Bundesgerichtshof Urteil, 21. Juli 2016 - 2 StR 383/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:210716U2STR383.15.0
bei uns veröffentlicht am21.07.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 383/15
vom
21. Juli 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Hehlerei
zu 2.: Wohnungseinbruchsdiebstahls u.a.
zu 3.: Wohnungseinbruchsdiebstahls
ECLI:DE:BGH:2016:210716U2STR383.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 20. Juli 2016 in der Sitzung am 21. Juli 2016, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin - in der Verhandlung vom 20. Juli 2016 - als Verteidigerin für den Angeklagten K. A. , Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom 20. Juli 2016 - als Verteidiger für den Angeklagten J. A. , Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom 20. Juli 2016 - als Verteidiger für die Angeklagte N. A. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 26. Mai 2015 mit den Feststellungen aufgehoben , soweit sie verurteilt worden sind. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: - den Angeklagten K. A. unter Freisprechung im Übrigen wegen Hehlerei unter Einbeziehung von zwei Einzelgeldstrafen aus früheren Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, - den Angeklagten J. A. unter Freisprechung im Übrigen wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in zwei Fällen und wegen Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten , - die Angeklagte N. A. unter Freisprechung im Übrigen wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls unter Einbeziehung von zwei Einzelfreiheitsstrafen aus früheren Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten.
2
Gegen ihre Verurteilungen richten sich die Revisionen der Angeklagten mit Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

I.

3
Nach den landgerichtlichen Feststellungen begingen die Angeklagten, die allesamt Geschwister sind, im Zeitraum von Dezember 2012 bis Februar 2013 in unterschiedlicher Zusammensetzung und Beteiligung Wohnungseinbruchsdiebstähle (Fälle 9, 12 und 16) sowie Hehlereitaten in Bezug auf Diebesgut , das aus Wohnungseinbrüchen stammte (Fälle 4, 5, 13 und 18).
4
Die Angeklagten haben zu den Vorwürfen geschwiegen. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten in den abgeurteilten Fällen zum einen auf Schuh- oder DNA-Spuren gestützt, die an einigen Tatorten sichergestellt wurden, sowie darauf, dass Diebesgut, im Wesentlichen Schmuck oder Wertgegenstände, in Wohnungen aufgefunden wurden, in denen die Angeklagten sowie weitere Familienmitglieder wohnten. Das Landgericht ist zu Verurteilungen in den Fällen gelangt, in denen den Angeklagten einzelne Taten entweder aufgrund von sichergestellten Spuren am Tatort der Wohnungseinbruchsdiebstähle (Fälle 9, 12 und 16) oder eindeutigen Besitzverhältnissen von Diebesgut (Fälle 4, 5, 13 und 18) zugeordnet werden konnten. In den übrigen Fällen hat es die Angeklagten freigesprochen.

II.

5
Die Revision des Angeklagten K. A. , der wegen Hehlerei von Diebesgut (Fälle 4, 5 und 13, Ziff. II.2 der Urteilsgründe) verurteilt wurde, hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Mit dieser macht der Beschwerdeführer eine Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO geltend, weil es das Landgericht abgelehnt hat, den Auslandszeugen Ja. A. zu vernehmen.
6
1. Der Rüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:
7
a) Zwischen dem 5. und dem 6. Hauptverhandlungstag übersandte der Verteidiger des Angeklagten K. A. (ebenso wie der Angeklagte J. A. , vgl. unten III.1.) einen Schriftsatz an das Landgericht und beantragte darin, den in Frankreich in Haft befindlichen Zeugen Ja. A. , den Bruder der Angeklagten, als Zeugen dazu zu vernehmen, dass der Angeklagte an den ihm vorgeworfenen Hehlerei- und Einbruchsdiebstahlstaten nicht beteiligt gewesen sei. Der Zeuge habe die im Rahmen der Durchsuchung aufgefundenen Gegenstände dem Angeklagten geschenkt sowie auf Frage nach der Herkunft der Gegenstände mitgeteilt, dass er die Geschenke käuflich erworben habe (UA S. 38 f.). Zur Begründung des Antrags bezog sich die Verteidigung insbesondere auf die Übersetzung eines auf Serbisch verfassten, handschriftlichen Schreibens des Zeugen Ja. A. an das Landgericht, in dem er darum bat, zum Gericht nach Deutschland gebracht zu werden. Der Zeuge wolle sagen, „was insgesamt war 2012-2013“ und er sei „alleine schuldig für die Probleme“.
8
b) Die Strafkammer hat ausweislich ihres Beschlusses gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO die Vernehmung des Auslandszeugen wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt und dies damit begründet, dass die in sein Wissen gestellten Behauptungen für die Entscheidung ohne Bedeutung seien, weil dem Angeklagten „als am gleichen Ort wohnenden Bruder […] angesichts der Gesamt- umstände klar gewesen sein“ müsse, „dass Ja. A. dieGegenstände nicht legal erworben haben“ könne.
9
2. Die Rüge genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
10
Insbesondere schadet es nicht, dass aus der Revisionsbegründungsschrift nicht hervorgeht, ob der schriftliche Antrag auf Vernehmung des Auslandszeugen in der Hauptverhandlung mündlich gestellt worden ist. Denn dem Senat ist es in der vorliegenden Konstellation auch ohne genauere Kenntnis dieser Umstände möglich zu prüfen, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen wären.
11
Es ändert nichts am Prüfungsmaßstab des Revisionsgerichts, wenn man den Antrag der Verteidigung auf Vernehmung des Auslandszeugen nicht als Beweisantrag, sondern lediglich als Beweisanregung ansehen würde. Denn auch das Übergehen eines außerhalb der Hauptverhandlung gestellten, dort aber nicht wiederholten und daher nicht nach Maßgabe von § 244 Abs. 3 bis 6 StPO zu verbescheidenden Beweisantrags (vgl. KK-Krehl, StPO, 7. Aufl., § 244 Rn. 85 mwN) kann nach den Umständen des Einzelfalls eine Verletzung der Aufklärungspflicht darstellen (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2001 – 1 StR 557/00, NStZ-RR 2002, 65, 68; Beschluss vom 20. November 2001 – 1 StR 470/01, NStZ-RR 2002, 110, 111; vgl. BGH, Beschluss vom 30. August 1988, 1 StR 357/88, BGHR StPO § 244 Abs. 2 Aufdrängen 1). Insoweit ist die Entscheidung des Tatgerichts über einen lediglich außerhalb der Hauptverhandlung gestellten schriftlichen Antrag am gleichen Maßstab zu messen, wie die Entscheidung über einen Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen , die gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO nach Maßgabe der Amtsaufklärungspflicht erfolgt (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 – 1 StR 78/14; Urteil vom 18. Januar 1994 – 1 StR 745/93, BGHSt 40, 60, 62; KK-Krehl, StPO, 7. Aufl., § 244 Rn. 212 mwN).
12
3. Die Revision beanstandet zu Recht die Entscheidung des Landgerichts über die Nichtvernehmung des Ja. A. als Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO).

13
a) § 244 Abs. 2 StPO gebietet es, von Amts wegen Beweis zu erheben, wenn aus den Akten oder aus dem Stoff der Verhandlung Umstände und Möglichkeiten bekannt oder erkennbar sind, die bei verständiger Würdigung der Sachlage begründete Zweifel an der Richtigkeit der – auf Grund der bisherigen Beweisaufnahme erlangten – Überzeugung wecken müssen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 – 4 StR 208/14, NStZ 2015, 36 mwN). Ob die vom Gericht auf Grund der verwendeten Beweismittel gewonnene Überzeugung ausreicht oder ob zu ihrer Absicherung oder Überprüfung weitere Beweismittel heranzuziehen sind, ist auf der Grundlage von Verfahrensablauf und Beweislage des Einzelfalls zu beurteilen. Je weniger gesichert ein Beweisergebnis erscheint, desto größer ist der Anlass für das Gericht, trotz der erlangten Überzeugung weitere erkennbare Beweismöglichkeiten zu benutzen (BGH, Beschluss vom 19. März 2013 – 5 StR 79/13, NStZ 2013, 725; Urteil vom 5. Dezember 1995 – 1 StR 580/95, StV 1996, 249, 250). Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Auslandszeuge – wie hier – Vorgänge bekunden soll, die für den Schuldvorwurf von zentraler Bedeutung sind (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2006 – 3 StR 374/06, NStZ 2007, 349, 351).
14
b) Die Strafkammer hat im Urteil festgestellt, dass die konkreten Umstände bei der Übernahme des Diebesguts durch K. A. von seinem Bruder Ja. A. (ohne dessen Vernehmung) gerade nicht aufgeklärt werden konnten (UA S. 19, 38 f.). Die in das Wissen des Zeugen gestellten Behauptungen zu den Umständen der Übergabe des Diebesguts an seine Geschwister waren aber von wesentlicher indizieller Bedeutung für die Feststellung des subjektiven Tatbestands der Hehlerei. Daher besorgt der Senat bereits aufgrund der Beschlussbegründung, in der das Landgericht lediglich pauschal auf die „Gesamtumstände“ verweist, ohne sie näher zu erläutern (zu deninsoweit an die Begründung zu stellenden Anforderungen vgl. Senat, Beschluss vom 20. Dezember 2006 – 2 StR 444/06, StV 2007, 176), dass die Strafkammer bei ihrer Entscheidung den genannten Maßstab der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) verkannt hat.
15
Dies gilt auch mit Blick darauf, dass das Landgericht im Urteil zur Begründung des (bedingten) Hehlereivorsatzes des Angeklagten letztlich auf die Aussage der Zeugin F. abgestellt hat (UA S. 35, 39). Zwar hat die Zeugin bekundet, dass die bei der Durchsuchung aufgefundenen Gegenstände Geschenke von Ja. A. gewesen seien. „Sie, also die gesamte Familie, hätten sich schon gewundert, woher dies alles stamme“. Die Zeugin F. habe „die Zweifel der Familie an dem rechtmäßigen Erwerb der vielen von ihrem Bruder Ja. A. verschenkten Gegenstände lebhaft und überzeugend schil- dern“ können. Dem lässt sich jedoch schon nicht entnehmen, inwiefern der An- geklagte K. A. überhaupt in die geschilderten Familiengespräche involviert war. Überdies berücksichtigt das Landgericht nicht, dass der Angeklagte K. A. nach den Urteilsfeststellungen zum Tatzeitraum nicht in dem Mehrfamilienhaus der Großfamilie, sondern mit seiner Ehefrau in einer eigenen Wohnung unter einer anderen Anschrift wohnte (UA S. 36, 38). Ein Großteil des Diebesguts wurde aber nicht in der Wohnung des Angeklagten K. A. , sondern in dem Mehrfamilienhaus, das von den anderen Familienmitgliedern bewohnt war, aufgefunden (UA S. 27 ff., 36 ff.). Stattdessen geht das Landgericht im Widerspruch dazu in dem die Vernehmung des Zeugen ablehnenden Beschluss gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO nicht zutreffend davon aus, dass K. A. „am gleichen Ort“ gewohnt habe.
16
c) Es lagen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass oder weshalb eine Überstellung des in Frankreich in Haft befindlichen Zeugen zum Zwecke seiner Vernehmung durch das Tatgericht (Art. 11 EuRhÜbk) nicht möglich gewesen wäre (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 6. November 1991 – 2 StR 342/91 –, NStZ 1992, 141; BGH, Urteil vom 29. Oktober 1981 – 4 StR 512/81). Aufgrund der Erklärung seiner Aussagebereitschaft war davon auszugehen, dass er weder von seinem Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO) noch von seinem Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 Abs. 1 StPO) Gebrauch machen wollte und einer Überstellung zur Zeugenvernehmung (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 Ziff. a EuRhÜbk) zugestimmt hätte.
17
4. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht.

III.

18
Die Revision des Angeklagten J. A. hat ebenfalls mit einer Aufklärungsrüge Erfolg, mit der der Beschwerdeführer die Nichtvernehmung des Auslandszeugen Ja. A. beanstandet.
19
1. Der Angeklagte J. A. hat – wie der BeschwerdeführerK. A. – die Vernehmung des Auslandszeugen in einem Schriftsatz vom 6. Mai 2015 außerhalb der Hauptverhandlung beantragt und darin unter anderem unter Beweis gestellt, dass der Zeuge die Diebstahlstaten begangen habe und er daran nicht beteiligt gewesen sei. Außerdem seien ihm die bei ihm beschlagnahmten Gegenstände von Ja. A. , der ihm gegenüber angegeben habe, er habe sie aus Einnahmen aus seinem Gebrauchtwagenhandel bezahlt, geschenkt worden.
20
Das Landgericht hat durch Beschluss vom 19. Mai 2015 die Ladung des Zeugen gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine Zuordnung des Diebesguts nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme , soweit es sich nicht am Körper der Angeklagten befunden habe, ausschließlich aufgrund von am Tatort hinterlassenen Spuren denkbar sei, weswegen es nach pflichtgemäßem Ermessen einer Vernehmung des in Frankreich in Haft befindlichen Zeugen nicht bedürfe.
21
2. Als Aufklärungsrüge genügt die Verfahrensbeanstandung den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
22
Dem Revisionsvorbringen ist nach dessen Sinn und Zweck (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 1993 – 4 StR 31/93 mwN) zu entnehmen, dass mit der Verfahrensrüge die Ablehnung der Vernehmung des Zeugen Ja. A. beanstandet und diese Beanstandung (auch) als Aufklärungsrüge geltend gemacht wird. Dabei schadet es – wie oben ausgeführt – auch nicht, dass aus der Revisionsbegründungsschrift nicht hervorgeht, ob der schriftliche Antrag in der Hauptverhandlung mündlich gestellt worden ist (vgl. oben II.2).
23
3. Die Rüge ist auch begründet.
24
a) Das Landgericht hat bei seiner ablehnenden Entscheidung zwar zutreffend als maßgebendes Kriterium angesehen, ob die Aufklärungspflicht die Erhebung der beantragten Beweise erfordere (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2010 – 3 StR 451/09 –, BGHR StPO § 244 Abs. 5 Satz 2 Auslandszeuge 15 mwN). Bei deren Prüfung hat das Tatgericht namentlich die Bedeutung und den Beweiswert der Aussage des benannten Zeugen vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses zu würdigen; es ist bei dieser Prüfung auch vom Verbot der Beweisantizipation befreit (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2006 – 3 StR 374/06, BGHR StPO § 244 Abs. 5 Satz 2 Auslandszeuge 13; BGH, Urteil vom 18. Januar 1994 – 1 StR 745/93, BGHSt 40, 60). Die Strafkammer durfte daher den zu erwartenden Beweiswert der Aussage des Zeugen vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses würdigen.
25
b) Allerdings hat die Strafkammer bei ihrer Abwägung den besonderen Umständen des vorliegenden Sachverhalts und der Beweislage nicht im notwendigen Maße Rechnung getragen.
26
Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt , dass der Aussage des in Frankreich aufhältigen Zeugen eine herausgehobene Beweisbedeutung zukommt. Bei dem Zeugen Ja. A. , der sich in seinem Schreiben an das Tatgericht als „schuldig für die Probleme“ bekannt hat (offenkundig im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Taten), handelt es sich möglicherweise um den einzigen zur Verfügung stehenden unmittelbaren Tat- und Entlastungszeugen hinsichtlich der Diebstahlstaten. Die Beweislage im Übrigen war auch nicht derart gesichert, dass die Strafkammer sich zum Versuch weiterer Aufklärung durch die zeugenschaftliche Einvernahme von Ja. A. nicht hätte gedrängt sehen müssen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 – 3 StR 274/09, BGHSt 55, 11, 23). So kamen hinsichtlich der Verurteilung wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls (Fälle 12 und 16, Ziff. II.1.a, b der Urteilsgründe) nach dem verlesenen kriminaltechnischen Gutachten zu den am Tatort von zwei Wohnungseinbruchsdiebstählen sichergestellten Schuhabdruckspuren, welches das wesentliche Indiz für die Täterschaft des Angeklagten J. A. darstellt (UA S. 31 f.), die Schuhe des Angeklagten aufgrund von Profilübereinstimmungen und der Gleichartigkeit der Größenverhältnisse als Spurenverursacher zwar in Betracht. Allerdings konnte die Strafkammer keine sichere Übereinstimmung der Schuhspur mit den Schuhen des Angeklagten feststellen, weil es hierfür an besonderen Merkmalen fehlte, die die Spur einzigartig oder sonst individuell unterscheidbar machten. Die Aufklärungspflicht hätte es deshalb geboten, den Zeugen Ja. A. hinsichtlich der im Zusammenhang mit den Diebstahlstaten unter Beweis gestellten Umständen zu vernehmen.
27
Dies gilt im Übrigen auch mit Blick auf die in das Wissen des Zeugen gestellten Behauptungen zu den Umständen der Übergabe des Diebesguts an den Angeklagten. Das Landgericht, das hierauf in seinem ablehnenden Beschluss nicht eingegangen ist, musste sich auch diesbezüglich zur Vernehmung des Ja. A. gedrängt sehen (vgl. oben II.3).
28
4. Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil auch. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht zu einer anderen Würdigung der Beweise gelangt wäre, wenn der Zeuge Ja. A. die in sein Wissen gestellten Umstände bestätigt hätte.
29
5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Vorgehensweise des Landgerichts, einzelne Beweisbehauptungen aus den Anträgen der Verteidiger der Beschwerdeführer auf Vernehmung des Zeugen Ja. A. – gleichsam wie eine Einlassung der Angeklagten – in seine Beweiswürdigung miteinzustellen (UA S. 34 f., 38 f.), rechtsfehlerhaft war. Beweisbehauptungen , die in einem von dem Verteidiger gestellten Beweisantrag enthalten sind, dürfen nicht in eine Einlassung des Angeklagten umgedeutet werden, sofern sich dieser hierzu nicht erklärt (BGH, Beschlüsse vom 7. August 2014 – 3 StR 105/14, NStZ 2015, 207, 208; vom 12. April 2000 -, 1 StR 623/99, NStZ 2000, 495; vom 29. Mai 1990 – 4 StR 118/90, NStZ 1990, 447, 448). Ob die Angeklagten entsprechende Erklärungen abgegeben haben, lässt sich dem Urteil vorliegend nicht entnehmen.

IV.

30
Hinsichtlich der Angeklagten N. A. hat die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge einen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ergeben, der zur Urteilsaufhebung führt.
31
1. Nach den Feststellungen brach die Angeklagte unter Mitwirkung weiterer unbekannter Täter am Morgen des 28. Januar 2013 in ein Wohnhaus der Geschädigten L. in T. ein, indem die Täter das Zugangsfenster zur Küche mittels eines Pflastersteins einschlugen. Auf diesem Weg gelangten die Angeklagte und ihre Mittäter in das Wohnhaus, suchten dort nach stehlens- werten Gegenständen und entwendeten gemeinsam Bargeld, Schmuck und andere Wertgegenstände im Gesamtwert von etwa 45.000 Euro (Fall 9).
32
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts im Fall 9 hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
33
a) Die Strafkammer hat die Angeklagte N. A. im Wesentlichen deshalb als überführt angesehen, weil innerhalb des Wohnhauses der Geschädigten L. der Angeklagten zuzuordnende DNA-Spuren aufgefunden wurden (UA S. 40). Diese von ihr hinterlassenen Spuren seien nicht anders zu erklären als mit dem Eindringen der Angeklagten in das Wohnhaus und dem damit verbundenen Entwenden der dort befindlichen Wertgegenstände, zumal keine Anhaltspunkte gegeben seien, die den Aufenthalt der Angeklagten dort anderweitig erklären könnten (UA S. 42). Hinzu trete, dass beim Wohnungseinbruch entwendete Gegenstände im näheren Umfeld der Angeklagten, nämlich in den von ihr und ihren Familienmitgliedern bewohnten Wohnungen, aufgefunden wurden (UA S. 42).
34
Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, dass im Rahmen der Spurensicherung am Tatort des Wohnungseinbruchs an dem Griff eines Schlüssels für eine Öffnungsblende am Doppelbett im Schlafzimmer ein Abrieb genommen wurde, an dem eine DNA-Spur festgestellt worden sei, die mit dem DNAIdentifizierungsmuster der Angeklagten N. A. übereinstimme. Zudem gehe aus einem verlesenen Gutachten der Firma E. GmbH hervor, dass der Abrieb von der genannten Schlüsselreide unter- sucht und dabei „eine Mischung von Merkmalen von mehr als einer Person festgestellt worden sei; bei einem direkten Abgleich mit Tatverdächtigen oder Tatortberechtigten sei eine Bewertung möglich“, (UA S. 41). Weiter seien in der Hauptverhandlung die „zweite Ergänzung zum Behördengutachten des LKA vom 24.04.2013 (Bl. 81-83 SB Spuren)“, „die Treffermitteilung des Thüringer LKA vom 18.03.2014 (Bl. 89 SB Spuren)“ verlesen sowie die „hierzu gehörige tabellarische Übersicht (Bl. 90 SB Spuren)“ im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Aus der Ergänzung zum Behördengutachten gehe hervor, dass unter anderem ein Mundhöhlenabstrich der Angeklagten mit Blick auf „Spurmaterial von Schnürsenkeln von sichergestellten Schuhen“ untersucht wurde. Aus der Treffermitteilung gehe eine Übereinstim- mung des DNA-Identifizierungsmusters der Angeklagten N. A. mit dem Abrieb der Schlüsselreide hervor (UA S. 41). Nähere Erläuterungen zu dem DNA-Identifizierungsmuster der Angeklagten, der sichergestellten Mischspur und der molekluargenetischen Vergleichsuntersuchung enthalten die Urteilsgründe nicht.
35
b) Dies genügt den Anforderungen nicht, die an eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung zu stellen sind. In Fällen, in denen das Tatgericht dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, sind die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212, 217 mwN). Für die Darstellung des Ergebnisses einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung ist jedenfalls erforderlich, dass der Tatrichter mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist (BGH, Beschluss vom 12. April 2016 – 4 StR 18/16; Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 1 StR 364/14, NStZ-RR 2015, 87, 88; Urteil vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454; Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212,

217).


36
c) Daran gemessen leidet das Urteil des Landgerichts an durchgreifenden Darlegungsmängeln. Den Ausführungen der Strafkammer zur DNAVergleichsuntersuchung lässt sich weder entnehmen, wie viele Systeme bei der Tatort(misch)spur und dem DNA-Identifizierungsmuster der Angeklagten detektiert und untersucht wurden, noch mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist. Nähere Darlegungen hierzu waren schon deswegen nicht entbehrlich, weil im vorliegenden Fall die Besonderheit gegeben ist, dass mehr als eine Person als Spurenleger angenommen werden kann (Mischspur) und eine Verwandtschaft zwischen möglichen spurenbeteiligten Personen in Betracht kommt (vgl. Senat, Urteil vom 24. März 2016 – 2 StR 112/14; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454).
37
d) Da das Landgericht seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten N. A. im Wesentlichen auf ihre Spurenlegerschaft und damit auf das Ergebnis der DNA-Vergleichsuntersuchungen gestützt hat, kann der Senat ein Beruhen des Urteils auf diesem Darstellungsmangel nicht ausschließen.

V.

38
1. Da das Urteil bereits auf die Verfahrensrügen der Angeklagten K. A. (vgl. oben unter II.) und J. A. (vgl. oben unter III.) sowie auf die Sachrüge der Angeklagten N. A. (vgl. oben unter IV.) vollständig aufzuheben ist, braucht der Senat auf die darüber hinaus erhobenen Rügen im Einzelnen nicht einzugehen.
39
2. Für die neu zu treffende Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
40
Sollte die neue Hauptverhandlung wiederum zu einer Verurteilung der Angeklagten führen, wird die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer im Rahmen der Gesamtstrafenbildung insbesondere Folgendes zu berücksichtigen haben:
41
a) Das Landgericht hat den Vollstreckungsstand hinsichtlich der am 7. Mai 2013 durch das Amtsgericht W. gegen den Angeklagten J. A. verhängten Geldstrafe (9 Cs 613 Js 203697/13) wegen der Tat vom 21. Februar 2013, die an sich gesamtstrafenfähig ist, nicht mitgeteilt. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die verhängte Geldstrafe im Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils noch nicht erledigt war. Sollte sie erledigt sein und deshalb eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB ausscheiden , wäre ein Härteausgleich möglich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. März 2016 – 4 StR 7/16 – und vom 2. Dezember 2015 – 4 StR 423/15).
42
b) Die vom Amtsgericht W. mit Urteil vom 11. März 2014 (9 Ds 711 Js 209920/13) gegen die Angeklagte N. A. ausgesprochene, nicht vollständig erledigte Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen der Tat vom 19. September 2013 wäre mit einer Strafe wegen der Tat vom 28. Januar 2013 des angefochtenen Urteils und der Strafe aus dem rechtskräftigen Strafbefehl vom 28. Februar 2013 (8 Ds 538 Js 203310/10) nicht gesamtstrafenfähig. Wenn die neu abzuurteilende Tat – wie hier – vor zwei rechtskräftigen, unerledigten Vorverurteilungen begangen wurde, ist mit der Strafe aus der ersten Verurteilung eine nachträgliche Gesamtstrafe zu bilden; diese erste Vorverurteilung bildet eine Zäsur, so dass die zweite Vorverurteilung selbständig bestehen bleibt (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Mai 2004 – 2 StR 24/04; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 55 Rn. 9, 11 mwN). Nach diesen Grundsätzen entfaltet die (offenbar) noch nicht erledigte Bewährungsstrafe aus dem Strafbefehl vom 28. Februar 2013 Zäsurwirkung, so dass im Fall einer erneuten Verurteilung der Angeklagten N. A. wegen der Tat vom 28. Januar 2013 eine Gesamtstrafenbildung lediglich mit dieser zäsurbildenden Freiheitsstrafe in Betracht kommt, nicht aber mit der durch Urteil des Amtsgericht Weißenfeld vom 11. März 2014 (9 Ds 711 Js 209920/13) verhängten Freiheitsstrafe. Da das Landgericht die letztgenannte Strafe rechtsfehlerhaft in die Gesamtstrafe einbezogen hat, wird das neue Tatgericht im Fall einer Verurteilung bei der Strafzumessung mit Blick auf das Gesamtstrafübel das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) in den Blick zu nehmen haben. Fischer Appl Krehl Eschelbach RinBGHDr. Ott ist aus tatsächlichen Gründen an der Unterschrift gehindert. Fischer

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 21. Juli 2016 - 2 StR 383/15

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Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
Bundesgerichtshof Urteil, 21. Juli 2016 - 2 StR 383/15 zitiert 9 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Strafprozeßordnung - StPO | § 55 Auskunftsverweigerungsrecht


(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 52 Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen des Beschuldigten


(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt 1. der Verlobte des Beschuldigten;2. der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;2a. der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteh

Referenzen - Urteile

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5 StR 79/13 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 19. März 2013 in der Strafsache gegen wegen Raubes u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. März 2013 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Mai 2004 - 2 StR 24/04

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 24/04 vom 7. Mai 2004 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u. a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführ

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2010 - 3 StR 451/09

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Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Jan. 2001 - 1 StR 557/00

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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Nov. 2001 - 1 StR 470/01

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 623/99 vom 12. April 2000 in der Strafsache gegen wegen Betrugs Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. April 2000 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsbur

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 572/16 vom 27. Juni 2017 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes u.a. ECLI:DE:BGH:2017:270617B2STR572.16.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und

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Referenzen

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 557/00
vom
17. Januar 2001
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Januar 2001 beschlossen
:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München II vom 17. August 2000 mit Ausnahme der Feststellungen
zur rechtswidrigen Tat aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Obwohl gegen sie dort Hausverbot bestand, weigerte sich die stark angetrunkene Angeklagte am 16. Juli 1998 der Aufforderung einer Angestellten zum Verlassen eines Supermarkts nachzukommen. Als die Angestellte die Angeklagte deshalb in das Büro verbringen wollte, wurde sie von ihr durch Schläge und Tritte nicht unerheblich verletzt. Außerdem beschimpfte die Angeklagte sie und eine hinzu gekommene Kundin mit Ausdrücken wie "Nazischlampe" und "Kinderficker". Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Die Revision der Angeklagten hat überwiegend Erfolg.
1. Vergeblich macht die Revision allerdings geltend, die Angeklagte sei, ebenso wie bei einem früheren Hauptverhandlungstermin, der nach ärztlichem Hinweis schon vor Beginn wegen Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten abgesetzt worden war, bei der Hauptverhandlung verhandlungsunfähig gewesen. Die Angeklagte war in der Hauptverhandlung ausweislich der Urteilsgründe "in einem körperlich äußerst desolaten Zustand". Sie war fünf Tage zuvor von ihrem Mann körperlich mißhandelt worden und hatte sich seitdem "in Kneipen und beschützenden Einrichtungen" aufgehalten. Unmittelbar vor der Hauptverhandlung, zu der sie erst verspätet erschien, hatte die in hohem Maße alkoholgewohnte Angeklagte drei Halbe Bier getrunken. Gleichwohl hat sie sich, wie der Generalbundesanwalt im einzelnen zutreffend ausgeführt hat, an der Hauptverhandlung, bei der ein ärztlicher Sachverständiger anwesend war, intensiv beteiligt und dabei eine Reihe von schlüssigen Erklärungen zur Person und zur Sache abgegeben. Unter diesen Umständen hat der Senat, ebenso wie die Strafkammer, an der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten (vgl. BGHSt 41, 16, 18 m.w.N.) keine Zweifel (vgl. BGH NStZ 1984, 181 m.w.N.). 2. Nach sachverständiger Beratung ist die Strafkammer zu dem Ergebnis gekommen, daß die Schuldunfähigkeit der alkoholkranken (wegen Vollrauschs sechs Mal vorbestraften) Angeklagten auf einer endogenen schizo-affektiven Psychose mit (nicht näher ausgeführten) Verfolgungsideen aus dem zyklotymen Kreis in Form eines phasenartig verlaufenden hypomanischen Zustands beruhe. In manischen Phasen würden gehäuft deliktische Zuspitzungen und Alkoholexzesse mit Aggressionstendenzen auftreten. Mit weiteren gleichartigen Taten sei zu rechnen. Die Beurteilung der Angeklagten durch den Sachverständigen beruht auf einer von ihm vorgenommenen ambulanten Untersuchung
der Angeklagten am 5. Oktober 1998 im Bezirkskrankenhaus T. , ihrer dortigen (ebenfalls nicht näher ausgeführten) Krankengeschichte sowie der Kenntnis der Verfahrensakte und der Hauptverhandlung. 3. Die Angeklagte hatte wenige Tage vor der Hauptverhandlung mit einem von ihr selbst verfaßten, an die Strafkammer gerichteten Schreiben vom 10. August 2000 die Vernehmung der Fachärzte für Psychiatrie Dr. K. und Dr. G. als sachverständige Zeugen beantragt und zugleich Atteste dieser Ä rzte vorgelegt. Wie die Revision zutreffend vorträgt, heißt es in dem Attest von Dr. K. vom 30. Mai 2000 ausdrücklich: "Zeichen einer schizo-affektiven Psychose konnte ich bei der mir seit 1992 bekannten Patientin nicht feststellen". Ausweislich des Attestes von Dr. G. v om 8. Mai 2000 liegen bei der Angeklagten "Rezidivierende manische Episoden" sowie Alkoholabhängigkeit und eine "nivellierte Persönlichkeit" vor. 4. Die Revision rügt mit Recht, daß die Strafkammer diesen Anträgen nicht nachgegangen ist. Das Übergehen eines außerhalb der Hauptverhandlung gestellten, dort aber nicht wiederholten und daher nicht nach Maßgabe von § 244 Abs. 3 bis 6 StPO zu verbescheidenden Beweisantrags (vgl. § 219 StPO) kann je nach den Umständen des Einzelfalls eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) darstellen (BGHR StPO § 244 Abs. 2 Aufdrängen 1; vgl. auch Herdegen in KK 4. Aufl. § 244 Rdn. 49). So verhält es sich hier. Die (offenbar einmalige) Untersuchung der Angeklagten durch den gerichtlichen Sachverständigen lag zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung fast zwei Jahre zurück. Nach der verfahrensgegenständlichen Tat liegende Vorfälle , die - etwa im Hinblick auf aufgetretene Wahnideen - das Vorliegen einer
schizo-affektiven Psychose bestätigen könnten, sind nicht festgestellt. Allerdings ergeben die Urteilsgründe, daß die Angeklagte schon 1995 wegen insgesamt drei, mit der vorliegenden vergleichbaren Tat, die sie 1993, 1994 und 1995 in jeweils betrunkenem Zustand begangen hatte, gemäß § 63 StGB untergebracht wurde, wobei die Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zu den Gründen dieses Urteils ist jedoch nichts mitgeteilt. Ebensowenig ist ersichtlich , wann, wie lange, aus welchen Gründen und mit welchem Ergebnis die Angeklagte in einem Bezirkskrankenhaus (oder anderswo) psychiatrisch behandelt worden ist. Unter diesen Umständen kann der Senat nicht ausschließen , daß die Strafkammer nach Anhörung der genannten Ä rzte zu einem anderen Ergebnis, etwa einer Unterbringung gemäß § 64 StGB, gekommen wäre, insbesondere, nachdem vor allem Dr. K. nach offenbar jahrelanger Behandlung der Angeklagten dem vom gerichtlichen Sachverständigen gefundenen Ergebnis ausdrücklich widersprochen hat (vgl. auch BGH NStZ-RR 1996, 258). Dies führt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs (§ 349 Abs. 4 StPO).
5. Von alledem unberührt bleiben die Feststellungen zum Tatgeschehen vom 16. Juli 1998. Da sie, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, rechtsfehlerfrei getroffen sind, können sie bestehen bleiben (§ 349 Abs. 2 StPO). Schäfer Wahl Schluckebier Hebenstreit Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 470/01
vom
20. November 2001
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. November 2001 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Kempten (Allgäu) vom 2. August 2001 wird als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Der Angeklagte hatte vor der Hauptverhandlung im Hinblick auf den
Inhalt des (vorbereitenden schriftlichen) Gutachtens zur Schuldfähigkeit des
Angeklagten einen Befangenheitsantrag (§ 74 StPO) gegen den Sachverständigen
gestellt, der einen bestimmten Test nicht verwendet und sich zu wesentlichen
Fragen nicht (klar) geäußert habe. Dieser Antrag wurde ebenfalls noch
vor der Hauptverhandlung zurückgewiesen. In der Hauptverhandlung, in der
der Sachverständige gehört wurde, wurde der Ablehnungsantrag nicht wiederholt.
Die Revision macht geltend, der Befangenheitsantrag sei zu Unrecht zurückgewiesen
worden. Wäre ein anderer Sachverständiger gehört worden, wäre
die Schuldfähigkeit des Angeklagten möglicherweise anders zu beurteilen
gewesen.

