Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Okt. 2014 - XII ZB 185/13

bei uns veröffentlicht am01.10.2014
vorgehend
Amtsgericht Geldern, 30 F 239/11, 25.07.2012
Oberlandesgericht Düsseldorf, 3 UF 211/12, 15.03.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
XII ZB185/13 Verkündet am:
1. Oktober 2014
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Soweit das Einkommen eines Ehegatten, der ein Kind betreut, als aus überobligatorischer
Erwerbstätigkeit stammend unberücksichtigt zu bleiben hat,
kommt ein Unterhaltsanspruch aus § 1570 BGB in Betracht.

b) Besteht ein Teilunterhaltsanspruch auf Betreuungsunterhalt und ein weiterer
Teilanspruch aufgrund eines anderen Unterhaltstatbestands, unterfällt der
Gesamtanspruch dem Rang des § 1609 Nr. 2 BGB.
BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2014 - XII ZB 185/13 - OLG Düsseldorf
AG Geldern
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. Oktober 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin
Weber-Monecke und die Richter Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 3. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. März 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als der Antrag auf Zahlung nachehelichen Unterhalts für die Zeit vom 25. Juli 2013 bis zum 30. Juni 2015 abgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

A.

1
Die Antragsgegnerin nimmt den Antragsteller im Scheidungsverbund noch auf Zahlung nachehelichen Unterhalts in Anspruch.
2
Die Ehegatten heirateten am 2. August 2002; der Scheidungsantrag wurde am 9. Juni 2011 zugestellt. Aus der Ehe sind die Töchter E., geboren am 18. Oktober 2003, und M., geboren am 3. August 2005, hervorgegangen, die seit dem Auszug der Antragsgegnerin aus dem als Ehewohnung dienenden Haus bei dieser leben.
3
Der Antragsteller ist angestellter Architekt. Er ist seit dem 25. Juli 2012 Vater einer weiteren Tochter G. Die Mutter dieses Kindes war vor dessen Geburt berufstätig und bezog bis zum 24. Juli 2013 Elterngeld.
4
Die Antragsgegnerin hat den Beruf der Einzelhandelskauffrau erlernt. Nach einer während des Trennungsjahres ausgeübten geringfügigen Beschäftigung arbeitet sie seit Juni 2011 vollschichtig im Außendienst. Die Kinder der Beteiligten besuchen nach der Schule eine offene Ganztagseinrichtung und werden anschließend von der Großmutter mütterlicherseits betreut. Diese erhält hierfür ein Entgelt.
5
Die Antragsgegnerin hat im Scheidungsverbundverfahren die Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe von monatlich 1.221,22 € (255,09 € Altersvorsorgeunterhalt und 966,13 € Elementarunterhalt) begehrt. Das Amtsgericht hat die Ehe geschieden (insoweit rechtskräftig seit dem 6. November 2012), den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Antragsteller zur Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe von monatlich 861 € nebst Zinsen (169 € Altersvorsorgeunterhalt und 692 € Elementarunterhalt) bis zum 30. Juni 2015 verpflichtet. Auf die Beschwerden beider Ehegatten hat das Oberlandesgericht den Verbundbeschluss hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts teilweise abgeändert und den Antragsteller zeitlich gestaffelt zur Zahlung von Unterhalt in unterschiedlicher Höhe verpflichtet, dabei für die noch streitgegenständliche Zeit vom 25. Juli 2013 bis zum 30. Juni 2015 in Höhe von monatlich 228,03 € (24,46 € Altersvorsorgeunterhalt und 203,57 € Elementarunterhalt). Mit der zu- gelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr erstinstanzliches Begehren im Umfang der Zulassung weiter.

B.

6
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

I.

7
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung, ausgeführt:
8
Die Antragsgegnerin habe gegen den Antragsteller einen Anspruch auf Zahlung von Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB. Der Anspruch richte sich dagegen nicht nach § 1570 BGB, weil die Antragsgegnerin weder aus kind- noch aus elternbezogenen Gründen an einer Erwerbstätigkeit gehindert sei. Dies ergebe sich bereits daraus, dass sie tatsächlich vollschichtig erwerbstätig sei, weshalb sie nicht wegen der Notwendigkeit der Pflege oder Erziehung eines Kindes an einer Erwerbstätigkeit gehindert sei. Allein der Umstand , dass die Antragsgegnerin auf verschiedene Betreuungsmöglichkeiten zurückgreifen müsse, um eine vollschichtige Erwerbstätigkeit zu bewerkstelligen , führe nicht zu einem Anspruch auf Betreuungsunterhalt. Etwas anderes ergebe sich auch dann nicht, wenn auf Seiten des betreuenden Berechtigten sämtliche Kinderbetreuungskosten einkommensmindernd anerkannt würden, weil dies nicht nur beim Betreuungsunterhalt, sondern auch beim Aufsto- ckungsunterhalt gelte. Am Charakter des Unterhaltsanspruchs ändere dies nicht einmal dann etwas, wenn die volle Erwerbstätigkeit des Elternteils überobligatorisch wäre. Eine überobligatorische Tätigkeit würde mit einem Betreuungsbonus honoriert, der anrechnungsfrei bliebe und sich daher ebenso wie konkrete Betreuungskosten lediglich auf die Berechnung des Unterhalts auswirke.
9
Ab dem 25. Juli 2013 reduziere sich der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin , weil von da an neben dem Kindesunterhalt ein Unterhaltsanspruch der Mutter des Kindes G. vorrangig einkommensmindernd in Abzug zu bringen sei. Der Antragsteller habe ausreichend konkret vorgetragen, dass er künftig an die Kindesmutter Unterhalt nach § 1615 l BGB zu zahlen habe. Er habe den Elterngeldbescheid sowie die Gehaltsnachweise der Mutter für die Zeit vor der Geburt vorgelegt, sodass der Unterhalt berechnet werden könne. Es sei hinreichend sicher absehbar, dass die Mutter das Kind G. auch nach Ablauf des Elterngeldbezugs betreuen werde, weil der betreuende Elternteil während der ersten drei Jahre nicht auf eine Fremdbetreuung verwiesen werden dürfe. Für den Fall, dass die Mutter wider Erwarten ab dem 25. Juli 2013 einer Erwerbstätigkeit unter Inanspruchnahme einer Fremdbetreuung nachgehen sollte, wäre die Antragsgegnerin auf die Möglichkeit eines Abänderungsverfahrens zu verweisen.
10
Von dem bereinigten Nettoeinkommen des Antragstellers von 4.421,97 € verbleibe nach Abzug des Kindesunterhalts für die drei Kinder, des Erwerbstätigenbonus und des Unterhalts der nichtehelichen Mutter ein Betrag von 1.449,05 €. Unter Berücksichtigung des auch um die Kinderbetreuungskosten und den Erwerbstätigenbonus bereinigten Nettoeinkommens der Antragsgegnerin von 1.220,01 € errechne sich lediglich ein Altersvorsorge- und Elementarun- terhalt von insgesamt 228,03 € monatlich. Die vom Amtsgericht vorgenommene Befristung des Unterhalts bis zum 30. Juni 2015 sei nicht zu beanstanden.

