Bundesgerichtshof Urteil, 08. Feb. 2012 - 1 StR 427/11

bei uns veröffentlicht am08.02.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 427/11
vom
8. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
8. Februar 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizangestellte - in der Verhandlung -,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 24. Mai 2011, soweit es den Angeklagten H. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch zum Tatkomplex IV.B.2 der Urteilsgründe unter Aufrechterhaltung der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen,
b) soweit der Angeklagte vom Vorwurf eines Sexualdelikts freigesprochen worden ist, und
c) im gesamten Strafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht (Jugendkammer) hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen - vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (Tatkomplex B.II der Urteilsgründe) sowie wegen - Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Nötigung in Tateinheit mit Beihilfe zur dreifachen Nötigung, zur zweifachen gefährlichen Körperverletzung und zur Körperverletzung (Tatkomplex B.IV der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
2
Mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft den Teilfreispruch vom Vorwurf eines Sexualdelikts und rügt zudem Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten im Schuld- und Strafausspruch. Erkennbar vom Revisionsangriff ausgenommen sind die Schuldsprüche im Tatkomplex B.II (Betäubungsmitteldelikt und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ) und im Fall B.IV.1 der Urteilsgründe (Körperverletzung), die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im Tatkomplex B.IV.2 der Urteilsgründe sowie der weitergehende Teilfreispruch von den Vorwürfen des Diebstahls und der räuberischen Erpressung. Das vom Generalbundesanwalt weitgehend vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3
1. Zum Tatgeschehen hat das Landgericht Folgendes festgestellt:
4
a) Tatkomplex B.II der Urteilsgründe
5
Am 20. April 2010 führte der Angeklagte in einem Pkw als Beifahrer mindestens 0,1 Gramm Crystal-Speed mit einem Mindestwirkstoffgehalt von 30% Metamphetaminbase, das er zuvor in der Tschechischen Republik zum Eigenkonsum erworben hatte, über den Grenzübergang Selb/Asch in die Bundesrepublik Deutschland ein.
6
Als er bei der Einreise einer Kontrolle durch Zollbeamte unterzogen werden sollte, steckte er das in einem kleinen Tütchen mitgeführte Rauschgift in den Mund. Nachdem er von den Beamten aufgefordert worden war, seinen Mundinhalt vorzuzeigen, versuchte er zu fliehen. Als die Beamten ihn festhalten wollten, widersetzte er sich, schlug um sich und versuchte sich loszureißen. Nur unter Aufbietung aller Kräfte gelang es den Beamten, den Angeklagten am Boden zu fixieren und zu fesseln. Dem Angeklagten gelang es allerdings noch während der Auseinandersetzung, das Plastiktütchen zu zerbeißen und das Rauschgift zu schlucken.
7
b) Tatkomplex B.IV der Urteilsgründe
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Am 28. Juli 2010 befand sich der Angeklagte zusammen mit dem Mitangeklagten Ho. sowie B. und dem Geschädigten S. in der Justizvollzugsanstalt Hof in Strafhaft in einer Gemeinschaftszelle.
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aa) Fall B.IV.1
10
Gegen 19.45 Uhr kam es zwischen den Insassen zu einer Auseinandersetzung über Radio und Fernsehen in der Zelle, ohne dass der nähere Ablauf festgestellt werden konnte. Nicht ausschließbar bezeichnete dabei der Geschädigte S. den Angeklagten als „Hurensohn“, worauf der Angeklagte ohne Vorwarnung dem Geschädigten mit der Faust ins Gesicht schlug. Hierbei traf er dessen rechte Wange, sodass dieser, wie vom Angeklagten beabsichtigt , erhebliche Schmerzen verspürte.
11
bb) Fall B.IV.2a
12
Der Mitangeklagte Ho. begab sich nun ebenfalls zum Geschädigten und forderte ihn auf, sich körperlich zu wehren, was dieser jedoch ablehnte. Diese Weigerung erregte den Mitangeklagten derart, dass er mit der Aussage „Opfer darf man schlagen“ nun seinerseits plötzlich mindestens zweimal dem Geschä- digten mit der Faust ins Gesicht schlug. Zudem versetzte er ihm einen Kniestoß in die Rippen, sodass der Geschädigte vom Stuhl auf den Boden fiel. Als er am Boden lag, schlugen der Angeklagte und Ho. gleichzeitig mit den Fäusten auf ihn ein, sodass er am Oberkörper weitere Schmerzen erlitt.
13
cc) Fall B.IV.2b
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Anschließend forderten Ho. und der Angeklagte den Geschädigten unter Androhung weiterer Schläge auf, sich auf die Toilette zu begeben und dort zu bleiben. Während dieser Zeit räumte der Mitangeklagte Ho. den Spind des Geschädigten aus.
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Nach etwa 15 bis 20 Minuten forderten Ho. und der Angeklagte den Geschädigten auf, aus der Toilette zu kommen und den gesamten Zellenbereich einschließlich Toilette und Waschbecken sofort zu reinigen. Dieser Aufforderung kam der Geschädigte aus Furcht vor weiteren Schlägen des Mitangeklagten Ho. und auch des Angeklagten nach.
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dd) Fall B.IV.2c
17
Während des nun folgenden, sich über zwei bis drei Stunden hinziehenden Geschehens lief der Angeklagte - soweit er sich nicht unmittelbar an dem Geschehen beteiligte - in der Zelle auf und ab oder hielt sich am Fenster auf. Er nahm das Vorgehen des Mitangeklagten Ho. wahr, griff aber nicht in dieses ein, weil er keinen Anlass sah, dem Geschädigten zu helfen. Insbesondere betätigte er nicht die in der Zelle angebrachte Notrufanlage und drohte auch nicht mit ihrer Betätigung, obwohl ihm klar war, dass er mit seinem Untätigbleiben das Verhalten des Mitangeklagten Ho. begünstigte. Er war sich auch bewusst, dass er durch seine gemeinsam mit Ho. verübten Schläge erheblich dazu beigetragen hatte, dass der Geschädigte eingeschüchtert war und die folgenden Misshandlungen aus Furcht vor weiteren Schlägen über sich ergehen ließ.
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Der weitere Zelleninsasse B. lag während der folgenden Geschehnisse auf seinem Doppelstockbett und verhielt sich teils aus Desinteresse , teils aus Angst, selbst geschlagen zu werden, völlig passiv.
19
„Irgendwann“ nach der Zellenreinigung erklärte der Mitangeklagte Ho. dem Geschädigten, dass dieser jetzt von ihm einen „Opferschnitt“ verpasst bekäme. Der Geschädigte musste sich auf seine Anweisung hin auf einen Stuhl setzen, auf dem ihn Ho. rasierte, um ihn zu demütigen und vor sämtlichen Mit- angeklagten als „Opfer“ bloßzustellen. Ho. rasierte ihm mit einem Einwegrasie- rer die Augenbrauen weg sowie von hinten nach vorn und von Ohr zu Ohr ein mehrere Zentimeter breites Kreuz in die Haare. Dabei erlitt der Geschädigte eine Vielzahl blutender Schürfwunden, die ihm erhebliche Schmerzen bereiteten. Er erduldete dieses Vorgehen, da er - wie von Ho. ausdrücklich angedroht - andernfalls weitere Schläge befürchten musste.
20
ee) Fall B.IV.2d
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„Einige Zeit“ später fesselte der Mitangeklagte Ho. nochmit einer Paketschnur den linken Arm des Geschädigten an dessen linken Oberschenkel. Sodann musste sich der Geschädigte mit einer mit Seife gefüllten Socke selbst schlagen. Als er nach Ansicht des Ho. nicht fest genug zuschlug, versetzte dieser ihm noch weitere starke und schmerzvolle Schläge auf den Oberkörper.
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ff) Fall B.IV.2e
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Wiederum „einige Zeit” später geriet der Mitangeklagte Ho. erneut in Wut. Er forderte den Geschädigten auf, sich zu entkleiden, und zog über den Zellenbesen eine Plastiktüte, die mit Duschgel oder Handcreme eingerieben wurde. Den so präparierten Besen reichte der Mitangeklagte Ho. dem Geschädigten unter Androhung weiterer Schläge mit der Aufforderung, sich diesen rektal einzuführen. Der Geschädigte, der erhebliche Angst hatte, kam dem nach und führte sich den Besenstiel mindestens einmal in gebückter Stellung für wenige Sekunden in seinen After ein.
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Anschließend musste er sich auf Geheiß des Mitangeklagten Ho. auf den Boden legen und den Vorgang wiederholen. Hierbei ergriff der Mitangeklagte Ho. unvermittelt selbst den Besen und versuchte, diesen kräftig in den After des Geschädigten nachzudrücken. Dem Geschädigten gelang es jedoch, das Ende des Stiels so zu führen, dass der Besenstiel dabei nicht in seinen After eindrang, sondern daneben vorbei auf den Boden rutschte. Auch hiermit wollte der Mitangeklagte Ho. dem Geschädigten seine Hilflosigkeit und seine Opferrolle demonstrieren und ihn gegenüber den Zellengenossen als minderwertig darstellen.
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gg) Fall B.IV.2f
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Danach griff der Angeklagte, der sich am vorherigen Geschehen nicht aktiv oder kommunikativ beteiligt hatte, den Geschädigten mit dem Zellenschrubber an und schlug ihm mehrfach mit dem Stiel derart heftig auf den Rücken , dass der Stiel schließlich durchbrach. Der Geschädigte erlitt heftige Schmerzen und einige mehrere Zentimeter lange Hämatome am Rücken, auf denen sich die Form des Schrubberstiels abzeichnete.
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hh) Fall B.IV.2g
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Nachdem der Angeklagte und der Mitangeklagte Ho. zunächst aufgehört hatten, den Geschädigten zu misshandeln, zwang ihn der Mitangeklagte Ho. unter Androhung weiterer Schläge, den Inhalt des Zigarettenaschenbechers in den Mund zu schütten und herunterzuschlucken.
29
ii) Fall B.IV.2h
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Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Laufe der Ereignisse versetzten die Angeklagten dem vor dem Zellenspiegel stehenden Geschädigten gemeinsam weitere schmerzhafte Faustschläge gegen den Oberkörper und bespuckten ihn.
31
jj) Fall B.IV.2i
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Schließlich musste sich der Geschädigte auf Weisung des Mitangeklagten Ho. zu einem ebenfalls nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt auf eine Wäschekiste setzen und musste – zur weiteren Demütigung – unter Androhung weiterer Schläge auf Familienfotos, seinen Verlobungsring und andere persönliche Gegenstände spucken.
33
Erst gegen 23.00 Uhr ließen der Angeklagte und der Mitangeklagte Ho. von dem Geschädigten ab, forderten ihn aber nachdrücklich unter Hinweis auf drohende Nachteile für seine Familie auf, über das Geschehene Stillschweigen zu wahren. Im Laufe dieses Geschehens war es immer wieder zu Pausen gekommen , in denen sich nichts ereignete. Der Entschluss, den Geschädigten nun nicht mehr weiter anzugehen, wurde erst gegen 23.00 Uhr gefasst. Infolge der Misshandlungen befand sich der Geschädigte vier Wochen auf der Krankenstation des Gefängnisses.
34
Das Landgericht konnte sich keine Überzeugung dahingehend bilden, dass der Angeklagte und der Mitangeklagte Ho. - als sich der Geschädigte auf der Toilette befand - eine Absprache getroffen haben, den Geschädigten weiter zu misshandeln und zu demütigen. Das gilt insbesondere auch für die Misshandlung des Geschädigten mit dem Zellenbesen.
35
2. Im Tatkomplex B.IV hat das Landgericht den Angeklagten wegen Körperverletzung (Fall B.IV.1) in Tatmehrheit mit drei tateinheitlichen Fällen der gefährlichen Körperverletzung (Fälle B.IV.2a, 2f, 2h) in Tateinheit mit Nötigung (Fall B.IV.2b) in Tateinheit mit Beihilfe durch Unterlassen zur dreifachen Nötigung , zur zweifachen gefährlichen Körperverletzung und zur Körperverletzung (Fälle B.IV.2c, 2d, 2e, 1. Geschehensabschnitt, 2g, 2i) schuldig gesprochen.
36
a) Eine mittäterschaftliche Beteiligung des Angeklagten an den vom Mitangeklagten Ho. ausgeführten Handlungen hat das Landgericht verneint. Der Angeklagte habe sich an weiten Teilen des Geschehens weder aktiv beteiligt noch dieses durch Anfeuerung oder verbales Bestärken des Mitangeklagten gefördert. Er habe keinerlei Tatherrschaft bei der Ausführung der Delikte gehabt , die vom Mitangeklagten Ho. eigenständig vorgenommen worden seien. Eine Absprache oder ein eigenes Interesse an den Taten des Mitangeklagten konnte das Landgericht ebenfalls nicht feststellen (UA S. 28, 31).
37
b) Das Landgericht hat aber hinsichtlich der Taten, bei denen der Angeklagte nicht selbst aktiv wurde, eine psychische Beihilfe durch Unterlassen angenommen. Es ist davon überzeugt, dass der Angeklagte mit seinem Untätigbleiben das Verhalten des Mitangeklagten psychisch unterstützen wollte. Aus der Gesamtschau der Ereignisse hat es geschlossen, dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass er durch seine Beteiligung am Anfang des Geschehens dem Mitangeklagten und dem Geschädigten das Gefühl vermittelt habe, es stünden zwei Mann gegen einen, und dass der Geschädigte deshalb aus Angst vor weiteren Schlägen auch vom Angeklagten die ihm zugefügten Demütigungen dulden würde (UA S. 28). Damit habe der Angeklagte durch sein eigenes Zuschlagen zu Beginn des Geschehens dem Geschädigten zu erkennen gegeben, dass er das Verhalten des Mitangeklagten billige und dass der Geschädigte sich nicht nur einem Gegner gegenüber sehe. Mit diesem Verhalten habe der Angeklagte eine Garantenstellung im Sinne einesvorangegangenen gefährlichen Tuns begründet.
38
c) Im Tatkomplex B.IV.2 der Urteilsgründe hat das Landgericht ein einheitliches Geschehen im Sinne einer Tateinheit (§ 52 StGB) angenommen. Auch wenn das Tatgeschehen von Phasen vorübergehend fehlender Aktivität gekennzeichnet gewesen sei, habe der Mitangeklagte zu keinem Zeitpunkt seinen Plan, den Geschädigten zu demütigen, aufgegeben. Auch dem Angeklagten sei es von Anfang an gleichgültig gewesen, ob und in welcher Form der Mitangeklagte den Geschädigten weiter traktieren würde.
39
3. Abgesehen von den vom Revisionsangriff ausgenommenen Vorwürfen des Diebstahls und der räuberischen Erpressung im Hinblick auf persönliche Habe des Geschädigten hat das Landgericht den Angeklagten auchvom Vorwurf der Beteiligung an dem vom Mitangeklagten Ho. mit einem Besenstiel begangenen Sexualdelikt (Fall B.IV.2e, 2. Geschehensabschnitt) aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Dieses Geschehen sei schon nach Sekunden wieder beendet gewesen, sodass der Angeklagte keine Möglichkeit zum Eingreifen gehabt habe. Er habe damit diese Tat des Mitangeklagten Ho. schon objektiv nicht gefördert (UA S. 29, 37).

