Bundesgerichtshof Urteil, 26. Juni 2019 - 1 StR 476/18

bei uns veröffentlicht am26.06.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 476/18
vom
26. Juni 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes
ECLI:DE:BGH:2019:260619U1STR476.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juni 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Cirener, Dr. Hohoff und der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Leplow,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
die Nebenklägerin persönlich – in der Verhandlung –,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte – in der Verhandlung –, Justizhauptsekretärin – bei der Verkündung – als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 25. Mai 2018 wird verworfen.
Der Revisionsführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes unter Einbeziehung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe von zwei Monaten zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision bleibt ohne Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Als der Angeklagte in den Abendstunden des 3. Januar 1988 seine Wohnung verließ, hatte er bereits den Entschluss gefasst, eine Frau zu vergewaltigen. Zu diesem Zweck nahm er einen Schraubenzieher als Drohmittel mit.
Zunächst lief er ziellos auf der Suche nach einem Opfer umher. Gegen 2 Uhr des folgenden Tages wurde er auf die 22 Jahre alte Geschädigte aufmerksam, die gerade in ihr Auto eingestiegen war und die Tür schließen wollte. Er riss die Fahrertür wieder auf, hielt der völlig überraschten Geschädigten den Schraubenzieher an den Hals, drückte sie auf das Lenkrad und drängte sich hinter ihr auf den Beifahrersitz. Durch weiteres Vorhalten des Schraubenziehers und der Drohung, sie abzustechen, brachte er die Geschädigte dazu, in ein ihm bekanntes , einsames Waldgebiet zu fahren. Dort schlug er mit der Hand auf ihren Kopf ein und forderte sie auf, sich komplett auszuziehen. Anschließend vergewaltigte er die Geschädigte bis 4.30 Uhr mehrfach. Dabei drang er sowohl mit seinem Glied als auch mit mehreren Fingern in Vagina, Mund als auch Anus ein, was für die Geschädigte sehr schmerzhaft war. Hierdurch erlitt die Geschädigte Verletzungen an Vagina und After. Dabei schlug er immer wieder mit der Hand und mit der Faust auf die Geschädigte ein.
4
Spätestens nach Beendigung der sexuellen Handlungen fasste der Angeklagte den Entschluss, die Geschädigte zu töten. Er verband ihr mit einem eigens mitgeführten Tuch die Augen, fesselte ihre Hände mit einem ebenfalls mitgeführten Schal und stieg mit der Geschädigten aus dem Auto. Er führte sie ein Stück in den Wald und löste die Fesseln. Nachdem er aufgelacht und zu ihr gesagt hatte, ihr werde nichts passieren, stach er zwecks Verdeckung der zuvor begangenen Straftaten in Tötungsabsicht mehrfach mit dem Schraubenzieher auf ihren Oberkörper ein. Die schwer verletzte Geschädigte sank zu Boden. Der Angeklagte entfernte das Tuch von ihrem Kopf und ging zunächst zum Auto. Dann kam er jedoch zu der hilflos am Boden liegenden Geschädigten zurück, bemerkte, dass diese noch lebte und stach erneut mehrfach mit dem Schraubenzieher in Brust und Rücken, um sie zu töten. Sodann trat er gegen ihren Körper, um zu überprüfen, ob sie auch tatsächlich tot sei. Da die Geschädigte reglos war, ging er davon aus, sie sei tot. Er bedeckte ihren Körper mit Laub und fuhr mit ihrem Fahrzeug davon.
5
Insgesamt fügte der Angeklagte der Geschädigten 18 Stichverletzungen zu, wovon einige Lunge und Brustfell perforierten. In der Achselregion wurde ein großes arterielles Gefäß vollständig durchtrennt. Die Verletzungen waren lebensbedrohlich. Sie erlangte nach einiger Zeit das Bewusstsein wieder und konnte sich zu einer wenig befahrenen Straße schleppen, wo sie gegen 5 Uhr nackt und blutüberströmt von einem zufällig dort vorbeikommenden Autofahrer aufgenommen und in ein Krankenhaus gebracht wurde. Nur durch eine sofortige Notoperation konnte ihr Leben gerettet werden. Sie leidet bis heute unter den psychischen und physischen Folgen der Tat.
