechtsfragen, die der Streitfall aufwirft, sind höchstrichterlich geklärt. Eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt nicht vor. 1. Die Rechtsbeschwerde wendet sich nicht gegen die Erwägungen des Beschwerdegerichts hinsichtlich einer unzureichenden Ausgangskontrolle im Büro des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin. Sie meint jedoch, dieser Gesichtspunkt stehe nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorliegend der Wiedereinsetzung deswegen nicht entgegen, weil der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin seiner - qualifizierten und zuverlässigen - Kanzleiangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilt habe, deren Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Dies habe das Beschwerdegericht verkannt. 2. Richtig ist, daß ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen darf, daß eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Er ist deshalb im allgemeinen nicht verpflichtet , sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1987 - VI ZR 43/87 - VersR 1988, 185 f.;
Senatsbeschlüsse vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02 - VersR 2003, 1462 und vom 9. Dezember 2003 - VI ZB 26/03 - MDR 2004, 477; BGH, Beschluß vom 13. April 1997 - XII ZB 56/97 - NJW 1997, 1930). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Betrifft die Anweisung z.B. einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, daß die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt. In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (Senatsbeschlüsse vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - VersR 2003, 1459 und vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688; v. Pentz, NJW 2003, 858, 863 f.). Ein solcher Organisationsfehler ist auch im vorliegenden Fall ursächlich dafür, daß die Berufungsbegründung nicht rechtzeitig per Fax an das Berufungsgericht übermittelt worden ist. Ebenso wie die nur mündlich angeordnete Eintragung einer Rechtsmittelfrist schlichtweg vergessen werden kann und deswegen eine besondere Kontrolle erfordert, kann im Einzelfall auch die Gefahr bestehen, daß die nur mündlich angeordnete Absendung eines Schriftsatzes in Vergessenheit gerät. Ein solcher Fall ist hier gegeben, weil der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin die Anweisung, die Berufungsbegründung per Fax an das Landgericht zu senden, seiner Büroangestellten schon am Vormittag erteilt hatte, ohne dabei aber eine unverzügliche Ausführung zu verlangen. Für den Fall, daß die Absendung am Vormittag unterblieb, bestand die nicht fernliegende Gefahr, daß die Angestellte die Anweisung nach ihrer Mittagspause vergessen könnte. Ein solches Versehen kann auch einer ansonsten stets zuverlässigen Bürokraft unterlaufen. Deswegen hätte der Prozeßbevollmächtigte hier, um seiner Sorgfaltspflicht zu genügen, die klare und präzise Anweisung (vgl. BGH, Beschluß vom 31. Mai 2000 - V ZB 57/99 - NJW-RR 2001, 209) erteilen müssen, die Berufungsbegründung umgehend, jedenfalls aber noch am
Vormittag abzusenden. Sah er davon ab, gereicht ihm zum Verschulden, daß er keine Vorkehrungen dagegen getroffen hat, die Ausführung seiner Anweisung auf andere Weise sicherzustellen oder zu kontrollieren. Gemäß § 85 Abs. 2 ZPO muß sich die Klägerin dieses Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten zurechnen lassen. Das Beschwerdegericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mithin zu Recht zurückgewiesen. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 85/06
vom
4. April 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Rechtsanwalt, der seiner Kanzleiangestellten die Einzelanweisung erteilt,
einen Schriftsatz zur Wahrung einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungfrist
noch am selben Tag per Telefax an das zuständige Gericht abzusenden
, muss, jedenfalls wenn er nicht anordnet, den Schriftsatz sogleich abzuschicken
, Vorkehrungen dagegen treffen, dass sein Auftrag im Drange der
übrigen Geschäfte in Vergessenheit gerät und die Frist dadurch versäumt wird
(Fortführung von BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - NJW-RR
2004, 1361 f).
BGH, Beschluss vom 4. April 2007 - III ZB 85/06 - OLG Stuttgart
LG Ulm
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. April 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Streck, Dörr und
Dr. Herrmann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 6. Juli 2006 - 1 U 31/06 - wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Beschwerdewert: 96.522,70 €.

Gründe:


I.