II.

40
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils hinsichtlich des Teilfreispruchs vom Vorwurf der Beteiligung am Sexualdelikt des Mitangeklagten Ho. , des Schuldspruchs im Tatkomplex B.IV.2 sowie im gesamten Strafausspruch. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im Tatkomplex B.IV.2 sind vom Revisionsangriff ausgenommen und bleiben deshalb bestehen. Rechtsfehler zum Nachteil (§ 301 StPO) des Angeklagten sind nicht vorhanden.
41
1. Im Ansatz zutreffend hat das Landgericht die von dem Angeklagten im Tatkomplex B.IV.2 der Urteilsgründe zum Nachteil des Geschädigten begangenen Taten als einheitliches Geschehen im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit bewertet.
42
Eine natürliche Handlungseinheit setzt voraus, dass zwischen mehreren strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen, die von einem einheitlichen Willen getragen werden, ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht und das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen „objektiven“ Dritten als ein einheitliches Tun erscheint (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1991 - 2 StR 321/90, BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit Entschluss, einheitlicher 4; BGH, Urteil vom 19. November 2009 - 3 StR 87/09; BGH, Urteil vom 25. September 1997 - 1 StR 481/97, NStZ-RR 1998, 68, 69; vgl. auch die weiteren Nachweise bei Fischer, StGB, 59. Aufl., Vor § 52 Rn. 3).
43
Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen durfte das Landgericht hier ausgehen , denn der erforderliche zeitliche Zusammenhang wurde nicht dadurch beseitigt, dass die einzelnen strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen in einem gewissen zeitlichen Abstand erfolgten. Vielmehr war das mehraktige Geschehen zum einen von einem einheitlichen Willen, den Geschädigten zu demütigen (UA S. 32), getragen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 26. Juli 1995 - 4 StR 401/95; BGH, Urteil vom 30. Januar 1991 - 2 StR 321/90, BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit Entschluss, einheitlicher 4), zum anderen befand sich der Geschädigte in einer fortdauernden Zwangslage und konnte sich als in einer Gemeinschaftszelle untergebrachter Strafgefangener auch nicht frei bewegen, was der Angeklagte und der Mitangeklagte Ho. bei den Verletzungshandlungen ausnutzten (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2001 - 1 StR 232/01, StV 2002, 21 mwN). Die mehrfachen Pausen aktiver Einwirkung auf den Geschädigten stellten - entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft - keine Zäsuren dar, zumal sich der Geschädigte unter der fortwirkenden Androhung weiterer Schläge in der abgeschlossenen Gefängniszelle dem Geschehen zu keinem Zeitpunkt entziehen konnte. Selbst die (theoretische) Möglichkeit , zu versuchen, durch Drücken des Notrufknopfes weitere Gewalt gegen ihn zu unterbinden, konnte angesichts der Einschüchterung des Geschädigten durch die vorangegangenen Gewalthandlungen die das Geschehen verbindende Zwangssituation nicht beseitigen. Das einheitliche Geschehen zum Nachteil des Geschädigten fand erst dann seinen Abschluss, als der Mitangeklagte Ho. und mit ihm auch der Angeklagte gegen 23.00 Uhr den Entschluss fassten, den Geschädigten nun nicht mehr weiter anzugehen (UA S. 23).
44
2. Gleichwohl kann der Schuldspruch im Tatkomplex B.IV.2 keinen Bestand haben, denn das Landgericht hat in den Fällen, in denen sich der Angeklagte nicht aktiv am Geschehen beteiligte, sondern in der Zelle umherlief oder zum Zellenfenster hinaussah, rechtsfehlerhaft eine mittäterschaftliche Tatbegehung verneint.
45
a) Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. Januar 1991 - 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291 mwN). In Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof dem Tatrichter für die ihm obliegende Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Lässt das angefochtene Urteil erkennen, dass der Tatrichter die genannten Maßstäbe gesehen und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre oder sogar näher gelegen hätte (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 30. Juni 2005 - 5 StR 12/05, wistra 2005, 380, 381).
46
b) Das Landgericht hat diese Maßstäbe zwar erkannt; es hat aber den Sachverhalt nicht vollständig gewürdigt, weil es die erforderliche Gesamtbetrachtung der Tathandlungen nicht vorgenommen hat.
47
Dadurch hat sich das Landgericht den Blick dafür verstellt, dass der Angeklagte nach den Feststellungen durch seine Beteiligung am Anfang des Geschehens bewusst sowohl dem Geschädigten als auch dem Mitangeklagten Ho. das Gefühl vermittelt hatte, zwei Mann stünden gegen einen. Ihm war von Anfang an auch bewusst, dass der Geschädigte aus Angst vor weiteren Schlägen auch von dem Angeklagten die ihm zugefügten Demütigungen dulden würde (UA S. 28). Damit hat er aktiv an der Schaffung einer Bedrohungssituation mitgewirkt, welche die Tathandlungen des Mitangeklagten Ho. ermöglichte, zumindest aber förderte. Diese von ihm mitgeschaffene Bedrohungssituation bestand auch dann fort, wenn der Angeklagte lediglich in der Zelle auf- und abging oder sich am Fenster aufhielt (UA S. 17, 28).
48
Die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe bei den Tathandlungen des Mitangeklagten Ho. lediglich eine untergeordnete Rolle gespielt, blendet rechtsfehlerhaft das Zusammenspiel der jeweiligen Handlungen des Angeklagten und des Mitangeklagten Ho. im Gesamtgeschehen aus. Der Angeklagte hat nicht nur die Situation, dass der Geschädigte sich zwei Gegnern gegenüber sah, bewusst geschaffen, er hat auch jeweils nach Gewalthandlungen des Mitangeklagten Ho. wieder selbst den Geschädigten geschlagen und hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er die Handlungen des Ho. billigt. Auch wenn es „immer wieder zu Pausen“ kam, wurde der Entschluss, den Geschädigten nun nicht mehr anzugehen, erst gegen 23.00 Uhr gefasst. Erst zu diesem Zeitpunkt endete die von dem Angeklagten geschaffene und bis dahin fortbestehende Bedrohungssituation.
49
Die Feststellungen zu den über drei Stunden andauernden und teils gemeinsam , teils einzeln vorgenommenen Einwirkungen des Angeklagten und des Mitangeklagten Ho. auf den Geschädigten belegen damit ein so enges Verhältnis des Angeklagten zu den Taten des Ho., dass sich seine Verurteilung insoweit lediglich als Gehilfe durch Unterlassen als rechtsfehlerhaft erweist. Seine Tatbeiträge fügen sich derart in eine gemeinschaftliche Tat ein, dass der Beitrag des Angeklagten als Teil der Tätigkeit des Mitangeklagten und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils zu bewerten ist. Dass der Angeklagte sich von den Handlungen des Mitangeklagten Ho. distanziert habe, hat das Landgericht nicht festgestellt und wäre mit dem übrigen Tatbild auch nicht vereinbar.
50
3. Angesichts der unrichtigen Bewertung des Gesamtgeschehens im Tatkomplex B.IV.2 kann auch der Teilfreispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Beteiligung an dem vom Mitangeklagten Ho. mit einem Besenstiel begangenen Sexualdelikt (Fall B.IV.2e, 2. Geschehensabschnitt der Urteilsgründe) keinen Bestand haben. Denn das insoweit festgestellte Tatgeschehen kann nur im Lichte der übrigen Taten zutreffend bewertet werden.
51
Waren die übrigen gegen den Geschädigten gerichteten Gewalthandlungen aber von einem Täterwillen des Angeklagten umfasst, lag es fern, dass gerade der Einsatz des Besenstiels gegen den After des Geschädigten nicht vom Willen des Angeklagten getragen sein sollte, zumal der Besenstiel schon vorher zum Einsatz kam und der Angeklagte im Anschluss daran selbst mit dem Zellenschrubber auf den Geschädigten einschlug.
52
Mit dem unzutreffenden Ansatz, es liege lediglich ein Unterlassen des Angeklagten vor, hat sich das Landgericht den Blick für die Frage verstellt, ob eine Handlung wie das Nachschieben des Besenstiels in Richtung des Afters des Geschädigten durch den Mitangeklagten Ho. bereits vorher, als der Angeklagte selbst zuschlug und damit zur Einschüchterung des Geschädigten beitrug , vom Vorsatz des Angeklagten grundsätzlich umfasst war. Für einen Tatvorsatz spricht, dass der Angeklagte während des Tatgeschehens selbst mehrfach heftige Schläge gegen den Geschädigten austeilte, billigte, dass der Geschädigte von dem Mitangeklagten Ho. gezwungen wurde, den Besenstiel in seinen After einzuführen, und sogar noch nach dem „Nachdrücken des Besenstiels“ durch den Mitangeklagten Ho. mit dem Stiel des Zellenschrubbers derart heftig auf den Rücken des Geschädigten einschlug, dass der Zellenschrubber durchbrach (Fall B.IV.2f).
53
Vor diesem Hintergrund ist auch die Wertung des Landgerichts nicht tragfähig, bei diesem Geschehen handele es sich um eine Eskalation, die einem plötzlichen Impuls des Mitangeklagten Ho. entsprang, und mit dem nicht zu rechnen war (UA S. 31).
54
Jedenfalls liegt ein durch den unrichtigen Ansatz des Landgerichts bedingter , durchgreifender Erörterungsmangel zur Frage vor, ob ein vom Vorsatz des Angeklagten nicht umfasster Exzess des Mitangeklagten Ho. gegeben war oder ob - was näher liegt - der Angeklagte von vornherein auch mit einem solchen Vorgehen des Mitangeklagten einverstanden war. Dies gilt zumal angesichts der Erwägung des Landgerichts, dem Angeklagten sei es - soweit er nicht selbst aktiv tätig wurde - von Anfang an gleichgültig gewesen, ob und in welcher Form der Mitangeklagte Ho. den Geschädigten weiter traktieren würde (UA S. 32). Die Jugendkammer hätte daher jedenfalls den Umstand näher erörtern müssen, dass der Angeklagte trotz des nach ihrer Wertung für den Angeklagten unvorhersehbaren Übergriffs des Mitangeklagten auf den Geschädigten im Fall B.IV.2e, 2. Geschehensabschnitt heftig mit eigenen Schlägen in das Geschehen eingegriffen hat, statt sich zu distanzieren.
55
4. Die Teilaufhebung zieht hinsichtlich der betroffenen Taten die Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafen sowie des Gesamtstrafausspruchs nach sich. Der Senat hebt auch die von den Rechtsfehlern nicht betroffenen Einzelstrafen auf, um dem neuen Tatgericht eine einheitliche und bruchlose Strafzumessung zu ermöglichen.
56
5. Im Hinblick darauf, dass das Urteil gegen den Mitangeklagten Ho. rechtskräftig ist, verweist der Senat die Sache im Umfang der Aufhebung an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück. Nack Wahl Graf Jäger Sander