II.

11
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Umfang des Angriffs durch die Rechtsbeschwerde nicht stand.
12
1. Die Antragsgegnerin hat im Rechtsbeschwerdeverfahren beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit sie beschwert ist und das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Die Rechtsbeschwerde ist zugelassen worden hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs ab dem 25. Juli 2013 zu der Frage des Vorrangs des Anspruchs der Mutter des Kindes G. gemäß § 1615 l BGB gegenüber dem Anspruch der Antragsgegnerin aufgrund der Qualifizierung als Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB. Damit hat das Beschwerdegericht die Zulassung des Unterhaltsanspruchs auf die Zeit vom 25. Juli 2013 bis zum 30. Juni 2015 beschränkt.
13
Die Ausführungen über die Zulassung der Rechtsbeschwerde verhalten sich zwar nicht zu einem Zeitpunkt, bis zu dem eine Überprüfung ermöglicht werden soll. Eine wirksame Eingrenzung des Rechtsmittels kann sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber auch aus den Entscheidungsgründen ergeben (Senatsurteil BGHZ 153, 358 = FamRZ 2003, 590 f. und Senatsbeschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07 - FamRZ 2008, 1339 Rn. 15 mwN). Das bedeutet allerdings nicht, dass stets allein aus der Begründung der Zulassung eine Beschränkung auf den Bereich der mitgeteilten Gründe entnommen werden kann. Eine Zulassungsbeschränkung kann in solchen Fällen vielmehr nur angenommen werden, wenn aus den Gründen mit ausreichender Klarheit hervorgeht, dass das Beschwerdegericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren nur wegen eines abtrennbaren Teils seiner Entscheidung eröffnen wollte (Senatsurteil vom 12. Juli 2000 - XII ZR 159/98 - NJW-RR 2001, 485, 486 und Senatsbeschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07 - FamRZ 2008, 1339 Rn. 16). Das ist hier indessen der Fall.
14
Die Frage des Vorrangs des Unterhaltsanspruchs der nichtehelichen Mutter stellt sich nur insoweit, als ein Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin überhaupt besteht. Das trifft nach der Auffassung des Beschwerdegerichts nur bis zum 30. Juni 2015 zu, weil der Anspruch danach bis zu diesem Zeitpunkt zu befristen ist. Ist in einem Unterhaltsrechtsstreit aber die Rechtsfrage, deretwegen das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, nur für einen klar begrenzten Zeitraum, für den Unterhalt begehrt wird, erheblich, so liegt regelmäßig die Annahme nahe, das Beschwerdegericht habe die Rechtsbeschwerde nur hinsichtlich des von der Zulassungsfrage betroffenen Teils des Unterhaltszeitraums zulassen wollen (Senatsurteil vom 12. November 2003 - XII ZR 109/01 - FamRZ 2004, 612, 613). Entsprechend hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde im vorliegenden Fall nur insoweit zugelassen, als die Antragsgegnerin Unterhalt für die Zeit vom 25. Juli 2013 bis zum 30. Juni 2015 begehrt. Diesem Verständnis entspricht auch, dass die Rechtsbeschwerdebegründung keine Ausführungen zu der Befristung des Unterhaltsanspruchs enthält.
15
2. Zu Recht ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass der Unterhaltsanspruch der Mutter des Kindes G. im Rahmen der Beurteilung der Leistungsfähigkeit vor der Berechnung des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin von dem Einkommen des Antragstellers in Abzug zu bringen wäre, wenn die Mutter dieses Kindes im Rang vorgehen würde (vgl. Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn. 48). Einen solchen Vorrang hat das Beschwerdegericht jedoch nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
16
a) Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, so stehen im zweiten Rang - nach minderjährigen unverheirateten Kindern und Kindern im Sinne von § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB, denen der erste Rang gebührt - unter anderem Elternteile , die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Falle einer Scheidung wären (§ 1609 Nr. 1 und 2 BGB). Maßgebend für die Frage des unterhaltsrechtlichen Rangs der Antragsgegnerin ist danach, ob ihr Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB zusteht.
17
b) Das Beschwerdegericht hat dies verneint, weil die Antragsgegnerin tatsächlich vollschichtig erwerbstätig sei. Selbst wenn sie in diesem Umfang überobligationsmäßig arbeite, ändere sich die Beurteilung nicht. Diese Auffassung teilt der Senat nicht.
18
aa) Allein aus dem Umfang einer tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit kann nicht geschlossen werden, dass ein Erwerbshindernis in Form der Kinderbetreuung nicht besteht. Wenn der betreuende Ehegatte etwa vollschichtig erwerbstätig ist, obwohl kind- oder elternbezogene Gründe (§ 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 BGB) vorliegen, die einen fortdauernden Unterhaltsanspruch rechtfertigen würden, ist die Tätigkeit als überobligationsmäßig zu bewerten. Ob und in welchem Umfang das Einkommen des unterhaltsberechtigten Ehegatten dann unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen ist, hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Dabei kann die freiwillige Ausübung einer Berufstätigkeit ein maßgebendes Indiz für eine Vereinbarkeit von Kindererziehung und Arbeitsmöglichkeit im konkreten Einzelfall sein. Ein überobligatorisch erzieltes Einkommen ist bei der Unterhaltsbemessung deshalb nicht von vornherein un- berücksichtigt zu lassen. Über die Anrechnung ist vielmehr nach Treu und Glauben unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (Senatsurteile BGHZ 162, 384 = FamRZ 2005, 1154, 1156 und vom 21. April 2010 - XII ZR 134/08 - FamRZ 2010, 1050 Rn. 37). Soweit das Einkommen danach außer Betracht zu bleiben hat, ergibt sich ein Unterhaltsanspruch des Ehegatten weiterhin aus § 1570 BGB, denn er ist insoweit wegen der Kinderbetreuung unterhaltsbedürftig.
19
bb) Das Beschwerdegericht hat sich im Hinblick auf seine hiervon abweichende Auffassung nicht die Frage vorgelegt, ob die vollschichtige Erwerbstätigkeit der Antragsgegnerin als überobligationsmäßig zu bewerten ist. Die Rechtsbeschwerde macht insofern unter Hinweis auf das Vorbringen der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren geltend, es lägen kindbezogene Gründe für eine Verlängerung des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt vor. Beide Kinder litten an der Nierenerkrankung Nephrokalzinose, die eine fortwährende medizinische Überwachung und intensive Betreuung der Kinder erfordere. Ihnen müssten regelmäßig Medikamente verabreicht und eine dem Krankheitsbild angemessene Verpflegung zur Verfügung gestellt werden. Außerdem müssten sie regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen in eine Universitätsklinik gebracht werden. Die Kinder nähmen auch an außerschulischen Freizeitaktivitäten teil. Beide besuchten das Schwimmtraining, E. nehme Geigen- und M. Tennisunterricht, weshalb Fahrdienste der Mutter notwendig seien. In dem zeitlichen Rahmen, der ihr durch die Betreuung der Kinder in der Ganztagseinrichtung eröffnet werde, könne diese ihre mit erheblichen Fahrleistungen verbundene Tätigkeit als Vertreterin auch nicht ausüben.