a) Mit der gegen die Ablehnung des Befangenheitsantrags gerichteten
Verfahrensrüge kann die Revision schon im Ansatz keinen Erfolg haben. Die
Anhörung eines Sachverständigen ist ein Beweismittel. Mit einem Befangenheitsantrag
wird geltend gemacht, der in Rede stehende Sachverständige dürfe
nicht als Beweismittel verwendet werden. Dies ist zwar kein Beweisantrag,
wohl aber ein Antrag zur Beweisaufnahme, bei dessen Behandlung Grundsätze
des Beweisrechts zur Anwendung kommen (Eisenberg, Beweisrecht der StPO,
3. Aufl. Rdn. 1557; Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß,
5. Aufl. S. 105 m.w.N.). Daraus folgt, daß eine Verfahrensrüge nicht darauf gestützt
werden kann, daß der in der Hauptverhandlung nicht wiederholte Antrag
vor der Hauptverhandlung (nicht beschieden oder) zurückgewiesen wurde
(OLG Hamm, VRS 39, 217; Eisenberg aaO Rdn. 1564; Kleinknecht/MeyerGoßner
, StPO 45. Aufl. § 74 Rdn. 21; Lemke in HK 3. Aufl. § 74 Rdn. 18).

b) Im übrigen ist mit dem Antrag inhaltlich mangelnde Sachkunde des
Sachverständigen geltend gemacht. Hierauf kann sich ein gegen einen Sachverständigen
gerichteter Befangenheitsantrag ohnehin nicht stützen (Senge in
KK 4. Aufl. § 74 Rdn. 5 m.w.N.).

c) Die Ablehnung des Antrags könnte allenfalls eine Verletzung der Aufklärungspflicht
(§ 244 Abs. 2 StPO) darstellen (vgl. zu einem vor der Hauptverhandlung
gestellten und dort nicht wiederholten Beweisantrag BGH, Beschluß
vom 17. Januar 2001 - 1 StR 557/00; BGHR StPO § 244 Abs. 2 Aufdrängen 1;
Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 219 Rdn. 39 m.w.N.). Das genannte
Vorbringen zur Möglichkeit einer anderen Beurteilung der Schuldfähigkeit
des Angeklagten bei Anhörung eines anderen Sachverständigen entspricht
jedoch nicht den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO an eine ordnungsgemäß
erhobene Aufklärungsrüge.
2. Die Strafkammer hat in der Hauptverhandlung die Niederschrift der
kommissarischen Vernehmung des Zeugen B. in D. verlesen und
ihre Ergebnisse im Urteil verwertet. Hiergegen wendet sich die Revision mit
dem Vorbringen, im Zusammenhang mit der Vernehmung inD. seien die
Anwesenheitsrechte der Verteidigung (§ 168c Abs. 2 und 5 StPO) verletzt worden.
Ohne daû der Senat diesem Vorbringen im übrigen näher nachzugehen
brauchte, kann die Revision schon deshalb damit nicht gehört werden, weil für
ein etwaiges Verwertungsverbot jedenfalls ein sofortiger Widerspruch in der
Hauptverhandlung erforderlich gewesen wäre (BGH NJW 1996, 2239, 2241;
Wache in KK 4. Aufl. § 168c Rdn. 22 m.w.N.). Hierzu teilt die Revision jedoch
entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nichts mit.
VRiBGH Dr. Schäfer ist nach Wahl Boetticher
Beschluûfassung erkrankt und
daher an der Unterschriftsleistung
verhindert.
Dr. Wahl
Kolz Hebenstreit

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 7 8 / 1 4
vom
21. Oktober 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
21. Oktober 2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 9. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II.A.4. der Urteilsgründe verurteilt worden ist;
b) im Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs eines Teils der Freiheitsstrafen vor dem Maßregelvollzug.
2. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision des Angeklagten werden verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung von Strafen aus zwei früheren Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es ihn der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen und dafür gegen ihn eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt (Fall II.A.4. der Urteilsgründe ). Es hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und einen Vorwegvollzug von einem Jahr und fünf Monaten bestimmt. Von zwei weiteren Vorwürfen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist er freigesprochen worden.
2
Der Angeklagte wendet sich mit mehreren Verfahrensrügen und der näher ausgeführten Sachrüge gegen seine Verurteilung. Die Staatsanwaltschaft hat ihr Rechtsmittel überwiegend zu Ungunsten, im Hinblick auf die Unterbringung in der Entziehungsanstalt aber auch zu Gunsten des Angeklagten eingelegt. Sie erhebt ebenfalls zahlreiche Verfahrensbeanstandungen und die ausgeführte Sachrüge. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist erfolglos. Die vom Generalbundesanwalt teilweise vertretene Revision der Staatsanwaltschaft erzielt lediglich den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Erfolg.

A.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts veräußerte der Angeklagte in wenigstens sieben Fällen jeweils mindestens 20 g Methamphetamin („Crystal- Speed“) mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils wenigstens 40 % zu einem Grammpreis von zumindest 30 Euro an seine Tochter, die Zeugin W. bzw. an deren Lebensgefährten, den Zeugen S. . Der Angeklagte nahm dabei billigend in Kauf, dass die Zeugen ihrerseits den Großteil dieser Betäubungsmittel an den Zeugen I. zu einem Grammpreis von 60 Euro weiter veräußerten. Dem Angeklagten, der zeitweilig als V-Person für das Bayerische Landeskriminalamt tätig war, kam es darauf an, den Zeugen I. gleich- sam „anzufüttern“, um diesen später gegenüber dem Landeskriminalamt als Betäubungsmittelstraftäter benennen zu können und dafür eine finanzielle Entlohnung zu erhalten (Taten II.A.3. der Urteilsgründe).
4
Weiterhin hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte sich mit dem Zeugen H. auf einem Autohof getroffen hatte. Kurz nach diesem etwa halbstündigen Treffen wurde der Zeuge von einer Polizeistreife kontrolliert. Er führte dabei rund 63 g Methamphetamin mit einer Wirkstoffkonzentration von 63,7 % bei sich. Das Tatgericht hat den genauen Ablauf des vorausgegangenen Treffens mit dem Angeklagten nicht zu klären vermocht. Es hat aber festgestellt , dass lediglich zwei Abläufe in Frage kommen: Entweder brachte der Zeuge das Methamphetamin bereits zu dem Treffen mit und bat den im Umgang mit diesem Rauschgift erfahrenen Angeklagten um eine Prüfung der Qualität , bevor der Zeuge es an eine dritte Person weiterverkaufen wollte, wobei der Angeklagte die Prüfung vornahm und eine gute Qualität bescheinigte. Oder der Angeklagte verkaufte dem Zeugen die Drogen zu einem Grammpreis von 60 Euro, wobei er dem Zeugen eine spätere Zahlung einräumte. Eine dritte Geschehensvariante hat das Landgericht ausgeschlossen (Tat II.A.2. der Urteilsgründe

).

5
Während einer polizeilichen Kontrolle des von dem Angeklagten geführten Fahrzeugs wurde in dessen Kleidung insgesamt 9,71 g Methamphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 75 % aufgefunden. Das Rauschgift hatte der Angeklagte zuvor in der Tschechischen Republik erworben und in die Bundesrepublik verbracht. In der Fahrertür seines Fahrzeugs befand sich, wie der Angeklagte wusste, während der Beschaffungsfahrt ein „Einhandmesser“. „Ob der Angeklagte dieses Messer zu dem Zweck bei sich führte, Dritte zu verletzen“ (UA S. 20), hat das Landgericht nicht mit Sicherheit festzustellen vermocht (Tat II.A.4. der Urteilsgründe).

B.

6
Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.

7
Ein der Verurteilung des Angeklagten entgegenstehendes Verfahrenshindernis besteht nicht. Soweit er ein solches auf eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK) stützen will, begründete ein derartiger Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade kein Verfahrenshindernis (BGH, Urteile vom 23. Mai 1984 – 1 StR 148/84, BGHSt 32, 345, 355; vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 324 ff.; vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 280 Rn. 37 mwN). Im Übrigen ergeben sich aus den Urteilsgründen keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK verletzenden rechtsstaatswidrigen Tatprovokation (zu den Voraussetzungen BGH, Urteile vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 326 ff.; vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47 ff.; Beschluss vom 11. Mai 2010 – 4 StR 117/10, NStZ-RR 2010, 289 [nur LS]; Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 f.). Die vom Landgericht nicht ausgeschlossene Kenntnis eines Führungsbeamten des Angeklagten bei dem Bayerischen Landeskriminalamt von dessen Betäubungsmittelgeschäften stellt ersichtlich keine solche Provokation dar.
8
Sollen – wie hier – nicht aus den Urteilsgründen ersichtliche Umstände eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation begründen, bedarf es der Erhebung einer den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Verfahrensrüge (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Juli 2000 – 3 StR 245/00, NStZ 2001, 53; vom 11. Mai 2010 – 4 StR 117/10, NStZ-RR 2010, 89; siehe auch Beschluss vom 26. Mai 2004 – 2 ARs 33/04, StraFo 2004, 356 mwN). Daran fehlt es.

II.

9
Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
10
1. Die Rüge der Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens (§ 338 Nr. 6 StPO hier i.V.m. § 172 Nr. 1a GVG) ist nicht gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässig ausgeführt.
11
Um den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen, müssen die den behaupteten Verfahrensmangel begründenden Tatsachen so genau und vollständig mitgeteilt werden, dass das Revisionsgericht im Sinne einer vorweggenommenen Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf die Akten beurteilen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 8. Januar 2013 – 1 StR 602/12, NStZ 2013, 672; vom 11. März 2014 – 1 StR 711/13, NStZ 2014, 532 f.
jeweils mwN). Diese Prüfung wird dem Senat im Hinblick auf den von der Revision behaupteten Verfahrensfehler nicht ermöglicht.
12
Es fehlt an Tatsachenvortrag zu dem Inhalt des von dem Zeugen KHK K. während seiner unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgten Vernehmung übergebenen „grünen Zettels“. Da die Revision den Verfahrensfehler in der Inaugenscheinnahme dieses „Zettels“ durch die Verfahrensbeteiligten bei fortbe- stehendem Öffentlichkeitsausschluss sieht, hätte sie den ihr nach der Beweiserhebung durch Augenschein ersichtlich bekannten Inhalt des „Zettels“ vortragen müssen. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, ist dem Senat ansonsten die Prüfung nicht möglich, ob der „grüne Zettel“ in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vernehmung des Zeu- gen steht und daher die Öffentlichkeit auch während der Augenscheinseinnahme ausgeschlossen bleiben durfte (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1987 – 4 StR 614/87, NStZ 1988, 190). Nach ständigerRechtsprechung des Bundesgerichtshofs umfasst die Anordnung des Ausschlusses für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen alle Vorgänge, die mit der Vernehmung im Zusammenhang stehen oder sich aus ihr entwickeln und daher zu diesem Verfahrensabschnitt gehören (siehe nur BGH, Urteil vom 9. November 1994 – 3 StR 420/94, BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 8 mwN).
13
2. Die Rüge der Verletzung von § 244 Abs. 5 Satz 2 bzw. § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO hinsichtlich der Vernehmung der Zeugin R. bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 9. April 2014 ohne Erfolg. Das gilt auch insoweit, als neben der behaupteten rechtsfehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags auf Vernehmung der genannten Zeugin ein Verstoß gegen die Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) geltend gemacht wird. Die Ablehnung von Beweisanträgen gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO erfolgt nach Maßgabe der Amtsaufklärungspflicht (BGH, Urteil vom 18. Januar 1994 – 1 StR 745/93, BGHSt 40, 60, 62; KK-StPO/Krehl, 7. Aufl., § 244 Rn. 212 mwN). Ist ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen anhand dieses Maßstabs ohne Rechtsfehler abgelehnt worden, liegt auch kein Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO vor.

III.

14
Die umfassende Prüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler erbracht.
15
1. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend aufgezeigt hat, enthält insbesondere die Beweiswürdigung des Landgerichts im Hinblick auf die Kenntnis von Beamten des Bayerischen Landeskriminalamts von den Betäubungsmitteltaten des Angeklagten auch unter Berücksichtigung der seitens des Bayerischen Innenministeriums abgegebenen Sperrerklärungen keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Die tatrichterliche Beweiswürdigung ist im Übrigen ebenfalls rechtsfehlerfrei.
16
2. Auf der Grundlage derart erfolgter Feststellungen hat das Landgericht den Angeklagten im Fall II.A.2. der Urteilsgründe ohne Rechtsfehler wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben des Zeugen H. mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Da es sich nach Erfüllung seiner Pflicht zu umfassender Sachverhaltsaufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO) nicht davon hat überzeugen können, welcher der beiden allein in Betracht kommenden Geschehensabläufe sich tatsächlich zugetragen hat, ist es im Ergebnis unter Anwendung des Zweifelsgrundsatzes von der für den Angeklagten günstigeren Variante ausgegangen. Dies führt zur Verurteilung wegen Beihilfe zu der Haupttat des Zeugen H. .
17
3. Dass das Landgericht bei der Strafzumessung hinsichtlich der Taten II.A.2. sowie II.A.3. der Urteilsgründe die angenommene Kenntnis des Zeugen KHK K. von den Betäubungsmittelgeschäften des Angeklagten zu dessen Gunsten berücksichtigt hat, beschwert diesen ersichtlich nicht. Für eine noch weitergehende Berücksichtigung bestand kein Anlass. Die ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen bieten keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation durch Beamte des Bayerischen Landeskriminalamts (B.I.).

C.

18
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat zu Ungunsten des Angeklagten Erfolg, soweit im Fall II.A.4. der Urteilsgründe die Verurteilung lediglich wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) erfolgt ist. Im Übrigen dringt sie weder zu Ungunsten noch zu Gunsten des Angeklagten durch.

I.

19
Die Feststellungen des Landgerichts zu der Tat II.A.4. der Urteilsgründe sowie die zugrundeliegende Beweiswürdigung tragen nicht die rechtliche Wertung , eine bewaffnete Einfuhr i.S.d. § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG scheide aus, weil die Zweckbestimmung des mitgeführten Messers zur Verletzung von Personen nicht sicher habe festgestellt werden können (UA S. 86).
20
1. Das Landgericht hat bei der Beweiswürdigung und den darauf beruhenden Feststellungen nicht den zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt gewählt.
21
Der Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt voraus, dass der Täter den bei der Tatbegehung mit sich geführten Gegenstand, wenn es sich bei diesem – wie hier – nicht um eine Schusswaffe handelt, zur Verletzung von Personen bestimmt hat. Um dieses Qualifikationsmerkmal zu verwirklichen, bedarf es einer darauf gerichteten Zweckbestimmung des Täters (BGH, Beschlüsse vom 25. Mai 2010 – 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98; vom 6. November 2012 – 2 StR 394/12, StV 2013, 704; vom 8. Januar 2014 – 5 StR 542/13, NStZ 2014, 466 mwN). Eine solche Zweckbestimmung muss grundsätzlich vom Tatrichter näher festgestellt und begründet werden. Das Landgericht hat allerdings nicht erkennbar bedacht, dass solche näheren Feststellungen zur Zweckbestimmung durch den Täter nicht erforderlich sind, wenn es sich bei dem mitgeführten Gegenstand um eine sogenannte gekorene Waffe i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 2b WaffG („tragbare Gegenstände“) handelt; bei derartigen Waffen liegt die Zweckbestimmung zur Verletzung von Personen ohne weitere Feststellungen regelmäßig auf der Hand (BGH, Beschlüsse vom 6. November 2012 – 2 StR 394/12, StV 2013, 704; vom 8. Januar 2014 – 5 StR 542/13, NStZ 2014, 466). Gekorene Waffen sind die von Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 2.1. zu § 1 Abs. 4 WaffG erfassten Gegenstände, zu denen u.a. Springmesser, Fallmesser, Faustmesser sowie Butterfly- oder Faltmesser gehören (Weber, BtMG, 4. Aufl., § 30a Rn. 114 mwN).
22
Die Feststellungen des Landgerichts erschöpfen sich in der Bezeichnung des von dem Angeklagten im Transportfahrzeug mitgeführten Gegenstandes als „Einhandmesser“. Diese Bezeichnung legte eine Prüfung nahe, ob es sich bei dem Messer um eine gekorene Waffe in dem vorgenannten Sinne handelte.
Sämtliche der vorgenannten Messertypen (zu den Anforderungen an die Beschaffenheit im Einzelnen Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 2.1.1. bis Nr. 2.1.4. zu § 1 Abs. 4 WaffG sowie Heinrich in Münchener Kommentar zum StGB, Band 8, 2. Aufl., § 1 WaffG Rn. 125 - 128) als gekorene Waffen lassen sich als „Einhandmesser“ bezeichnen. Da das Landgericht über die Bezeichnung als „Einhandmesser“ hinaus keinerlei nähere Beschreibung der Beschaf- fenheit des Messers vorgenommen hat, ist nicht zu erkennen, ob es sich um ein Einhandmesser im Sinne von § 42a Abs. 1 Nr. 3 WaffG oder um eines der vorgenannten Messertypen als „tragbare Gegenstände“ gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2b WaffG und damit um gekorene Waffen handelte.
23
Das Landgericht hat seiner Beweiswürdigung, in der es auf eine tatsächliche Zweckbestimmung durch den Angeklagten abgestellt hat, wegen seines rechtsfehlerhaften Maßstabs überspannte Anforderungen an das Vorliegen des Qualifikationsmerkmals gestellt. Da bei gekorenen Waffen die notwendige Zweckbestimmung regelmäßig auf der Hand liegt, ist nicht auszuschließen, dass es bei zutreffendem rechtlichen Ausgangspunkt zu einer anderen Würdigung gelangt wäre.
24
2. Der Senat hebt die insoweit getroffenen Feststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG zu ermöglichen. Diese eröffnen dem neuen Tatrichter für den Fall, dass es sich bei dem mitgeführten Messer um eine Waffe in dem vorgenannten Sinne handeln sollte, auch die Möglichkeit, das Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 30a Abs. 3 BtMG unter Berücksichtigung der dafür maßgeblichen Umstände in den Blick zu nehmen.
25
3. Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II.A.4. der Urteilsgründe erfordert , den Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs aufzuheben. Die die- sem zugrundeliegende Berechnung des Landgerichts geht von der Summe der Gesamtfreiheitsstrafe und der jetzt weggefallenen gesonderten Freiheitsstrafe für den Fall II.A.4. aus. Damit entfallen auch die diesbezüglichen Feststellungen.

II.

26
Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten erzielt keinen Erfolg.
27
1. Die zahlreichen erhobenen Verfahrensrügen dringen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch. Lediglich ergänzend verweist der Senat darauf, dass die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) im Zusammenhang mit der unterbliebenen Vernehmung des Zeugen Sc. nicht ordnungsgemäß (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) ausgeführt ist. Es mangelt u.a. an der Angabe konkreter Beweistatsachen. Soweit eine Verletzung von § 261 StPO hinsichtlich früherer Aussagen des Zeugen I. gerügt wird, genügt das Vorbringen ebenfalls nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
28
2. Die auf die Taten zu II.A.2. und 3. der Urteilsgründe sowie den Teilfreispruch bezogenen Sachrüge ist gleichfalls erfolglos.
29
a) Der Freispruch des Angeklagten von dem Vorwurf zweier weiterer Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Ziffern 1 und 2 der Anklage vom 20. August 2012) hält rechtlicher Überprüfung stand. Das Landgericht hat das Aussageverhalten der Zeugin W. und des Zeugen S. ausführlich gewürdigt und in nicht zu beanstandender Weise dargelegt , warum es sich nicht von den zur Verurteilung erforderlichen tatsächli- chen Umständen hat überzeugen können. Rechtsfehler in der Beweiswürdigung liegen – wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat – nicht vor.
30
b) Entsprechendes gilt für die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.A.2. der Urteilsgründe). Auf die Ausführungen zu B.III. wird verwiesen.
31
c) Die Strafzumessung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Die zugunsten des Angeklagten erfolgte Berücksichtigung der Kenntnis des Zeugen KHK K. von den Betäubungsmittelgeschäften des Angeklagten beruht auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und hält sich strafzumessungsrechtlich innerhalb des dem Tatrichter zustehenden Beurteilungsspielraums.
32
d) Aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ausführlich dargelegten Gründen ist die Anordnung der Maßregel des § 64 StGB ebenso ohne Rechtsfehler erfolgt wie das Unterbleiben der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB. Die auf die Unterbringungsvoraussetzungen des § 64 StGB abzielenden Verfahrensrügen der Staatsanwaltschaft dringen aus den bereits genannten Erwägungen (C.II.1.) nicht durch.

III.

33
Die zu Gunsten des Angeklagten eingelegte, auf die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) bezogene Revision der Staatsanwaltschaft bleibt aus den Gründen des vorstehenden Absatzes erfolglos. Raum Rothfuß Jäger Radtke Mosbacher

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 208/14
vom
9. Oktober 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Oktober
2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht – in der Verhandlung –,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 4. März 2014 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat – entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts – keinen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
Am 29. Mai 2012 forderte der Angeklagte im Büroraum einer Autowerkstatt von dem an einem Schreibtisch sitzenden Geschädigten S. die Zahlung von 100.000 bis 150.000 Euro. Hintergrund der Forderung war ein sog. Umsatzsteuerkarussell, an dem sich sowohl der Angeklagte als auch der Geschädigte beteiligt hatten. Dem Angeklagten war bewusst, dass er keinen berechtigten Anspruch auf das geforderte Geld hatte. Als S. dem Angeklagten entgegnete, dass er zu einer Zahlung weder willens noch in der Lage sei, entwickelte sich zwischen beiden ein lautstarkes Streitgespräch, in dessen Verlauf der Geschädigte den anwesenden Zeugen W. bat, die Polizei zu rufen. Dieser Bitte kam der Zeuge nach und begab sich zum Telefonieren in einen Nebenraum. Währenddessen schlug der Angeklagte dem Geschädigten mit der flachen Hand ins Gesicht, um ihn zur Zahlung zu bewegen. Sodann nahm er ein bei sich geführtes Messer, ging um den Schreibtisch herum und hielt es – um seiner Forderung weiter Nachdruck zu verleihen – dem Geschädigten in einem Abstand von wenigen Zentimetern vor den Hals. Da der Geschädigte auch weiterhin eine Zahlung verweigerte und der zwischenzeitlich zurückgekehrte Zeuge W. mitgeteilt hatte, dass er die Polizei verständigt habe, ließ der Angeklagte von dem Geschädigten ab und verließ die Räumlichkeiten der Autowerkstatt. Infolge des Schlages litt S. kurzzeitig an Nasenbluten.
4
Das Landgericht hat eine versuchte besonders schwere räuberische Erpressung (§§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) bejaht, weil der nicht mit einer sofortigen Zahlung rechnende Angeklagte dem Geschädigten mit einer Dauergefahr für Leib oder Leben gedroht habe, die als gegenwärtig im Sinne des § 255 StGB zu werten sei. S. habe alsbald zahlen müssen, um die Verwirklichung der Drohung abzuwenden.

II.


5
Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
6
1. Die Rüge, das Landgericht habe die ihm obliegende Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) verletzt, weil es den Polizeibeamten D. nicht zu seinen Wahrnehmungen nach dem Eintreffen am Tatort vernommen habe, ist jedenfalls unbegründet. Nach dem Revisionsvorbringen hätte der Polizeibeamte als Zeuge unter anderem bekundet, die Beteiligten auf dem Hinterhof des Tatanwesens miteinander sprechend angetroffen zu haben. Von einer Auseinandersetzung sei nichts festzustellen gewesen. Der Zeuge W. sowie der aus der Nase blutende und sehr verängstigt wirkende Geschädigte hätten sich bemerkbar gemacht. Der Geschädigte habe von einer Geldforderung des Angeklagten und einem unvermittelten Schlag ins Gesicht berichtet. Auch habe er angegeben , dass ihm der Angeklagte ein geöffnetes Klappmesser an den Hals gehalten und damit gedroht habe, dass noch mehr passieren würde, wenn er das Geld nicht besorge.
7
a) § 244 Abs. 2 StPO gebietet es, von Amts wegen Beweis zu erheben, wenn aus den Akten oder aus dem Stoff der Verhandlung noch Umstände und Möglichkeiten bekannt oder erkennbar sind, die bei verständiger Würdigung der Sachlage begründete Zweifel an der Richtigkeit der – auf Grund der bisherigen Beweisaufnahme erlangten – Überzeugung wecken müssen (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2008 – 5 StR 412/08, NStZ 2009, 468 f.; Beschluss vom 9. Mai 1996 – 1 StR 175/96, NStZ-RR 1996, 299). Ob die vom Gericht auf Grund der verwendeten Beweismittel gewonnene Überzeugung ausreicht oder ob zu ihrer Absicherung oder Überprüfung weitere Beweismittel heranzuziehen sind, ist auf der Grundlage von Verfahrensablauf und Beweislage des Einzelfalls zu beurteilen. Je weniger gesichert ein Beweisergebnis erscheint, je gewichtiger die Unsicherheitsfaktoren sind, je mehr Widersprüche bei der Beweiserhebung zu Tage getreten sind, desto größer ist der Anlass für das Gericht, trotz der erlangten Überzeugung weitere erkennbare Beweismöglichkeiten zu benutzen (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1995 – 1 StR 580/95, StV 1996, 249).
8
b) Daran gemessen musste sich der Strafkammer eine Einvernahme des Polizeibeamten D. nicht aufdrängen. Soweit der Polizeibeamte D. über ein Verbleiben des Angeklagten auf dem Hinterhof des Tatortanwesens und ein Gespräch zwischen den Beteiligten berichtet hätte, stünde dies nicht in Widerspruch zu der Feststellung, dass sich der Angeklagte „aus den Räumlichkeiten“ entfernte (UA 6).Seine nach dem Revisionsvorbringen zu erwartenden Bekundungen über die Angaben des Geschädigten zum Vorhalten des Messers und einer damit verbundenen verbalen Drohung („dass noch mehr passiere, wenn er das Geld nicht besorgen würde“) des Angeklagten hätten die Überzeugung des Landgerichts von einem Einsatz des Messers als Drohmittel und dem Vorliegen einer Dauergefahr nicht in Frage gestellt, sondern bestätigt.
9
2. Das Urteil weist auch in sachlich-rechtlicher Hinsicht keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Näherer Ausführungen bedarf lediglich das Folgende:
10
a) Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe nach seiner Vorstellung von der Tat mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 255 StGB gedroht, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dabei kann es dahinstehen, ob der Angeklagte auch mit einer sofortigen (Teil-)Zahlung rechnete.
11
aa) Mit einer gegenwärtigen Gefahr droht, wer eine Schädigung an Leib oder Leben in Aussicht stellt, die bei ungestörter (natürlicher) Weiterentwicklung der Dinge als sicher oder höchst wahrscheinlich zu erwarten ist, falls nicht als- bald eine Abwehrmaßnahme ergriffen wird. Erforderlich ist dabei nicht, dass das schädigende Ereignis mit Sicherheit unmittelbar bevorsteht. Es genügt eine Gefahr, die als „Dauergefahr“ über einen längeren Zeitraum in dem Sinne gegenwärtig ist, dass sie jederzeit – zu einem ungewissen Zeitpunkt, alsbald oder auch später – in einen Schaden umschlagen kann. Dabei erfordert es der wirksame Schutz von Erpressungsopfern, den Begriff der Gegenwärtigkeit angedrohter Gefahren nicht zu eng zu verstehen (BGH, Urteil vom 30. Juni 1999 – 2 StR 146/99, BGHR StGB § 255 Drohung 11; Urteil vom 27. August 1998 – 4 StR 332/98, NStZ-RR 1999, 266, 267; Urteil vom 28. August 1996 – 3 StR 180/96, JR 1999, 117, 118 m. Anm. Joerden; Urteil vom 10. Februar 1982 – 3 StR 398/81, MDR 1982, 447 bei Holtz).
12
bb) Dieses Verständnis des gesetzlichen Begriffs der „gegenwärtigen Gefahr“ hat auch das Landgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Dabei hat es auch in den Blick genommen, dass der Angeklagte nicht mit einer sofortigen Zahlung des Geschädigten gerechnet hat. Die einer Gewaltanwendung (Schlag ins Gesicht) nachfolgende Drohgebärde mit dem Messer war auf Grund ihrer Nähe zum Körper des Geschädigten so eindringlich, dass die Strafkammer darin ohne Verstoß gegen Auslegungsregeln (zum revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstab vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 1999 – 2 StR 146/99, BGHR StGB § 255 Drohung 11) die Androhung einer Gefahr sehen konnte, die sich ab diesem Moment jederzeit verwirklichen kann und deshalb als Dauergefahr gegenwärtig ist.
13
b) Auch der Umstand, dass das Landgericht einen Rücktritt nicht ausdrücklich erörtert hat, vermag einen Rechtsfehler nicht zu begründen.
14
Das Landgericht war hier nicht gehalten, auf die Frage eines strafbefreienden Rücktritts näher einzugehen. Nach den Feststellungen ließ der Angeklagte von dem Geschädigten ab, weil dieser auch nach der Drohung mit dem vorgehaltenen Messer weiterhin eine Zahlung verweigerte und der von ihm dazu angehaltene Zeuge W. über die erfolgte Verständigung der Polizei berichtet hatte. Daraus ergibt sich hinreichend deutlich, dass der Erpressungsversuch nicht nur objektiv, sondern auch aus der insoweit maßgeblichen Perspektive des Angeklagten nach Ende seiner letzten Ausführungshandlung fehlgeschlagen war und deshalb ein Rücktritt nicht mehr in Betracht kam (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 4. Juni 2014 – 4 StR 168/14, Rn. 8 mwN). Denn es liegt auf der Hand, dass der Angeklagte nach dem Eintreffen der Polizei mit der Aufdeckung seines Erpressungsvorhabens rechnete und angesichts der standhaften Weigerung des Geschädigten davon ausging, dass seine Forderung nicht mehr erfüllt werden würde.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin
5 StR 79/13

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 19. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. März 2013

