Bundessozialgericht Beschluss, 03. Aug. 2016 - B 6 KA 5/16 B

bei uns veröffentlicht am03.08.2016

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 9. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 475 000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Im Streit steht die Höhe des Regelleistungsvolumens (RLV) des Klägers, vorrangig aber die Einhaltung der Klagefrist.

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Der Kläger nimmt als Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Kardiologie an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) teil. Gegen die Honorarbescheide für die Quartale I/2009 bis IV/2011 legte der Kläger jeweils Widerspruch mit der Begründung ein, seine Mitarbeit in einem ambulanten Herzzentrum müsse als Praxisbesonderheit bei der Bemessung des RLV berücksichtigt werden. Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 16.5.2012 zurück; dieser ging am 21.5.2012 bei dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers (unter der neuen Kanzleianschrift B.-Straße) ein. Am 4.7.2012 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben und zugleich wegen Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Sein damaliger Prozessbevollmächtigter habe vom 1.1.2011 bis 30.6.2012 als Untermieter in der Rechtsanwaltskanzlei M. und Partner in der N.-Straße die Infrastruktur und das Sekretariat (einschließlich Fristenkontrolle) dieser Kanzlei mitgenutzt. Anfang Mai 2012 habe dieser den Umzug seiner Kanzlei in neue Räumlichkeiten in die B.-Straße begonnen, jedoch vereinbart, die Dienste des Sekretariats noch bis zum 30.6.2012 zu nutzen, da ihm erst Anfang Juli 2012 ein für die Fristenkontrolle funktionsfähiges Sekretariat zur Verfügung gestanden habe. Am Tag des Eingangs des Widerspruchsbescheides habe er Frau U. im Sekretariat M. und Partner angerufen und sie gebeten, in der Sache eine Frist für den 18.6.2012 sowie eine Wiedervorlage für den 11.6.2012 zu notieren; Frau U. habe dies zugesagt. Diese Angabe werde anwaltlich versichert. Am 3.7.2012 habe er bei Durchsicht seiner Akten festgestellt, dass er nicht entsprechend informiert worden sei.

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Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 11.4.2014 als unzulässig abgewiesen. Auch die vom Kläger eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben (Urteil des LSG vom 9.12.2015). Das LSG hat ausgeführt, die Klage sei unzulässig, weil sie nicht fristgerecht eingelegt worden sei. Dem Kläger sei insoweit auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er nicht ohne Verschulden verhindert gewesen sei, die Klagefrist einzuhalten. Zwar treffe einen Kläger kein Verschulden an der Säumnis, wenn diese auf ein Fehlverhalten von Hilfspersonen seines (früheren) Prozessbevollmächtigten zurückzuführen sei; jener habe vorgetragen, Frau U. könne sich an das Telefonat vom 21.5.2012 noch erinnern und habe die damals erfolgte Anweisung des Fristeintrages bestätigt. Dieses Vorbringen sei jedoch nicht glaubhaft gemacht worden. Der frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers habe seine Angaben zwar anwaltlich versichert. Aus der Auskunft von Rechtsanwalt R. aus der Kanzlei M. und Partner vom 11.7.2014 ergebe sich jedoch, dass sich Frau U. an das behauptete Telefonat nicht erinnern könne und in den Fristenbüchern auch keine entsprechende Frist eingetragen sei. Dass die Angestellte das Telefonat wegen des inzwischen eingetretenen Zeitablaufs lediglich vergessen habe, sei unwahrscheinlich, weil sich ein Versäumnis dieser Tragweite erfahrungsgemäß einpräge. Im Übrigen hätte die Vorlage einer von Frau U. unterzeichneten entsprechenden eidesstattlichen Versicherung durch den Prozessbevollmächtigten nahegelegen; dies sei jedenfalls weithin üblich. Angesichts dieser Lage reiche die anwaltliche Versicherung zur Glaubhaftmachung nicht aus.

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Unabhängig hiervon sei die Versäumung der Klagefrist schon deshalb nicht unverschuldet, weil sie auf einem Überwachungsverschulden des früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers beruhe. In besonderen Fällen müsse der Bevollmächtigte Vorkehrungen dagegen treffen, dass der von ihm erteilte Auftrag im Drang der übrigen Geschäfte in Vergessenheit gerate und die Frist dadurch versäumt werde. Ein besonderer Fall sei vorliegend gegeben, weil die Bürokraft Frau U. nicht in der neuen Kanzlei des Prozessbevollmächtigten in der B.-Straße, sondern in dessen früherer Kanzlei in der N.-Straße gearbeitet habe. Die frühere Bürogemeinschaft habe sich in Auflösung befunden. Bei derartigen Umzugssituationen bestehe angesichts der zu erwartenden Beeinträchtigungen der Geschäftsabläufe in besonderem Maße Veranlassung, geeignete Vorkehrungen für eine ordnungsgemäße Fristsetzung und -kontrolle zu treffen. Der Prozessbevollmächtigte habe sich schon aus dem Arbeitsumfeld von Frau U. gelöst; deshalb habe die Gefahr bestanden, dass die Mitarbeiterin einzelne Aufträge nicht mehr im selben Grad als verbindlich angesehen habe wie früher. Zudem habe ein erhöhtes Risiko bestanden, die Fristeintragung zu vergessen, weil die Angestellte den Prozessbevollmächtigten nicht mehr regelmäßig gesehen habe. Aus diesen Gründen wäre es erforderlich gewesen, dass sich der Prozessbevollmächtigte durch gelegentliche - zB telefonische - Kontrollen vergewissert hätte, ob die Frist bzw der Wiedervorlagetermin der Akte ordnungsgemäß notiert gewesen sei, oder die Angestellte gebeten hätte, die Eintragung der Frist bzw des Termins per E-Mail zu bestätigen. Dass der Prozessbevollmächtigte derartige Vorkehrungen getroffen habe, sei seinem Vorbringen nicht zu entnehmen.

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Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie Verfahrensmängel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.

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II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

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1. Soweit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, ist die Beschwerde zwar zulässig, aber unbegründet.

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Die Revisionszulassung setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt (hierzu s zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f sowie BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Nichts anderes gilt, wenn kein vernünftiger Zweifel an der Richtigkeit der vom LSG dazu gegebenen Auslegung bestehen kann, weil sich die Beantwortung bereits ohne Weiteres aus der streitigen Norm selbst ergibt (vgl hierzu BSG Beschluss vom 2.4.2003 - B 6 KA 83/02 B - Juris RdNr 4). Die Bedeutung über den Einzelfall hinaus ist nicht gegeben, wenn die Rechtsfrage aufgrund besonderer Gestaltung des vorliegenden Einzelfalls einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung nicht zugänglich ist (vgl zB BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 50/07 B - RdNr 6 iVm 11). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die BVerfG-Angaben in BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 sowie BVerfG SozR 4-1500 § 160a Nr 16 RdNr 4 f).

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a. Die Rechtsfragen,

        

ob an die anwaltliche Kontrolle von Einzelanweisungen strengere Anforderungen zu stellen sind, wenn ein Anwalt sich aus einer Bürogemeinschaft löst und deren Infrastruktur mitbenutzt,

sowie,

        

ob ein Anwalt, der eine Einzelanweisung erteilt, sich dann telefonisch oder anderweitig vergewissern muss, ob diese tatsächlich ausgeführt wurde, wenn er sich aus einer Bürogemeinschaft löst und deren Infrastruktur mitbenutzt,

sind nicht klärungsbedürftig.

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aa. Ein Verschulden liegt vor, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war (BSG SozR 4-1500 § 67 Nr 7 RdNr 14; BSG Beschluss vom 8.9.2010 - B 14 AS 96/10 B - RdNr 6 - Juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 67 RdNr 3, jeweils mwN). Dabei ist das Verschulden eines Bevollmächtigten dem vertretenen Beteiligten gemäß § 73 Abs 6 Satz 6 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO stets wie eigenes Verschulden zuzurechnen. Für ein Verschulden von Hilfspersonen des Bevollmächtigten gilt dasselbe dann, wenn dieses vom Bevollmächtigten selbst zu vertreten, also als dessen eigenes Verschulden anzusehen ist (vgl BSG aaO). Kein Verschulden des Prozessbevollmächtigten liegt dagegen vor, wenn er darlegen kann, dass ein Büroversehen vorliegt und er alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat.

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Ein dem Kläger zuzurechnendes Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten ist gegeben, wenn die Nichteinhaltung der Frist darauf beruht, dass er es versäumt hat, durch eine zweckmäßige Büroorganisation, insbesondere hinsichtlich der Fristen- und Terminüberwachung und der Erledigungs- und Ausgangskontrolle, ausreichende Vorkehrungen zur Vermeidung von Fristversäumnissen zu treffen (stRspr des BSG, zB BSGE 61, 213, 215 = SozR 1500 § 67 Nr 18 S 43; BSG Beschluss vom 11.12.2008 - B 6 KA 34/08 B - RdNr 8 - Juris). Grundsätzlich darf ein Rechtsanwalt darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt; er ist deshalb im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung zu vergewissern (stRspr, vgl BGH Beschluss vom 2.4.2008 - XII ZB 189/07 - RdNr 12 mwN - Juris = NJW 2008, 2589; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 67 RdNr 8d mwN).

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Allerdings müssen dann, wenn die Anweisung des Rechtsanwalts einen so wichtigen Vorgang wie die Erstellung einer Rechtsmittelschrift betrifft und sie nur mündlich erteilt wird, in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung - etwa im Drange der übrigen Geschäfte - unterbleibt (BGH Beschluss vom 8.2.2012 - XII ZB 165/11 - RdNr 31 - Juris = NJW 2012, 1591 mwN; BGH Beschluss vom 15.5.2012 - VI ZB 27/11 - RdNr 12 - Juris = NJW-RR 2013, 179; BGH Beschluss vom 9.7.2013 - XI ZB 20/12 - RdNr 13 mwN - Juris; BAG Beschluss vom 27.10.1994 - 2 AZB 28/94 - BAGE 78, 184; BAG Beschluss vom 27.9.1995 - 4 AZN 473/95 - RdNr 13 - Juris = NZA 1996, 555). In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (BGH Beschluss vom 15.5.2012 aaO mwN). Welche organisatorischen Vorkehrungen in der Kanzlei M. und Partner getroffen wurden, um zu verhindern, dass die Fristeintragung in Vergessenheit gerät, hat der Kläger nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht (vgl hierzu BGH Beschluss vom 20.1.2009 - XI ZB 6/08 - RdNr 8 - Juris).

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Zwar ist wiederum anerkannt, dass es derartiger organisatorischer Maßnahmen nicht bedarf, wenn die klare und unmissverständliche (Einzel-)Anweisung besteht, die genannte Begründungsfrist sofort einzutragen (BGH Beschlüsse vom 2.4.2008 - XII ZB 189/07 - RdNr 14 - Juris = NJW 2008, 2589 und - XII ZB 190/07 - RdNr 14 - Juris), jedoch gilt dies nur dann, wenn darüber hinaus eine allgemeine Büroanweisung besteht, dass ein solcher Auftrag stets vor allen anderen Aufgaben zu erledigen ist (BGH aaO; s auch BGH Beschluss vom 20.1.2009 - XI ZB 6/08 - RdNr 11 - Juris). Dass eine derartige Büroanweisung in der Kanzlei M. und Partner bestand, ist nicht vorgetragen worden.

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bb. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass einen Rechtsanwalt bei Vorliegen besonderer Umstände erhöhte Sorgfaltspflichten treffen. Das Vorliegen derartiger besonderer Umstände hat das LSG in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht, ohne dass es hierzu noch der weiteren Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf:

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Das Vorliegen eines derartigen besonderen Umstandes hat die höchstrichterliche Rechtsprechung - neben der Ausschöpfung von Fristen (s BSG Beschluss vom 11.12.2008 - B 6 KA 34/08 B - RdNr 14 mwN - Juris) - etwa für den Fall angenommen, dass die mündlich angewiesene Rechtsanwaltsfachangestellte auch noch mit anderen Angelegenheiten befasst, in sonstiger Weise abgelenkt oder arbeitsmäßig und aus persönlichen Gründen besonders belastet ist (BAG Beschluss vom 27.10.1994 - 2 AZB 28/94 - BAGE 78, 184; BAG Beschluss vom 27.9.1995 - 4 AZN 473/95 - RdNr 13 - Juris = NZA 1996, 555; BGH Beschluss vom 23.4.1980 - VIII ZB 3/80 - RdNr 6 - Juris = VersR 1980, 746).

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Ebenso ist anerkannt, dass mit Blick auf einen anstehenden Umzug der Kanzlei in ein neues Bürogebäude und der absehbaren Möglichkeit einer damit ggf verbundenen Beeinträchtigung der Geschäftsabläufe in besonderem Maße Veranlassung bestand, geeignete Vorkehrungen für eine ordnungsgemäße, namentlich fristgerechte Weiterbearbeitung der Sache zu treffen (so OVG für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 21.12.2010 - 1 A 1993/09 - RdNr 58 - Juris; in diesem Sinne auch BGH Beschluss vom 2.3.1978 - VII ZB 17/77 - RdNr 7 - Juris = VersR 1978, 644; BGH Beschluss vom 24.3.1982 - IVa ZB 6/82 - RdNr 5 - Juris = VersR 1982, 651; BGH Beschluss vom 8.2.2012 - XII ZB 165/11 - RdNr 33 - Juris = NJW 2012, 1591; s auch OLG Köln Beschluss vom 20.4.2010 - 19 U 9/10 - RdNr 15 - Juris).

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Auch der erkennende Senat geht davon aus, dass in besonderen Situationen erhöhte Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Fristwahrung bestehen. So hat er ausgeführt, dass gerade angesichts des vom klagenden Arzt geschilderten Umbaus der Praxis und des bevorstehenden Urlaubs seiner Arzthelferin besonderer Anlass bestanden hätte, besondere Vorkehrungen für die Einhaltung der Frist zu treffen, auch wenn bei einer Privatperson in dieser Hinsicht geringere Anforderungen zu stellen sein mögen als bei einem Rechtsanwalt (BSG Beschluss vom 30.12.1996 - 6 BKa 51/95 - RdNr 3 - Juris).

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Für die vorliegende Konstellation gilt letztlich nichts anderes. Wenn sich ein Rechtsanwalt aus einer Bürogemeinschaft löst, jedoch für eine Übergangszeit deren Infrastruktur weiterhin in Anspruch nimmt, begründen die besonderen Umstände erhöhte Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts. Dass ein Umzug der Kanzlei vorliegend allein den Rechtsanwalt, nicht aber die von ihm in Anspruch genommene Rechtsanwaltsfachangestellte betrifft, ändert daran nichts. Zwar war die Rechtsanwaltsfachangestellte U. nicht selbst durch den Umzug (mit-)betroffen, doch hat es aufgrund der räumlichen Trennung an einem persönlichen Kontakt zwischen ihr und dem Anwalt gefehlt; daraus - wie das LSG - den Schluss zu ziehen, dass sich damit das Risiko erhöht, dass mündlich erteilte Anweisungen in Vergessenheit geraten, ist schlüssig.

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Nach den Angaben des Klägers hat sein früherer Bevollmächtigter die bisherigen Kanzleiräume Anfang Mai verlassen, war also bei Eingang des Widerspruchsschreibens am 21.5.2012 schon rund drei Wochen aus dem Büroumfeld ausgeschieden. Ausweislich der Prozessakten wurde seither zwischen dem Sekretariat und dem Bevollmächtigten ausschließlich telefonisch bzw per E-Mail kommuniziert; Gegenteiliges ist weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Gerade bei lediglich telefonisch erteilten Anweisungen fehlt dem Anweisenden jeglicher Hinweis darauf, ob und wie die Anweisung notiert wurde bzw umgesetzt wurde. Hinzu kommt, dass infolge der räumlichen Trennung das übliche organisatorische Prozedere gestört war. So gehört zu den erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fristenkontrolle insbesondere, dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in den Fristenkalender eingetragen worden sind (BGH Beschluss vom 8.7.2014 - II ZB 17/13 - RdNr 10 - Juris).

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Auch wenn sich weder aus den Gerichtsakten noch aus dem Vorbringen des Klägers entnehmen lässt, ob sich die den Rechtsstreit betreffenden Handakten in den Räumen der Kanzlei M. und Partner oder bereits in den neuen Kanzleiräumen in der B.-Straße befunden haben, steht jedenfalls fest, dass der Widerspruchsbescheid an die neue Kanzleiadresse in der B.-Straße adressiert war und auch dort eingegangen ist. Da nichts Gegenteiliges vorgetragen wurde, ist davon auszugehen, dass er auch dort verblieben ist, während die Fristennotierung und -überwachung in der N.-Straße erfolgen sollte. Der Kläger hat nichts dazu vorgetragen, dass dort die Anlage einer entsprechenden Handakte erfolgte oder wenigstens eine Kopie des Widerspruchsbescheides an die Kanzlei in der N.-Straße übersandt wurde, ebenso wenig, dass eine (Wieder-)Vorlage einer Handakte beabsichtigt war.

21

Aus dem Vorbringen des Klägers sowie aus dem Inhalt der Gerichtsakte lässt sich vielmehr allein der Schluss ziehen, dass die Aufgabe der Sekretariatsangestellten in der Kanzlei M. und Partner (allein) darin bestand, den früheren Bevollmächtigten des Klägers - wie ausweislich der von ihm vorgelegten E-Mails in anderen Fällen auch - per E-Mail über den Fristablauf zu informieren. Damit hing die Fristwahrung einzig und allein an dem Umstand, ob Frau U. - die ohnehin nur als Vertreterin für die bisherige Ansprechpartnerin des Bevollmächtigten, Frau S., tätig wurde - die Anweisung, die Frist einzutragen, tatsächlich umsetzte; weitere Sicherungen bestanden nicht. Gerade weil - offenbar - der Widerspruchsbescheid beim (früheren) Bevollmächtigten verblieben war, erhöhte sich die Gefahr, dass die Eintragung einer Frist unterblieb, weil es im Sekretariat an einem "gegenständlichen" Anhalt für die Fristennotierung fehlte.

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In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass es zu den anwaltlichen Sorgfaltspflichten gehört, das Empfangsbekenntnis über die Zustellung einer gerichtlichen Entscheidung erst dann zu unterzeichnen, wenn die Rechtsmittelfrist in den Handakten festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert ist (BSG Beschluss vom 26.11.1996 - 6 RKa 61/96 - RdNr 6 - Juris; BSG Beschluss vom 29.6.2010 - B 6 KA 4/10 R - RdNr 21; BVerwG NVwZ 2003, 868 f mwN; BGH Beschluss vom 2.2.2010 - VI ZB 58/09 - Juris RdNr 6 mwN = NJW 2010, 1080; BGH Beschluss vom 9.7.2013 - XI ZB 20/12 - RdNr 12 - Juris). Bescheinigt der Bevollmächtigte den Empfang eines ohne Handakten vorgelegten Urteils, so erhöht sich damit die Gefahr, dass die Fristnotierung unterbleibt und dies erst nach Fristablauf bemerkt wird. Nichts anderes gilt auch für den Eingang eines Widerspruchsbescheides. Vorliegend ist nicht einmal vorgetragen, dass überhaupt Handakten geführt wurden.

23

Der frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers hätte sich unter den dargestellten besonderen Umständen nicht darauf verlassen dürfen, dass seine Anweisung umgesetzt wird, sondern er war gehalten, sich entweder in der Folgezeit - durch einen erneuten Anruf oder durch persönliches Aufsuchen der früheren Kanzleiräume - zu vergewissern, dass die Eintragung der Frist tatsächlich erfolgt war, oder er hätte - zusätzlich - durch eigene Maßnahmen sicherstellen müssen, dass er die Frist im Blick behielt. Derartiges ist weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass der Bevollmächtigte derart mit dem Umzug beschäftigt war, dass er die Angelegenheit laufen ließ.

24

b. Ebenfalls nicht klärungsbedürftig sind die Rechtsfragen,

        

ob eine gerichtliche Entscheidung am räumlichen Ende ihrer Urteilsgründe unmittelbar mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und dann unterschrieben werden muss,

sowie 

        

ob es für ein formwirksames Urteil noch ausreicht, die Rechtsmittelbelehrung zu unterschreiben, wenn diese von den Entscheidungsgründen deutlich abgesetzt ist bzw sich ohne Not auf einem separaten Blatt befindet.

Auch insoweit ergibt sich die Antwort auf diese Fragen aus der vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung.

25

Das Urteil des SG ist gemäß § 134 Abs 1 SGG vom Vorsitzenden, das Urteil des LSG von den Mitgliedern des Senats(§ 153 Abs 3 Satz 1 SGG) zu unterschreiben. An welcher Stelle die Unterschriften zu leisten sind, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Es ist jedoch höchstrichterlich geklärt, dass die Rechtsmittelbelehrung bei Urteilen und Beschlüssen Bestandteil der Entscheidung ist (s § 136 Abs 1 Nr 7, § 142 Abs 1 SGG)und sie deshalb mit ihr verbunden und durch die Unterschrift gedeckt sein muss (BSGE 5, 87, 90; ebenso BVerwGE 134, 41, 42 f - RdNr 13 f; BFH Beschluss vom 3.11.2004 - I B 97/04 - Juris RdNr 4; BAGE 33, 63; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 66 RdNr 4 und § 134 RdNr 2b). Daraus lässt sich zweifelsfrei entnehmen, dass es nicht nur ausreichend, sondern sogar geboten ist, dass die erforderlichen Unterschriften erst im Anschluss an die Rechtsmittelbelehrung geleistet werden und dass damit sowohl die Urteilsgründe als auch die Rechtsmittelbelehrung durch die Unterschriften gedeckt sind. Das vom Kläger zum Beleg seiner Auffassung angezogene Urteil des BSG vom 11.2.1981 (2 RU 37/80 - SozR 1500 § 151 Nr 9 = MDR 1981, 700)verhält sich nicht zu der Frage, an welcher Stelle ein Urteil zu unterschreiben ist.