6
2. Die sachverständig beratene Strafkammer hat eine voll erhaltene Schuldfähigkeit des schwer alkoholabhängigen Angeklagten zugrunde gelegt. Sie ist von der Verjährung der Vergewaltigung ausgegangen und hat den Angeklagten wegen der mit direktem Tötungsvorsatz in Verdeckungsabsicht geführten Stiche des versuchten Mordes für schuldig befunden. Strafrahmenverschiebungen hat es abgelehnt. Eine besondere Schwere der Schuld hat es ebenfalls abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 64 StGB hat es verneint.

II.


7
1. Der Schuldspruch wegen versuchten Mordes ist nicht zu beanstanden.
8
Die Beweiswürdigung zur Überführung des hinsichtlich der Vergewaltigungshandlungen geständigen Angeklagten, der sich im Übrigen auf eine Erinnerungslücke beruft, beruht auf einer sorgfältigen Gesamtwürdigung und ist nachvollziehbar dargestellt. Weder die Annahme von direktem Tötungsvorsatz noch von Verdeckungsabsicht zeigt Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat sich zur Begründung dessen mit den relevanten, auch gegenläufigen Aspekten auseinandergesetzt. Soweit die Revision beanstandet, sie hätte eine von ihr erwogene Panikreaktion mit dem Wunsch, sich einfach nur vom Tatort zu entfernen, erörtern müssen, ist dem nicht zu folgen. Dies gilt bereits deswegen, weil eine solche Panik des Angeklagten nicht den Feststellungen entspricht; zudem lässt sich die konkrete Vorgehensweise des Angeklagten, schon die Stiche selbst, insbesondere aber seine Rückkehr zu der bereits schwer verletzten Geschädigten mit dem Wunsch, den Tatort so schnell wie möglich zu verlassen, nicht vereinbaren. Zur Erörterung eines solchen fernliegenden Tatmotivs war das Landgericht nicht gehalten.
9
2. Auch der Strafausspruch hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
10
a) Die Annahme voll erhaltener Schuldfähigkeit ist rechtsfehlerfrei. Hierbei hat das sachverständig beratene Landgericht darauf abgestellt, dass das Tatverhalten sich nicht situativ entwickelt habe, sondern von einer gewissen Vorbereitung gekennzeichnet gewesen sei. Bei der Tat selber habe der Angeklagte keine Ausfallerscheinungen gezeigt; vielmehr sei sein Leistungsverhalten unbeeinträchtigt gewesen, was insbesondere durch planvolles und zielgerichtetes Handeln zu Tage getreten sei. So sei es ihm nicht nur gelungen, in das Auto der Geschädigten zu klettern, auch habe er ihren Versuch, sich während der Fahrt aus dem Auto fallen zu lassen, durch einen gezielten Griff verhindern können. Er habe örtliche Orientierung bewiesen und sich trotz der Zeitdauer der detail- und variantenreichen Vergewaltigungshandlungen stets bestimmend und direktiv verhalten und hierzu präzise Anweisungen gegeben. Er habe klare Vorstellungen von den einzunehmenden Stellungen und Sexualpraktiken gehabt und diese auch durchgesetzt. Mit der Geschädigten habe er dabei situationsadäquat und in differenzierter Weise kommuniziert. Auch hinsichtlich der möglichen Tatentdeckung sei er vorausschauend vorgegangen, indem er Zigarettenreste eingesammelt und den Beifahrersitz des Fahrzeugs abgeklopft habe.
11
Dies ist auch im Hinblick auf die Alkoholisierung des Angeklagten angesichts der Aussagekraft der herangezogenen psychodiagnostischen Leistungskriterien , die nicht nur motorische Fähigkeiten betreffen, tragfähig.
12
b) Auch die Versagung einer Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB erweist sich als rechtsfehlerfrei.