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 24. Oktober 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch zu den Taten II.2. und 3. der Urteilsgründe ,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen (Taten II.2. und 3. der Urteilsgründe ), gefährlicher Körperverletzung (Tat II.1. der Urteilsgründe) sowie wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung (Tat II.4. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Diese hat mit einer Aufklärungsrüge im Umfang der Beschlussformel Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
2
1. Nach den landgerichtlichen Feststellungen zu den Taten II.2. und 3. der Urteilsgründe hielten sich die späteren Tatopfer D. und B. des Nachts – gemeinsam mit den Zeugen L. und P. Bier trinkend – vor einem „Spätkauf“ auf. Dort schlug der Angeklagte den ihm unbekannten Ge- schädigten D. zu Boden, trat ihn mehrmals und nahm dessen Handy an sich. Währenddessen schlug ein unbekannt gebliebener Mittäter aufgrund eines zuvor mit dem Angeklagten gefassten Tatentschlusses den Geschädigten B. ebenfalls nieder. Anschließend traten er und der Angeklagte, der inzwischen „mit dem Zeugen D. ‚fertig‘ war“, gemeinsam gegen den Kopf des am Boden liegenden B. , so dass dieser bewusstlos wurde, und nahmen dessen Goldketten an sich. Die entwendeten Gegenstände wollten sie für sich behalten oder verwerten.
3
Der Angeklagte hat diese Taten bestritten und ein Alibi behauptet. Dieses hat das Landgericht als widerlegt angesehen und sich von der Täterschaft des Angeklagten im Wesentlichen deshalb überzeugt, weil die Zeugen D. und B. ihn in der Hauptverhandlung „zu einhundert Prozent“ bzw. „ohne zu zögern“ als einen derTäter wiedererkannt hätten. Im Urteil wird nicht mitgeteilt, ob auch der ebenfalls als Zeuge vernommene L. den Angeklagten hat identifizieren können.
4
2. Die Revision macht mit einer zulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) erhobenen Aufklärungsrüge geltend, das Landgericht hätte den zumindest beim Beginn beider Angriffe am Tatort anwesenden, in der Anklageschrift als Beweismittel bezeichneten P. als Zeugen vernehmen müssen. Dieser hätte anhand näher beschriebener physiognomischer Merkmale be- kundet, „dass der Angeklagte … nicht mit den Tätern identisch war“. Die Rü- ge greift durch und führt zur Aufhebung der Schuldsprüche betreffend die Taten II.2. und 3. der Urteilsgründe nebst den zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO).
5
a) § 244 Abs. 2 StPO gebietet es, allen erkennbaren und sinnvollen Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts nachzugehen (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1992 – 1 StR 685/92, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 23). Deshalb hätte sich das Landgericht bei der bestehenden Beweislage gedrängt sehen müssen, den Genannten als Zeugen zu vernehmen.
6
aa) Diese war dadurch geprägt, dass die beiden Geschädigten den Angeklagten in der Hauptverhandlung zwar als einen der Täter identifiziert hatten. Auch im Rahmen ihrer jeweiligen polizeilichen Vernehmung hatten sie den Angeklagten bei einer – im Vergleich zu einer Wahlgegenüberstellung allerdings weniger zuverlässigen – Wahllichtvorlage wiedererkannt. Die Bilder waren ihnen hierbei aber nicht – was wegen des höheren Beweiswertes vorzugswürdig gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2011 – 4 StR 501/10, NStZ 2011, 648, 649) – sequentiell, sondern nebeneinander vorgelegt worden. Es handelte sich um lediglich sechs Fotos, während eine Anzahl von acht Vergleichspersonen sachgerecht gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2011 – 1 StR 524/11, NStZ 2012, 283, 284). Beiden Zeugen waren zudem dieselben Bilder in identischer Anordnung, der Angeklagte als „Nr. 4“, gezeigt worden, und zwar dem Zeugen B. am 14. Dezember 2011 und dem Zeugen D. am 29. Dezember 2011. Dieses Foto des Angeklagten war auch für einen Fahndungsaushang verwendet worden, den der Zeuge B. vor Beginn seiner Vernehmung im polizeilichen Wartebereich wahrgenommen hatte. Die Revision trägt darüber hinaus vor, der Zeuge habe im Rahmen dieser Vernehmung angegeben, er habe den Angeklagten bereits im Vorfeld auf einem in der Zeitung „Lichtenberger Kurier“ veröffentlichten Fahndungsfoto wiedererkannt.
7
Bei diesem Ablauf der Identifizierungsmaßnahmen bestand somit die Möglichkeit, dass beim Zeugen B. die originäre Erinnerung durch das (ein- zelne) Fahndungsfoto „überschrieben“ worden war (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2009 – 5 StR 235/09, NStZ 2010, 53, 54; s. auch Urteil vom 27. Oktober 2005 – 4 StR 234/05), und es war nicht einmal ausgeschlossen, dass der Zeuge D. mit ihm vor seiner eigenen Einsichtnahme über die zu erwartende Anordnung der Fotos gesprochen, möglicherweise gar auch das Fahndungsfoto gesehen hatte.
8
bb) Angesichts dessen musste sich dem Landgericht die zeugenschaftliche Vernehmung P. s aufdrängen. Je weniger gesichert ein Beweisergebnis erscheint und je gewichtiger die Unsicherheitsfaktoren sind, desto größer ist der Anlass für das Gericht, trotz der (an sich) erlangten Überzeugung weitere erkennbare Beweismöglichkeiten zu nutzen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1995 – 1 StR 580/95, StV 1996, 249). Dem steht hier nicht entgegen, dass in der von der Revision vorgetragenen Strafanzeige vermerkt ist, der Zeuge hätte geäußert, ein Wiedererkennen der Täter sei nicht möglich. Denn diese Einschätzung war im Laufe der Ermittlungen nicht überprüft worden. Sie lässt im Übrigen die Möglichkeit offen, dass er den Angeklagten als Täter ausschließen kann.
9
b) Danach erscheint es dem Senat als möglich, dass das Landgericht hinsichtlich der Taten II.2. und 3. der Urteilsgründe zu einer anderen Beweiswürdigung gelangt wäre, hätte es den Zeugen P. zum Tatgeschehen gehört und dessen Angaben in seine Gesamtbetrachtung einbezogen.
10
3. Der dadurch bedingte Wegfall der Einsatzstrafe (drei Jahre Freiheitsstrafe für die Tat II.3. der Urteilsgründe) sowie der für die Tat zu II.2. der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
11
Die für die Taten II.1. und 4. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen haben dagegen Bestand; der Senat schließt aus, dass deren Zumessung durch die aufgehobenen Fälle zum Nachteil des Angeklagten beeinflusst worden ist.
12
4. Für die neu zu treffende Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
13
a) Das Tatgericht muss in Fällen sogenannten wiederholten Wiedererkennens in den Urteilsgründen darlegen, dass es sich des eventuell verringerten Beweiswerts bewusst gewesen ist (s. schon BGH, Urteil vom 28. Juni 1961 – 2 StR 194/61, BGHSt 16, 204, 206). Dabei wird vorliegend das Augenmerk auch auf die im angefochtenen Urteil nicht erörterte Frage zu legen sein, ob schon das Wiedererkennen des Angeklagten seitens des Zeugen B. bei der polizeilichen Wahllichtbildvorlage durch das vorherige Betrachten des in der Zeitung und auf dem Fahndungsaushang veröffentlichten Fotos beeinflusst worden sein könnte. In diesem Zusammenhang wird gegebenenfalls auch darzustellen sein, wie sich der Zeuge L. zum Wiedererkennen des Angeklagten geäußert hat.
14
b) § 249 StGB setzt einen finalen Zusammenhang zwischen dem eingesetzten Nötigungsmittel und der Wegnahme voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2001 – 3 StR 176/01). Hierfür genügt die bloße Feststellung, ein Täter habe das Opfer geschlagen oder getreten, „um ihm Schmerzen zuzufügen“ (UA S. 11), nicht.
Basdorf Sander Schneider Dölp Bellay

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 451/09
vom
19. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Januar 2010 gemäß § 349 Abs.
4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten T. C. wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 18. Mai 2009, soweit es ihn betrifft , mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat mit zwei Verfahrensrügen Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts organisierte der Angeklagte den Transport von etwa 10 kg Heroin in einem LKW aus der Türkei nach Deutschland, um das Rauschgift gewinnbringend weiter zu verkaufen. Nach der Ankunft der Betäubungsmittel in K. veranlasste er den Mitangeklagten A. , das Heroin abzuholen. Nach der Übergabe wurden A. und der Fahrer des LKW festgenommen. Zeitgleich erfolgte die Festnahme des im Bereich des K. er Hauptbahnhofs wartenden Angeklagten sowie des Mitangeklagten Ab. C. .
3
Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, er sei davon ausgegangen, dass es sich um eine Ladung geschmuggelter Antiquitäten gehandelt habe, die er für einen erkrankten Bekannten habe entgegennehmen wollen. Dies sei auch Gegenstand der Telefonate gewesen, die er mit Verwandten in der Türkei geführt habe; bei diesen sei es außerdem um illegale Grenzübertritte eines Verwandten gegangen. Das Landgericht hat diese Einlassung - aufgrund einer für sich fehlerfreien Beweiswürdigung - für widerlegt gehalten und dabei auch aus dem Inhalt mehrerer Telefonate des Angeklagten mit Gesprächspartnern in der Türkei auf seine Tatbegehung geschlossen.
4
2. Vor diesem Hintergrund beanstandet die Revision mit Recht, dass das Landgericht drei in der Hauptverhandlung gestellte Beweisanträge rechtsfehlerhaft zurückgewiesen hat.
5
a) Die Verteidigung hatte die Vernehmung des in der Türkei befindlichen Neffen des Angeklagten zum Beweis dafür beantragt, dass es bei den Telefonaten mit dem Angeklagten entsprechend seiner Einlassung tatsächlich um einen Freundschaftsdienst im Zusammenhang mit dem Schmuggel von Antiquitäten gegangen sei. Diesen Antrag hat die Strafkammer gestützt auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO ohne weitere Begründung mit der Erwägung abgelehnt, auch bei Erwiesenheit der unter Beweis gestellten Tatsache sei kein direkter Schluss darauf möglich, ob der Angeklagte die Tat begangen habe oder nicht.
6
Mit zwei weiteren Anträgen hatte die Verteidigung die Vernehmung von zwei Zeugen aus der Türkei zum Beweis dafür begehrt, dass Gesprächsinhalt verschiedener Telefonate mit dem Angeklagten der heimliche Transport eines nahen Verwandten aus der Türkei nach Griechenland gewesen sei; die Telefongespräche hätten somit nicht die angeklagte Tat betroffen. Diese Anträge hat das Tatgericht ebenfalls nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO abgelehnt und ausgeführt, die unter Beweis gestellten Tatsachen ließen nur mögliche, nicht aber zwingende Schlüsse zu. Ein zwingender Schluss ließe sich auch dann nicht ziehen, wenn die Gesprächspartner tatsächlich davon ausgegangen wären , dass die Telefongespräche den unter Beweis gestellten Inhalt hatten, da auch in diesem Fall die Möglichkeit bestanden habe, dass sie unzutreffend informiert worden seien.
7
b) Diese Begründungen tragen die Zurückweisung der Beweisanträge nicht.
8
aa) Nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre, abgelehnt werden, wenn dessen Anhörung nach pflichtgemäßer Beurteilung des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Ob die Ladung und Vernehmung eines Auslandszeugen geboten ist, richtet sich somit nach der Aufklärungspflicht des Gerichts im Sinne des § 244 Abs. 2 StPO. Bei deren Prüfung hat der Tatrichter namentlich die Bedeutung und den Beweiswert der Aussage des benannten Zeugen vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses zu würdigen. In diesem Rahmen ist er von dem sonst geltenden Verbot der Beweisantizipation befreit. Daher darf er prognostisch berücksichtigen, welche Ergebnisse von der beantragten Beweisaufnahme zu erwarten sind und wie diese zu würdigen wären. Kommt er dabei unter Berücksichtigung sowohl des Vorbringens zur Begründung des Beweisantrags als auch der in der bisherigen Beweisaufnahme angefallenen Erkenntnisse mit rechtsfehlerfreier Begründung zu dem Ergebnis, dass der Zeuge die Beweisbehauptung nicht werde bestäti- gen können oder dass ein Einfluss der Aussage auf seine - des Tatrichters - Überzeugungsbildung auch dann sicher ausgeschlossen sei, wenn der Zeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen werde, ist die Ablehnung des Beweisantrags in aller Regel nicht zu beanstanden (st. Rspr.; s. nur BGHR StPO § 244 Abs. 5 Satz 2 Auslandszeuge 13; BGH NJW 2005, 2322, 2323 m. w. N.).
9
bb) Eine dementsprechende Ablehnung eines solchen Beweisantrags bedarf eines Gerichtsbeschlusses (§ 244 Abs. 6 StPO), der zu begründen ist. Diese Begründung hat die Funktion, den Antragsteller davon zu unterrichten, wie das Gericht den Antrag bewertet, damit er in der Lage ist, sich in seiner Verteidigung auf die Verfahrenslage einzustellen, die durch die Ablehnung entstanden ist. Zugleich soll durch die Gründe des Ablehnungsbeschlusses dem Revisionsgericht die rechtliche Überprüfung der tatrichterlichen Entscheidung ermöglicht werden. Hieraus folgt, dass das Tatgericht in seinem Beschluss die für die Ablehnung wesentlichen Gesichtspunkte, wenn auch nicht in allen Einzelheiten , so doch in ihrem wesentlichen Kern nachvollziehbar darlegen muss (BGHSt 40, 60, 63).
10
Diesen Anforderungen werden die genannten Beschlüsse nicht gerecht. Sie enthalten noch nicht einmal im Ansatz eine antizipierende Würdigung des zu erwartenden Beweisergebnisses vor dem Hintergrund der bis dahin erhobenen Beweise. Damit ließen sie zum einen den Antragsteller über die Einschätzung der Strafkammer über die Beweissituation und die insoweit bestehende Verfahrenssituation völlig im Ungewissen. Zum anderen ist dem Senat die rechtliche Nachprüfung dahin verwehrt, ob das Landgericht die Voraussetzungen des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO rechtsfehlerfrei angenommen hat. Auf diese Rechtsprüfung ist der Senat beschränkt; er kann insbesondere die notwendige vorweggenommene Beweiswürdigung des Tatgerichts nicht durch eine eigene Bewertung ersetzen (BGH NJW 2005, 2322, 2323).
11
c) Es bedarf keiner näheren Betrachtung, ob die Ausführungen des Landgerichts dahin zu verstehen sein könnten, es habe trotz seines ausdrücklichen Hinweises auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO in der Sache die Beweisanträge nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO als aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung ablehnen wollen; denn die Beschlüsse genügen auch insoweit den an ihre Begründung zu stellenden Anforderungen nicht (s. hierzu Fischer in KK 6. Aufl. § 244 Rdn. 145 m. w. N.).
12
3. Das Urteil beruht auf dem dargelegten Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht zu einer abweichenden Beweiswürdigung gelangt wäre, wenn es die benannten Zeugen vernommen hätte und diese die Beweisbehauptungen bestätigt hätten.
Becker von Lienen Sost-Scheible
Schäfer Mayer

