Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2017 - XII ZB 72/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:190717BXIIZB72.16.0
bei uns veröffentlicht am19.07.2017
vorgehend
Amtsgericht Schöneberg, 71 III 469/14, 24.04.2015
Kammergericht, 1 W 675/15, 05.01.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 72/16
vom
19. Juli 2017
in der Personenstandssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Führt von den nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB für die Feststellung der Vaterschaft
alternativ berufenen Rechtsordnungen zum Zeitpunkt der Geburt allein das Personalstatut
des geschiedenen Ehemanns der Mutter zur rechtlichen Vaterschaft
(hier: des geschiedenen Ehemanns nach polnischem Recht), so ist eine später
von einem anderen Mann nach dem hierfür anwendbaren deutschen Recht erklärte
Anerkennung der Vaterschaft unwirksam (Fortführung des Senatsbeschlusses
vom 3. August 2016 – XII ZB 110/16 – FamRZ 2016, 1847).

b) Die zum Zeitpunkt der Geburt kraft Gesetzes begründete Vaterschaft kann grundsätzlich
nur nach dem gemäß Art. 20 EGBGB anwendbaren Anfechtungsstatut
beseitigt werden (im Anschluss an Senatsurteil vom 23. November 2011 – XII ZR
78/11 – FamRZ 2012, 616).
BGH, Beschluss vom 19. Juli 2017 - XII ZB 72/16 - KG Berlin
AG Berlin-Schöneberg
ECLI:DE:BGH:2017:190717BXIIZB72.16.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juli 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 5. Januar 2016 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen. Wert: 5.000 €

Gründe:

I.