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Es bedarf auch keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, ob es der Formwirksamkeit eines Urteils entgegensteht, wenn die Rechtsmittelbelehrung den Urteilsgründen auf einem gesonderten Blatt folgt, ohne dass dies aus räumlichen Gründen geboten ist. Es liegt auf der Hand, dass für Rechtsmittelbelehrungen (gerichts-)einheitliche Textbausteine verwendet werden, weil so gewährleistet werden kann, dass die Rechtsmittelbelehrung(en) stets auf dem aktuellen Stand sind. Ob diese nun als elektronischer Textbaustein in die gerichtliche Entscheidung hineinkopiert oder als separater Ausdruck an diese angefügt werden, spielt für die Frage der Verbindung beider Teile keine Rolle. In Bezug auf die hier in Rede stehende Entscheidung wird diese Verbindung schon dadurch deutlich, dass Urteil und Rechtsmittelbelehrung fortlaufend durchnummeriert sind. Die Annahme, dass ein Leerraum von ca 26 cm zwischen Entscheidungsgründen und Rechtsmittelbelehrung die gebotene Verbindung zwischen beiden Teilen entfallen lasse, geht fehl.

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2. In Bezug auf die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel ist die Beschwerde - ihre Zulässigkeit unterstellt - jedenfalls unbegründet.

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Wer die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, muss gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau bezeichnen. Zudem müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargestellt und es muss - sofern nicht ein absoluter Revisionsgrund iS von § 547 ZPO geltend gemacht wird - darüber hinaus dargelegt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann(vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 mwN). Begründet ist die Rüge nur dann, wenn der den Anforderungen entsprechend geltend gemachte Verfahrensmangel tatsächlich vorliegt und die Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 22a, 23).

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a. Soweit der Kläger als Verfahrensmangel geltend macht, dass das LSG die Anforderungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf eine ausreichende Glaubhaftmachung des Vorbringens überspannt habe, so kann dahingestellt bleiben, ob er damit nicht allein Fehler in der Beweiswürdigung des LSG (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG)rügen will, obwohl ein Verfahrensmangel gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht auf die Verletzung dieser Vorschrift gestützt werden kann. Sofern der Kläger in der Überspannung der Anforderungen an die Glaubhaftmachung selbst einen - nicht näher bezeichneten - Verfahrensmangel geltend macht, kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher - etwa als Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (s hierzu BSG SozR 4-1500 § 73a Nr 9 RdNr 3 ff) - überhaupt in Betracht kommt. Denn das LSG hat seine Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige Begründungselemente gestützt, nämlich zum einen auf eine fehlende Glaubhaftmachung, zum anderen auf das Vorliegen eines Überwachungsverschuldens. Selbst wenn also das LSG seine Entscheidung (auch) verfahrensfehlerhaft auf eine fehlende Glaubhaftmachung der für eine unverschuldete Fristversäumung streitenden Gesichtspunkte gestützt hätte, verbliebe es bei dem vom LSG angenommenen Überwachungs- bzw Organisationsverschulden.

30

Damit fehlt es insoweit an dem Erfordernis, dass die angefochtene Entscheidung auf dem (behaupteten) Verfahrensmangel beruhen kann. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Verfahrensmangel das Urteil beeinflusst hat, also nicht ausgeschlossen werden kann, dass das LSG ohne den Verfahrensmangel zu einem für den Beteiligten günstigeren Ergebnis gekommen wäre (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 23, mwN). Es ist jedoch nicht erkennbar, dass die vom LSG an die Glaubhaftmachung des Vorbringens gestellten Anforderungen Einfluss auf dessen Entscheidung gehabt haben, vorliegend ein Organisationsverschulden des früheren Bevollmächtigten des Klägers zu bejahen, weil es sich hierbei allein auf erhöhte Sorgfaltsanforderungen des Rechtsanwalts im Falle eines Kanzleiumzugs gestützt hat, zu deren Einhaltung überhaupt kein Vortrag erfolgt ist.

31

b. Ohne Erfolg bleibt die Beschwerde auch insoweit, als der Kläger einen Verfahrensfehler darin zu sehen meint, dass das Berufungsgericht die Anforderungen an die Verneinung eines Verschuldens des Prozessbevollmächtigten überspannt habe: Dieses sei - so der Kläger - entgegen der Rechtsprechung des BGH davon ausgegangen, dass den Rechtsanwalt auch nach einer Einzelanweisung ggf weitere Sorgfaltspflichten träfen. Im Übrigen reichten die vom LSG angeführten Umstände nicht aus, um einen etwaigen Ausnahmefall anzunehmen. Damit macht er in der Sache keinen Verfahrensfehler des LSG geltend, sondern rügt eine fehlerhafte Rechtsanwendung bzw Subsumtion seitens des Berufungsgerichts; dies ist nicht Gegenstand einer Verfahrensrüge. Eine etwaige Divergenz zur Rechtsprechung des BGH wäre weder formgerecht dargelegt noch läge sie vor, weil - wie dargelegt - höchstrichterlich Übereinstimmung darin besteht, dass den Bevollmächtigten in besonderen Situationen besondere Sorgfaltspflichten treffen und die schlichte Erteilung einer Einzelanweisung in diesen Fällen nicht genügt.

32

c. Fehl geht der Kläger schließlich, soweit er einen Verfahrensfehler darin zu erblicken meint, dass das LSG seinen Einwand unberücksichtigt gelassen habe, das SG-Urteil sei nicht mit einer Unterschrift versehen, weil dieses erst nach der Rechtsmittelbelehrung auf der Folgeseite unterschrieben worden sei; zudem habe das LSG diesen Fehler auch beim eigenen Urteil wiederholt. Wie bereits ausgeführt, ist es nicht nur ausreichend, sondern geboten, gerichtliche Entscheidungen erst der Rechtsmittelbelehrung nachfolgend zu unterschreiben; ebenfalls dargelegt wurde, dass ungeachtet der vom Kläger beanstandeten räumlichen Trennung die erforderliche Verbindung von Entscheidungsgründen und Rechtsmittelbelehrung gewahrt ist.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger auch die Kosten des von ihm ohne Erfolg durchgeführten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).

34

4. Die Festsetzung des Streitwerts entspricht den Festsetzungen der Vorinstanz vom 9.12.2015, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG).

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Bundessozialgericht Beschluss, 03. Aug. 2016 - B 6 KA 5/16 B zitiert 16 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 128


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Zivilprozessordnung - ZPO | § 547 Absolute Revisionsgründe


Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 73


(1) Die Beteiligten können vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht den Rechtsstreit selbst führen. (2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 136


(1) Das Urteil enthält 1. die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,2. die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidun

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 142


(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend. (2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 134


(1) Das Urteil ist vom Vorsitzenden zu unterschreiben. (2) Das Urteil soll vor Ablauf eines Monats, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle übermittelt werden. Im Falle des § 170a verlängert sich die Frist u

Referenzen - Urteile

Bundessozialgericht Beschluss, 03. Aug. 2016 - B 6 KA 5/16 B zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2009 - XI ZB 6/08

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Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Apr. 2008 - XII ZB 189/07

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 189/07 vom 2. April 2008 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 233 Fb, Fd Zur Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung eines Rechtsmittels, wenn diese versäumt wurde, weil

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Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Mai 2012 - VI ZB 27/11

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Bundessozialgericht Beschluss, 08. Sept. 2010 - B 14 AS 96/10 B

bei uns veröffentlicht am 08.09.2010

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 18. Mai 2010 wird als unzulässig verworfen.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundessozialgericht Beschluss, 03. Aug. 2016 - B 6 KA 5/16 B.

Bundessozialgericht Beschluss, 01. Nov. 2017 - B 14 AS 26/17 R

bei uns veröffentlicht am 01.11.2017

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 3. August 2016 wird als unzulässig verworfen.

Referenzen

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 18. Mai 2010 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.1.2005 bis zum 30.9.2005. In der Sache ist zwischen den Beteiligten streitig, ob Geldbeträge als Einkommen zu berücksichtigen sind, die ihm seine Mutter in dieser Zeit gewährt hatte. Die Klage gegen die Bescheide der Beklagten vom 9.6.2005 und 13.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.4.2006, gerichtet auf Leistungen vom 1.1.2005 bis zum 30.9.2005 ohne Anrechnung von Einkommen, hatte Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 7.6.2007). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen nach teilweiser Erledigung des Rechtsstreits durch ein angenommenes (Teil)Anerkenntnis der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 18.5.2010). Nur im Hinblick auf den Zeitraum vom 1.1.2005 bis zum 30.4.2005 sei die Klage zulässig, denn nur über diesen Zeitraum habe die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden entschieden. Soweit die Klage zulässig sei, sei sie aber unbegründet. Der Senat habe sich nicht davon überzeugen können, dass die zugeflossenen Geldleistungen lediglich darlehensweise erfolgt seien.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem - seiner Bevollmächtigten am 10.6.2010 zugestellten - Urteil hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte am 12.7.2010 (einem Montag) Beschwerde beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegt. Mit Schreiben vom 17.8.2010 hat die Berichterstatterin darauf hingewiesen, dass die Beschwerde nicht innerhalb der Frist des § 160a Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begründet worden sei. Daraufhin hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 24.8.2010, der am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, die Beschwerde begründet und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung hat sie, gestützt auf eine "eidesstattliche Versicherung" der Mitarbeiterin M L, ausgeführt, das Fristversäumnis beruhe auf einem Kanzleiversehen. Die bearbeitende Kanzleimitarbeiterin habe trotz erfolgter Einzelanweisung versäumt, die Frist zur Begründung der Beschwerde für den 12.8.2010 in den Fristenkalender einzutragen. In der Sache trägt die Prozessbevollmächtigte vor, das Urteil des LSG sei "so nicht hinnehmbar" und wendet sich dabei vornehmlich gegen die Würdigung des Sachverhalts durch das LSG.

3

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

4

Nach § 160a Abs 2 Satz 1 SGG ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Vorliegend ist eine Begründung jedoch nicht innerhalb der am 10.8.2010 abgelaufenen Frist erfolgt, sondern erst am 24.8.2010. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist deshalb in entsprechender Anwendung des § 169 SGG durch Beschluss ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.

5

Eine - auch für die Begründungsfrist mögliche - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG(vgl dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl 2008, § 160a RdNr 11) kommt nicht in Betracht. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung liegen nicht vor, denn der Kläger war nicht iS des § 67 Abs 1 SGG "ohne Verschulden" gehindert, die Nichtzulassungsbeschwerde fristgerecht zu begründen.

6

Ein Verschulden liegt vor, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war (vgl nur BSG SozR 4-1500 § 67 Nr 7 RdNr 14; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 67 RdNr 3, jeweils mwN). Dabei ist das Verschulden eines Bevollmächtigten dem vertretenen Beteiligten gemäß § 73 Abs 6 Satz 6 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO stets wie eigenes Verschulden zuzurechnen. Für ein Verschulden von Hilfspersonen des Bevollmächtigten gilt dasselbe dann, wenn dieses vom Bevollmächtigten selbst zu vertreten, also als dessen eigenes Verschulden anzusehen ist (vgl BSG aaO). Kein Verschulden des Prozessbevollmächtigten liegt dagegen vor, wenn er darlegen kann, dass ein Büroversehen vorliegt und er alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat.

7

Dabei darf ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Beinhaltet die Einzelanweisung aber nicht die unmissverständliche Anordnung, diesen Vorgang sogleich auszuführen, müssen ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die mündliche Einzelanweisung in Vergessenheit gerät und dadurch die Fristeintragung unterbleibt. In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (vgl BGH Beschluss vom 5.11.2002 - VI ZR 399/01 - VersR 2003, 1459, vom 4.11.2003 - VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688 und vom 15.11.2007 - IX ZB 219/06 - NJW 2008, 526).

8

Nach diesen Grundsätzen trifft die Prozessbevollmächtigte des Klägers vorliegend ein dem Kläger zuzurechnendes Organisationsverschulden, weil die Nichteinhaltung der Frist darauf beruht, dass sie es versäumt hat, durch eine zweckmäßige Büroorganisation, insbesondere hinsichtlich der Fristen- und Terminüberwachung und der Erledigungs- und Ausgangskontrolle, ausreichende Vorkehrungen zur Vermeidung von Fristversäumnissen zu treffen. Sie hat zwar vorgetragen, der Mitarbeiterin nach Zugang des Urteils eine Einzelanweisung hinsichtlich der Eintragung der Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde und der Eintragung einer Vorfrist von 3 Tagen erteilt zu haben. Unabhängig davon, dass sie selbst dabei diese Frist offenbar unzutreffend mit dem 12.8.2010 berechnet hat, hat sie nicht glaubhaft gemacht, dass eine unmissverständliche Anordnung erfolgt ist, diese Frist sogleich in den Fristenkalender einzutragen. Mit der Bezugnahme auf die Erklärung der Kanzleiangestellten ist lediglich vorgetragen, dass eine Eintragung der Begründungsfrist am Tag der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde erfolgen sollte, die entsprechende mündliche Anweisung auf Grund des hohen Arbeitsaufkommens an diesem Tag (dem 12.7.2010) aber versehentlich in Vergessenheit geraten ist. Weitergehender Vortrag dazu, welche organisatorischen Vorkehrungen gegen das Vergessen einer lediglich mündlichen Anweisung im Falle etwa von Arbeitsüberlastung getroffen worden sind, ist mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht worden. Damit ist ein Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten zu vermuten und der Antrag zurückzuweisen.

9

Es konnte dahinstehen, ob die Beschwerde sich auch deshalb als unzulässig erweist, weil der Vortrag des Klägers schon nicht erkennen lässt, auf welche Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 SGG im Einzelnen er seine Beschwerde stützt.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

(1) Die Beteiligten können vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Rentenberater im Umfang ihrer Befugnisse nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, auch in Verbindung mit Satz 2, des Rechtsdienstleistungsgesetzes,
4.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten nach den §§ 28h und 28p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch,
5.
selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
6.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
7.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
8.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
9.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 bis 8 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter. § 157 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen. Satz 3 gilt nicht für Beschäftigte eines Sozialleistungsträgers oder eines Spitzenverbandes der Sozialversicherung.

(4) Vor dem Bundessozialgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind außer den in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen nur die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 bezeichneten Organisationen zugelassen. Diese müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des Satzes 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten; Satz 3 bleibt unberührt.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Bei Ehegatten oder Lebenspartnern und Verwandten in gerader Linie kann unterstellt werden, dass sie bevollmächtigt sind. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten. Im Übrigen gelten die §§ 81, 83 bis 86 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 189/07
vom
2. April 2008
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 233 Fb, Fd
Zur Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung eines Rechtsmittels, wenn
diese versäumt wurde, weil eine Kanzleiangestellte die ihr vom Rechtsanwalt
mündlich erteilte Einzelanweisung, die Frist unter dem ihr genannten Datum
sofort in den Fristenkalender einzutragen, nicht befolgt hat.
BGH, Beschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 189/07 - OLG Karlsruhe
AG Bruchsal
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. April 2008 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 20. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 6. November 2007 - 20 UF 95/07 aufgehoben. Dem Antragsteller wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bruchsal vom 7. Mai 2007 - 2 F 160/06 - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:

I.

1
Gegen den ihm am 22. Mai 2007 zugestellten Beschluss des Familiengerichts , mit dem der Antrag auf Herausgabe des gemeinsamen Kindes der Parteien zurückgewiesen wurde, legte der zweitinstanzliche Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers am 4. Juni 2007 Beschwerde ein und beantragte, ihm die Gerichtsakten zur Begründung der Beschwerde zu übersenden.
2
Die ihm mit Verfügung vom 10. Juli 2007 übersandte Gerichtsakte reichte er mit Anschreiben vom 13. Juli 2007 zurück.
3
Mit Schriftsätzen vom 27. Juli 2007, die am selben Tag bei dem Oberlandesgericht eingingen, begründete er die Beschwerde und beantragte zugleich, ihm Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist zu gewähren.
4
Nach dem Vorbringen des Antragstellers, das er durch anwaltliche Versicherung von Rechtsanwalt Dr. M. und eidesstattliche Erklärung der Kanzleiangestellten S. glaubhaft machte, hatte Rechtsanwalt Dr. M. die zuverlässige Angestellte S., die mit der Führung seines Fristenkalenders betraut ist, bei Unterzeichnung der Beschwerdeschrift am 4. Juni 2007 mündlich angewiesen, die Frist zur Begründung der Beschwerde, die am 23. Juli 2007 ablaufe, sofort mit der üblichen Vorfrist von einer Woche im Fristenkalender zu notieren. Zudem bestehe eine allgemeine Büroanweisung, vom Rechtsanwalt angewiesene Fristnotierungen immer anderen Arbeiten vorzuziehen. Die ihr erteilte Weisung habe die Angestellte S. aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nicht befolgt , so dass Rechtsanwalt Dr. M. den Ablauf der Begründungsfrist erst bemerkt habe, als ihm die Akte am 25. Juli 2007 vorgelegt worden sei.
5
Das Beschwerdegericht wies den Wiedereinsetzungsantrag mit der Begründung zurück, es habe an organisatorischen Vorkehrungen dagegen gefehlt, dass die erteilte Anweisung in Vergessenheit gerate, und verwarf die Beschwerde als unzulässig. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers. http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE001800314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=VRRE013770000&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE290369901&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE300750101&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE300750101&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313392002&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 4 -

II.

6
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung der Beschwerde.
7
1. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung der Beschwerde richtet, ist sie gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 621 e Abs. 3 Satz 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Gleiches gilt gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs richtet.
8
2. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das Beschwerdegericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht des Antragstellers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, welches es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 41, 323, 326 ff.; 41, 332, 334 ff.; 69, 381, 385; BVerfG NJW 1999, 3701, 3702; NJW 2001, 2161, 2162; BGHZ 151, 221, 227).
9
3. Sie ist auch begründet.
10
a) Das Beschwerdegericht hat dem Antragsteller die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verweigert, weil es ein dem Antragsteller nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Organisationsverschulden seines Verfahrensbevollmächtigten für nicht ausgeschlossen hält. Bei einer mündlich erteilten Weisung, eine Begründungsfrist einzutragen, müssten nämlich auch dann, wenn die sofortige Ausführung dieser Weisung angeordnet werde, organisatori- sche Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Weisung in Vergessenheit gerate; das Fehlen jeder Sicherung stelle einen Organisationsmangel dar. Derartige Vorkehrungen habe der Antragsteller in seinem Wiedereinsetzungsgesuch nicht darlegt.
11
b) Dem ist in einem entscheidenden Punkt nicht zu folgen.
12
Grundsätzlich darf ein Rechtsanwalt darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte , die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Er ist deshalb im allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - FamRZ 2004, 1711 m.N.).
13
Im Ansatz zutreffend geht das Beschwerdegericht unter Hinweis auf diese Entscheidung davon aus, dass dieser Grundsatz aber nicht ausnahmslos gilt. Betrifft die Anweisung einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen sein oder werden, dass die Anweisung (etwa im Drange der übrigen Geschäfte, vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2007 - III ZB 85/06 - NJW-RR 2007, 1430, 1431) in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt (BGH, Beschlüsse vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - FamRZ 2004, 1711 und vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688, 689 m.N.).
14
Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts genügt in einem solchen Fall aber die klare und präzise Anweisung, die genannte Begründungsfrist sofort einzutragen, zumal hier die weitere allgemeine Büroanweisung bestand, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen Aufgaben zu erledigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - FamRZ 2004, 1711, 1712, vom 15. November 2007 - IX ZB 219/06 - NJW 2008, 526, 527, vom 4. April 2007 - III ZB 85/06 - NJW-RR 2007, 1430, 1431 und Senatsbeschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 2778, 1723 unter Rz. 8). Denn in einem solchen Fall stellt die im Einzelfall erteilte zusätzliche Weisung, den Auftrag sofort und vor allen anderen Aufgaben auszuführen, grundsätzlich eine ausreichende Vorkehrung dagegen dar, dass die Eintragung der Frist in Vergessenheit gerät.
15
Die Gefahr, dass eine solche sofort auszuführende Weisung - wie im vorliegenden Einzelfall - sogleich, d.h. auf dem kurzen Weg vom Anwaltszimmer zum Fristenbuch, vergessen oder aus sonstigen Gründen nicht befolgt wird, macht eine nachträgliche Kontrolle ihrer Ausführung nicht erforderlich. Diese Gefahr ist jedenfalls nicht größer als die Gefahr, dass eine Bürobotin die Weisung , einen ihr übergebenen fristwahrenden Schriftsatz sofort zum Gericht zu bringen, auf dem Wege dorthin vergisst. Auch in einem solchen Fall darf die im Kalender notierte Frist aber bereits bei Übergabe an die Botin gestrichen werden , ohne dass die tatsächliche Abgabe bei Gericht nachträglich noch einmal kontrolliert werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 1998 - VIII ZB 14/98 - NJW-RR 1998, 1444, 1445).
16
4. Die angefochtene Entscheidung kann daher mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.
17
Sie erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.
18
Zwar hatte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers die Gerichtsakten am 4. Juni 2007 "zur Begründung der Beschwerde" angefordert und sie nach Einsichtnahme mit Anschreiben vom 13. Juli 2007 zurückgesandt. Nur wenn sie ihm in dieser Zeit oder jedenfalls vor Ablauf der Begründungsfrist zusammen mit der Handakte zum Entwurf der Beschwerdebegründung vorgelegt worden wären, hätte er den Ablauf der Begründungsfrist und deren zutreffende Eintragung auf der Handakte sogleich selbständig überprüfen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 2002 - VI ZB 40/02 - FamRZ 2003, 369, 370 m.N.). Eine derartige Vorlage hat das Beschwerdegericht aber nicht festgestellt; der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers hat vielmehr anwaltlich versichert , dass ihm die Handakte erst am 25. Juli 2007 vorgelegt worden sei. Der bloße Eingang der Gerichtsakten und deren Vorlage zur Einsichtnahme durch den Rechtsanwalt verpflichten diesen aber noch nicht zur Prüfung des Fristablaufs und dessen zutreffender Notierung. Vielmehr darf der Rechtsanwalt auch dann weiterhin darauf vertrauen, dass ihm die Sache rechtzeitig anhand der im Fristenkalender notierten Fristen (erneut) vorgelegt wird (Senatsbeschlüsse vom 29. April 1998 - XII ZB 140/95 - NJW-RR 1998, 1526, 1527 und vom 22. Januar 1997 - XII ZB 195/96 - FamRZ 1997, 813, 814).
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose
Vorinstanzen:
AG Bruchsal, Entscheidung vom 07.05.2007 - 2 F 160/06 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 06.11.2007 - 20 UF 95/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 165/11
vom
8. Februar 2012
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 233 B, Fd, 310 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 2

a) Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und
materiell-rechtlichen Wirkungen existent. Verkündungsmängel stehen dem wirksamen
Erlass eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen
der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von
einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Zu den
Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt
war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien
von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden (im Anschluss
an BGHZ GSZ 14, 39, 44 ff.).