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 274/09
vom
28. Januar 2010
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
AWG § 34 Abs. 1 Nr. 1
AWV § 5 Abs. 1 i. V. m. Position 0006 des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste
1. Wird ein Gesetz, das für besonders schwere Fälle strafschärfend Freiheitsstrafe
von mehr als fünf Jahren vorsieht, nach Beendigung der Tat in der
Weise geändert, dass die Regelbeispiele für besonders schwere Fälle in
Qualifikationstatbestände umgewandelt werden, und hat der Täter nur den
Grundtatbestand erfüllt, so ist gemäß § 2 Abs. 3 StGB die Neufassung des
Gesetzes anzuwenden, wenn auf deren Grundlage Strafverfolgungsverjährung
eingetreten ist, weil die Eröffnung des Hauptverfahrens nicht mehr
nach § 78 b Abs. 4 StGB zum Ruhen der Verjährung führen konnte.
2. Zu den Anforderungen an die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Unerreichbarkeit
und Ungeeignetheit des Beweismittels, wenn bei Auslandstaten
oder Taten mit einem starken Auslandsbezug ein im Ausland ansässiger
Entlastungszeuge nur zu einer kommissarischen oder audiovisuellen Vernehmung
zur Verfügung steht.
3. Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Bestandteile, besonders konstruiert
oder geändert für militärische Zwecke" im Sinne der Position 0006
des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste zum Außenwirtschaftsgesetz (nur
Hinweis).
BGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 - 3 StR 274/09 - LG Dortmund -
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 28. Januar 2010 gemäß § 206 a
Abs. 1, § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 27. Juni 2008 wird,
a) das Verfahren eingestellt, soweit die Angeklagten in den Fällen B. II. und B. III. der Urteilsgründe (Taten vom 30. Mai 1997 und vom 26. Dezember 1997) verurteilt worden sind; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) das vorgenannte Urteil im Übrigen mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen "vorsätzlicher Ausfuhr von in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung ) genannten Waren ohne Genehmigung" verurteilt, den Angeklagten Dr. P. L. in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten, den Angeklagten M. L. in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Es hat beide Angeklagten ferner für eine überlange Verfahrensdauer entschädigt und eine Einziehungsanordnung getroffen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen.
2
Die Rechtsmittel haben Erfolg.
3
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Die Angeklagten waren während des Tatzeitraums - in den Jahren 1996 bis 2000 - Geschäftsführer der Mo. GmbH (im Folgenden: Mo. GmbH), einem auf die Herstellung von Hydraulikzylindern spezialisierten Unternehmen mit Sitz in H. . Seit Anfang 1997 unterhielt die GmbH eine Niederlassung in Indien, die "Mo. India " (im Folgenden: Mo. India), die vom Zeugen R. geleitet wurde.
5
Im Zuge des Programms zur Entwicklung von - möglicherweise atomwaffenfähigen - militärischen Trägerraketen begann die indische Regierung in den achtziger Jahren mit Planungen der Mittelstreckenrakete "Agni II" sowie der Kurzstreckenrakete "Prithvi". Im indischen Verteidigungsministerium war für die Umsetzung des Programms die Abteilung mit der Bezeichnung "Defence Research and Development Organisation" (im Folgenden: DRDO) zuständig. Verantwortlicher Projektleiter war bis zum Jahre 2005 der Raumfahrtingenieur A. . Innerhalb des Projekts oblag die Konstruktion und Entwicklung der für den Abschuss der Raketen erforderlichen mobilen Bodensysteme ab Mitte 1995 einer Untereinrichtung der DRDO mit dem Namen "Research Development Establishment" (im Folgenden: R&DE) mit Sitz in Pune/Indien. Dieser Einrichtung gehörten neben dem Direktor J. und dem Projektleiter G. u. a. die Ingenieure Me. und S. an. Die Planungen sahen vor, die Mittelstreckenra- kete von einer auf einem Eisenbahnwaggon installierten Startrampe aus zu starten, während die Startplattform für die Kurzstreckenrakete auf dem Chassis eines Lkws montiert werden sollte. Um die Raketen auf der jeweiligen Startplattform aus einer horizontalen Transportposition in kürzester Zeit senkrecht zum Start aufrichten zu können, wurden Versuche mit unterschiedlichen Hydraulikzylindern durchgeführt.
6
Darüber hinaus entwickelte die R&DE im selben Zeitraum für die indischen Land- und Luftstreitkräfte ein mobiles Radarsystem für die Luftraumüberwachung. Es war beabsichtigt, diese Anlage auf den Ladeflächen zweier Lkws zu installieren, wobei ein Lkw mit einem mittels Hydraulikzylindern ausfahrbaren Antennenmast ausgestattet werden sollte. Auch für dieses Projekt wurden Hydraulikzylinder mehrerer Hersteller erprobt.
7
Im Rahmen dieser Projekte bestellten indische Beschaffungsstellen u. a. bei der Mo. GmbH, überwiegend über deren indische Niederlassung, in der Zeit ab 1997 in fünf Fällen verschiedene Hydraulikzylinder, die von der Mo. GmbH hergestellt und nach Indien ausgeliefert wurden. Für die Ausfuhren waren in drei Fällen beide Angeklagte, in zwei weiteren Fällen war der Angeklagte Dr. P. L. allein verantwortlich. Im Einzelnen:
8
a) Im Zuge der Entwicklung der Abschussrampe für die Agni II-Rakete trat der Projektleiter A. der DRDO erstmals im Januar 1996 an die Mo. GmbH heran und bat um die Abgabe eines Angebots für vier nach Länge und Hub näher beschriebene Hydraulikzylinder. Von deren Verwendungszweck erlangten die Angeklagten im Laufe der Vertragsverhandlungen Kenntnis, obwohl von den Auftraggebern zunächst wahrheitswidrig behauptet worden war, die Zylinder seien für den Einbau in ein militärisches Brückenlegefahrzeug vorgesehen. Hauptansprechpartner der Angeklagten - auch für technische Fra- gen - war auf indischer Seite der Projektleiter G. der R&DE, der im Mai 1996 die Produktionsstätte der Mo. GmbH in H. persönlich besichtigte. Nach Auftragserteilung (Auftragsvolumen ca. 93.500 DM) beantragte der Angeklagte M. L. im Februar 1997 beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung für die Hydraulikzylinder nach Indien, wobei er im Einvernehmen mit dem Angeklagten Dr. P. L. wahrheitswidrig unter Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung des G. vorgab, die Waren seien für den Einbau in einen Brückenlegepanzer bestimmt. Nach Einreichung eines weiteren, gleichlautenden und vom Direktor der R&DE unterzeichneten Endverbraucherzertifikats erteilte das BAFA im Vertrauen auf die Richtigkeit der Testate am 17. April 1997 die Genehmigung für die Ausfuhr der Hydraulikzylinder nach Indien. Entsprechende Genehmigungen hätte das BAFA nicht erteilt, wenn es Kenntnis vom tatsächlichen Verwendungszweck der auszuführenden Waren gehabt hätte. Die Ausfuhr der Hydraulikzylinder fand am 30. Mai 1997 statt. (Fall B. II. der Urteilsgründe )
9
b) Im Oktober 1997 bestellte G. im Auftrag der R&DE unter Zwischenschaltung der Mo. India als Vertragspartnerin zwei weitere, kleinere, ebenfalls durch Maßangaben näher beschriebene Zylinderpaare zum Preis von 11.200 DM für das Agni II-Projekt, die entsprechend einer zwischen dem Niederlassungsleiter R. und den Angeklagten getroffenen Vereinbarung im Werk der Mo. GmbH in H. produziert wurden. Die Vertragsverhandlungen mit dem Endkunden führte R. . Diese Hydraulikzylinder lieferten die Angeklagten in Kenntnis des Endabnehmers und des Verwendungszwecks, ohne zuvor beim BAFA eine Ausfuhrgenehmigung einzuholen, am 26. Dezember 1997 an die Mo. India aus. (Fall B. III. der Urteilsgründe)
10
c) Eine dritte Ausfuhr von zwei für die Startrampe der Agni II-Rakete bestimmten Zylinderpaaren, für die allein der Angeklagte Dr. P. L. verantwortlich war, erfolgte als Wiederholungslieferung des Auftrags vom Oktober 1997 am 3. November 1999. Eine Ausfuhrgenehmigung hatte der Angeklagte wiederum nicht beantragt. Auch in diesem Fall fungierte die Mo. India als Vertragspartnerin der R&DE. (Fall B. VI. der Urteilsgründe)
11
d) Für die Startvorrichtung der Kurzstreckenrakete Prithvi wurden bei der Mo. GmbH nach detaillierten, mehrfach modifizierten Vorgaben einer für die R&DE tätigen indischen Beschaffungsstelle insgesamt neun Hydraulikzylinder zum Kaufpreis von 26.940 DM hergestellt und auf Veranlassung beider Angeklagten im Wissen um die Endverwendung ohne Einholung einer Ausfuhrgenehmigung am 27. September 1998 nach Indien ausgeliefert. Obwohl der Kaufvertrag direkt mit der Mo. GmbH geschlossen wurde, war auch in diesem Fall der indische Niederlassungsleiter R. der maßgebliche Ansprechpartner des Endkunden, der auch dessen Konstruktionswünsche an die Mo. GmbH weiterleitete. (Fall B. VIII. der Urteilsgründe)
12
e) Bereits seit Mai 1997 war die Mo. India zudem mit dem Radarprojekt der R&DE befasst. R. betreute dieses Projekt in den folgenden Jahren weiter und übermittelte auch in diesem Fall bis zum Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrages zwischen der indischen Beschaffungsstelle und der Mo. GmbH am 15. Januar 2000 die seitens der R&DE geäußerten Wünsche zur Beschaffenheit zweier Zylinder an die Mo. GmbH. Der vereinbarte Kaufpreis für die Zylinder, die im Werk der Mo. GmbH in H. gefertigt wurden, belief sich auf 190.000 DM. Für die Abwicklung des Auftrags war der Angeklagte Dr. P. L. verantwortlich, der spätestens seit einem Besuch bei der R&DE in Indien im Juni 1997 Kenntnis vom Verwendungszweck der bestellten Zylinder hatte. Die Außenrohre der beiden Zylinder wurden auf Wunsch des Endkunden mit einer Kunststoffbeschichtung versehen, um zu verhindern, dass die Kolbenstangen Sonnenlicht reflektieren und auf diese Weise "ihre Anwesenheit dem Feind mitteilen". Am 29. Juni und am 26. Juli 2000 wurde jeweils ein Zylinder nach Indien ausgeliefert. Ausfuhrgenehmigungen hatte der Angeklagte zuvor nicht eingeholt. (Fall B. IX. der Urteilsgründe)
13
2. Das Landgericht hat die Handlungen der Angeklagten, die den Tatvorwürfen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht entgegengetreten sind, jeweils als Verstöße gegen § 34 Abs. 1 Nr. 1 AWG gewertet. Bei den von der Mo. GmbH hergestellten Hydraulikzylindern habe es sich in allen Fällen um Bestandteile gehandelt, die für den Einbau in Landfahrzeuge im Sinne der Position 0006 des Teils I Abschnitt A der nationalen Ausfuhrliste (Anlage AL zur AWV in den Fassungen vom 18. Dezember 1996 und vom 3. Juli 2000) bestimmt gewesen seien. Sie hätten zudem jeweils den Anforderungen genügt, die an das Merkmal "besonders konstruiert für militärische Zwecke" im Sinne dieser Position der Ausfuhrliste zu stellen seien. Denn die ausgeführten Gegenstände seien nicht nur nach den von den Kunden vorgegebenen Spezifikationen "als Unikate" hergestellt, sondern nach ihrer jeweiligen, den Angeklagten bekannten Zweckbestimmung gerade als Bestandteile für Rüstungsgüter konstruiert worden. Daher habe deren Ausfuhr gemäß § 5 Abs. 1 AWV der Genehmigung durch das BAFA bedurft. Eine solche sei von den Angeklagten trotz Kenntnis der Genehmigungsbedürftigkeit jedoch entweder nicht eingeholt oder - im Fall B. II. der Urteilsgründe - im Sinne von § 34 Abs. 8 Satz 1 AWG durch falsche Angaben erschlichen worden.
14
Einen besonders schweren Fall des Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz aufgrund gewerbsmäßigen Handelns der Angeklagten im Sinne des § 34 Abs. 6 Nr. 2 AWG (in der zur Tatzeit geltenden Fassung vom 11. Dezember 1996) hat das Landgericht verneint. Den Angeklagten sei bereits nicht nachzuweisen gewesen, dass ihr Handeln darauf gezielt habe, fortlaufend unter Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz Waren ins Ausland auszuführen ; sie hätten vielmehr von Fall zu Fall neu entschieden, ob Ausfuhrgenehmigungen einzuholen seien.
15
II. Das Urteil hat keinen Bestand.
16
Die den Angeklagten in den Fällen B. II. und III. der Urteilsgründe angelasteten Taten sind infolge eingetretener Verjährung nicht mehr verfolgbar; das Verfahren ist insoweit gemäß § 206 a Abs. 1 StPO einzustellen (unten II. 1.). Im Übrigen unterliegt das Urteil auf eine von beiden Angeklagten zulässig erhobene Beweisantragsrüge der Aufhebung (unten II. 2.).
17
1. In den Fällen B. II. und III. der Urteilsgründe besteht ein Verfolgungshindernis , da hinsichtlich der Ausfuhrhandlungen vom 30. Mai 1997 und vom 26. Dezember 1997 absolute Verjährung (§ 78 c Abs. 3 Satz 2 StGB) eingetreten ist. Gemäß § 78 c Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 78 Abs. 1 Nr. 4 StGB beträgt die doppelte und damit absolute Verjährungsfrist für Taten nach § 34 Abs. 1 AWG, wie sie hier in Rede stehen, zehn Jahre. Diese Frist war bei Zugrundelegung der neuen Fassung des § 34 AWG hinsichtlich der genannten Fälle am 29. Mai 2007 bzw. am 25. Dezember 2007, mithin bereits vor Erlass des angefochtenen Urteils vom 27. Juni 2008 abgelaufen (§ 78 b Abs. 3 StGB). Im Einzelnen:
18
a) Wird zwischen Begehung und Aburteilung der Tat die materielle Strafandrohung geändert und kann dies als Fernwirkung Einfluss auf die Länge der Verjährungsfrist haben oder das Ruhen der Verjährung nach sich ziehen, so beurteilt sich trotz der grundsätzlichen Zuordnung der Verjährungsvorschriften zum Verfahrensrecht (BGHSt 50, 138, 139 f.; BGH NJW 2004, 693, 696) die Frage, welches Strafgesetz im Hinblick auf die Verfolgungsverjährung auf den festgestellten deliktischen Sachverhalt Anwendung findet, nach § 2 StGB (BGHSt 50, 138, 140; BGH NJW aaO; Schmid in LK 12. Aufl. vor § 78 Rdn. 11; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 78 Rdn. 11). Daher berechnet sich die Verjährungsfrist gemäß § 2 Abs. 3 StGB nach der Bestimmung, die bei einem Gesamtvergleich im konkreten Einzelfall nach dessen besonderen Umständen die dem Täter günstigste Beurteilung zulässt. Ergibt dieser Gesamtvergleich, dass ein Gesetz den Eintritt der Verjährung zur Folge hat, die Tat also bei Anwendung dieser gesetzlichen Regelung nicht mehr verfolgbar ist, so ist dieses Gesetz für den Täter günstiger und damit milder im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB (BGHSt aaO S. 141).
19
Deshalb hat eine nachträgliche Verschärfung der Höchststrafe für die Berechnung der Verjährungsfrist außer Betracht zu bleiben (BGHSt aaO S. 140). Ebenso kann sich aber auch die Umwandlung eines Verbrechenstatbestands in einen Vergehenstatbestand oder die Umwandlung eines Qualifikationstatbestands in ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall - selbst bei unverändertem Strafrahmen - auf die Dauer der Verjährung auswirken und ist deshalb eine im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB für die Verjährungsfrage zu beachtende Gesetzesänderung (BGHSt aaO S. 140 f.; BGH NStZ 1999, 556).
20
Nichts anderes gilt, wenn - wie hier - nach Beendigung der Tat ein Regelbeispiel in einen Qualifikationstatbestand umgewandelt wird und diese Gesetzesänderung zu einer unterschiedlichen Beurteilung der Verjährungsfrage für den Grundtatbestand führen kann, der im konkreten Fall die Grundlage für die Strafbarkeit bildet. Auch in einem solchen Fall ist durch einen Gesamtvergleich zu ermitteln, welches Gesetz sich unter Beachtung des Grundsatzes der strikten Alternativität (BGH NStZ 1997, 188) nach den festgestellten Umständen für die Beurteilung der Verjährungsfrage als günstiger für den Angeklagten erweist.
21
b) Danach ist nach den getroffenen Feststellungen für die Taten B. II. und III. der Urteilsgründe § 34 AWG in der seit der Novellierung des Gesetzes im Jahre 2006 (12. Änderungsgesetz zum AWG vom 28. März 2006 - BGBl I 574, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. April 2009 - BGBl I 770) geltenden Fassung das mildere Recht im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB. Denn anders als bei Anwendung des Tatzeitrechts konnte nach der neuen Gesetzesfassung die für Verstöße gegen § 34 Abs. 1 AWG geltende absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren vor ihrem Ablauf nicht durch die Ruhensregelung des § 78 b Abs. 4 StGB zum Stillstand gebracht werden und deshalb Verfolgungsverjährung eintreten.
22
Nach dieser Vorschrift ruht die Verjährung ab Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Landgericht für die Dauer von fünf Jahren bei Gesetzesverletzungen , deren Höchststrafe im Grundtatbestand fünf Jahre beträgt, aber für besonders schwere Fälle darüber hinausreicht. Die Eröffnung des Hauptverfahrens unterbricht für Tatbestände, die einen solchen Sonderstrafrahmen für besonders schwere Fälle aufweisen - unabhängig davon, ob ein besonders schwerer Fall angeklagt oder das Hauptverfahren auch insoweit eröffnet worden ist (Fischer, StGB 57. Aufl. § 78 b Rdn. 12) - die Verjährung (§ 78 c Abs. 1 Nr. 7 StGB) und hält zugleich deren weiteren Lauf - auch den der absoluten Verjährung - an (§ 78 c Abs. 3 Satz 3 StGB; vgl. Schmid aaO § 78 b Rdn. 17). Diese Ruhensregelung war auf den Grundtatbestand des § 34 Abs. 1 AWG in der bis zum 7. April 2006 geltenden Fassung des AWG vom 11. Dezember 1996 anwendbar, da § 34 Abs. 6 AWG aF für besonders schwere Fälle des § 34 Abs. 1 AWG aF, etwa für gewerbsmäßiges Handeln, Freiheitsstrafen von zwei bis fünfzehn Jahren vorsah. Auf der Grundlage des zur Tatzeit geltenden Rechts wäre daher für die vorliegenden Tatvorwürfe durch die Eröffnung des Hauptverfahrens am 25. September 2006 nicht nur der Lauf der - zu diesem Zeitpunkt infolge rechtzeitiger Unterbrechungshandlungen noch offenen - einfa- chen (fünfjährigen) Verjährungsfrist, sondern auch derjenige der absoluten Verjährung für die Dauer von fünf Jahren zum Stillstand gekommen.
23
Anders verhält es sich indes auf Grundlage der neuen Fassung des § 34 AWG. Mit der Novellierung des AWG im Jahre 2006 wurden - bei gleichzeitiger Beibehaltung der Strafandrohung von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe für Taten nach dem Grundtatbestand des § 34 Abs. 1 AWG - die Regelbeispiele des § 34 Abs. 6 AWG aF abgeschafft und in Qualifikationstatbestände mit einem Strafrahmen von zwei bis fünfzehn Jahren umgewandelt (§ 34 Abs. 6 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 AWG nF). Auf diese Gesetzeslage ist die Ruhensregelung des § 78 b Abs. 4 StGB damit nicht mehr anwendbar. Die gegenüber dem Grundtatbestand erhöhte Strafdrohung der Qualifikation wirkt sich vielmehr nur noch dann auf die Berechnung der Verjährungsfrist aus, wenn in der Hauptverhandlung über den Grundtatbestand hinaus auch die Voraussetzungen des selbständigen Qualifikationstatbestands festgestellt werden (vgl. BGHSt 13, 128, 129). Ist dies nicht der Fall, so richtet sich die Verjährungsfrist ausschließlich nach der Strafdrohung des Grundtatbestands.
24
Qualifizierende Umstände im Sinne des § 34 Abs. 6 (Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2) AWG nF hat das Landgericht indes nicht festgestellt. Vielmehr hat es mit rechtsfehlerfreien Erwägungen das hier allein in Betracht kommende qualifizierende Merkmal des gewerbsmäßigen Handelns gemäß § 34 Abs. 6 Nr. 2 AWG nF den Angeklagten nicht nachzuweisen vermocht, so dass nicht die erhöhte Strafdrohung des Qualifikationstatbestands, sondern auch nach der neuen Fassung des Gesetzes der Strafrahmen des Grundtatbestands für die Beurteilung der Verjährungsfrage maßgeblich bleibt. Damit erweist sich jedoch § 34 Abs. 1 AWG in seiner neuen Fassung für die vorliegenden Fallgestaltungen gegenüber dem Tatzeitrecht als das mildere Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB, da bei Anwendung dieses Tatbestands die Ruhensregelung des § 78 b Abs. 4 i. V. m.
§ 78 c Abs. 3 Satz 3 StGB nicht eingreift, mithin hinsichtlich der Ausfuhrhandlungen vom 30. Mai 1997 und vom 26. Dezember 1997 ungehindert nach zehn Jahren absolute Verjährung eingetreten ist.
25
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden können, die zu einer anderen Beurteilung der Verjährungsfrage führen. Er stellt deshalb in den Fällen B. II. und III. der Urteilsgründe das Verfahren selbst gemäß § 206 a Abs. 1 StPO ein.
26
2. Im Übrigen führt die von beiden Angeklagten zulässig erhobene Rüge, das Landgericht habe durch die Ablehnung des Beweisantrags auf Vernehmung des indischen Zeugen R. gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO verstoßen, zur Aufhebung des Urteils.
27
a) Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
28
aa) Der Verteidiger des Angeklagten Dr. P. L. stellte am 15. Januar 2008 den Beweisantrag, den in Indien wohnhaften Zeugen R. zu vernehmen. Der Zeuge stehe zwar für eine Einvernahme vor dem erkennenden Gericht nicht zur Verfügung, sei aber bereit, sich in Indien im Wege der Rechtshilfe entweder kommissarisch oder audiovisuell vernehmen zu lassen. Dem Antrag schlossen sich die Verteidiger des Angeklagten M. L. an.
29
Der Antrag zielte darauf ab, die Einlassungen der Angeklagten zu belegen , von dem Verwendungszweck der nach Indien ausgelieferten Hydraulikzylinder keine Kenntnis gehabt zu haben, vielmehr aufgrund entsprechender Angaben der indischen Auftraggeber davon ausgegangen zu sein, dass die Güter für Brückenlegefahrzeuge bzw. - so der Angeklagte Dr. P. L. zu dem Vorwurf im Fall B. VIII. - für ein ihm nicht näher bekanntes militärisches Gerät bestimmt gewesen seien.
30
Der Beweisantrag enthielt die Behauptungen, der Zeuge, der in Indien für die Mo. GmbH tätig und in die verfahrensgegenständlichen Geschäfte eingebunden gewesen sei, habe den Angeklagten Dr. P. L. zu keinem Zeitpunkt darüber informiert, dass die von der Mo. GmbH gefertigten und nach Indien ausgeführten Hydraulikzylinder nicht für Brückenlegefahrzeuge sondern zum Einbau in Raketenabschussrampen vorgesehen gewesen seien; der Zeuge habe auch nicht wahrgenommen, dass der Angeklagte von anderen Personen, etwa bei gemeinsamen Besprechungen mit Kunden, über diesen Verwendungszweck in Kenntnis gesetzt worden sei.
31
bb) Mit Beschluss vom 3. Juni 2008 lehnte die Strafkammer den Beweisantrag ab. Zur Begründung führte sie aus, der Zeuge sei für eine persönliche Vernehmung in der Hauptverhandlung in Dortmund unerreichbar. Der anwaltliche Beistand des Zeugen habe erklärt, dass der Zeuge nicht bereit sei, nach Dortmund zu reisen, er stehe nur für eine audiovisuelle oder kommissarische Vernehmung in Indien zur Verfügung. Hinsichtlich einer solchen Vernehmung sei der Zeuge als ungeeignetes Beweismittel im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO anzusehen. Zwar handele es sich bei R. um einen zentralen Zeugen, da er als Vertreter der Mo. GmbH in Indien in sämtliche verfahrensgegenständliche Exportvorgänge eingebunden gewesen sei, den Angeklagten Dr. P. L. bei dessen Kundenbesuchen in Indien begleitet, aber auch allein und eigenverantwortlich mit den indischen Bestellern Verhandlungen und Gespräche geführt habe, über deren Inhalte er die Angeklagten informiert habe. Wegen dieser zentralen Bedeutung des Zeugen und seiner Nähe zum Angeklagten sei dessen Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit seiner Aussage besonders kritisch zu überprüfen. Dies erfordere zum einen eine umfangreiche Befragung des Zeugen unter Vorhalt der Einlassungen der Angeklagten und des umfangreichen Schriftverkehrs, der zwischen den Angeklagten und dem Zeugen geführt worden sei. Eine diesen Anforderungen genügende Verneh- mung nehme daher mindestens vier bis fünf Tage in Anspruch. Zum anderen seien neben dem Inhalt der Aussage vor allem die non-verbalen Reaktionen des Zeugen für die Beurteilung des Wahrheitsgehalts der Aussage von hohem Interesse. All dies könne im Rahmen einer kommissarischen oder audiovisuellen Vernehmung nicht geleistet und festgestellt werden. Zudem sei es nicht realistisch , dass eine etwaige Falschaussage des Zeugen in Indien Konsequenzen hätte. Nach alledem sei eine mittels "Vernehmungssurrogaten" gewonnene Aussage des Zeugen für die Wahrheitsfindung wertlos, da ihr im Vergleich zu einer Aussage in der Hauptverhandlung nur ein deutlich verminderter Beweiswert zukomme.
32
b) Die Ablehnung des Beweisantrags begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Soweit die Strafkammer die Zurückweisung des Antrags darauf gestützt hat, der Zeuge sei ein völlig ungeeignetes Beweismittel, da er nur zu einer kommissarischen oder audiovisuellen Vernehmung zur Verfügung stehe , wird ihre Entscheidung den besonderen Umständen des vorliegenden Sachverhalts nicht gerecht.
33
aa) Das Landgericht hat zwar nicht verkannt, dass der Aussage des Zeugen in dem Verfahren eine herausgehobene Beweisbedeutung zukommt und hat ersichtlich deshalb aus Gründen der Aufklärung dessen Vernehmung auch grundsätzlich für erforderlich gehalten. Denn es hat - anders als bei den übrigen von den Angeklagten benannten Entlastungszeugen aus dem Ausland - die Ablehnung des Beweisantrags nicht auf die sachlich vorrangige Vorschrift des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützt, sondern hat, was rechtlich grundsätzlich zulässig ist, auf den Ablehnungsgrund der Unerreichbarkeit bzw. Ungeeignetheit des Beweismittels im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO zurückgegriffen (BGHSt 45, 188, 189).
34
Nach dieser Vorschrift kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines im Ausland lebenden und für eine Vernehmung in der Hauptverhandlung unerreichbaren Zeugen auch dann zurückgewiesen werden, wenn der Zeuge zwar für eine im Wege der Rechtshilfe zu bewirkende und grundsätzlich mögliche kommissarische oder audiovisuelle Vernehmung zur Verfügung steht, das Gericht aber aufgrund der besonderen Beweislage schon vorweg zu der Überzeugung gelangt, dass eine aus einer solchen Vernehmung gewonnene Aussage völlig untauglich ist, zur Sachaufklärung beizutragen und die Beweiswürdigung zu beeinflussen. In einem solchen Fall bleibt der Zeuge für die persönliche Vernehmung in der Hauptverhandlung unerreichbar, als nur kommissarisch oder audiovisuell vernehmbarer Zeuge ist er ein völlig ungeeignetes Beweismittel im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO (BGHSt 13, 300, 302; 22, 118, 122; BGH JR 1984, 129; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985, 14; BGH NStZ 2004, 347, 348).
35
Die Frage, ob nur eine Vernehmung des Zeugen vor dem erkennenden Gericht die nach Sach- und Rechtslage erforderliche Ausschöpfung des Beweismittels gewährleistet oder ob auch eine kommissarische oder audiovisuelle Vernehmung zur Sachaufklärung tauglich ist, hat der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden (BGH JR aaO; BGH StV 1992, 548; BGH NJW 2000, 443, 447). Diese Entscheidung, die eine gewisse Vorauswürdigung des Beweismittels erfordert (BGH GA 1971, 85, 86), unterliegt zwar nur in eingeschränktem Umfang revisionsrechtlicher Überprüfung (BGH NJW aaO). Die für die Ausübung des Ermessens maßgebenden Erwägungen müssen aber schlüssig ergeben, weshalb die kommissarische oder audiovisuelle Vernehmung zur Sachaufklärung ungeeignet und daher ohne jeden Beweiswert ist (BGH JR aaO). Dies ist angesichts der Qualität des angebotenen Beweismittels und der Bedeutung des Beweisthemas vor dem Hintergrund der hier gegebenen besonderen Beweislage nicht in ausreichendem Maße dargetan.
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bb) Den Nachweis der subjektiven Tatseite hat das Landgericht, materiellrechtlich rechtsfehlerfrei, maßgeblich auf eine Gesamtwürdigung des Inhalts einer Vielzahl den Angeklagten zugänglichen Schriftstücken, namentlich auf den Schriftwechsel, der zwischen der Mo. GmbH, dem Zeugen R. und den indischen Endkunden geführt wurde, sowie auf die Tatsache gestützt, dass es auch mehrere persönliche Kontakte des Angeklagten Dr. P. L. mit den Verantwortlichen der R&DE und Mitarbeitern anderer Beschaffungsstellen des indischen Verteidigungsministeriums gab. Das belastende Beweismaterial stammt mithin überwiegend aus dem Ausland oder weist zumindest einen starken Auslandsbezug auf. Die Angeklagten waren deshalb zum Beleg ihrer Einlassung , von Seiten der indischen Beschaffungsstellen nicht über den Verwendungszweck der Hydraulikzylinder informiert worden zu sein, hier in besonderem Maße auf die Benennung von Entlastungszeugen aus dem Ausland angewiesen , zumal eine zeugenschaftliche Vernehmung der in Indien ansässigen Urheber der Schreiben und Kontaktpersonen des Angeklagten zu keinem Zeitpunkt stattgefunden hat.
37
Diese besondere Beweislage durfte bei der Bescheidung des von den Angeklagten gestellten Beweisantrags nicht unbeachtet bleiben. Denn es darf einem Angeklagten nicht zum Nachteil gereichen, dass dem Verfahren eine Auslandstat zugrunde liegt oder die Tat jedenfalls - wie hier - einen starken Auslandsbezug aufweist und die Beweisführung infolge dessen im Wesentlichen auf ausländische Beweismittel zurückgreifen muss. In einem solchen Fall ist dem legitimen Anliegen eines Angeklagten, sich gegen die aus dem Ausland stammenden und ihn belastenden Beweismittel durch die Benennung von im Ausland ansässigen Entlastungszeugen zu verteidigen, in der Weise Rechnung zu tragen, dass an die Ablehnung eines solchen Beweisantrags strengere Maßstäbe anzulegen sind (vgl. für die Ablehnung eines Beweisantrags nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO: BGH wistra 2006, 426, 428; Fischer in KK 6. Aufl. § 244 Rdn. 213). Die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Unerreichbarkeit sowie völliger Ungeeignetheit eines offenkundig wichtigen Entlastungszeugen wird daher in diesen Fallkonstellationen allenfalls dann in Betracht kommen, wenn der Beweiswert einer lediglich kommissarischen oder audiovisuellen Vernehmung des Zeugen vor dem Hintergrund des Ergebnisses der bisherigen Beweisaufnahme und des zeitlichen und organisatorischen Aufwands der Ladung und Vernehmung mit den damit verbundenen Nachteilen durch die Verzögerung des Verfahrens in einer Weise zurücktritt, dass jeglicher Erkenntniswert für die Sachaufklärung sicher ausgeschlossen werden kann. Ein - etwa wegen des fehlenden persönlichen Eindrucks des Zeugen in der Hauptverhandlung oder wegen der eingeschränkten Möglichkeit, ihm Vorhalte zu machen - lediglich geminderter oder zweifelhafter Beweiswert einer so gewonnenen Aussage darf bei einer Sachverhaltsgestaltung wie der vorliegenden hingegen regelmäßig nicht mit einer völligen Untauglichkeit des Beweismittels gleichgesetzt werden. Die Beurteilung hat sich daher bei einer derartigen Fallgestaltung eher an den strengen Maßstäben auszurichten, die sonst allgemein für die Bewertung eines Beweismittels als völlig ungeeignet anerkannt sind (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 244 Rdn. 58 m. w. N.).
38
Diesen Anforderungen und den dargelegten Besonderheiten des Falles wird das Landgericht in seiner Entscheidung über die Ablehnung des Beweisantrags nicht gerecht. Insbesondere hat es in seine Würdigung auch nicht einbezogen , dass es auch die Einvernahme weiterer von den Angeklagten zur Entlastung benannten Auslandszeugen, etwa der Mitarbeiter der R&DE, abgelehnt hat, der Zeuge R. mithin der einzig verbleibende Entlastungszeuge war, der aus eigener Wahrnehmung zu den Exportgeschäften der Angeklagten Angaben machen und zur Entkräftung der aus dem Ausland stammenden Beweise beitragen konnte. Nicht zuletzt aus diesem Grund kam seiner Aussage ein besonderes Gewicht zu.
39
Auf der rechtsfehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags kann das Urteil , soweit die Taten nicht bereits verjährt sind, beruhen, zumal einer Vernehmung des Zeugen im Ausland rechtliche Hindernisse grundsätzlich nicht entgegenstehen. Zwar erfolgt der sonstige Rechtshilfeverkehr mit Indien vertragslos, so dass die Regelungen der §§ 59 ff. IRG Anwendung finden. Die Bundesregierung hat aber ihre Bereitschaft gezeigt, die für die Anbringung eines Rechtshilfeersuchens erforderliche Gegenseitigkeitszusicherung (§ 76 IRG) abzugeben.
40
3. Das Urteil begegnet schließlich auch in sachlich-rechtlicher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Da es hierauf entscheidungserheblich nicht mehr ankommt, weist der Senat für die neue Hauptverhandlung auf Folgendes hin:
41
a) Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen vermag der Senat der rechtlichen Wertung des Landgerichts, bei den von den Angeklagten nach Indien ausgeführten Hydraulikzylindern habe es sich um "für militärische Zwecke besonders konstruierte" Bestandteile für Landfahrzeuge im Sinne der Nummer 0006 des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung - (in den für die nicht verjährten Taten maßgeblichen Fassungen der 91. i. V. m. der 94. Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste vom 18. Dezember 1996 und vom 7. Mai 1998 - BAnz. Nr. 32 vom 15. Februar 1997, S. 1545 und Nr. 88 vom 13. Mai 1998, S. 6749 - und der 96. Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste vom 10. Juni 1999 - BAnz. Nr. 125 vom 9. Juli 1999, S. 11073) und damit um genehmigungspflichtige Waren gehandelt, die von der Strafvorschrift des § 34 Abs. 1 Nr. 1 AWG i. V. m. § 5 Abs. 1 AWV erfasst werden, nicht zu folgen.
42
Nicht zu beanstanden ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, dass sowohl die mobilen schienen- und fahrzeuggestützten Ra- ketenstartrampen als auch die fahrzeuggestützte mobile Radaranlage als militärische Landfahrzeuge und damit als Rüstungsgüter im Sinne der Position 0006 der nationalen Ausfuhrliste Teil I Abschnitt A einzustufen sind. Für die zu Startplattformen umgerüsteten Fahrzeuge ergibt sich dies unmittelbar aus der exemplarischen Aufzählung militärischer Fahrzeuge in Nr. 1 Buchst. a der technischen Anmerkung zur Listennummer 0006 der Ausfuhrliste; für die zum Zwecke der Installierung einer militärischen Radaranlage eigens umgebauten Lkws steht dies ebenfalls aufgrund der festgestellten objektiven Beschaffenheit der Fahrzeuge außer Frage. Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht zudem davon ausgegangen, dass die nach Indien ausgelieferten Hydraulikzylinder zum Einbau in diese militärischen Fahrzeuge bestimmt, mithin Bestandteile im Sinne der Begriffsdefinition der Ausfuhrliste waren, da sie durch die Verbindung mit der übergeordneten Sache ihre Selbständigkeit verlieren sollten (Monreal AWPrax 2001, 154, 157). Für die Exportkontrolle ist dabei nicht maßgeblich, ob das Bestandteil zum Zeitpunkt der Ausfuhr bereits mit der Hauptsache verbunden ist (Monreal aaO). Problematisch ist hier allein, ob die ausgeführten Zylinder den Anforderungen des Tatbestandsmerkmals "besonders konstruiert für militärische Zwecke" genügten, das sich nach dem Wortlaut der Listenposition 0006 nicht nur auf die übergeordnete Sache, sondern gleichermaßen auf die hierfür bestimmten Bestandteile bezieht, und deshalb nicht nur als Dual-use-Güter, sondern als Rüstungsgüter zu klassifizieren waren. Insoweit teilt der Senat die Auffassung der Beschwerdeführer, dass die der rechtlichen Würdigung des Landgerichts zugrunde liegende rein subjektive, allein an der Zweckbestimmung des Herstellers orientierte Auslegung des Tatbestandsmerkmals mit der Systematik der hier maßgeblichen Vorschriften des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste nicht vereinbar ist. Im Einzelnen:
43
aa) Dem Tatbestandsmerkmal "besonders konstruiert (oder geändert) für militärische Zwecke" kommt in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste die Bedeutung zu, Rüstungsgüter, deren militärische Eigenschaft nicht offen auf der Hand liegt, von Dual-use-Gütern, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke Verwendung finden können, abzugrenzen. Für die beiden Güterkategorien gelten jedoch nicht nur unterschiedliche verwaltungsrechtliche Kontrollsysteme, sondern Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschriften werden auch in unterschiedlicher Weise strafrechtlich sanktioniert. Verstöße gegen Ausfuhrbeschränkungen unterfallen bei Rüstungsgütern des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste dem Straftatbestand des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AWG, hingegen werden Verstöße bei Dual-use-Gütern entweder als Ordnungswidrigkeiten nach § 33 AWG oder als Straftaten - von wenigen, gesetzlich abschließend geregelten Ausnahmefällen, die von § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AWG erfasst werden, abgesehen - nach § 34 Abs. 2 AWG geahndet. Das Tatbestandsmerkmal "besonders konstruiert (oder geändert) für militärische Zwecke" ist daher auch für die strafrechtliche Bewertung eines Verstoßes gegen die Vorschriften des Außenwirtschaftsrechts von maßgeblicher Bedeutung (Bieneck in Wolffgang /Simonsen AWR, Bd. 3 § 34 Abs. 1 Rdn. 39; ders. wistra 2008, 451 f.; vgl. auch Monreal aaO 155).
44
bb) Die Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ist allerdings umstritten. In der Literatur wird nahezu einhellig die Auffassung vertreten, das Tatbestandsmerkmal sei objektiv auszulegen und setze neben einer subjektiven Zweckvorstellung des Herstellers stets voraus, dass sich diese auch objektiv in der Konstruktion der Beschaffenheit des Gutes niedergeschlagen habe; die militärische Zwecksetzung der Ware müsse aus ihrer objektiven, etwa technischen Konstruktion erkennbar sein (Bieneck in Wolffgang/Simonsen aaO Rdn. 39 a; Schörner in Hohmann/John AWR, § 5 AWV Rdn. 13; Friedrich in Hocke /Berwald/Maurer/Friedrich, AWR Bd. 1 vor § 5 AWV Rdn. 54; Bieneck wistra 2008, 451 ff. und wistra 2010, 10 ff.; Monreal AW-Prax 2001, 234 ff. und 2003, 115 ff.). Diesem objektiven Auslegungsansatz hat sich - soweit ersichtlich - die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte angeschlossen (VG Frankfurt, Urt. vom 17. Februar 2005 - 1 E 7512/03 - juris - Rdn. 30 f.; Hess. VGH, Urt. vom 14. Oktober 2009 - 6 A 2113/08 - juris - Rdn. 47 ff.).
45
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist, soweit sie sich mit dem hier in Rede stehenden Tatbestandsmerkmal befasst hat, hingegen nicht eindeutig. Während der 1. Strafsenat in einer Entscheidung, der die Lieferung einer Anlage zur Reinigung von Artilleriekartuschen an eine irakische Rüstungsfirma zugrunde lag, zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals "besonders konstruiert" - im konkreten Fall für die Herstellung von Munition im Sinne der Position 0018 A der Ausfuhrliste - maßgeblich auf den Zweck abgestellt hat, dem die Anlage nach den Vorstellungen ihres Erbauers oder Lieferanten dienen sollte (BGHSt 41, 348, 350), hat sich der 5. Strafsenat bei der Prüfung, ob ein speziell umgerüstetes Geländefahrzeug im Sinne der Position 0006 A der Ausfuhrliste "für militärische Zwecke besonders konstruiert" war, anhand der Liste selbst und den sich hieraus ergebenden Beschreibungen des Rüstungsguts, mithin an eher objektiven Kriterien orientiert und hervorgehoben, dass es für die Bestimmung einer Ware als Rüstungsgut nicht auf eine alleinige Bewertung des individuellen Zwecks ankommen kann (BGHSt 51, 263, 266 ff.).
46
cc) Mit der Frage, welchen Anforderungen Warenbestandteile genügen müssen, um sie als Güter im Sinne des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste einzustufen , hat sich der Bundesgerichtshof bislang nicht befasst. Der Senat hält für die Erfassung eines Bestandteils als Rüstungsgut den von der Literatur vertretenen objektiven Ansatz zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals "besonders konstruiert für militärische Zwecke" mit Blick auf die Systematik der Ausfuhrliste für zutreffend.
47
Die Ausfuhrliste enthält in Teil I Abschnitt A abgestufte Anforderungen für die Einstufung eines Bestandteils als Rüstungsgut. Mit Blick auf die Abgrenzung zu einem Dual-use-Gut wird allerdings stets vorausgesetzt, dass es sich um "besonders konstruierte" Bestandteile handelt, wofür nicht jede geringfügige Modifikation eines zivilen Gutes ausreichend ist; erforderlich sind vielmehr konstruktive Änderungen an wesentlichen Funktionsmerkmalen der Ware (Monreal AW-Prax 2001, 234, 235; Bieneck wistra 2008, 451, 455; ders. in Bieneck, Handbuch AWR § 28 Rdn. 20).
48
Hinsichtlich der weiteren Anforderungen unterscheidet die Ausfuhrliste danach, ob die Bestandteile für Hauptsachen mit speziell militärischer Ausrichtung , etwa für Bomben (Position 0004), bestimmt sind oder für weniger spezifisch militärisch ausgerichtete Güter mit Dual-use-Charakteristik, etwa - wie vorliegend - für Landfahrzeuge im Sinne der Listenposition 0006. Während im ersten Fall die Ausfuhrliste für die Bestandteilserfassung keine besondere Konstruktion für "militärische Zwecke" fordert, sondern mit der Formulierung "besonders konstruiert hierfür" lediglich eine besondere Konstruktion für den Einsatz in der als Rüstungsgut erfassten Hauptsache ausreichen lässt, werden nach dem Wortlaut ("Bestandteil hierfür, besonders konstruiert für militärische Zwecke") bei Gütern, die selbst ein weiteres Verwendungsspektrum aufweisen und Dual-use-Gütern nahe kommen, hierfür besonders konstruierte Bestandteile nur dann von der Rüstungsgüterliste erfasst, wenn sie selbst auf einen militärischen Zweck gerichtet sind (Bieneck wistra 2008 aaO; vgl. auch Monreal AWPrax 2003, 115 f.). Die abweichenden Formulierungen finden ihre Erklärung ersichtlich darin, dass der Verordnungsgeber bei offensichtlichen Rüstungsgütern mit Blick auf die durch die Listenpositionen geschützten Rechtsgüter der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, des Völkerfriedens und der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland eine weite Erfassungsvariante für Bestandteile für vertretbar gehalten, sich hingegen bei weniger mili- tärisch ausgerichteten Gütern bewusst für eine enge Bestandteilserfassung entschieden hat (Bieneck aaO 456). Durch das Erfordernis einer eigenen militärischen Zweckbestimmung des Bestandteils wird daher bei Gütern, die als Hauptsache lediglich eine geringere militärische Ausprägung haben, der Bestandteilsbegriff eingeschränkt. Diese Einschränkung kann jedoch nur dann die vom Verordnungsgeber vorgegebene Wirkung entfalten, wenn sich die militärische Zwecksetzung des Bestandteils auch objektiv in dessen Konstruktion oder Beschaffenheit niedergeschlagen hat. Denn eine lediglich subjektive Zweckbestimmung aus Sicht des Herstellers ließe dessen Kenntnis vom Einsatz des Bestandteils in einer militärischen Anlage für die Klassifizierung als Rüstungsgut ausreichen, so dass letztlich ein Unterschied zu dem weiten Bestandteilsbegriff, wie er nach den Regelungen der Ausfuhrliste nur bei offenkundigen Rüstungsgütern gilt, nicht mehr erkennbar wäre.
49
Dass Bestandteile, wie sie in Teil I Abschnitt A Position 0006 der Ausfuhrliste definiert sind, auch in objektiver Hinsicht einen militärischen Charakter aufweisen müssen, ergibt sich schließlich auch aus den Formulierungen in den Anmerkungen zu dieser Listennummer, die zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals heranzuziehen sind (BGHSt 51, 261, 267). So ist in der Anmerkung Nr. 4 der Position 0006 in der Fassung der 96. Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste vom 10. Juni 1999 nicht nur - ersichtlich güterbezogen - von "militärischen" Bestandteilen die Rede, sondern die zur Erläuterung dieses Begriffs aufgeführten Güter weisen aufgrund ihrer spezifischen Beschaffenheit auch ausnahmslos eine objektiv erkennbare militärische Zweckbestimmung auf.
50
b) Die Heranziehung objektiver Kriterien bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Bestandteile, besonders konstruiert für militärische Zwecke" im Sinne der Position 0006 hat für den vorliegenden Fall folgende Bedeutung:
51
aa) Nach den bisherigen Feststellungen wiesen die für die Raketenstartrampen bestimmten Hydraulikzylinder keine objektiv erkennbaren militärischen Konstruktionsmerkmale auf. Es handelte sich ausnahmslos um Modifikationen ziviler Güter entsprechend den Vorgaben der Besteller. Diese Änderungen genügten zwar den Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal "besonders konstruiert", ihre militärische Zwecksetzung bezogen die Hydraulikzylinder aber nur mittelbar über die Hauptsache, für die sie bestimmt waren. Dies reicht nach den oben dargelegten Grundsätzen für die Klassifizierung als Bestandteile im Sinne der Position 0006 des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste nicht aus.
52
Sollten in der neuen Hauptverhandlung weitergehende Erkenntnisse zur Konstruktion und einer hieraus folgenden objektiven militärischen Zweckbestimmung der für die Startvorrichtungen vorgesehenen Hydraulikzylinder nicht getroffen werden können, wird der neue Tatrichter allerdings zu erwägen haben , ob diese Güter als Bestandteile für Raketenzubehör oder Raketenausrüstung von der Listenposition 0004 des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste erfasst werden mit der Folge, dass sie lediglich an dem weiten Bestandteilsbegriff ("besonders konstruiert hierfür") zu messen wären und für die Erfassung als Rüstungsgut keinen eigenständigen militärischen Charakter aufweisen müssten.
53
bb) Hingegen erscheint nach den Urteilsgründen bei den für die mobile Radaranlage gelieferten Hydraulikzylindern eine objektive militärische Zweckbestimmung und damit eine Bestandteilserfassung durch die Listenposition 0006 nicht von vorneherein ausgeschlossen. Denn diese Güter waren nach den Feststellungen entsprechend den Wünschen der Besteller mit einer besonderen Oberflächenbeschichtung versehen worden, um bei militärischen Einsätzen eine ausreichende Tarnung zu gewährleisten. Mit der Frage, ob dieses Konstruktionsmerkmal den nach Indien ausgeführten Zylindern eine eigene spezifisch militärische Zweckbestimmung verlieh, hat sich das Landgericht, nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig, bislang nicht auseinandergesetzt.
54
cc) Sollte der neue Tatrichter zu dem Ergebnis gelangen, dass es sich bei den ausgeführten Waren nicht um Rüstungsgüter im Sinne des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste, sondern um Dual-use-Güter gehandelt hat, käme eine Strafbarkeit der Angeklagten nur nach § 34 Abs. 2 AWG in Betracht. Insoweit erscheint es jedoch nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht nahe liegend, dass die Handlungen der Angeklagten geeignet waren, die in § 34 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 AWG aufgeführten Rechtsgüter erheblich zu gefährden (BGHSt 53, 128; 53, 238, 249). Becker RiBGH von Lienen befindet Sost-Scheible sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 0 5 / 1 4
vom
7. August 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 7. August 2014 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 11. Juli 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten V. , H. und Z. wegen schweren Bandendiebstahls und versuchten schweren Bandendiebstahls zu Gesamtfreiheitsstrafen von sechs (V. ) bzw. fünf Jahren (H. und Z. ) verurteilt; den Angeklagten G. hat es des versuchten schweren Bandendiebstahls schuldig gesprochen und gegen ihn eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Daneben hat das Landgericht diverse Tatwerkzeuge eingezogen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen. Die Rechtsmittel haben mit der Sachbeschwerde Erfolg, so dass es auf die erhobenen Verfahrensbeanstandungen nicht ankommt.
2
Nach den Feststellungen kamen die Angeklagten spätestens im Jahr 2011 überein, sich auf Dauer zur Begehung einer Vielzahl von Einbruchsdiebstählen zu verbinden und hierbei zusammenzuwirken, wobei nicht geklärt werden konnte, ob sie dabei als selbständige Gruppe fungierten oder einer noch größeren Gruppierung angehörten. Inhalt der Übereinkunft war, gemeinsam eine Vielzahl von Geldausgabeautomaten nach der sogenannten SpreizerMethode zu öffnen, um die darin befindlichen Bargeldbeträge - meist über 100.000 €- zu entwenden. Entsprechend dieser Abrede verschafften sich die Angeklagten V. , H. und Z. im Fall II. 1. b der Urteilsgründe in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober 2011 gewaltsam Zutritt zu den Geschäftsräumen der Volksbank-Filiale in S. und entwendeten aus dem dortigen Geldausgabeautomaten 125.585 €. Im Fall II. 2. b der Urteilsgründe trafen sich alle vier Angeklagten am späten Abend des 20. November 2011 in D. nahe der dortigen Sparkasse, die sie in den Vortagen wiederholt ausgekundschaftet hatten, um das in dem dortigen Geldautomaten gelagerte Geld zu entwenden. Einer der Angeklagten verschaffte sich über eine Leiter Zutritt zu den Geschäftsräumen, indem er ein Fenster aufbohrte. Anschließend entfernte er sich mit den übrigen Angeklagten vom Gebäude. In der Folgezeit stieg zweimal einer der Angeklagten erneut für jeweils mehrere Minuten durch das geöffnete Fenster in die Geschäftsräume ein, wobei zwischen diesen Vorgängen ein Zeitraum von 20 Minuten lag. Die Aufenthalte in der Bank wurden dazu genutzt, eine Überwachungskamera im Servicebereich zu verdrehen, eine Holztür zum Geldausgabeautomaten aufzuhebeln, eine Datenmülltonne aus Metall im Servicebereich aufzustellen und den Netzstecker des Geldautomaten zu ziehen. Das zum Öffnen des Geldausgabeautomaten erforderliche Werkzeug hatten die Angeklagten noch nicht in die Sparkasse geschafft. Um dies "in angemessener Zeit" zu bewerkstelligen, wären - so die Ausführungen in der Beweiswürdigung - mindestens zwei Personen erforderlich gewesen (UA S. 35). Nach dem letzten Einstieg entfernten sich die Angeklagten vom Tatort und fuhren mit unterschiedlichen Fahrzeugen zu einem ca. 35 km entfernten Schnellrestaurant. Dort saßen sie einige Zeit zusammen, bevor sich die Angeklagten Z. und H. zu der von dem Schnellrestaurant etwa 50 km und vom Tatort mindestens 59 km entfernten Wohnung des Angeklagten H. aufmachten. Die Angeklagten V. und G. fuhren mit ihren Fahrzeugen zum vom Tatort etwa 30 km entfernten Wohnort des Angeklagten G. . Hierbei wurden die Angeklagten durch Polizeibeamte festgenommen.
3
1. Der jeweilige Schuldspruch kann in beiden Fällen schon deswegen keinen Bestand haben, weil die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten bandenmäßig im Sinne des § 244a Abs. 1 StGB gehandelt, einer sie tragenden Beweiswürdigung entbehrt. Das Landgericht teilt an keiner Stelle des Urteils mit, aufgrund welcher Umstände es sich von einer Bandenabrede der Angeklagten überzeugt hat. Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich dies nicht entnehmen. Der von der Strafkammer festgestellte Wille der Angeklagten, sich auf Dauer zur Begehung einer Vielzahl von Einbruchsdiebstählen zu verbinden und hierbei zusammenzuwirken, liegt trotz des festgestellten , in den Taten zum Ausdruck kommenden professionellen Vorgehens der Angeklagten auch nicht derart auf der Hand, dass eine andere Möglichkeit gänzlich ausgeschlossen erscheint und sich weitere Ausführungen deshalb erübrigten. Hinsichtlich des Angeklagten G. kommt hinzu, dass das Urteil konkrete Feststellungen nur zu einer einzigen Tat enthält, an der dieser beteiligt war (zum Rückschluss von der Zahl der Taten auf die Bandenabrede vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 2005 - 3 StR 492/04, NStZ 2006, 174). Dass er vor der Tat zu II. 2. b der Urteilsgründe daran mitgewirkt hatte, mögliche Tatorte auszukundschaften , führt zu keinem anderen Ergebnis. Den Feststellungen ist nicht zu entnehmen, dass die Angeklagten die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse für weitere Taten nutzen wollten. Die Evidenz einer Bandenabrede folgt schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass die Staatsanwaltschaft zunächst zwei weitere gleich gelagerte Anklagevorwürfe gegen die Angeklagten erhoben hatte, die in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden sind. Zu der Beteiligung der Angeklagten an diesen Taten hat die Kammer keine Feststellungen getroffen.
4
Angesichts des vollständigen Schweigens der Urteilsgründe ist darüber hinaus auch nicht überprüfbar, ob das Landgericht im Fall II. 1. b rechtsfehlerfrei davon ausgegangen ist, dass diese Tat trotz der Beteiligung von nur drei statt vier Bandenmitgliedern Ausfluss der getroffenen Bandenabrede war (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2006 - 4 StR 595/05, NStZ 2006, 342, 343; vom 1. Februar 2011 - 3 StR 432/10, StraFo 2011, 520; vom 1. März 2011 - 4 StR 30/11, StraFo 2011, 521; Urteil vom 28. September 2011 - 2 StR 93/11, juris Rn. 16) und nicht ausschließlich im eigenen Interesse der Angeklagten V. , H. und Z. begangen worden ist. Da die Angeklagten insoweit entgegen der Feststellung des Landgerichts, Grundlage der Übereinkunft sei es gewesen, gemeinsam zu agieren, gehandelt haben, war dies im Urteil zu erörtern (vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 120/12, StraFo 2013, 128, 129).
5
2. Im Fall II. 2. b hält der Schuldspruch wegen versuchten schweren Bandendiebstahls darüber hinaus auch deswegen rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil nach einer vom Landgericht nicht ausgeschlossenen Sachverhaltsvariante die Angeklagten noch nicht in das Versuchsstadium der Tat eingetreten waren.
6
Die Strafkammer hat nicht eindeutig klären können, aus welchen Gründen sich die Angeklagten vom Tatort entfernten. Sie hat es unter anderem für möglich gehalten, dass sie sich zunächst plangemäß vom Tatort wegbegaben, um "nach einer Pause" zurückzukehren und den Tresor aufzubrennen. Hierfür spreche insbesondere, dass es nach der Einlassung des Angeklagten V. zum Aufbrennen des Tresors noch "zu früh" gewesen sei. Diese Einschätzung entspreche wohl der üblichen Arbeitsweise der Bande (UA S. 36). In dieser Variante hätten die Angeklagten indes noch nicht im Sinne des § 22 StGB unmittelbar zur Verwirklichung des Diebstahls angesetzt.
7
a) Das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung besteht in einem Verhalten des Täters, das nach seiner Vorstellung in ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte zur - vollständigen - Tatbestandserfüllung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet. Diese Voraussetzung kann schon gegeben sein, bevor der Täter eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt; regelmäßig genügt es allerdings, wenn der Täter ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes verwirklicht. Es muss aber immer das, was er zur Verwirklichung seines Vorhabens unternimmt, zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden (BGH, Urteil vom 16. Januar 1991 - 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 296; Beschluss vom 12. Januar 2011 - 1 StR 540/10, NStZ 2011, 400, 401; vgl. auch BGH, Urteil vom 20. März 2014 - 3 StR 424/13, NStZ 2014, 447, 448). An einem unmittelbaren Ansetzen kann es daher - ausnahmsweise - trotz der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals fehlen, wenn der Täter damit noch nicht zu der die Strafbarkeit begründenden eigentlichen Rechtsverletzung ansetzt. Ob dies der Fall ist oder ob er sich noch im Stadium der Vorbereitung befindet, hängt von seiner Vorstellung über das "unmittelbare Einmünden" seiner Handlungen in die Erfolgsverwirklichung ab. Ge- gen das Überschreiten der Schwelle zum Versuch spricht deshalb im Allgemeinen , dass es zur Herbeiführung des vom Gesetz vorausgesetzten Erfolges noch eines weiteren - neuen - Willensimpulses bedarf (BGH, Urteil vom 21. Dezember 1982 - 1 StR 662/82, BGHSt 31, 178, 182). Bezogen auf die Frage, wann bei einem - wie hier nach § 244a StGB - qualifizierten Delikt das Versuchsstadium beginnt, decken sich diese Grundsätze mit der im Schrifttum vorherrschenden Auffassung, dass die Unmittelbarkeit nur dann zu bejahen ist, wenn der Täter mit seiner Handlung zugleich zur Verwirklichung des Grunddeliktes ansetzt (Gössel, ZIS 2011, 386, 389 mwN; BeckOK v.HeintschelHeinegg /Beckemper, StGB, § 22 Rn. 43; LK/Hillenkamp, StGB, 12. Aufl., § 22 Rn. 123; NK-StGB-Zaczyk, 4. Aufl., § 22 Rn. 53; S/S-Eser/Bosch, StGB, 29. Aufl., § 22 Rn. 58), im Rahmen des § 244a StGB mithin zur Wegnahme (LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 244a Rn. 9; MüKoStGB/Schmitz, 2. Aufl., § 244a Rn. 10; zu § 244 StGB vgl. Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 244 Rn. 11).
8
b) Nach diesen Maßstäben hatten die Angeklagten in der vom Landgericht als möglich erachteten Variante, wonach der Tresor erst später aufgebrannt werden sollte, noch nicht unmittelbar zum schweren Bandendiebstahl angesetzt. Zwar war einer der Angeklagten bereits gewaltsam in die Sparkasse eingedrungen und hatte damit die im Rahmen von § 244a Abs. 1 StGB zum Tatbestandsmerkmal erhobene Voraussetzung des Einbrechens in einen Geschäftsraum (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB) erfüllt. Um die Wegnahme des Geldes durchführen zu können, hätten die Angeklagten als weitere wesentliche Zwischenschritte aber erst noch umfangreiches Werkzeug in die Bank schaffen und den Geldautomaten aufbrennen müssen. Angesichts der in zeitlicher Hinsicht deutlichen Zäsur zwischen dem ersten Stadium und der geplanten Fortsetzung des Tatplans erforderte diese einen weiteren, eigenständigen Willensentschluss. Die bis zum Zeitpunkt der Festnahme der Angeklagten durchge- führten Aktivitäten stellten insoweit nur - wenngleich wesentliche - Vorbereitungsmaßnahmen dar.
9
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
10
a) Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten V. , H. und Z. im Fall II. 1. b der Urteilsgründe maßgeblich auf die Ergebnisse der Telefonüberwachung gestützt. Hinsichtlich des Angeklagten H. wird aus den Urteilsgründen allerdings nicht zweifelsfrei deutlich, aufgrund welcher Erwägungen die Strafkammer diesen als Nutzer des ihm zugeordneten Handys nebst SIM-Karte bestimmen konnte. Soweit der Schluss des Landgerichts alleine auf dem Umstand beruhen sollte, dass sich die entsprechende SIM-Karte ausweislich der Verbindungsdaten nach der Tat zu der seinen Wohnsitz abdeckenden Funkzelle zubewegt hatte, bedürfte dies der näheren Begründung: Denn hinsichtlich des Angeklagten G. hat die Strafkammer aus der Registrierung einer SIM-Karte in der Funkzelle seines Wohnortes keinen Rückschluss dahin ziehen wollen, dass dieser der Nutzer der entsprechenden SIM-Karte war (UA S. 10). Daneben wäre zu beachten, dass die Strafkammer im Rahmen von Fall II. 1. b der Urteilsgründe die Mitwirkung eines weiteren, unbekannt gebliebenen Täters nicht auszuschließen vermocht hat. Insoweit wäre zusätzlich zu bedenken, dass sich auch im Rahmen von Fall II. 2. b neben dem Angeklagten H. noch andere Täter über mehrere Tage hinweg in seinem Anwesen aufgehalten hatten.
11
b) Der Angeklagte Z. soll sich "im Rahmen eines Beweisantrages am 14. Verhandlungstag" eingelassen haben. Beweisbehauptungen, die in einem von dem Verteidiger gestellten Beweisantrag enthalten sind, dürfen jedoch nicht in eine Einlassung des Angeklagten umgedeutet werden, sofern sich die- ser hierzu nicht erklärt (BGH, Beschluss vom 29. Mai 1990 - 4 StR 118/90, NStZ 1990, 447; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 261 Rn. 16a). Hierzu schweigt das Urteil.
12
Sollte sich der Angeklagte Z. zu den in dem Beweisantrag enthaltenen Behauptungen eingelassen haben, gilt Folgendes: Die Überzeugung, dass sich der Angeklagte Z. entgegen den in dem vorerwähnten Beweisantrag enthaltenen Behauptungen nicht in seinem Heimatland aufgehalten hat, hat das Landgericht auch aufgrund der Erwägung gewonnen, dass die entsprechenden Zeugen erstmals benannt wurden, nachdem der Angeklagte bereits mehr als 13 Monate in Untersuchungshaft verbracht hat. Diese Würdigung ist rechtsfehlerhaft. Dem Angeklagten steht es frei, sich zu den Anklagevorwürfen zu äußern (§ 243 Abs. 5 Satz 1 StPO). Der unbefangene Gebrauch dieses Schweigerechts wäre nicht gewährleistet, wenn der Angeklagte die Prüfung und Bewertung der Gründe für sein Einlassungsverhalten befürchten müsste. Deshalb dürfen weder aus der durchgehenden noch aus der nur anfänglichen Aussageverweigerung dem Angeklagten nachteilige Schlüsse gezogen werden (BGH, Urteil vom 26. Oktober 1965 - 5 StR 515/65, BGHSt 20, 281; Beschluss vom 27. Januar 1987 - 1 StR 703/86, BGHR StPO § 261 Aussageverhalten 4).
13
Gleichermaßen fehlerhaft wäre die Erwägung des Landgerichts, sofern tatsächlich keine Einlassung des Angeklagten Z. vorgelegen haben sollte. Der Angeklagte darf nicht nur schweigen, sondern auch auf den Antritt eines Entlastungsbeweises verzichten. Bei dem - wie hier - zunächst oder durchgehend schweigenden Angeklagten verbieten sich daher auch nachteilige Schlüsse , die alleine auf dem Zeitpunkt der Stellung eines Beweisantrages beruhen (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2001 - 1 StR 415/01, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 26).
14
c) Das Landgericht hat als Grund für die Nichtvollendung der Tat zu II. 2. b der Urteilsgründe die weitere Möglichkeit gesehen, dass die Angeklagten den Verdacht gehabt haben könnten, polizeilich observiert zu werden. Diese Einschätzung hat es entscheidend darauf gestützt, dass ein Verteidiger in der Hauptverhandlung "in einem unbedachten Moment" einen Zeugen nach einem schwarzen BMW mit Kölner Kennzeichen gefragt und es sich hierbei "erkennbar nicht um eine ins Blaue hinein gestellte Frage" gehandelt habe (UA S. 36). Dieser Schluss ist unzulässig, denn er deutet die Frage des Verteidigers und mögliche hierin enthaltene Behauptungen in eine (Teil)Einlassung des Angeklagten um.
15
d) Die Strafkammer hat im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten V. dessen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen der Bande berücksichtigt, welcher sich bereits aus seiner Einlassung zum Tatgeschehen zu Fall II. 2. b ergeben habe. Bei dieser Begründung hat das Landgericht verkannt, dass es die Einlassung in wesentlichen Teilen als Schutzbehauptung gewertet hat (UA S. 33). Es durfte daher übrige Teile der Einlassung nicht ohne nähere Begründung - an der es hier mangelt - zu Lasten des Angeklagten heranziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2011 - 5 StR 165/11, NStZ-RR 2011, 318, 319; LR/Sander, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 73).
16
Soweit die Strafkammer den bestimmenden Einfluss des Angeklagten V. auf die Mitangeklagten daneben aus dessen Verhalten in der Hauptverhandlung gefolgert hat, lassen die pauschal gehaltenen Ausführungen besorgen , dass sie zulässiges Verteidigungsverhalten strafschärfend berücksichtigt hat (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 7. November 1986 - 2 StR 563/86, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4; vom 29. Januar 2014 - 1 StR 589/13, NStZ 2014, 396, 397).
17
e) Wird die Erhebung eines Beweises wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO) abgelehnt, ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Gericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Entscheidungsbildung ohne Einfluss blieb (BGH, Urteil vom 7. April 2011 - 3 StR 497/10, NStZ 2011, 713, 714). Die unter Beweis gestellte Indiztatsache hat es in das bisherige Beweisergebnis so einzustellen , als sei sie erwiesen, und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zum Beweiswert des anderen Beweismittels in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 2013 - 3 StR 154/13, NStZ 2014, 111, 112 m. Anm. Allgayer; vom 18. März 2014 - 2 StR 448/13, NStZ-RR 2014, 252, 253; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220 mwN).
18
f) Sollte sich in der neuen Hauptverhandlung eine Bandenabrede der Angeklagten belegen lassen, so wird gegebenenfalls im Fall II. 2. b eine Verbrechensverabredung im Sinne des § 30 Abs. 2 StGB in Betracht zu ziehen sein. Außerdem wird die zur Entscheidung berufene Strafkammer auch eine Strafbarkeit der Angeklagten nach § 303 StGB zu prüfen haben. Der Generalbundesanwalt hat insoweit in seinen Antragsschriften das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.
Becker RiBGH Hubert befindet sich RiBGH Dr. Schäfer befindet im Urlaub und ist daher sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. gehindert zu unterschreiben. Becker Becker Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 623/99
vom
12. April 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. April 2000 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 14. Juli 1999 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges unter Einbeziehung von fünf Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts München I vom 14. Dezember 1995 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat sowie wegen Betruges in vier Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt; im übrigen hat es ihn freigesprochen. Die gegen die Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten bleibt erfolglos, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Ergänzend bemerkt der Senat: 1. Ein Verfahrenshindernis besteht entgegen der Auffassung der Revision hinsichtlich des Betruges zum Nachteil P. nicht. Die Strafklage ist insoweit durch das Urteil des Landgerichts München I nicht verbraucht.
a) Das Landgericht hat bei der Zumessung der Einzelstrafe wegen des Betrugs zum Nachteil P. strafmildernd berücksichtigt, der früheren Verurtei-
lung des Angeklagten durch das Landgericht München I habe eine Absprache dahin zugrundegelegen, daß mit jener Verurteilung "verfahrensgegenständliche , aber auch sonstige bis dahin begangene Straftaten des Angeklagten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Unternehmensberater abgegolten sein sollten". Die Tat zum Nachteil P. beging der Angeklagte im Rahmen seiner Tätigkeit als Unternehmensberater zwar bereits vor der Verurteilung durch das Landgericht München I; sie war in jenem Verfahren indessen nicht mit angeklagt. Die Revision trägt vor, durch die erste Verurteilung habe bereits eine "Gesamtbewertung der strafrechtlich relevanten unternehmensberaterischen Tätigkeit des Angeklagten stattgefunden"; auch der zuvor begangene Betrug zum Nachteil P. sei in die damalige Strafzumessung miteingeflossen.
b) Die in Rede stehende selbständige prozessuale Tat war nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Landgericht München I. Sie ist - ungeachtet der Frage daraus zu ziehender etwaiger rechtlicher Folgerungen - auch sonst in die Strafbemessung durch das Landgericht München I nicht "eingeflossen" (vgl. dazu auch BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 14 sowie BGHSt 37, 10). Die Gründe jenes Urteils lassen solches nicht erkennen. Soweit die Revision weitergehend geltend machen will, die im Verfahren vor dem Landgericht München I angeblich getroffene Absprache begründe ein Verfahrenshindernis eigener Art, stünde dem schon die offensichtliche Rechtswidrigkeit einer solchen Absprache entgegen; diese schließt es aus, daran anknüpfende Erwartungen der Verfahrensbeteiligten als schutzwürdig zu erachten. Nachdem die Tat zum Nachteil P. nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Landgericht München I war, ergab sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine tragfähige Grundlage für eine entsprechende Zusicherung im
Rahmen einer etwaigen Absprache. Die in jener Sache beteiligte Staatsanwaltschaft durfte einer Absprache des behaupteten Inhalts schon im Blick auf das Legalitätsprinzip (vgl. § 152 Abs. 2 StPO) und die Verpflichtung auf Recht und Gesetz nicht zustimmen. Danach ist es schlechterdings ausgeschlossen, die Nichtverfolgung selbständiger prozessualer Taten zuzusichern, die noch gar nicht bekannt, deshalb nicht bestimmbar sind und daher auch in ihrem Gewicht und Schuldgehalt nicht beurteilt werden können (vgl. dazu BGHSt 36, 210, 215). Den zur Prüfung des geltend gemachten Verfahrenshindernisses herangezogenen Strafakten ist zu entnehmen, daß der Geschädigte P. den Sachverhalt erst mit Schreiben vom 28. Februar 1997 anzeigte; das Urteil des Landgerichts München I war indessen schon am 14. Dezember 1995 ergangen. Daß die Strafkammer die von ihr zugrundegelegte Absprache, die den Fall P. aus den dargelegten Gründen nicht betreffen konnte, nunmehr bei der Aburteilung dieses Betruges zu Unrecht strafmildernd berücksichtigt hat, beschwert den Angeklagten nicht. 2. Auch die Sachrüge hat keinen Erfolg. Der Erörterung bedarf lediglich folgendes:
a) Das Landgericht hat hinsichtlich der Betrugstaten zum Nachteil der drei Unternehmensberater festgestellt: Der Angeklagte stellte die drei Geschädigten als freie Mitarbeiter ein, die im Rahmen des von ihm gesteuerten Unternehmens auf Provisionsbasis insbesondere im Bereich der Finanzierungsberatung tätig sein sollten. Für die ihnen in Aussicht gestellten Vorteile aus der geplanten Zusammenarbeit zahlten sie vorab vereinbarungsgemäß eine "Gebühr" in Höhe von jeweils 57.500 DM. Dazu waren die mit der Finanzierungsberatung nicht vertrauten Mitarbeiter nur bereit, weil der Angeklagte ihnen eine umfassende Schulung, Einarbeitung und Unterstützung versprach. Diese Ver-
sprechungen hielt der Angeklagte jedoch - wie von ihm von vornherein beabsichtigt - nicht ein. Ihm ging es lediglich darum, zur Linderung seiner finanziellen Schwierigkeiten die "Gebühr" zu vereinnahmen.
b) Die Revision weist zu den festgestellten Zusagen des Angeklagten mit Recht auf Bedenken gegen die Beweiswürdigung der Strafkammer hin. Der Angeklagte hatte in Abrede gestellt, den geschädigten Finanzberatern die Durchführung von Schulungen versprochen zu haben. Das Landgericht hat dies für widerlegt erachtet und in diesem Zusammenhang ausgeführt, die Verpflichtung zur Einarbeitung und Schulung habe der Angeklagte "im übrigen" dadurch anerkannt, daß er durch zahlreiche Beweisangebote versucht habe nachzuweisen, Schulungsabende hätten tatsächlich stattgefunden. Damit stellt das Landgericht ersichtlich auf Beweisanträge ab, die der Verteidiger des Angeklagten gestellt hatte. Beweisbehauptungen in Beweisanträgen des Verteidigers können indes nicht ohne weiteres als Einlassung des Angeklagten angesehen werden (vgl. BGH NStZ 1990, 447; BGH StV 1998, 59). Zudem hat die Strafkammer nicht bedacht, daß im Rahmen der Verteidigung hilfsweise auch das Durchführen nicht zugesagter Schulungen behauptet werden kann. Im Blick auf das Bestreiten der Zusage entsprechender Schulungen können daraus keine dem Angeklagten nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Der Senat schließt jedoch aus, daß das Urteil auf diesem Mangel beruht. Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, daß die Schulungszusagen des Angeklagten zur Überzeugung der Strafkammer bereits auf Grund der übereinstimmenden und für glaubhaft erachteten Aussagen der Geschädigten feststanden. Die "im übrigen" angestellte Hilfserwägung zu den Beweisanträgen ist erkennbar nur zur Bestätigung der bereits auf Grund anderweitiger Beweismittel für erwiesen erachteten Zusagen erfolgt.