20
cc) Danach kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsgegnerin weiterhin Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB zusteht. Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Verlängerung des Betreuungsun- terhalts über das vollendete dritte Lebensjahr eines Kindes hinaus aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB kann sich der betreuende Elternteil zwar nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes berufen, wenn und soweit das Kind eine kindgerechte Betreuungseinrichtung besucht oder unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte. An die Darlegung kindbezogener Gründe sind allerdings keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Dabei sind auch besondere Bedürfnisse des Kindes, die etwa sportliche, musische oder andere Beschäftigungen betreffen, zu beachten. Sofern diese von dem Kind nicht selbständig wahrgenommen werden können, sind vom Unterhaltsberechtigten etwa zu erbringende Fahr- und Betreuungsleistungen in Rechnung zu stellen. Bei der Frage, ob die Aktivitäten unverändert fortgesetzt werden können, ist auch darauf abzustellen, in welcher Form diese vom Kind und den Eltern schon zur Zeit des Zusammenlebens der Familie durchgeführt wurden. Dies wird allerdings dadurch begrenzt, dass die von dem Elternteil zu erbringenden Betreuungsleistungen und sonstigen Tätigkeiten nicht außer Verhältnis zu der dadurch gehinderten Erwerbstätigkeit stehen dürfen (Senatsurteil BGHZ 193, 78 = FamRZ 2012, 1040 Rn. 21).
21
Steht der Umfang einer möglichen anderweitigen Kinderbetreuung fest, ist zu berücksichtigen, wie eine ausgeübte oder mögliche Erwerbstätigkeit mit den Zeiten der Kinderbetreuung (einschließlich der Fahrzeiten) vereinbar ist und in welchem Umfang dem Unterhaltsberechtigten in dem dadurch vorgegebenen zeitlichen Rahmen eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist. Daraus können sich insbesondere bei mehreren Kindern Einschränkungen ergeben. Auch die Eigenart der jeweiligen Erwerbstätigkeit ist zu berücksichtigen, etwa wenn es sich um Schichtarbeit handelt oder diese sich ansonsten mit den Zeiten der Kinderbetreuung nur teilweise überschneidet. Inwiefern in diesen Fällen etwa die Hilfe Dritter in Anspruch genommen werden kann, ist im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen (Senatsurteil BGHZ 193, 78 = FamRZ 2012, 1040 Rn. 22).
22
Soweit die Betreuung des Kindes auf andere Weise sichergestellt oder in einer kindgerechten Einrichtung möglich ist, kann einer Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils schließlich - teilweise - entgegenstehen, dass die von ihm daneben zu leistende Betreuung und Erziehung des Kindes zu einer überobligationsmäßigen Belastung führen kann. Dabei ist unter anderem zu berücksichtigen, dass am Morgen oder am späten Nachmittag und Abend regelmäßig weitere Erziehungs- und Betreuungsleistungen zu erbringen sind, die je nach dem individuellen Betreuungsbedarf des Kindes oder der Kinder in unterschiedlichem Umfang anfallen können (Senatsurteil BGHZ 193, 78 = FamRZ 2012, 1040 Rn. 24 mwN). Erst nach Würdigung dieser Gesichtspunkte lässt sich beurteilen, ob die Antragsgegnerin noch Betreuungsunterhalt beanspruchen kann.
23
c) Der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin beruht zwar möglicherweise nur zum Teil, nämlich soweit ihre vollschichtige Tätigkeit wegen der Kinderbetreuung gegebenenfalls überobligationsmäßig ist, auf § 1570 BGB und im Übrigen als Aufstockungsunterhalt auf § 1573 Abs. 2 BGB (vgl. Senatsurteil BGHZ 193, 78 = FamRZ 2012, 1040 Rn. 15 mwN). Das führt indessen nicht dazu, dass die jeweiligen Teilansprüche verschiedenen Rangstufen zuzuordnen wären, also der Teilanspruch auf Betreuungsunterhalt dem zweiten Rang und ein eventueller Aufstockungsunterhaltsanspruch dem dritten Rang. Für eine solche Differenzierung nach Anspruchsgrundlagen findet sich im Gesetzeswortlaut kein Anhaltspunkt. Die Formulierung in § 1609 Nr. 2 BGB "Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind" stellt allein auf die Person des Unterhaltsberechtigten ab. Daraus kann geschlossen werden, dass ohne Rücksicht darauf, ob der Unterhaltsanspruch des betreuenden Elternteils allein auf der Kinderbetreuung oder zusätzlich auf einem anderen Unterhaltstatbestand beruht, der Gesamtunterhaltsanspruch so lange in den zweiten Rang fällt, wie noch Betreuungsunterhalt verlangt werden kann (so auch OLG Hamm, Beschluss vom 31. August 2012 - 3 UF 265/11 - juris Rn. 23; Menne in Büte/Poppe/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1609 Rn. 13; Menne FamRB 2008, 110, 117 f.; Erman/Hammermann BGB 14. Aufl. § 1609 Rn. 14; Palandt/ Brudermüller BGB 73. Aufl. § 1609 Rn. 14; BeckOK-BGB/Reinken Stand: 1. August 2013 § 1609 Rn. 22; Gutdeutsch FF 2008, 488, 490, 493; vgl. auch Senatsbeschluss vom 7. Mai 2014 - XII ZB 258/13 - FamRZ 2014, 1183 Rn. 22; aA Johannsen/Henrich/Graba Familienrecht 5. Aufl. § 1609 Rn. 3; Maurer FamRZ 2008, 2157, 2165). Eine andere Beurteilung wäre auch im Hinblick auf zu erwartende Verschiebungen zwischen den Teilansprüchen wenig praktikabel.
24
d) Danach kommt es für die Höhe des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin maßgeblich darauf an, ob sie noch einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt hat. Sofern das der Fall ist, steht sie nach § 1609 Nr. 2 BGB mit der Mutter des nichtehelichen Kindes in demselben unterhaltsrechtlichen Rang, was sich auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs auswirkt (Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn. 40 ff.).
25
3. Der angefochtene Beschluss kann deshalb im Umfang des Rechtsbeschwerdeangriffs keinen Bestand haben. Der Senat ist gehindert, abschließend zu entscheiden, da es hierzu der tatrichterlichen Beurteilung bedarf, ob die Antragsgegnerin Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB beanspruchen kann. Die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, das im weiteren Verfahren auch Gelegenheit haben wird, der von der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen Frage nachzugehen, ob die Mutter des Kindes G. im Hinblick auf dessen Betreuung von jeder Erwerbstätigkeit absieht.
Dose Weber-Monecke Schilling Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Geldern, Entscheidung vom 25.07.2012 - 30 F 239/11 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 15.03.2013 - II-3 UF 211/12 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Okt. 2014 - XII ZB 185/13