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 08. Feb. 2012 - 1 StR 427/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 08. Feb. 2012 - 1 StR 427/11

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d
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Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

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(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 87/09
vom
19. November 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Geiselnahme u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
24. September 2009 in der Sitzung am 19. November 2009, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
- nur in der Verhandlung vom 24. September 2009 - ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Kl. ,
- nur in der Verhandlung vom 24. September 2009 - ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin T. ,
- nur in der Verhandlung vom 24. September 2009 - ,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten Kl. wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 2. Juli 2008, soweit es ihn betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel, mit besonders schwerer Vergewaltigung, mit schwerer Vergewaltigung in acht rechtlich zusammentreffenden Fällen, mit Vergewaltigung in sechs rechtlich zusammentreffenden Fällen, mit sexueller Nötigung in neun rechtlich zusammentreffenden Fällen und mit Nötigung, der Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel und mit sexueller Nötigung in 24 rechtlich zusammentreffenden Fällen, des schweren Menschenhandels sowie der Verabredung zum schweren Menschenhandel und zur sexuellen Nötigung schuldig ist. Die weitergehende Revision des Angeklagten Kl. und die Revision des Angeklagten K. werden verworfen. 2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten Kl. wegen Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel, mit besonders schwerer Vergewaltigung , mit schwerer Vergewaltigung in acht rechtlich zusammentreffenden Fällen , mit Vergewaltigung in sechs rechtlich zusammentreffenden Fällen und sexueller Nötigung in zehn rechtlich zusammentreffenden Fällen (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin T. ), wegen Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel und mit sexueller Nötigung in 24 rechtlich zusammentreffenden Fällen (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin E. ), wegen schweren Menschenhandels (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin Eg. ) und wegen Verabredung zum schweren Menschenhandel und zur sexuellen Nötigung (Tat zum Nachteil der Zeugin F. ) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt und gegen ihn die Sicherungsverwahrung angeordnet. Den Angeklagten K. hat es wegen Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin T. ), wegen Geiselnahme in Tateinheit mit schwerem Menschenhandel, mit Vergewaltigung in neun rechtlich zusammentreffenden Fällen und mit sexueller Nötigung in 24 rechtlich zusammentreffenden Fällen (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin E. ), wegen schweren Menschenhandels (Tat zum Nachteil der Nebenklägerin Eg. ) und wegen Verabredung zu schwerem Menschenhandel und zur sexuellen Nötigung (Tat zum Nachteil der Zeugin F. ) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es beide Angeklagte freigesprochen. Im Adhäsionsverfahren hat es die Angeklagten verurteilt, als Gesamtschuldner an die Nebenklägerin E. ein Schmerzensgeld in Höhe von 150.000 € nebst Zinsen und an die Nebenklägerin Eg. ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Den Angeklagten Kl. hat es darüber hinaus zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 150.000 € nebst Zinsen an die Nebenklägerin T. verurteilt. Schließlich hat es die Ersatzpflicht der Angeklagten bezüglich weiterer materieller und immaterieller Schäden der Nebenklägerinnen festgestellt. Beide Angeklagten rügen mit ihren Revisionen die Verletzung materiellen Rechts; der Angeklagte Kl. erhebt darüber hinaus eine Verfahrensrüge und beanstandet die im Adhäsionsverfahren getroffene Kostenentscheidung. Sein Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur geringfügigen Änderung des ihn betreffenden Schuldspruchs; im Übrigen hat es keinen Erfolg. Die Revision des Angeklagten K. ist insgesamt unbegründet.
2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Die Angeklagten planten, in einem von dem Angeklagten K. errichteten Einfamilienhaus ein Bordell zu betreiben. Nachdem ihre Bemühungen, Prostituierte anzuwerben, fehlgeschlagen waren, kamen sie überein, jeweils unter einem Vorwand junge Frauen in das Haus zu locken. Dort sollten sie von dem Angeklagten Kl. überwältigt, in das Schlafzimmer im Obergeschoss gebracht und gefesselt werden. Unter Einsatz von Nötigungsmitteln, darunter auch der Drohung mit dem Tode oder einer langandauernden Freiheitsentziehung , sollten sie sodann der Prostitution zugeführt werden.
4
In Ausführung dieses Plans nahmen sie zunächst unter Vorspiegelung des Angebots einer Aushilfstätigkeit zu der Nebenklägerin T. Kontakt auf. Der Angeklagte K. brachte sie in das Haus und entfernte sich. Dort überwältigte der Angeklagte Kl. sie unter Einsatz von Gewalt; in der Folgezeit wurde sie gegen ihren Willen festgehalten. Der Angeklagte Kl. wickelte u. a. den gesamten Körper der Nebenklägerin in Frischhaltefolie ein; aufgrund dessen konnte diese sich nicht mehr bewegen, kaum noch atmen und hatte Todesangst. Er schnitt die Folie erst wieder auf, nachdem die Nebenklägerin ihm zugesagt hatte, alles zu tun, was er verlange. Nach einigen Tagen entschieden die Angeklagten, die Nebenklägerin doch nicht der Prostitution zuzuführen. Statt dessen wollte der Angeklagte Kl. sie zur Freundin haben. Er beging zahlreiche Sexualdelikte zu ihrem Nachteil und forderte sie auf, einen Ersatz als Prostituierte zu finden. Außerdem veranlasste er sie durch den Einsatz massiver Drohungen, zukünftig als "Ausbilderin" der zu überwältigenden Frauen tätig zu werden und diese dabei zu erniedrigen sowie zu fesseln.
5
Unter dem Eindruck der gegen sie eingesetzten zahlreichen Nötigungsmittel ermöglichte die Nebenklägerin den Angeklagten, mit der ihr bekannten Zeugin F. telefonisch Kontakt aufzunehmen. Die Angeklagten beabsichtigten , auch diese Zeugin in das Haus zu locken, sie dort zu überwältigen und durch den Einsatz von Gewalt und Drohungen der Prostitution zuzuführen. Die Zeugin F. wurde jedoch misstrauisch und lehnte schließlich die scheinbar seriösen Angebote der Angeklagten ab. Diese erkannten, dass ihr Plan bezüglich dieser Zeugin gescheitert war, und verfolgten ihn deshalb nicht weiter.
6
Etwa einen Monat später nahmen sie Kontakt zu der Nebenklägerin E. auf. Der Angeklagte K. verbrachte diese in das Haus, in dem sich auch noch die Nebenklägerin T. aufhielt. Dort fesselte der Angeklagte Kl. die Nebenklägerin E. mit Handschellen und einem Seil. In der Folgezeit schüchterte der Angeklagte Kl. sie gemäß der Absprache mit dem Angeklagten K. durch Zwang und Drohungen weiter ein. Die Zeugin wurde unter anderem in einen Metallkäfig gesperrt, musste gefesselt aus einem Hundenapf essen und wurde mit ihrem sowie dem Tode ihrer besten Freundin bedroht. In Einzelfällen kam die Nebenklägerin T. dem Ansinnen des Angeklagten Kl. nach, Fesselungen oder ähnliche Handlungen gegenüber der Nebenklägerin E. vorzunehmen. Die Nebenklägerin E. musste gegen ihren Willen auch den Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten K. ausführen, wann immer dieser es wollte. Daneben wurde sie gezwungen, der Prostitution nach- zugehen und gegenüber insgesamt 24 Freiern sexuelle Dienstleistungen vorzunehmen. Das Entgelt lieferte sie jeweils den Angeklagten ab.
7
Nach Aufforderung durch die Angeklagten benannte die Nebenklägerin E. mehrere Mädchen aus ihrem Bekanntenkreis als weitere potentielle Tatopfer , darunter auch die Nebenklägerin Eg. . Diese war den Angeklagten bereits bekannt, da sie über eine Anzeige im Internet eine Tätigkeit als Babysitterin gesucht und die Nebenklägerin T. daraufhin anweisungsgemäß mit ihr telefoniert hatte. Unter dem Eindruck der gegen sie eingesetzten Nötigungsmittel vereinbarte die Nebenklägerin E. telefonisch unter einem Vorwand ein Treffen mit der Nebenklägerin Eg. . Bei diesem veranlasste sie die Nebenklägerin Eg. , gemeinsam mit ihr und dem Angeklagten K. in das Haus zu fahren. Dort überwältigte der Angeklagte Kl. die Nebenklägerin Eg. , fesselte und knebelte sie, zog ihr einen Leinenbeutel über den Kopf und entkleidete sie. Auf seine Anweisung musste die Nebenklägerin T. die Nebenklägerin Eg. kurze Zeit später in einer diese besonders erniedrigenden Position auf einem Stuhl festbinden; sodann befragte der Angeklagte Kl. die Nebenklägerin Eg. über ihre persönlichen Verhältnisse. Nachdem der Angeklagte Kl. und die Nebenklägerin T. den Raum verlassen hatten, gelang es der Nebenklägerin Eg. , sich zu befreien, über das Hausdach zu fliehen und mit Hilfe eines Passanten und von Nachbarn die Polizei zu alarmieren.
8
Noch vor deren Eintreffen flohen die Angeklagten mit den Nebenklägerinnen T. und E. . Nach einigen Tagen stellte sich der Angeklagte K. im Beisein der Nebenklägerin E. der Polizei. Die Nebenklägerin T. musste gegen ihren Willen auch noch während der Flucht mit dem Angeklagten Kl. sexuelle Handlungen vornehmen. So bedrohte er sie etwa mit einer Schusswaffe und erzwang auf diese Weise die Ausübung des Ge- schlechtsverkehrs. Erst nach mehreren Wochen konnte auch der Angeklagte Kl. festgenommen werden.
9
Der näheren Erörterung bedürfen über die Ausführungen des Generalbundesanwalts in dessen Antragsschriften hinaus lediglich die folgenden Gesichtspunkte :
10
A. Revision des Angeklagten Kl.
11
I. Die rechtliche Würdigung des Landgerichts hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit die Strafkammer einen Vorfall zum Nachteil der Nebenklägerin T. als von dem Angeklagten Kl. begangene sexuelle Nötigung nach § 177 Abs. 1 StGB gewertet hat (Fall II. 6. 7 der Urteilsgründe ). Nach den Feststellungen erklärte der Angeklagte der Neben-klägerin, sie müsse die Sexualpraktik "Selbstbefriedigung" erlernen und veranlasste sie, sich nackt auf den Rücken zu legen, mit ihren Händen ihre Geschlechtsteile zu berühren und sich erotisch zu bewegen. Damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 177 Abs. 1 StGB nicht belegt; denn die Nebenklägerin wurde nicht genötigt, sexuelle Handlungen des Angeklagten oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Angeklagten oder einem Dritten vorzunehmen. Dies erfordert einen sexualbezogenen Körperkontakt zwischen dem Täter oder dem Dritten einerseits und dem Opfer andererseits; das Herbeiführen von sexuellen Handlungen, die das Opfer lediglich vor dem Täter oder einem Dritten ausführt, wird demgegenüber von § 177 Abs. 1 StGB nicht erfasst (Fischer, StGB 56. Aufl. § 177 Rdn. 48). Die Tat des Angeklagten ist jedoch als Nötigung (§ 240 StGB) strafbar, wobei die Voraussetzungen eines besonders schweren Falles nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB gegeben sind.