c) Auch die Einwände der Revision gegen die Strafzumessung greifen nicht durch. Sie meint, die den Geschädigten gezahlten Beraterprovisionen hätten strafmildernd berücksichtigt werden müssen. Der Tatrichter ist jedoch nicht verpflichtet, sämtliche Strafzumessungserwägungen in den Urteilsgründen darzustellen; nur die bestimmenden Zumessungsgründe sind anzuführen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, daß die Geschädigten durch die Finanzierungsberatung nennenswerte Einkünfte in solchem Maße erzielt hätten, daß darin ein bestimmender strafmildernder Umstand hätte gesehen werden müssen. Eine Aufklärungsrüge, die zudem einen genauen Vortrag u.a. hinsichtlich der erbrachten Beratertätigkeit und der im einzelnen hierfür empfangenen Provisions- oder Honorarzahlungen erfordert hätte, hat die Revision nicht erhoben. Schäfer Granderath Nack Boetticher Schluckebier

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 247/12
vom
21. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung am 21. März 2013,
an der teilgenommen haben:
Präsident des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Tolksdorf
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 2. März 2012 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafen aus drei früheren Urteilen und Auflösung dort gebildeter Gesamtstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
2
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Der Angeklagte suchte am Morgen des 6. Mai 2009 einen Autohandel in Duisburg auf, um dessen Inhaber T. unter Verwendung eines Elektroschockgeräts zu berauben. Während vermeintlicher Verkaufsverhandlungen ging der Angeklagte auf den halb abgewandt stehenden T. zu und führte das eingeschaltete Elektroschockgerät in dessen Richtung. Da der Angegriffene sich wehrte, versetzte ihm der Angeklagte im Rahmen eines Kampfes schließlich Kniestöße ins Gesicht, die zu Frakturen des Nasenbeins sowie der Nasenhöhle führten und den Geschädigten kampfunfähig machten. Der Angeklagte entnahm sodann aus dessen Hosentaschen 3.600 €. Zudem nahm er die Jacke des Opfers an sich, in der sich ein Portemonnaie mit Bargeld befand.
4
Der Angeklagte hat sich zum Tatvorwurf nicht eingelassen. Zu seiner Täterschaft hat das Landgericht im Urteil ausgeführt, dass diese sich aus den DNA-Spuren ergebe, die an der Nylonschlaufe und der Batterie des vom Täter mitgebrachten Elektroschockgeräts sowie an einem vom Täter berührten Autoschlüssel festgestellt worden seien. Nach näherer Darstellung der jeweils acht untersuchten Merkmalsysteme hat die Strafkammer den Schluss gezogen, dass der Angeklagte der Spurenverursacher gewesen sei, da das für ihn bestimmte DNA-Identifizierungsmuster statistisch unter mehr als zehn Milliarden Personen kein zweites Mal vorkomme.
5
II. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedarf, dass das Landgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten allein auf die Übereinstimmung von DNA-Merkmalen gestützt hat.
6
Die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatgericht übertragen (§ 261 StPO), das sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden hat. Dazu kann es zu seiner Überzeugungsbildung auch allein ein Beweisanzeichen heranziehen (vgl. hinsichtlich Fingerabdrücken bereits BGH, Urteil vom 11. Juni 1952 - 3 StR 229/52, juris Rn. 4 ff.; zu Schriftsachverständigengutachten BGH, Beschluss vom 24. Juni 1982 - 4 StR 183/82, NJW 1982, 2882, 2883). Das Revisionsgericht ist demgegenüber auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder sich so weit von einer festen Tatsachengrundlage entfernt, dass die gezogenen Schlussfolgerungen sich letztlich als reine Vermutungen erweisen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 6. Dezember 2007 - 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146, 147 mwN; vom 26. Juli 1990 - 4 StR 301/90, BGHR StGB § 306 Beweiswürdigung 3 mwN). Dabei gehören von gesicherten Tatsachenfeststellungen ausgehende statistische Wahrscheinlichkeitsrechnungen zu den Mitteln der logischen Schlussfolgerung, welche dem Tatrichter grundsätzlich ebenso offenstehen wie andere mathematische Methoden (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1989 - 4 StR 419/89, BGHSt 36, 320, 325). Nach diesen Prüfungsmaßstäben ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden.
7
1. Die hier festgestellte Übereinstimmung zwischen den Allelen des Angeklagten und auf Tatortspuren festgestellten Allelen in den acht untersuchten Systemen bietet angesichts der statistischen Häufigkeit des beim Angeklagten gegebenen DNA-Identifizierungsmusters eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Überzeugungsbildung des Tatgerichts.
8
Dabei ist davon auszugehen, dass es sich bei der Merkmalswahrscheinlichkeit (oder Identitätswahrscheinlichkeit) lediglich um einen statistischen Wert handelt. Dieser gibt keine empirische Auskunft darüber, wie viele Menschen tatsächlich eine identische Merkmalkombination aufweisen, sondern sagt lediglich etwas dazu aus, mit welcher Wahrscheinlichkeit aufgrund statistischer, von einer beschränkten Datenbasis ausgehender Berechnungen zu erwarten ist, dass eine weitere Person die gleiche Merkmalkombination aufweist. Diese Wahrscheinlichkeit lässt sich für die Bewertung einer festgestellten Merkmalsübereinstimmung heranziehen. Je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass zufällig eine andere Person identische Merkmale aufweist, desto höher kann das Tatgericht den Beweiswert einer Übereinstimmung einordnen und sich - gegebenenfalls allein aufgrund der Übereinstimmung - von der Täterschaft überzeugen (vgl. einerseits BGH, Urteil vom 12. August 1992 - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 324: Wahrscheinlichkeit von 1 : 6.937 reicht allein zum Nachweis der Täterschaft nicht aus; andererseits BGH, Beschluss vom 21. Januar 2009 - 1 StR 722/08, NJW 2009, 1159: Seltenheitswert im Millionenbereich, im konkreten Fall 1 : 256 Billiarden, kann ausreichen; vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ 2012, 403, 404; zur Vaterschaftsfeststellung BGH, Urteil vom 12. Januar 1994 - XII ZR 155/92, NJW 1994, 1348, 1349).
9
Dass sich auch bei einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit (selbst im Milliarden - oder Billionenbereich) wegen der statistischen Herangehensweise die Spurenverursachung durch eine andere Person niemals völlig ausschließen lässt, hindert das Tatgericht nicht daran, seine Überzeugungsbildung gegebenenfalls allein auf die DNA-Spur zu stützen; denn eine mathematische, jede andere Möglichkeit ausschließende Gewissheit ist für die Überzeugungsbildung nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - VI ZR 132/10, juris Rn. 8; Urteil vom 20. September 2011 - 1 StR 120/11, NStZ-RR 2012, 72, 73 mwN). Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt. Ob sich das Tatgericht allein aufgrund einer Merkmalübereinstimmung mit einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit von der Täterschaft zu überzeugen vermag, ist mithin vorrangig - wie die Beweiswürdigung ansonsten auch - ihm selbst überlassen (vgl. allgemein zur Bewertung des Beweiswerts einer DNA-Analyse durch das Tatgericht BVerfG, Beschluss vom 18. September 1995 - 2 BvR 103/92, NJW 1996, 771, 773 mwN; weitergehend zum Beweiswert BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99 u.a., BVerfGE 103, 21, 32). Im Einzelfall kann es revisionsrechtlich sowohl hinzunehmen sein, dass sich das Tatgericht eine entsprechende Überzeugung bildet, als auch, dass es sich dazu aufgrund vernünftiger Zweifel nicht in der Lage sieht.
10
Dem stehen die Urteile des 5. Strafsenats vom 21. August 1990 (5 StR 145/90, BGHSt 37, 157, 159) und 12. August 1992 (5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 322 ff.) nicht entgegen. Zum einen gingen die Entscheidungen insbesondere hinsichtlich der Anzahl der (damals lediglich drei) untersuchten Merkmale und des Stands der Untersuchungsabläufe von anderen Grundlagen aus. Zum anderen ist ihnen kein allgemeiner Rechtssatz zu entnehmen, dass das Ergebnis einer DNA-Analyse niemals allein zur Überzeugungsbildung von der Täterschaft ausreichen könne. Vielmehr weisen die Urteile darauf hin, dass einem Analyseergebnis kein unumstößlicher Beweiswert zukomme, der eine Gesamtschau der gegebenenfalls weiter vorhandenen be- und entlastenden Indizien entbehrlich mache. Dass dem Tatgericht generell versagt ist, dem als bedeutsames Indiz zu wertenden Untersuchungsergebnis die maßgebliche oder alleinige Bedeutung bei der Überzeugungsbildung beizumessen, ergibt sich daraus nicht. Hiervon ist auch der Senat in einer früheren Entscheidung (BGH, Beschluss vom 6. März 2012 - 3 StR 41/12, BGHR StPO § 261 Identifizierung 21) nicht ausgegangen. Vielmehr hat er im Anschluss an die vorgenannte Rechtsprechung hervorgehoben, dass das Ergebnis eines DNAVergleichsgutachtens lediglich ein Indiz darstelle, das jedoch hinsichtlich der Spurenverursachung keinen zwingenden Schluss erlaube. Dies allein hindert indes das Tatgericht nicht, aus dem Ergebnis einen möglichen Schluss auf die Spurenverursachung und die Täterschaft zu ziehen.
11
2. Das Landgericht hat die Grundlagen zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit in einer Weise dargelegt, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Berechnung auf ihre Plausibilität ermöglicht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2012 - 3 StR 41/12, BGHR StPO § 261 Identifizierung 21 mwN). Dazu sind in den Urteilsgründen tabellarisch die acht untersuchten Merkmalsysteme und die Anzahl der Wiederholungen im Einzelnen aufgeführt worden. Der Senat sieht insofern - auch zur Klarstellung und Präzisierung seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. März 2012 - 3 StR 41/12, aaO; vom 3. Mai 2012 - 3 StR 46/12, BGHR StPO § 261 Identifizierung 23; vom 15. Mai 2012 - 3 StR 164/12) - Anlass zu dem Hinweis, dass eine solche umfangreiche Darstellung grundsätzlich nicht erforderlich ist.
12
Das Tatgericht hat in den Fällen, in dem es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und ob die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291, 296 f.; vom 21. September 2004 - 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326). Dabei dürfen die Anforderungen , welche das Tatgericht an das Gutachten zu stellen hat, nicht mit den sachlichrechtlichen Anforderungen an den Inhalt der Urteilsgründe gleichgesetzt werden. Mögliche Fehlerquellen sind nur zu erörtern, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gibt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92, aaO, 297 f.). Dies beeinträchtigt die Rechtsposition des Angeklagten nicht, da er etwaige Fehler des Sachverständigengutachtens sowohl in der Hauptverhandlung als auch mit der Verfahrensrüge im Revisionsverfahren geltend machen kann.
13
Danach reicht es für das Revisionsgericht zur Überprüfung, ob das Ergebnis einer auf einer DNA-Untersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung plausibel ist, im Regelfall aus, wenn das Tatgericht mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob diese unabhängig voneinander vererbbar sind (und mithin die Produktregel anwendbar ist), ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalkombination zu erwarten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ 2012, 403, 404; vom 7. November 2012 - 5 StR 517/12, NStZ 2013, 179; zu ggf. geringeren Anforderungen bei einer Vielzahl weiterer gewichtiger Indizien BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2012 - 1 StR 377/12, NStZ 2013, 179, 180). Sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ist zudem darzulegen, inwieweit dies bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war.
14
3. Die weitere Darstellung der Beweiswürdigung ist hier nicht lückenhaft, auch wenn die Urteilsgründe keine ausdrückliche Gesamtwürdigung aller beweiserheblichen Umstände enthalten. Zwar hat das Tatgericht zu beachten, dass die (durch eine DNA-Analyse ermittelte) hohe Wahrscheinlichkeit einer Spurenverursachung durch den Angeklagten eine Würdigung aller Beweisumstände gerade mit Blick auf die bloß statistische Aussagekraft nicht überflüssig macht (vgl. BGH, Urteile vom 27. Juli 1994 - 3 StR 225/94, NStZ 1994, 554, 555; vom 12. August 1992 - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 324; zur Vaterschaftsfeststellung BGH, Urteil vom 3. Mai 2006 - XII ZR 195/03, BGHZ 168, 79, 82 f.). Allerdings hängt das Maß der gebotenen Darlegung in den Urteilsgründen von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab; dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt (etwa BGH, Urteil vom 16. März 2004 - 5 StR 490/03, juris Rn. 11). Nach den konkreten Umständen sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, welche den Beweiswert der Merkmalübereinstim- mung schmälern oder allgemein gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechen könnten und daher in der Beweiswürdigung näher zu erörtern gewesen wären.
15
4. Schließlich hat das Landgericht den Zusammenhang zwischen den DNA-Spuren und der Tat ausreichend dargelegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ 2012, 403, 404; vom 23. Oktober 2012 - 1 StR 377/12, NStZ 2013, 179, 180).
PräsBGH Prof. Dr. Tolksdorf Pfister Schäfer ist urlaubsbedingt an der Unterschriftsleistung gehindert. Pfister Mayer Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 18/16
vom
12. April 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:120416B4STR18.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12. April 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 21. August 2015 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in 13 Fällen, davon in zwölf Fällen in Tateinheit mit Sachbeschädigung, versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls in 20 Fällen, davon in 13 Fällen in Tateinheit mit Sachbeschädigung und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis eins zu eins angerechnet. Seine gegen diese Verurteilung gerichtete Revision hat mit der allgemeinen Sachrüge Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen brach der in Albanien geborene Angeklagte teilweise zusammen mit dem bereits verurteilten Lu. und nicht ausschließbar unter Mitwirkung weiterer Täter in den frühen Morgenstunden des 23., 25., 26. und 27. August 2014 in 13 Fällen in N. , K. , W. , B. , Z. , O. u.a. in Wohnhäuser ein, indem er den Schließzylinder an der Eingangstür mit einem Rollgabelschlüssel abdrehte oder, falls dies nicht möglich war, die Eingangstür aufhebelte. In einigen Fällen gelangte der Angeklagte auch durch ein gekipptes Fenster in das Hausinnere. Anschließend entwendete er Bargeld, Mobiltelefone, Computer und andere Wertgegenstände. In drei Fällen (Taten II. 2, II. 13 und II. 15 der Urteilsgründe) brachte er auch Kraftfahrzeuge in seinen Besitz, deren Schlüssel er bei dem Einbruch vorgefunden hatte. In weiteren 20 Fällen kam es nicht zu einer Wegnahme von Gegenständen, weil es dem Angeklagten nicht gelang, die Hauseingangstür mit den vorhandenen Werkzeugen zu öffnen oder der Einbruch entdeckt wurde. Durch den Einsatz der Aufbruchswerkzeuge verursachte der Angeklagte in 25 Fällen Schäden an den Türen. In einem weiteren Fall entwendete er Wertgegenstände aus einem Wohnhaus, in das er durch eine offene Tür gelangt war.
3
Das Landgericht hat den Angeklagten unter anderem deshalb als über- führt angesehen („gewichtiges Indiz“), weil nach seiner Überzeugung an einem in 14 Fällen als Aufbruchswerkzeug verwendeten Rollgabelschlüssel, der am 27. August 2014 in dem bei der Tat II. 15 entwendeten Pkw aufgefunden werden konnte, „DNA-Material des Angeklagten festgestellt wurde“ (UA 25). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass aus dem Untersuchungsbericht der beim LKA Baden-Württemberg tätigen Diplom-Biologin Dr. Be. hervor- gehe, dass an diesem Rollgabelschlüssel zwei DNA-Mischspuren festgestellt worden seien. Eine dieser Spuren sei für eine Recherche in der DNA-AnalyseDatei geeignet gewesen. Daraufhin sei der Hauptspurenanteil zu einer solchen Recherche weitergeleitet worden. Ausweislich der nachfolgenden DNA-Recherche -Treffermeldung des LKA Baden-Württemberg sei dieser Spurenanteil bei der Recherche mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:38 Millionen einer im System bereits erfassten Person zugeordnet worden. Bei dieser Person habe es sich um den Angeklagten gehandelt. Als „mit entscheidendes Indiz“ (UA 26) komme hinzu, dass an einer bei der Tat II. 29 entwendeten und später aufgefundenen Geldbörse von der Firma L. eine DNA-Mischspur festgestellt worden sei. Ein direkter Abgleich mit dem DNA-Profil des Angeklagten habe erge- ben, dass „diese Person mit einer Wahrscheinlichkeitvon 1:20,6 Millionen als Mitverursacher der Spur festgestellt werden konnte“. Gewichtig für die Täter- schaft des Angeklagten spreche auch, dass in dem Pkw aus der Tat II. 15 neben dem Rollgabelschlüssel auch ein Kaffeebecher mit einer dem Angeklagten zuzuordnenden DNA-Spur aufgefunden werden konnte. Nach dem Untersuchungsbericht der Firma L. sei an dem Becher das vollständige DNA-Profil einer männlichen Person festgestellt worden. Dieses Profil habe nach einem direkten Abgleich mit den DNA-Profilen tatverdächtiger Personen mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:10 Milliarden dem Angeklagten zugeordnet werden können (UA 27).