b) Die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift gehört zu den Aufgaben, die der Rechtsanwalt
seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis
selbst sorgfältig zu überprüfen. Auch bei einem so wichtigen Vorgang
darf der Rechtsanwalt aber einer zuverlässigen Büroangestellten eine konkrete
Einzelanweisung erteilen, deren Ausführung er grundsätzlich nicht mehr persönlich
überprüfen muss. Dann müssen jedoch ausreichende Vorkehrungen dagegen
getroffen werden, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Übersendung
eines zulässigen Rechtsmittels unterbleibt (im Anschluss an den Senatsbeschluss
vom 25. März 2009 - XII ZB 150/08 - FamRZ 2009, 1132).
BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11 - OLG Braunschweig
AG Duderstadt
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Februar 2012 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Dose, Dr. Klinkhammer,
Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 11. März 2011 wird auf Kosten des Beklagten verworfen. Beschwerdewert: 14.229 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten in dem seit dem 1. August 2007 anhängigen Verfahren um Trennungsunterhalt. Mit Beschluss vom 1. November 2010 hatte das Amtsgericht mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 29. November 2010 bestimmt. Auf der Rückseite der letzten Seite des vom Abteilungsrichter unterzeichneten Urteils befindet sich der handschriftliche Zusatz: "VT-Prot Um 1110 erschien niemand. Der Beschluss wurde verkündet"
2
Der Zusatz ist vom Abteilungsrichter mit dem Datum 29/11 unterzeichnet. Unter dem Zusatz befindet sich folgende Verfügung des Geschäftsstellenbeamten : "1.) Beschl ausf. an A'gegner Vertr. ./. EB 2.) Nach Rückkehr EB vollstreckbare Ausf. des Urteils an A‘steller-Vertr. ./. EB"
3
Auf der ersten Seite trägt das Urteil zwei weitere von dem Geschäftsstellenbeamten unterschriebene Vermerke und zwar zum einen: "Verkündet am: 29.11.2010" und zum anderen "Eingang auf der Geschäftsstelle am 30. NOV. 2010"
4
Eine Urteilsausfertigung wurde dem Beklagtenvertreter am 6. Dezember 2010, eine vollstreckbare Ausfertigung dem Klägervertreter am 10. Dezember 2010 zugestellt.
5
Am 5. Januar 2011 ging eine an das Amtsgericht gerichtete "Beschwerde" "gegen das am 29.11.2010 verkündete Urteil" dort ein. Mit Verfügung vom 6. Januar 2011 leitete das Amtsgericht den Schriftsatz an das zuständige Oberlandesgericht weiter, wo er am 11. Januar 2011 einging.
6
Mit einem dem Beklagtenvertreter am 27. Januar 2011 zugestellten Beschluss wies das Oberlandesgericht den Beklagten auf den verspäteten Eingang der Berufung hin. Mit einem am Montag, dem 7. Februar 2011 eingegan- genen Schriftsatz begründete der Beklagte seine Berufung. Mit einem weiteren, am 10. Februar 2011 eingegangenen Schriftsatz beantragte der Beklagte vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist.
7
Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

8
Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 179/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).
9
Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde des Beklagten ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
10
1. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Berufungsfrist gegen das Urteil vom 29. November 2010 mit der Zustellung an den Beklagten am 6. Dezember 2010 begonnen hat. Das angefochtene Urteil ist, wenn auch fehlerhaft, verlautbart worden und damit wirksam.
11
a) Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und materiell-rechtlichen Wirkungen existent. Vorher liegt nur ein - allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugender - Entscheidungsentwurf vor (BGHZ GSZ 14, 39, 44). Die Verlautbarung eines Urteils erfolgt grundsätzlich öffentlich im Anschluss an die mündliche Verhandlung oder in einem hierfür anberaumten Termin durch das Verlesen der Urteilsformel (§§ 310 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 173 Abs. 1 GVG). Im schriftlichen Verfahren sind Urteile in einem nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu bestimmenden Termin zu verkünden (BGH Urteil vom 12. März 2004 - XII ZR 37/03 - FamRZ 2004, 1187 f.).
12
Nach § 165 Satz 1 ZPO kann die Beachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Protokoll bewiesen werden. Zu diesen Förmlichkeiten gehört gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO auch die Verkündung des Urteils. Diese erfolgt nach § 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Vorlesung der Urteilsformel, die durch Bezugnahme auf die Urteilsformel ersetzt werden kann, wenn bei der Verkündung keine der Parteien anwesend ist (§ 311 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die Angabe, welche dieser beiden Arten der Verkündung erfolgt ist, schreibt das Gesetz nicht vor. Dem Erfordernis des § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO ist deshalb Genüge getan, wenn der Richter lediglich protokolliert, dass die anliegende Entscheidung verkündet worden ist, selbst wenn dies zu Zweifeln über die gewählte Form der Verlautbarung Anlass geben könnte (BGH Urteile vom 16. Oktober 1984 - VI ZR 205/83 - NJW 1985, 1782, 1783 und BGHZ 10, 327, 329).
13
Auch im Übrigen stehen Verkündungsmängel nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem wirksamen Erlass eines Urteils nur entgegen , wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechts- sinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht (BGHZ GSZ 14, 39, 44 ff.; BGH Urteil vom 16. Oktober 1984 - VI ZR 205/83 - NJW 1985, 1782, 1783). Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden (BGH Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 37/03 - FamRZ 2004, 1187, 1188 mwN).
14
b) Nach diesen Grundsätzen liegt hier ein wirksames Urteil vor. Unabhängig von den im Einzelnen gerügten Verstößen gegen den notwendigen Inhalt des Verkündungsprotokolls nach § 160 ZPO liegt hier zweifelsfrei eine Verlautbarung des Gerichts vor.
15
Dies musste von den Parteien auch so verstanden werden. Das Amtsgericht hatte mit Verfügung vom 1. November 2010 ein schriftliches Verfahren angeordnet und Verkündungstermin auf den 29. November 2010 bestimmt. Das vorliegende Urteil ist vom Abteilungsrichter unterzeichnet und ausweislich seines Vermerks am 29. November 2010 verkündet worden. Weil sich der Vermerk auf der Rückseite des Originalurteils befindet, kann trotz der falschen Bezeichnung als Beschluss auch kein Zweifel aufkommen, welche Entscheidung verkündet worden ist. Entsprechend hat auch die Geschäftsstelle die Verkündung des Urteils am 29. November 2010 vermerkt. Auf der Grundlage dieser Verkündung hat die Geschäftsstelle die Zustellung des Urteils an die Parteivertreter verfügt. Dem Beklagtenvertreter ist das "Urteil vom 29.11.2010" sodann am 6. Dezember 2010 zugestellt worden. Die Zustellung des Urteils hat er mit Empfangsbekenntnis bestätigt.
16
Danach konnte für den Beklagten kein Zweifel daran bestehen, dass am 29. November 2010 - wie im Beschluss vom 1. November 2010 angekündigt - das Urteil verkündet worden war, das ihm am 6. Dezember 2010 zugestellt wurde. Die weiteren Verkündungsmängel sind mit der Verlautbarung der Entscheidung nicht unvereinbar und stehen einem wirksamen Urteil deswegen nicht entgegen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Oktober 2011 - XII ZB 250/11 - NJW-RR 2012, 1 Rn. 14; BGH Urteile vom 12. März 2004 - V ZR 37/03 - FamRZ 2004, 1187, 1188 und vom 16. Oktober 1984 - VI ZR 205/83 - NJW 1985, 1782, 1783; BGHZ GSZ 14, 39, 44 ff.; BFHE 140, 514).
17
c) Weil somit nach der Verkündung ein wirksames Urteil vorlag, kommt es auf die Frage einer Verlautbarung durch Zustellung des Urteils an Verkündungs statt nach § 310 Abs. 3 ZPO nicht an. Nur in diesen Fällen, in denen die Verlautbarung der Entscheidung durch Zustellung erfolgt, beginnt die Rechtsmittelfrist erst mit der Zustellung an alle Parteien (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 1994 - XII ZB 90/94 - NJW 1994, 3359, 3360). Wird hingegen - wie hier - ein bereits durch Verkündung verlautbartes Urteil zugestellt, beginnt die Rechtsmittelfrist für jede Partei mit der Zustellung an sie. Weil das Urteil dem Beklagten am 6. Dezember 2010 zugestellt wurde, lief die einmonatige Berufungsfrist des § 517 ZPO mithin am 6. Januar 2011 ab.
18
2. Zutreffend sind auch die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts , wonach das Rechtsmittel des Beklagten vom 4. Januar 2011 nicht rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingegangen ist.
19
a) Weil für das Verfahren weiterhin das frühere Prozessrecht galt, war die Berufung nach § 519 Abs. 1 ZPO durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht, hier also bei dem Oberlandesgericht (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 a GVG), einzulegen. Der Beklagtenvertreter hatte sein Rechtsmittel, das unzutreffend auch als Beschwerde bezeichnet war, hingegen an das nach dem hier noch anwendbaren früheren Recht unzuständige Amtsgericht geschickt. Beim zuständigen Oberlandesgericht ist das Rechtsmittel nach Weiterleitung durch das Amtsgericht erst am 11. Januar 2011 und somit verspätet eingegangen.
20
b) Indem das Amtsgericht die Berufung des Beklagten lediglich im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Oberlandesgericht weitergeleitet hat, hat es keine Verfahrensrechte des Beklagten verletzt.
21
Der Richter ist einerseits aufgrund des Anspruchs auf ein faires Verfahren zur Rücksichtnahme auf die Parteien verpflichtet. Andererseits muss auch die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden (BVerfG NJW 2006, 1579). Eine generelle Fürsorgepflicht des für die Rechtsmittelbegründung unzuständigen Gerichts, durch Hinweise oder andere geeignete Maßnahmen eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern, besteht deswegen nicht (vgl. BGH Beschluss vom 24. Juni 2010 - V ZB 170/09 - WuM 2010, 592 Rn. 7). Geht eine fristgebundene Rechtsmittelbegründung oder ein entsprechender Verlängerungsantrag statt beim Rechtsmittelgericht bei dem erstinstanzlichen Gericht ein, ist dieses grundsätzlich lediglich verpflichtet, den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten.
22
Geht der Schriftsatz so rechtzeitig ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die Partei darauf vertrauen, dass der Schriftsatz noch rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingeht. Kommt das angerufene Gericht dem nicht nach, wirkt sich das Verschulden der Partei oder ihrer Verfahrensbevollmächtigten nicht mehr aus, so dass ihr Wiedereinsetzung in den vori- gen Stand zu gewähren ist. Die eine Wiedereinsetzung begehrende Partei hat jedoch darzulegen und glaubhaft zu machen, dass ihr Schriftsatz im normalen ordnungsgemäßen Geschäftsgang fristgerecht an das zuständige Rechtsmittelgericht hätte weitergeleitet werden können (Senatsbeschlüsse vom 15. Juni 2011 - XII ZB 468/10 - FamRZ 2011, 371 Rn. 12 und vom 17. August 2011 - XII ZB 50/11 - FamRZ 2011, 1649 Rn. 20 ff.). Weil das Rechtsmittel des Beklagten hier erst einen Tag vor Fristablauf beim unzuständigen Gericht eingegangen ist, ist es den Gerichten nicht anzulasten, dass die Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang nicht zum rechtzeitigen Eingang beim Oberlandesgericht geführt hat.
23
c) Der Beklagte war auch nicht ausnahmsweise berechtigt, sein Rechtsmittel nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung auch beim Amtsgericht einzulegen.
24
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift der Meistbegünstigungsgrundsatz in Fällen, in denen das Gericht eine der Form nach unrichtige Entscheidung gewählt hat. Dann steht den Parteien auch dasjenige Rechtsmittel zu, welches nach Art der ergangenen Entscheidung statthaft ist. Daneben bleibt das Rechtsmittel zulässig, das bei einer in der richtigen Form getroffenen Entscheidung statthaft gewesen wäre. Das Meistbegünstigungsprinzip stellt damit eine Ausprägung der verfassungsrechtlichen Grundsätze der allgemeinen Gleichheit vor dem Gesetz und des Vertrauensschutzes dar. Über die Fälle einer inkorrekten Entscheidung hinaus kommt es daher auch dann zur Anwendung, wenn für den Rechtsmittelführer eine Unsicherheit über das einzulegende Rechtsmittel besteht, sofern diese auf einem Fehler oder einer Unklarheit der anzufechtenden Entscheidung beruht (Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2008 - XII ZB 125/06 - GuT 2009, 209 Rn. 17; BGHZ 152, 213 = NJW-RR 2003, 277 Rn. 46 und BGH Beschluss vom 21. Oktober 1993 - V ZB 45/93 - WM 1994, 180).
25
Mit der gleichen Begründung findet der Grundsatz der Meistbegünstigung Anwendung, wenn das Gericht für sein Verfahren zwar die Entscheidungsform zutreffend gewählt, inhaltlich aber ein unzutreffendes Verfahrensrecht angewandt hat. Denn auch in diesen Fällen ist das Vertrauen der Beteiligten auf das angewandte Verfahrensrecht schutzwürdig (Senatsbeschlüsse vom 6. April 2011 - XII ZB 553/10 - FamRZ 2011, 966 Rn. 13 und vom 6. Juli 2011 - XII ZB 100/11 - FamRZ 2011, 1575 Rn. 12 f.).
26
Diese Voraussetzungen liegen hier allerdings nicht vor. Das Amtsgericht hat das bereits seit August 2007 anhängige Verfahren zutreffend weiter nach dem früheren Prozessrecht betrieben, ein schriftliches Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet und durch Urteil entschieden. Die Parteien sind - wie es dem früheren Prozessrecht entspricht - als Klägerin und Beklagter bezeichnet. Entsprechend enthält die Entscheidung auch keine Rechtsmittelbelehrung. Die Entscheidung ist auch bei der Zustellung zutreffend als Urteil bezeichnet. Für die Parteien bestand im Zeitpunkt der Zustellung deswegen kein Zweifel daran, dass das Amtsgericht zutreffend nach dem früheren Prozessrecht entschieden hatte und deswegen das Rechtsmittel der Berufung beim Oberlandesgericht einzulegen war.
27
3. Schließlich hat das Oberlandesgericht dem Beklagten auch zu Recht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Berufungsfrist versagt.
28
a) Die Prüfung der notwendigen Formalien für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist Aufgabe des Rechtsmittelführers. Ihm obliegt es deswegen auch, dafür Sorge zu tragen, dass das Rechtsmittel innerhalb der Rechtsmittel- frist bei dem zuständigen Gericht eingeht (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Juni 2011 - XII ZB 468/10 - FamRZ 2011, 371 Rn. 8 und BGH Beschluss vom 4. Dezember 1991 - VIII ZB 34/91 - VersR 1992, 1023 f.). Unter Verstoß gegen diese Anforderungen hat der Beklagtenvertreter das Rechtsmittel nicht an das zuständige Oberlandesgericht, sondern an das Amtsgericht gesandt, weswegen es schließlich verspätet beim zuständigen Oberlandesgericht eingegangen ist.
29
b) Ein Rechtsanwalt darf allerdings grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (Senatsbeschlüsse vom 21. April 2010 - XII ZB 64/09 - FamRZ 2010, 1067 Rn. 11 und vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 154/09 - VersR 2011, 89 Rn. 16; BGH Beschluss vom 2. November 1995 - VII ZB 13/95 - VersR 1996, 779).
30
Zwar gehört die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift zu den Aufgaben, die der Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis selbst sorgfältig zu überprüfen (BGH Beschlüsse vom 25. Juni 1986 - IV a ZB 8/86 - VersR 1986, 1209 und vom 29. April 1982 - I ZB 2/82 - VersR 1982, 769 f.). Sie darf in einem so gewichtigen Teil wie der Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts auch gut geschultem und erfahrenem Büropersonal eines Rechtsanwalts nicht eigenverantwortlich überlassen werden. Der Prozessbevollmächtigte einer Partei muss die Rechtsmittelschrift deswegen vor der Unterzeichnung auf die Vollständigkeit, darunter auch auf die richtige Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts, überprüfen (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2012 - XII ZB 298/11 - zur Veröffentlichung bestimmt; BGH Beschluss vom 8. Dezember 1992 - VI ZB 33/92 - VersR 1993, 1381 f.).
31
Auch bei einem so wichtigen Vorgang wie der Anfertigung einer Rechtsmittelschrift darf der Rechtsanwalt aber einer zuverlässigen Büroangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilen, deren Ausführung er grundsätzlich nicht mehr persönlich überprüfen muss (BGH Beschluss vom 30. Oktober 2008 - III ZB 54/08 - FamRZ 2009, 109 Rn. 9 f.). Das gilt insbesondere dann, wenn die weitere allgemeine Büroanweisung besteht, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen Aufgaben zu erledigen. Denn in einem solchen Fall stellt die im Einzelfall erteilte zusätzliche Weisung, den Auftrag sofort und vor allen anderen Aufgaben auszuführen, grundsätzlich eine ausreichende Vorkehrung dagegen dar, dass die Eintragung der Frist in Vergessenheit gerät (Senatsbeschlüsse vom 19. November 2008 - XII ZB 102/08 - FamRZ 2009, 217 Rn. 14 und vom 2. April 2008 - XII ZB 190/07 - FuR 2008, 344 Rn. 12 ff.). Betrifft die Anweisung des Rechtsanwalts einen so wichtigen Vorgang wie die Erstellung einer Rechtsmittelschrift und wird sie nur mündlich erteilt, müssen ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen sein oder werden, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Übersendung eines zulässigen Rechtsmittels unterbleibt (Senatsbeschlüsse vom 21. April 2010 - XII ZB 64/09 - FamRZ 2010, 1067 Rn. 11; vom 25. März 2009 - XII ZB 150/08 - FamRZ 2009, 1132 Rn. 19 ff. und vom 13. September 2006 - XII ZB 103/06 - FamRZ 2006, 1663 Rn. 9).
32
c) Auf dieser rechtlichen Grundlage hat das Oberlandesgericht zu Recht ein Organisationsverschulden des Beklagtenvertreters angenommen.
33
Er hat in seinem Wiedereinsetzungsgesuch darauf hingewiesen, dass die zuständige Kanzleiangestellte aufgrund des stattgefundenen Kanzleiumzugs, der hiermit verbundenen zahlreichen Aufgaben und der starken Frequentierung der Kanzlei durch diverse Lieferanten, technische Dienstleister und sonstigen Publikumsverkehr überlastet gewesen und die Anweisung zur Änderung der falsch erstellten Rechtsmittelschrift darüber in Vergessenheit geraten sei. In einer solchen Situation, in der die unverzügliche Korrektur nicht sichergestellt war, durfte der Prozessbevollmächtigte sich nicht allein auf die Kanzleiangestellte verlassen, sondern hätte die unverzügliche Korrektur der einseitigen Rechtsmittelschrift verlangen müssen und diese erst danach unterzeichnen dürfen , um eine vorzeitige Löschung der Rechtsmittelfrist zu verhindern. Einen so wichtigen Vorgang wie das Absenden einer Rechtsmittelschrift durfte der Rechtsanwalt seiner in der konkreten Situation ersichtlich überforderten Mitarbeiterin nicht allein überlassen. Das sich daraus ergebende Organisationsverschulden des Beklagtenvertreters ist dem Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.
34
4. Weil der Beklagte die Berufungsfrist nicht schuldlos versäumt hat, hat das Oberlandesgericht ihm die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO zu Recht versagt. Auch die Verwerfung der Berufung nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist deswegen nicht zu beanstanden.
Hahne Dose Klinkhammer Günter Nedden-Boeger

Vorinstanzen:
AG Duderstadt, Entscheidung vom 29.11.2010 - 2 F 154/07 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 11.03.2011 - 3 UF 9/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 27/11
vom
15. Mai 2012
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Weist der Rechtsanwalt eine Kanzleikraft mündlich an, die von ihm errechnete
Berufungsbegründungsfrist nebst Vorfrist zu notieren, ist durch geeignete organisatorische
Vorkehrungen sicherzustellen, dass die Eintragung nicht in Vergessenheit
gerät. Dazu ist konkret vorzutragen.

b) Ist eine Rechtsbeschwerde zur Hauptsache unzulässig, weil die Voraussetzungen
des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen, sind auch Angriffe gegen die Kostenentscheidung
des angegriffenen Beschlusses unzulässig.
BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 - VI ZB 27/11 - OLG Stuttgart
LG Heilbronn
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Mai 2012 durch den Vorsitzenden
Richter Galke, die Richter Zoll, Wellner und Stöhr, und die Richterin
von Pentz

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28. März 2011 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: 1.837,52 €

Gründe:

I.