1
Die Antragsteller, beide deutsche Staatsangehörige, begehren die Eintragung des im Juli 2014 von der Antragstellerin geborenen Kindes und des Antragstellers als dessen Vater im Geburtenregister. Der Antragsteller erklärte vier Tage nach der Geburt mit Zustimmung der Kindesmutter die Anerkennung der Vaterschaft. Die Antragstellerin war seit 2006 mit dem Beteiligten zu 5, einem polnischen Staatsangehörigen, verheiratet. Die Ehe ist seit dem 17. Juni 2014 rechtskräftig geschieden.
2
Das Standesamt hat die Sache wegen Zweifeln an der Eintragung dem Amtsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Amtsgericht hat die beantragte Anweisung des Standesamts abgelehnt. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antrag- steller mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er seine Eintragung als Vater weiterverfolgt.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
4
1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts, dessen Entscheidung in FamRZ 2016, 922 veröffentlicht ist, ist der Beteiligte zu 5 seit der Geburt des Kindes dessen rechtlicher Vater. Diese Vaterschaft sei bisher nicht durch eine wirksame Rechtshandlung beseitigt worden.
5
Die in Art. 19 Abs. 1 EGBGB für das anwendbare Recht aufgeführten Anknüpfungsalternativen seien gleichrangig. Welches Recht berufen sei, beurteile sich nach dem Günstigkeitsprinzip. Danach solle das Recht zur Anwendung kommen, das für das Wohl des Kindes günstiger sei. Hier komme das deutsche Recht in Betracht, weil das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe und der Antragsteller deutscher Staatsangehöriger sei. Ferner könne aufgrund der Staatsangehörigkeit des Beteiligten zu 5 polnisches Recht zur Anwendung kommen.
6
Nach polnischem Sachrecht (Art. 62 § 1 Satz 1 des Familien- und Vormundschaftsgesetzbuchs vom 25. Februar 1964 – FVGB) werde vermutet, dass ein Kind, das vor Ablauf von 300 Tagen seit Beendigung der Ehe geboren werde , vom (ehemaligen) Ehemann der Mutter abstamme. Darauf, ob das polnische Recht auf das deutsche Recht zurückverweist, komme es an dieser Stelle nicht an, weil eine Rückverweisung, die den Kreis der für eine Abstammungsbestimmung zur Verfügung stehenden Rechtsordnungen einschränkt, nach Art. 4 EGBGB nach dem Sinn der alternativen Anknüpfung in Art. 19 EGBGB nicht zu beachten sei. Nach polnischem Recht sei deshalb bei der Geburt die rechtliche Vaterschaft des Beteiligten zu 5 begründet worden.
7
Bezogen auf den Zeitpunkt der Geburt sei die Vaterschaft nach polnischem Recht zu bestimmen gewesen, weil dies dem Wohl des Kindes entspreche. Die Vaterschaft eines Mannes, der womöglich nicht der biologische Vater sei, sei für das Kind günstiger als Vaterlosigkeit. Dies ergebe sich schon aus den unterhalts- und erbrechtlichen Konsequenzen der Vaterschaft, auch wenn das deutsche Sachrecht bei einem reinen Inlandsfall Vaterlosigkeit in Kauf nähme. Eine andere Beurteilung sei auch dann nicht gerechtfertigt, wenn ein anerkennungswilliger Dritter zur Verfügung stehe, solange dieser die Anerkennungserklärung nicht abgegeben habe. Die zukünftige Entwicklung, ob eine geplante und zugesagte Vaterschaftsanerkennung tatsächlich durchgeführt werde, sei nicht vorauszusehen. Aus Gründen der Rechtssicherheit könne bei der Bestimmung des Abstammungsstatuts nicht auf derartige ungewisse zukünftige Ereignisse abgestellt werden.
8
Die Prüfung, welche Rechtsordnung für das Kind günstiger sei, könne nicht bezogen auf den Zeitpunkt der Eintragung der Geburt unter Berücksichtigung einer zwischenzeitlichen Anerkennung eines Dritten erneut durchgeführt werden. Die Anerkennung sei nach § 1594 Abs. 2 BGB unwirksam, wenn bereits die Vaterschaft eines anderen Mannes begründet sei, auch wenn sich diese Vaterschaft nur aus einer anderen Rechtsordnung ergebe. Selbst wenn die nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB gleichberechtigt nebeneinander berufenen Sachrechte jeweils isoliert für sich geprüft werden müssten, wäre zu berücksichtigen, dass eine Rechtsordnung, die dem Kind zeitlich als erste einen Vater zuordne, nicht durch eine spätere Anerkennungserklärung wieder verdrängt werden könne , und eine ex lege bestehende Vaterschaft sich nicht wieder verflüchtige, sondern nur auf dem gesetzlich dafür vorgesehenen Weg der nach dem inter- nationalen Privatrecht berufenen Rechtsordnung wieder beseitigt werden könne.
9
Die Vaterschaft des Beteiligten zu 5 sei bisher nicht beseitigt worden. Gemäß Art. 20 Satz 1 EGBGB könne die Vaterschaft nur nach polnischem Recht angefochten werden, weil das Kind nach diesem auch die polnische Staatsangehörigkeit habe. Eine Klage auf Anfechtung der Vaterschaft sei bisher nicht erhoben worden.
10
Auch eine gemäß Art. 20 Satz 2 EGBGB nach deutschem Recht mögliche Anfechtung der Vaterschaft durch das Kind sei nicht durchgeführt worden. Eine Beseitigung der Vaterschaft des Beteiligten zu 5 entsprechend § 1599 Abs. 2 BGB komme nicht in Betracht. Denn für die qualifizierte Anerkennung gelte auch hier Art. 20 EGBGB. Anfechtungsstatut sei danach das polnische Recht, welches eine § 1599 Abs. 2 BGB entsprechende Regelung nicht enthalte. Auf Art. 20 Satz 2 EGBGB könne hier nicht zurückgegriffen werden, weil dieser ein zusätzliches Anfechtungsstatut nur für das Kind begründe, das an einer qualifizierten Anerkennung nach § 1599 Abs. 2 BGB nicht beteiligt sei. Im Übrigen habe der Beteiligte zu 5 seine Zustimmungserklärung nicht in der § 1599 Abs. 2 iVm § 1597 Abs. 2 BGB entsprechenden Form abgegeben.
11
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
12
a) Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt die Abstammung eines Kindes dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Aufenthaltsstatut). Sie kann gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden , dem dieser Elternteil angehört (Personalstatut), oder, wenn die Mutter verheiratet ist, gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 EGBGB nach dem Recht, dem die allgemeinen Wirkungen ihrer Ehe bei der Geburt nach Art. 14 Abs. 1 EGBGB unterliegen (Ehewirkungsstatut). Der Senat hat bereits ausgesprochen, dass das Personalstatut und das Ehewirkungsstatut dem Aufenthaltsstatut grundsätzlich gleichwertige Zusatzanknüpfungen sind (Senatsbeschlüsse BGHZ 210, 59 = FamRZ 2016, 1251 Rn. 28 und vom 3. August 2016 – XII ZB 110/16 – FamRZ 2016, 1847 Rn. 8 mwN).
13
aa) Ist ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland nach der Scheidung der Ehe seiner Mutter geboren worden und könnte es deshalb nach deutschem Recht von einem Dritten ohne weiteres anerkannt werden, kann dies zur Konkurrenz mit solchen über Art. 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 EGBGB berufenen Rechtsordnungen führen, die das Kind als Abkömmling des (geschiedenen ) Ehemanns ansehen, wenn die Empfängniszeit noch in die Zeit vor Beendigung der Ehe fiel (Senatsbeschluss vom 3. August 2016 – XII ZB 110/16 – FamRZ 2016, 1847 Rn. 9 mwN).
14
Welchem der konkurrierenden Abstammungsstatute in diesen Fällen der Vorrang gebührt, ist umstritten (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 3. August 2016 – XII ZB 110/16 – FamRZ 2016, 1847 Rn. 10 ff. mwN). Zum Teil wird vertreten , das Abstammungsstatut in solchen Fällen vorrangig an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes anzuknüpfen, weil der Gesetzgeber Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB einerseits als Regelanknüpfung ausgestaltet habe und der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes andererseits die engste Beziehung zum Sachverhalt aufweise (vgl. Andrae Internationales Familienrecht 3. Aufl. § 5 Rn. 27 und 33 ff.; Dethloff IPrax 2005, 326, 329 f.).
15
Die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur geht mit dem Beschwerdegericht davon aus, dass diejenige Rechtsordnung maßgeblich sein soll, die dem Kind schon mit der Geburt zu einem Vater verhelfe (Prioritätsgrundsatz ), wofür teilweise auf das sogenannte Günstigkeitsprinzip verwiesen wird. Dem Wohl des Kindes entspreche es im Hinblick auf seine unterhalts- und erbrechtliche Absicherung am besten, wenn ihm schon zum frühestmöglichen Zeitpunkt ein Vater zugeordnet werde (vgl. BayObLG FamRZ 2002, 686, 687; OLG Frankfurt FamRZ 2002, 688, 689; OLG Nürnberg FamRZ 2005, 1697, 1698 und FamRZ 2016, 920, 922; OLG Hamm FamRZ 2014, 1559, 1560 und FamRZ 2009, 126, 128; OLG Köln StAZ 2013, 319, 320; Dutta StAZ 2016, 200, 201 f.; Frie StAZ 2017, 104, 107 f.; NK-BGB/Bischoff 3. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 24). Teilweise wird der Prioritätsgrundsatz nicht aus einem kindeswohlbezogenen Günstigkeitsprinzip, sondern aus dem formalen Ordnungskriterium hergeleitet, dass alle nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen Rechte gleichrangig seien (vgl. Frank StAZ 2009, 65, 67) und diejenige Rechtsordnung, die dem Kind zeitlich als erste einen Vater zuordne, demzufolge nur durch eine Vaterschaftsanfechtung wieder verdrängt werden könne (vgl. MünchKommBGB /Helms 6. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 16).
16
Weisen alternativ berufene Rechtsordnungen dem Kind hingegen schon bei der Geburt verschiedene Väter zu, wird von der überwiegenden Auffassung nach dem Günstigkeitsprinzip derjenigen Rechtsordnung der Vorzug gegeben, die zum „wirklichen“ Vater des Kindes führt (vgl. hierzu im Einzelnen Staudin- ger/Henrich BGB [2014] Art. 19 EGBGB Rn. 38; jurisPK-BGB/Duden [Stand: März 2017] Art. 19 EGBGB Rn. 72 ff.).
17
Über die Fälle von schon bei Geburt des Kindes konkurrierenden Abstammungsstatuten hinausgehend wird von einer Ansicht der Gesichtspunkt der Abstammungswahrheit von vornherein als wesentliches Kriterium des Günstigkeitsprinzips angesehen und deshalb generell der Rechtsordnung der Vorzug gegeben, die dem Kind ohne Umwege möglichst schnell und ohne unnötige Kosten zu seinem „wirklichen“ Vater verhelfe (Henrich FamRZ 1998, 1401, 1402). Eine wirksame postnatale Vaterschaftsanerkennung durch den mutmaßlichen Erzeuger soll sich gegenüber der auf einer geschiedenen Ehe gegründe- ten Vaterschaftsvermutung nach ausländischem Recht durchsetzen können, wenn die Anerkennung der Vaterschaft "zeitnah" nach der Geburt angekündigt wird und die wirksame Vaterschaftsanerkennung im Zeitpunkt der Beurkundung der Geburt durch den Standesbeamten vorliegt (vgl. OLG Karlsruhe [11. Zivilsenat ] FamRZ 2015, 1636, 1638; OLG München FamRZ 2016, 1599; AG Karlsruhe FamRZ 2007, 1585, 1586; AG Regensburg FamRZ 2003, 1856, 1857; Staudinger/Henrich BGB [2014] Art. 19 EGBGB Rn. 38, 43; jurisPK-BGB/Duden [Stand: März 2017] Art. 19 EGBGB Rn. 68; vgl. auch AG Hannover FamRZ 2002, 1722, 1724 f.).