II.


4
Dies genügt den Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung nicht. Denn das Tatgericht hat in den Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prü- fen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind. Für die Darstellung des Ergebnisses einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung ist danach erforderlich, dass der Tatrichter mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben, mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, inwieweit dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2015 – 4 StR 397/15, Rn. 4 zitiert nach juris; Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15; Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 1 StR 364/14, NStZ-RR 2015, 87, 88; Urteil vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454; Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212, 217).
5
Aus den Darlegungen der Strafkammer zu der DNA-Mischspur an dem Rollgabelschlüssel ergibt sich nicht, wie viele Systeme detektiert und schließlich untersucht werden konnten. Gleiches gilt für die Mischspur an der aufgefundenen Geldbörse. Auch lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben. Schließlich fehlt es auch an einer Darlegung, inwieweit die albanische Volkszugehörigkeit des Angeklagten bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war.
6
Da das Landgericht seine Überzeugung von der Spurenlegerschaft des Angeklagten hinsichtlich der drei Spuren allein auf das Ergebnis der DNAVergleichsuntersuchungen gestützt und dieser Spurenlegerschaft jeweils eine maßgebliche Indizwirkung („gewichtiges Indiz“, „mit entscheidendes Indiz“, „gewichtig für die Täterschaft spricht …“) beigemessen hat, kann der Senat auch ein Beruhen des Urteils auf diesem Darstellungsmangel nicht ausschließen.
Sost-Scheible Franke Mutzbauer
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR364/14
vom
22. Oktober 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Oktober 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. a) Auf die Revision des Angeklagten E. wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 11. März 2014, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
b) Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer als Schwurgericht des Landgerichts zurückverwiesen. 2. a) Die Revision des Angeklagten T. gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 11. März 2014 wird als unbegründet verworfen.
b) Der Angeklagte T. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem besonders schweren Raub und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Dagegen wenden sich die Revisionen der beiden Angeklagten. Während der Angeklagte E.
nur die Sachrüge erhebt, greift der Angeklagte T. das Urteil mit der Sach- und mit Verfahrensrügen an.
2
Nur das Rechtsmittel des Angeklagten E. hat Erfolg.

I.


3
Nach den Feststellungen des Landgerichts drangen die beiden Angeklagten am 20. August 2013 gegen 2.30 Uhr in die Wohnung des Nebenklägers ein, indem sie ein auf 2,77 Meter Höhe gelegenes gekipptes Küchenfenster mit einem Schraubendreher aufhebelten und mithilfe eines unbekannten Dritten in die Wohnung einstiegen. Im Flur der Wohnung stellten die Angeklagten fest, dass der Nebenkläger entgegen ihrer ursprünglichen Erwartung in der Wohnung anwesend war. Die Angeklagten beschlossen einvernehmlich, ihren ursprünglichen Tatplan, Wertgegenstände aus der Wohnung zu entwenden, weiterzuverfolgen und zu diesem Zwecke zunächst den Nebenkläger unschädlich zu machen. Einer der Angeklagten führte ein Messer mit 12 cm Klingenlänge mit sich. Der andere Angeklagte nahm den beim Einstieg umgefallenen Wasserkocher aus der Küche an sich. Derart bewaffnet begaben sich die Angeklagten in das Wohnzimmer. Der eine Angeklagte stach dem schlafenden Nebenkläger unter bewusster Ausnutzung von dessen Arg- und Wehrlosigkeit das Messer mit voller Wucht in den Unterbauch, wobei die Klinge am rechten Beckenkamm abbrach und im Körper des Nebenklägers stecken blieb. Anschließend schlugen die Angeklagten mit dem Wasserkocher bzw. mit Fäusten auf den Nebenkläger ein. Die Angeklagten handelten bei dem Stich und den Schlägen mit bedingtem Tötungsvorsatz. Der durch den Stich und die Schläge erwachte Nebenkläger versuchte vergeblich, sich zu wehren, und rief um Hilfe. Aufgrund dessen war den Angeklagten das Risiko, entdeckt zu werden, zu groß, und sie ergriffen die Flucht. Damit der Nebenkläger ihnen nicht folgte, schlug einer der Angeklagten noch mit einem Küchenstuhl auf den Nebenkläger ein, der hierdurch umknickte und sich das rechte Sprunggelenk brach. Die Angeklagten flohen durch die unverschlossene Wohnungstür, das Treppenhaus und die ebenfalls unverschlossene Haustür. Der Nebenkläger rief über sein Handy die Zeugen K. und To. an und schilderte diesen das Tatgeschehen. Diese informierten sodann die Polizei. Der Nebenkläger erlitt durch die Tat neben dem Bruch des Sprunggelenks eine 11 mm lange und bis zu 12 cm tiefe Stichverletzung im rechten Unterbauch sowie eine Nasenbeinfraktur und diverse Hautdefekte und Schürfmarken.

II.


4
1. Das Landgericht stützte seine Verurteilung bzgl. des Angeklagten E. unter anderem auf zwei DNA-Spuren am Einstiegsfenster. Bei einem ersten Datenbankabgleich im August 2013 mit einer Datenbank, in der Personen mit elf Merkmalssystemen einlagen, wurde der Angeklagte E. als einziger Treffer mit neun Übereinstimmungen festgestellt. Aufgrund dieser Tatsache äußerte der Sachverständige P. die Schätzung, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Übereinstimmung im oberen Millionen- oder unteren Milliardenbereich liege. Anschließend erfolgte eine Auftypisierung auf 16 Merkmalssysteme. Auf dieser Grundlage war eine Berechnung der Häufigkeit laut Sachverständigem aus „rein formalen Gründen“ nicht möglich, jedoch ergebesich eine noch weitergehende Übereinstimmung und damit eine Erhöhung der Häufigkeit. In der Spur 008001 seien von 16 Merkmalssystemen 14 mit beiden Werten des Angeklagten festgestellt worden und in dem Merkmalssystem SE33 ein Wert der DNA des Angeklagten feststellbar. Die Tatsache, dass hier nur ein Wert der DNA des Angeklagten feststellbar sei, sei der Grund dafür, dass keine Häufig- keitsberechnung stattfinden konnte. Dass in dem Merkmalssystem D18S51 kein Wert festgestellt werden konnte, liege im Erwartungsbereich, da hier die Nachweisempfindlichkeit sehr hoch sei. In der Spur 009001 seien in 13 Merkmalssystemen beide Werte der DNA des Angeklagten feststellbar gewesen, in den übrigen Merkmalssystemen (D18S51, FGA, SE33) jeweils ein Wert der DNA des Angeklagten. Ferner habe der Sachverständige für beide Spuren ausgeführt , dass es sich bei den hier festgestellten Werten der Merkmalssysteme D2S441, D1S1656 und D8S1179 um relativ seltene Merkmalskombinationen handele, die in der (mitteleuropäischen) Gesamtbevölkerung nur mit 0,47 %, 1,44 % bzw. 3,4 % vertreten seien.
5
2. Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
6
Das Urteil des Landgerichts leidet in der Beweiswürdigung an durchgreifenden Darlegungsmängeln.
7
Wenn das Tatgericht dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, hat es die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht überprüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, und ob die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen, den Erkenntnissen der Wissenschaft und den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens möglich sind (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 16. April 2013 - 3 StR 67/13, StV 2014, 587 f.; BGH, Urteil vom 21. März 2013 - 3 StR 247/12, NStZ 2013, 420, 422). Für die Überprüfung durch das Revisionsgericht, ob das Ergebnis einer auf einer DNA-Untersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung plausibel ist, bedeutet dies, dass das Tatgericht jedenfalls mitteilen muss, wie viele Systeme untersucht wurden, ob diese unabhängig voneinander vererbbar sind (und mithin die Produktregel anwendbar ist), ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist (BGH aaO, StV 2014, 587 f.).
8
Diesen Anforderungen an die Darstellung des der Überzeugungsbildung zugrunde gelegten Sachverständigengutachtens wird das angefochtene Urteil nicht in ausreichendem Maße gerecht. Vorliegend hätte das Tatgericht daher darlegen müssen, aus welchen Gründen genau eine Häufigkeitsberechnung durch den Sachverständigen „rein formal“ nicht möglich war und welche Anfor- derungen erfüllt sein müssen, damit eine solche Berechnung durchgeführt werden kann. Insbesondere lässt sich dem Urteil in Bezug auf die Wahrscheinlichkeitsberechnung nicht entnehmen, ob es sich bei den formalen Gründen, die nach Auskunft des Sachverständigen diese nicht zulassen, um solche handelt, die sich auf die Zuverlässigkeit einer Wahrscheinlichkeitsberechnung auf der Grundlage der untersuchten Merkmalssysteme auswirken. Aufgrund der Feststellungen des Tatgerichts ist es dem Revisionsgericht hier nicht möglich zu überprüfen, ob die Beweiswürdigung des Tatgerichts auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, mithin die Ausführungen zur Wahrscheinlichkeit plausibel sind.
9
Der Senat übersieht dabei nicht, dass es letztlich Aufgabe des Gerichts ist, sich eine eigene Überzeugung zu bilden. Die Ausführungen des Sachverständigen stellen hier jedoch die entscheidende Bewertungsgrundlage für die Überzeugungsbildung des Gerichts dar, so dass diese für das Revisionsgericht derart dargelegt werden müssen, dass dem Revisionsgericht eine Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung ermöglicht wird.

III.


10
Die Revision des Angeklagten T. wird aus den zutreffend von der Bundesanwaltschaft dargestellten Gründen verworfen. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung ergab keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten (§ 349 Abs. 2 StPO).
11
Eine Erstreckung der Entscheidung auf den Angeklagten T. gemäß § 357 StPO kam nicht in Betracht, da der unter II. beschriebene Mangel einer unzureichenden Darstellung ausschließlich den Angeklagten E. betraf. Bei der DNA-Spur des Angeklagten T. konnte von dem Sachverständigen eine Wahrscheinlichkeitsberechnung durchgeführt werden, die im Urteil auch ausreichend dargelegt wurde.
Raum Graf Jäger
Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 439/13
vom
5. Juni 2014
BGHSt: nein
BGHR: ja (nur III.)
Nachschlagewerk: ja (nur III.)
Veröffentlichung: ja (nur III.)
––––––––––––––––––––––––––-
Nach dem gegenwärtig erreichten wissenschaftlichen Stand der forensischen Molekulargenetik
sind zur Nachvollziehbarkeit der Wahrscheinlichkeitsberechnung bei
DNA-Vergleichsuntersuchungen, die keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung
aufweisen, im tatrichterlichen Urteil keine Ausführungen zur unabhängigen
Vererblichkeit der untersuchten Merkmalsysteme erforderlich (in Fortführung zu
BGHSt 58, 212).
BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13 - LG Neuruppin
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
8. Mai 2014 in der Sitzung vom 5. Juni 2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger in der Verhandlung am 8. Mai 2014,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 7. Mai 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft, dass die Schwurgerichtskammer den Angeklagten nicht auch wegen eines tateinheitlich begangenen versuchten Tötungsdelikts verurteilt hat. Das Rechtsmittel des Angeklagten wendet sich mit mehreren Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge gegen die Verurteilung. Während die Revision der Staatsanwaltschaft begründet ist, bleibt das Rechtsmittel des Angeklagten ohne Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen gelangte der Angeklagte am 22. Oktober 2012 gegen 20.40 Uhr auf dem Rückweg von einer Gaststätte zu seiner Wohnung an die Fußgängerbrücke, die östlich der Abfahrt B. die Bundesautobahn A 10 überquert. Leicht enthemmt durch den vorangegangenen Alkoholgenuss verspürte der Angeklagte Lust, die gusseisernen Abdeckroste der an beiden Enden der Brücke befindlichen Regenwassergullys auf die Fahrbahnen der Bundesautobahn zu werfen. Er hob die Roste, welche jeweils eine Größe von 44 x 44 cm, eine Höhe von 6 cm und ein Gewicht von jeweils 41,5 kg aufwiesen , aus den Rahmen der Schächte, trug sie auf die Brücke und ließ sie auf die in östlicher und westlicher Richtung führenden Fahrbahnen fallen. Zwar unterquerte in diesen Augenblicken kein Fahrzeug die Brücke, sodass nicht zu befürchten war, dass ein fahrendes Fahrzeug von den schweren Eisenrosten getroffen wird. Jedoch handelte der Angeklagte gleichwohl in der Absicht, Unglücksfälle herbeizuführen. Er rechnete damit und wollte auch, dass Fahrzeuge, die über die flach auf den Fahrbahnen liegenden Roste fuhren, erhebliche Schäden nehmen. Er dachte allerdings nicht daran, Unfälle mit tödlichem Ausgang herbeizuführen.
3
Während einer der Gullyroste auf dem rechten Fahrstreifen der nach Osten führenden Richtungsfahrbahn auftraf und vermutlich schon durch den Aufprall in mehrere Teile zerbrach, blieb der andere Rost unbeschädigt auf dem linken Fahrstreifen der Gegenfahrbahn liegen. Der Fahrzeugverkehr auf der Bundesautobahn, dessen Geschwindigkeit an dieser Stelle erst ab 21.00 Uhr auf 100 km/h für Pkws und 60 km/h für Lkws beschränkt ist, war durch die in der Dunkelheit nicht rechtzeitig sichtbaren Hindernisse erheblich gefährdet. Der auf der nach Osten führenden Fahrbahn liegende Rost oder dessen Trümmer- teile wurden von drei Pkws überrollt, was jeweils Schäden u.a. an der Bereifung der Fahrzeuge zur Folge hatte. Über den unzerbrochenen Abdeckrost auf der Gegenfahrbahn fuhren ebenfalls drei Pkws, wodurch bei zwei Fahrzeugen Reifen beschädigt wurden. Bei einem dieser Fahrzeuge platzte der rechte Vorderreifen , was dazu führte, dass der mit vier Personen besetzte Pkw auf den rechten Fahrstreifen der Fahrbahn schleuderte, ehe der Fahrer das Fahrzeug wieder unter Kontrolle bringen konnte und auf dem Standstreifen anhielt.

II.


4
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
5
1. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht den festgestellten Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht nicht umfassend gewürdigt hat. Die Schwurgerichtskammer ist zwar davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei seinem Tun „auch Personenschäden billigend in Kauf nahm“, hat es jedoch versäumt,eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung nach §§ 22, 224 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 StGB zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 – 4 StR 450/09, insoweit in NStZ-RR 2010, 373 nicht abgedruckt).
6
2. Die Ausführungen der Schwurgerichtskammer zur Verneinung eines bedingten Tötungsvorsatzes beim Angeklagten halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
7
a) Bedingter Tötungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fern liegende Folge seines Handelns erkennt (Wissens- element) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet (Willenselement). Beide Elemente des bedingten Vorsatzes müssen in jedem Einzelfall umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juli 2013 – 2 StR 139/13, StraFo 2013, 467; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702). Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalles erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2013 – 4 StR 364/13, StV 2014, 345, 346; Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183 Rn. 26), in welche insbesondere die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581, 582). Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau stellt die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung einen wesentlichen Indikator sowohl für das kognitive, als auch für das voluntative Vorsatzelement dar (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2013 – 4 StR 364/13, aaO, mwN; Urteile vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, aaO, vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444). Hat der Täter eine offensichtlich äußerst gefährliche Gewalthandlung begangen, liegt es – vorbehaltlich in die Gesamtbetrachtung einzustellender gegenläufiger Umstände im Einzelfall – nahe, dass er den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Tuns erkannt und, indem er gleichwohl sein gefährliches Handeln begonnen oder fortgesetzt hat, den Todeserfolg auch billigend in Kauf genommen hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 360/11, NStZ 2012, 207, 208 mwN).
8
b) Diesen Anforderungen werden die Erwägungen, mit denen das Landgericht das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes des Angeklagten verneint hat, nicht gerecht.
9
Es ist bereits zu besorgen, dass das Landgericht mit der Hervorhebung der „sehr hohen natürlichen Hemmschwelle“ bei der Tötung eines anderen Menschen diesem Gesichtspunkt eine Bedeutung beigemessen hat, die ihm nicht zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, aaO Rn. 31 ff.).
10
Die Ausführungen zur Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil lassen ferner nicht erkennen, ob die Schwurgerichtskammer es schon für nicht nachweisbar gehalten hat, dass der Angeklagte mit Gefahren für das Leben von Fahrzeuginsassen als Folge seines Tuns rechnete, oder sich nicht hat davon überzeugen können, dass der Angeklagte einen als möglich erkannten tödlichen Erfolg billigte oder sich zumindest um des erstrebten Zieles willen mit ihm abfand (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, aaO Rn. 27). Die erforderliche Gesamtschau aller in objektiver und subjektiver Hinsicht für das Tatgeschehen bedeutsamen Umstände hat das Landgericht weder zum kognitiven noch hinsichtlich des voluntativen Elements des bedingten Tötungsvorsatzes erkennbar vorgenommen. Soweit die Schwurgerichtskammer bei ihrer Beurteilung der von den Abdeckrosten oder ihren Trümmerteilen ausgehenden Gefahren für den Kraftfahrzeugverkehr maßgeblich darauf abgestellt hat, dass infolge des Überfahrens der Hindernisse tatsächlich keine Personenschäden eintraten, hat sie übersehen, dass aus der im konkreten Fall ausgebliebenen Realisierung einer Gefahr nicht ohne Weiteres auf das Ausmaß der Gefährdung geschlossen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, aaO). Auch die Höhe der an den Fahrzeugen jeweils entstan- denen Sachschäden ist für die Einschätzung der mit dem Überfahren der Hindernisse verbundenen Risiken für Leib und Leben der Fahrzeuginsassen ohne jede Aussagekraft. Das Landgericht hätte in diesem Zusammenhang vielmehr unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten – wie etwa der Blickrichtung des Angeklagten bei den Abwürfen, der Beschaffenheit der gusseisernen Abdeckroste und deren Trümmerteile, des Verkehrsaufkommens auf der Bundesautobahn zur Tatzeit, der unter der Fußgängerbrücke gefahrenen Geschwindigkeiten , der beim Überfahren der Hindernisse drohenden Schäden insbesondere an den Reifen der Fahrzeuge und deren zu erwartenden Auswirkungen auf das Fahrverhalten der Fahrzeuge – eine Bewertung der Gefahrenlage , die von der vom Angeklagten bewusst geschaffenen Situation ausging, vornehmen und sich mit der Frage befassen müssen, ob sich aus der Perspektive des Angeklagten für jedermann die Möglichkeit von in ihrem Verlauf weder vorhersehbaren noch beherrschbaren Unfallgeschehen mit unkalkulierbaren Folgen auch für das Leben von Fahrzeuginsassen aufgedrängt hätte. Hierbei wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass das Überfahren des unzerbrochenen Rostes in einem Fall bei dem betroffenen Fahrzeug zum Platzen des rechten Vorderreifens mit einem anschließenden Schleudervorgang vom linken auf den rechten Fahrstreifen der Fahrbahn der Bundesautobahn führte, welchen das Landgericht als „Beinahe-Unfall“ mit konkreter Gefahr für Leib oder Leben der vier Insassen gewertet hat. Insgesamt entbehrt die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe als Folge seines Handelns zwar nicht näher umschriebene Personenschäden, nicht aber den Tod von Menschen billigend in Kauf genommen, einer tragfähigen Begründung.

III.