1
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage teilweise abgewiesen.
2
Das Urteil wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 5. November 2010 zugestellt. Diese legte gegen das Urteil mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2010 (Montag), der am selben Tag vorab per Telefax beim Berufungsgericht einging, Berufung ein. Mit einem an das Landgericht gerichteten Schriftsatz vom selben Tag beantragte die Klägerin, das Urteil im Tenor zu berichtigen. Mit Verfügung vom 7. Januar 2011 wies der Senatsvorsitzende auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hin. Mit Schriftsatz vom 19. Januar 2011, der taggleich per Telefax übermittelt wurde, beantragte die Klägervertreterin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Gleichzeitig hat sie die Berufung begründet und beantragt, das angefochtene Urteil des Landgerichts dahingehend abzuändern, dass die Beklagten verurteilt werden, an die Klägerin weitere 1.837,52 € nebst weiteren 61,88 €, jeweils nebst Zinsen zu zahlen.
3
Das Berufungsgericht hat die Berufung unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist aber unzulässig. Weder der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch der der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) liegen vor.
5
1. Das Berufungsgericht hat die Ablehnung der Wiedereinsetzung wie folgt begründet:
6
Der Klägerin sei keine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist sei durch ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin versäumt worden; dieses sei der Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.
7
Im Zusammenhang mit der erforderlichen Fristenkontrolle komme Wiedereinsetzung nur in Betracht, wenn Fehler allein auf das Verhalten Dritter, insbesondere des Büropersonals, zurückzuführen seien. Fehlerquellen müssten beim Eintragen und Behandeln von Fristen möglichst ausgeschlossen sein. Betreffe die mündliche Anweisung einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist, müssten in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anweisung in Vergessenheit gerate und die Fristeintragung unterbleibe. Insoweit müsse die unverzügliche Ausführung der Weisung verlangt werden. Sehe der Rechtsanwalt davon ab, gereiche ihm zum Verschulden, dass er keine Vorkehrungen dagegen getroffen habe, die Ausführung seiner Anweisung sicherzustellen oder zu kontrollieren.
8
Diese Voraussetzungen habe die Klägerin nicht dargetan. Dass gemäß allgemeiner Büroanweisung in der Kanzlei der Klägervertreterin die von dem Rechtsanwalt errechnete Berufungsbegründungsfrist umgehend mit einer entsprechenden Vorfrist von einer Woche im Fristenkalender einzutragen sei, genüge bei einer mündlich erteilten Einzelanweisung nicht. Vielmehr sei, wenn der Rechtsanwalt keine schriftliche Weisung erteile, zusätzlich die klare und präzise Anweisung erforderlich, die Frist sofort zu notieren, damit sie nicht in Vergessenheit geraten könne. Wenn weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht sei, dass die Organisation der Fristenkontrolle diesen Anforderungen genügt habe, sei ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten nicht ausgeschlossen und der Antrag auf Wiedereinsetzung zurückzuweisen.
9
2. Diese Ausführungen betreffen weder noch nicht vom Bundesgerichtshof entschiedene Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, noch lassen sie Rechtsfehler erkennen, die die Rechtsbeschwerde als zulässig i.S. des § 574 Abs. 2 ZPO erscheinen lassen könnten.
10
a) Die Rechtsbeschwerde beruft sich darauf, grundsätzlich dürfe ein Rechtsanwalt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen habe, eine konkrete Einzelanweisung befolge. Mit dieser Begründung kann indes ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht verneint werden.
11
Zwar kommt es auf die allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen in einer Rechtsanwaltskanzlei für die Fristwahrung nicht entscheidend an, wenn der Rechtsanwalt von ihnen abweicht und stattdessen eine genaue Anweisung für den konkreten Fall erteilt, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte, wobei der Rechtsanwalt im allgemeinen nicht verpflichtet ist, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern. In einem solchen Fall ist für die Fristversäumnis nicht die Büroorganisation, sondern der Fehler des Mitarbeiters ursächlich, weil ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass die einem zuverlässigen Mitarbeiter erteilte Einzelanweisung befolgt wird. Jedoch kann eine konkrete Einzelanweisung den Rechtsanwalt dann nicht von einer unzureichenden Büroorganisation entlasten, wenn diese die bestehende Organisation nicht außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten , die bestimmt sind, der Fristversäumnis entgegenzuwirken, dieses infolge eines Organisationsmangels aber nicht bewirken (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Februar 2003 - VI ZB 38/02, VersR 2003, 1462; vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03, VersR 2005, 94, 95; vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04, VersR 2005, 383 f.; vom 12. Januar 2010 - VI ZB 64/09, NJW-RR 2010, 417 Rn. 7; vom 13. Juli 2010 - VI ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn. 13; jeweils mwN).
12
Betrifft die Anweisung einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt. In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04, VersR 2005, 383 f.).
13
Mit Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass nach dem Vortrag der Klägerin zu ihrem Wiedereinsetzungsgesuch, dessen Richtigkeit die Prozessbevollmächtigte anwaltlich versichert und durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung der Kanzleiangestellten weiter glaubhaft gemacht hat, nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Vorgehen der Anwältin im vorliegenden Fall diesen Anforderungen genügt hat. In dem Wiedereinsetzungsgesuch heißt es u.a.:
14
"… So wie geschildert wurde auch die Berufungsfrist eingetragen und sodann vorgelegt, bearbeitet und letztendlich am 06.12.2010 erledigt. Weiterhin dem üblichen Ablauf folgend hatte die Unterzeichnerin mit der Erstellung der Berufungsschrift die Berufungsbegründungsfrist korrekt auf den 05.01.2011 be- rechnet und die an diesem Montag tätige Frau … angewiesen, diese Frist zu notieren. Darüber hinaus erfolgte die Einzelanweisung durch die Unterzeichnerin , die sonst übliche Vorfrist von einer Woche nicht auf den 29.12.2010 einzutragen , sondern bereits auf den 20.12.2010, um hier vor dem Weihnachtsurlaub der Unterzeichnerin, welcher vom 23. bis 31.12.2010 dauerte, beim Landgericht Heilbronn wegen des Sachstandes der beantragten Urteilsberichtigung nachzufragen. Entgegen der Einzelanweisung trug Frau … jedoch weder die Beru- fungsbegründungsfrist … noch die Vorfrist … in den Fristenkalender ein. …"
15
Dem ist nicht zu entnehmen, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ihrer Kanzleikraft mündlich die umgehende Erledigung aufgetragen hat, und auch nicht, welche organisatorischen Absicherungen dagegen bestanden, dass die Anweisung in Vergessenheit geriet.
16
b) Die Rechtsbeschwerde meint, es habe ausgereicht, dass in der Praxis der Prozessbevollmächtigten die allgemeine Anweisung bestanden habe, Berufungsbegründungsfristen mit einer entsprechenden Vorfrist von einer Woche im Fristenkalender einzutragen. Damit wird indes für den vorliegenden Fall ein fehlendes Verschulden nicht dargelegt.
17
Insoweit beruft sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg auf den Senatsbeschluss vom 4. November 2003 (VI ZB 50/03, aaO, unter II. 2. C) a.E.). In jener Entscheidung hat der Senat ausgeführt, wenn ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einer Berufungsfrist nur mündlich vermittelt werde, dann bedeute das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (aaO, unter II. 2. A) bb) a.E.). Die von der Rechtsbeschwerde zitierte Textstelle besagt - in Abgrenzung zu der zuvor erörterten Fragestellung in anderen Entscheidungen - lediglich, dass es hinsichtlich der Eintragung von Rechtsmittelfristen allgemeiner Anweisungen bedarf. Dass auch ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein müssen, dass eine mündliche Einzelanweisung in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt, ist schon zuvor ausgeführt (aaO).
18
Dem Vorbringen der Klägerin ist insoweit nur zu entnehmen, dass ihre Prozessbevollmächtigte die Kanzleiangestellte mündlich anwies, die von ihr errechnete Frist einzutragen verbunden mit der Anweisung, die Vorfrist bereits auf den 20. Dezember 2010 zu notieren. Dass eine umgehende Erledigung verlangt worden sei, wird nicht behauptet. Inwieweit die allgemeine Anweisung, Fristen umgehend einzutragen, für den Fall mündlicher Einzelanweisungen das "gebotene Mittel" gegen das Vergessen sein soll, ist nicht ersichtlich, zumal nichts zur (vorgesehenen) Behandlung der Handakte und zur Kontrolle der Eintragung im vorliegenden Fall und in ähnlichen Fällen vorgetragen ist.
19
c) Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob - wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint - die Prozessbevollmächtigte der Klägerin bereits deshalb ein Verschulden trifft, weil bereits im Rahmen der Bearbeitung der Handakte für die Berufungseinlegung Maßnahmen zur Eintragung der Berufungsbegründungsfrist und deren Kontrolle hätten ergriffen werden müssen.
20
3. Soweit die Rechtsbeschwerde die Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses beanstandet, ist das Rechtsmittel ebenfalls unzulässig. Nach § 99 Abs. 1 ZPO ist die Anfechtung einer Kostenentscheidung unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Das Rechtsmittel zur Hauptsache, das die zugehörige Kostenentscheidung mit umfasst, muss zulässig eingelegt sein (vgl. Musielak/Lackmann, ZPO, 9. Aufl., § 99 Rn. 5; Schneider in Prütting/Gehrlein/Schneider, ZPO, 3. Aufl., § 99 Rn. 2; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 99 Rn. 4). Daran fehlt es hier, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen (oben 2) ergibt.
21
Darauf, ob und inwieweites nach der obergerichtlichen Rechtsprechung gerechtfertigt ist, im Falle einer Anschlussberufung bei der Verwerfung der Berufung als unzulässig dem Kläger die vollen Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach dem Streitwert aus Berufung und Anschlussberufung aufzuerlegen, kommt es danach nicht an, selbst wenn - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - die Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses in Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen stehen sollte. Galke Zoll Wellner Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG Heilbronn, Entscheidung vom 29.10.2010 - 2 O 119/10 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 28.03.2011 - 5 U 192/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 20/12
vom
9. Juli 2013
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Juli 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Wiechers und die Richter Dr. Ellenberger, Maihold, Pamp
und die Richterin Dr. Menges

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München in Augsburg vom 5. April 2005 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 370.285,10 €.

Gründe:


I.

1
Der Beklagte wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Oberlandesgerichts, mit dem sein Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Berufung gegen ein Wechselvorbehaltsurteil des Landgerichts zurückgewiesen und die Berufung kostenpflichtig verworfen worden ist.
2
Das Landgericht hat den Beklagten durch Wechsel-Vorbehaltsurteil vom 19. Mai 2004, das dessen Prozessbevollmächtigten am 21. Juni 2004 zugestellt worden ist, zur Zahlung von 370.285,10 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Am 28. Juli 2004 hat der Beklagte durch seine Prozessbevollmäch- tigten dagegen Berufung eingelegt, am 24. August 2004 Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis zum 27. September 2004 beantragt und nach antragsgemäßer Fristverlängerung an diesem Tag die Berufung begründet. Nachdem der Vorsitzende des Berufungssenats am 28. Dezember 2004 darauf hingewiesen hatte, dass die Frist des § 517 ZPO nicht gewahrt sein dürfte, hat der Beklagte durch seine Prozessbevollmächtigten, denen dieser Hinweis am 30. Dezember 2004 zugestellt worden ist, mit Schriftsatz vom 12. Januar 2005, eingegangen bei dem Berufungsgericht am 13. Januar 2005, Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist beantragt.
3
Zur Begründung dieses Antrags hat er vorgetragen, die verspätete Einlegung der Berufung beruhe auf dem Fehler einer juristischen Hilfskraft, der Rechtsreferendarin L. , die in der Rechtsanwaltssozietät seiner Prozessbevollmächtigten , der damals die Rechtsanwältinnen Li. und J. (nunmehr F. ) angehört hätten, seit 1. Januar 2003 jeweils an zwei Wochentagen gearbeitet habe und mit Notierung und Überwachung der Fristen betraut gewesen sei. Dabei sei nach Posteingang regelmäßig sowohl auf dem Empfangsbekenntnis als auch auf der Urteilsurkunde der gleiche Eingangsstempel angebracht worden. Daraufhin erfolge die Vorlage an die sachbearbeitende Rechtsanwältin, die nach Prüfung das Empfangsbekenntnis mit Datum versehe und unterzeichne. Sodann würden die Schriftstücke an die juristische Hilfskraft mit einer Verfügung der Rechtsanwältin zurückgegeben, unter anderem das Zustelldatum auf der Urteilsausfertigung zu vermerken und dieses sowie das Fristende im Fristenbuch einzutragen.
4
Vom 8. Juni 2004 bis 23. Juni 2004 habe sich Frau L. , die sich als zuverlässig erwiesen habe, in den schriftlichen Prüfungen des Zweiten Juristischen Staatsexamens befunden. Die sachbearbeitende Rechtsanwältin Li. sei während eines vom 14. Juni bis 30. Juni 2004 durchgeführten Urlaubs von Rechtsanwältin F. vertreten worden. Da diese nach einem unvorhergesehenen Krankenhausaufenthalt vom 16. bis 18. Juni 2004 noch geschwächt gewesen sei, habe sie am Vorabend des 21. Juni 2004 Rechtsreferendarin L. gebeten, sie am 21. Juni 2004 trotz der laufenden Prüfungen nachmittags in der Kanzlei zu unterstützen. Da Frau L. erst am Nachmittag in der Kanzlei habe anwesend sein können, habe Rechtsanwältin F. persönlich am 21. Juni 2004 die Post vom Wochenende und damit auch das Vorbehalts-Wechselurteil in Empfang genommen. Sie habe das Empfangsbekenntnis nach Prüfung mit Datum und ihrer Unterschrift versehen und mit Telefax an das Landgericht gesandt. Nach Eintreffen von Rechtsreferendarin L. in der Kanzlei am Nachmittag habe sie dieser die ausdrückliche und gesonderte Einzelanweisung erteilt, die Urteilsausfertigung mit dem Eingangsstempel desselben Tages zu versehen, das Zustellungsdatum sowie das Fristende in das Fristenbuch einzutragen, Wiedervorlage eine Woche vor Fristende zu vermerken und danach die Schriftstücke in die Akte einzuordnen. Aufgrund überhöhten Arbeitsanfalls in der Kanzlei und der Doppelbelastung durch das zweite Staatsexamen habe Frau L. versehentlich weder die Urteilsausfertigung mit dem Tagesstempel versehen noch an diesem Tag den Fristeintrag vorgenommen. Dies sei erst am 29. Juni 2004, dem nächsten Arbeitstag von Frau L. in der Kanzlei, mit dem unzutreffenden Datum dieses Tages geschehen.
5
Mit dem angefochtenen Beschluss ist vom Berufungsgericht der Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten kostenpflichtig verworfen worden. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die damalige Prozessbevollmächtigte des Beklagten , Rechtsanwältin F. , treffe ein Verschulden an der Fristversäumung, da sie das Empfangsbekenntnis über die Urteilszustellung unterzeichnet und zurückgegeben habe, obwohl die Eintragung des für den Lauf der Rechtsmittelfrist maßgeblichen Zustellungszeitpunktes und des Fristendes in den Fristenkalender und in die Handakten nicht gewährleistet gewesen sei. Nach der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsreferendarin sei weiter zweifelhaft, ob Rechtsanwältin F. bei Übergabe der Urteilsausfertigung überhaupt eine detaillierte Anweisung erteilt habe. Eine allgemeine Anweisung an die Rechtsreferendarin L. , mit dem Urteil entsprechend zu verfahren, sei ebenso wenig ausreichend gewesen wie die konkrete Anordnung, dieses mit dem Tagesstempel zu versehen und die Berufungsfrist in den Fristenkalender einzutragen. Eine konkrete Anweisung, auf der Urteilsausfertigung und im Fristenkalender den 21. Juni 2004 als Zustellungsdatum zu vermerken, sei durch die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nicht glaubhaft gemacht. Zudem bleibe offen, wo das Originalempfangsbekenntnis verblieben sei.
6
Ungeachtet dessen treffe Rechtsanwältin F. weiter ein Organisationsverschulden , weil sie keine Vorkehrungen zur Überwachung der in mündlicher Form erteilten Anweisung getroffen habe. Zwar brauche ein Rechtsanwalt grundsätzlich nicht die Erledigung jeder konkreten Einzelanweisung zu überwachen. Betreffe diese aber die Notierung einer Rechtsmittelfrist und sei sie nur mündlich erteilt, müssten ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die Anweisung vergessen werde und die Fristeintragung unterbleibe. Das Fehlen jeder Sicherung bedeute einen entscheidenden Organisationsmangel.
7
Im Übrigen habe sich Rechtsanwältin F. nach den konkreten Umständen auch nicht darauf verlassen können, dass die Ausführung der von ihr erteilten Anweisung an diesem Tag gewährleistet gewesen sei. Die Rechtsreferendarin L. habe bei ihrem Erscheinen in der Kanzlei bereits die Anstrengungen einer fünfstündigen Examensklausur hinter sich gehabt. Hinzu komme, dass an diesem Tag nach dem Vortrag des Beklagten ein überhöhter Arbeitsanfall in der Kanzlei vorgelegen habe. Zudem sei die Rechtsreferendarin nach den Angaben in ihrer eidesstattlichen Versicherung gesundheitlich stark angeschlagen gewesen und habe wegen eines heftigen Infektes am Vortag sogar den Notdienst bemühen müssen. Bei Vorliegen solcher besonderer Umstände erhöhe sich die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts. Deswegen hätte sich Rechtsanwältin F. vergewissern müssen, dass ihre Anweisung ausgeführt worden ist.
8
Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Beklagte die Aufhebung dieses Beschlusses, die Gewährung von Wiedereinsetzung und die Zurückverweisung des Verfahrens an das Oberlandesgericht.

II.