18
bb) Der Senat hat bislang offengelassen, in welchem Verhältnis die Anknüpfungsalternativen zueinander stehen, wenn diese zu unterschiedlichen Eltern -Kind-Zuordnungen führen, und welcher Alternative im Konkurrenzfall der Vorrang gebührt (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 210, 59 = FamRZ 2016, 1251 Rn. 29 mwN und vom 3. August 2016 – XII ZB 110/16 – FamRZ 2016, 1847 Rn. 14). In der vorliegenden Fallkonstellation bedarf es einer Entscheidung der Frage, ob eine nach der Geburt nach deutschem Recht erklärte Anerkennung der Vaterschaft den bereits zum Zeitpunkt der Geburt aufgrund einer anderen nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen Rechtsordnung begründeten Status im Konkurrenzwege verdrängen kann. Die Frage ist zu verneinen.
19
(1) Die rechtliche Vater-Kind-Zuordnung ist bereits zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes festzustellen. Die Abstammung im Sinne von Art. 19 EGBGB ist die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung kraft Gesetzes (Senatsbeschluss BGHZ 210, 59 = FamRZ 2016, 1251 Rn. 27). Sinn und Zweck der durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2942) eingeführten mehrfachen Anknüpfung bestehen wie bei der zuvor in Art. 20 Abs. 1 EGBGB aF für die nichteheliche Kindschaft enthaltenen Mehrfachanknüpfung darin, dem Kind nach Möglichkeit zu einem rechtlichen Vater zu verhelfen (Henrich FamRZ 1998, 1401, 1402; zum früheren Recht vgl. MünchKommBGB/Klinkhardt 3. Aufl. Art. 20 EGBGB Rn. 4 mwN). Da die statusrechtliche Eltern-Kind-Zuordnung kraft Gesetzes erfolgt, ist diese bereits mit Erlangung der Rechtsfähigkeit durch das Kind festzustellen. Die Rechtsfähigkeit tritt nach § 1 BGB (iVm Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG) mit Vollendung der Geburt ein; eine Vaterschaftsfeststellung vor der Geburt des Kindes sieht das deutsche Abstammungsrecht nicht vor (Senatsbeschluss vom 24. August 2016 – XII ZB 351/15 – FamRZ 2016, 1849 Rn. 28), was jedenfalls grundsätzlich auch für die kollisionsrechtliche Regelung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB gilt (zur möglichen analogen Anwendung vgl. Senatsbeschluss vom 24. August 2016 – XII ZB 351/15 – FamRZ 2016, 1849 Rn. 11 ff.). Dementsprechend kann auch (entgegen Dethloff IPRax 2005, 326, 329 f.) nicht mit der Vaterschaftszuordnung abgewartet werden, bis das Aufenthaltsstatut nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ebenfalls eine rechtliche Vater-Kind-Zuordnung ergibt.
20
(2) Ist dem Kind schon bei der Geburt nach einer der von Art. 19 Abs. 1 EGBGB alternativ berufenen Rechtsordnungen nur ein Vater zugeordnet, so steht dieser jedenfalls grundsätzlich als rechtlicher Vater des Kindes fest.
21
Eine erneute Beurteilung der Vater-Kind-Zuordnung zum Zeitpunkt der Eintragung in das Geburtenregister ist nicht vorzunehmen, nachdem bereits eine Vater-Kind-Zuordnung kraft Gesetzes erfolgt ist. Denn die erstmalige rechtliche Festlegung der Vaterschaft darf nach Sinn und Zweck der alternativen Anknüpfung in Art. 19 Abs. 1 EGBGB nicht bis zur späteren Eintragung der Geburt im Geburtenregister in der Schwebe bleiben. Anderenfalls bestünde für das Kind zunächst eine rechtliche Vaterlosigkeit, die durch Art. 19 Abs. 1 EGBGB gerade vermieden werden soll. Die Eintragung in das deutsche Geburtenregister eignet sich als zeitlicher Anknüpfungspunkt der Vater-Kind-Zuordnung schon deswegen nicht, weil der Eintragung hinsichtlich der Eltern-Kind-Zuordnung keine konstitutive Wirkung zukommt (vgl. Hepting/Dutta Familie und Personenstand 2. Aufl. Rn. I-10). Zwar werden mit der Eintragung vom Gesetz zuweilen materiellrechtliche Wirkungen verknüpft, so etwa der Erwerb der Staatsangehörigkeit mit der Eintragung der Auslandsgeburt (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 210, 59 = FamRZ 2016, 1251 Rn. 18). Eine solche Wirkung kommt nach deutschem Recht dem Personenstandsregister bezüglich der Eltern-Kind-Zuordnung hingegen grundsätzlich nicht zu (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 203, 350 = FamRZ 2015, 240 Rn. 22).
22
Das Beschwerdegericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass bei Geburt des Kindes zunächst ungewiss ist, ob eine Anerkennung der Vaterschaft erfolgen wird (vgl. Senatsbeschluss vom 3. August 2016 – XII ZB 110/16 – FamRZ 2016, 1847 Rn. 14; Hepting StAZ 2000, 33, 40). Dass der Anerkennende , wie die Gegenauffassung anführt, in der Regel der „wirkliche“ (biologische) Vater ist, ist mangels entsprechender Überprüfung keineswegs gesichert (vgl. Senatsurteil BGHZ 197, 242 = FamRZ 2013, 1209 Rn. 2). So hat der Umstand, dass gerade in grenzüberschreitenden Fällen Anerkennungen nicht selten zu gesetzesfremden Zwecken erklärt werden, jüngst zu Maßnahmen des Gesetzgebers geführt, durch die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen unterbunden werden sollen (Entwurf eines Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht, BT-Drucks. 18/12415, Art. 4, § 1597a BGB-E: Verbot der missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft; Art. 1, § 85a AufenthG-E).
23
Nicht zu verkennen ist allerdings, dass es in den Fällen, in denen eine von Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufene Rechtsordnung die Vaterstellung auch bei Geburt des Kindes nach Rechtskraft der Scheidung noch dem geschiedenen Ehemann der Mutter zuweist, dieser in den meisten Fällen nicht der biologische Vater des Kindes sein und demzufolge regelmäßig ein Vaterschaftsanfech- tungsverfahren erforderlich wird. Hiermit verbundenen Schwierigkeiten ist indessen erst bei der Frage der Beseitigung der Vaterschaft Rechnung zu tragen.
24
(3) Aufgrund der bereits seit Geburt bestehenden rechtlichen Vaterschaft ist die Anerkennung durch einen anderen Mann nach § 1594 Abs. 2 BGB versperrt. Eine Anerkennung der Vaterschaft wird mithin erst nach Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft möglich.
25
Dabei ist auf die Anerkennung im vorliegenden Fall gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 EGBGB das deutsche Recht anzuwenden, weil sowohl der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes als auch die Staatsangehörigkeit des Beteiligten zu 4 zur Anwendbarkeit des deutschen Rechts führen.
26
Die rechtliche Vaterschaft des Beteiligten zu 5 führt dazu, dass die seitens des Beteiligten zu 4 erklärte Anerkennung nach § 1594 Abs. 2 BGB unwirksam ist (vgl. Dutta StAZ 2016, 200, 201). Ob etwas anderes gelten könnte, wenn die auf die Anerkennung anwendbare Rechtsordnung im Unterschied zum deutschen Recht eine Anerkennungssperre nicht vorsieht und das ausländische Recht der Anerkennung eine die Vaterschaftsvermutung des Ehemanns verdrängende Wirkung zumisst (vgl. Hepting/Dutta Familie und Personenstand 2. Aufl. Rn. V-201 ff.), oder ob auch auf eine solche Folge vorrangig Art. 20 EGBGB anzuwenden ist, braucht hier nicht entschieden zu werden.
27
(4) Das Beschwerdegericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass auf den Zeitpunkt der Geburt abzustellen ist und zu diesem Zeitpunkt allein das Personalstatut des Beteiligten zu 5 eine Vaterschaftszuordnung ergibt. Bezüglich der Anwendung des polnischen Rechts sind im Rechtsbeschwerdeverfahren keine Beanstandungen erhoben worden. Das Beschwerdegericht hat eine etwaige im polnischen Recht enthaltene Rückverweisung im Ergebnis zutreffend dahingestellt sein lassen, weil eine solche mit dem Ergebnis der Vater- losigkeit dem Sinn der alternativen Anknüpfung in Art. 19 EGBGB zuwider liefe (vgl. OLG Celle 2011, 1518, 1520; OLG Hamm FamRZ 2009, 126; OLG Nürnberg FamRZ 2005, 1697; MünchKommBGB/Helms 6. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 29 mwN; Palandt/Thorn BGB 76. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 2; vgl. auch Dutta StAZ 2016, 200, 201).
28
b) Eine nachträgliche Beseitigung der mit Geburt des Kindes entstandenen rechtlichen Vaterschaft des Beteiligten zu 5 hat das Beschwerdegericht zu Recht verneint.
29
Nach der Rechtsprechung des Senats richtet sich die Beseitigung der Vaterschaftszuordnung auch dann nach Art. 20 EGBGB, wenn diese nicht durch ein gerichtliches Anfechtungsverfahren, sondern im Wege rechtsgeschäftlicher Erklärungen möglich ist (Senatsurteil vom 23. November 2011 – XII ZR 78/11 – FamRZ 2012, 616 Rn. 19).
30
aa) Die Anwendung des Art. 20 Satz 1 EGBGB führt im vorliegenden Fall zum polnischen Recht als der Rechtsordnung, aus der sich die Vaterschaft ergibt. Das polnische Recht sieht nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Beschwerdegerichts eine Beseitigung der Vaterschaft nur im Wege eines gerichtlichen Anfechtungsverfahrens vor, welches im vorliegenden Fall nicht durchgeführt worden ist.
31
bb) Ob Art. 20 Satz 2 EGBGB auch auf eine mögliche Beseitigung der Vaterschaft durch qualifizierte Anerkennung nach § 1599 Abs. 2 BGB anwendbar ist (dafür etwa Hepting/Dutta Familie und Personenstand 2. Aufl. Rn. V-329 f.) oder ob dies entsprechend der Auffassung des Beschwerdegerichts deswegen ausgeschlossen ist, weil das Kind an dem Verfahren nicht (unmittelbar) beteiligt ist, kann hier offenbleiben. Denn nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts fehlt es bereits an der nach § 1599 Abs. 2 BGB erforderlichen Zustimmungserklärung des Beteiligten zu 5. Dose Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Berlin-Schöneberg, Entscheidung vom 24.04.2015 - 71 III 469/14 -
KG Berlin, Entscheidung vom 05.01.2016 - 1 W 675/15 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2017 - XII ZB 72/16