13
Die Strafzumessung und die Wahl des Strafrahmens sind Sache des Tatgerichts, dessen Aufgabe es ist, aufgrund der Hauptverhandlung die wesentlichen belastenden und entlastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht kann nach ständiger Rechtsprechung nur eingreifen, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen wird oder sich die verhängte Strafe von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteile vom 4. Dezember 2018 – 1 StR 477/18, NStZ-RR 2019, 105 und vom 4. April 2019 – 3 StR 31/19 Rn. 15, jeweils mwN). Bei der Darstellung seiner Zumessungserwägungen ist das Tatgericht nur gehalten , die bestimmenden Zumessungsgründe mitzuteilen. Eine erschöpfende Aufzählung aller in Betracht kommenden Erwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Aus dem Umstand, dass ein für die Zumessung bedeutsamer Umstand nicht ausdrücklich angeführt worden ist, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, das Tatgericht habe ihn nicht gesehen oder nicht gewertet (BGH, Urteil vom 4. April 2019 – 3 StR 31/19 Rn. 15 mwN). Einen durchgreifenden Rechtsfehler stellt es indes dar, wenn das Tatgericht bei der Strafrahmenwahl einen bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO erkennbar außer Betracht lässt (BGH aaO).
14
Ein solcher Rechtsfehler liegt nicht vor. Das Landgericht hat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens für die Frage der Strafrahmenverschiebung wegen Versuchs zutreffende Rechtsmaßstäbe angewandt. Es hat diese aufgrund einer Gesamtschau der schuldrelevanten Umstände beantwortet und dabei vor allem die versuchsbezogenen Gesichtspunkte, insbesondere die Nähe zur Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und die eingesetzte kriminelle Energie umfassend gewürdigt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. November 2017 – 2 StR 166/17, NStZ-RR 2018, 102, 103 mwN). So hat es vor allem auf die Aneinanderreihung glücklicher Umstände abgestellt, die eine Vollendung verhindert haben, so u.a. darauf, dass die Durchtrennung der Arterie, die unter normalen Umständen binnen weniger Minuten zum Tode geführt hätte, nur aufgrund des engen Stichkanals und der Bildung einer Thrombose an der Durchtrennungsstelle das Überleben sicherte, sowie auf das zufällige Vorbeikommen des rettenden Fahrzeugs auf der sonst um diese Tageszeit unbefahrenen Straße. Auch die Berücksichtigung der Gefährlichkeit des Versuchs durch die Vielzahl der Stichverletzungen ist rechtsfehlerfrei. Denn anders als die Revision meint, ist diese dargelegte Gefährlichkeit nicht schon durch die Annahme des Versuchs eines Mordes abgegolten.
15
Dass das Landgericht der so dargelegten besonderen Nähe zur Tatvollendung und der konkreten Gefährlichkeit des Versuchs – mithin den für die Strafrahmenverschiebung insbesondere beachtlichen Faktoren – gegenüber den für den Angeklagten sprechenden Umständen überwiegendes Gewicht beigemessen hat, ist nicht zu beanstanden. Dabei ist auch kein relevanter Strafzumessungsfaktor unberücksichtigt geblieben. So hat das Landgericht in die Gesamtwürdigung zu seinen Gunsten vor allem die zum Tatzeitpunkt fehlenden Vorstrafen, die alkoholbedingte Enthemmung und das Teilgeständnis in den Blick genommen.
16
Auch den Zeitablauf zwischen Tat und Urteil, der zu den Umständen gehört, die nach am Einzelfall orientierten Maßgaben Einfluss auf die Bemessung der Strafe gewinnen können (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2017 – GSSt 2/17, BGHSt 62, 184 Rn. 25), hat das Landgericht ersichtlich in Betracht gezogen und als Umstand für die Strafzumessung nicht unberücksichtigt gelassen. So war dies einer der maßgeblichen Aspekte, mit denen die besondere Schwere der Schuld abgelehnt wurde. Die Berücksichtigung wird aber auch belegt durch die in die Gesamtwürdigung für die Frage der Strafrahmenverschiebung eingestellte Erwägung, dass die Geschädigte bis heute, „auch mehr als 30 Jahre nach der Tat“ unter gravierenden Folgen leidet. Dass das Landgericht den Einfluss des Zeitablaufs durch die fortdauernden Folgen für die Geschädigte relativiert gesehen hat (vgl. BGH aaO Rn. 30), hält sich im Rahmen des tatgerichtlichen Beurteilungsspielraums und ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn aus strafzumessungsdogmatischer Sicht ist die Bedeutung des Zeitablaufs weder absolut, noch wird dadurch eine Regelwirkung begründet ; vielmehr ist eine generalisierende, die konkreten Einzelfallumstände außer Acht lassende Wertung mit den die Strafzumessung allgemein prägenden Grundsätzen und dem Wesen des zeitlichen Abstands zwischen Tat und Urteil als Strafzumessungsgesichtspunkt im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB nicht vereinbar (BGH aaO Rn. 31).