12
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die zu einer Verurteilung wegen sexueller Nötigung nach § 177 Abs. 1 StGB führen können; er ändert deshalb selbst den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte Kl. gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Der Senat schließt ebenfalls aus, dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung des tateinheitlich verwirklichten Delikts auf eine niedrigere Einzelstrafe bei der Tat zum Nachteil der Nebenklägerin T. oder auf eine geringere Gesamtstrafe erkannt hätte.
13
II. Die tatrichterliche Bewertung der Konkurrenzverhältnisse zwischen den einzelnen Taten ist frei von den Angeklagten nachteiligen Rechtsfehlern.
14
Die Strafkammer hat insoweit ausgeführt, die von den Angeklagten jeweils bezüglich eines Opfers verwirklichten Delikte seien als tateinheitlich im Sinne des § 52 StGB begangen zu werten. Die Straftaten zum Nachteil der Nebenklägerinnen T. , E. und Eg. sowie der Zeugin F. stünden zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB).
15
Hiergegen ist im Ergebnis nichts zu erinnern. Nach den - rechtsfehlerfrei getroffenen - Feststellungen bilden die in einem Tatzeitraum von mehreren Monaten begangenen Handlungen zum Nachteil der vier verschiedenen Opfer, durch welche die Angeklagten mehrere Dutzend einzelne Straftatbestände verwirklichten und jeweils mehrere höchstpersönliche Rechtsgüter der Nebenklägerinnen verletzten, keine insgesamt einheitliche materiellrechtliche Tat im Sinne des § 52 StGB; denn weder die Voraussetzungen für eine natürliche noch für eine rechtliche Handlungseinheit sind gegeben.
16
1. Unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit liegt eine Tat im sachlichrechtlichen Sinne vor, wenn mehrere, im Wesentlichen gleichartige Handlungen von einem einheitlichen Willen getragen werden und aufgrund ihres engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs so miteinander verbunden sind, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches Geschehen darstellt (st. Rspr.; s. etwa BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit, Entschluss, einheitlicher 9; § 52 Abs. 1 Entschluss, einheitlicher 1). Richten sich die Handlungen des Täters gegen höchstpersönliche Rechtsgüter der Opfer, wird die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen , sie liegt jedoch bereits nicht nahe (Fischer aaO Vor § 52 Rdn. 7). Denn höchstpersönliche Rechtsgüter sind einer additiven Betrachtungsweise allenfalls in Ausnahmefällen zugänglich. Deshalb können Handlungen, die sich nacheinander gegen höchstpersönliche Rechtsgüter mehrerer Personen richten , grundsätzlich weder durch ihre Aufeinanderfolge noch durch einen einheitlichen Plan oder Vorsatz zu einer natürlichen Handlungseinheit und damit einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden. Ausnahmen kommen nur in Betracht , wenn die Aufspaltung des Tatgeschehens in Einzelhandlungen wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhanges, etwa bei Messerstichen oder Schüssen innerhalb weniger Sekunden, willkürlich und gekünstelt erschiene (BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit, Entschluss, einheitlicher 9; BGH NStZ 2005, 262, 263; NStZ-RR 1998, 233; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. Vor § 52 Rdn. 14 m. w. N.).
17
Nach diesen Maßstäben können die Handlungen des Angeklagten Kl. nicht zu einer einheitlichen Tat zusammengefasst werden. Das Tätigwerden der Angeklagten beruht zwar auf dem vor Beginn der ersten Tat gefassten , insoweit einheitlichen Entschluss, sich mehrerer Frauen zu bemächtigen und diese durch Ausübung von Zwang der Prostitution zuzuführen. Gleichwohl fehlt es mit Blick auf die konkreten Tatumstände an dem erforderlichen engen Zusammenhang. Die Tathandlungen betrafen u. a. die Freiheit und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung der Opfer und damit jeweils höchstpersönliche Rechtsgüter der Geschädigten. Das Tatgeschehen zog sich insgesamt über mehrere Monate hin. Zwischen den von den Angeklagten begangenen Tathandlungen lagen teilweise erhebliche Zeiträume, so dass es bereits an einer ausreichenden Verknüpfung in zeitlicher Hinsicht fehlt. Im Übrigen erfolgten die Angriffe - wenn auch dem Grunde nach dem abgesprochenen Tatplan folgend - jeweils aufgrund eines in der konkreten Form neu und separat gefassten Vorsatzes , in einer veränderten Tatsituation und auf unterschiedliche Weise.
18
Der Umstand, dass der Angeklagte Kl. auf einzelne Opfer einwirkte mit dem Ziel, dass diese gegenüber weiteren Frauen tätig wurden, begründet hier ebenfalls keine natürliche Handlungseinheit; denn es fehlt auch mit Blick auf diesen Umstand an dem erforderlichen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang. Der Angeklagte Kl. nötigte die Nebenklägerin T. , als "Ausbilderin" tätig zu werden, bereits unmittelbar nachdem die Angeklagten beschlossen hatten, diese Nebenklägerin selbst nicht der Prostitution zuzuführen. Zu diesem Zeitpunkt war die Nebenklägerin T. die einzige Frau, die sich in dem Haus aufhielt. Spätere Einzelanweisungen an sie, die Nebenklägerin E. zu fesseln und zu erniedrigen, erteilte er ihr jeweils in deren Abwesenheit bzw. nicht in einer Weise, die den Schluss zulassen würde, der Angeklagte habe bereits allein durch die Anweisung an die Nebenklägerin T. zugleich nötigend auf die Nebenklägerin E. eingewirkt. Entsprechendes gilt schließlich für die Aufforderung der Nebenklägerin T. , die Nebenklägerin Eg. auf dem Stuhl zu fesseln, nachdem diese durch den Angeklagten überwältigt worden war. Mit all diesen Handlungen wirkte der Angeklagte deshalb nicht gleichzeitig oder in einem derart engen Zusammenhang auf mehrere Opfer ein, dass sich das Geschehen bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv auch für einen Dritten als insgesamt einheitlich darstellt.
19
2. Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen einer rechtlichen Handlungseinheit vorliegen, ist zwar zunächst ebenfalls zu berücksichtigen, dass zwischen den Tathandlungen zum Nachteil der jeweiligen Geschädigten - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - gewisse zeitliche, räumliche und sachliche Berührungspunkte bestehen. Allein die enge zeitliche und räumliche Verbundenheit verschiedener Handlungsabläufe sowie die gleiche Motivationslage beim Täter genügen indes nicht, um die Handlungen der Angeklagten zu einer materiellrechtlichen Tat im Sinne des § 52 StGB zu verbinden. Hierfür erforderlich ist vielmehr die zumindest teilweise Identität der objektiven Ausführungshandlungen. Diese ist gegeben, wenn die Ausführungshandlungen des Täters in einem für alle Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind und so dazu beitragen, den Tatbestand aller in Betracht kommender Strafgesetze zu erfüllen (Rissing-van Saan aaO § 52 Rdn. 20 m. w. N.; vgl. etwa für die Tatbestände der Förderung der Prostitution, der Zuhälterei und des Menschenhandels bei Handlungen zum Nachteil mehrerer Frauen BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 1; BGH bei Pfister NStZ-RR 2004, 358; 2005, 366; BGH NStZ-RR 2007, 46, 47; StV 1987, 243; 2003, 617, 618; Beschl. vom 25. August 1999 - 3 StR 290/99; BGH bei Pfister NStZ-RR 2002, 357 f.).
20
Nach diesen Maßstäben liegt hier keine Tateinheit vor. Im Einzelnen:
21
a) Die sich auf die Nebenklägerinnen T. und E. beziehenden Tathandlungen sind nicht auch nur teilweise identisch. Das Landgericht hat diese Taten - neben den weiteren, jeweils tateinheitlich verwirklichten Delikten - als Geiselnahme nach § 239 b Abs. 1 2. Halbs. StGB gewertet. Tathandlung ist danach das Nötigen des Opfers mittels einer qualifizierten Drohung unter Ausnutzen einer von dem Täter durch ein Entführen oder Sichbemächtigen des Opfers ohne Nötigungsabsicht geschaffenen, fortdauernden Bemächtigungslage aufgrund eines nachträglich gefassten Vorsatzes (Fischer aaO § 239 b Rdn. 5).
22
aa) Die jeweilige Bemächtigungslage wurde nicht durch eine zumindest teilidentische Handlung der Angeklagten begründet. Die Nebenklägerin T. wurde am 14. August 2006 überwältigt, die Nebenklägerin E. am 12. September 2006.
23
bb) Auch die späteren Handlungen der Angeklagten (vgl. hierzu BGH, Beschl. vom 23. Juli 1997 - 3 StR 36/97 zu § 239 a StGB) überschnitten sich nicht in zumindest einem tatbestandlichen Ausführungsakt. Die Tat nach § 239 b Abs. 1 2. Halbs. StGB ist bereits mit dem Beginn der Nötigung vollendet; das Erreichen des Nötigungsziels ist hierfür nicht erforderlich (BGHSt 26, 309, 310; BGH StV 1987, 483; 1997, 302; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 239 b Rdn. 2, § 239 a Rdn. 6; Träger/Schluckebier in LK 11. Aufl. § 239 b Rdn. 11; aA Fischer aaO § 239 b Rdn. 9; Renzikowski in MünchKomm-StGB § 239 b Rdn. 27). Zwar ist Tateinheit anzunehmen, wenn eine Nötigung mehrerer Tatopfer durch dieselbe Drohung vorliegt (BGHR StGB § 52 Abs. 1 Rechtsgüter, höchstpersönliche 1; BGH NStZ-RR 1998, 103, 104; Beschl. vom 17. Juli 2007 - 4 StR 220/07; zur Tateinheit bei Handlungen unter Ausnutzung einer einheitlichen, während des gesamten Geschehens fortwirkenden Gewalt vgl. BGH NStZ 1999, 618, 619; zur Tateinheit aufgrund einer einheitlichen Täuschungshandlung gegenüber mehreren Geschädigten vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 30; BGH bei Holtz MDR 1970, 381 f.). Die Nebenklägerinnen wurden jedoch nicht durch eine einheitliche Handlung, sondern in getrennter Weise jeweils durch individuell auf die einzelnen Opfer zugeschnittene qualifizierte Drohungen genötigt. Der Einsatz der Nötigungsmittel diente während der zeitlichen Über- schneidung des Tatgeschehens auch unterschiedlichen Zielen: Während die Nebenklägerin T. die Rolle der Freundin des Angeklagten Kl. und "Aufpasserin" bzw. "Ausbilderin" der weiteren Geschädigten übernehmen sollte, bezweckten die Angeklagten mit der Einflussnahme auf die Nebenklägerin E. , dass diese als Freundin des Angeklagten K. fungieren und der Prostitution nachgehen sollte. Selbst (teil-)identische Überwachungs- oder sonstige zur Verhinderung der Flucht der Nebenklägerinnen geeignete Maßnahmen sind nicht festgestellt. Mit Blick auf deren unterschiedliche Rolle und die daraus resultierende unterschiedliche Behandlung der Nebenklägerinnen durch die Angeklagten ist auch dem Zusammenhang der Urteilsgründe trotz des sich zeitlich überschneidenden Festhaltens beider Geschädigter in einem Haus eine derartige Teilidentität nicht zu entnehmen.
24