1
Der Kläger betrieb einen privaten Rettungsdienst in Baden-Württemberg. Er macht gegen den Beklagten Ausgleichsansprüche gemäß § 28 Abs. 4 des Rettungsdienstgesetzes geltend.
2
Das Landgericht hat die Klage durch das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 9. Februar 2006 zugestellte Urteil abgewiesen. Mit am 9. März 2006 beim Berufungsgericht eingegangenem anwaltlichen Schriftsatz hat er Berufung eingelegt, welche er mit am Dienstag, dem 11. April 2006 eingegangenem Schriftsatz vom 10. April 2006 begründet hat. Mit ebenfalls am 11. April 2006 eingegangenem weiteren Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist beantragt.
3
Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe den korrigierten und unterschriebenen Berufungsbegründungsschriftsatz am frühen Nachmittag des 10. April 2006 seiner langjährigen und äußerst zuverlässig arbeitenden Rechtsanwaltsfachangestellten übergeben. Er habe diese angewiesen, den Schriftsatz wegen des Fristablaufs "noch heute" vorab per Fax an das Oberlandesgericht zu übermitteln. Die Angestellte habe sodann die Tagespost fertig gestellt, indem sie diese einkuvertiert und frankiert habe. Anschließend habe sie sich auf den Weg begeben, um das Gerichtsfach der Kanzlei bei dem örtlichen Amtsgericht zu leeren. Hierbei habe sie die frankierte Post in den auf dem Weg gelegenen Briefkasten eingeworfen. Nach Rückkehr in die Kanzlei habe sie im Fristenkalender die Erledigung der Gerichtspost vermerkt. Da sie die Berufungsbegründungsschrift in den Briefkasten eingeworfen habe, habe sie auch in der vorliegenden Sache einen Erledigungsvermerk im Fristenkalender angebracht, wobei sie die angeordnete Faxübermittlung vergessen habe.
4
Die Fristenkontrolle in seinem Büro sei so geregelt, dass nach Erbringung der zur Fristwahrung erforderlichen Leistung die Frist im Kalender mit einem Haken versehen werde. Sei die Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax angeordnet, dürfe dies nach einer entsprechenden allgemeinen Weisung erst nach Ausdruck eines beizuheftenden Sendeprotokolls mit dem Vermerk "OK" erfolgen.
5
Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.


6
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Sie ist zwar nach § 238 Abs. 2 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Allerdings hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
7
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers falle ein Organisationsverschulden zur Last. Weise ein Rechtsanwalt seine Fachangestellte an, eine schon fertig gestellte und im Original von ihm unterschriebene Berufungsbegründungsschrift noch am selben Tage per Fax an das Gericht zu versenden, werde den an die Organisation einer Rechtsanwaltskanzlei zu stellenden Anforderungen nur dann ausreichend Rechnung getragen , wenn geeignete Maßnahmen getroffen seien, die einem möglichen Vergessen der mündlichen Anweisung entgegenwirkten. Solche Maßnahmen könnten in der allgemeinen Anordnung an di e Fachangestellte bestehen, eine Einzelweisung zur Übermittlung eines versandfertigen und unterschriebenen fristgebundenen Schriftsatzes per Fax entweder sofort auszuführen oder sofort im Fristenkalender einen Vermerk über die gebotene Versendung per Fax anzubringen.
8
2. Das Berufungsgericht hat damit auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entschieden.
9
Ein Rechtsanwalt darf zwar grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelweisung befolgt (ständige Rechtsprechung, z.B. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - NJW-RR 2004, 1361, 1362 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688, 689). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Betrifft die Anweisung - wie hier - einen solch wichtigen Vorgang wie die Wahrung einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anordnung in Vergessenheit gerät und die Frist dadurch versäumt wird. In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen Organisationsmangel (BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 aaO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. November 2003 aaO). Eine besondere Vorkehrung mag ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn die Bürokraft die unmissverständliche Weisung erhält, einen Vorgang sogleich auszuführen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 aaO). Lässt der Anwalt seiner Angestellten hingegen - wie hier - einen zeitlichen Spielraum von mehreren Stunden zur Erledigung der aufgetragenen Arbeit , besteht die Gefahr, dass der Auftrag im Drange der sonstigen Geschäfte vergessen wird. Dieser Fehler kann auch ansonsten verlässlichen Kanzlei- angestellten unterlaufen. Der Rechtsanwalt muss deshalb, wenn er nicht die sofortige Ausführung seiner Einzelweisung anordnet, durch eine allgemeine Weisung oder durch einen im Einzelfall zu erteilenden Auftrag Vorkehrungenhiergegen treffen. Insoweit kommt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, zum Beispiel in Betracht, dass sofort nach der mündlichen Weisung, den Schriftsatz noch am selben Tag per Fax zu versenden, ein entsprechender Vermerk im Fristenkalender angebracht wird.
10
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht dem der Beschluss des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 22. Juni 2004 (aaO) nicht entgegen. Zwar hat dieser Senat das Organisationsverschulden eines Rechtsanwalts, der seinem Büropersonal, wie hier, die Anweisung gegeben hatte, eine Berufungsbegründung als Fax an das Rechtsmittelgericht zu senden , mit der Erwägung angenommen, dass die Weisung bereits am Vormittag ergangen war und die klare und präzise Direktive fehlte, die Rechtsmittelbegründungsschrift umgehend, jedenfalls noch am Vormittag abzusenden (Beschluss vom 22. Juni 2004 aaO). Für den Fall, dass die Versendung am Vormittag unterblieben sei, habe die nicht fern liegende Gefahr bestanden, dass die Angestellte die Anweisung nach ihrer Mittagspause vergessen würde. Dieser Entscheidung ist jedoch, anders als die Rechtsbeschwerde meint, nicht umgekehrt zu entnehmen, dass der Rechtsanwalt darauf vertrauen darf, dass seine Einzelanweisung nicht innerhalb weniger Stunden eines halben Tages in Vergessenheit gerät.
Schlick Wurm Streck
Dörr Herrmann
Vorinstanzen:
LG Ulm, Entscheidung vom 31.01.2006 - 6 O 14/05 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 06.07.2006 - 1 U 31/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 189/07
vom
2. April 2008
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 233 Fb, Fd
Zur Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung eines Rechtsmittels, wenn
diese versäumt wurde, weil eine Kanzleiangestellte die ihr vom Rechtsanwalt
mündlich erteilte Einzelanweisung, die Frist unter dem ihr genannten Datum
sofort in den Fristenkalender einzutragen, nicht befolgt hat.
BGH, Beschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 189/07 - OLG Karlsruhe
AG Bruchsal
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. April 2008 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 20. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 6. November 2007 - 20 UF 95/07 aufgehoben. Dem Antragsteller wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bruchsal vom 7. Mai 2007 - 2 F 160/06 - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:

I.

1
Gegen den ihm am 22. Mai 2007 zugestellten Beschluss des Familiengerichts , mit dem der Antrag auf Herausgabe des gemeinsamen Kindes der Parteien zurückgewiesen wurde, legte der zweitinstanzliche Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers am 4. Juni 2007 Beschwerde ein und beantragte, ihm die Gerichtsakten zur Begründung der Beschwerde zu übersenden.
2
Die ihm mit Verfügung vom 10. Juli 2007 übersandte Gerichtsakte reichte er mit Anschreiben vom 13. Juli 2007 zurück.
3
Mit Schriftsätzen vom 27. Juli 2007, die am selben Tag bei dem Oberlandesgericht eingingen, begründete er die Beschwerde und beantragte zugleich, ihm Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist zu gewähren.
4
Nach dem Vorbringen des Antragstellers, das er durch anwaltliche Versicherung von Rechtsanwalt Dr. M. und eidesstattliche Erklärung der Kanzleiangestellten S. glaubhaft machte, hatte Rechtsanwalt Dr. M. die zuverlässige Angestellte S., die mit der Führung seines Fristenkalenders betraut ist, bei Unterzeichnung der Beschwerdeschrift am 4. Juni 2007 mündlich angewiesen, die Frist zur Begründung der Beschwerde, die am 23. Juli 2007 ablaufe, sofort mit der üblichen Vorfrist von einer Woche im Fristenkalender zu notieren. Zudem bestehe eine allgemeine Büroanweisung, vom Rechtsanwalt angewiesene Fristnotierungen immer anderen Arbeiten vorzuziehen. Die ihr erteilte Weisung habe die Angestellte S. aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nicht befolgt , so dass Rechtsanwalt Dr. M. den Ablauf der Begründungsfrist erst bemerkt habe, als ihm die Akte am 25. Juli 2007 vorgelegt worden sei.
5
Das Beschwerdegericht wies den Wiedereinsetzungsantrag mit der Begründung zurück, es habe an organisatorischen Vorkehrungen dagegen gefehlt, dass die erteilte Anweisung in Vergessenheit gerate, und verwarf die Beschwerde als unzulässig. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers. http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE001800314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=VRRE013770000&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE290369901&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE300750101&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE300750101&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313392002&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 4 -

II.