9
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02, BGHZ 151, 42, 43, vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 223 und vom 7. Mai 2003 - XII ZB 191/02, BGHZ 155, 21, 22), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch zur Fortbildung des Rechts noch wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 574 Abs. 2 ZPO) erforderlich. Der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts beruht auf einer rechtsfehlerfreien Begründung und verletzt weder den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) noch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfG, NJW 2003, 281).
10
1. Das Berufungsgericht hat die Berufungsfrist rechtsfehlerfrei und von der Rechtsbeschwerde unangegriffen als versäumt angesehen, weil der Beklagte erst am 28. Juli 2004 und damit nicht innerhalb der bis zum 21. Juli 2004 laufenden Frist Berufung eingelegt hat (§ 517 ZPO).
11
2. Das Berufungsgericht hat entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist rechtsfehlerfrei abgelehnt und seine Berufung verworfen, weil der Beklagte nicht ohne das Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) gehindert war, diese Frist einzuhalten (§ 233 ZPO).
12
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung im Grundsatz erst dann unterzeichnen und an das Gericht zurücksenden, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. September 2002 - VI ZR 419/01, NJW 2002, 3782 und vom 2. Februar 2010 - VI ZB 58/09, NJW 2010, 1080 Rn. 6).
13
Unterlässt der Anwalt dies, so ist er verpflichtet, auf andere Weise dafür zu sorgen, dass die Wiedervorlage der Handakten und die Eintragung im Fristenkalender erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1993 - XII ZR 44/92, NJWRR 1993, 1213, 1214). Dafür reicht eine mündlich erteilte Anweisung nur aus, wenn sie kontrolliert wird. Zwar ist ein Rechtsanwalt grundsätzlich nicht verpflichtet , die Erledigung jeder konkreten Einzelanweisung zu überwachen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91, NJW 1992, 574). Im Allgemeinen kann er vielmehr darauf vertrauen, dass eine sonst zuverlässige Büroangestellte auch mündliche Weisungen korrekt befolgt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 1987 - VI ZR 43/87, NJW 1988, 1853 sowie Beschlüsse vom 7. März 2012 - XII ZB 277/11, NJW-RR 2012, 743 Rn. 11 und vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688, 689). Bei Eintragung einer Berufungs- oder Berufungsbegründungsfrist müssen jedoch - anders als die Rechtsbeschwerde meint - in der Anwaltskanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die mündliche Einzelanweisung in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. September 2002 - VI ZR 419/01, NJW 2002, 3782, 3783, vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01, NJW 2003, 435, 436, vom 9. Oktober 2007 - XI ZB 14/07, juris Rn. 6, vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688, 689 und vom 7. März 2012 - XII ZB 277/11, NJW-RR 2012, 743 Rn. 11). Wenn ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einer Berufungsfrist nur mündlich vermittelt wird, dann begründet das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91, NJW 1992, 574, vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688, 689 und vom 9. Oktober 2007 - XI ZB 14/07, juris Rn. 6).
14
b) Der Beklagte hat weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass die Fristenkontrolle im konkreten Fall diesen Anforderungen entsprach.
15
aa) Vielmehr steht nach der eidesstattlichen Versicherung von Rechtsanwältin F. fest, dass diese das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und per Telefax an das Gericht gesandt hat, obwohl weder auf der Urteilsausfertigung noch sonst in den Handakten und auch nicht im Fristenbuch der Zustellungszeitpunkt des landgerichtlichen Urteils vermerkt war. Die Rechtsanwältin hat die notwendigen Eintragungen in die Handakte und im Fristenkalender auch nicht unverzüglich selbst vorgenommen.
16
bb) Rechtsanwältin F. durfte sich auch nicht - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - statt dessen auf eine mündliche Anweisung an die Rechtsreferendarin L. beschränken, die Urteilsausfertigung mit dem Tagesstempel zu versehen und die Berufungsfrist in dem Fristenkalender einzutragen. Vielmehr musste sie - wie ausgeführt - zusätzlich organisatorische Vorkehrungen treffen, damit die besonders wichtige Anweisung zur Notierung einer Rechtsmittelfrist nicht übersehen wird. Zu solchen Vorkehrungen hat der Beklagte weder etwas vorgetragen noch ergeben sie sich aus den zur Glaubhaftmachung vorgelegten Erklärungen. Auch die Rechtsbeschwerde trägt nicht vor, durch welche Anweisungen oder allgemeine organisatorische Maßnah- men sichergestellt worden wäre, dass die mündliche Anweisung der Rechtsanwältin zur Notierung der Frist nicht in Vergessenheit gerät.
17
3. Auf die Frage, ob die Weisung von Rechtsanwältin F. darüber hinaus deswegen fehlerhaft gewesen ist, weil sie nach den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen lediglich das Anbringen eines Tagesstempels und nicht den Vermerk des Zustellungsdatums auf der Urteilsausfertigung und dessen Eintragung im Fristenbuch verlangt hat (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 17. September 2002 - VI ZR 419/01, NJW 2002, 3782, 3783), kommt es danach nicht mehr an. Dasselbe gilt für die von der Rechtsbeschwerde angegriffene Auffassung des Berufungsgerichts, Rechtsanwältin F. habe am 21. Juli 2004 nicht darauf vertrauen dürfen, Rechtsreferendarin L. werde wie bisher zuverlässig arbeiten, da diese durch die Teilnahme an der schriftlichen Prüfung im juristischen Staatsexamen und eine Erkrankung ersichtlich überlastet gewesen sei (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11, NJW 2012, 1591 Rn. 33).
18
4. Da dem Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung infolge der schuldhaften Fristversäumnis seiner Prozessbevollmächtigten, die dem Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist, nicht stattzugeben war, hat das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu Recht als unzulässig verworfen.
Wiechers Ellenberger Maihold Pamp Menges

Vorinstanzen:
LG Memmingen, Entscheidung vom 19.05.2004 - 1 HO 2515/02 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 05.04.2005 - 14 U 532/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 6/08
vom
20. Januar 2009
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. h.c. Nobbe, den Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen und
die Richter Dr. Ellenberger und Dr. Matthias
am 20. Januar 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. März 2008 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert beträgt 168.787,48 €.

Gründe:


I.


1
Kläger Die machen gegenüber der Beklagten Ansprüche im Zusammenhang mit einem Darlehen geltend, mit dem sie den Erwerb einer Eigentumswohnung finanziert haben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
2
Gegen das ihnen am 6. Dezember 2007 zugestellte landgerichtliche Urteil haben die Kläger am 4. Januar 2008 Berufung eingelegt. Mit beim Oberlandesgericht am 7. Februar 2008 eingegangenem Schriftsatz haben sie die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat beantragt. Nach entsprechendem Hinweis darauf, dass diese Frist bereits am 6. Februar 2008 abgelaufen sei, haben sie am 20. Februar 2008 hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und mit Schriftsatz vom selben Tag die Berufung begründet.
3
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags haben die Kläger vorgetragen, die verfristete Einreichung des Verlängerungsantrags beruhe auf einem Versehen der seinerzeit im letzten Ausbildungsjahr bei ihrem Prozessbevollmächtigten beschäftigten und als außerordentlich zuverlässig bekannten Auszubildenden F. . Ihr Prozessbevollmächtigter habe, als im Rahmen einer routinemäßigen Überprüfung festgestellt worden sei, dass in dieser Sache von einer anderen Kanzleikraft eine fehlerhafte Berufungsbegründungsfrist notiert gewesen sei, Frau F. die Einzelweisung erteilt, die Fristnotierung sofort zu berichtigen. Gleichwohl sei eine solche Berichtigung versehentlich unterblieben und die Akte irrtümlich wieder in den Schrank gelegt worden. Ausweislich ihrer zur Glaubhaftmachung beigefügten eidesstattlichen Versicherung hatte Frau F. von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger die Weisung erhalten, die Eintragung im Fristenbuch und im elektronischen Fristenkalender zu ändern; sie habe die Akte dann zur Seite gelegt und sei möglicherweise an diesem Tag durch mehrere Telefonanrufe, die kurz hintereinander eingegangen seien, abgelenkt gewesen. Die Akte sei dann irgendwie wieder in den Schrank gehängt worden, so dass sie sie vergessen habe.
4
Berufungsgericht Das hat die Berufung unter gleichzeitiger Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig verworfen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kläger seien nicht ohne Verschulden ihres vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten daran gehindert gewesen, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Dem Wiedereinsetzungsgesuch sei nicht zu entnehmen, dass die vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten den von der Rechtsprechung aufgestellten Sorgfaltspflichten in Fristensachen gerecht geworden seien. Unabhängig hiervon scheitere das Wiedereinsetzungsgesuch daran, dass die nachgeholte Berufungsbegründung ihrerseits nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen an die versäumte Prozesshandlung genüge.

II.


5
Rechtsbeschwerde Die ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. Senat, BGHZ 161, 86, 87 m.w.Nachw.), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Kläger ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nicht erforderlich. Es liegt weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor noch verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs oder wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip ; vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281).
6
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ohne Rechtsfehler mit der Begründung verweigert, ein den Klägern nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten sei nicht ausgeschlossen, weil es an Vortrag fehle, dass und welche organisatorischen Maßnahmen im Büro der Klägervertreter ergriffen worden seien, um zu verhindern, dass eine mündliche Einzelweisung - wie hier die Weisung, die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist zu korrigieren - in Vergessenheit gerate.
7
Berufungsgericht Das hat damit - worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend hinweist - auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entschieden. Danach müssen in einer Anwaltskanzlei organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass eine mündliche Einzelweisung, die einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist betrifft, in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung - wie hier geschehen - unterbleibt (BGH, Beschlüsse vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688 f., vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04, FamRZ 2004, 1711 und vom 4. April 2007 - III ZB 85/06, NJW-RR 2007, 1430, 1431, jeweils m.w.Nachw.).
8
Dass im Büro der vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger organisatorische Maßnahmen getroffen worden wären, um zu vermeiden , dass mündlich erteilte Weisungen in Vergessenheit geraten, wird mit dem Wiedereinsetzungsantrag nicht vorgetragen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde durfte das Berufungsgericht damit von einem Verschulden der vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger ausgehen. Werden solche Maßnahmen gegen das Vergessen einer lediglich mündlich erteilten Anweisung nämlich nicht mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung vorgetragen und glaubhaft gemacht, ist ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten nicht ausgeschlossen und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen (BGH, Beschluss vom 4. November 2003 aaO).
9
SoweitdieRechtsbesch werde beanstandet, es erschließe sich aus der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht, welche organisatorischen Maßnahmen insoweit in Betracht kämen, übersieht sie den Hinweis des Berufungsgerichts darauf, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger, bevor er die Handakte der Auszubildenden überlassen habe, etwa einen Wiedervorlagetermin hätte verfügen können, um auf diese Weise zu kontrollieren , ob eine Berichtigung der Frist erfolgt ist (hierzu auch BGH, Beschluss vom 4. November 2003 aaO).
10
Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde auch auf den Beschluss des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 2. April 2008 (XII ZB 189/07, NJW 2008, 2589 f.). Dort ist eine nachträgliche Kontrolle, ob eine mündliche Weisung ausgeführt worden war, ausnahmsweise als entbehrlich angesehen worden, da eine präzise und klare Anweisung des Anwalts zur sofortigen Eintragung der Begründungsfrist vorlag, die vor dem Hintergrund einer allgemeinen Büroanweisung, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen Aufträgen zu erledigen, erteilt worden war (aaO Tz. 14 f.).
11
Ein solcher Fall ist hier jedoch in dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht schlüssig dargetan und glaubhaft gemacht. Es fehlt bereits an einer entsprechenden allgemeinen Büroanweisung, deren Existenz auch von der Rechtsbeschwerde nicht behauptet wird. Für die Annahme einer unmissverständlichen und klaren Anweisung, den Auftrag vor allen anderen Aufgaben auszuführen, genügt das glaubhaft gemachte Vorbringen der Kläger überdies nicht. Mit dem im Wiedereinsetzungsgesuch enthaltenen Vortrag, der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Kläger habe die Weisung erteilt, die Fristnotierung sofort zu berichtigen, ist nicht ausreichend dargetan und glaubhaft gemacht, dass die Mitarbeiterin hiermit präzise und unmissverständlich angewiesen worden war, den Auftrag vor allen anderen Aufgaben auszuführen. Insbesondere belegt ihre zur Glaubhaftmachung vorgelegte eidesstattliche Versicherung nicht, dass ihr überhaupt präzise und klar eine Weisung erteilt worden ist, sofort tätig zu werden. Dort ist nur ausgeführt, dass sie die Weisung erhalten habe , die Eintragung im Fristenbuch und im elektronischen Fristenkalender zu ändern, und die Akte dann zur Seite gelegt habe. Dass ihr dort aufgetragen worden wäre, alles andere zurückzustellen und als erstes die Korrektur vorzunehmen, wird durch die eidesstattliche Versicherung nicht belegt.
12
DieKostenentscheidungfo lgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Nobbe Joeres Mayen
Ellenberger Matthias

Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 29.11.2007 - 4 O 4352/06 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 10.03.2008 - 8 U 26/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 189/07
vom
2. April 2008
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 233 Fb, Fd
Zur Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung eines Rechtsmittels, wenn
diese versäumt wurde, weil eine Kanzleiangestellte die ihr vom Rechtsanwalt
mündlich erteilte Einzelanweisung, die Frist unter dem ihr genannten Datum
sofort in den Fristenkalender einzutragen, nicht befolgt hat.
BGH, Beschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 189/07 - OLG Karlsruhe
AG Bruchsal
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. April 2008 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 20. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 6. November 2007 - 20 UF 95/07 aufgehoben. Dem Antragsteller wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bruchsal vom 7. Mai 2007 - 2 F 160/06 - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:

I.

1
Gegen den ihm am 22. Mai 2007 zugestellten Beschluss des Familiengerichts , mit dem der Antrag auf Herausgabe des gemeinsamen Kindes der Parteien zurückgewiesen wurde, legte der zweitinstanzliche Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers am 4. Juni 2007 Beschwerde ein und beantragte, ihm die Gerichtsakten zur Begründung der Beschwerde zu übersenden.
2
Die ihm mit Verfügung vom 10. Juli 2007 übersandte Gerichtsakte reichte er mit Anschreiben vom 13. Juli 2007 zurück.
3
Mit Schriftsätzen vom 27. Juli 2007, die am selben Tag bei dem Oberlandesgericht eingingen, begründete er die Beschwerde und beantragte zugleich, ihm Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist zu gewähren.
4
Nach dem Vorbringen des Antragstellers, das er durch anwaltliche Versicherung von Rechtsanwalt Dr. M. und eidesstattliche Erklärung der Kanzleiangestellten S. glaubhaft machte, hatte Rechtsanwalt Dr. M. die zuverlässige Angestellte S., die mit der Führung seines Fristenkalenders betraut ist, bei Unterzeichnung der Beschwerdeschrift am 4. Juni 2007 mündlich angewiesen, die Frist zur Begründung der Beschwerde, die am 23. Juli 2007 ablaufe, sofort mit der üblichen Vorfrist von einer Woche im Fristenkalender zu notieren. Zudem bestehe eine allgemeine Büroanweisung, vom Rechtsanwalt angewiesene Fristnotierungen immer anderen Arbeiten vorzuziehen. Die ihr erteilte Weisung habe die Angestellte S. aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nicht befolgt , so dass Rechtsanwalt Dr. M. den Ablauf der Begründungsfrist erst bemerkt habe, als ihm die Akte am 25. Juli 2007 vorgelegt worden sei.
5
Das Beschwerdegericht wies den Wiedereinsetzungsantrag mit der Begründung zurück, es habe an organisatorischen Vorkehrungen dagegen gefehlt, dass die erteilte Anweisung in Vergessenheit gerate, und verwarf die Beschwerde als unzulässig. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers. http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE001800314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=VRRE013770000&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE290369901&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE300750101&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE300750101&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313392002&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 4 -

II.

6
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung der Beschwerde.
7
1. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung der Beschwerde richtet, ist sie gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 621 e Abs. 3 Satz 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Gleiches gilt gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs richtet.
8
2. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das Beschwerdegericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht des Antragstellers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, welches es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 41, 323, 326 ff.; 41, 332, 334 ff.; 69, 381, 385; BVerfG NJW 1999, 3701, 3702; NJW 2001, 2161, 2162; BGHZ 151, 221, 227).
9
3. Sie ist auch begründet.
10
a) Das Beschwerdegericht hat dem Antragsteller die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verweigert, weil es ein dem Antragsteller nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Organisationsverschulden seines Verfahrensbevollmächtigten für nicht ausgeschlossen hält. Bei einer mündlich erteilten Weisung, eine Begründungsfrist einzutragen, müssten nämlich auch dann, wenn die sofortige Ausführung dieser Weisung angeordnet werde, organisatori- sche Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Weisung in Vergessenheit gerate; das Fehlen jeder Sicherung stelle einen Organisationsmangel dar. Derartige Vorkehrungen habe der Antragsteller in seinem Wiedereinsetzungsgesuch nicht darlegt.
11
b) Dem ist in einem entscheidenden Punkt nicht zu folgen.
12
Grundsätzlich darf ein Rechtsanwalt darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte , die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Er ist deshalb im allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - FamRZ 2004, 1711 m.N.).
13
Im Ansatz zutreffend geht das Beschwerdegericht unter Hinweis auf diese Entscheidung davon aus, dass dieser Grundsatz aber nicht ausnahmslos gilt. Betrifft die Anweisung einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen sein oder werden, dass die Anweisung (etwa im Drange der übrigen Geschäfte, vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2007 - III ZB 85/06 - NJW-RR 2007, 1430, 1431) in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt (BGH, Beschlüsse vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - FamRZ 2004, 1711 und vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688, 689 m.N.).
14
Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts genügt in einem solchen Fall aber die klare und präzise Anweisung, die genannte Begründungsfrist sofort einzutragen, zumal hier die weitere allgemeine Büroanweisung bestand, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen Aufgaben zu erledigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - FamRZ 2004, 1711, 1712, vom 15. November 2007 - IX ZB 219/06 - NJW 2008, 526, 527, vom 4. April 2007 - III ZB 85/06 - NJW-RR 2007, 1430, 1431 und Senatsbeschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 2778, 1723 unter Rz. 8). Denn in einem solchen Fall stellt die im Einzelfall erteilte zusätzliche Weisung, den Auftrag sofort und vor allen anderen Aufgaben auszuführen, grundsätzlich eine ausreichende Vorkehrung dagegen dar, dass die Eintragung der Frist in Vergessenheit gerät.
15
Die Gefahr, dass eine solche sofort auszuführende Weisung - wie im vorliegenden Einzelfall - sogleich, d.h. auf dem kurzen Weg vom Anwaltszimmer zum Fristenbuch, vergessen oder aus sonstigen Gründen nicht befolgt wird, macht eine nachträgliche Kontrolle ihrer Ausführung nicht erforderlich. Diese Gefahr ist jedenfalls nicht größer als die Gefahr, dass eine Bürobotin die Weisung , einen ihr übergebenen fristwahrenden Schriftsatz sofort zum Gericht zu bringen, auf dem Wege dorthin vergisst. Auch in einem solchen Fall darf die im Kalender notierte Frist aber bereits bei Übergabe an die Botin gestrichen werden , ohne dass die tatsächliche Abgabe bei Gericht nachträglich noch einmal kontrolliert werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 1998 - VIII ZB 14/98 - NJW-RR 1998, 1444, 1445).
16
4. Die angefochtene Entscheidung kann daher mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.
17
Sie erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.
18
Zwar hatte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers die Gerichtsakten am 4. Juni 2007 "zur Begründung der Beschwerde" angefordert und sie nach Einsichtnahme mit Anschreiben vom 13. Juli 2007 zurückgesandt. Nur wenn sie ihm in dieser Zeit oder jedenfalls vor Ablauf der Begründungsfrist zusammen mit der Handakte zum Entwurf der Beschwerdebegründung vorgelegt worden wären, hätte er den Ablauf der Begründungsfrist und deren zutreffende Eintragung auf der Handakte sogleich selbständig überprüfen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 2002 - VI ZB 40/02 - FamRZ 2003, 369, 370 m.N.). Eine derartige Vorlage hat das Beschwerdegericht aber nicht festgestellt; der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers hat vielmehr anwaltlich versichert , dass ihm die Handakte erst am 25. Juli 2007 vorgelegt worden sei. Der bloße Eingang der Gerichtsakten und deren Vorlage zur Einsichtnahme durch den Rechtsanwalt verpflichten diesen aber noch nicht zur Prüfung des Fristablaufs und dessen zutreffender Notierung. Vielmehr darf der Rechtsanwalt auch dann weiterhin darauf vertrauen, dass ihm die Sache rechtzeitig anhand der im Fristenkalender notierten Fristen (erneut) vorgelegt wird (Senatsbeschlüsse vom 29. April 1998 - XII ZB 140/95 - NJW-RR 1998, 1526, 1527 und vom 22. Januar 1997 - XII ZB 195/96 - FamRZ 1997, 813, 814).
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose
Vorinstanzen:
AG Bruchsal, Entscheidung vom 07.05.2007 - 2 F 160/06 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 06.11.2007 - 20 UF 95/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 190/07
vom
2. April 2008
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. April 2008 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof.
Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 20. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 6. November 2007 - 20 UF 94/07 - aufgehoben. Dem Antragsteller wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bruchsal vom 7. Mai 2007 - 2 F 144/06 - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:

I.

1
Gegen den ihm am 22. Mai 2007 zugestellten Beschluss des Familiengerichts , mit dem das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind der Parteien der Antragsgegnerin übertragen wurde, legte der zweitinstanzliche Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers am 4. Juni 2007 Beschwerde ein und beantragte, ihm die Gerichtsakten zur Begründung der Beschwerde zu übersenden.
2
Die ihm mit Verfügung vom 10. Juli 2007 übersandte Gerichtsakte reichte er mit Anschreiben vom 13. Juli 2007 zurück.
3
Mit Schriftsätzen vom 27. Juli 2007, die am selben Tag bei dem Oberlandesgericht eingingen, begründete er die Beschwerde und beantragte zugleich, ihm Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist zu gewähren.
4
Nach dem Vorbringen des Antragstellers, das er durch anwaltliche Versicherung von Rechtsanwalt Dr. M. und eidesstattliche Erklärung der Kanzleiangestellten S. glaubhaft machte, hatte Rechtsanwalt Dr. M. die zuverlässige Angestellte S., die mit der Führung seines Fristenkalenders betraut ist, bei Unterzeichnung der Beschwerdeschrift am 4. Juni 2007 mündlich angewiesen, die Frist zur Begründung der Beschwerde, die am 23. Juli 2007 ablaufe, sofort mit der üblichen Vorfrist von einer Woche im Fristenkalender zu notieren. Zudem bestehe eine allgemeine Büroanweisung, vom Rechtsanwalt angewiesene Fristnotierungen immer anderen Arbeiten vorzuziehen. Die ihr erteilte Weisung habe die Angestellte S. aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nicht befolgt , so dass Rechtsanwalt Dr. M. den Ablauf der Begründungsfrist erst bemerkt habe, als ihm die Akte am 25. Juli 2007 vorgelegt worden sei.
5
Das Beschwerdegericht wies den Wiedereinsetzungsantrag mit der Begründung zurück, es habe an organisatorischen Vorkehrungen dagegen gefehlt, dass die erteilte Anweisung in Vergessenheit gerate, und verwarf die Beschwerde als unzulässig. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers. http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE001800314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=VRRE013770000&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE290369901&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE300750101&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE300750101&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ssb/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313392002&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 4 -

II.