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(1) Soweit ein geschiedener Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag. (2) Reichen die Ei

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(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.

(1) Soweit ein geschiedener Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag.

(2) Reichen die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt (§ 1578) nicht aus, kann er, soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen.

(3) Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1572, 1575 zu gewähren war, die Voraussetzungen dieser Vorschriften aber entfallen sind.

(4) Der geschiedene Ehegatte kann auch dann Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu sichern. War es ihm gelungen, den Unterhalt teilweise nachhaltig zu sichern, so kann er den Unterschiedsbetrag zwischen dem nachhaltig gesicherten und dem vollen Unterhalt verlangen.

(5) (weggefallen)

Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, gilt folgende Rangfolge:

1.
minderjährige Kinder und Kinder im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2,
2.
Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Fall einer Scheidung wären, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer; bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile im Sinne des § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 zu berücksichtigen,
3.
Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nummer 2 fallen,
4.
Kinder, die nicht unter Nummer 1 fallen,
5.
Enkelkinder und weitere Abkömmlinge,
6.
Eltern,
7.
weitere Verwandte der aufsteigenden Linie; unter ihnen gehen die Näheren den Entfernteren vor.

(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.

Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, gilt folgende Rangfolge:

1.
minderjährige Kinder und Kinder im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2,
2.
Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Fall einer Scheidung wären, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer; bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile im Sinne des § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 zu berücksichtigen,
3.
Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nummer 2 fallen,
4.
Kinder, die nicht unter Nummer 1 fallen,
5.
Enkelkinder und weitere Abkömmlinge,
6.
Eltern,
7.
weitere Verwandte der aufsteigenden Linie; unter ihnen gehen die Näheren den Entfernteren vor.

(1) Soweit ein geschiedener Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag.

(2) Reichen die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt (§ 1578) nicht aus, kann er, soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen.

(3) Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1572, 1575 zu gewähren war, die Voraussetzungen dieser Vorschriften aber entfallen sind.

(4) Der geschiedene Ehegatte kann auch dann Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu sichern. War es ihm gelungen, den Unterhalt teilweise nachhaltig zu sichern, so kann er den Unterschiedsbetrag zwischen dem nachhaltig gesicherten und dem vollen Unterhalt verlangen.

(5) (weggefallen)

(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.

(1) Soweit ein geschiedener Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag.

(2) Reichen die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt (§ 1578) nicht aus, kann er, soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen.

(3) Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1572, 1575 zu gewähren war, die Voraussetzungen dieser Vorschriften aber entfallen sind.

(4) Der geschiedene Ehegatte kann auch dann Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu sichern. War es ihm gelungen, den Unterhalt teilweise nachhaltig zu sichern, so kann er den Unterschiedsbetrag zwischen dem nachhaltig gesicherten und dem vollen Unterhalt verlangen.