cc) Auch der Umstand, dass die Handlungen der Angeklagten in der Form miteinander verknüpft sind, dass die Nebenklägerin T. zu Tätigkeiten genötigt wurde, die ihrerseits dazu dienten, die Nebenklägerin E. zu nötigen , führt nicht zur Annahme einer rechtlichen Handlungseinheit. Zwar ist grundsätzlich Tateinheit möglich zwischen einer Nötigung und der Anstiftung zu einer abgenötigten Handlung (BGH, Urt. vom 12. Mai 1953 - 1 StR 190/53; Träger /Schluckebier aaO § 240 Rdn. 127; Fischer aaO § 240 Rdn. 63 a). Auch könnte in Betracht kommen, die der Nebenklägerin T. abgepressten Handlungen den Angeklagten nach den Grundsätzen der mittelbaren Täterschaft zuzurechnen, weil die Nebenklägerin T. möglicherweise unter den Voraussetzungen des entschuldigenden Notstands nach § 35 StGB handelte und deshalb insoweit als Werkzeug der Angeklagten im Sinne des § 25 Abs. 1 2. Alt. StGB anzusehen sein könnte. All dies bedarf indes im Ergebnis keiner näheren Betrachtung; denn es würde nicht zu der erforderlichen auch nur teilweisen Identität der Ausführungshandlungen bezüglich der jeweiligen Geiselnahme zum Nachteil der Nebenklägerinnen T. und E. führen, da wie bereits dargelegt der Angeklagte Kl. durch die Nötigungshandlungen nicht gleichzeitig, sondern sukzessive auf die verschiedenen Opfer einwirkte.
25
b) Auch im Verhältnis zwischen der Tat zum Nachteil der Zeugin F. (Verabredung zum schweren Menschenhandel und zur sexuellen Nötigung) und den Straftaten zum Nachteil der weiteren Geschädigten kommt die Annahme einer rechtlichen Handlungseinheit nicht in Betracht; denn insoweit fehlt es ebenfalls an einer wenigstens teilidentischen Ausführungshandlung. Tathandlung des § 30 Abs. 2 3. Alt. StGB ist die Verabredung, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften. Unter einer Verabredung ist die vom ernstlichen Willen getragene Einigung von mindestens zwei Personen zu verstehen, an der Verwirklichung eines bestimmten Verbrechens mittäterschaftlich mitzuwirken (Fischer aaO § 30 Rdn. 12). Diese nach den Feststellungen zwischen den Angeklagten getroffene Vereinbarung überschneidet sich weder mit den Tathandlungen zum Nachteil der Nebenklägerin T. , noch mit denjenigen zum Nachteil der Nebenklägerinnen E. oder Eg. .
26
c) Für das Verhältnis der Tat zum Nachteil der Nebenklägerin Eg. (schwerer Menschenhandel) zu den bezüglich der sonstigen Opfer verwirklichten Delikten gilt schließlich entsprechendes. Die jeweiligen tatbestandsmäßigen Handlungen sind ebenfalls nicht auch nur teilweise identisch. Insbesondere vermag der Umstand, dass die Angeklagten die Nebenklägerin E. veranlassten , sich daran zu beteiligen, die Nebenklägerin Eg. in das Haus zu locken , eine Tateinheit zwischen den Delikten zum Nachteil dieser Nebenklägerinnen zu begründen. Tathandlung des § 232 Abs. 4 Nr. 2 StGB ist das Sichbemächtigen einer anderen Person unter Einsatz von Gewalt, Drohung mit einem empfindlichen Übel oder List, wobei der Täter in der Absicht handeln muss, das Opfer zur Aufnahme der Prostitution oder zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen im Sinne des § 232 Abs. 1 StGB zu veranlassen (Eisele in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 232 Rdn. 34). Der Tatbestand ist mit dem Erlangen der tatsächlichen Gewalt über die betroffene Person vollendet (Fischer aaO § 232 Rdn. 32). Die physische Herrschaft über die Nebenklägerin wurde in Ausführung des Tatplans der Angeklagten wie bei den Nebenklägerinnen T. und E. erst dadurch begründet, dass der Angeklagte Kl. sie in dem Haus überwältigte und fesselte.
27
3. Der Senat muss nicht entscheiden, ob die Würdigung des Landgerichts zutrifft, dass die von den Angeklagten begangenen einzelnen Delikte zum Nachteil jeweils einer Geschädigten im Verhältnis der Tateinheit zueinander stehen. Hieran könnten insbesondere bei den Straftaten zum Nachteil der Nebenklägerinnen T. und E. Bedenken bestehen: Den Feststellungen ist nicht mit Sicherheit zu entnehmen, dass die Bemächtigungslage während des gesamten Tatzeitraums ununterbrochen fortdauerte. In Betracht kommt insbesondere, dass in den Zeiten, in denen sich die Angeklagten mit den Opfern außerhalb des Hauses aufhielten, ein physisches Gewaltverhältnis nicht bestand und ein solches jeweils bei der Rückkehr in das Haus wieder neu begründet wurde. Dies könnte rechtlich als Zäsur zu werten sein mit der Folge, dass zwischen den Taten vor und nach der Unterbrechung Tatmehrheit anzunehmen wäre. Entsprechendes gilt, soweit die Strafkammer die Delikte zum Nachteil der Nebenklägerin T. zusammengefasst hat, die während der Zeit begangen wurden, in der diese in dem Haus festgehalten wurde, und diejenigen , die der Angeklagte auf der anschließenden Flucht verwirklichte. Durch die rechtsfehlerhafte Annahme von Tateinheit wäre der Angeklagte indes nicht beschwert.
28
III. Die auf § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB, jeweils i. V. m. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB, gestützte Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten Kl. lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die formellen Voraussetzungen der genannten Vorschriften liegen vor. Die Strafkammer hat auch tragfähig belegt, dass der Angeklagte Kl. infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist. Dabei hat sie wesentlich auf eine Gemengelage zwischen einer triebhaften Neigung des Angeklagten zu sadistischen sowie sexuell sadistischen Handlungen auf der einen Seite und ausgeprägten kognitiven sowie manipulativen Fähigkeiten auf der anderen Seite abgestellt und ausdrücklich in den Blick genommen, dass der Angeklagte strafrechtlich vergleichsweise geringfügig vorbelastet ist und der von dem Sachverständigen diagnostizierte sexuelle und allgemeine Sadismus des Angeklagten bisher nicht zu Auffälligkeiten geführt hat.
29
IV. Soweit der Angeklagte Kl. sich gegen die im Adhäsionsverfahren vom Landgericht getroffene Kostenentscheidung wendet, kommt als statthaftes Rechtsmittel nach § 406 a Abs. 2 Satz 1, § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht die Revision, sondern die sofortige Beschwerde in Betracht (Gieg in KK 6. Aufl. § 472 a Rdn. 2). Eine solche hat der Angeklagte innerhalb der Frist des § 311 Abs. 2 StPO nicht erhoben.
30
V. Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision des Angeklagten Kl. ist es nicht unbillig, auch diesen Beschwerdeführer mit den gesamten durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
31
B. Revision des Angeklagten K.
32
I. Zur Frage der konkurrenzrechtlichen Würdigung der Taten gelten die Ausführungen zur Revision des Angeklagten Kl. entsprechend; ein nachteiliger Rechtsfehler liegt aus den dort dargelegten Gründen insoweit auch bezüglich des Angeklagten K. nicht vor.
33
II. Ein Anlass, bei dem Angeklagten K. das Vorliegen der Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 64 StGB zu erörtern, bestand entgegen der Ansicht der Revision bereits deshalb nicht, weil nach den Feststellungen ein symptomatischer Zusammenhang zwischen einem eventuell vorliegenden Hang des Angeklagten, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und den von ihm begangenen Straftaten fern liegt. Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 232/01
vom
4. September 2001
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. September
2001, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Nack
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 25. Januar 2001
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, daß aa) die Verurteilungen wegen Bedrohung entfallen; bb) sämtliche unter B. B. der Urteilsgründe abgeurteilten Taten im Verhältnis von Tateinheit stehen;
b) im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung von Sicherungsverwahrung abgesehen wurde, sowie im gesamten Strafausspruch. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an ein andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1. Die Strafkammer hat festgestellt:
a) Am 2. März 2000 hatte der Angeklagte dem B. angeboten , mit ihm und K. in seiner Wohnung über die Rückgabe B. gehörender Möbel zu sprechen, die sich noch bei K. befanden. Ohne daß B. hierfür einen nachvollziehbaren Grund gegeben hätte, kündigte der Angeklagte dort alsbald an, ihm den "Kopf weg(zu)pusten", und hinderte B. mit Ohrfeigen und einem Faustschlag am Verlassen der Wohnung. In den nächsten Stunden wurdeB. von ihm vielfältig mißhandelt , gequält und gedemütigt. Er bedrohte ihn ständig mit dem Tod ("killen"; "häuten") und gravierenden Verletzungen ("Eier abreißen"), "probierte" Karateschläge an ihm aus und würgte ihn, bis er seinen Geldbeutel herausgab, dem der Angeklagte einen Geldschein entnahm, der dann verbrannt wurde. B. mußte die Schuhevon K. küssen und er bekam vom Angeklagten seinen Ausweis in den Mund geschoben.
b) Am 13. April 2000 hielt sich der Nebenkläger R. in der Wohnung des Angeklagten auf, weil ihm dieser einen Arbeitsplatz versprochen hatte. Als sich nichts ergab und R. wieder gehen wollte, war die Tür verschlossen und der Angeklagte bedrohte R. mit einer von diesem für echt gehaltenen Pistolenattrappe und einem Messer, beschimpfte ihn und kündigte ihm an, "er sei bald tot". Damit begann ein mehrtägiges, von der Strafkammer im einzelnen geschildertes Martyrium R. s. In dessen Verlauf mußte R. nicht nur Haus- und Küchenarbeiten verrichten und nackt in eine Badewanne mit kaltem Wasser steigen, sondern auch nackt herumkriechen,
Schuhe und Fuûboden ablecken, Zigarettenkippen schlucken und den Urin des Angeklagten trinken. Bei alledem wurde er nicht nur ständig mit dem Tod bedroht , sondern auch körperlich schwer miûhandelt. Der Angeklagte drückte unmittelbar über der Nase R. s eine brennende Zigarette aus - nach etwa zehn Tagen war noch eine gerötete Narbe festzustellen -, schlug auf den nackt herumkriechenden R. mit Holzprügeln ein und schoû jeweils aus der Nähe mit einem Luftgewehr in seinen rechten Zeh und seine linke Hand und mit einem Gasrevolver in seine Genitalien. 2. Nach weitgehender Verfahrensbeschränkung hat die Strafkammer das Geschehen zum Nachteil B. als Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Bedrohung und jeweils zwei Fällen der Nötigung und der vorsätzlichen Körperverletzung bewertet und hierfür eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt. Das Geschehen zum Nachteil R. hat die Strafkammer als Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Bedrohung und Nötigung in sieben Fällen angesehen sowie als gefährliche Körperverletzung in fünf Fällen, die hierzu jeweils in Tatmehrheit stehen, weil sie auf Spontanentschlüsse zurückgingen. Für die Freiheitsberaubung und die damit in Tateinheit stehenden Delikte hat sie vier Jahre Freiheitsstrafe verhängt. Für die gefährlichen Körperverletzungen wurden festgesetzt: Zehn Monate wegen der Schläge mit den Holzprügeln, ein Jahr und drei Monate für das Brennen mit der Zigarette, ein Jahr und sechs Monate für den Schuû in den Zeh, zwei Jahre für den Schuû in die Hand und drei Jahre für den Schuû in die Genitalien. Aus den genannten Strafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren gebildet. Von Sicherungsverwahrung hat die Strafkammer abgesehen.
3. Gegen dieses Urteil richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Die uneingeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten führt zu zwei Änderungen des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf die Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung beschränkt und hat Erfolg. Zugleich führt sie zur Aufhebung des Strafausspruchs zugunsten des Angeklagten.