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2017 - XII ZB 72/16

Anwälte

1 relevante Anwälte

1 Anwälte, die Artikel geschrieben haben, die diesen Urteil erwähnen

Rechtsanwalt

für Familien- und Erbrecht


Familienrecht, Erbrecht, Ehescheidung - Streifler & Kollegen
EnglischDeutsch

Referenzen - Veröffentlichungen

2 Veröffentlichung(en) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2017 - XII ZB 72/16.

Familienrecht: Beseitigung einer kraft Gesetzes begründeten Vaterschaft

31.08.2017

Die zum Zeitpunkt der Geburt kraft Gesetzes begründete Vaterschaft kann grundsätzlich nur nach dem gemäß Art.20 EGBGB anwendbaren Anfechtungsstatut beseitigt werden.
1 Artikel zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2017 - XII ZB 72/16.

Familienrecht: Beseitigung einer kraft Gesetzes begründeten Vaterschaft

31.08.2017

Die zum Zeitpunkt der Geburt kraft Gesetzes begründete Vaterschaft kann grundsätzlich nur nach dem gemäß Art.20 EGBGB anwendbaren Anfechtungsstatut beseitigt werden.

Referenzen - Gesetze

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 4


(1) Durch die Geburt erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ist bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger und ist zur Begründung der Abstammung nach d

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1 Beginn der Rechtsfähigkeit


Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt.
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2017 - XII ZB 72/16 zitiert 8 §§.

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 4


(1) Durch die Geburt erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ist bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger und ist zur Begründung der Abstammung nach d

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1 Beginn der Rechtsfähigkeit


Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1594 Anerkennung der Vaterschaft


(1) Die Rechtswirkungen der Anerkennung können, soweit sich nicht aus dem Gesetz anderes ergibt, erst von dem Zeitpunkt an geltend gemacht werden, zu dem die Anerkennung wirksam wird. (2) Eine Anerkennung der Vaterschaft ist nicht wirksam, solang

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1599 Nichtbestehen der Vaterschaft


(1) § 1592 Nr. 1 und 2 und § 1593 gelten nicht, wenn auf Grund einer Anfechtung rechtskräftig festgestellt ist, dass der Mann nicht der Vater des Kindes ist. (2) § 1592 Nr. 1 und § 1593 gelten auch nicht, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Sch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1597 Formerfordernisse; Widerruf


(1) Anerkennung und Zustimmung müssen öffentlich beurkundet werden. (2) Beglaubigte Abschriften der Anerkennung und aller Erklärungen, die für die Wirksamkeit der Anerkennung bedeutsam sind, sind dem Vater, der Mutter und dem Kind sowie dem Stand

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2017 - XII ZB 72/16 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2017 - XII ZB 72/16 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Aug. 2016 - XII ZB 351/15

bei uns veröffentlicht am 24.08.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 351/15 vom 24. August 2016 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB §§ 1592, 1594, 1600 d, 1912; EGBGB Art. 19; FamFG §§ 169 Nr. 1, 179 a) Begehrt ein Samenspender die F

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Aug. 2016 - XII ZB 110/16

bei uns veröffentlicht am 03.08.2016

Tenor 1. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen, weil die mit der Rechtsbeschwerde beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht au
5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2017 - XII ZB 72/16.

Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 16. Nov. 2018 - 4 B 328/18

bei uns veröffentlicht am 16.11.2018

Gründe 1 Der sinngemäß gestellte Antrag, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den Antragsteller zu untersagen, hat Erfolg. 2 Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung n

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Sept. 2018 - XII ZB 224/17

bei uns veröffentlicht am 05.09.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 224/17 vom 5. September 2018 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 1591; FamFG §§ 108 Abs. 1, 109 Abs. 1 Nr. 4 Zur Anerkennung einer ausländischen Gerichtsentscheidun

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juni 2018 - XII ZB 369/17

bei uns veröffentlicht am 20.06.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 369/17 vom 20. Juni 2018 in der Personenstandssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB § 1599 Abs. 2; EGBGB Art. 19 Abs. 1, 20 Satz 2 a) Die von Art. 20 Satz 2 EGBGB für das Kind eröff

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2017 - XII ZB 403/16

bei uns veröffentlicht am 13.09.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 403/16 vom 13. September 2017 in der Personenstandssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja EGBGB Art. 19, 20; BGB § 1592 Führt von den nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB für die Feststellung der Vat

Referenzen

(1) Die Rechtswirkungen der Anerkennung können, soweit sich nicht aus dem Gesetz anderes ergibt, erst von dem Zeitpunkt an geltend gemacht werden, zu dem die Anerkennung wirksam wird.

(2) Eine Anerkennung der Vaterschaft ist nicht wirksam, solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht.

(3) Eine Anerkennung unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung ist unwirksam.

(4) Die Anerkennung ist schon vor der Geburt des Kindes zulässig.

(1) § 1592 Nr. 1 und 2 und § 1593 gelten nicht, wenn auf Grund einer Anfechtung rechtskräftig festgestellt ist, dass der Mann nicht der Vater des Kindes ist.

(2) § 1592 Nr. 1 und § 1593 gelten auch nicht, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wird und ein Dritter spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses die Vaterschaft anerkennt; § 1594 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Neben den nach den §§ 1595 und 1596 notwendigen Erklärungen bedarf die Anerkennung der Zustimmung des Mannes, der im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist; für diese Zustimmung gelten § 1594 Abs. 3 und 4, § 1596 Abs. 1 Satz 1 bis 3, Abs. 3 und 4, § 1597 Abs. 1 und 2 und § 1598 Abs. 1 entsprechend. Die Anerkennung wird frühestens mit Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses wirksam.

(1) Anerkennung und Zustimmung müssen öffentlich beurkundet werden.

(2) Beglaubigte Abschriften der Anerkennung und aller Erklärungen, die für die Wirksamkeit der Anerkennung bedeutsam sind, sind dem Vater, der Mutter und dem Kind sowie dem Standesamt zu übersenden.

(3) Der Mann kann die Anerkennung widerrufen, wenn sie ein Jahr nach der Beurkundung noch nicht wirksam geworden ist. Für den Widerruf gelten die Absätze 1 und 2 sowie § 1594 Abs. 3 und § 1596 Abs. 1, 3 und 4 entsprechend.

Tenor

1. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen, weil die mit der Rechtsbeschwerde beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

2. Der Senat beabsichtigt, die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 11. Januar 2016 durch Beschluss nach § 74 a Abs. 1 FamFG zurückzuweisen.

3. Den Beteiligten wird Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 20. September 2016 gegeben.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Abänderung eines im vereinfachten Verfahren errichteten Titels über Kindesunterhalt für das im Mai 2011 geborene Kind M.

2

Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger. Seine Ehe mit der Kindesmutter, die ebenfalls die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, wurde durch Beschluss des Amtsgerichts P. vom 19. April 2011 - rechtskräftig seit diesem Tag - geschieden. Es ist in diesem Verfahren unstreitig, dass der Antragsteller nicht der biologische Vater des etwa vier Wochen nach Rechtskraft der Scheidung geborenen Kindes M. ist, welches sich seit seiner Geburt ebenfalls in Deutschland aufhält.

3

Der Antragsteller leitete im Jahr 2012 vor dem Amtsgericht B. ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren ein. Auf den in diesem Verfahren erteilten gerichtlichen Hinweis, dass "nicht ersichtlich sei, was die Vaterschaft begründe", nahm der Antragsteller seinen Antrag auf Anfechtung der Vaterschaft zurück.

4

Der Antragsgegner, der für das Kind M. fortlaufend Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erbringt, hat den Antragsteller aus übergegangenem Recht auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen. Nachdem der Antragsgegner den Antragsteller im Dezember 2011 zur Erteilung von Auskünften über seine Einkommensverhältnisse aufgefordert hatte, wurde der Antragsteller durch Beschluss des Amtsgerichts vom 15. Mai 2014 im vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren nach § 239 FamFG dazu verpflichtet, an den Antragsgegner seit Dezember 2011 rückständigen und laufenden Kindesunterhalt für M. zu zahlen. Seine gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde nahm der Antragsteller am 27. Januar 2015 zurück.

5

Mit dem hier verfahrensgegenständlichen Antrag vom 29. Januar 2015 hat der Antragsteller eine Abänderung des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses dahingehend begehrt, keinen Unterhalt zahlen zu müssen. Zur Begründung hat er sich darauf berufen, dass er nicht der biologische Vater von M. sei und auch nicht als dessen rechtlicher Vater angesehen werden könne. Das Amtsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2016, 924 (mit Anmerkung Henrich FamRZ 2016, 926) veröffentlicht ist, hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

6

Der Senat beabsichtigt, die Rechtsbeschwerde gemäß § 74 a Abs. 1 FamFG zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor und die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

7

1. Im Streitfall stellen sich insbesondere keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn eine durch die Beschwerdeentscheidung aufgeworfene Rechtsfrage zweifelhaft ist, mithin insbesondere dann, wenn sie vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden worden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn dazu in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (Senatsbeschluss vom 24. April 2013 - XII ZR 159/12 - FamRZ 2013, 1199 Rn. 4; BGH Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZR 54/09 - NJW-RR 2010, 1047 Rn. 3). So liegt der Fall hier nicht, und zwar auch nicht in Bezug auf die vom Beschwerdegericht als zulassungsrelevant angesehene Rechtsfrage, wie sich die "konkrete Anwendung des Günstigkeitsprinzips im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 EGBGB" in Fällen auswirkt, in denen "die rechtliche Vaterschaftsfiktion zu widersprechenden Ergebnissen gegenüber der wahrscheinlichen biologischen Abstammung" führt.