(5) (weggefallen)

15
a) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass sich auch bei uneingeschränkter Zulassung des Rechtsmittels im Tenor eine wirksame Beschränkung aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (Senatsurteile BGHZ 153, 358, 360 f. = FamRZ 2003, 590 f. und vom 12. November 2003 - XII ZR 109/01 - FamRZ 2004, 612; BGH Urteile vom 12. November 2004 - V ZR 42/04 - NJW 2005, 894, 895, vom 17. Juni 2004 - VII ZR 226/04 - NJW 2004, 3264, 3265 und vom 9. März 2000 - III ZR 356/98 - NJW 2000, 1794, 1796).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 109/01 Verkündet am:
12. November 2003
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Zu den besonderen Voraussetzungen, unter denen ein Unterhaltsschuldner, der
ein Verbrechen oder ein schweres Vergehen gegen den Unterhaltsgläubiger begeht
, nach § 1579 Nr. 2 BGB auch einen Anspruch auf rückständigen Unterhalt
verwirkt.

b) Zur auf einen bestimmten Unterhaltszeitraum beschränkten Revisionszulassung
(im Anschluß an Senatsurteil vom 29. Januar 2003 - XII ZR 92/01 - FamRZ 2003,
590).
BGH, Urteil vom 12. November 2003 - XII ZR 109/01 - OLG Zweibrücken
AG Ludwigshafen am Rhein
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. November 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken - als Familiensenat - vom 30. März 2001 wird - auf Kosten des Klägers - als unzulässig verworfen , soweit er Trennungsunterhalt für die Zeit ab 1. Januar 1999 begehrt, und im übrigen - für die Zeit vom 1. April 1998 bis 31. Dezember 1998 - als unbegründet zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt in monatlich unterschiedlicher Höhe Trennungsunterhalt für die Zeit vom 1. April 1998 bis zur Rechtskraft der Scheidung am 15. Oktober 1999. Die Parteien hatten am 29. Juli 1988 die Ehe geschlossen. Am 9. März 1998 zog die Beklagte mit den beiden aus der Ehe hervorgegangenen Kindern - A., geboren 1991, und J., geboren 1992 - aus dem von den Parteien gemieteten Einfamilienhaus aus. Seither leben die Parteien getrennt.
Der 1945 geborene Kläger war während der Trennungszeit - wie auch schon zuvor - gesundheitlich beeinträchtigt und erwerbslos; er bezieht seit Ende Dezember 1998 Sozialhilfe. Die Beklagte arbeitete während der Ehe vollschichtig als Diplomübersetzerin in einem Patentanwaltsbüro und erzielte daneben Einkünfte aus selbständiger Übersetzungstätigkeit. Seit Juni 1998 arbeitet sie in ihrer nichtselbständigen Tätigkeit nur noch 30 Wochenstunden; in welchem Umfang sie während der Trennungszeit selbständig tätig war, ist streitig. Am Nachmittag des 23. Dezember 1998 wollte die Beklagte mit ihren Kindern die Räume des Kinderschutzbundes in L. aufsuchen; dem Kläger sollte dort der betreute Umgang mit den Kindern ermöglicht werden. Auf dem Weg dorthin wurde die Beklagte von einem Mann angegriffen und mit einem Metallrohr mehrmals auf Kopf und Arme geschlagen; sie erlitt eine Kopfplatzwunde sowie Schwellungen und Hämatome an Kopf und Oberarm. Der Kläger, der die Täterschaft bestreitet, ist wegen dieser Tat rechtskräftig wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision, mit welcher der Kläger sein Berufungsbegehren weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Revision ist nicht zulässig, soweit der Kläger für die Zeit ab 1. Januar 1999 Trennungsunterhalt begehrt; denn hierzu fehlt es an einer Zulassung des Rechtsmittels durch das Oberlandesgericht. Der Entscheidungssatz des angefochtenen Urteils enthält zwar keinen Zusatz, der die dort zugunsten des Klägers zugelassene Revision einschränkt. Die Eingrenzung des Rechtsmittels kann sich jedoch auch aus den Entscheidungsgründen ergeben (vgl. etwa Senatsurteil vom 29. Januar 2003 - XII ZR 92/01 - FamRZ 2003, 590). Das ist hier der Fall. Das Oberlandesgericht hat in den Gründen seines Urteils ausgeführt, die Revision werde im Hinblick auf die vom Bundesgerichtshof bislang nicht entschiedene Frage zugelassen, ob Ausnahmefälle denkbar seien, in denen eine Verfehlung des unterhaltsberechtigten Ehegatten gegenüber dem unterhaltspflichtigen Ehegatten so schwer wiege, daß die Inanspruchnahme des unterhaltspflichtigen Ehegatten nicht nur wegen künftiger, sondern auch wegen bereits entstandener Unterhaltsansprüche unzumutbar erscheine. Diese Frage erlangt im vorliegenden Rechtsstreit nur insoweit Bedeutung, als der Kläger Trennungsunterhalt für die Monate April bis Dezember 1998 verlangt; denn nur für diesen Zeitraum waren etwaige Ansprüche des Klägers auf Trennungsunterhalt bereits entstanden, als der dem Kläger zur Last gelegte tätliche Angriff auf die Beklagte am 23. Dezember 1998 begangen wurde. Ist aber in einem Unterhaltsrechtsstreit die Rechtsfrage, deretwegen das Oberlandesgericht die Revision zugelassen hat, nur für einen klar begrenzten Teil des Zeitraums, für den insgesamt Unterhalt begehrt wird, erheblich , so liegt, wie der Senat entschieden hat, regelmäßig die Annahme nahe, das Oberlandesgericht habe die Revision nur hinsichtlich des von der Zulas-
sungsfrage betroffenen Teils des Unterhaltszeitraums zulassen wollen (Senats- urteil aaO 591). Auch im vorliegenden Fall ist deshalb davon auszugehen, daß das Oberlandesgericht die Revision nur insoweit zulassen wollte, als der Kläger Unterhalt für die Zeit vom 1. April 1998 bis 31. Dezember 1998 begehrt.

II.