II.

Die Revision des Angeklagten: 1. Die Revision meint, eine brennende Zigarette sei "mangels Eignung der Hervorrufung erheblicher Verletzungen" kein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Sie verweist auf die Auffassung des Oberlandesgerichts Köln, wonach die Möglichkeit erheblicher Verletzungen nicht naheliegt, wenn mit Zigarettenglut eine Brandverletzung auf der Wade herbeigeführt wird (StV 1994, 244, 246; Zweifel hieran bei Tröndle/Fischer StGB, 50. Aufl. § 224 Rdn. 9). Diese Bewertung von Brandverletzungen widerspricht schon im Ansatz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die gefährliche Körperverletzung bei "Zufügung von Brandwunden durch glimmende Zigaretten" ohne weiteres bejaht hat (Beschl. vom 25. April 2001 - 3 StR 7/01 [mitgeteilt in dem Urteil, das gegen einen an diesem Tatkomplex nicht beteiligten Mittäter in jener Sache am selben Tag ergangen ist]). Damit vergleichbar wurde gefährliche Körperverletzung ebenfalls ohne weiteres in einem Fall bejaht, in dem ein brennendes Feuerzeug einige Sekunden unter vier Finger der Hand eines Kindes gehalten
wurde, was zu schmerzhaften Verletzungen mit Blasen und Narben führte (BGHR StGB § 170d [aF] Fürsorgepflichtiger 1). Der Senat sieht keinen Anlaû, von dieser Rechtsprechung abzuweichen: Ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist ein Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der konkreten Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH NStZ 1999, 616). Es kommt also nicht allein auf die letztlich eingetretene Verletzung an, es genügt vielmehr schon die potentielle Gefährlichkeit des Werkzeugs im konkreten Fall (Tröndle/Fischer aaO). Eine brennende Zigarette, die auf der Haut ausgedrückt wird, führt regelmäûig zu schmerzhaften Brandverletzungen, die vielfach mit Narbenbildung - hier war die Narbe des Geschädigten nach zehn Tagen noch gerötet (I 1 b) - verbunden sind; auch darüber noch hinausgehende Komplikationen sind niemals auszuschlieûen. Im konkreten Fall kommt im übrigen [zusätzlich] noch hinzu, daû die Zigarette unmittelbar über der Nase ausgedrückt wurde, so daû wegen der [nicht] auszuschlieûenden Möglichkeit schmerzbedingt unkontrollierter Bewegungen sogar die Gefahr einer Augenverletzung bestand. 2. Wie die Revision und der Generalbundesanwalt im einzelnen ausgeführt haben, stehen sämtliche Taten zum Nachteil R. in Tateinheit. Er befand sich auf Grund des Verhaltens des Angeklagten in einer Zwangslage und konnte sich nicht frei bewegen, was der Angeklagte bei den Verletzungshandlungen ausgenutzt hat. Auch wenn diese Handlungen auf Spontanentschlüsse zurückgehen sollten, ist daher das gesamte Geschehen tateinheitlich verbunden (vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 16 m.w.Nachw.). Schon weil auch die unverändert zugelassene Anklage von Tateinheit zwi-
schen allen Delikten (auch) in diesem Tatkomplex ausgegangen ist, ändert der Senat den Schuldspruch selbst. 3. Im übrigen enthält der Schuldspruch nur noch insoweit einen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler, als Bedrohung (§ 241 StGB) hinter Nötigung (§ 240 StGB) zurücktritt, da die Bedrohungen - jedenfalls auch - Nötigungsmittel waren (st. Rspr., vgl. nur BGHR StGB § 240 Abs. 3 Konkurrenzen 2; w. Nachw. bei Tröndle/Fischer aaO § 240 Rdn. 63). Auch insoweit war der Schuldspruch daher zu ändern. 4. Zwar hat weder der Wegfall der Verurteilungen wegen Bedrohung hier für den Strafausspruch Bedeutung, noch gefährdet eine unzutreffende Bestimmung der Konkurrenzverhältnisse bei - wie hier - unverändertem Schuldumfang im Ergebnis ohne weiteres den Strafausspruch (vgl. nur BGHSt 41, 368, 373 f.). Voraussetzung hierfür ist jedoch, daû eine aus mehreren Einzelstrafen gebildete Gesamtstrafe als Einzelstrafe bestehen bleiben kann. Dies ist hier nicht der Fall, weil aus der im Fall R. noch zu bildenden Einzelstrafe und der Strafe im Fall B. eine Gesamtstrafe zu bilden ist. Daher ist der Senat an einer Bestätigung des Strafausspruchs gehindert (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 7), so daû der Strafausspruch aufzuheben war, wobei der Senat im Hinblick auf die Ähnlichkeit der Taten auch die Strafe im Fall B. aufgehoben hat (vgl. hierzu BGH wistra 1998, 106, 108 m.w.Nachw.).