17
Die vom Landgericht getroffene Wertung ist angesichts der Umstände dieses Einzelfalls auch nicht unvertretbar. So sind keine Aspekte ersichtlich, die das Landgericht unberücksichtigt gelassen hat und die insbesondere dazu geeignet wären, unter den Aspekten von Schuld und Spezialprävention die Tat in einem günstigeren Licht erscheinen zu lassen, als es bei schneller Ahndung der Fall gewesen wäre (BGH aaO Rn. 30; LK/Theune, StGB, 12. Aufl., § 46 Rn. 240 mwN). So hat sich der Angeklagte, der seit der Tat neben Bagatelldelikten wegen Vergewaltigung und versuchter sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung bestraft worden ist, seit der Tat nicht straflos geführt ; auch handelt es sich bei der abzuurteilenden Tat nicht um eine einmalige Verfehlung.
18
c) Die von der Revision beanstandete Versagung eines Härteausgleichs bei der Gesamtstrafenbildung (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2010 – 2 StR 403/09, BGHSt 55, 1, 3 ff.; Urteil vom 8. November 2018 – 4 StR 269/18 Rn. 19) erweist sich ebenfalls als rechtsfehlerfrei, da keine aus- zugleichende Härte vorliegt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. Januar 2019 – 5 StR 479/18 Rn. 32).
19
3. Die Nichtanordnung der Maßregel der Unterbringung in der Entziehungsanstalt hat aus dem vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegten Gründen Bestand.
Raum Jäger Cirener
Hohoff Leplow

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(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

15
a) Die Strafzumessung und die Wahl des Strafrahmens sind Sache des Tatgerichts, dessen Aufgabe es ist, aufgrund der Hauptverhandlung die wesentlichen belastenden und entlastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht kann nach ständiger Rechtsprechung nur eingreifen, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen wird oder sich die verhängte Strafe von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 18. Oktober 2018 - 3 StR 292/18, juris Rn. 7; BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; Urteil vom 4. Dezember 2018 - 1 StR 477/18, NStZ-RR 2019, 105, jeweils mwN). Bei der Darstellung seiner Strafzumessungserwägungen ist das Tatgericht nur gehalten, die bestimmenden Zumessungsgründe mitzuteilen. Eine erschöpfende Aufzählung aller in Betracht kommenden Erwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Aus dem Umstand, dass ein für die Zumessung bedeutsamer Umstand nicht ausdrücklich angeführt worden ist, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, das Tatgericht habe ihn nicht gesehen oder nicht gewertet (Senat, Urteil vom 19. Januar 2012 - 3 StR 413/11, NStZ-RR 2012, 168 Rn. 5; BGH, Beschluss vom 2. März 1989 - 1 StR 7/89, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 18 Rn. 2 f., jeweils mwN). Einen durchgreifenden Rechtsfehler stellt es indes dar, wenn das Tatgericht bei der Strafrahmenwahl einen bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt (vgl. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) erkennbar außer Betracht lässt (BGH, Urteil vom 25. Februar 2009 - 2 StR 554/08, NStZ-RR 2009, 203).

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 166/17
vom
22. November 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:221117U2STR166.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. November 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender, Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grube, Schmidt, Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 3. November 2016 wird verworfen. 2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in drei Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Die auf den Rechtsfolgenausspruch (hinsichtlich einzelner Taten) beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts heiratete der in Syrien geborene Angeklagte etwa im Jahre 2007 seine jetzige Frau B. . Das erste Jahr der Ehe verlief harmonisch, danach begannen die Schwierigkeiten innerhalb der Beziehung. Dem Angeklagten gefiel es nicht, dass seine Frau im ständigen Austausch mit ihrer Familie war und Details aus dem Familienleben mit ihm preisgab. Die Ehefrau wollte wegen der Kinder gleichwohl an der Ehe festhalten. Der Angeklagte stellte in diesem Zusammenhang klar, er könne es im Falle einer Trennung keinesfalls akzeptieren, dass die Kinder bei der Frau verblieben. Aufgrund der anhaltenden Kriegszustände in Syrien und der Bedrohung durch den IS verließ der Angeklagte im Jahr 2014 gegen den Willen seiner Ehefrau sein Heimatland und floh nach Bulgarien. Acht Monate später holte er seine Ehefrau mit den drei Kindern nach. Anschließend setzte sich die Familie nach Deutschland ab.