Soweit der Kläger für diesen Zeitraum Unterhalt begehrt, ist das Rechtsmittel nicht begründet. 1. Das Oberlandesgericht hat dahinstehen lassen, ob die Voraussetzungen eines Anspruchs des Klägers auf Trennungsunterhalt im vorliegenden Fall erfüllt sind. Jedenfalls seien etwaige Trennungsunterhaltsansprüche verwirkt. Aufgrund der im Strafverfahren protokollierten Zeugenaussage der Zeugin M. stehe zur Überzeugung des Oberlandesgerichts fest, daß es der Kläger gewesen sei, der die Beklagte tätlich angegriffen und verletzt habe. Die Zeugin habe einen Mann in einem blauen Arbeitsanzug mit einem länglichen Gegenstand in der Hand hinter der um Hilfe schreienden Beklagten und den beiden Kindern herlaufen sehen. Kurze Zeit später habe sie diesen Mann zurückkommen , den in der Hand gehaltenen Gegenstand sowie eine bei der Rückkehr getragene Perücke in den Kofferraum eines dunkelfarbigen Kraftfahrzeugs legen und mit diesem Wagen davonfahren sehen. Unter dem amtlichen Kennzeichen , das die Zeugin sich gemerkt habe, sei ein dunkelfarbiges Kraftfahrzeug auf den Namen des Klägers zugelassen gewesen. Auch die von der Zeugin geschilderten persönlichen Merkmale des von ihr beobachteten Mannes (dunklere Hautfarbe, Brille mit dunklem Rand und fehlende Haare auf dem
Hinterkopf) träfen auf den Kläger, der dem Oberlandesgericht aufgrund persönlicher Anhörung bekannt sei, zu. Da das Oberlandesgericht bereits aufgrund der urkundenbeweislich verwerteten Zeugenaussage von der von der Beklagten behaupteten Täterschaft des Klägers überzeugt sei, habe es der unmittelbaren Vernehmung der Zeugin M. sowie der beiden Kinder, deren Angaben im Ermittlungsverfahren wegen fehlender Belehrung über das Zeugnisverweigerungsrecht urkundenbeweislich nicht hätten verwertet werden können, nicht bedurft. Der schwerwiegende Angriff des Klägers gegen die körperliche Unversehrtheit der Beklagten erfülle den Tatbestand des § 1579 Nr. 2 BGB. Er führe zum Ausschluß etwaiger Trennungsunterhaltsansprüche des Klägers; denn es sei der Beklagten nicht zuzumuten, an den Kläger trotz dessen Verhaltens ihr gegenüber Unterhaltsleistungen zu erbringen. Dies gelte auch für die Zeit vor dem tätlichen Angriff. In der Regel trete eine Verwirkung von Unterhaltsansprüchen wegen schwerer Vergehen oder Verbrechen gegen den Unterhaltsverpflichteten zwar nur für die Zukunft ein und lasse zum Zeitpunkt der Verfehlung bereits entstandene Unterhaltsansprüche unberührt. Es bestehe nämlich grundsätzlich kein Anlaß, den mit Unterhaltszahlungen in Verzug geratenen Unterhaltspflichtigen zu begünstigen, weil ein späteres Ereignis ihn von der Unterhaltspflicht befreie. Allerdings seien Ausnahmefälle denkbar, in denen die Verfehlung des Berechtigten so schwerwiegend sei, daß die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch wegen bereits entstandener Unterhaltsansprüche unzumutbar erscheinen müsse. Ein solcher Ausnahmefall liege hier vor: Der Kläger habe die Tat von langer Hand vorbereitet und in dem Bewußtsein geplant, daß die beiden Kinder das Geschehen miterleben würden. Die Tatausführung sei zudem geeignet gewesen, der Beklagten wesentlich ernsthaftere Verletzungen zuzufügen als sie letztlich aufgrund der Flucht der Beklagten vermieden werden konnten. Schließlich sei zu bedenken, daß die Beklagte einen etwaigen
Unterhaltsanspruch des Klägers für die Zeit vor dem tätlichen Angriff zumindest teilweise dadurch erfüllt habe, daß sie den Mietzins für die vormalige Ehewohnung auch noch nach ihrem Auszug an die Vermieter entrichtet und damit zumindest den Wohnbedarf des Klägers bis zu dessen Auszug aus dieser Wohnung im Mai 1999 gedeckt habe. 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Die Revision rügt, das Oberlandesgericht sei verfahrensfehlerhaft zu der Feststellung gelangt, der Kläger habe den tätlichen Angriff auf die Klägerin verübt. Dieser Rüge bleibt der Erfolg versagt. Ein Verfahrensverstoß liegt nicht schon darin, daß das Oberlandesgericht die Zeugin M. nicht selbst vernommen, sondern sich darauf beschränkt hat, die Aussage der Zeugin aus dem Strafverfahren zu verwerten. Protokolle über die Aussagen von Zeugen in einem anderen Verfahren dürfen im Wege des Urkundenbeweises in den Zivilprozeß eingeführt und dort gewürdigt werden , wenn dies - wie hier seitens der Beklagten geschehen - von der beweispflichtigen Partei beantragt wird. Unzulässig wäre die Verwertung dieser früheren Aussage im Wege des Urkundenbeweises anstelle der Vernehmung der Zeugin im anhängigen Verfahren allerdings dann, wenn eine Partei zum Zwekke des unmittelbaren Beweises die Vernehmung dieser Zeugin beantragt oder die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin deren unmittelbare Vernehmung erfordert hätte (BGH Urteil vom 30. November 1999 - VI ZR 207/98 - BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Strafakten 3; Zöller/Greger ZPO 23. Aufl. § 356 Rdn. 4, § 373 Rdn. 9). Beides war hier indes nicht der Fall. Die Beklagte hatte zum Beweis der Täterschaft des Klägers vorrangig die Beiziehung der Strafakten beantragt und dementsprechend nur hilfsweise die Vernehmung dieser Zeugin angeboten; der Kläger hat die Anhörung dieser Zeugin oder anderer
Zeugen zum Antritt des Gegenbeweises nicht beantragt. Die Glaubwürdigkeit der mit den Parteien nicht bekannten und am Tatgeschehen unbeteiligten Zeugin stand nicht in Frage. Andere Gesichtspunkte, die eine Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme begründen könnten, sind nicht ersichtlich; auch die Revision zeigt solche Aspekte nicht auf. Allerdings durfte das Oberlandesgericht die Akten über das gegen den Kläger geführte Strafverfahren nur verwerten, wenn diese zuvor Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Das war - entgegen der Auffassung der Revision - hier jedoch der Fall. Zwar läßt der Wortlaut des in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht verkündeten Beschlusses ("Die Strafakten ... werden zu Beweiszwecken beigezogen") für sich genommen nicht ohne weiteres erkennen, daß die Strafakten in der Folge auch tatsächlich zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind. Das ist jedoch auch nicht nötig. Aus den Akten über den vorliegenden Rechtsstreit ergibt sich, daß die Strafakten im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht vorlagen. Ausweislich des Protokolls über diese mündliche Verhandlung folgte auf den Beschluß über die Beiziehung der Akten eine erneute Erörterung der Sach- und Rechtslage, eine streitige Verhandlung der Anwälte zur Sache und die Verkündung eines Entscheidungstermins. Es ist deshalb davon auszugehen, daß die Strafakten Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren und für alle Beteiligten erkennbar war, daß das Gericht diese Akten bei seiner Entscheidung, für deren Verkündung es am Schluß der Sitzung einen Termin bestimmte, berücksichtigen werde. Auch der Beibringungsgrundsatz ist nicht verletzt. Richtig ist zwar, daß ein Antrag auf Beiziehung von Akten nach § 432 ZPO grundsätzlich nicht den gesetzlichen Erfordernissen genügt, wenn die Partei nicht näher bezeichnet, welche Urkunden oder Aktenteile sie für erheblich hält. Gibt der Tatrichter ei-