8

a) Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt die Abstammung eines Kindes dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Aufenthaltsstatut). Sie kann gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört (Personalstatut), oder, wenn die Mutter verheiratet ist, gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 EGBGB nach dem Recht, dem die allgemeinen Wirkungen ihrer Ehe bei der Geburt nach Art. 14 Abs. 1 EGBGB unterliegen (Ehewirkungsstatut). Der Senat hat bereits ausgesprochen, dass das Personalstatut und das Ehewirkungsstatut dem Aufenthaltsstatut grundsätzlich gleichwertige Zusatzanknüpfungen sind (Senatsurteil BGHZ 168, 79 Rn. 12 = FamRZ 2006, 1745 und Senatsbeschluss vom 20. April 2006 - XII ZB 15/15 - juris Rn. 28).

9

b) Wird ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland nach der Scheidung der Ehe seiner Mutter geboren und könnte es deshalb - insbesondere ohne vorangehende Vaterschaftsanfechtung - nach deutschem Recht von einem Dritten ohne weiteres anerkannt werden, kann dies zu Konflikten mit solchen über Art. 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 EGBGB berufenen Rechtsordnungen führen, die - wie etwa das türkische, griechische oder polnische Recht (weitere Beispiele bei jurisPK-BGB/Gärtner/Duden [Stand: Dezember 2015] Art. 19 EGBGB Rn. 64) - das Kind als Abkömmling des (geschiedenen) Ehemannes ansehen, wenn die Empfängniszeit noch in die Zeit vor Beendigung der Ehe fiel. Zur Auflösung eines solchen Konflikts werden im Wesentlichen drei verschiedene Lösungsansätze vertreten:

10

aa) Nach einer Ansicht soll das Abstammungsstatut in solchen Fällen vorrangig an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes angeknüpft werden, weil der Gesetzgeber Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB einerseits als Regelanknüpfung ausgestaltet habe und der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes andererseits die engste Beziehung zum Sachverhalt aufweise (vgl. Andrae Internationales Familienrecht 3. Aufl. § 5 Rn. 27 und 33 ff.; Dethloff IPrax 2005, 326, 329 f.).

11

bb) Die wohl überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur vertritt mit unterschiedlichen Begründungen die Ansicht, dass diejenige Rechtsordnung maßgeblich sein soll, die dem Kind schon mit der Geburt zu einem Vater verhelfe (Prioritätsgrundsatz). Hierzu wird teilweise auf das Günstigkeitsprinzip rekurriert, weil es dem Wohl des Kindes im Hinblick auf seine unterhalts- und erbrechtliche Absicherung am besten entspreche, wenn ihm schon zum frühestmöglichen Zeitpunkt ein Vater zugeordnet werde (vgl. BayObLG FamRZ 2002, 686, 687; OLG Frankfurt FamRZ 2002, 688, 689; OLG Nürnberg FamRZ 2005, 1697, 1698 und FamRZ 2016, 920, 922; OLG Hamm FamRZ 2014, 1559, 1560 und FamRZ 2009, 126, 128; OLG Köln StAZ 2013, 319, 320; jurisPK-BGB/Gärtner/Duden [Stand: Dezember 2015] Art. 19 EGBGB Rn. 70; NK-BGB/Bischoff 3. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 24). Teilweise wird der Prioritätsgrundsatz nicht aus einem kindeswohlbezogenen Günstigkeitsprinzip, sondern aus dem formalen Ordnungskriterium hergeleitet, dass alle nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen Rechte gleichrangig seien (vgl. Frank StAZ 2009, 65, 67) und diejenige Rechtsordnung, die dem Kind zeitlich als erstes einen Vater zuordne, demzufolge nur durch eine Vaterschaftsanfechtung wieder verdrängt werden könne (vgl. MünchKomm/Helms BGB 6. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 16).

12

Freilich kann der Prioritätsgrundsatz den Wertungskonflikt zwischen verschiedenen gemäß Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen Rechten für sich genommen nicht auflösen, wenn eine - alle Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllende - pränatale Vaterschaftsanerkennung durch den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes (etwa nach deutschem Recht) mit einer nachwirkenden Vaterschaftsvermutung zugunsten des geschiedenen Ehemannes der Kindesmutter nach dem gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 oder 3 BGB berufenden Auslandsrecht konkurriert. Weisen die alternativ berufenen Rechtsordnungen dem Kind deshalb schon bei der Geburt unterschiedliche Väter zu, wird von der überwiegenden Auffassung nach dem Günstigkeitsprinzip derjenigen Rechtsordnung der Vorzug gegeben, die zum wirklichen Vater des Kindes führt (vgl. hierzu im Einzelnen Staudinger/Henrich BGB [2014] Art. 19 EGBGB Rn. 38; jurisPK-BGB/Gärtner/Duden [Stand: Dezember 2015] Art. 19 EGBGB Rn. 72 ff.).

13

cc) Eine weitere Ansicht meint, dass der Gesichtspunkt der Abstammungswahrheit von vornherein als wesentliches Kriterium des Günstigkeitsprinzips anzusehen und die vorzugswürdige Rechtsordnung deshalb generell diejenige sei, die dem Kind ohne Umwege möglichst schnell und ohne unnötige Kosten zu seinem wirklichen Vater verhelfe (Henrich FamRZ 1998, 1401, 1402). Auf dieser gedanklichen Grundlage soll sich auch eine wirksame postnatale Vaterschaftsanerkennung durch den mutmaßlichen Erzeuger gegenüber der auf einer geschiedenen Ehe gegründeten Vaterschaftsvermutung nach ausländischem Recht durchsetzen können, wenn die Anerkennung der Vaterschaft "zeitnah" nach der Geburt angekündigt wird und die wirksame Vaterschaftsanerkennung im Zeitpunkt der Beurkundung der Geburt durch den Standesbeamten vorliegt (vgl. OLG Karlsruhe [11. Zivilsenat] FamRZ 2015, 1636, 1638; AG Karlsruhe FamRZ 2007, 1585, 1586; AG Regensburg FamRZ 2003, 1856, 1857; Staudinger/Henrich BGB [2014] Art. 19 EGBGB Rn. 38; vgl. auch AG Hannover FamRZ 2002, 1722, 1724 f.).

14

c) Der Senat hat zwar bislang offengelassen, in welchem Verhältnis die Anknüpfungsalternativen zueinander stehen, wenn diese zu unterschiedlichen Eltern-Kind-Zuordnungen führen, und welcher Alternative im Konkurrenzfall der Vorrang gebührt (vgl. Senatsbeschluss vom 20. April 2016 - XII ZB 15/15 - FamRZ 2016, 1251 Rn. 29). Diese Frage stellt sich unter den hier obwaltenden Umständen allerdings nicht. Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts ist die Anerkennung der Vaterschaft für das Kind M. durch einen anderen Mann weder erfolgt noch beabsichtigt. Die nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB vorzunehmende Anknüpfung des Abstammungsstatuts an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in Deutschland würde deshalb dazu führen, dass dem Kind M. überhaupt kein Vater zugeordnet werden könnte, weil die Mutter von M. zum Zeitpunkt der Geburt nicht mehr verheiratet war (§ 1592 Nr. 1 BGB) und weder eine Anerkennung der Vaterschaft durch einen anderen Mann (§ 1592 Nr. 2 BGB) noch eine gerichtliche Vaterschaftsfeststellung (§ 1592 Nr. 3 BGB) vorliegen. Demgegenüber würde die Anknüpfung an das Personalstatut des Antragstellers gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB nach den zutreffenden Ausführungen des Beschwerdegerichts dazu führen, dass dem Kind M. der Antragsteller als rechtlicher Vater zugeordnet wird, weil der geschiedene Ehemann nach Art. 285 Abs. 1 des türkischen Zivilgesetzbuches auch dann noch als rechtlicher Vater des Kindes gilt, wenn dieses von der geschiedenen Ehefrau - wie es hier der Fall ist - vor Ablauf von 300 Tagen nach Beendigung der Ehe geboren worden ist.