3
Hier kam es zu weiteren Streitigkeiten der Eheleute. Der Zusammenprall unterschiedlicher Kulturen und das in Deutschland vorherrschende Rollenverständnis von Männern und Frauen führten zu deutlichen Spannungen. B. widersetzte sich zunehmend den Vorstellungen und Anweisungen des Angeklagten. Aus Sicht des Angeklagten zeigte sie eine von ihm als Respektlosigkeit wahrgenommene Auflehnung von neuer Qualität. Er fühlte sich betrogen , hatte er für die Flucht der Familie doch viel investiert und sich von B. versprechen lassen, dass sie eine „bessere“ Ehefrau sein werde. Der Angeklagte empfand diese Form des Aufbegehrens gegen seine Stellung als Ehemann, Vater und Familienoberhaupt als erniedrigend und fühlte sich in seiner Ehre verletzt. B. hingegen sah sich durch das in Deutschland vorherrschende Rollenverständnis anders als in ihrem Heimatland in der Lage, ihrem Ehemann zu widersprechen und sein Verhalten nicht länger hinzunehmen. Sie hatte erfahren, dass sie sich gegen körperliche Gewalt seitens ihres Ehemanns wehren konnte, und warnte, ihn bei der Polizei anzuzeigen. Im Gegenzug drohte er damit, die Kinder aus dem Fenster zu werfen. B. nahm dies nicht ernst.
4
Vor diesem Hintergrund kam es am 4. Januar 2016 zu folgendem Geschehen: B. telefonierte in der Küche mit ihrer Schwester. Der Angeklagte hatte Hunger und war mit der – offenbar – ablehnenden Reaktion seiner Frau, ihm Essen zuzubereiten, nicht zufrieden. Er wollte ihr deshalb das Handy wegnehmen, seine Ehefrau hielt es fest. Nach den Angaben des Angeklagten biss sie ihm in den Unterarm, als er ihr schließlich das Telefon entriss. Er ergriff daraufhin einen Kochtopf und schlug seiner Frau jedenfalls einmal mit der oberen Kante ins Gesicht. Sie erlitt eine Schnittwunde und blutete stark. In dem sich anschließenden Disput kündigte sie an, ihn anzuzeigen und ihm die Kinder wegzunehmen. Der Angeklagte warf seiner Frau vor, nur zu tun, was sie wolle.
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Die herbeigerufene Polizei sprach gegenüber dem Angeklagten ein zehntägiges Rückkehrverbot aus. Er versuchte zwischenzeitlich, seine Ehefrau dazu zu bewegen, die Anzeige zurück zu ziehen und ihn wieder in die Wohnung zu lassen. Schließlich lenkte B. ein. Sie wollte nicht, dass die Kinder ohne ihren Vater aufwachsen. Ihre Bedingung hierfür, dass ab jetzt alles nur nach ihrem Willen geschehe, wies er allerdings zurück. Der Angeklagte forderte vielmehr seine Ehefrau auf, nett zu ihm und zu den Kindern zu sein. Die Probleme blieben. B. war weiterhin nicht bereit, seine Meinung als Familienoberhaupt unwidersprochen hinzunehmen und drohte auch mit Anzeige. Er warnte sie daraufhin erneut davor, in diesem Fall „ihre“ Kinder aus dem Fenster zu werfen.
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Im Rahmen von Auseinandersetzungen drohte B. dem Angeklagten regelmäßig damit, ihn erneut aus der Wohnung entfernen zu lassen. Diese Drohung setzte sie zunehmend als Druckmittel ein und verlangte von ihm, dass er tue, was sie ihm sage. In der sich aus seiner Sicht weiter zuspitzenden Situation fasste er den Entschluss, seiner Frau die Kinder heimlich wegzunehmen und in eine andere Region von Deutschland zu ziehen. Doch ihm fehlte die Gelegenheit dazu, den Plan umzusetzen.