nem Antrag auf Beiziehung von Akten statt, obwohl dieser Antrag den Erforder- nissen nicht genügt, so wird damit nicht ohne weiteres der gesamte Akteninhalt zum Gegenstand des Rechtsstreits; denn der Tatrichter betriebe eine unzulässige Beweisermittlung, wenn er von sich aus die beigezogenen Akten daraufhin überprüfen wollte, ob sie Tatsachen enthalten, die einer Partei günstig sind (BGH Urteil vom 9. Juni 1994 - IX ZR 125/93 - ZIP 1994, 1555, 1557). So lagen die Dinge hier jedoch nicht. Die Beklagte hat zwar in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht zum Nachweis der behaupteten Täterschaft des Beklagten nur "die Beiziehung der Strafakten... der Staatsanwaltschaft F." beantragt, ohne sich dabei auf konkrete Akteninhalte zu beziehen. Sie hat jedoch zuvor schriftsätzlich verdeutlicht, daß sie sich zum Beweis für die von ihr behauptete Täterschaft des Klägers auf das Zeugnis der Zeugin Christine M. berufen wolle. Aus dem Zusammenhang beider Anträge wird deutlich, daß die Beklagte auf die urkundenbeweisliche Verwertung der Strafakten im Hinblick auf die Aussage der Zeugin Christine M. angetragen hat. Diesem Antrag hat das Oberlandesgericht ohne Rechtsfehler entsprochen. Die von der Revision erhobenen weiteren Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.
b) Nach Auffassung der Revision rechtfertigt die vom Oberlandesgericht festgestellte Täterschaft des Klägers nicht den Ausschluß von Unterhaltsansprüchen , die dem Kläger für die Zeit vor der Tat zustünden. Auch damit kann die Revision nicht durchdringen. Zwar geht - wie der Senat bereits dargelegt hat - ein Unterhaltsgläubiger, der ein Verbrechen oder ein vorsätzliches schweres Vergehen gegen den Unterhaltsschuldner begeht, nach § 1579 Nr. 2 BGB seiner Unterhaltsansprüche grundsätzlich nur für die Zukunft verlustig. Das ergibt sich bereits aus der Ent-
stehungsgeschichte dieser Härteklausel, die durch das 1. EheRG geschaffen worden und dem bis dahin geltenden § 66 EheG vergleichbar ist. Zu § 66 EheG war anerkannt, daß eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nur für die Zukunft eintritt und bereits entstandene Unterhaltsansprüche unberührt läßt. In der Begründung des Entwurfs eines 1. EheRG wird zudem auf die Rechtsähnlichkeit der neuen Härteklausel mit § 1611 BGB hingewiesen. Auch für diese Vorschrift , die einen Wegfall oder eine Beschränkung des Verwandtenunterhalts wegen schwerer Verfehlung gegenüber dem Unterhaltspflichtigen vorsieht, war schon bei der Schaffung des 1. EheRG anerkannt, daß die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nicht rückwirkend eintritt. Beides rechtfertigt den Schluß, daß der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 1579 Nr. 2 BGB für die zeitliche Reichweite der Verwirkung keine von den § 66 EheG, § 1611 BGB grundsätzlich abweichende Regelung treffen wollte (Senatsurteil vom 9. November 1983 - IVb ZR 8/82 - FamRZ 1984, 334 mit ausführlichen Nachweisen). Dieser gesetzgeberische Wille schließt es freilich nicht aus, in Ausnahmefällen auch bereits entstandene Unterhaltsansprüche als verwirkt anzusehen (offengelassen im Senatsurteil vom 9. November 1983 aaO). Richtig ist zwar, daß der Zweck der Härteklausel es nicht zwingend erfordert, generell auch einen bereits fälligen, aber unerfüllt gebliebenen Unterhaltsanspruch rückwirkend zu vernichten. Auch erscheint es nicht gerechtfertigt, einen in Verzug geratenen Unterhaltsschuldner allein deshalb zu begünstigen, weil ein späteres Ereignis ihn von der Unterhaltspflicht befreit (Senatsurteil vom 9. November 1983 aaO). Beide Gesichtspunkte hindern indes nicht, der Schwere der vom Unterhaltsgläubiger gegen den Unterhaltsschuldner verübten Straftat in besonders gravierenden Ausnahmefällen durch eine Verwirkung auch bereits entstandener Unterhaltsansprüche Rechnung zu tragen. § 1579 BGB knüpft die Versagung, Herabsetzung oder Begrenzung von Unterhaltsansprüchen an das Kriterium grober Unbilligkeit. Aus den genannten Gründen wird die Einforderung von Un-
terhaltsrückständen nicht immer schon dann als grob unbillig anzusehen sein, wenn die vom Täter begangene Straftat eine künftige unterhaltsrechtliche Inanspruchnahme des leistungsfähigen Opfers durch den bedürftigen Täter unzumutbar werden läßt. Dennoch können besondere Umstände der Tat jede weitere Erfüllung der sich aus der ehelichen oder nachehelichen Solidarität ergebenden Unterhaltspflicht für das Opfer unerträglich werden und mit Billigkeitsgesichtspunkten schlechthin unvereinbar erscheinen lassen, mag auch der Zeitraum , für den der Täter von seinem Opfer Unterhalt begehrt, vor der Tatausführung gelegen haben. Die Beurteilung der Frage, ob die besonderen Voraussetzungen einer solchen, auch vor der Tat liegende Unterhaltszeiträume erfassenden Unzumutbarkeit weiterer Unterhaltsleistungen vorliegen, obliegt dem Tatrichter. Das Oberlandesgericht hat diese Voraussetzungen insbesondere deshalb bejaht, weil der Kläger die Tat gegen die Beklagte nicht im Affekt begangen , sondern von langer Hand geplant hat und sich dabei bewußt war, daß die gemeinsamen Kinder Zeugen der an ihrer Mutter begangenen Gewalttat würden. Es hat zusätzlich berücksichtigt, daß die Beklagte den Mietzins für das bis dahin als Ehewohnung genutzte Einfamilienhaus auch nach der Trennung der Parteien und über den Zeitpunkt der Tat des Klägers hinaus bis hin zu dessen Auszug (im Mai 1999) an die Vermieter entrichtet und damit
den Unterhaltsanspruch des Klägers für die Zeit vor der Tat zumindest teilweise erfüllt hat. Diese tatrichterliche Würdigung läßt revisionsrechtlich bedeutsame Rechtsfehler nicht erkennen.
Hahne Sprick Weber-Monecke
Wagenitz Ahlt