III.

Die Revision der Staatsanwaltschaft: Die Strafkammer hat die formellen und materiellen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 StGB bejaht, von Sicherungsverwahrung aber gleichwohl abgesehen.
1. Der Angeklagte ist schon wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit Nötigung und einem Waffendelikt, wegen schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt worden:
a) Am 4. Oktober 1988 hatte er den H. ohne nachvollziehbaren Grund schwer miûhandelt. Er hatte ihn vielfach mit einem Baseballschläger und einem Schlagstock auf Arme und Beine geschlagen, ihn etwa eine Viertelstunde in den Bauch getreten und ihm mit einem Messer zwei Stichverletzungen an den Armen zugefügt, wobei er dann in eine Wunde Salz gerieben hatte, um H. weitere Schmerzen zu bereiten (Strafe: zwei Jahre und sechs Monate

).


b) Am 7. Oktober 1988 hatte er den ihm bekannten Tankwart S. ebenfalls aus nichtigem Anlaû im Kassenraum der Tankstelle mit der Faust niedergeschlagen, ihn in sadistischer Weise ("Auge ausstechen"; "Schwanz abschneiden") bedroht, ihn getreten und sich schlieûlich auch noch den Kasseninhalt angeeignet (Strafe: vier Jahre und sechs Monate).
c) Am 10. Oktober 1988 drang der Angeklagte nachts in die Wohnung seines früheren Karateschülers Kö. ein, bedrohte ihn mit einer Pistole und forderte Auskunft über anonyme Anrufe im Zusammenhang mit seiner Karateschule. Als sich Kö. weigerte, schoû er ihm in den Hals. Anschlieûend quälte er ihn "über das Ziel der Informationserlangung hinaus". Er schlug ihn etwa mit der Pistole heftig in das Gesicht, trat ihm in die Genitalien und kündigte ihm "zynisch" seinen nahen Tod an. Der lebensgefährlich verletzte Kö. behielt Dauerschäden wie eine Armlähmung und eine Stimmbehinderung wegen der schuûbedingten Kehlkopfverdrehung (Strafe: zwölf Jahre).
Der Angeklagte war in dieser Sache vom 15. Oktober 1988 bis 1. März 1998 inhaftiert; der Strafrest wurde zur Bewährung ausgesetzt. Damit liegen die formellen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 StGB vor, ohne daû sich daran durch die vom Senat vorgenommene Schuldspruchänderung (II 2) etwas ändern würde (vgl. hierzu im einzelnen Tröndle/Fischer aaO § 66 Rdn. 9, 10 m.w.Nachw.). 2. Darüber hinaus hat die Strafkammer auch die Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nach sachverständiger Beratung bejaht, da der Angeklagte einen Hang zu Straftaten hat, durch die die Opfer körperlich und seelisch schwer geschädigt werden und er daher für die Allgemeinheit gefährlich ist. Im einzelnen ist ausgeführt, daû Aggressivität für ihn etwas "Normales" ist und daû er persönlichkeitsbedingt weder zu Schuld- und Unrechtsbewuûtsein in der Lage ist - die der Vorverurteilung zu Grunde liegenden Taten hat er "bagatellisiert" -, noch aus Erfahrungen lernen kann. Auûerdem sind im einzelnen näher beschriebene Persönlichkeitsmerkmale des Angeklagten "Indikatoren" für einen kriminellen Rückfall. 3. Die Strafkammer hält Sicherungsverwahrung für "derzeit noch unverhältnismäûig im Sinne des § 62 StGB". Unter Beachtung dieser Bestimmung sei nämlich im Rahmen der Ermessensentscheidung gemäû § 66 Abs. 2 StGB zu berücksichtigen, daû der Angeklagte im Hinblick auf den anstehenden Strafvollzug und den zu erwartenden Bewährungswiderruf mehr als zehn Jahre von der Allgemeinheit ferngehalten und voraussichtlich erst mit 55 Jahren wieder in Freiheit gelangen werde. Da er auch während der früheren Haft offenbar nicht nachteilig in Erscheinung getreten sei und bei vollständiger Verbüûung der jetzt verhängten Strafe unter Führungsaufsicht stehen werde (§ 68f StGB), die ein "besonderes Augenmerk" auf ihn zu werfen haben werde, sei es "noch
vertretbar" ihm die Möglichkeit eines straffreien Lebens jenseits der Lebensmitte einzuräumen. 4. Gegen diese Erwägungen wendet sich das auch vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft mit Recht.
a) Dabei versteht der Senat die allerdings nicht sehr klaren Ausführungen zu § 62 StGB nicht dahin, daû die Strafkammer der - offensichtlich hier auch nicht vertretbaren - Auffassung wäre, schon wegen der Bedeutung der vom Angeklagten begangenen und zu erwartenden Taten sowie des Grades der von ihm ausgehenden Gefahr komme Sicherungsverwahrung nicht in Betracht. Vielmehr stützt die Strafkammer ihre Entscheidung im wesentlichen auf die Dauer der anstehenden Freiheitsentziehung und das Lebensalter zum Zeitpunkt der voraussichtlichen Haftentlassung.
b) Bei einer Ermessensentscheidung gemäû § 66 Abs. 2 StGB können allerdings die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs und die mit dem Fortschreiten des Lebensalters erfahrungsgemäû eintretenden Haltungsänderungen Gewicht gewinnen (st. Rspr., vgl. nur BGH NStZ-RR 1999, 301 m.w.Nachw.). Es kommt dabei jedoch nicht auf die (mutmaûliche) Dauer des Strafvollzugs als solche an. Entscheidend ist vielmehr, ob zu erwarten ist, daû sie eine präventive Warnwirkung auf den Angeklagten haben und damit zu einer Haltungsänderung bei ihm führen wird (BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 3, 5, 6 m.w.Nachw.). Diese Annahme ist jedoch schon im Hinblick auf die früheren Taten und die deswegen vollzogene langjährige Strafhaft - unbeschadet des Verhaltens des Angeklagten in dieser Zeit - sehr fernliegend und darüber hinaus mit der ausdrücklich festgestellten Unfähigkeit des Angeklagten, aus Erfahrungen zu lernen, unvereinbar.
Das mutmaûliche Lebensalter des Angeklagten zum Zeitpunkt seiner Haftentlassung kann an alledem nichts ändern. Anders wäre es nur, wenn unter Berücksichtigung der Art der in Frage stehenden Delikte für diesen Zeitpunkt eine positive Prognose gestellt werden könnte (BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 3). Wie der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der damit vergleichbaren Frage der Gefährlichkeitsbeurteilung gemäû § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB wiederholt ausgesprochen hat, ist allein ein Alter von etwa 55 Jahren bei der Haftentlassung als solches dabei nicht aussagekräftig (Urt. vom 7. November 2000 - 1 StR 377/00; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Nr. 3 Gefährlichkeit 5). Auch im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäû § 66 Abs. 2 StGB kann insoweit nichts anderes gelten. Gründe, die speziell beim Angeklagten eine andere Bewertung dieses Alters rechtfertigen könnten, sind schon im Hinblick auf seine Unfähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen, nicht ersichtlich. Auch die Art der in Rede stehenden Delikte spricht nicht für eine andere Beurteilung. "In grausamer und sadistischer Weise" vorgenommenen Miûhandlungen steht auch ein Alter "jenseits der Lebensmitte" nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. vom 30. August 1994 - 1 StR 271/94). Schon deshalb, weil der Angeklagte die hier abgeurteilten Taten unter Bewährungsbruch begangen hat, obwohl er einem Bewährungshelfer unterstanden ist - für eine Ausnahme vom Grundsatz des § 57 Abs. 3 Satz 2 StGB ist nichts ersichtlich - können schlieûlich auch die Erwägungen der Strafkammer zur Führungsaufsicht kein Gewicht gewinnen.
c) Nach alledem muû über die Anordnung von Sicherungsverwahrung daher neu befunden werden.
5. Die Aufhebung eines Urteils wegen unterbliebener Sicherungsverwahrung kann im Einzelfall auch zur Aufhebung des Strafausspruchs zugunsten des Angeklagten führen, wenn möglicherweise die Strafe bei Androhung von Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre (BGH StV 2000, 615, 617 m.w.Nachw.). Da die Strafkammer hier ausdrücklich einen Bezug zwischen der Höhe der Strafe und der Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung hergestellt hat, hebt der Senat den Strafausspruch auf. Nack Wahl Schluckebier Kolz Schaal
5 StR 12/05