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Am Mittag des 1. Februar 2016 brach erneut ein Streit zwischen den Eheleuten aus. Ausgangspunkt waren der Kontakt zu der jeweiligen Herkunftsfamilie und die hierbei ausgetauschten Details aus dem Eheleben. Der Angeklagte forderte seine Ehefrau auf, sich zwischen ihrer Familie und den Kindern zu entscheiden. Sie wollte auf beides nicht verzichten. Ihrerseits drohte sie damit , den Angeklagten bei der Polizei anzuzeigen. Dies kränkte den Angeklagten , der sich zudem durch das aus seiner Sicht respektlose Verhalten von B. gedemütigt fühlte. Er wollte nicht mehr mit ihr zusammen leben und befürchtete aufgrund der vergangenen Geschehnisse, dass seine Frau zu Gericht gehen und ihm die Kinder wegnehmen würde. Seine Situation empfand er als aussichtslos. Der Gedanke, dass seine Frau letzten Endes alleine mit den Kindern ohne ihn leben würde, war für ihn unerträglich. Er wollte unbedingt verhindern , dass seine Kinder ohne ihn aufwachsen. Außerdem wollte er das respektlose Verhalten seiner Frau nicht länger hinnehmen.
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B. hatte sich wegen starker Kopfschmerzen hingelegt. Der Angeklagte fasste nunmehr den Entschluss, seine drei Kinder tatsächlich aus dem Fenster zu werfen, so wie er es schon zuvor angekündigt hatte. So nahm er seine zu diesem Zeitpunkt ein Jahr alte Tochter Ba. mit ins Badezimmer und holte den fünfjährigen M. dazu. Ba. setzte er in die Badewanne und ließ sie darin bei einlaufendem Wasser spielen. Dann öffnete er das Badezimmerfenster und hob M. auf die Fensterbank. Nachdem er noch kurz überlegt hatte, ob er selbst aus dem Fenster springen sollte, ihn bei dem Gedanken aber, dass dann seine Kinder ohne ihn aufwachsen würden, großes Selbstmitleid überkam, küsste er seinen Sohn, sagte ihm, er solle keine Angst haben, und stieß ihn aus dem Fenster. Ohne hinterher zu sehen, ging er zur Badewanne und hob seine kleine Tochter heraus. Er ging zum Fenster, küsste sie und warf auch sie aus dem Fenster, ohne hinterher zu schauen. Das Badezimmerfenster befindet sich in einer Höhe von 4,81 m über dem Boden. Der Angeklagte wusste, dass beide Kinder durch den Aufprall auf dem harten Boden zu Tode kommen konnten. Dies war auch von ihm gewollt, weil er seiner Frau das Wichtigste in deren Leben nehmen wollte.
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Sodann ging er in die Küche, wo seine sieben Jahre alte Tochter Ma. unter dem Fenster saß. An der Spüle stand die Zeugin A. , eine Mitbewohnerin. Der Angeklagte ging wortlos auf die völlig überraschte Ma. zu, hob sie hoch und warf sie aus dem geöffneten Küchenfenster, das 4,42 m über dem Boden liegt. Dem Angeklagten war klar, dass seine Tochter Ma. durch das Aufkommen auf dem Boden sterben konnte, was er auch beabsichtigte. Der Zeugin A. bedeutete er, still zu sein. Sie war aber tief bestürztund lief weinend zu ihrem Ehemann. Aus dem Fenster ihres Zimmers sahsie Ma. in ihrem Blut auf dem Boden liegen. Sie entschloss sich, B. Bescheid zu geben, lief zu ihr und forderte sie auf, zu ihrer Tochter zu gehen. B. schaute aus dem Fenster, sah ihre Tochter aber nicht. So lief sie die Treppe herunter, wo sie auf ihren Ehemann traf.
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Draußen angekommen sah sie als erstes Ba. und M. , dessen rechte Gesichtshälfte blau und voller Blut war, auf dem Boden liegen. Der Angeklagte, der ebenfalls nach unten gekommen war, stellte sich wortlos neben seine Ehefrau. Er fing an zu weinen und versuchte, allerdings vergeblich, den Zeugen Mi. anzurufen, damit dieser einen Rettungswagen verständigen könne. Von Ma. sagte der Angeklagte seiner Frau in diesem Moment nichts. Erst als die Zeugin A. auf sie aufmerksam machte, ging B. um das Haus herum und entdeckte auf dem Boden unter dem Küchenfenster die älteste Tochter Ma. . B. war außer sich und sagte dem Angeklag- ten: „Siehst Du, was mit den Kindern passiert ist, ein Autounfall, ich wollte mich nur kurz hinlegen“. Sie legte arglos dem Angeklagten die kleine Tochter Ba. in den Arm. Inzwischen war der Rettungsdienst eingetroffen, den Zeugen, die das Hinauswerfen der Kinder beobachtet hatten, herbeigerufen hatten. Die Kinder wurden rettungsdienstlich versorgt und ins Krankenhaus verbracht. Der Angeklagte wurde festgenommen, die Ehefrau wollte dies noch verhindern, sie ging nach wie vor davon aus, dass die Kinder einen Unfall erlitten hatten. Der Angeklagte gestand bei seiner polizeilichen Vernehmung, seine Kinder aus dem Fenster geworfen zu haben.