11
Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
12
Die Darstellung der Ergebnisse des DNA-Vergleichsgutachtens im angefochtenen Urteil begegnet keinen sachlich-rechtlichen Bedenken.
13
1. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten „in erster Linie“ auf eine vom Landeskriminalamt durchgeführte vergleichende molekulargenetische Untersuchung von zwei jeweils an der Unterseite des unzerbrochenen Abdeckrostes gesicherten Abriebspuren gestützt. Zum Ergebnis des Gutachtens teilen die Urteilsgründe mit, dass das zelluläre Material aus den beiden Abriebspuren jeweils in allen 16 untersuchten PCR-Systemen mit dem DNA-Vergleichsmaterial vom Angeklagten übereinstimme , wobei die festgestellte Merkmalskombination in der deutschen Population nur ca. einmal unter 3,5 Quadrillionen Personen vorkomme. Zur getrennten Vererblichkeit der 16 untersuchten Merkmalsysteme verhalten sich die Urteilsausführungen nicht.
14
2. Diese Darstellung des DNA-Vergleichsgutachtens genügt den in sachlich -rechtlicher Hinsicht zu stellenden Anforderungen. Nach dem gegenwärtig erreichten wissenschaftlichen Stand der forensischen Molekulargenetik sind – abweichendvon der Bewertung in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – zur Nachvollziehbarkeit der Wahrscheinlichkeitsberechnung bei DNA-Vergleichsuntersuchungen, die keine Besonderheiten in der forensi- schen Fragestellung aufweisen, keine Ausführungen zur genetischen Unabhängigkeit der untersuchten Merkmalsysteme im tatrichterlichen Urteil erforderlich.
15
a) Das Tatgericht hat in den Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13, NStZ-RR 2014, 115, 116; Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212 Rn. 12; Beschluss vom 19. August 1993 – 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291, 296 f.). Dabei dürfen die Anforderungen, welche das Tatgericht an das Gutachten zu stellen hat, nicht mit den sachlich-rechtlichen Anforderungen an den Inhalt der Urteilsgründe gleichgesetzt werden. Mögliche Fehlerquellen sind nur zu erörtern, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gibt (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13, aaO; Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, aaO). Dies beeinträchtigt die Rechtsposition des Angeklagten nicht, da er etwaige Fehler des Sachverständigengutachtens sowohl in der Hauptverhandlung als auch mit der Verfahrensrüge im Revisionsverfahren geltend machen kann (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, aaO).
16
Für die Darstellung des Ergebnisses einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung ist danach in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für erforderlich gehalten worden, dass der Tatrichter mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob diese unabhängig voneinander vererbbar sind (und mithin die Pro- duktregel anwendbar ist), ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben, mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, inwieweit dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, aaO, Rn. 13 mwN auch zur früheren Rspr.; Beschlüsse vom 16. April 2013 – 3 StR 67/13; vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13, aaO). Soweit damit bislang stets ausdrückliche Ausführungen zur unabhängigen Vererbbarkeit der untersuchten Merkmalsysteme verlangt worden sind, hält der Senat hieran für die in der Praxis vorkommenden Regelfälle der DNA-Vergleichsuntersuchung , die keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen , nicht fest.
17
b) Der Senat hat zu der Frage, ob bei den Merkmalsystemen, die in Deutschland von Rechtsmedizinischen Instituten, den Landeskriminalämtern und vom Bundeskriminalamt bei der vergleichenden DNA-Untersuchung von Tatortspuren üblicherweise eingesetzt werden, nach dem Stand der forensischen DNA-Analytik gewährleistet ist, dass sie unabhängig voneinander vererbt werden, gutachterliche Stellungnahmen der Sachverständigen Prof. Dr. vom Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums und Privatdozentin Dr. vom Institut für Rechtsmedizin der Universität eingeholt. Unter Berücksichtigung der Ausführungen der beiden Sachverständigen in der Revisionshauptverhandlung ist von folgenden Gegebenheiten auszugehen :
18
aa) Die im Bereich der forensischen DNA-Analytik tätigen öffentlichen und privaten Einrichtungen orientieren sich bei der Auswahl der bei molekulargenetischen Vergleichsuntersuchungen zu verwendenden STR-Systeme an dem Format, das für die Einstellung von DNA-Identifizierungsmustern in die DNA-Analyse-Datei beim Bundeskriminalamt und den diesbezüglichen automatisierten Informationsaustausch innerhalb der Europäischen Union (vgl. Art. 2 ff. des Beschlusses 2008/615/JI des Rates vom 23. Juni 2008 zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität, ABl. L 210 vom 6. August 2008, S. 1; Art. 1 und 3 des Ausführungsgesetzes zum Prümer Vertrag und zum Ratsbeschluss Prüm, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 31. Juli 2009 zur Umsetzung des Beschlusses des Rates 2008/615/JI vom 23. Juni 2008, BGBl. I 2009, S. 2507) vorgesehen ist. Nach Errichtung der als Verbunddatei nach § 11 BKAG beim Bundeskriminalamt geführten DNAAnalyse -Datei im Jahr 1998 erstreckte sich die Speicherung in der Datei zunächst auf die Ergebnisse in den fünf STR-Systemen VWA, HUMTH01, SE33, D21S11 und FGA (FIBRA). Mit Entschließung des Rates vom 25. Juni 2001 über den Austausch von DNS-Analyseergebnissen (ABl. C 187 vom 3. Juli 2001, S. 1) wurde zur Erleichterung des Informationsaustauschs ein Europäischer Standardsatz (ESS) von DNA-Markern definiert, der – mit Ausnahme des Systems SE33 – die bis dahin für die DNA-Analyse-Datei beim Bundeskriminalamt herangezogenen Systeme und darüber hinaus die STR-Systeme D3S1358, D8S1179 und D18S51 umfasste. Durch die weitere Ratsentschließung vom 30. November 2009 (Entschließung des Rates vom 30. November 2009 über den Austausch von DNS-Analyseergebnissen, ABl. C 296 vom 5. Dezember 2009, S. 1) erfolgte die Erweiterung des Europäischen Standardsatzes (ESS) von sieben auf insgesamt zwölf Merkmalsysteme unter Einbeziehung der STRSysteme D1S1656, D2S441, D10S1248, D12S391 und D22S1045. Die Entschließungen des Rates vom 25. Juni 2001 und 30. November 2009 enthielten jeweils die Aufforderung an die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, bei der kriminaltechnischen DNA-Analyse zumindest die zum Europäischen Stan- dardsatz gehörenden DNA-Marker zu verwenden. Zur Umsetzung der im Rahmen der Europäischen Union beschlossenen Empfehlungen wurde auf der 167. Tagung der AG Kripo am 15./16. September 2010 durch die Kriminalämter des Bundes und der Länder festgelegt, für die in der DNA-Analyse-Datei beim Bundeskriminalamt zu speichernden DNA-Identifizierungsmuster die zwölf Merkmalsysteme des Europäischen Standardsatzes und zusätzlich das seit Errichtung der Datei berücksichtigte System SE33 heranzuziehen. Darüber hinaus sollen auch weitere routinemäßig untersuchte Merkmalsysteme obligatorisch in der DNA-Analyse-Datei gespeichert werden. Hierbei handelt es sich in der derzeitigen forensischen Praxis um drei STR-Systeme – D2S1338, D16S539 und D19S433 –, die in für die Untersuchungslabore kommerziell verfügbaren STR-Typisierungs-Kits mit enthalten sind, da sie in einer Reihe von europäischen Ländern in deren nationalen Datenbanken erfasst werden.
19
bb) Die bis zu 16 genannten Merkmalsysteme werden bei molekulargenetischen Vergleichsuntersuchungen ohne Besonderheiten in der forensischen Fragestellung routinemäßig eingesetzt. Zu den Regelfällen der DNA-Analyse gehört insbesondere die Vergleichsuntersuchung von an Gegenständen gesicherten unspezifischen Tatortspuren. Lediglich in speziellen Fallkonstellationen – z.B. bei Mischspuren von Mitspurenverursachern verschiedenen Geschlechts bei Sexualdelikten oder bei schlechtem Spurenmaterial in Fällen der Exhumierung – besteht aus forensischer Sicht die Notwendigkeit, ergänzende molekulargenetische Untersuchungen durchzuführen, bei denen über die 16 genannten Merkmale hinaus weitere autosomale Merkmalsysteme oder DNA-Marker, die auf den Geschlechtschromosomen des menschlichen Genoms lokalisiert sind, zur Anwendung kommen.
20
cc) Die Unabhängigkeit der Vererbung von Merkmalen als genetische Voraussetzung zur Anwendung der Produktregel ist seit vielen Jahrzehnten etabliert und bildet in Verbindung mit den Gesetzmäßigkeiten des HardyWeinberg -Gleichgewichts die Grundlage aller biostatistischen Berechnungen zur Wahrscheinlichkeit von DNA-Identifizierungsmustern, die sich aus den Merkmalen verschiedener Genorte zusammensetzen (vgl. Peter Schneider/ Anslinger/Eckert/Fimmers/Harald Schneider, NStZ 2013, 693, 694 f.). Die Unabhängigkeit der Vererblichkeit bei verschiedenen Merkmalsystemen hängt von deren Lokalisierung im menschlichen Genom ab. Genetische Merkmale, die auf verschiedenen Chromosomen des menschlichen Genoms liegen, werden unabhängig voneinander vererbt. Befinden sich zwei Genorte auf einem Chromosom , führt der Vorgang des chromosomalen Crossing-over bei der Entwicklung der Keimzellen dazu, dass die Allele der beiden Genorte auf einem elterlichen Chromosom getrennt werden können. Je nach Entfernung und Lage der Genorte auf dem Chromosom kann dies mit einer als Rekombinationsrate bezeichneten Wahrscheinlichkeit zwischen 0 % und 50 % geschehen. In einer Population , in der über mehrere Generationen eine ausreichend zufällige Partnerwahl stattgefunden hat, kann bei einer Rekombinationsrate von über 10 % zwischen zwei Genorten davon ausgegangen werden, dass das Vorkommen der Merkmale an beiden Genorten praktisch unabhängig ist, sodass die Multiplikation über die Merkmalshäufigkeiten an beiden Genorten nicht zu einer relevanten Abweichung führt (vgl. Peter Schneider/Anslinger/Eckert/Fimmers/Harald Schneider, aaO).
21
dd) Von den 16 routinemäßig bei der vergleichenden DNA-Untersuchung zur Anwendung kommenden Merkmalsystemen liegen die STR-Systeme D1S1656, D2S1338, D3S1358, FGA (FIBRA), SE33, D8S1179, D10S1248, HUMTH01, VWA, D16S539, D18S51, D19S433, D21S11 und D22S1045 auf jeweils unterschiedlichen Chromosomen des menschlichen Genoms und sind daher voneinander unabhängig vererbbar. Die Genorte der STRSysteme D2S441 und D12S391 befinden sich jeweils mit den Systemen D2S1338 bzw. VWA auf einem Chromosom. Zu den Kopplungsverhältnissen zwischen diesen jeweils auf einem Chromosom lokalisierten Merkmalsystemen existieren belastbare wissenschaftliche Daten aus drei Studien (B. Budowle, J. Ge, R. Chakraborty, A.J. Eisenberg, R. Green, J. Mulero, R.T. Lagace, L. Hennessy: Population genetic analyses of the NGM STR loci. Int. J. Legal Med., (2011), 125, 101-109; K. Lewis O’Connor, C.R. Hill, P.M. Vallone, J.M. Butler, Linkage disequilibrium analysis of D12S391 and vWA in U.S. population and paternity samples, and Corrigendum to: Linkage disequilibrium analysis of D12S391 and vWA in U.S. population and paternity samples. Forensic Sci. Int. Genet. (2011) 5, 538-540 und 541-542; C. Phillips, D. Ballard, P. Gill, D. Syndercombe Court, A. Carracedo, M.V. Lareu. The recombination landscape around forensic STRs: Accurate measurement of genetic distances between syntenic STR pairs using HapMap high density SNP data. Forensic Sci. Int. Genet. (2012) 6, 354-365). Danach liegen die STR-Systeme D2S1338 und D2S441 mit einem Abstand von über 100 Millionen Basenpaaren auf dem langen bzw. kurzen Arm des Chromosoms 2 und weisen eine Rekombinationsrate von 50 % auf. Die Genorte der STR-Systeme VWA und D12S391 befinden sich mit einem Abstand von 6,36 Millionen Basenpaaren auf dem kurzen Arm des Chromosoms 12, wobei in den vorhandenen wissenschaftlichen Studien eine mittlere Rekombinationsrate von 12 % ermittelt worden ist. Damit ist auch für diese jeweils auf einem Chromosom lokalisierten Markerpaare die genetische Unabhängigkeit der Merkmale gesichert.
22
c) Aus den Darlegungen der beiden Sachverständigen Prof. Dr. und Dr. ergeben sich für die in sachlich-rechtlicher Hinsicht zu stellenden Anforderungen an die Darstellung vergleichender molekulargenetischer Untersuchungen im tatrichterlichen Urteil die folgenden Konsequenzen:
23
Nach dem gegenwärtig erreichten wissenschaftlichen Stand der forensischen Molekulargenetik ist die Durchführung von DNA-Vergleichsuntersuchungen soweit vereinheitlicht, dass in den Regelfällen, die keine Besonderheiten in den forensischen Fragestellungen aufweisen, standardmäßig bis zu 16 der oben genannten STR-Systeme Anwendung finden, deren genetische Unabhängigkeit wissenschaftlich gesichert ist. In diesen Fällen bedarf es im tatrichterlichen Urteil keiner Ausführungen zur unabhängigen Vererblichkeit der Merkmalsysteme. Etwas anderes gilt für die Fälle der ergänzenden DNA-Analyse, in welchen andere autosomale Markersysteme oder geschlechtsgebunden vererbliche DNA-Merkmale in die Untersuchung mit einbezogen werden. In diesen Ausnahmekonstellationen, in denen die Unabhängigkeit der weiteren autosomalen STR-Systeme im Einzelfall gesondert geprüft und die Besonderheiten der geschlechtsgebundenen Vererbung berücksichtigt werden müssen, ist der Tatrichter gehalten, im Urteil hierzu nähere Ausführungen zu machen.
24
d) Die oben zitierten Entscheidungen des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs , denen der erkennende Senat in der Vergangenheit gefolgt ist, stehen der dargelegten Entscheidung nicht entgegen. Da der Senat auf der Grundlage des in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Maßstabs für die sachlich-rechtlichen Anforderungen an die Darstellung von Sachverständigengutachten im tatrichterlichen Urteil lediglich eine im Tatsächlichen abweichende Bewertung des wissenschaftlichen Stands der DNA- Analyse vorgenommen hat, fehlt es an einer eine Rechtsfrage betreffenden Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 GVG.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 247/12
vom
21. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung am 21. März 2013,
an der teilgenommen haben:
Präsident des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Tolksdorf
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 2. März 2012 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafen aus drei früheren Urteilen und Auflösung dort gebildeter Gesamtstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
2
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Der Angeklagte suchte am Morgen des 6. Mai 2009 einen Autohandel in Duisburg auf, um dessen Inhaber T. unter Verwendung eines Elektroschockgeräts zu berauben. Während vermeintlicher Verkaufsverhandlungen ging der Angeklagte auf den halb abgewandt stehenden T. zu und führte das eingeschaltete Elektroschockgerät in dessen Richtung. Da der Angegriffene sich wehrte, versetzte ihm der Angeklagte im Rahmen eines Kampfes schließlich Kniestöße ins Gesicht, die zu Frakturen des Nasenbeins sowie der Nasenhöhle führten und den Geschädigten kampfunfähig machten. Der Angeklagte entnahm sodann aus dessen Hosentaschen 3.600 €. Zudem nahm er die Jacke des Opfers an sich, in der sich ein Portemonnaie mit Bargeld befand.
4
Der Angeklagte hat sich zum Tatvorwurf nicht eingelassen. Zu seiner Täterschaft hat das Landgericht im Urteil ausgeführt, dass diese sich aus den DNA-Spuren ergebe, die an der Nylonschlaufe und der Batterie des vom Täter mitgebrachten Elektroschockgeräts sowie an einem vom Täter berührten Autoschlüssel festgestellt worden seien. Nach näherer Darstellung der jeweils acht untersuchten Merkmalsysteme hat die Strafkammer den Schluss gezogen, dass der Angeklagte der Spurenverursacher gewesen sei, da das für ihn bestimmte DNA-Identifizierungsmuster statistisch unter mehr als zehn Milliarden Personen kein zweites Mal vorkomme.
5
II. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedarf, dass das Landgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten allein auf die Übereinstimmung von DNA-Merkmalen gestützt hat.
6
Die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatgericht übertragen (§ 261 StPO), das sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden hat. Dazu kann es zu seiner Überzeugungsbildung auch allein ein Beweisanzeichen heranziehen (vgl. hinsichtlich Fingerabdrücken bereits BGH, Urteil vom 11. Juni 1952 - 3 StR 229/52, juris Rn. 4 ff.; zu Schriftsachverständigengutachten BGH, Beschluss vom 24. Juni 1982 - 4 StR 183/82, NJW 1982, 2882, 2883). Das Revisionsgericht ist demgegenüber auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder sich so weit von einer festen Tatsachengrundlage entfernt, dass die gezogenen Schlussfolgerungen sich letztlich als reine Vermutungen erweisen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 6. Dezember 2007 - 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146, 147 mwN; vom 26. Juli 1990 - 4 StR 301/90, BGHR StGB § 306 Beweiswürdigung 3 mwN). Dabei gehören von gesicherten Tatsachenfeststellungen ausgehende statistische Wahrscheinlichkeitsrechnungen zu den Mitteln der logischen Schlussfolgerung, welche dem Tatrichter grundsätzlich ebenso offenstehen wie andere mathematische Methoden (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1989 - 4 StR 419/89, BGHSt 36, 320, 325). Nach diesen Prüfungsmaßstäben ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden.
7
1. Die hier festgestellte Übereinstimmung zwischen den Allelen des Angeklagten und auf Tatortspuren festgestellten Allelen in den acht untersuchten Systemen bietet angesichts der statistischen Häufigkeit des beim Angeklagten gegebenen DNA-Identifizierungsmusters eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Überzeugungsbildung des Tatgerichts.
8
Dabei ist davon auszugehen, dass es sich bei der Merkmalswahrscheinlichkeit (oder Identitätswahrscheinlichkeit) lediglich um einen statistischen Wert handelt. Dieser gibt keine empirische Auskunft darüber, wie viele Menschen tatsächlich eine identische Merkmalkombination aufweisen, sondern sagt lediglich etwas dazu aus, mit welcher Wahrscheinlichkeit aufgrund statistischer, von einer beschränkten Datenbasis ausgehender Berechnungen zu erwarten ist, dass eine weitere Person die gleiche Merkmalkombination aufweist. Diese Wahrscheinlichkeit lässt sich für die Bewertung einer festgestellten Merkmalsübereinstimmung heranziehen. Je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass zufällig eine andere Person identische Merkmale aufweist, desto höher kann das Tatgericht den Beweiswert einer Übereinstimmung einordnen und sich - gegebenenfalls allein aufgrund der Übereinstimmung - von der Täterschaft überzeugen (vgl. einerseits BGH, Urteil vom 12. August 1992 - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 324: Wahrscheinlichkeit von 1 : 6.937 reicht allein zum Nachweis der Täterschaft nicht aus; andererseits BGH, Beschluss vom 21. Januar 2009 - 1 StR 722/08, NJW 2009, 1159: Seltenheitswert im Millionenbereich, im konkreten Fall 1 : 256 Billiarden, kann ausreichen; vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ 2012, 403, 404; zur Vaterschaftsfeststellung BGH, Urteil vom 12. Januar 1994 - XII ZR 155/92, NJW 1994, 1348, 1349).
9
Dass sich auch bei einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit (selbst im Milliarden - oder Billionenbereich) wegen der statistischen Herangehensweise die Spurenverursachung durch eine andere Person niemals völlig ausschließen lässt, hindert das Tatgericht nicht daran, seine Überzeugungsbildung gegebenenfalls allein auf die DNA-Spur zu stützen; denn eine mathematische, jede andere Möglichkeit ausschließende Gewissheit ist für die Überzeugungsbildung nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - VI ZR 132/10, juris Rn. 8; Urteil vom 20. September 2011 - 1 StR 120/11, NStZ-RR 2012, 72, 73 mwN). Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt. Ob sich das Tatgericht allein aufgrund einer Merkmalübereinstimmung mit einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit von der Täterschaft zu überzeugen vermag, ist mithin vorrangig - wie die Beweiswürdigung ansonsten auch - ihm selbst überlassen (vgl. allgemein zur Bewertung des Beweiswerts einer DNA-Analyse durch das Tatgericht BVerfG, Beschluss vom 18. September 1995 - 2 BvR 103/92, NJW 1996, 771, 773 mwN; weitergehend zum Beweiswert BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99 u.a., BVerfGE 103, 21, 32). Im Einzelfall kann es revisionsrechtlich sowohl hinzunehmen sein, dass sich das Tatgericht eine entsprechende Überzeugung bildet, als auch, dass es sich dazu aufgrund vernünftiger Zweifel nicht in der Lage sieht.
10
Dem stehen die Urteile des 5. Strafsenats vom 21. August 1990 (5 StR 145/90, BGHSt 37, 157, 159) und 12. August 1992 (5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 322 ff.) nicht entgegen. Zum einen gingen die Entscheidungen insbesondere hinsichtlich der Anzahl der (damals lediglich drei) untersuchten Merkmale und des Stands der Untersuchungsabläufe von anderen Grundlagen aus. Zum anderen ist ihnen kein allgemeiner Rechtssatz zu entnehmen, dass das Ergebnis einer DNA-Analyse niemals allein zur Überzeugungsbildung von der Täterschaft ausreichen könne. Vielmehr weisen die Urteile darauf hin, dass einem Analyseergebnis kein unumstößlicher Beweiswert zukomme, der eine Gesamtschau der gegebenenfalls weiter vorhandenen be- und entlastenden Indizien entbehrlich mache. Dass dem Tatgericht generell versagt ist, dem als bedeutsames Indiz zu wertenden Untersuchungsergebnis die maßgebliche oder alleinige Bedeutung bei der Überzeugungsbildung beizumessen, ergibt sich daraus nicht. Hiervon ist auch der Senat in einer früheren Entscheidung (BGH, Beschluss vom 6. März 2012 - 3 StR 41/12, BGHR StPO § 261 Identifizierung 21) nicht ausgegangen. Vielmehr hat er im Anschluss an die vorgenannte Rechtsprechung hervorgehoben, dass das Ergebnis eines DNAVergleichsgutachtens lediglich ein Indiz darstelle, das jedoch hinsichtlich der Spurenverursachung keinen zwingenden Schluss erlaube. Dies allein hindert indes das Tatgericht nicht, aus dem Ergebnis einen möglichen Schluss auf die Spurenverursachung und die Täterschaft zu ziehen.
11
2. Das Landgericht hat die Grundlagen zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit in einer Weise dargelegt, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Berechnung auf ihre Plausibilität ermöglicht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2012 - 3 StR 41/12, BGHR StPO § 261 Identifizierung 21 mwN). Dazu sind in den Urteilsgründen tabellarisch die acht untersuchten Merkmalsysteme und die Anzahl der Wiederholungen im Einzelnen aufgeführt worden. Der Senat sieht insofern - auch zur Klarstellung und Präzisierung seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. März 2012 - 3 StR 41/12, aaO; vom 3. Mai 2012 - 3 StR 46/12, BGHR StPO § 261 Identifizierung 23; vom 15. Mai 2012 - 3 StR 164/12) - Anlass zu dem Hinweis, dass eine solche umfangreiche Darstellung grundsätzlich nicht erforderlich ist.
12
Das Tatgericht hat in den Fällen, in dem es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und ob die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291, 296 f.; vom 21. September 2004 - 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326). Dabei dürfen die Anforderungen , welche das Tatgericht an das Gutachten zu stellen hat, nicht mit den sachlichrechtlichen Anforderungen an den Inhalt der Urteilsgründe gleichgesetzt werden. Mögliche Fehlerquellen sind nur zu erörtern, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gibt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92, aaO, 297 f.). Dies beeinträchtigt die Rechtsposition des Angeklagten nicht, da er etwaige Fehler des Sachverständigengutachtens sowohl in der Hauptverhandlung als auch mit der Verfahrensrüge im Revisionsverfahren geltend machen kann.
13
Danach reicht es für das Revisionsgericht zur Überprüfung, ob das Ergebnis einer auf einer DNA-Untersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung plausibel ist, im Regelfall aus, wenn das Tatgericht mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob diese unabhängig voneinander vererbbar sind (und mithin die Produktregel anwendbar ist), ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalkombination zu erwarten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ 2012, 403, 404; vom 7. November 2012 - 5 StR 517/12, NStZ 2013, 179; zu ggf. geringeren Anforderungen bei einer Vielzahl weiterer gewichtiger Indizien BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2012 - 1 StR 377/12, NStZ 2013, 179, 180). Sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ist zudem darzulegen, inwieweit dies bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war.
14
3. Die weitere Darstellung der Beweiswürdigung ist hier nicht lückenhaft, auch wenn die Urteilsgründe keine ausdrückliche Gesamtwürdigung aller beweiserheblichen Umstände enthalten. Zwar hat das Tatgericht zu beachten, dass die (durch eine DNA-Analyse ermittelte) hohe Wahrscheinlichkeit einer Spurenverursachung durch den Angeklagten eine Würdigung aller Beweisumstände gerade mit Blick auf die bloß statistische Aussagekraft nicht überflüssig macht (vgl. BGH, Urteile vom 27. Juli 1994 - 3 StR 225/94, NStZ 1994, 554, 555; vom 12. August 1992 - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 324; zur Vaterschaftsfeststellung BGH, Urteil vom 3. Mai 2006 - XII ZR 195/03, BGHZ 168, 79, 82 f.). Allerdings hängt das Maß der gebotenen Darlegung in den Urteilsgründen von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab; dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt (etwa BGH, Urteil vom 16. März 2004 - 5 StR 490/03, juris Rn. 11). Nach den konkreten Umständen sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, welche den Beweiswert der Merkmalübereinstim- mung schmälern oder allgemein gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechen könnten und daher in der Beweiswürdigung näher zu erörtern gewesen wären.
15
4. Schließlich hat das Landgericht den Zusammenhang zwischen den DNA-Spuren und der Tat ausreichend dargelegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ 2012, 403, 404; vom 23. Oktober 2012 - 1 StR 377/12, NStZ 2013, 179, 180).
PräsBGH Prof. Dr. Tolksdorf Pfister Schäfer ist urlaubsbedingt an der Unterschriftsleistung gehindert. Pfister Mayer Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 112/14
vom
24. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes
ECLI:DE:BGH:2016:240316U2STR112.14.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlungen vom 12. August 2015, 7. Oktober 2015 und 8. Dezember 2015, in der Sitzung am 24. März 2016, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Prof. Dr. Krehl, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Dr. Bartel,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in allen Verhandlungen, Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung am 24. März 2016 als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in allen Verhandlungen als Verteidiger,
Justizangestellte in der Verhandlung am 12. August 2015, Justizhauptsekretärin in der Verhandlung am 7. Oktober 2015, Justizangestellte in der Verhandlung am 8. Dezember 2015 und in der Verkündung am 24. März 2016 als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 26. September 2013 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und entschieden, dass die in Spanien erlittene Untersuchungshaft im Verhältnis 1: 1 anzurechnen sei. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

A.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts überfiel der Angeklagte am 23. Juli 2010 zusammen mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter und einer unbekannt gebliebenen Mittäterin ein Schmuckgeschäft in der Innenstadt von B. . Die beiden Mittäter, welche den kleinen Ladenraum zuerst betraten, täuschten gegenüber der Verkäuferin G. zunächst vor, ein Schmuckstück betrachten zu wollen. Als die Verkäuferin eine Vitrine geöffnet hatte, hielt ihr der männliche Mittäter eine möglicherweise nicht echte und nicht geladene Pistole an den Kopf und zwang sie, sich niederzuknien. In diesem Moment betrat der Angeklagte den Laden, schloss die Tür und fesselte die Verkäuferin mit Kabelbindern. Außerdem wurde ihr der Mund mit Klebeband verschlossen. Die Täter entnahmen den Vitrinen Schmuckstücke im Wert von 125.000 Euro und flohen.

II.

3
1. Der insgesamt zehn Minuten dauernde Überfall wurde von einer im Laden angebrachten Videokamera aufgezeichnet. An der Eingangstür des Ladens wurde zudem eine DNA-Mischspur gesichert, die in Bezug auf 8 STRSysteme untersucht wurde. Ein europaweiter Vergleich ergab einen Datenbanktreffer bei der spanischen Polizei, der dem Angeklagten zuzuordnen war. Dieser hatte mehrere Jahre in Spanien gelebt und war dort im Jahr 2009 erkennungsdienstlich behandelt worden.
4
2. Der Angeklagte hat eine Beteiligung an der Tat bestritten und sich dahin eingelassen, er sei noch nie in B. gewesen. Zwei von ihm vorgetragene Alibi-Behauptungen sind vom Landgericht als widerlegt angesehen worden.

5
Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten vor allem auf die tatrelevante DNA-Spur gestützt, die „mit einer Wahr- scheinlichkeit von 1 zu 300 Trilliarden“ vom Angeklagten stamme, womit es sich um eine Individualspur handle, die wie ein Fingerabdruck einmalig auf der Welt sei (UA S. 9). Insoweit hat das Landgericht nicht auf den spanischen Datenbanktreffer abgestellt, sondern beim Landeskriminalamt Düsseldorf ein ergänzendes Gutachten in Auftrag gegeben, welches einen direkten Vergleich der gesicherten DNA-Spur mit einer dem Angeklagten am 21. März 2013 entnommenen DNA-Probe vorgenommen und dabei die standardmäßig untersuchten 16 STR-Systeme (SE33, D21S11, VWA, [HUM]THO1, FIBRA, D3S1358, D8S1179, D18S51, D1S1656, D2S441, D10S1248, D12S391, D22S1045, D16S539, D2S1338, D19S433) berücksichtigt hat. Auf Grundlage der vom Landeskriminalamt Düsseldorf mitgeteilten Häufigkeitsverteilung der betreffenden Allele hat das Landgericht unter Anwendung der Produktregel einen Seltenheitswert von 1: 300 Trilliarden errechnet und dies als Gesamtwahrscheinlich- keit dafür angesehen, „dass der Angeklagte der Spurenleger an der Eingangs- tür und damit der Mittäter des Raubüberfalls ist“ (UA S. 11). Weiter hat es eine Vergleichsrechnung für die kaukasisch-amerikanische Ethnie anhand einer Internetdatenbank vorgenommen, die zu einem noch höheren Seltenheitswert geführt hat.
6
In diesem Zusammenhang hat das Landgericht ausgeführt, dass solche Wahrscheinlichkeitsrechnungen in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zuletzt „angezweifelt“ worden seien, es diese Zweifel aber für unberechtigt hal- te. Insbesondere die Zweifel, die an der Anwendung der Produktregel geäußert worden seien, seien „nicht nachvollziehbar“, da eine Korrelationder einzelnen Merkmale ausgeschlossen sei (UA S. 13).
7
Weiter sei es problematisch, wenn der Bundesgerichtshof ethnische Minderheiten als Sonderfall ansehe, der bei der Berechnung zu berücksichtigen sei; dies gelte insbesondere dann, wenn dabei auf eine „fehlende genetische Durchmischung“ dieser zudem nicht eindeutig identifizierbaren Minderheiten abgestellt werde (UA S. 17).
8
Darauf komme es aber nicht an, da bei dem berechneten Seltenheitswert die „Einmaligkeit“ der DNA-Spur gegeben sei. „Nicht nachvollziehbar“ sei dage- gen die Ansicht des 1. Strafsenats (Beschluss vom 21. Januar 2009 - 1 StR 722/08, NStZ 2009, 285), wonach (schon) ein „Seltenheitswert im Millionenbe- reich“ zur individuellen Zurechnung einer Spur ausreiche (UAS. 18). Maßstab hierfür könne im Grundsatz nur die Größe der Weltbevölkerung sein, sofern im Einzelfall nicht Besonderheiten vorlägen.
9
Schließlich werde das Ergebnis der Wahrscheinlichkeitsrechnung auch nicht dadurch beeinflusst, dass es sich um einen Datenbanktreffer gehandelt habe. Die entgegenstehende Ansicht der gemeinsamen Kommission rechtsmedizinischer und kriminaltechnischer Institute, der sog. Spurenkommission (vgl. Peter Schneider et. al., Rechtsmedizin 2010, 111; gekürzte Fassung in NStZ 2010, 433) sei schon deswegen „nicht akzeptabel“, weil sie das Ergebnis der Wahrscheinlichkeitsrechnung lediglich „subjektiv“ als ein Instrument der richterlichen Entscheidungshilfe und nicht „objektiv“ als biologische Tatsache ansehe. Die subjektive Interpretation sei durch die Tradition der „Vaterschaftsbeurteilungen“ geprägt, bei denen auf Grundlage des Theorems von Bayes eine Irrtumswahrscheinlichkeit errechnet worden sei. Dieser Ansatz spiele aber dann keine Rolle, wenn man den errechneten statistischen Wert als Aussage über eine biologische Realität ansehe. Bei der allgemein akzeptierten Identifizierung anhand von Fingerabdrücken werde ebenfalls keine Wahrscheinlichkeitsberechnung durchgeführt. Vor diesem Hintergrund sei ein Verzicht auf das Bayes’sche Theorem auch nicht unwissenschaftlich. Im Übrigen komme dieses nicht ohne Bestimmung einer Anfangswahrscheinlichkeit aus, welche sich im Strafverfahren nach dem Grad des Tatverdachts vor der DNA-Untersuchung richte und im vorliegenden Fall mit 0% anzusetzen wäre.
10
3. Im Übrigen hat das Landgericht die Verurteilung des Angeklagten auf die Auswertung der Videoaufzeichnung der Tat und einer Wiedererkennung aufgrund Personenähnlichkeit gestützt.

III.

11
Die ungewöhnlich detaillierten, zum Teil in wissenschaftstheoretische Bereiche abschweifenden und für nicht mit allen Einzelheiten vertraute Leser schwer verständlichen Darlegungen des Landgerichts zur Wahrscheinlichkeitsberechnung bei DNA-Untersuchungen und die damit verbundene Kritik an der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat der Senat zum Anlass genommen, selbst zwei Sachverständigengutachten zur Beurteilung der vom Landgericht aufgeworfenen Fragen einzuholen und anhand dieser die Anforderungen an die Darstellung vergleichender molekulargenetischer Untersuchungen im tatrichterlichen Urteil zu konkretisieren und präzisieren.

B.

12
Die Revision des Angeklagten bleibt erfolglos.

I.

13
Die Verfahrensrügen sind aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen unzulässig, soweit die Verletzung von § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO gerügt wird, und im Übrigen jedenfalls unbegründet.

II.