15

Bei einer solchen Sachverhaltskonstellation kommt es folglich schon nicht dazu, dass die verschiedenen Anknüpfungsalternativen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB zu unterschiedlichen Vater-Kind-Zuordnungen führen, weil das nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB berufene deutsche Aufenthaltsrecht dem Kind M. überhaupt keinen rechtlichen Vater zuweist und es damit nicht um die Auswahl zwischen mehreren in Betracht kommenden Vätern geht. Die gänzliche rechtliche Vaterlosigkeit ist indessen ein - auch kollisionsrechtlich - unerwünschter Zustand, der durch die nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB eröffnete Mehrfachanknüpfung gerade vermieden werden soll. Darüber, dass eine durch ein alternativ berufenes Auslandsrecht ermöglichte Vater-Kind-Zuordnung aufgrund geschiedener Ehe der völligen Vaterlosigkeit vorzuziehen ist, besteht - soweit ersichtlich - in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit (so ausdrücklich MünchKomm/Helms BGB 6. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 20; jurisPK-BGB/Gärtner/Duden [Stand: Dezember 2015] Art. 19 EGBGB Rn. 62), und zwar auch bei den Vertretern derjenigen Ansichten, die dem von der herrschenden Meinung bevorzugten (strengen) Prioritätsgrundsatz im Ausgangspunkt nicht folgen wollen (vgl. insbesondere Dethloff IPrax 2005, 325, 329; Staudinger/Henrich BGB [2014] Art. 19 EGBGB Rn. 37; Henrich FamRZ 2016, 926). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde spielt es auch keine entscheidende Rolle, dass dem Kind bei einer Vater-Kind-Zuordnung aufgrund nachwirkender Vaterschaftsvermutung mit dem geschiedenen Ehemann der Mutter häufig ein Vater zugewiesen wird, der - wie es auch in diesem Fall zu sein scheint - nicht der Erzeuger des Kindes ist. Insoweit ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass auch dem deutschen Abstammungsrecht - insbesondere bei der Ehelichkeitsvermutung des § 1592 Nr. 1 BGB - Vater-Kind-Zuordnungen geläufig sind, die zwar auf einer typisierten Vaterschaftswahrscheinlichkeit beruhen, aber fehlerhafte Zuordnungen vorbehaltlich bestehender Anfechtungsmöglichkeiten bewusst in Kauf nehmen.

16

d) Die angefochtene Entscheidung begegnet auch insoweit keinen rechtlichen Bedenken, als das Beschwerdegericht keine weiteren Erwägungen zu möglichen Rückverweisungen durch das internationale Privatrecht der Türkei angestellt hat. Denn es kann im Ergebnis offen bleiben, ob es sich bei der Verweisung in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB um eine Gesamtverweisung oder um eine Sachnormverweisung handelt (vgl. Staudinger/Henrich BGB [2014] Art. 19 EGBGB Rn. 27 mit Nachweisen zum Streitstand) und ob das türkische Kollisionsrecht möglicherweise wieder in das deutsche Recht zurückverwiesen hätte. Die alternative Anknüpfung in Art. 19 Abs. 1 EGBGB verfolgt gerade das Ziel, die Feststellung der Abstammung auch in solchen Fällen zu ermöglichen, in denen nach einem der in Frage kommenden Rechte die Feststellung ausgeschlossen wäre. Eine Rückverweisung durch das nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 oder 3 EGBGB berufene Recht bleibt nach einhelliger und zutreffender Meinung jedenfalls dann unbeachtlich, wenn durch die Annahme der Rückverweisung die Möglichkeit einer Feststellung der Abstammung entfiele (vgl. OLG Nürnberg FamRZ 2005, 1697, 1698; OLG Celle FamRZ 2011, 1518, 1520; BeckOK BGB/Heiderhoff [Stand: Mai 2016] Art. 19 EGBGB Rn. 30; MünchKommBGB/Helms 6. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 29). Auch die Rechtsbeschwerde erinnert hiergegen nichts.

17

2. Gemessen daran hat die Rechtsbeschwerde auch keine Aussicht auf Erfolg. Da der Antragsteller im Übrigen keine Tatsachen vorgetragen hat, welche die Herabsetzung des im Unterhaltsfestsetzungsbeschluss titulierten Kindesunterhalts rechtfertigen könnten, kommt es auf die vom Beschwerdegericht offengelassene Frage nach der Einhaltung der Frist des § 240 Abs. 2 Satz 1 FamFG nicht an.

Dose                      Schilling                       Günter

              Botur                          Krüger

Hinweis: Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist durch Rücknahme der Rechtsbeschwerde erledigt worden.

Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt.

(1) Durch die Geburt erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ist bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger und ist zur Begründung der Abstammung nach den deutschen Gesetzen die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich, so bedarf es zur Geltendmachung des Erwerbs einer nach den deutschen Gesetzen wirksamen Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft; die Anerkennungserklärung muß abgegeben oder das Feststellungsverfahren muß eingeleitet sein, bevor das Kind das 23. Lebensjahr vollendet hat.

(2) Ein Kind, das im Inland aufgefunden wird (Findelkind), gilt bis zum Beweis des Gegenteils als Kind eines Deutschen. Satz 1 ist auf ein vertraulich geborenes Kind nach § 25 Absatz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes entsprechend anzuwenden.

(3) Durch die Geburt im Inland erwirbt ein Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil

1.
seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (BGBl. 2001 II S. 810) besitzt.
Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wird in dem Geburtenregister, in dem die Geburt des Kindes beurkundet ist, eingetragen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften über das Verfahren zur Eintragung des Erwerbs der Staatsangehörigkeit nach Satz 1 zu erlassen.

(4) Die deutsche Staatsangehörigkeit wird nicht nach Absatz 1 erworben bei Geburt im Ausland, wenn der deutsche Elternteil nach dem 31. Dezember 1999 im Ausland geboren wurde und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, es sei denn, das Kind würde sonst staatenlos. Die Rechtsfolge nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn innerhalb eines Jahres nach der Geburt des Kindes ein Antrag nach § 36 des Personenstandsgesetzes auf Beurkundung der Geburt im Geburtenregister gestellt wird; zur Fristwahrung genügt es auch, wenn der Antrag in dieser Frist bei der zuständigen Auslandsvertretung eingeht. Sind beide Elternteile deutsche Staatsangehörige, so tritt die Rechtsfolge des Satzes 1 nur ein, wenn beide die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. Für den Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes und nach § 15 ist die Rechtsfolge nach Satz 1 unbeachtlich.

(5) Absatz 4 Satz 1 gilt nicht

1.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, der die deutsche Staatsangehörigkeit nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 erworben hat, und
2.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, wenn dieser ohne den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit einen Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 gehabt hätte.

28
b) Eine Vaterschaftsfeststellung vor der Geburt des Kindes sieht das deutsche Abstammungsrecht nicht vor. Nach § 1592 BGB ist der Mann Vater eines Kindes, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft nach § 1600 d BGB oder § 182 Abs. 1 FamFG gerichtlich festgestellt ist. Die Vaterschaft aufgrund ehelicher Geburt (§ 1592 Nr. 1 BGB) ist dabei gegenüber den beiden anderen Alternativen logisch vorrangig, weil bei aufgrund ehelicher Geburt bestehender Vaterschaft im Zeitpunkt der Geburt grundsätzlich weder eine Vaterschaft aufgrund Anerkennung noch eine aufgrund gerichtlicher Feststellung möglich sind, §§ 1594 Abs. 2, 1600 d Abs. 1 BGB (jurisPK-BGB/Nickel [Stand: 19. Januar 2015] § 1592 Rn. 21; MünchKommBGB/Wellenhofer 6. Aufl. § 1592 Rn. 14).

Tenor

1. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen, weil die mit der Rechtsbeschwerde beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

2. Der Senat beabsichtigt, die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 11. Januar 2016 durch Beschluss nach § 74 a Abs. 1 FamFG zurückzuweisen.

3. Den Beteiligten wird Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 20. September 2016 gegeben.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Abänderung eines im vereinfachten Verfahren errichteten Titels über Kindesunterhalt für das im Mai 2011 geborene Kind M.