6
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung der Beschwerde.
7
1. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung der Beschwerde richtet, ist sie gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 621e Abs. 3 Satz 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Gleiches gilt gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs richtet.
8
2. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das Beschwerdegericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht des Antragstellers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, welches es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 41, 323, 326 ff.; 41, 332, 334 ff.; 69, 381, 385; BVerfG NJW 1999, 3701, 3702; NJW 2001, 2161, 2162; BGHZ 151, 221, 227).
9
3. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
10
a) Das Beschwerdegericht hat dem Antragsteller die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verweigert, weil es ein dem Antragsteller nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Organisationsverschulden seines Verfahrensbevollmächtigten für nicht ausgeschlossen hält. Bei einer mündlich erteilten Weisung, eine Begründungsfrist einzutragen, müssten nämlich auch dann, wenn die sofortige Ausführung dieser Weisung angeordnet werde, organisatori- sche Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Weisung in Vergessenheit gerate; das Fehlen jeder Sicherung stelle einen Organisationsmangel dar. Derartige Vorkehrungen habe der Antragsteller in seinem Wiedereinsetzungsgesuch nicht darlegt.
11
b) Dem ist in einem entscheidenden Punkt nicht zu folgen.
12
Grundsätzlich darf ein Rechtsanwalt darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte , die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Er ist deshalb im allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - FamRZ 2004, 1711 m.N.).
13
Im Ansatz zutreffend geht das Beschwerdegericht unter Hinweis auf diese Entscheidung davon aus, dass dieser Grundsatz aber nicht ausnahmslos gilt. Betrifft die Anweisung einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen sein oder werden, dass die Anweisung (etwa im Drange der übrigen Geschäfte, vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2007 - III ZB 85/06 - NJW-RR 2007, 1430, 1431) in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt (BGH, Beschlüsse vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - FamRZ 2004, 1711 und vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - NJW 2004, 688, 689 m.N.).
14
Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts genügt in einem solchen Fall aber die klare und präzise Anweisung, die genannte Begründungsfrist sofort einzutragen, zumal hier die weitere allgemeine Büroanweisung bestand, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen Aufgaben zu erledigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04 - FamRZ 2004, 1711, 1712, vom 15. November 2007 - IX ZB 219/06 - NJW 2008, 526, 527, vom 4. April 2007 - III ZB 85/06 - NJW-RR 2007, 1430, 1431 und Senatsbeschluss vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 2778, 1723 unter Rz. 8). Denn in einem solchen Fall stellt die im Einzelfall erteilte zusätzliche Weisung, den Auftrag sofort und vor allen anderen Aufgaben auszuführen, grundsätzlich eine ausreichende Vorkehrung dagegen dar, dass die Eintragung der Frist in Vergessenheit gerät.
15
Die Gefahr, dass eine solche sofort auszuführende Weisung - wie im vorliegenden Einzelfall - sogleich, d.h. auf dem kurzen Weg vom Anwaltszimmer zum Fristenbuch, vergessen oder aus sonstigen Gründen nicht befolgt wird, macht eine nachträgliche Kontrolle ihrer Ausführung nicht erforderlich. Diese Gefahr ist jedenfalls nicht größer als die Gefahr, dass eine Bürobotin die Weisung , einen ihr übergebenen fristwahrenden Schriftsatz sofort zum Gericht zu bringen, auf dem Wege dorthin vergisst. Auch in einem solchen Fall darf die im Kalender notierte Frist aber bereits bei Übergabe an die Botin gestrichen werden , ohne dass die tatsächliche Abgabe bei Gericht nachträglich noch einmal kontrolliert werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 1998 - VIII ZB 14/98 - NJW-RR 1998, 1444, 1445).
16
4. Die angefochtene Entscheidung kann daher mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.
17
Sie erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.
18
Zwar hatte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers die Gerichtsakten am 4. Juni 2007 "zur Begründung der Beschwerde" angefordert und sie nach Einsichtnahme mit Anschreiben vom 13. Juli 2007 zurückgesandt. Nur wenn sie ihm in dieser Zeit oder jedenfalls vor Ablauf der Begründungsfrist zusammen mit der Handakte zum Entwurf der Beschwerdebegründung vorgelegt worden wären, hätte er den Ablauf der Begründungsfrist und deren zutreffende Eintragung auf der Handakte sogleich selbständig überprüfen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 2002 - VI ZB 40/02 - FamRZ 2003, 369, 370 m.N.). Eine derartige Vorlage hat das Beschwerdegericht aber nicht festgestellt ; der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers hat vielmehr anwaltlich versichert, dass ihm die Handakte erst am 25. Juli 2007 vorgelegt worden sei. Der bloße Eingang der Gerichtsakten und deren Vorlage zur Einsichtnahme durch den Rechtsanwalt verpflichten diesen aber noch nicht zur Prüfung des Fristablaufs und dessen zutreffender Notierung. Vielmehr darf der Rechtsanwalt auch dann weiterhin darauf vertrauen, dass ihm die Sache rechtzeitig anhand der im Fristenkalender notierten Fristen (erneut) vorgelegt wird (Senatsbeschlüsse vom 29. April 1998 - XII ZB 140/95 - NJW-RR 1998, 1526, 1527 und vom 22. Januar 1997 - XII ZB 195/96 - FamRZ 1997, 813, 814). Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose
Vorinstanzen:
AG Bruchsal, Entscheidung vom 07.05.2007 - 2 F 144/06
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 06.11.2007 - 20 UF 94/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 6/08
vom
20. Januar 2009
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. h.c. Nobbe, den Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen und
die Richter Dr. Ellenberger und Dr. Matthias
am 20. Januar 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. März 2008 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert beträgt 168.787,48 €.

Gründe:


I.


1
Kläger Die machen gegenüber der Beklagten Ansprüche im Zusammenhang mit einem Darlehen geltend, mit dem sie den Erwerb einer Eigentumswohnung finanziert haben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
2
Gegen das ihnen am 6. Dezember 2007 zugestellte landgerichtliche Urteil haben die Kläger am 4. Januar 2008 Berufung eingelegt. Mit beim Oberlandesgericht am 7. Februar 2008 eingegangenem Schriftsatz haben sie die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat beantragt. Nach entsprechendem Hinweis darauf, dass diese Frist bereits am 6. Februar 2008 abgelaufen sei, haben sie am 20. Februar 2008 hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und mit Schriftsatz vom selben Tag die Berufung begründet.
3
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags haben die Kläger vorgetragen, die verfristete Einreichung des Verlängerungsantrags beruhe auf einem Versehen der seinerzeit im letzten Ausbildungsjahr bei ihrem Prozessbevollmächtigten beschäftigten und als außerordentlich zuverlässig bekannten Auszubildenden F. . Ihr Prozessbevollmächtigter habe, als im Rahmen einer routinemäßigen Überprüfung festgestellt worden sei, dass in dieser Sache von einer anderen Kanzleikraft eine fehlerhafte Berufungsbegründungsfrist notiert gewesen sei, Frau F. die Einzelweisung erteilt, die Fristnotierung sofort zu berichtigen. Gleichwohl sei eine solche Berichtigung versehentlich unterblieben und die Akte irrtümlich wieder in den Schrank gelegt worden. Ausweislich ihrer zur Glaubhaftmachung beigefügten eidesstattlichen Versicherung hatte Frau F. von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger die Weisung erhalten, die Eintragung im Fristenbuch und im elektronischen Fristenkalender zu ändern; sie habe die Akte dann zur Seite gelegt und sei möglicherweise an diesem Tag durch mehrere Telefonanrufe, die kurz hintereinander eingegangen seien, abgelenkt gewesen. Die Akte sei dann irgendwie wieder in den Schrank gehängt worden, so dass sie sie vergessen habe.
4
Berufungsgericht Das hat die Berufung unter gleichzeitiger Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig verworfen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kläger seien nicht ohne Verschulden ihres vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten daran gehindert gewesen, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Dem Wiedereinsetzungsgesuch sei nicht zu entnehmen, dass die vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten den von der Rechtsprechung aufgestellten Sorgfaltspflichten in Fristensachen gerecht geworden seien. Unabhängig hiervon scheitere das Wiedereinsetzungsgesuch daran, dass die nachgeholte Berufungsbegründung ihrerseits nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen an die versäumte Prozesshandlung genüge.

II.


5
Rechtsbeschwerde Die ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. Senat, BGHZ 161, 86, 87 m.w.Nachw.), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Kläger ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nicht erforderlich. Es liegt weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor noch verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs oder wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip ; vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281).
6
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ohne Rechtsfehler mit der Begründung verweigert, ein den Klägern nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten sei nicht ausgeschlossen, weil es an Vortrag fehle, dass und welche organisatorischen Maßnahmen im Büro der Klägervertreter ergriffen worden seien, um zu verhindern, dass eine mündliche Einzelweisung - wie hier die Weisung, die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist zu korrigieren - in Vergessenheit gerate.
7
Berufungsgericht Das hat damit - worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend hinweist - auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entschieden. Danach müssen in einer Anwaltskanzlei organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass eine mündliche Einzelweisung, die einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist betrifft, in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung - wie hier geschehen - unterbleibt (BGH, Beschlüsse vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688 f., vom 22. Juni 2004 - VI ZB 10/04, FamRZ 2004, 1711 und vom 4. April 2007 - III ZB 85/06, NJW-RR 2007, 1430, 1431, jeweils m.w.Nachw.).
8
Dass im Büro der vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger organisatorische Maßnahmen getroffen worden wären, um zu vermeiden , dass mündlich erteilte Weisungen in Vergessenheit geraten, wird mit dem Wiedereinsetzungsantrag nicht vorgetragen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde durfte das Berufungsgericht damit von einem Verschulden der vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger ausgehen. Werden solche Maßnahmen gegen das Vergessen einer lediglich mündlich erteilten Anweisung nämlich nicht mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung vorgetragen und glaubhaft gemacht, ist ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten nicht ausgeschlossen und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen (BGH, Beschluss vom 4. November 2003 aaO).
9
SoweitdieRechtsbesch werde beanstandet, es erschließe sich aus der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht, welche organisatorischen Maßnahmen insoweit in Betracht kämen, übersieht sie den Hinweis des Berufungsgerichts darauf, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger, bevor er die Handakte der Auszubildenden überlassen habe, etwa einen Wiedervorlagetermin hätte verfügen können, um auf diese Weise zu kontrollieren , ob eine Berichtigung der Frist erfolgt ist (hierzu auch BGH, Beschluss vom 4. November 2003 aaO).
10
Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde auch auf den Beschluss des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 2. April 2008 (XII ZB 189/07, NJW 2008, 2589 f.). Dort ist eine nachträgliche Kontrolle, ob eine mündliche Weisung ausgeführt worden war, ausnahmsweise als entbehrlich angesehen worden, da eine präzise und klare Anweisung des Anwalts zur sofortigen Eintragung der Begründungsfrist vorlag, die vor dem Hintergrund einer allgemeinen Büroanweisung, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen Aufträgen zu erledigen, erteilt worden war (aaO Tz. 14 f.).
11
Ein solcher Fall ist hier jedoch in dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht schlüssig dargetan und glaubhaft gemacht. Es fehlt bereits an einer entsprechenden allgemeinen Büroanweisung, deren Existenz auch von der Rechtsbeschwerde nicht behauptet wird. Für die Annahme einer unmissverständlichen und klaren Anweisung, den Auftrag vor allen anderen Aufgaben auszuführen, genügt das glaubhaft gemachte Vorbringen der Kläger überdies nicht. Mit dem im Wiedereinsetzungsgesuch enthaltenen Vortrag, der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Kläger habe die Weisung erteilt, die Fristnotierung sofort zu berichtigen, ist nicht ausreichend dargetan und glaubhaft gemacht, dass die Mitarbeiterin hiermit präzise und unmissverständlich angewiesen worden war, den Auftrag vor allen anderen Aufgaben auszuführen. Insbesondere belegt ihre zur Glaubhaftmachung vorgelegte eidesstattliche Versicherung nicht, dass ihr überhaupt präzise und klar eine Weisung erteilt worden ist, sofort tätig zu werden. Dort ist nur ausgeführt, dass sie die Weisung erhalten habe , die Eintragung im Fristenbuch und im elektronischen Fristenkalender zu ändern, und die Akte dann zur Seite gelegt habe. Dass ihr dort aufgetragen worden wäre, alles andere zurückzustellen und als erstes die Korrektur vorzunehmen, wird durch die eidesstattliche Versicherung nicht belegt.
12
DieKostenentscheidungfo lgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Nobbe Joeres Mayen
Ellenberger Matthias

Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 29.11.2007 - 4 O 4352/06 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 10.03.2008 - 8 U 26/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 165/11
vom
8. Februar 2012
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 233 B, Fd, 310 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 2

a) Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und
materiell-rechtlichen Wirkungen existent. Verkündungsmängel stehen dem wirksamen
Erlass eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen
der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von
einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Zu den
Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt
war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien
von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden (im Anschluss
an BGHZ GSZ 14, 39, 44 ff.).

b) Die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift gehört zu den Aufgaben, die der Rechtsanwalt
seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis
selbst sorgfältig zu überprüfen. Auch bei einem so wichtigen Vorgang
darf der Rechtsanwalt aber einer zuverlässigen Büroangestellten eine konkrete
Einzelanweisung erteilen, deren Ausführung er grundsätzlich nicht mehr persönlich
überprüfen muss. Dann müssen jedoch ausreichende Vorkehrungen dagegen
getroffen werden, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Übersendung
eines zulässigen Rechtsmittels unterbleibt (im Anschluss an den Senatsbeschluss
vom 25. März 2009 - XII ZB 150/08 - FamRZ 2009, 1132).
BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11 - OLG Braunschweig
AG Duderstadt
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Februar 2012 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Dose, Dr. Klinkhammer,
Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 11. März 2011 wird auf Kosten des Beklagten verworfen. Beschwerdewert: 14.229 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten in dem seit dem 1. August 2007 anhängigen Verfahren um Trennungsunterhalt. Mit Beschluss vom 1. November 2010 hatte das Amtsgericht mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 29. November 2010 bestimmt. Auf der Rückseite der letzten Seite des vom Abteilungsrichter unterzeichneten Urteils befindet sich der handschriftliche Zusatz: "VT-Prot Um 1110 erschien niemand. Der Beschluss wurde verkündet"
2
Der Zusatz ist vom Abteilungsrichter mit dem Datum 29/11 unterzeichnet. Unter dem Zusatz befindet sich folgende Verfügung des Geschäftsstellenbeamten : "1.) Beschl ausf. an A'gegner Vertr. ./. EB 2.) Nach Rückkehr EB vollstreckbare Ausf. des Urteils an A‘steller-Vertr. ./. EB"
3
Auf der ersten Seite trägt das Urteil zwei weitere von dem Geschäftsstellenbeamten unterschriebene Vermerke und zwar zum einen: "Verkündet am: 29.11.2010" und zum anderen "Eingang auf der Geschäftsstelle am 30. NOV. 2010"
4
Eine Urteilsausfertigung wurde dem Beklagtenvertreter am 6. Dezember 2010, eine vollstreckbare Ausfertigung dem Klägervertreter am 10. Dezember 2010 zugestellt.
5
Am 5. Januar 2011 ging eine an das Amtsgericht gerichtete "Beschwerde" "gegen das am 29.11.2010 verkündete Urteil" dort ein. Mit Verfügung vom 6. Januar 2011 leitete das Amtsgericht den Schriftsatz an das zuständige Oberlandesgericht weiter, wo er am 11. Januar 2011 einging.
6
Mit einem dem Beklagtenvertreter am 27. Januar 2011 zugestellten Beschluss wies das Oberlandesgericht den Beklagten auf den verspäteten Eingang der Berufung hin. Mit einem am Montag, dem 7. Februar 2011 eingegan- genen Schriftsatz begründete der Beklagte seine Berufung. Mit einem weiteren, am 10. Februar 2011 eingegangenen Schriftsatz beantragte der Beklagte vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist.
7
Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