6
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung der Beschwerde.
7
1. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung der Beschwerde richtet, ist sie gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 621 e Abs. 3 Satz 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Gleiches gilt gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs richtet.
8
2. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das Beschwerdegericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht des Antragstellers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, welches es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 41, 323, 326 ff.; 41, 332, 334 ff.; 69, 381, 385; BVerfG NJW 1999, 3701, 3702; NJW 2001, 2161, 2162; BGHZ 151, 221, 227).
9
3. Sie ist auch begründet.
10
a) Das Beschwerdegericht hat dem Antragsteller die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verweigert, weil es ein dem Antragsteller nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Organisationsverschulden seines Verfahrensbevollmächtigten für nicht ausgeschlossen hält. Bei einer mündlich erteilten Weisung, eine Begründungsfrist einzutragen, müssten nämlich auch dann, wenn die sofortige Ausführung dieser Weisung angeordnet werde, organisatori- sche Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Weisung in Vergessenheit gerate; das Fehlen jeder Sicherung stelle einen Organisationsmangel dar. Derartige Vorkehrungen habe der Antragsteller in seinem Wiedereinsetzungsgesuch nicht darlegt.
11
b) Dem ist in einem entscheidenden Punkt nicht zu folgen.
12
Grundsätzlich darf ein Rechtsanwalt darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte , die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Er ist deshalb im allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - FamRZ 2004, 1711 m.N.).
13
Im Ansatz zutreffend geht das Beschwerdegericht unter Hinweis auf diese Entscheidung davon aus, dass dieser Grundsatz aber nicht ausnahmslos gilt. Betrifft die Anweisung einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen sein oder werden, dass die Anweisung (etwa im Drange der übrigen Geschäfte, vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2007 - III ZB 85/06 - NJW-RR 2007, 1430, 1431) in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt (BGH, Beschlüsse vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - FamRZ 2004, 1711 und vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688, 689 m.N.).
14
Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts genügt in einem solchen Fall aber die klare und präzise Anweisung, die genannte Begründungsfrist sofort einzutragen, zumal hier die weitere allgemeine Büroanweisung bestand, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen Aufgaben zu erledigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - FamRZ 2004, 1711, 1712, vom 15. November 2007 - IX ZB 219/06 - NJW 2008, 526, 527, vom 4. April 2007 - III ZB 85/06 - NJW-RR 2007, 1430, 1431 und Senatsbeschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 2778, 1723 unter Rz. 8). Denn in einem solchen Fall stellt die im Einzelfall erteilte zusätzliche Weisung, den Auftrag sofort und vor allen anderen Aufgaben auszuführen, grundsätzlich eine ausreichende Vorkehrung dagegen dar, dass die Eintragung der Frist in Vergessenheit gerät.
15
Die Gefahr, dass eine solche sofort auszuführende Weisung - wie im vorliegenden Einzelfall - sogleich, d.h. auf dem kurzen Weg vom Anwaltszimmer zum Fristenbuch, vergessen oder aus sonstigen Gründen nicht befolgt wird, macht eine nachträgliche Kontrolle ihrer Ausführung nicht erforderlich. Diese Gefahr ist jedenfalls nicht größer als die Gefahr, dass eine Bürobotin die Weisung , einen ihr übergebenen fristwahrenden Schriftsatz sofort zum Gericht zu bringen, auf dem Wege dorthin vergisst. Auch in einem solchen Fall darf die im Kalender notierte Frist aber bereits bei Übergabe an die Botin gestrichen werden , ohne dass die tatsächliche Abgabe bei Gericht nachträglich noch einmal kontrolliert werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 1998 - VIII ZB 14/98 - NJW-RR 1998, 1444, 1445).
16
4. Die angefochtene Entscheidung kann daher mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.
17
Sie erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.
18
Zwar hatte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers die Gerichtsakten am 4. Juni 2007 "zur Begründung der Beschwerde" angefordert und sie nach Einsichtnahme mit Anschreiben vom 13. Juli 2007 zurückgesandt. Nur wenn sie ihm in dieser Zeit oder jedenfalls vor Ablauf der Begründungsfrist zusammen mit der Handakte zum Entwurf der Beschwerdebegründung vorgelegt worden wären, hätte er den Ablauf der Begründungsfrist und deren zutreffende Eintragung auf der Handakte sogleich selbständig überprüfen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 2002 - VI ZB 40/02 - FamRZ 2003, 369, 370 m.N.). Eine derartige Vorlage hat das Beschwerdegericht aber nicht festgestellt; der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers hat vielmehr anwaltlich versichert , dass ihm die Handakte erst am 25. Juli 2007 vorgelegt worden sei. Der bloße Eingang der Gerichtsakten und deren Vorlage zur Einsichtnahme durch den Rechtsanwalt verpflichten diesen aber noch nicht zur Prüfung des Fristablaufs und dessen zutreffender Notierung. Vielmehr darf der Rechtsanwalt auch dann weiterhin darauf vertrauen, dass ihm die Sache rechtzeitig anhand der im Fristenkalender notierten Fristen (erneut) vorgelegt wird (Senatsbeschlüsse vom 29. April 1998 - XII ZB 140/95 - NJW-RR 1998, 1526, 1527 und vom 22. Januar 1997 - XII ZB 195/96 - FamRZ 1997, 813, 814).
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose
Vorinstanzen:
AG Bruchsal, Entscheidung vom 07.05.2007 - 2 F 160/06 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 06.11.2007 - 20 UF 95/07 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)