2

Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger. Seine Ehe mit der Kindesmutter, die ebenfalls die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, wurde durch Beschluss des Amtsgerichts P. vom 19. April 2011 - rechtskräftig seit diesem Tag - geschieden. Es ist in diesem Verfahren unstreitig, dass der Antragsteller nicht der biologische Vater des etwa vier Wochen nach Rechtskraft der Scheidung geborenen Kindes M. ist, welches sich seit seiner Geburt ebenfalls in Deutschland aufhält.

3

Der Antragsteller leitete im Jahr 2012 vor dem Amtsgericht B. ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren ein. Auf den in diesem Verfahren erteilten gerichtlichen Hinweis, dass "nicht ersichtlich sei, was die Vaterschaft begründe", nahm der Antragsteller seinen Antrag auf Anfechtung der Vaterschaft zurück.

4

Der Antragsgegner, der für das Kind M. fortlaufend Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erbringt, hat den Antragsteller aus übergegangenem Recht auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen. Nachdem der Antragsgegner den Antragsteller im Dezember 2011 zur Erteilung von Auskünften über seine Einkommensverhältnisse aufgefordert hatte, wurde der Antragsteller durch Beschluss des Amtsgerichts vom 15. Mai 2014 im vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren nach § 239 FamFG dazu verpflichtet, an den Antragsgegner seit Dezember 2011 rückständigen und laufenden Kindesunterhalt für M. zu zahlen. Seine gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde nahm der Antragsteller am 27. Januar 2015 zurück.

5

Mit dem hier verfahrensgegenständlichen Antrag vom 29. Januar 2015 hat der Antragsteller eine Abänderung des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses dahingehend begehrt, keinen Unterhalt zahlen zu müssen. Zur Begründung hat er sich darauf berufen, dass er nicht der biologische Vater von M. sei und auch nicht als dessen rechtlicher Vater angesehen werden könne. Das Amtsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2016, 924 (mit Anmerkung Henrich FamRZ 2016, 926) veröffentlicht ist, hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

6

Der Senat beabsichtigt, die Rechtsbeschwerde gemäß § 74 a Abs. 1 FamFG zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor und die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

7

1. Im Streitfall stellen sich insbesondere keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn eine durch die Beschwerdeentscheidung aufgeworfene Rechtsfrage zweifelhaft ist, mithin insbesondere dann, wenn sie vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden worden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn dazu in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (Senatsbeschluss vom 24. April 2013 - XII ZR 159/12 - FamRZ 2013, 1199 Rn. 4; BGH Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZR 54/09 - NJW-RR 2010, 1047 Rn. 3). So liegt der Fall hier nicht, und zwar auch nicht in Bezug auf die vom Beschwerdegericht als zulassungsrelevant angesehene Rechtsfrage, wie sich die "konkrete Anwendung des Günstigkeitsprinzips im Rahmen des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 EGBGB" in Fällen auswirkt, in denen "die rechtliche Vaterschaftsfiktion zu widersprechenden Ergebnissen gegenüber der wahrscheinlichen biologischen Abstammung" führt.

8

a) Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt die Abstammung eines Kindes dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Aufenthaltsstatut). Sie kann gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört (Personalstatut), oder, wenn die Mutter verheiratet ist, gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 EGBGB nach dem Recht, dem die allgemeinen Wirkungen ihrer Ehe bei der Geburt nach Art. 14 Abs. 1 EGBGB unterliegen (Ehewirkungsstatut). Der Senat hat bereits ausgesprochen, dass das Personalstatut und das Ehewirkungsstatut dem Aufenthaltsstatut grundsätzlich gleichwertige Zusatzanknüpfungen sind (Senatsurteil BGHZ 168, 79 Rn. 12 = FamRZ 2006, 1745 und Senatsbeschluss vom 20. April 2006 - XII ZB 15/15 - juris Rn. 28).

9

b) Wird ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland nach der Scheidung der Ehe seiner Mutter geboren und könnte es deshalb - insbesondere ohne vorangehende Vaterschaftsanfechtung - nach deutschem Recht von einem Dritten ohne weiteres anerkannt werden, kann dies zu Konflikten mit solchen über Art. 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 EGBGB berufenen Rechtsordnungen führen, die - wie etwa das türkische, griechische oder polnische Recht (weitere Beispiele bei jurisPK-BGB/Gärtner/Duden [Stand: Dezember 2015] Art. 19 EGBGB Rn. 64) - das Kind als Abkömmling des (geschiedenen) Ehemannes ansehen, wenn die Empfängniszeit noch in die Zeit vor Beendigung der Ehe fiel. Zur Auflösung eines solchen Konflikts werden im Wesentlichen drei verschiedene Lösungsansätze vertreten:

10

aa) Nach einer Ansicht soll das Abstammungsstatut in solchen Fällen vorrangig an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes angeknüpft werden, weil der Gesetzgeber Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB einerseits als Regelanknüpfung ausgestaltet habe und der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes andererseits die engste Beziehung zum Sachverhalt aufweise (vgl. Andrae Internationales Familienrecht 3. Aufl. § 5 Rn. 27 und 33 ff.; Dethloff IPrax 2005, 326, 329 f.).

11

bb) Die wohl überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur vertritt mit unterschiedlichen Begründungen die Ansicht, dass diejenige Rechtsordnung maßgeblich sein soll, die dem Kind schon mit der Geburt zu einem Vater verhelfe (Prioritätsgrundsatz). Hierzu wird teilweise auf das Günstigkeitsprinzip rekurriert, weil es dem Wohl des Kindes im Hinblick auf seine unterhalts- und erbrechtliche Absicherung am besten entspreche, wenn ihm schon zum frühestmöglichen Zeitpunkt ein Vater zugeordnet werde (vgl. BayObLG FamRZ 2002, 686, 687; OLG Frankfurt FamRZ 2002, 688, 689; OLG Nürnberg FamRZ 2005, 1697, 1698 und FamRZ 2016, 920, 922; OLG Hamm FamRZ 2014, 1559, 1560 und FamRZ 2009, 126, 128; OLG Köln StAZ 2013, 319, 320; jurisPK-BGB/Gärtner/Duden [Stand: Dezember 2015] Art. 19 EGBGB Rn. 70; NK-BGB/Bischoff 3. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 24). Teilweise wird der Prioritätsgrundsatz nicht aus einem kindeswohlbezogenen Günstigkeitsprinzip, sondern aus dem formalen Ordnungskriterium hergeleitet, dass alle nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen Rechte gleichrangig seien (vgl. Frank StAZ 2009, 65, 67) und diejenige Rechtsordnung, die dem Kind zeitlich als erstes einen Vater zuordne, demzufolge nur durch eine Vaterschaftsanfechtung wieder verdrängt werden könne (vgl. MünchKomm/Helms BGB 6. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 16).

12

Freilich kann der Prioritätsgrundsatz den Wertungskonflikt zwischen verschiedenen gemäß Art. 19 Abs. 1 EGBGB berufenen Rechten für sich genommen nicht auflösen, wenn eine - alle Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllende - pränatale Vaterschaftsanerkennung durch den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes (etwa nach deutschem Recht) mit einer nachwirkenden Vaterschaftsvermutung zugunsten des geschiedenen Ehemannes der Kindesmutter nach dem gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 oder 3 BGB berufenden Auslandsrecht konkurriert. Weisen die alternativ berufenen Rechtsordnungen dem Kind deshalb schon bei der Geburt unterschiedliche Väter zu, wird von der überwiegenden Auffassung nach dem Günstigkeitsprinzip derjenigen Rechtsordnung der Vorzug gegeben, die zum wirklichen Vater des Kindes führt (vgl. hierzu im Einzelnen Staudinger/Henrich BGB [2014] Art. 19 EGBGB Rn. 38; jurisPK-BGB/Gärtner/Duden [Stand: Dezember 2015] Art. 19 EGBGB Rn. 72 ff.).