8
Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 179/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).
9
Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde des Beklagten ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
10
1. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Berufungsfrist gegen das Urteil vom 29. November 2010 mit der Zustellung an den Beklagten am 6. Dezember 2010 begonnen hat. Das angefochtene Urteil ist, wenn auch fehlerhaft, verlautbart worden und damit wirksam.
11
a) Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und materiell-rechtlichen Wirkungen existent. Vorher liegt nur ein - allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugender - Entscheidungsentwurf vor (BGHZ GSZ 14, 39, 44). Die Verlautbarung eines Urteils erfolgt grundsätzlich öffentlich im Anschluss an die mündliche Verhandlung oder in einem hierfür anberaumten Termin durch das Verlesen der Urteilsformel (§§ 310 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 173 Abs. 1 GVG). Im schriftlichen Verfahren sind Urteile in einem nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu bestimmenden Termin zu verkünden (BGH Urteil vom 12. März 2004 - XII ZR 37/03 - FamRZ 2004, 1187 f.).
12
Nach § 165 Satz 1 ZPO kann die Beachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Protokoll bewiesen werden. Zu diesen Förmlichkeiten gehört gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO auch die Verkündung des Urteils. Diese erfolgt nach § 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Vorlesung der Urteilsformel, die durch Bezugnahme auf die Urteilsformel ersetzt werden kann, wenn bei der Verkündung keine der Parteien anwesend ist (§ 311 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die Angabe, welche dieser beiden Arten der Verkündung erfolgt ist, schreibt das Gesetz nicht vor. Dem Erfordernis des § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO ist deshalb Genüge getan, wenn der Richter lediglich protokolliert, dass die anliegende Entscheidung verkündet worden ist, selbst wenn dies zu Zweifeln über die gewählte Form der Verlautbarung Anlass geben könnte (BGH Urteile vom 16. Oktober 1984 - VI ZR 205/83 - NJW 1985, 1782, 1783 und BGHZ 10, 327, 329).
13
Auch im Übrigen stehen Verkündungsmängel nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem wirksamen Erlass eines Urteils nur entgegen , wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechts- sinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht (BGHZ GSZ 14, 39, 44 ff.; BGH Urteil vom 16. Oktober 1984 - VI ZR 205/83 - NJW 1985, 1782, 1783). Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden (BGH Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 37/03 - FamRZ 2004, 1187, 1188 mwN).
14
b) Nach diesen Grundsätzen liegt hier ein wirksames Urteil vor. Unabhängig von den im Einzelnen gerügten Verstößen gegen den notwendigen Inhalt des Verkündungsprotokolls nach § 160 ZPO liegt hier zweifelsfrei eine Verlautbarung des Gerichts vor.
15
Dies musste von den Parteien auch so verstanden werden. Das Amtsgericht hatte mit Verfügung vom 1. November 2010 ein schriftliches Verfahren angeordnet und Verkündungstermin auf den 29. November 2010 bestimmt. Das vorliegende Urteil ist vom Abteilungsrichter unterzeichnet und ausweislich seines Vermerks am 29. November 2010 verkündet worden. Weil sich der Vermerk auf der Rückseite des Originalurteils befindet, kann trotz der falschen Bezeichnung als Beschluss auch kein Zweifel aufkommen, welche Entscheidung verkündet worden ist. Entsprechend hat auch die Geschäftsstelle die Verkündung des Urteils am 29. November 2010 vermerkt. Auf der Grundlage dieser Verkündung hat die Geschäftsstelle die Zustellung des Urteils an die Parteivertreter verfügt. Dem Beklagtenvertreter ist das "Urteil vom 29.11.2010" sodann am 6. Dezember 2010 zugestellt worden. Die Zustellung des Urteils hat er mit Empfangsbekenntnis bestätigt.
16
Danach konnte für den Beklagten kein Zweifel daran bestehen, dass am 29. November 2010 - wie im Beschluss vom 1. November 2010 angekündigt - das Urteil verkündet worden war, das ihm am 6. Dezember 2010 zugestellt wurde. Die weiteren Verkündungsmängel sind mit der Verlautbarung der Entscheidung nicht unvereinbar und stehen einem wirksamen Urteil deswegen nicht entgegen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Oktober 2011 - XII ZB 250/11 - NJW-RR 2012, 1 Rn. 14; BGH Urteile vom 12. März 2004 - V ZR 37/03 - FamRZ 2004, 1187, 1188 und vom 16. Oktober 1984 - VI ZR 205/83 - NJW 1985, 1782, 1783; BGHZ GSZ 14, 39, 44 ff.; BFHE 140, 514).
17
c) Weil somit nach der Verkündung ein wirksames Urteil vorlag, kommt es auf die Frage einer Verlautbarung durch Zustellung des Urteils an Verkündungs statt nach § 310 Abs. 3 ZPO nicht an. Nur in diesen Fällen, in denen die Verlautbarung der Entscheidung durch Zustellung erfolgt, beginnt die Rechtsmittelfrist erst mit der Zustellung an alle Parteien (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 1994 - XII ZB 90/94 - NJW 1994, 3359, 3360). Wird hingegen - wie hier - ein bereits durch Verkündung verlautbartes Urteil zugestellt, beginnt die Rechtsmittelfrist für jede Partei mit der Zustellung an sie. Weil das Urteil dem Beklagten am 6. Dezember 2010 zugestellt wurde, lief die einmonatige Berufungsfrist des § 517 ZPO mithin am 6. Januar 2011 ab.
18
2. Zutreffend sind auch die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts , wonach das Rechtsmittel des Beklagten vom 4. Januar 2011 nicht rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingegangen ist.
19
a) Weil für das Verfahren weiterhin das frühere Prozessrecht galt, war die Berufung nach § 519 Abs. 1 ZPO durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht, hier also bei dem Oberlandesgericht (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 a GVG), einzulegen. Der Beklagtenvertreter hatte sein Rechtsmittel, das unzutreffend auch als Beschwerde bezeichnet war, hingegen an das nach dem hier noch anwendbaren früheren Recht unzuständige Amtsgericht geschickt. Beim zuständigen Oberlandesgericht ist das Rechtsmittel nach Weiterleitung durch das Amtsgericht erst am 11. Januar 2011 und somit verspätet eingegangen.
20
b) Indem das Amtsgericht die Berufung des Beklagten lediglich im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Oberlandesgericht weitergeleitet hat, hat es keine Verfahrensrechte des Beklagten verletzt.
21
Der Richter ist einerseits aufgrund des Anspruchs auf ein faires Verfahren zur Rücksichtnahme auf die Parteien verpflichtet. Andererseits muss auch die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden (BVerfG NJW 2006, 1579). Eine generelle Fürsorgepflicht des für die Rechtsmittelbegründung unzuständigen Gerichts, durch Hinweise oder andere geeignete Maßnahmen eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern, besteht deswegen nicht (vgl. BGH Beschluss vom 24. Juni 2010 - V ZB 170/09 - WuM 2010, 592 Rn. 7). Geht eine fristgebundene Rechtsmittelbegründung oder ein entsprechender Verlängerungsantrag statt beim Rechtsmittelgericht bei dem erstinstanzlichen Gericht ein, ist dieses grundsätzlich lediglich verpflichtet, den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten.
22
Geht der Schriftsatz so rechtzeitig ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die Partei darauf vertrauen, dass der Schriftsatz noch rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingeht. Kommt das angerufene Gericht dem nicht nach, wirkt sich das Verschulden der Partei oder ihrer Verfahrensbevollmächtigten nicht mehr aus, so dass ihr Wiedereinsetzung in den vori- gen Stand zu gewähren ist. Die eine Wiedereinsetzung begehrende Partei hat jedoch darzulegen und glaubhaft zu machen, dass ihr Schriftsatz im normalen ordnungsgemäßen Geschäftsgang fristgerecht an das zuständige Rechtsmittelgericht hätte weitergeleitet werden können (Senatsbeschlüsse vom 15. Juni 2011 - XII ZB 468/10 - FamRZ 2011, 371 Rn. 12 und vom 17. August 2011 - XII ZB 50/11 - FamRZ 2011, 1649 Rn. 20 ff.). Weil das Rechtsmittel des Beklagten hier erst einen Tag vor Fristablauf beim unzuständigen Gericht eingegangen ist, ist es den Gerichten nicht anzulasten, dass die Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang nicht zum rechtzeitigen Eingang beim Oberlandesgericht geführt hat.
23
c) Der Beklagte war auch nicht ausnahmsweise berechtigt, sein Rechtsmittel nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung auch beim Amtsgericht einzulegen.
24
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift der Meistbegünstigungsgrundsatz in Fällen, in denen das Gericht eine der Form nach unrichtige Entscheidung gewählt hat. Dann steht den Parteien auch dasjenige Rechtsmittel zu, welches nach Art der ergangenen Entscheidung statthaft ist. Daneben bleibt das Rechtsmittel zulässig, das bei einer in der richtigen Form getroffenen Entscheidung statthaft gewesen wäre. Das Meistbegünstigungsprinzip stellt damit eine Ausprägung der verfassungsrechtlichen Grundsätze der allgemeinen Gleichheit vor dem Gesetz und des Vertrauensschutzes dar. Über die Fälle einer inkorrekten Entscheidung hinaus kommt es daher auch dann zur Anwendung, wenn für den Rechtsmittelführer eine Unsicherheit über das einzulegende Rechtsmittel besteht, sofern diese auf einem Fehler oder einer Unklarheit der anzufechtenden Entscheidung beruht (Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2008 - XII ZB 125/06 - GuT 2009, 209 Rn. 17; BGHZ 152, 213 = NJW-RR 2003, 277 Rn. 46 und BGH Beschluss vom 21. Oktober 1993 - V ZB 45/93 - WM 1994, 180).
25
Mit der gleichen Begründung findet der Grundsatz der Meistbegünstigung Anwendung, wenn das Gericht für sein Verfahren zwar die Entscheidungsform zutreffend gewählt, inhaltlich aber ein unzutreffendes Verfahrensrecht angewandt hat. Denn auch in diesen Fällen ist das Vertrauen der Beteiligten auf das angewandte Verfahrensrecht schutzwürdig (Senatsbeschlüsse vom 6. April 2011 - XII ZB 553/10 - FamRZ 2011, 966 Rn. 13 und vom 6. Juli 2011 - XII ZB 100/11 - FamRZ 2011, 1575 Rn. 12 f.).
26
Diese Voraussetzungen liegen hier allerdings nicht vor. Das Amtsgericht hat das bereits seit August 2007 anhängige Verfahren zutreffend weiter nach dem früheren Prozessrecht betrieben, ein schriftliches Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet und durch Urteil entschieden. Die Parteien sind - wie es dem früheren Prozessrecht entspricht - als Klägerin und Beklagter bezeichnet. Entsprechend enthält die Entscheidung auch keine Rechtsmittelbelehrung. Die Entscheidung ist auch bei der Zustellung zutreffend als Urteil bezeichnet. Für die Parteien bestand im Zeitpunkt der Zustellung deswegen kein Zweifel daran, dass das Amtsgericht zutreffend nach dem früheren Prozessrecht entschieden hatte und deswegen das Rechtsmittel der Berufung beim Oberlandesgericht einzulegen war.
27
3. Schließlich hat das Oberlandesgericht dem Beklagten auch zu Recht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Berufungsfrist versagt.
28
a) Die Prüfung der notwendigen Formalien für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist Aufgabe des Rechtsmittelführers. Ihm obliegt es deswegen auch, dafür Sorge zu tragen, dass das Rechtsmittel innerhalb der Rechtsmittel- frist bei dem zuständigen Gericht eingeht (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Juni 2011 - XII ZB 468/10 - FamRZ 2011, 371 Rn. 8 und BGH Beschluss vom 4. Dezember 1991 - VIII ZB 34/91 - VersR 1992, 1023 f.). Unter Verstoß gegen diese Anforderungen hat der Beklagtenvertreter das Rechtsmittel nicht an das zuständige Oberlandesgericht, sondern an das Amtsgericht gesandt, weswegen es schließlich verspätet beim zuständigen Oberlandesgericht eingegangen ist.
29
b) Ein Rechtsanwalt darf allerdings grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (Senatsbeschlüsse vom 21. April 2010 - XII ZB 64/09 - FamRZ 2010, 1067 Rn. 11 und vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 154/09 - VersR 2011, 89 Rn. 16; BGH Beschluss vom 2. November 1995 - VII ZB 13/95 - VersR 1996, 779).
30
Zwar gehört die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift zu den Aufgaben, die der Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis selbst sorgfältig zu überprüfen (BGH Beschlüsse vom 25. Juni 1986 - IV a ZB 8/86 - VersR 1986, 1209 und vom 29. April 1982 - I ZB 2/82 - VersR 1982, 769 f.). Sie darf in einem so gewichtigen Teil wie der Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts auch gut geschultem und erfahrenem Büropersonal eines Rechtsanwalts nicht eigenverantwortlich überlassen werden. Der Prozessbevollmächtigte einer Partei muss die Rechtsmittelschrift deswegen vor der Unterzeichnung auf die Vollständigkeit, darunter auch auf die richtige Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts, überprüfen (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2012 - XII ZB 298/11 - zur Veröffentlichung bestimmt; BGH Beschluss vom 8. Dezember 1992 - VI ZB 33/92 - VersR 1993, 1381 f.).
31
Auch bei einem so wichtigen Vorgang wie der Anfertigung einer Rechtsmittelschrift darf der Rechtsanwalt aber einer zuverlässigen Büroangestellten eine konkrete Einzelanweisung erteilen, deren Ausführung er grundsätzlich nicht mehr persönlich überprüfen muss (BGH Beschluss vom 30. Oktober 2008 - III ZB 54/08 - FamRZ 2009, 109 Rn. 9 f.). Das gilt insbesondere dann, wenn die weitere allgemeine Büroanweisung besteht, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen Aufgaben zu erledigen. Denn in einem solchen Fall stellt die im Einzelfall erteilte zusätzliche Weisung, den Auftrag sofort und vor allen anderen Aufgaben auszuführen, grundsätzlich eine ausreichende Vorkehrung dagegen dar, dass die Eintragung der Frist in Vergessenheit gerät (Senatsbeschlüsse vom 19. November 2008 - XII ZB 102/08 - FamRZ 2009, 217 Rn. 14 und vom 2. April 2008 - XII ZB 190/07 - FuR 2008, 344 Rn. 12 ff.). Betrifft die Anweisung des Rechtsanwalts einen so wichtigen Vorgang wie die Erstellung einer Rechtsmittelschrift und wird sie nur mündlich erteilt, müssen ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen sein oder werden, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Übersendung eines zulässigen Rechtsmittels unterbleibt (Senatsbeschlüsse vom 21. April 2010 - XII ZB 64/09 - FamRZ 2010, 1067 Rn. 11; vom 25. März 2009 - XII ZB 150/08 - FamRZ 2009, 1132 Rn. 19 ff. und vom 13. September 2006 - XII ZB 103/06 - FamRZ 2006, 1663 Rn. 9).
32
c) Auf dieser rechtlichen Grundlage hat das Oberlandesgericht zu Recht ein Organisationsverschulden des Beklagtenvertreters angenommen.
33
Er hat in seinem Wiedereinsetzungsgesuch darauf hingewiesen, dass die zuständige Kanzleiangestellte aufgrund des stattgefundenen Kanzleiumzugs, der hiermit verbundenen zahlreichen Aufgaben und der starken Frequentierung der Kanzlei durch diverse Lieferanten, technische Dienstleister und sonstigen Publikumsverkehr überlastet gewesen und die Anweisung zur Änderung der falsch erstellten Rechtsmittelschrift darüber in Vergessenheit geraten sei. In einer solchen Situation, in der die unverzügliche Korrektur nicht sichergestellt war, durfte der Prozessbevollmächtigte sich nicht allein auf die Kanzleiangestellte verlassen, sondern hätte die unverzügliche Korrektur der einseitigen Rechtsmittelschrift verlangen müssen und diese erst danach unterzeichnen dürfen , um eine vorzeitige Löschung der Rechtsmittelfrist zu verhindern. Einen so wichtigen Vorgang wie das Absenden einer Rechtsmittelschrift durfte der Rechtsanwalt seiner in der konkreten Situation ersichtlich überforderten Mitarbeiterin nicht allein überlassen. Das sich daraus ergebende Organisationsverschulden des Beklagtenvertreters ist dem Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.
34
4. Weil der Beklagte die Berufungsfrist nicht schuldlos versäumt hat, hat das Oberlandesgericht ihm die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO zu Recht versagt. Auch die Verwerfung der Berufung nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist deswegen nicht zu beanstanden.
Hahne Dose Klinkhammer Günter Nedden-Boeger

Vorinstanzen:
AG Duderstadt, Entscheidung vom 29.11.2010 - 2 F 154/07 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 11.03.2011 - 3 UF 9/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II Z B 1 7 / 1 3
vom
8. Juli 2014
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und die Richterin Caliebe, die Richter
Dr. Drescher, Born und Sunder

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 24. Juni 2013 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen Beschwerdewert: 1.000.000 €

Gründe:

1
I. Die Klägerin begehrt die Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist. Das erstinstanzliche Urteil wurde der Klägerin am 26. Februar 2013 zugestellt. Am 26. März 2013 legte die Klägerin Berufung ein. Am 21. Mai 2013 wurde der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen, dass bisher keine Berufungsbegründung eingegangen sei. Am 28. Mai 2013 begründete die Klägerin die Berufung und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
2
Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen: Das angefochtene Urteil sei ihrem Prozessbevollmächtigten am 26. Februar 2013 von seiner Mitarbeiterin B. vorgelegt worden. Ihr Prozessbevollmächtigter habe das Empfangsbekenntnis am selben Tag unterzeichnet und seine Büromitarbeiterin B. gebeten, dieses zurückzuschicken. Auf dem Empfangsbekenntnis sei verse- hentlich das Datum 26. Mai 2013 angegeben gewesen. Dieses Versehen sei, so die Büromitarbeiterin B. in ihrer eidesstattlichen Versicherung, für sie offensichtlich gewesen, so dass sie zutreffend die Berufungsfrist auf den 26. März 2013 berechnet und in den elektronischen Fristenkalender eingetragen habe. Sie habe aber vergessen, die Berufungsbegründungsfrist zu berechnen und einzutragen. Am Tag des Ablaufs der Berufungsfrist habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin per Telefax Berufung eingelegt. Da die Berufungsbegründungsfrist nicht notiert gewesen sei, sei die Akte dem Prozessbevollmächtigten nicht rechtzeitig vorgelegt worden.
3
Das Berufungsgericht hat die Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist versagt und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
4
II. Die Rechtsbeschwerde der Klägerin ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig , weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.
5
1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Ein der Klägerin zurechenbares ursächliches Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten sei jedenfalls darin zu sehen, dass dieser im Zusammenhang mit der Fertigung der Berufungsschrift die ordnungsgemäße Eintragung der Beru- fungsbegründungsfrist nicht kontrolliert habe. Hätte er dies getan, hätte ihm auffallen müssen, dass, wie die Klägerin geltend mache, seine Mitarbeiterin vergessen gehabt habe, die Berufungsbegründungsfrist zu berechnen und einzutragen , so dass die Versäumung der Frist vermieden worden wäre.
6
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung zu Recht versagt, weil bereits nach dem Wiedereinsetzungsvorbringen ein der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumnis nicht auszuschließen ist.
7
a) Die Klägerin hat die Frist zur Begründung der Berufung versäumt. Die Berufungsbegründungsfrist begann gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit der Zustellung des Urteils des Landgerichts am 26. Februar 2013. Sie ist daher gemäß § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB am 26. April 2013 abgelaufen. Innerhalb dieser Frist ist keine Berufungsbegründung eingereicht worden.
8
b) Zu Recht hat das Berufungsgericht ein für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ursächliches und der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten angenommen.
9
Wird dem Rechtsanwalt die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, hat er die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung und Notierung laufender Rechtsmittelfristen einschließlich deren Eintragung in den Fristenkalender eigenverantwortlich zu prüfen (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2014 - XII ZB 257/13, WM 2014, 430 Rn. 10; Beschluss vom 15. Januar 2014 - XII ZB 431/13, WM 2014, 431 Rn. 8). In diesem Fall obliegt es dem Prozessbevollmächtigten , sich der Akte mit besonderer Sorgfalt anzunehmen und sich erforderlichenfalls durch Einsicht in die Akte selbst Gewissheit über den Ablauf der Frist zu verschaffen (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2014 - XI ZB 12/13, WM 2014, 506 Rn. 7). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat nicht dargetan , dass er eine solche Überprüfung vorgenommen hat. Hätte er die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist überprüft und den Fehler seiner Büroangestellten bemerkt, hätte die Berufungsbegründungsfrist ohne weiteres gewahrt werden können.
10
Zudem ist nicht dargelegt, dass die Büroorganisation des Prozessbevollmächtigten der Klägerin die erforderliche Gegenkontrolle überhaupt ermöglicht hätte. Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fristenkontrolle gehört insbesondere, dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in den Fristenkalender eingetragen worden sind (BGH, Beschluss vom 26. November 2013 - II ZB 13/12, WM 2014, 424 Rn. 9). Hierzu verhält sich das Wiedereinsetzungsvorbringen der Klägerin nicht.
11
3. Eine andere Beurteilung ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht im Hinblick auf die dem Gericht gegenüber den Prozessparteien während der Anhängigkeit einer Sache bei ihm obliegende und sich aus dem Gebot eines fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 MRK, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) ergebende richterliche Fürsorgepflicht gerechtfertigt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2009 - III ZB 99/08, juris Rn. 9).
12
a) Die Rechtsbeschwerde stellt die Pflichtverletzung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht in Abrede. Sie ist aber der Auffassung, das Berufungsgericht habe seine Fürsorgepflicht verletzt. Es hätte die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass ihr Prozessbevollmächtigter auf dem Empfangsbe- kenntnis ein falsches Datum angegeben habe, nämlich „26.05.2013“ statt „26.02.2013“. Die Berufungsbegründungsfrist wäre, so die Rechtsbeschwerde weiter, bei einem solchen Hinweis eingehalten worden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hätte dann nach der Lebenserfahrung die korrekte Eintragung der Fristen im Fristenkalender überprüft und dabei festgestellt, dass die Berufungsbegründungsfrist noch nicht eingetragen gewesen sei.
13
b) Mit diesem Vorbringen ist die Klägerin ausgeschlossen. Die eine Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen müssen gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO grundsätzlich bereits im Wiedereinsetzungsantrag enthalten sein; jedenfalls sind sie innerhalb der für die Wiedereinsetzung geltenden Frist nach § 234 Abs. 1 ZPO vorzubringen. Zulässig ist nur die Ergänzung von fristgerecht gemachten , aber erkennbar unklaren oder unvollständigen Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten war (BGH, Beschlussvom 21. Oktober 2010 - IX ZB 73/10, NJW 2011, 458 Rn. 16 f.; Beschluss vom 20. Dezember 2012 - III ZB 47/12, juris Rn. 9).
14
Lediglich die eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten B. enthält die Angabe, ihr sei aufgefallen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin versehentlich das falsche Datum angegeben habe. Da für sie das Versehen offensichtlich gewesen sei, habe sie die Berufungsfrist zutreffend auf den 26. März 2013 berechnet und im Fristenkalender notiert. Die Klägerin hat aber mit ihrem Wiedereinsetzungsvorbringen nicht geltend gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter auf einen Hinweis des Gerichts auf das im Empfangsbekenntnis angegebene Datum die Fristen im Fristenkalender überprüft hätte. Dies legt auch die Lebenserfahrung nicht nahe. Nachdem der Büroangestellten der offensichtliche Datumsfehler bereits aufgefallen war, ist es genauso mög- lich, dass nach einem Hinweis des Gerichts nicht überprüft worden wäre, ob die Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender - richtig - eingetragen war.
15
Da somit die Möglichkeit offen geblieben ist, dass die Einhaltung der Frist durch ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin versäumt worden ist, hat das Berufungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu Recht zurückgewiesen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 177/10, NJW 2011, 385 Rn. 13).
16
c) Selbst wenn man unterstellt, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hätte nach einem Hinweis des Gerichts auf das falsche Datum im Empfangsbekenntnis die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender kontrolliert , wäre der Klägerin keine Wiedereinsetzung zu gewähren gewesen.
17
Die Berücksichtigung der aus dem Gebot des fairen Verfahrens folgenden Fürsorgepflicht des Gerichts gegenüber den Parteien kann zwar bei wertender Betrachtung dazu führen, dass die Fristsäumnis der Partei im Ergebnis nicht angelastet werden kann (BGH, Beschluss vom 11. Februar 1998 - VIII ZB 50/97, NJW 1998, 2291, 2292). Das Berufungsgericht war entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde aber nicht zu einem Hinweis verpflichtet.
18
aa) Aus der von der Rechtsbeschwerde herangezogenen Rechtsprechung lässt sich eine Hinweispflicht nicht herleiten. Im Interesse der Funktionsfähigkeit der Justiz sind der Fürsorgepflicht des Gerichts enge Grenzen gesetzt, so dass ein Gericht nur unter besonderen Umständen gehalten sein kann, eine drohende Fristversäumung zu verhindern (BGH, Beschluss vom 25. Juni2009 - III ZB 99/08, juris Rn. 9). Es besteht deshalb keine generelle Verpflichtung des Gerichts, bei Eingang eines Schriftsatzes eine sofortige Prüfung der Formalien vorzunehmen und etwa mittels Telefonat oder Telefax die Prozesspartei auf bestehende Mängel hinzuweisen und ihr Gelegenheit zur Abhilfe zu geben. Dies enthöbe die Verfahrensbeteiligten und ihre Prozessbevollmächtigten ihrer eigenen Verantwortung für die Einhaltung der Formalien und überspannte die Anforderungen an die richterliche Fürsorgepflicht und die Grund-sätze eines fairen Verfahrens (BGH, Beschluss vom 25. Juni 2009 - III ZB 99/08, juris Rn. 9; Beschluss vom 20. Juni 2012 - IV ZB 18/11, NJW-RR 2012, 1269 Rn. 14). Im Hinblick auf den übrigen Geschäftsanfall ist es nicht zu beanstanden, wenn der Richter erst bei Bearbeitung des Falles und damit nach Ablauf der Fristen die Zulässigkeit der Berufung und dabei auch die Einhaltung der Form überprüft. Allerdings gebietet es die gerichtliche Fürsorgepflicht, die Partei auf einen leicht erkennbaren Formmangel hinzuweisen und ihr gegebenenfalls Gelegenheit zu geben, den Fehler fristgerecht zu beheben (BGH, Beschluss vom 11. Februar 1998 - VIII ZB 50/97, NJW 1998, 2291, 2292; Beschluss vom 20. Juni 2012 - IV ZB 18/11, NJW-RR 2012, 1269 Rn. 14).
19
bb) Ein solcher leicht erkennbarer Formmangel lag hier indes nicht vor. Vielmehr war gar kein Formmangel gegeben. Das Berufungsgericht musste auch nicht annehmen, dass aufgrund des falschen Datums im Empfangsbekenntnis die Fristen im Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin falsch berechnet und eingetragen sein könnten. Nach den Umständen durfte das Berufungsgericht vielmehr davon ausgehen, dass das offensichtliche Schreibversehen in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits bemerkt worden war und insbesondere auf die Fristberechnung keinen Einfluss gehabt hatte. Denn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte rechtzeitig Berufung eingelegt und die Berufungsschrift mit den Worten eingeleitet: „… legen wir ge- gen das Urteil des Landgerichts Berlin … uns zugestellt am 26. Februar2013, Berufung ein.“ Bergmann Caliebe Drescher Born Sunder
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 22.02.2013 - 35 O 375/11 -
KG, Entscheidung vom 24.06.2013 - 23 U 101/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 58/09
vom
2. Februar 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Rechtsanwalt darf das Empfangsbekenntnis nur unterzeichnen und zurückgeben
, wenn sichergestellt ist, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten
und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist.
BGH, Beschluss vom 2. Februar 2010 - VI ZB 58/09 - OLG Hamm
LG Bochum
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Februar 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Zoll, die Richterin Diederichsen, den
Richter Pauge und die Richterin von Pentz

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 24. Juli 2009 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: 221.312,00 €

Gründe:

I.