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 30. Juni 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. Juni
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Ministerialrat
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt N ,
Rechtsanwalt K
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 28. Juni 2004 im Schuldspruch dahingehend geändert, daß die Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt ist.
Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft sowie die Revision der Angeklagten werden verworfen.
Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen und wegen Beihilfe zur versuchten Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft führt lediglich zur Abänderung des Schuldspruchs. Das Rechtsmittel der Angeklagten ist unbegründet.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts war die als S teuerberaterin tätige Angeklagte in ein aus mehreren Firmen bestehendes Umsatzsteuerhinterziehungssystem eingebunden.
Im Jahre 1996 erwarben die Organisatoren dieses Steuerhinterziehungssystems über die von ihnen beherrschte C GmbH Computerbauteile von der niederländischen Firma I . Zum Zwecke der Vorsteuererschleichung und Umsatzsteuerhinterziehung schalteten sie rechnungsmäßig die F GmbH ein, eine selbst nicht wirtschaftlich tätige Scheinfirma, welche den Bezug der Computerbauteile als innergemeinschaftliche Lieferung umsatzsteuerfrei aus den Niederlanden vortäuschte. Die F GmbH verkaufte die Bauteile sodann papiermäßig mit einem geringen Aufpreis, aber nunmehr unter offenem Umsatzsteuerausweis an die ebenfalls von den Organisatoren beherrschte M GmbH weiter. Auch die M GmbH verfolgte keine eigenen Geschäftszwecke und war nur zur Verschleierung der Waren- und Zahlungsströme zwischengeschaltet. Die M GmbH veräußerte sodann die Bauteile rechnungsmäßig und wiederum unter Ausweis der Umsatzsteuer an die C GmbH weiter. Diese verkaufte die Bauteile tatsächlich in Deutschland, fingierte aber umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Auf diese Weise konnten die beteiligten Unternehmen M GmbH und C GmbH die in ihren Einkaufsrechnungen jeweils ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen, während die C GmbH mit Hilfe der nur vorgetäuschten innergemeinschaftlichen Verkäufe keine Umsatzsteuer anmeldete.
Zur weiteren Verschleierung und umsatzsteuerrechtlichen „Glattstellung“ der F GmbH wurden verfälschte Blankorechnungen der A GmbH, einer insolventen früheren Geschäftspartnerin der C GmbH, erstellt, passend zu den Verkäufen der F GmbH als Einkaufsrechnungen
mit Umsatzsteuerausweis ausgefüllt und zum Gegenstand der Umsatzsteuervoranmeldungen gemacht.
Ihrem Tatplan entsprechend, gaben die Verantwortliche n der jeweils beteiligten Firmen für den Voranmeldungszeitraum September 1996 (F GmbH und M GmbH) bzw. für das dritte Quartal 1996 (C GmbH) inhaltlich unzutreffende Umsatzsteuervoranmeldungen ab, in denen die aus den fingierten Einkäufen von den jeweils vorgeschalteten Firmen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer geltend gemacht wurden. Der mit einem Vorsteuerüberhang endenden Voranmeldung der F GmbH stimmte das zuständige Finanzamt nicht zu; in ihr wurden zu Unrecht angebliche Vorsteuern in Höhe von rund 1,5 Millionen DM aus Einkäufen bei der A GmbH geltend gemacht. Die Erklärung der M GmbH wies unter Verrechnung in Wahrheit nicht anrechenbarer Vorsteuern von rund 1,4 Millionen DM aus angeblichen Einkäufen bei der F GmbH einen Umsatzsteuerzahlbetrag von rund 38.000 DM aus. Die C GmbH erklärte schließlich unter Anrechnung angeblicher Vorsteuern in Höhe von rund 1,6 Millionen DM aus Einkäufen bei der M GmbH einen Vorsteuerüberhang von rund 65.000 DM, dem das zuständige Finanzamt zustimmte.
Zur Einbindung der Angeklagten in das Umsatzsteuerhin terziehungssystem hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen: Ab 1995 beriet die Angeklagte die C GmbH steuerrechtlich, erledigte die Buchhaltung und erstellte die Jahresabschlüsse sowie die Steuererklärungen. Sie gründete als Vertreterin einer Luxemburger Firma zusammen mit einem anderweitig verfolgten Partner 1996 die M GmbH, über deren Geschäftskonto sie (mit)zeichnungsberechtigt war und die sie ebenfalls steuerrechtlich beriet. Auch bei der M GmbH war die Angeklagte für die Verbuchung der Ein- und Ausgangsrechnungen zuständig. Darüber hinaus hatte die Angeklagte Einblick in die Kontobewegungen auf dem Geschäftskonto der F GmbH. In die geplanten und durchgeführten Steuerhinterziehungen war die Angeklagte frühzeitig, wenn auch nicht von Anfang
an eingeweiht; ihre steuerrechtlichen Kenntnisse halfen bei der Planung und Durchführung der Taten. Bei einer Umsatzsteuersonderprüfung der M GmbH im März 1997, die in den Kanzleiräumen de r Angeklagten stattfand , versuchte sie das Tatgeschehen durch unrichtige Auskünfte zu den Verhältnissen der beteiligten Firmen zu verschleiern. Zudem erstellte und unterschrieb die Angeklagte die inhaltlich unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen für die M GmbH und die C GmbH selbst. Hinsichtlich der F GmbH beruhte die Verwendung der gefälschten Rechnungen der A GmbH auf dem Vorschlag der Angeklagten; sie gab ferner die in den Blankorechnungen einzutragenden Daten vor. Die Angeklagte hatte ein starkes wirtschaftliches Interesse am Taterfolg. Sie bestritt mindestens ein Viertel ihres Umsatzes aus Honoraren der C GmbH und der M GmbH, deren wirtschaftliches Ergebnis aber namentlich von der erfolgreichen steuerlichen Geltendmachung der fingierten Geschäfte abhing.
Ein täterschaftliches Handeln der Angeklagten hat das Landgericht dennoch mit der Erwägung verneint, es habe sich nicht feststellen lassen, daß die Angeklagte bereits von Anfang an vollumfänglich in das Tatgeschehen eingeweiht gewesen sei. Ihre Mitwirkung bereits zu Beginn der Tatplanung sei nicht beweisbar. Darüber hinaus sei der Angeklagten nicht nachzuweisen , daß sie in demselben Umfang wie die übrigen Täter an der Tatbeute beteiligt gewesen sei. Als einzig nachweisbarer Vorteil seien ihr die aus ihrer Tätigkeit als Steuerberaterin erwachsenen Honorare verblieben.

II.


Die Revision der Staatsanwaltschaft hat zum Schuldspruch Erfolg.
1. Zu Recht rügt die Beschwerdeführerin, daß das Landg ericht die Anforderungen an die Feststellung einer mittäterschaftlichen Einbindung der Angeklagten in das deliktische Geschehen überspannt hat. Auf der Grundla-
ge der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hätte das Landgericht die Angeklagte wegen mittäterschaftlichen Handelns verurteilen müssen.
Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sonde rn einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, daß sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfaßt sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (vgl. BGHSt 37, 289, 291 m.w.N.). In Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof dem Tatrichter für die ihm obliegende Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Läßt das angefochtene Urteil erkennen, daß der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 71 m.w.N.).
Ein solcher Grenzfall liegt hier indes nicht vor. Das Landgericht übersieht , daß Mittäterschaft nicht nur aufgrund eines gemeinsamen Tatplanes oder Tatentschlusses in Betracht kommt, dem eine ausdrückliche und zeitgleiche Absprache der Beteiligten zu Grunde liegt. Es ist mit den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar, ein täterschaftliches Handeln der Angeklagten schon deshalb abzulehnen, weil die Angeklagte nicht von Anfang an, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt, allerdings schon weit vor den eigentlichen Tathandlungen, in den Tatplan einbezogen wurde.
Angesichts der eine Verurteilung wegen täterschaftlicher Begehungsweise zwanglos tragenden Feststellungen des Landgerichts besteht kein An-
laß zu einer Aufhebung von Feststellungen. Der Senat hat den Schuldspruch daher selbst – im Sinne der Anklage – umgestellt.
2. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet. Wie der Senat den von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmenden Verfahrensdaten und der – allerdings nur im Rahmen der Sachrüge erhobenen – näher erläuterten Beanstandung der Angeklagten zur Verfahrensverzögerung entnimmt, würde ein neues Tatgericht bei der Strafzumessung erhebliche , nicht der Angeklagten zuzurechnende Verfahrensverzögerungen zu berücksichtigen haben. Ein zu einer kompensatorischen Strafzumessung Anlaß gebender Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot drängt sich auf. Die vorrangige im Sinne des Art. 6 Abs. 1 MRK gebotene Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerung veranlaßt den Senat daher, durch Aufrechterhaltung der bisher verhängten Einzelstrafen, die auf der Grundlage zu Unrecht verminderter Strafrahmen gebildet wurden, und der aus diesen Einzelstrafen gebildeten Gesamtstrafe zum Rechtsfolgenausspruch durchzuentscheiden und damit schnellstmöglich zu einer abschließenden Rechtsfolgenentscheidung zu gelangen, mit welcher dem Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot Rechnung getragen wird (vgl. zu entsprechender Spruchpraxis der Durchentscheidung bei Verstößen gegen Art. 6 Abs. 1 MRK zuletzt BGH, Beschluß vom 14. Juni 2005 – 5 StR 168/05). Der Senat schließt aus, daß ein neuer Tatrichter bei gehöriger Beachtung der vorzunehmenden Kompensation zu höheren Straffolgen gelangen könnte.

III.


Die Revision der Angeklagten hat keinen Erfolg.
1. Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.

a) Die einen Hilfsbeweisantrag betreffende Verfahren srüge bleibt – ihre ausreichende Begründung (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) unterstellt – aus
den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts in der Sache erfolglos.

b) Die Rüge der Verletzung des § 265 Abs. 1 StPO scheitert schon daran, daß die Beschwerdeführerin mit der Umstellung des Schuldspruchs durch den Senat wie angeklagt verurteilt ist.
2. Die auf Grund der Sachrüge veranlaßte Überprüfung des Urteils ergibt – auch unter Berücksichtigung der näher ausgeführten Einzelbeanstandungen – keinen die Angeklagte beschwerenden Rechtsfehler.
Soweit die Angeklagte die Beweiswürdigung des Landgerichts angreift , erschöpft sich die Revision entweder in einer unzulässigen Ersetzung der vom Landgericht vorgenommen Würdigung durch eigene Erwägungen oder in sachlichrechtlich unbeachtlichem urteilsfremden Vorbringen.
Die steuerrechtlichen Erwägungen der Revision zum innergemeinschaftlichen Reihengeschäft und zum System der Vorsteuererstattung nach § 15 UStG führen ebenfalls nicht zum Erfolg. Die Beschwerdeführerin vernachlässigt , daß sie hier an einem groß angelegten und gut organisierten Steuerhinterziehungssystem mitgewirkt hat, dem überwiegend erfundene Umsätze und verschleierte Zahlungswege zur Erschleichung von Vorsteuern zu Grunde lagen.
Dem von der Revision gerügten Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot ist jedenfalls durch die getroffene Durchentscheidung zum Rechtsfolgenausspruch auf die Revision der Staatsanwaltschaft hinreichend Rechnung getragen.
Harms Basdorf Raum Brause Schaal