(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.

Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, gilt folgende Rangfolge:

1.
minderjährige Kinder und Kinder im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2,
2.
Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Fall einer Scheidung wären, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer; bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile im Sinne des § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 zu berücksichtigen,
3.
Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nummer 2 fallen,
4.
Kinder, die nicht unter Nummer 1 fallen,
5.
Enkelkinder und weitere Abkömmlinge,
6.
Eltern,
7.
weitere Verwandte der aufsteigenden Linie; unter ihnen gehen die Näheren den Entfernteren vor.

(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.

37
Deshalb verbietet es sich entgegen der Auffassung der Antragsstellerin auch, vom Einkommen des Unterhaltsberechtigten einen pauschalen Betreuungsbonus abzuziehen (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 2004 - XII ZR 121/03 - FamRZ 2005, 442, 444 zu § 1615 l BGB). Die Frage, ob ein eigenes Einkommen des unterhaltsbedürftigen Elternteils, das dieser neben der Kindesbetreuung erzielt, bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen ist, richtet sich allein nach § 1577 Abs. 2 BGB. Danach ist stets auf die besonderen Umstände des Einzelfalls abzustellen (Senatsurteil vom 15. Dezember 2004 - XII ZR 121/03 - FamRZ 2005, 442, 444 zu § 1615 l BGB), die im Falle des Betreuungsunterhalts wiederum dadurch geprägt sind, in welchem Maße der Unterhaltsberechtigte wegen der Kindesbetreuung nach § 1570 BGB von seiner Erwerbsobliegenheit befreit ist.

(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.

(1) Soweit ein geschiedener Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag.

(2) Reichen die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt (§ 1578) nicht aus, kann er, soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen.

(3) Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1572, 1575 zu gewähren war, die Voraussetzungen dieser Vorschriften aber entfallen sind.

(4) Der geschiedene Ehegatte kann auch dann Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu sichern. War es ihm gelungen, den Unterhalt teilweise nachhaltig zu sichern, so kann er den Unterschiedsbetrag zwischen dem nachhaltig gesicherten und dem vollen Unterhalt verlangen.

(5) (weggefallen)

Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, gilt folgende Rangfolge:

1.
minderjährige Kinder und Kinder im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2,
2.
Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Fall einer Scheidung wären, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer; bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile im Sinne des § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 zu berücksichtigen,
3.
Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nummer 2 fallen,
4.
Kinder, die nicht unter Nummer 1 fallen,
5.
Enkelkinder und weitere Abkömmlinge,
6.
Eltern,
7.
weitere Verwandte der aufsteigenden Linie; unter ihnen gehen die Näheren den Entfernteren vor.

22
Eine abweichende Beurteilung ergibt sich unter den obwaltenden Umständen auch nicht deshalb, weil die im Rahmen des § 1581 BGB gebotene Billigkeitsabwägung auch solche Verteilungsergebnisse erlaubt, die sich neben dem Rang auf weitere individuelle Umstände stützen, und als zusätzliches Billigkeitskriterium insbesondere berücksichtigt werden kann, ob der Mindestbedarf eines Berechtigten gedeckt ist (Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn. 50). Denn es ist grundsätzlich zu beachten, dass der sich aus § 1609 BGB ergebende Rang der Unterhaltsansprüche selbst Ausdruck einer gesetzlichen Billigkeitswertung ist, die den - vollständigen - Vorrang des vom Gesetzgeber als schutzbedürftiger angesehenen Unterhaltsberechtigten sichern soll (MünchKommBGB/Maurer 6. Aufl. § 1609 Rn. 20; Gerhardt/Gutdeutsch FamRZ 2011, 772, 775). Dies wird in der Regel - und auch hier - dazu führen, dem vorrangigen geschiedenen Ehegatten den nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen Bedarf insgesamt zu belassen und die neue Ehe ergänzend auf die durch den nachrangigen Ehegatten erzielten oder erzielbaren Einkünfte sowie auf die der neuen Ehe vorbehaltenen wirtschaftlichen Vorteile - hier also insbesondere den steuerlichen Splittingvorteil und den hälftigen Familienzuschlag der Stufe 1 - zu verweisen.

Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, gilt folgende Rangfolge:

1.
minderjährige Kinder und Kinder im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2,
2.
Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Fall einer Scheidung wären, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer; bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile im Sinne des § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 zu berücksichtigen,
3.
Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nummer 2 fallen,
4.
Kinder, die nicht unter Nummer 1 fallen,
5.
Enkelkinder und weitere Abkömmlinge,
6.
Eltern,
7.
weitere Verwandte der aufsteigenden Linie; unter ihnen gehen die Näheren den Entfernteren vor.

(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.