1
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen eines behaupteten ärztlichen Behandlungsfehlers auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 18. Februar 2009 teilweise stattgegeben. Dieses Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 13. März 2009 zugestellt worden. Eine vollstreckbare Urteilsausfertigung ist ihm am 24. März 2009 zugestellt worden. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. April 2009, der am selben Tag beim Oberlandesgericht eingegangen ist, hat die Klägerin Berufung eingelegt. Mit Beschluss vom 19. Juni 2009, der dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 26. Juni 2009 zugestellt worden ist, hat das Oberlandesgericht darauf hingewiesen, dass die Berufungsfrist bereits am 14. April 2009 abgelaufen und die Berufung deshalb verspätet eingelegt worden sei. Daraufhin hat die Klägerin mit einem am 3. Juli 2009 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung u.a. ausgeführt, im Büro ihres Prozessbevollmächtigten gebe es die Anweisung, dass dann, wenn ein Urteil mit dem unterzeichneten Empfangsbekenntnis in das Sekretariat zurückgelange, die (Berufungs -)Fristen zu berechnen und im Fristenkalender sowie auf dem Urteil zu notieren seien. Hier liege der Fehler darin, dass nach der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses zwar dieses, nicht aber das Urteil selbst zur Akte gelangt sei, was sich trotz höchster Sorgfalt nicht habe vermeiden lassen.
2
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin müsse sich die von ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldete Fristversäumung zurechnen lassen. Dieser habe den gebotenen Sorgfaltsanforderungen nicht genügt, weil er das Empfangsbekenntnis unterzeichnet habe, ohne selbst das Datum der Zustellung auf dem Urteil zu vermerken, eine Wiedervorlagefrist zu bestimmen und die Fristnotierung sicherzustellen. Zudem habe er es pflichtwidrig versäumt , anlässlich der Zustellung der vollstreckbaren Urteilsausfertigung zu prüfen , ob die (Berufungs-)Fristen richtig erfasst und festgehalten waren.
3
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.

II.

4
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die hier maßgeblichen Rechtsfragen durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs geklärt sind und das Berufungsgericht hiernach im Ergebnis zutreffend entschieden hat.
5
2. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin mit Recht zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Die Klägerin hat die Berufungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Das Versäumnis beruht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das sie sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
6
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung nur unterzeichnen und zurückgeben, wenn sichergestellt ist, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist (Senatsbeschlüsse vom 26. März 1996 - VI ZB 1/96 und VI ZB 2/96 - VersR 1996, 1390 und vom 12. Januar 2010 - VI ZB 64/09 - z.V.b.; BGH, Beschluss vom 30. November 1994 - XII ZB 197/94 - BGHR ZPO § 233 - Empfangsbekenntnis 1 m.w.N.). Bescheinigt der Rechtsanwalt den Empfang eines ohne Handakten vorgelegten Urteils, so erhöht sich damit die Gefahr, dass die Fristnotierung unterbleibt und dies erst nach Fristablauf bemerkt wird. Um dieses Risiko auszuschließen, muss der Anwalt, falls er nicht selbst unverzüglich die notwendigen Eintragungen in der Handakte und im Fristenkalender vornimmt, durch eine besondere Einzelanweisung die erforderlichen Eintragungen veranlassen. Auf allgemeine Anordnungen darf er sich in einem solchen Fall nicht verlassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. März 1992 - XII ZR 268/91 - VersR 1992, 1536; vom 16. September 1993 - VII ZB 20/93 - VersR 1994, 371 und vom 30. November 1994 - XII ZB 197/94 - aaO). Weist er seine Bürokraft im Einzelfall mündlich an, die Rechtsmittelfrist einzutragen, müssen ausreichende organisatorische Vorkehrungen dafür getroffen sein, dass diese Anweisung nicht in Vergessenheit gerät (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. September 2002 - VI ZR 419/01 - VersR 2003, 792, 793 und vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03 - VersR 2005, 94, 95; BGH, Beschlüsse vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01 - BGHR ZPO § 233 [Empfangsbekenntnis 6] und vom 27. September 2007 - IX ZA 14/07 - AnwBl 2008, 71).
7
Durch welche allgemeinen organisatorischen Maßnahmen in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gewährleistet ist, dass bei Urteilszustellungen nach Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses durch Rechtsanwalt H. die Eintragung der Berufungsfrist erfolgt und nicht in Vergessenheit gerät , zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Sie macht auch nicht geltend, dass Rechtsanwalt H. am 13. März 2009 eine Einzelanweisung zur Fristnotierung erteilt habe und die Ausführung einer solchen Anweisung durch allgemeine organisatorische Maßnahmen sichergestellt gewesen sei. Mithin hat Rechtsanwalt H. die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt, als er am 13. März 2009 das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und zurückgegeben hat, ohne ausreichende Vorkehrungen für die Notierung der Rechtsmittelfrist getroffen zu haben.
8
Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob Rechtsanwalt H. auch im Rahmen der Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des erstinstanzlichen Urteils eine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen ist.
9
3. Da dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattzugeben war, hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin wegen Versäumung der Berufungsfrist zu Recht als unzulässig verworfen.
10
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Galke Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 18.02.2009 - 6 O 368/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 24.07.2009 - I-26 U 65/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 20/12
vom
9. Juli 2013
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Juli 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Wiechers und die Richter Dr. Ellenberger, Maihold, Pamp
und die Richterin Dr. Menges

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München in Augsburg vom 5. April 2005 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 370.285,10 €.

Gründe:


I.

1
Der Beklagte wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Oberlandesgerichts, mit dem sein Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Berufung gegen ein Wechselvorbehaltsurteil des Landgerichts zurückgewiesen und die Berufung kostenpflichtig verworfen worden ist.
2
Das Landgericht hat den Beklagten durch Wechsel-Vorbehaltsurteil vom 19. Mai 2004, das dessen Prozessbevollmächtigten am 21. Juni 2004 zugestellt worden ist, zur Zahlung von 370.285,10 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Am 28. Juli 2004 hat der Beklagte durch seine Prozessbevollmäch- tigten dagegen Berufung eingelegt, am 24. August 2004 Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis zum 27. September 2004 beantragt und nach antragsgemäßer Fristverlängerung an diesem Tag die Berufung begründet. Nachdem der Vorsitzende des Berufungssenats am 28. Dezember 2004 darauf hingewiesen hatte, dass die Frist des § 517 ZPO nicht gewahrt sein dürfte, hat der Beklagte durch seine Prozessbevollmächtigten, denen dieser Hinweis am 30. Dezember 2004 zugestellt worden ist, mit Schriftsatz vom 12. Januar 2005, eingegangen bei dem Berufungsgericht am 13. Januar 2005, Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist beantragt.
3
Zur Begründung dieses Antrags hat er vorgetragen, die verspätete Einlegung der Berufung beruhe auf dem Fehler einer juristischen Hilfskraft, der Rechtsreferendarin L. , die in der Rechtsanwaltssozietät seiner Prozessbevollmächtigten , der damals die Rechtsanwältinnen Li. und J. (nunmehr F. ) angehört hätten, seit 1. Januar 2003 jeweils an zwei Wochentagen gearbeitet habe und mit Notierung und Überwachung der Fristen betraut gewesen sei. Dabei sei nach Posteingang regelmäßig sowohl auf dem Empfangsbekenntnis als auch auf der Urteilsurkunde der gleiche Eingangsstempel angebracht worden. Daraufhin erfolge die Vorlage an die sachbearbeitende Rechtsanwältin, die nach Prüfung das Empfangsbekenntnis mit Datum versehe und unterzeichne. Sodann würden die Schriftstücke an die juristische Hilfskraft mit einer Verfügung der Rechtsanwältin zurückgegeben, unter anderem das Zustelldatum auf der Urteilsausfertigung zu vermerken und dieses sowie das Fristende im Fristenbuch einzutragen.
4
Vom 8. Juni 2004 bis 23. Juni 2004 habe sich Frau L. , die sich als zuverlässig erwiesen habe, in den schriftlichen Prüfungen des Zweiten Juristischen Staatsexamens befunden. Die sachbearbeitende Rechtsanwältin Li. sei während eines vom 14. Juni bis 30. Juni 2004 durchgeführten Urlaubs von Rechtsanwältin F. vertreten worden. Da diese nach einem unvorhergesehenen Krankenhausaufenthalt vom 16. bis 18. Juni 2004 noch geschwächt gewesen sei, habe sie am Vorabend des 21. Juni 2004 Rechtsreferendarin L. gebeten, sie am 21. Juni 2004 trotz der laufenden Prüfungen nachmittags in der Kanzlei zu unterstützen. Da Frau L. erst am Nachmittag in der Kanzlei habe anwesend sein können, habe Rechtsanwältin F. persönlich am 21. Juni 2004 die Post vom Wochenende und damit auch das Vorbehalts-Wechselurteil in Empfang genommen. Sie habe das Empfangsbekenntnis nach Prüfung mit Datum und ihrer Unterschrift versehen und mit Telefax an das Landgericht gesandt. Nach Eintreffen von Rechtsreferendarin L. in der Kanzlei am Nachmittag habe sie dieser die ausdrückliche und gesonderte Einzelanweisung erteilt, die Urteilsausfertigung mit dem Eingangsstempel desselben Tages zu versehen, das Zustellungsdatum sowie das Fristende in das Fristenbuch einzutragen, Wiedervorlage eine Woche vor Fristende zu vermerken und danach die Schriftstücke in die Akte einzuordnen. Aufgrund überhöhten Arbeitsanfalls in der Kanzlei und der Doppelbelastung durch das zweite Staatsexamen habe Frau L. versehentlich weder die Urteilsausfertigung mit dem Tagesstempel versehen noch an diesem Tag den Fristeintrag vorgenommen. Dies sei erst am 29. Juni 2004, dem nächsten Arbeitstag von Frau L. in der Kanzlei, mit dem unzutreffenden Datum dieses Tages geschehen.
5
Mit dem angefochtenen Beschluss ist vom Berufungsgericht der Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten kostenpflichtig verworfen worden. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die damalige Prozessbevollmächtigte des Beklagten , Rechtsanwältin F. , treffe ein Verschulden an der Fristversäumung, da sie das Empfangsbekenntnis über die Urteilszustellung unterzeichnet und zurückgegeben habe, obwohl die Eintragung des für den Lauf der Rechtsmittelfrist maßgeblichen Zustellungszeitpunktes und des Fristendes in den Fristenkalender und in die Handakten nicht gewährleistet gewesen sei. Nach der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsreferendarin sei weiter zweifelhaft, ob Rechtsanwältin F. bei Übergabe der Urteilsausfertigung überhaupt eine detaillierte Anweisung erteilt habe. Eine allgemeine Anweisung an die Rechtsreferendarin L. , mit dem Urteil entsprechend zu verfahren, sei ebenso wenig ausreichend gewesen wie die konkrete Anordnung, dieses mit dem Tagesstempel zu versehen und die Berufungsfrist in den Fristenkalender einzutragen. Eine konkrete Anweisung, auf der Urteilsausfertigung und im Fristenkalender den 21. Juni 2004 als Zustellungsdatum zu vermerken, sei durch die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nicht glaubhaft gemacht. Zudem bleibe offen, wo das Originalempfangsbekenntnis verblieben sei.
6
Ungeachtet dessen treffe Rechtsanwältin F. weiter ein Organisationsverschulden , weil sie keine Vorkehrungen zur Überwachung der in mündlicher Form erteilten Anweisung getroffen habe. Zwar brauche ein Rechtsanwalt grundsätzlich nicht die Erledigung jeder konkreten Einzelanweisung zu überwachen. Betreffe diese aber die Notierung einer Rechtsmittelfrist und sei sie nur mündlich erteilt, müssten ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die Anweisung vergessen werde und die Fristeintragung unterbleibe. Das Fehlen jeder Sicherung bedeute einen entscheidenden Organisationsmangel.
7
Im Übrigen habe sich Rechtsanwältin F. nach den konkreten Umständen auch nicht darauf verlassen können, dass die Ausführung der von ihr erteilten Anweisung an diesem Tag gewährleistet gewesen sei. Die Rechtsreferendarin L. habe bei ihrem Erscheinen in der Kanzlei bereits die Anstrengungen einer fünfstündigen Examensklausur hinter sich gehabt. Hinzu komme, dass an diesem Tag nach dem Vortrag des Beklagten ein überhöhter Arbeitsanfall in der Kanzlei vorgelegen habe. Zudem sei die Rechtsreferendarin nach den Angaben in ihrer eidesstattlichen Versicherung gesundheitlich stark angeschlagen gewesen und habe wegen eines heftigen Infektes am Vortag sogar den Notdienst bemühen müssen. Bei Vorliegen solcher besonderer Umstände erhöhe sich die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts. Deswegen hätte sich Rechtsanwältin F. vergewissern müssen, dass ihre Anweisung ausgeführt worden ist.
8
Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Beklagte die Aufhebung dieses Beschlusses, die Gewährung von Wiedereinsetzung und die Zurückverweisung des Verfahrens an das Oberlandesgericht.

II.

9
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02, BGHZ 151, 42, 43, vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 223 und vom 7. Mai 2003 - XII ZB 191/02, BGHZ 155, 21, 22), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch zur Fortbildung des Rechts noch wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 574 Abs. 2 ZPO) erforderlich. Der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts beruht auf einer rechtsfehlerfreien Begründung und verletzt weder den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) noch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfG, NJW 2003, 281).
10
1. Das Berufungsgericht hat die Berufungsfrist rechtsfehlerfrei und von der Rechtsbeschwerde unangegriffen als versäumt angesehen, weil der Beklagte erst am 28. Juli 2004 und damit nicht innerhalb der bis zum 21. Juli 2004 laufenden Frist Berufung eingelegt hat (§ 517 ZPO).
11
2. Das Berufungsgericht hat entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist rechtsfehlerfrei abgelehnt und seine Berufung verworfen, weil der Beklagte nicht ohne das Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) gehindert war, diese Frist einzuhalten (§ 233 ZPO).
12
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung im Grundsatz erst dann unterzeichnen und an das Gericht zurücksenden, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. September 2002 - VI ZR 419/01, NJW 2002, 3782 und vom 2. Februar 2010 - VI ZB 58/09, NJW 2010, 1080 Rn. 6).
13
Unterlässt der Anwalt dies, so ist er verpflichtet, auf andere Weise dafür zu sorgen, dass die Wiedervorlage der Handakten und die Eintragung im Fristenkalender erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1993 - XII ZR 44/92, NJWRR 1993, 1213, 1214). Dafür reicht eine mündlich erteilte Anweisung nur aus, wenn sie kontrolliert wird. Zwar ist ein Rechtsanwalt grundsätzlich nicht verpflichtet , die Erledigung jeder konkreten Einzelanweisung zu überwachen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91, NJW 1992, 574). Im Allgemeinen kann er vielmehr darauf vertrauen, dass eine sonst zuverlässige Büroangestellte auch mündliche Weisungen korrekt befolgt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 1987 - VI ZR 43/87, NJW 1988, 1853 sowie Beschlüsse vom 7. März 2012 - XII ZB 277/11, NJW-RR 2012, 743 Rn. 11 und vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688, 689). Bei Eintragung einer Berufungs- oder Berufungsbegründungsfrist müssen jedoch - anders als die Rechtsbeschwerde meint - in der Anwaltskanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die mündliche Einzelanweisung in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. September 2002 - VI ZR 419/01, NJW 2002, 3782, 3783, vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01, NJW 2003, 435, 436, vom 9. Oktober 2007 - XI ZB 14/07, juris Rn. 6, vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688, 689 und vom 7. März 2012 - XII ZB 277/11, NJW-RR 2012, 743 Rn. 11). Wenn ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einer Berufungsfrist nur mündlich vermittelt wird, dann begründet das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91, NJW 1992, 574, vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688, 689 und vom 9. Oktober 2007 - XI ZB 14/07, juris Rn. 6).
14
b) Der Beklagte hat weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass die Fristenkontrolle im konkreten Fall diesen Anforderungen entsprach.
15
aa) Vielmehr steht nach der eidesstattlichen Versicherung von Rechtsanwältin F. fest, dass diese das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und per Telefax an das Gericht gesandt hat, obwohl weder auf der Urteilsausfertigung noch sonst in den Handakten und auch nicht im Fristenbuch der Zustellungszeitpunkt des landgerichtlichen Urteils vermerkt war. Die Rechtsanwältin hat die notwendigen Eintragungen in die Handakte und im Fristenkalender auch nicht unverzüglich selbst vorgenommen.
16
bb) Rechtsanwältin F. durfte sich auch nicht - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - statt dessen auf eine mündliche Anweisung an die Rechtsreferendarin L. beschränken, die Urteilsausfertigung mit dem Tagesstempel zu versehen und die Berufungsfrist in dem Fristenkalender einzutragen. Vielmehr musste sie - wie ausgeführt - zusätzlich organisatorische Vorkehrungen treffen, damit die besonders wichtige Anweisung zur Notierung einer Rechtsmittelfrist nicht übersehen wird. Zu solchen Vorkehrungen hat der Beklagte weder etwas vorgetragen noch ergeben sie sich aus den zur Glaubhaftmachung vorgelegten Erklärungen. Auch die Rechtsbeschwerde trägt nicht vor, durch welche Anweisungen oder allgemeine organisatorische Maßnah- men sichergestellt worden wäre, dass die mündliche Anweisung der Rechtsanwältin zur Notierung der Frist nicht in Vergessenheit gerät.
17
3. Auf die Frage, ob die Weisung von Rechtsanwältin F. darüber hinaus deswegen fehlerhaft gewesen ist, weil sie nach den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen lediglich das Anbringen eines Tagesstempels und nicht den Vermerk des Zustellungsdatums auf der Urteilsausfertigung und dessen Eintragung im Fristenbuch verlangt hat (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 17. September 2002 - VI ZR 419/01, NJW 2002, 3782, 3783), kommt es danach nicht mehr an. Dasselbe gilt für die von der Rechtsbeschwerde angegriffene Auffassung des Berufungsgerichts, Rechtsanwältin F. habe am 21. Juli 2004 nicht darauf vertrauen dürfen, Rechtsreferendarin L. werde wie bisher zuverlässig arbeiten, da diese durch die Teilnahme an der schriftlichen Prüfung im juristischen Staatsexamen und eine Erkrankung ersichtlich überlastet gewesen sei (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11, NJW 2012, 1591 Rn. 33).
18
4. Da dem Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung infolge der schuldhaften Fristversäumnis seiner Prozessbevollmächtigten, die dem Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist, nicht stattzugeben war, hat das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu Recht als unzulässig verworfen.
Wiechers Ellenberger Maihold Pamp Menges

Vorinstanzen:
LG Memmingen, Entscheidung vom 19.05.2004 - 1 HO 2515/02 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 05.04.2005 - 14 U 532/04 -

(1) Das Urteil ist vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

(2) Das Urteil soll vor Ablauf eines Monats, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle übermittelt werden. Im Falle des § 170a verlängert sich die Frist um die zur Anhörung der ehrenamtlichen Richter benötigte Zeit.

(3) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Verkündung oder Zustellung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
den Ort und Tag der mündlichen Verhandlung,
4.
die Urteilsformel,
5.
die gedrängte Darstellung des Tatbestands,
6.
die Entscheidungsgründe,
7.
die Rechtsmittelbelehrung.

(2) Die Darstellung des Tatbestands kann durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zu Protokoll erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. In jedem Fall sind jedoch die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben.

(3) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(4) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nicht, wenn Kläger, Beklagter und sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten.

(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und über einstweilige Anordnungen (§ 86b) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Ausfertigungen der Beschlüsse sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.