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M. erlitt durch den Sturz u.a. ein mittelschweres Schädel-HirnTrauma , eine Schädelfraktur, eine schwere Einquetschung der Leber, einen Augenhöhlenbruch und zudem einen Bruch beider Unterarme. Die Verletzungen waren aus Sicht der Ärzte lebensbedrohlich, M. wurde beatmet, intubiert und sediert, konnte aber gerettet werden. Er ist auch psychisch mitgenommen , ist auf seine Mutter fixiert und hat häufig Angst.
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Auch der Zustand von Ma. war lebensbedrohlich. Sie wurde nochim Rettungswagen intubiert und beatmet, sonst wäre sie auf der Fahrt ins Krankenhaus gestorben. Noch bei Ankunft im Krankenhaus schwebte sie in akuter Lebensgefahr. Sie hatte u.a. schwere Verletzungen im Brustbereich, ein offenes Schädel-Hirn-Trauma und eine schwere Schädelfraktur, außerdem ein achsonales Schertrauma, das potentiell lebensgefährlich ist und dessen neurologischen Spätfolgen schwer abzusehen sind. Sie konnte schließlich wie M. und Ba. , die lediglich eine Leberprellung und einen geschwollenen Fuß als Folge des Sturzes davontrug, auch am 19. Februar 2016 aus dem Krankenhaus entlassen werden.
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2. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen des Vorfalls vom 4. Januar 2016 wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil seiner Ehefrau zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten und wegen der Übergriffe am 1. Februar 2016 zu Freiheitsstrafen wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen von neun, zwölf und vierzehn Jahren verurteilt und aus allen Strafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren gebildet. Dabei hat es die Strafen wegen der letztgenannten Taten aus dem wegen Versuchs gemilderten Strafrahmen des § 211 StGB entnommen.

II.

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Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.
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1. Die Revision ist dem Wortlaut nach zwar auf die Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs gerichtet, erfasst in ihrer Begründung, mit der die Entscheidung des Landgerichts beanstandet wird, hinsichtlich der Taten zum Nachteil seiner Kinder von der Strafmilderungsmöglichkeit nach § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB Gebrauch zu machen, aber lediglich diese Taten. Ersichtlich nicht angegriffen wird der Strafausspruch im Hinblick auf die Tat vom 4. Januar 2016. Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung , ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel des Rechtsstreits durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2017 – 5 StR 545/16). Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung ist von einer auf die Rechtsfolgen für die Taten vom 1. Februar 2016 begrenzten Beschränkung des Rechtsmittels auszugehen.
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2. Die Überprüfung der angefochtenen Strafaussprüche hält rechtlicher Nachprüfung noch stand.
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Über eine Verschiebung des Strafrahmens wegen Versuchs ist auf Grund einer Gesamtschau aller schuldrelevanten Umstände zu entscheiden. Dabei hat das Tatgericht neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei vor allem die versuchsbezogenen Gesichtspunkte , insbesondere die Nähe zur Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und die eingesetzte kriminelle Energie, umfassend zu würdigen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010, wistra 2011, 18 m.w.N.). Diesen Anforderungen ist das Landgericht – auch eingedenk des begrenzten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs, nach dem die Entscheidung des Tatgerichts bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen ist (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2004, 620 m.w.N.) – noch gerecht geworden.