13

cc) Eine weitere Ansicht meint, dass der Gesichtspunkt der Abstammungswahrheit von vornherein als wesentliches Kriterium des Günstigkeitsprinzips anzusehen und die vorzugswürdige Rechtsordnung deshalb generell diejenige sei, die dem Kind ohne Umwege möglichst schnell und ohne unnötige Kosten zu seinem wirklichen Vater verhelfe (Henrich FamRZ 1998, 1401, 1402). Auf dieser gedanklichen Grundlage soll sich auch eine wirksame postnatale Vaterschaftsanerkennung durch den mutmaßlichen Erzeuger gegenüber der auf einer geschiedenen Ehe gegründeten Vaterschaftsvermutung nach ausländischem Recht durchsetzen können, wenn die Anerkennung der Vaterschaft "zeitnah" nach der Geburt angekündigt wird und die wirksame Vaterschaftsanerkennung im Zeitpunkt der Beurkundung der Geburt durch den Standesbeamten vorliegt (vgl. OLG Karlsruhe [11. Zivilsenat] FamRZ 2015, 1636, 1638; AG Karlsruhe FamRZ 2007, 1585, 1586; AG Regensburg FamRZ 2003, 1856, 1857; Staudinger/Henrich BGB [2014] Art. 19 EGBGB Rn. 38; vgl. auch AG Hannover FamRZ 2002, 1722, 1724 f.).

14

c) Der Senat hat zwar bislang offengelassen, in welchem Verhältnis die Anknüpfungsalternativen zueinander stehen, wenn diese zu unterschiedlichen Eltern-Kind-Zuordnungen führen, und welcher Alternative im Konkurrenzfall der Vorrang gebührt (vgl. Senatsbeschluss vom 20. April 2016 - XII ZB 15/15 - FamRZ 2016, 1251 Rn. 29). Diese Frage stellt sich unter den hier obwaltenden Umständen allerdings nicht. Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts ist die Anerkennung der Vaterschaft für das Kind M. durch einen anderen Mann weder erfolgt noch beabsichtigt. Die nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB vorzunehmende Anknüpfung des Abstammungsstatuts an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in Deutschland würde deshalb dazu führen, dass dem Kind M. überhaupt kein Vater zugeordnet werden könnte, weil die Mutter von M. zum Zeitpunkt der Geburt nicht mehr verheiratet war (§ 1592 Nr. 1 BGB) und weder eine Anerkennung der Vaterschaft durch einen anderen Mann (§ 1592 Nr. 2 BGB) noch eine gerichtliche Vaterschaftsfeststellung (§ 1592 Nr. 3 BGB) vorliegen. Demgegenüber würde die Anknüpfung an das Personalstatut des Antragstellers gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB nach den zutreffenden Ausführungen des Beschwerdegerichts dazu führen, dass dem Kind M. der Antragsteller als rechtlicher Vater zugeordnet wird, weil der geschiedene Ehemann nach Art. 285 Abs. 1 des türkischen Zivilgesetzbuches auch dann noch als rechtlicher Vater des Kindes gilt, wenn dieses von der geschiedenen Ehefrau - wie es hier der Fall ist - vor Ablauf von 300 Tagen nach Beendigung der Ehe geboren worden ist.

15

Bei einer solchen Sachverhaltskonstellation kommt es folglich schon nicht dazu, dass die verschiedenen Anknüpfungsalternativen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB zu unterschiedlichen Vater-Kind-Zuordnungen führen, weil das nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB berufene deutsche Aufenthaltsrecht dem Kind M. überhaupt keinen rechtlichen Vater zuweist und es damit nicht um die Auswahl zwischen mehreren in Betracht kommenden Vätern geht. Die gänzliche rechtliche Vaterlosigkeit ist indessen ein - auch kollisionsrechtlich - unerwünschter Zustand, der durch die nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB eröffnete Mehrfachanknüpfung gerade vermieden werden soll. Darüber, dass eine durch ein alternativ berufenes Auslandsrecht ermöglichte Vater-Kind-Zuordnung aufgrund geschiedener Ehe der völligen Vaterlosigkeit vorzuziehen ist, besteht - soweit ersichtlich - in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit (so ausdrücklich MünchKomm/Helms BGB 6. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 20; jurisPK-BGB/Gärtner/Duden [Stand: Dezember 2015] Art. 19 EGBGB Rn. 62), und zwar auch bei den Vertretern derjenigen Ansichten, die dem von der herrschenden Meinung bevorzugten (strengen) Prioritätsgrundsatz im Ausgangspunkt nicht folgen wollen (vgl. insbesondere Dethloff IPrax 2005, 325, 329; Staudinger/Henrich BGB [2014] Art. 19 EGBGB Rn. 37; Henrich FamRZ 2016, 926). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde spielt es auch keine entscheidende Rolle, dass dem Kind bei einer Vater-Kind-Zuordnung aufgrund nachwirkender Vaterschaftsvermutung mit dem geschiedenen Ehemann der Mutter häufig ein Vater zugewiesen wird, der - wie es auch in diesem Fall zu sein scheint - nicht der Erzeuger des Kindes ist. Insoweit ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass auch dem deutschen Abstammungsrecht - insbesondere bei der Ehelichkeitsvermutung des § 1592 Nr. 1 BGB - Vater-Kind-Zuordnungen geläufig sind, die zwar auf einer typisierten Vaterschaftswahrscheinlichkeit beruhen, aber fehlerhafte Zuordnungen vorbehaltlich bestehender Anfechtungsmöglichkeiten bewusst in Kauf nehmen.

16

d) Die angefochtene Entscheidung begegnet auch insoweit keinen rechtlichen Bedenken, als das Beschwerdegericht keine weiteren Erwägungen zu möglichen Rückverweisungen durch das internationale Privatrecht der Türkei angestellt hat. Denn es kann im Ergebnis offen bleiben, ob es sich bei der Verweisung in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB um eine Gesamtverweisung oder um eine Sachnormverweisung handelt (vgl. Staudinger/Henrich BGB [2014] Art. 19 EGBGB Rn. 27 mit Nachweisen zum Streitstand) und ob das türkische Kollisionsrecht möglicherweise wieder in das deutsche Recht zurückverwiesen hätte. Die alternative Anknüpfung in Art. 19 Abs. 1 EGBGB verfolgt gerade das Ziel, die Feststellung der Abstammung auch in solchen Fällen zu ermöglichen, in denen nach einem der in Frage kommenden Rechte die Feststellung ausgeschlossen wäre. Eine Rückverweisung durch das nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 oder 3 EGBGB berufene Recht bleibt nach einhelliger und zutreffender Meinung jedenfalls dann unbeachtlich, wenn durch die Annahme der Rückverweisung die Möglichkeit einer Feststellung der Abstammung entfiele (vgl. OLG Nürnberg FamRZ 2005, 1697, 1698; OLG Celle FamRZ 2011, 1518, 1520; BeckOK BGB/Heiderhoff [Stand: Mai 2016] Art. 19 EGBGB Rn. 30; MünchKommBGB/Helms 6. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 29). Auch die Rechtsbeschwerde erinnert hiergegen nichts.

17

2. Gemessen daran hat die Rechtsbeschwerde auch keine Aussicht auf Erfolg. Da der Antragsteller im Übrigen keine Tatsachen vorgetragen hat, welche die Herabsetzung des im Unterhaltsfestsetzungsbeschluss titulierten Kindesunterhalts rechtfertigen könnten, kommt es auf die vom Beschwerdegericht offengelassene Frage nach der Einhaltung der Frist des § 240 Abs. 2 Satz 1 FamFG nicht an.

Dose                      Schilling                       Günter

              Botur                          Krüger

Hinweis: Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist durch Rücknahme der Rechtsbeschwerde erledigt worden.

(1) Die Rechtswirkungen der Anerkennung können, soweit sich nicht aus dem Gesetz anderes ergibt, erst von dem Zeitpunkt an geltend gemacht werden, zu dem die Anerkennung wirksam wird.

(2) Eine Anerkennung der Vaterschaft ist nicht wirksam, solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht.

(3) Eine Anerkennung unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung ist unwirksam.

(4) Die Anerkennung ist schon vor der Geburt des Kindes zulässig.

(1) § 1592 Nr. 1 und 2 und § 1593 gelten nicht, wenn auf Grund einer Anfechtung rechtskräftig festgestellt ist, dass der Mann nicht der Vater des Kindes ist.

(2) § 1592 Nr. 1 und § 1593 gelten auch nicht, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wird und ein Dritter spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses die Vaterschaft anerkennt; § 1594 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Neben den nach den §§ 1595 und 1596 notwendigen Erklärungen bedarf die Anerkennung der Zustimmung des Mannes, der im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist; für diese Zustimmung gelten § 1594 Abs. 3 und 4, § 1596 Abs. 1 Satz 1 bis 3, Abs. 3 und 4, § 1597 Abs. 1 und 2 und § 1598 Abs. 1 entsprechend. Die Anerkennung wird frühestens mit Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses wirksam.