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Es hat sich eingehend mit der Person des Angeklagten auseinander gesetzt, hat das Tatunrecht aller drei Taten in den Blick genommen, indem es die Verwirklichung der Mordmerkmale Heimtücke und der niedrigen Beweggründe bei den Taten zu Lasten der beiden älteren Kinder sowie die tateinheitliche Verwirklichung der gefährlichen Körperverletzung angesprochen hat. Schließlich hat die Strafkammer die „Gefährlichkeit des Versuchs und damit die tatsächliche Nähe zur Vollendung der Tat und dem Eintritt des gewollten Erfolgs“ ebenso berücksichtigt wie die Folgen der Tat für seine Kinder.
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Dass das Landgericht die an anderer Stelle erwähnte erhöhte kriminelle Energie des Angeklagten nicht ausdrücklich als zu berücksichtigenden Umstand aufgeführt hat, lässt nicht besorgen, es habe die Tatumstände, aus denen sich die erhöhte kriminelle Energie des Angeklagten ergibt, aus dem Blick verloren. Der Begründung der Strafzumessungsentscheidung lässt sich entnehmen, dass die Strafkammer neben den schon erwähnten Umständen, die – wie etwa das heimtückische Vorgehen – das Tatbild prägen, die Tötungsabsicht und damit das zielgerichtete Vorgehen des Angeklagten im Blick hatte und zudem zu seinen Lasten die frappierende Gleichgültigkeit in Bezug auf das von ihm zugefügte Leid seiner Kinder berücksichtigte. Dass das Landgericht den durch die konkreten Taten begründeten Schuldvorwurf ohne Berücksichtigung der dabei aufgewendeten kriminellen Energie in die Gesamtabwägung eingestellt haben könnte, liegt angesichts dessen fern.
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Schließlich lässt die Erwägung des Landgerichts, die körperlichen Folgen der Taten seien vergleichsweise gering, insbesondere seien Spätfolgen körperlicher Art bei keinem der Kinder zwingend, nicht besorgen, die Strafkammer habe die „verschuldeten Auswirkungen der Tat“ nicht in genügender Weise in den Blick genommen. Das Landgericht hat ausdrücklich die schweren Folgen der Taten für die Kinder M. und Ma. hervorgehoben und in ihre Abwägung gestellt. Insoweit handelt es sich bei dem Hinweis der Strafkammer auf die „vergleichsweise geringen Folgen“ der Tat lediglich um eine wenig gelungene Formulierung, die deutlich machen soll, dass angesichts der Tatbegehung weit schwerwiegendere Folgen gedroht hätten, diese aber nicht eingetreten sind.
Appl Krehl R'inBGH Dr. Bartel ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Appl Grube Schmidt
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2. Der zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil gehört zu den Umständen , die nach diesen am Einzelfall orientierten Maßgaben Einfluss auf die Bemessung der Strafe gewinnen können.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

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Scheitert eine nach § 55 Abs. 1 StGB an sich mögliche nachträgliche Gesamtstrafenbildung daran, dass die zunächst erkannte Strafe bereits vollstreckt , verjährt oder erlassen ist, so fordert eine darin liegende Härte einen angemessenen Ausgleich bei der Bemessung der neuen Strafe (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 29. Juli 1982 – 4 StR 75/82, BGHSt 31, 102, 103; vom 23. Januar 1985 – 1 StR 645/84, BGHSt 33, 131, 132; vom 30. April 1997 – 1 StR 105/97, BGHSt 43, 79, 80). Bezugspunkt für den zu gewährenden Här- teausgleich ist die Gesamtstrafenbildung, wie sie ohne die eingetretene Erledigung der früheren Verurteilungen vorzunehmen gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – 5 StR 301/11, StV 2012, 596). Für die Bemessung des Härteausgleichs ist der Tatrichter daher gehalten, sich Klarheit über die ohne Berücksichtigung der Erledigung an sich gegebene Gesamtstrafenlage zu verschaffen. Das Landgericht hat mit Blick auf sämtliche Strafen aus den drei Erkenntnissen des Amtsgerichts Arnsberg vom 8. September 2014, 7. April 2015 und 7. Dezember 2015 einen Härteausgleich von drei Monaten gewährt. Dies wäre im Ansatz nur zutreffend, wenn die drei Verurteilungen untereinander gesamtstrafenfähig gewesen sind, weil alle Taten vor dem 8. September 2014 beendet wurden. Ob dies der Fall ist, lässt sich auf der Grundlage der Urteilsgründe , welche sich zu den Tatzeiten der jeweils abgeurteilten Taten nicht verhalten , nicht abschließend beurteilen.