14
Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken.
15
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (§ 261 StPO). In welchem Umfang der Tatrichter seine Überzeugungsbildung in den Urteilsgründen mitzuteilen hat, hängt dabei von den Gegebenheiten des jeweiligen Falls ab. Die Urteilsgründe müssen jedoch erkennen lassen, dass die Würdigung der Beweise auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung nach den Maßstäben rationaler Argumentation ermöglicht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 2. Juli 2015 – 4 StR 509/14 juris Rn. 8; Senat, Beschluss vom 16. Juni 2015 – 2 StR 29/15 juris Rn. 26; BGH, Beschluss vom 24. Februar 2015 – 4 StR 11/15 juris Rn. 5; Urteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NJW 2014, 2132, 2133, jeweils mwN). Dabei gehören von gesicherten Tatsachenfeststellungen ausgehende statistische Wahrscheinlichkeitsrechnungen - wie sie bei DNAVergleichsgutachten vorgenommen werden - zu den Mitteln der logischen Schlussfolgerung, welche dem Tatrichter grundsätzlich ebenso offenstehen wie andere mathematische Methoden (BGH, Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212, 214 mwN).
16
2. Daran gemessen und unter Berücksichtigung der Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. S. , Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln, und Dr. F. , Institut für Medizinische Biometrie, Informatik und Epidemiologie der Universität Bonn, hält die Berechnung der Trefferwahrscheinlichkeit als auch die Würdigung des Ergebnisses rechtlicher Nachprüfung stand.
17
a) Das Landgericht hat die (Gesamt-)Häufigkeit des festgestellten DNAIdentifizierungsmusters unter Anwendung der Produktregel aus den Häufigkeitsverteilungen (Allelfrequenzen) der untersuchten 16 STR-Systeme berechnet und als Bezugspopulation die mitteleuropäische Bevölkerung gewählt. Gegen diese Berechnungsweise ist von Rechts wegen nichts zu erinnern.
18
aa) Zu Recht hat das Landgericht die Produktregel angewandt. Zwar wurden in der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, gegen die sich insoweit die Kritik des Landgerichts richtet, grundsätzlich ausdrückliche Ausführungen zur unabhängigen Vererbbarkeit der untersuchten Merkmalsysteme als Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Produktregel verlangt. Inzwischen hat der 4. Strafsenat in seinem Urteil vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, NStZ 2014, 477 mit Anmerkung Allgayer) nach sachverständiger Beratung entschieden, dass die in den Regelfällen - und auch hier - standardmäßig untersuchten 16 STR-Systeme nach dem gegenwärtig erreichten wissenschaftlichen Stand voneinander unabhängig vererbt werden und es daher, soweit kei- ne forensischen Besonderheiten vorliegen, im tatrichterlichen Urteil keinerlei Ausführungen hierzu mehr bedarf. Dem schließt sich der Senat an.
19
bb) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht bei dieser Berechnung auf die Häufigkeitsverteilungen innerhalb der mitteleuropäischen Bevölkerung abgestellt.
20
(1) Stützt das Tatgericht seine nach § 261 StPO gewonnene Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auf das Ergebnis einer im Zusammenhang mit der Übereinstimmung von DNA-Identifizierungsmustern vorgenommenen Wahrscheinlichkeitsberechnung, wird – sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört – in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt , dass der Tatrichter in den Urteilsgründen darlegt, inwieweit dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. Mai 2015 – 4 StR 555/14, NJW 2015, 2594, 2597; Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15; Urteile vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454, 2455 und vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212, 217). Die dahinterstehende Frage, welche Bedeutung die fremde Ethnie eines Tatverdächtigen für die Auswahl der Vergleichspopulation überhaupt haben kann, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bislang noch nicht vollständig geklärt (vgl. aber BGH, Beschluss vom 20. Mai 2015 – 4 StR 555/14, NJW 2015, 2594, 2597).
21
(2) Insoweit ist nach den Ausführungen der beiden Sachverständigen von folgenden tatsächlichen Gegebenheiten auszugehen:
22
(a) Durch Studien wissenschaftlich belegt, bestehen zwischen den Populationen auf kontinentaler Ebene (z. Bsp. Europäer, Afrikaner, Ostasiaten) deutlich messbare Unterschiede bei den Allelfrequenzen. Innerhalb der kontinentalen Regionen bestehen ebenfalls Unterschiede, die jedoch umso kleiner wer- den, je geringer der genetische Abstand ist. Nach aktuellem wissenschaftlichem Stand ist insbesondere davon auszugehen, dass die Allelfrequenzen innerhalb Europas sehr ähnlich sind. Unabhängig davon sind bei einer Untersuchung von mehr als 10 bis 12 STR-Systemen Trefferwahrscheinlichkeiten im Milliardenbereich und höher zu erwarten, bei denen eine Unterscheidung in Bezug auf die ethnische Herkunft nicht mehr von Bedeutung ist (vgl. auch Peter Schneider /Anslinger/Eckert/Fimmers/Harald Schneider, NStZ 2013, 693, 696 mwN).
23
Eine einzelfallbezogene Berechnung mit klarem Populationsbezug bleibt aber auch dann bei Tatortspuren nötig, bei denen mehr als eine Person als Spurenleger angenommen werden muss (sog. Mischspuren), sowie in Fällen, in denen eine Verwandtschaft zwischen möglichen spurenbeteiligten Personen angenommen werden muss, da sich insoweit ein geringerer Beweiswert ergeben kann. In dem seltenen und weitgehend akademischen Sonderfall, dass der Spurenleger allein aus einer ganz bestimmten, durch geographische, soziale oder kulturelle Randbedingungen definierten Bevölkerungsgruppe („Inselpopu- lation“) kommen kann,können Korrekturfaktoren verwendet werden, die den Grad der genetischen Verwandtschaft innerhalb dieser Gruppe wiederspiegeln (vgl. auch Peter Schneider/Anslinger/Eckert/Fimmers/Harald Schneider aaO; Baur/Fimmers/Peter Schneider, StV 2010, 175 f.).
24
(b) Bei der Untersuchung einer biologischen Tatortspur ist für den damit beauftragten Sachverständigen zunächst nicht erkennbar, ob der unbekannte Spurenleger der am Tatort lebenden Mehrheitsbevölkerung oder einer anderen Bevölkerungsgruppe angehört. Soweit seitens der beauftragenden Behörde oder des beauftragenden Gerichts keine Einschränkungen im Hinblick auf die Herkunft des Spurenverursachers gemacht werden, können vom Sachverständigen bei der biostatischen Berechnung daher nur die Allelfrequenzen der Mehrheitsbevölkerung verwendet werden. Sofern ein Tatverdächtiger bekannt wird, dessen genetische Merkmale mit der Spur übereinstimmen, der aber einer fremden Ethnie angehört, kann auch eine Berechnung anhand der ggf. abweichenden Häufigkeitsverteilung innerhalb dieser Ethnie erfolgen. Eine solche Berechnung würde aber auf der Annahme beruhen, dass allein Personen aus der Herkunftsbevölkerung des Tatverdächtigen als Spurenverursacher in Betracht kommen; sie wäre aus sachverständiger Sicht nur dann zu rechtfertigen, wenn Mitglieder anderer Bevölkerungsgruppen als Spurenleger ersichtlich nicht in Betracht kämen. Dessen ungeachtet kann es in solchen Fällen sinnvoll und angemessen sein, dass der Sachverständige beide Berechnungen durchführt und im Gutachten mitteilt, so dass das Gericht einen etwaigen unterschiedlichen Beweiswert erkennen kann.
25
(3) Dies bedeutet für die sachlich-rechtlichen Anforderungen an die Darstellung im tatrichterlichen Urteil - die mit den Anforderungen, welche das Tatgericht an das Gutachten zu stellen hat, nicht identisch sind (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454 f. mwN) - folgendes:
26
Allein der Umstand, dass der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, führt noch nicht dazu, dass das Tatgericht bei der Würdigung des Gutachtens die Herkunftspopulation des Angeklagten zu Grunde zu legen hätte. Wie der 4. Strafsenat entschieden hat (Beschluss vom 20. Mai 2015 – 4 StR 555/14, NJW 2015, 2594, 2597) ist es vielmehr nicht zu beanstanden, wenn auch in diesen Fällen die am Tatort lebende Mehrheitsbevölkerung als Vergleichspopulation herangezogen wird, sofern es keine konkreten Anhaltspunkte für einen aus derselben Herkunftsethnie wie der Angeklagte stammenden Alternativtäter gibt (so auch Peter Schneider/Anslinger/Eckert/Fimmers/Harald Schneider aaO; aA ohne nähere Begründung Neuhaus/Artkämper, Kriminaltechnik und Beweisführung im Strafverfahren, Rn. 252; Neuhaus, StV 2013, 137; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 9. Aufl., Rn. 1908). Dem schließt sich der Senat an. Eine andere Vorgehensweise würde zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Einschränkung des Kreises möglicher Spurenverursacher führen, zu dem auch der Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht zwingt. Denn der Zweifelssatz bedeutet nicht, dass von der dem Angeklagten jeweils (denkbar) günstigsten Fallgestaltung auch dann auszugehen ist, wenn hierfür keine Anhaltspunkte bestehen. Unterstellungen zugunsten eines Angeklagten sind vielmehr nur dann rechtsfehlerfrei , wenn der Tatrichter hierfür reale Anknüpfungspunkte hat (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 20. Mai 2009 – 2 StR 576/08, NStZ 2009, 630, 631 mwN).
27
Soweit sich in der Beweisaufnahme dagegen konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Tatverdächtige allein in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe zu finden ist, hat der Tatrichter im Urteil das Ergebnis der Berechnung anhand dieser Population mitzuteilen und sich damit auseinanderzusetzen; dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen weniger als 12 STR-Systeme untersucht wurden und in denen mehr als eine Person als Spurenleger oder in denen eine Verwandtschaft zwischen möglichen spurenbeteiligten Personen angenommen werden muss.
28
(4) Nachdem der Senat anhand des aktuellen Stands der Wissenschaft lediglich die in der bisherigen Rechtsprechung bislang offengelassenen Maßstäbe konkretisiert, inwieweit eine fremde Ethnie des Angeklagten bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung sein kann, liegt keine Divergenz in einer Rechtsfrage im Sinne des § 132 Abs. 2 GVG vor.
29
b) Die Argumentation des Landgerichts, wonach bei „objektiver“ Betrachtung das Ergebnis der Wahrscheinlichkeitsrechnung als biologische Tatsache zu verstehen und deshalb von der Einmaligkeit der Spur auszugehen sei, die eine Wahrscheinlichkeit von 1 zu 300 Trilliarden dafür begründe, dass der Angeklagte der Spurenleger sei, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Dies gefährdet angesichts des hohen Beweiswerts der fraglichen DNA-Spur den Bestand des Urteils aber im Ergebnis nicht.
30
aa) Die Anforderungen, die gemäß § 261 StPO an die Überzeugungsbildung des Tatrichters zu stellen sind, werden nicht von - tatsächlich oder vermeintlich - unterschiedlichen wissenschaftlichen Konzepten bestimmt; maßgeblich ist allein, dass die Beweiswürdigung auf einer rationalen, verstandesmäßig einsichtigen und intersubjektiv diskutierbaren Grundlage beruht. Kann eine Feststellung nur mit Hilfe naturwissenschaftlicher Mittel getroffen werden, ist der Tatrichter zwar nicht gezwungen, sich insoweit nur auf allgemein anerkannte Methoden zu stützen. Die tatrichterliche Würdigung darf allerdings den Gesetzen der Logik und dem gesicherten wissenschaftlichen Erfahrungswissen nicht widersprechen (vgl. nur Senat, Urteil vom 2. August 1995 – 2 StR 221/94, NStZ 1995, 590, 592; KK-StPO/Ott, 7. Aufl., § 261 Rn. 3, jew. mwN). Soweit maßgeblich auf biostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnungen abgestellt wird, sind daher die zu Grunde liegenden mathematischen Denkgesetze zu beachten; dazu gehört gerade auch das vom Landgericht kritisierte Bayes-Theorem, das den logisch korrekten Umgang mit Unsicherheiten beschreibt (vgl. Bender/ Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Aufl., Rn. 644 ff.; Nack, MDR 1986, 366; Biedermann/Vuille, Kriminalistik 2014, 169).
31
bb) Daran gemessen vermag der Senat dem Ansatz des Landgerichts nicht zu folgen.
32
(1) Soweit das Landgericht von einer „Einmaligkeit“ des DNA-Profils ausgeht , handelt es sich ersichtlich um eine Schlussfolgerung aus der von ihm errechneten Populationshäufigkeit des Profils; in der Sache besteht danach gerade kein Unterschied zur Daktyloskopie, soweit dort das Einmaligkeitsaxiom ebenfalls mit statistischen Berechnungen begründet wird (vgl. Oppermann, Der daktyloskopische Identitätsnachweis, S. 72 ff.; Artkämper/Artkämper, StRR 2012, 216). Der Schluss auf die „Einmaligkeit“ des DNA-Identifizierungsmusters ist angesichts der errechneten Populationshäufigkeit des Profils zwar zulässig und naheliegend, aber in Bezug auf den vermeintlich „objektiven“ Ansatz des Landgerichts ohne argumentatives Gewicht. Entsprechendes gilt, soweit das Landgericht in diesem statistisch errechneten Wert eine Aussage über die „bio- logische Realität“ sieht (UA S. 20).Zwar ist es nicht ausgeschlossen, die errechnete Häufigkeit eines DNA-Profils unter bestimmten Prämissen auch als bloße Beschreibung einer biologischen Tatsache zu verstehen. Allerdings ist dieser Ansatz geeignet, den Blick auf die Fehlerquellen zu verstellen, die sich aus den zu Grunde liegenden mathematischen und empirischen Annahmen ergeben und die bei geringeren Verbreitungswahrscheinlichkeiten durchaus relevant werden können (vgl. für den Bereich der Daktyloskopie Biedermann /Vuille, Kriminalistik 2014, 169; de Vries, StRR 2013, 417).
33
(2) Das Landgericht beschränkt sich zudem gerade nicht auf die Berechnung der Populationshäufigkeit des Profils, sondern kommt auch zum Ergebnis, dass der Angeklagte „mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:300 Trilliarden“ der Spurenleger sei (UA S. 9, 11). Eine solche Berechnung der Belastungswahrscheinlichkeit ist nicht ohne Weiteres zulässig. Die vom Landgericht im Ansatz zutreffend berechnete Populationshäufigkeit entspricht bei einem normalen molekulargenetischen Spurenvergleich der Identitätswahrscheinlichkeit für eine zufällige Übereinstimmung einer beliebigen Person mit einer Spur („match probability“ ); diese ist aber formal-logisch nicht per se identisch mit der umgekehrten Wahrscheinlichkeit, dass die Spur vom Angeklagten stammt. Diese Belastungswahrscheinlichkeit hängt von der bestehenden Anfangswahrscheinlichkeit ab und kann mathematisch korrekt nur unter Verwendung des Bayes’schen Theorems berechnet werden (vgl. schon BGH, Urteil vom 12. August 1992 – 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 323).
34
Dessen Anwendung führt nicht zu einer Mathematisierung der Beweiswürdigung , sondern ergibt sich aus der Notwendigkeit, innerhalb mathematischer Wahrscheinlichkeitsberechnungen die systemimmanenten Denkgesetze einzuhalten. Diese können zur Vermeidung von logischen Fehlschlüssen nicht unter Hinweis auf einen angeblich „objektiven“ Ansatz ignoriert werden (vgl. Biedermann/Vuille, Kriminalistik 2014, 169; Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Aufl., Rn. 644 ff.; Nack, MDR 1986, 366).
35
(3) Die Berücksichtigung des Bayes’schen Theorems erfordert in diesem Zusammenhang nicht, dass der Tatrichter etwa die Stärke eines Tatverdachts genau quantifizieren und entsprechende Wahrscheinlichkeitsberechnungen anstellen müsste. Dies ist weder möglich noch nötig (vgl. Bender/Nack/Treuer aaO Rn. 620 f.; 645 f.). Der Tatrichter muss sich aber bewusst sein, dass der Sachverständige regelmäßig mit einer „neutralen“ Vorinformationen nicht be- rücksichtigenden Anfangswahrscheinlichkeit von 50% rechnet und daher das Gutachten nur eine Aussage über den abstrakten Beweiswert der jeweiligen Spur zulässt (vgl. schon BGH aaO; Baur/Fimmers/Schneider StV 2010, 175, 176).
36
cc) Der Bestand des Urteils wird durch die im Wesentlichen theoretischen Ausführungen des Landgerichts nicht gefährdet, denn die fragliche DNASpur stellt unabhängig davon ein äußerst gewichtiges Indiz dar, das zusammen mit den anderen festgestellten Beweisanzeichen die Beweiswürdigung des Landgerichts trägt.
37
(1) Das Landgericht hat den Beweiswert der DNA-Spur im Ergebnis nicht verkannt. Zwar sind seine Ausführungen - worauf der Sachverständige Prof. Dr. S. zu Recht hingewiesen hat - unklar, soweit das Merkmalssystem D3S1358 betroffen ist. Denn ohne die Mitteilung der Rohdaten ließ sich hier nicht beurteilen, ob eine Mischspur vorlag, deren Bewertung anderen Regeln folgen müsste. Der Senat versteht aber - in Einklang mit dem Sachverständigen - diese Ausführungen dahin, dass nur in diesem einen System die für eine Berechnung als Einzelpersonenspur notwendigen Voraussetzungen nicht vorlagen (vgl. Peter Schneider/Fimmers/Harald Schneider/Brinkmann, NStZ 2007, 477). Wie der Sachverständige Prof.Dr. S. aufgezeigt hat, würde das Weglassen dieses Ergebnisses die berechnete Trefferwahrscheinlichkeit zwar um den Faktor 9,93 erhöhen. Dies stellt aber angesichts der ansonsten zutreffenden Werte und der errechneten Gesamthäufigkeit hier den Schluss, dass der Angeklagte der Spurenverursacher war, nicht in Frage.
38
(2) Dass einer DNA-Spur mit einer Trefferwahrscheinlichkeit von der hier im Raum stehenden Größenordnung ein hoher Indizwert beizumessen ist, ist entgegen der Auffassung des Landgerichts in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nie grundsätzlich in Zweifel gezogen worden. Danach gilt: Je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass zufällig eine andere Person identische Merkmale aufweist, desto höher kann das Tatgericht den Beweiswert einer Übereinstimmung einordnen und sich - gegebenenfalls allein aufgrund der Übereinstimmung - von der Täterschaft überzeugen (BGH, Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212, 214 mwN). Soweit in der Rechtsprechung auf den statistischen Charakter der Wahrscheinlichkeitsberechnungen hingewiesen wird, ist dies regelmäßig als allgemeiner Hinweis an den Tatrichter zu interpretieren, mögliche Fehlerquellen und die Notwendigkeit einer Gesamtwürdigung nicht aus den Augen zu verlieren (vgl. BGH aaO).
39
(3) Vor dem Hintergrund der vom Landgericht errechneten Identitätswahrscheinlichkeit kommt auch der Anfangswahrscheinlichkeit keine entscheidenden Rolle mehr zu. Denn deren Einfluss auf das Endergebnis ist umso geringer , je größer die Beweiskraft des fraglichen Indizes ist (vgl. hierzu Bender/ Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Aufl., Rn. 681). Bei Wahrscheinlichkeiten im Milliardenbereich und höher, wie sie bei einer Untersuchung anhand von 16 STR-Systemen auftreten können, wirkt sich auch eine sehr geringe Anfangswahrscheinlichkeit kaum noch signifikant aus (vgl. Baur/Fimmers/Peter Schneider, StV 2010, 175 f.; Bender/Nack/Treuer aaO Rn. 628). Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang ausführt, die Anfangswahrscheinlichkeit sei mit 0% anzusetzen, ist dies allerdings unzutreffend, denn dies würde bedeuten, dass man den Tatverdächtigen von vornherein als Täter völlig ausschließt und kein noch so beweiskräftiges Indiz daran etwas ändern könnte.
40
c) Auch die Nichtbeachtung des Umstandes, dass (zunächst) ein Datenbanktreffer vorlag, begründet hier keinen Rechtsfehler.
41
aa) Hintergrund der vom Landgericht kritisierten Empfehlungen der Spurenkommission ist die bei einem reinen Datenbanktreffer unter Umständen be- stehende erhöhte Gefahr eines „Zufallstreffers“. Diese ergibt sich daraus, dass in diesen Fällen - anders als bei dem Abgleich einer Spur mit dem Muster eines Tatverdächtigen - ein Abgleich einer Spur mit einer Datenbank erfolgt, in der eine Vielzahl von Personen erfasst sind; so sind in der beim Bundeskriminalamt eingerichteten DNA-Analyse-Datei (DAD) aktuell etwa 850.000 Personen erfasst. Die erhöhte Gefahr eines Zufallstreffers wird allerdings nur bei häufig vorkommenden DNA-Profilen relevant; so etwa, wenn von einer Spur nur ein Teilprofil gesichert werden konnte oder bei Datensätzen aus der Anfangszeit der DAD, die nur für 5 bis 8 STR-Systeme analysiert wurden. In diesem Fall steigt mit der Größe der Datenbank die Wahrscheinlichkeit, zufällig „jemand Passenden“ zu finden.Bei seltenen Identifizierungsmustern, die sich bei der Berücksichtigung von 16 STR-Systemen ergeben, spielt die Problematik hingegen keine Rolle. Aus diesen Überlegungen wird aus wissenschaftlicher Sicht zutreffend empfohlen, jedenfalls bei einer DAD-Recherche mit Teilprofilen von weniger als 12 vollständig typisierten Systemen neben der Häufigkeit des Profils auch die Wahrscheinlichkeit für einen solchen zufälligen Datenbanktreffer unter Berücksichtigung der Größe der Datenbank zu berechnen und dies im Gutachten mitzuteilen (vgl. Peter Schneider et. al., Rechtsmedizin 2010, 111 ff., gekürzte Fassung in NStZ 2010, 433 ff.; aA Taroni et. al., Rechtsmedizin 2011, 55 ff.; Erwiderung von Fimmers/Harald Schneider/Baur/Peter Schneider aaO 57 ff.). Nur unter Berücksichtigung dieser Information nämlich kann die Beweiskraft des Datenbanktreffers und auch die Gefahr beurteilt werden, dass der „wahre“ Spurenleger möglicherweise gar nicht in der Datenbank erfasst war. Die dagegen gerichteten Einwände des Landgerichts überzeugen nicht (vgl. oben B.II.2.b).
42
bb) Mit derartigen Fehlerquellen muss sich der Tatrichter allerdings nur dann auseinandersetzen, wenn der Fall dazu Anlass bietet. Angesichts des Umstands, dass das Landgericht hier nicht auf den ursprünglichen Datenbanktreffer , sondern einen späteren Einzelvergleich unter Berücksichtigung von 16 STR-Systemen abgestellt hat, ergibt sich daraus im vorliegenden Fall kein durchgreifender Erörterungsmangel.
43
d) Der Senat hat unter Berücksichtigung der Ausführungen des Landgerichts erwogen, ob mit Blick auf die fehlende empirische Überprüfbarkeit von Zahlenwerten in der hier errechneten Größenordnung eine Obergrenze für die Angabe der Trefferwahrscheinlichkeit sinnvoll ist. Hierzu gibt es verschiedene Vorschläge seitens der Wissenschaft, die je nach Anzahl der untersuchten Merkmalssysteme Obergrenzen im Bereich von 1 in 1 Milliarde bis 1 in 30 Milliarden befürworten (vgl. etwa Biedermann/Vuille, Kriminalistik 2014, 169).
44
Unabhängig von der Frage, ob eine solche Obergrenze aus wissenschaftlicher Sicht sinnvoll ist, hat der Senat hier nur über die aus revisionsrechtlicher Sicht zu stellenden Anforderungen an die Urteilsgründe zu entscheiden ; diese sind nicht mit den Anforderungen identisch, welche das Tatgericht an das Gutachten des Sachverständigen zu stellen hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454 f. mwN). Die insoweit zu stellenden sachlich-rechtlichen Anforderungen sind aber unabhängig von der Höhe einer solchen letztlich durch Konvention festgelegten Obergrenze im Milliardenbereich , die ersichtlich weniger durch statistische als durch pragmatische Überlegungen begründet ist. Ob sich das Tatgericht - gegebenenfalls allein - aufgrund einer Merkmalübereinstimmung mit einer solchen Wahrscheinlichkeit von der Täterschaft zu überzeugen vermag, ist ihm aber - wie die Beweiswürdigung ansonsten auch (§ 261 StPO) - vorrangig selbst überlassen (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212, 215 mwN). Ein vom Revisionsgericht zu berücksichtigender Rechtsfehler ergibt sich aus der Berücksichtigung einer solchen, nach den dargestellten Maßstäben zutreffend berechneten Wahrscheinlichkeit nicht. Fischer Appl RiBGH Prof. Dr. Krehl ist an der Unterschrift gehindert. Fischer Ott Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 439/13
vom
5. Juni 2014
BGHSt: nein
BGHR: ja (nur III.)
Nachschlagewerk: ja (nur III.)
Veröffentlichung: ja (nur III.)
––––––––––––––––––––––––––-
Nach dem gegenwärtig erreichten wissenschaftlichen Stand der forensischen Molekulargenetik
sind zur Nachvollziehbarkeit der Wahrscheinlichkeitsberechnung bei
DNA-Vergleichsuntersuchungen, die keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung
aufweisen, im tatrichterlichen Urteil keine Ausführungen zur unabhängigen
Vererblichkeit der untersuchten Merkmalsysteme erforderlich (in Fortführung zu
BGHSt 58, 212).
BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13 - LG Neuruppin
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
8. Mai 2014 in der Sitzung vom 5. Juni 2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger in der Verhandlung am 8. Mai 2014,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 7. Mai 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft, dass die Schwurgerichtskammer den Angeklagten nicht auch wegen eines tateinheitlich begangenen versuchten Tötungsdelikts verurteilt hat. Das Rechtsmittel des Angeklagten wendet sich mit mehreren Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge gegen die Verurteilung. Während die Revision der Staatsanwaltschaft begründet ist, bleibt das Rechtsmittel des Angeklagten ohne Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen gelangte der Angeklagte am 22. Oktober 2012 gegen 20.40 Uhr auf dem Rückweg von einer Gaststätte zu seiner Wohnung an die Fußgängerbrücke, die östlich der Abfahrt B. die Bundesautobahn A 10 überquert. Leicht enthemmt durch den vorangegangenen Alkoholgenuss verspürte der Angeklagte Lust, die gusseisernen Abdeckroste der an beiden Enden der Brücke befindlichen Regenwassergullys auf die Fahrbahnen der Bundesautobahn zu werfen. Er hob die Roste, welche jeweils eine Größe von 44 x 44 cm, eine Höhe von 6 cm und ein Gewicht von jeweils 41,5 kg aufwiesen , aus den Rahmen der Schächte, trug sie auf die Brücke und ließ sie auf die in östlicher und westlicher Richtung führenden Fahrbahnen fallen. Zwar unterquerte in diesen Augenblicken kein Fahrzeug die Brücke, sodass nicht zu befürchten war, dass ein fahrendes Fahrzeug von den schweren Eisenrosten getroffen wird. Jedoch handelte der Angeklagte gleichwohl in der Absicht, Unglücksfälle herbeizuführen. Er rechnete damit und wollte auch, dass Fahrzeuge, die über die flach auf den Fahrbahnen liegenden Roste fuhren, erhebliche Schäden nehmen. Er dachte allerdings nicht daran, Unfälle mit tödlichem Ausgang herbeizuführen.
3
Während einer der Gullyroste auf dem rechten Fahrstreifen der nach Osten führenden Richtungsfahrbahn auftraf und vermutlich schon durch den Aufprall in mehrere Teile zerbrach, blieb der andere Rost unbeschädigt auf dem linken Fahrstreifen der Gegenfahrbahn liegen. Der Fahrzeugverkehr auf der Bundesautobahn, dessen Geschwindigkeit an dieser Stelle erst ab 21.00 Uhr auf 100 km/h für Pkws und 60 km/h für Lkws beschränkt ist, war durch die in der Dunkelheit nicht rechtzeitig sichtbaren Hindernisse erheblich gefährdet. Der auf der nach Osten führenden Fahrbahn liegende Rost oder dessen Trümmer- teile wurden von drei Pkws überrollt, was jeweils Schäden u.a. an der Bereifung der Fahrzeuge zur Folge hatte. Über den unzerbrochenen Abdeckrost auf der Gegenfahrbahn fuhren ebenfalls drei Pkws, wodurch bei zwei Fahrzeugen Reifen beschädigt wurden. Bei einem dieser Fahrzeuge platzte der rechte Vorderreifen , was dazu führte, dass der mit vier Personen besetzte Pkw auf den rechten Fahrstreifen der Fahrbahn schleuderte, ehe der Fahrer das Fahrzeug wieder unter Kontrolle bringen konnte und auf dem Standstreifen anhielt.

II.


4
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
5
1. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht den festgestellten Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht nicht umfassend gewürdigt hat. Die Schwurgerichtskammer ist zwar davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei seinem Tun „auch Personenschäden billigend in Kauf nahm“, hat es jedoch versäumt,eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung nach §§ 22, 224 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 StGB zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 – 4 StR 450/09, insoweit in NStZ-RR 2010, 373 nicht abgedruckt).
6
2. Die Ausführungen der Schwurgerichtskammer zur Verneinung eines bedingten Tötungsvorsatzes beim Angeklagten halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
7
a) Bedingter Tötungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fern liegende Folge seines Handelns erkennt (Wissens- element) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet (Willenselement). Beide Elemente des bedingten Vorsatzes müssen in jedem Einzelfall umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juli 2013 – 2 StR 139/13, StraFo 2013, 467; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702). Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalles erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2013 – 4 StR 364/13, StV 2014, 345, 346; Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183 Rn. 26), in welche insbesondere die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581, 582). Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau stellt die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung einen wesentlichen Indikator sowohl für das kognitive, als auch für das voluntative Vorsatzelement dar (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2013 – 4 StR 364/13, aaO, mwN; Urteile vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, aaO, vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444). Hat der Täter eine offensichtlich äußerst gefährliche Gewalthandlung begangen, liegt es – vorbehaltlich in die Gesamtbetrachtung einzustellender gegenläufiger Umstände im Einzelfall – nahe, dass er den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Tuns erkannt und, indem er gleichwohl sein gefährliches Handeln begonnen oder fortgesetzt hat, den Todeserfolg auch billigend in Kauf genommen hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 360/11, NStZ 2012, 207, 208 mwN).
8
b) Diesen Anforderungen werden die Erwägungen, mit denen das Landgericht das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes des Angeklagten verneint hat, nicht gerecht.
9
Es ist bereits zu besorgen, dass das Landgericht mit der Hervorhebung der „sehr hohen natürlichen Hemmschwelle“ bei der Tötung eines anderen Menschen diesem Gesichtspunkt eine Bedeutung beigemessen hat, die ihm nicht zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, aaO Rn. 31 ff.).
10
Die Ausführungen zur Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil lassen ferner nicht erkennen, ob die Schwurgerichtskammer es schon für nicht nachweisbar gehalten hat, dass der Angeklagte mit Gefahren für das Leben von Fahrzeuginsassen als Folge seines Tuns rechnete, oder sich nicht hat davon überzeugen können, dass der Angeklagte einen als möglich erkannten tödlichen Erfolg billigte oder sich zumindest um des erstrebten Zieles willen mit ihm abfand (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, aaO Rn. 27). Die erforderliche Gesamtschau aller in objektiver und subjektiver Hinsicht für das Tatgeschehen bedeutsamen Umstände hat das Landgericht weder zum kognitiven noch hinsichtlich des voluntativen Elements des bedingten Tötungsvorsatzes erkennbar vorgenommen. Soweit die Schwurgerichtskammer bei ihrer Beurteilung der von den Abdeckrosten oder ihren Trümmerteilen ausgehenden Gefahren für den Kraftfahrzeugverkehr maßgeblich darauf abgestellt hat, dass infolge des Überfahrens der Hindernisse tatsächlich keine Personenschäden eintraten, hat sie übersehen, dass aus der im konkreten Fall ausgebliebenen Realisierung einer Gefahr nicht ohne Weiteres auf das Ausmaß der Gefährdung geschlossen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, aaO). Auch die Höhe der an den Fahrzeugen jeweils entstan- denen Sachschäden ist für die Einschätzung der mit dem Überfahren der Hindernisse verbundenen Risiken für Leib und Leben der Fahrzeuginsassen ohne jede Aussagekraft. Das Landgericht hätte in diesem Zusammenhang vielmehr unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten – wie etwa der Blickrichtung des Angeklagten bei den Abwürfen, der Beschaffenheit der gusseisernen Abdeckroste und deren Trümmerteile, des Verkehrsaufkommens auf der Bundesautobahn zur Tatzeit, der unter der Fußgängerbrücke gefahrenen Geschwindigkeiten , der beim Überfahren der Hindernisse drohenden Schäden insbesondere an den Reifen der Fahrzeuge und deren zu erwartenden Auswirkungen auf das Fahrverhalten der Fahrzeuge – eine Bewertung der Gefahrenlage , die von der vom Angeklagten bewusst geschaffenen Situation ausging, vornehmen und sich mit der Frage befassen müssen, ob sich aus der Perspektive des Angeklagten für jedermann die Möglichkeit von in ihrem Verlauf weder vorhersehbaren noch beherrschbaren Unfallgeschehen mit unkalkulierbaren Folgen auch für das Leben von Fahrzeuginsassen aufgedrängt hätte. Hierbei wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass das Überfahren des unzerbrochenen Rostes in einem Fall bei dem betroffenen Fahrzeug zum Platzen des rechten Vorderreifens mit einem anschließenden Schleudervorgang vom linken auf den rechten Fahrstreifen der Fahrbahn der Bundesautobahn führte, welchen das Landgericht als „Beinahe-Unfall“ mit konkreter Gefahr für Leib oder Leben der vier Insassen gewertet hat. Insgesamt entbehrt die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe als Folge seines Handelns zwar nicht näher umschriebene Personenschäden, nicht aber den Tod von Menschen billigend in Kauf genommen, einer tragfähigen Begründung.

III.


11
Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
12
Die Darstellung der Ergebnisse des DNA-Vergleichsgutachtens im angefochtenen Urteil begegnet keinen sachlich-rechtlichen Bedenken.
13
1. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten „in erster Linie“ auf eine vom Landeskriminalamt durchgeführte vergleichende molekulargenetische Untersuchung von zwei jeweils an der Unterseite des unzerbrochenen Abdeckrostes gesicherten Abriebspuren gestützt. Zum Ergebnis des Gutachtens teilen die Urteilsgründe mit, dass das zelluläre Material aus den beiden Abriebspuren jeweils in allen 16 untersuchten PCR-Systemen mit dem DNA-Vergleichsmaterial vom Angeklagten übereinstimme , wobei die festgestellte Merkmalskombination in der deutschen Population nur ca. einmal unter 3,5 Quadrillionen Personen vorkomme. Zur getrennten Vererblichkeit der 16 untersuchten Merkmalsysteme verhalten sich die Urteilsausführungen nicht.
14
2. Diese Darstellung des DNA-Vergleichsgutachtens genügt den in sachlich -rechtlicher Hinsicht zu stellenden Anforderungen. Nach dem gegenwärtig erreichten wissenschaftlichen Stand der forensischen Molekulargenetik sind – abweichendvon der Bewertung in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – zur Nachvollziehbarkeit der Wahrscheinlichkeitsberechnung bei DNA-Vergleichsuntersuchungen, die keine Besonderheiten in der forensi- schen Fragestellung aufweisen, keine Ausführungen zur genetischen Unabhängigkeit der untersuchten Merkmalsysteme im tatrichterlichen Urteil erforderlich.
15
a) Das Tatgericht hat in den Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13, NStZ-RR 2014, 115, 116; Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212 Rn. 12; Beschluss vom 19. August 1993 – 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291, 296 f.). Dabei dürfen die Anforderungen, welche das Tatgericht an das Gutachten zu stellen hat, nicht mit den sachlich-rechtlichen Anforderungen an den Inhalt der Urteilsgründe gleichgesetzt werden. Mögliche Fehlerquellen sind nur zu erörtern, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gibt (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13, aaO; Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, aaO). Dies beeinträchtigt die Rechtsposition des Angeklagten nicht, da er etwaige Fehler des Sachverständigengutachtens sowohl in der Hauptverhandlung als auch mit der Verfahrensrüge im Revisionsverfahren geltend machen kann (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, aaO).
16
Für die Darstellung des Ergebnisses einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung ist danach in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für erforderlich gehalten worden, dass der Tatrichter mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob diese unabhängig voneinander vererbbar sind (und mithin die Pro- duktregel anwendbar ist), ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben, mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, inwieweit dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, aaO, Rn. 13 mwN auch zur früheren Rspr.; Beschlüsse vom 16. April 2013 – 3 StR 67/13; vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13, aaO). Soweit damit bislang stets ausdrückliche Ausführungen zur unabhängigen Vererbbarkeit der untersuchten Merkmalsysteme verlangt worden sind, hält der Senat hieran für die in der Praxis vorkommenden Regelfälle der DNA-Vergleichsuntersuchung , die keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen , nicht fest.
17
b) Der Senat hat zu der Frage, ob bei den Merkmalsystemen, die in Deutschland von Rechtsmedizinischen Instituten, den Landeskriminalämtern und vom Bundeskriminalamt bei der vergleichenden DNA-Untersuchung von Tatortspuren üblicherweise eingesetzt werden, nach dem Stand der forensischen DNA-Analytik gewährleistet ist, dass sie unabhängig voneinander vererbt werden, gutachterliche Stellungnahmen der Sachverständigen Prof. Dr. vom Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums und Privatdozentin Dr. vom Institut für Rechtsmedizin der Universität eingeholt. Unter Berücksichtigung der Ausführungen der beiden Sachverständigen in der Revisionshauptverhandlung ist von folgenden Gegebenheiten auszugehen :
18
aa) Die im Bereich der forensischen DNA-Analytik tätigen öffentlichen und privaten Einrichtungen orientieren sich bei der Auswahl der bei molekulargenetischen Vergleichsuntersuchungen zu verwendenden STR-Systeme an dem Format, das für die Einstellung von DNA-Identifizierungsmustern in die DNA-Analyse-Datei beim Bundeskriminalamt und den diesbezüglichen automatisierten Informationsaustausch innerhalb der Europäischen Union (vgl. Art. 2 ff. des Beschlusses 2008/615/JI des Rates vom 23. Juni 2008 zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität, ABl. L 210 vom 6. August 2008, S. 1; Art. 1 und 3 des Ausführungsgesetzes zum Prümer Vertrag und zum Ratsbeschluss Prüm, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 31. Juli 2009 zur Umsetzung des Beschlusses des Rates 2008/615/JI vom 23. Juni 2008, BGBl. I 2009, S. 2507) vorgesehen ist. Nach Errichtung der als Verbunddatei nach § 11 BKAG beim Bundeskriminalamt geführten DNAAnalyse -Datei im Jahr 1998 erstreckte sich die Speicherung in der Datei zunächst auf die Ergebnisse in den fünf STR-Systemen VWA, HUMTH01, SE33, D21S11 und FGA (FIBRA). Mit Entschließung des Rates vom 25. Juni 2001 über den Austausch von DNS-Analyseergebnissen (ABl. C 187 vom 3. Juli 2001, S. 1) wurde zur Erleichterung des Informationsaustauschs ein Europäischer Standardsatz (ESS) von DNA-Markern definiert, der – mit Ausnahme des Systems SE33 – die bis dahin für die DNA-Analyse-Datei beim Bundeskriminalamt herangezogenen Systeme und darüber hinaus die STR-Systeme D3S1358, D8S1179 und D18S51 umfasste. Durch die weitere Ratsentschließung vom 30. November 2009 (Entschließung des Rates vom 30. November 2009 über den Austausch von DNS-Analyseergebnissen, ABl. C 296 vom 5. Dezember 2009, S. 1) erfolgte die Erweiterung des Europäischen Standardsatzes (ESS) von sieben auf insgesamt zwölf Merkmalsysteme unter Einbeziehung der STRSysteme D1S1656, D2S441, D10S1248, D12S391 und D22S1045. Die Entschließungen des Rates vom 25. Juni 2001 und 30. November 2009 enthielten jeweils die Aufforderung an die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, bei der kriminaltechnischen DNA-Analyse zumindest die zum Europäischen Stan- dardsatz gehörenden DNA-Marker zu verwenden. Zur Umsetzung der im Rahmen der Europäischen Union beschlossenen Empfehlungen wurde auf der 167. Tagung der AG Kripo am 15./16. September 2010 durch die Kriminalämter des Bundes und der Länder festgelegt, für die in der DNA-Analyse-Datei beim Bundeskriminalamt zu speichernden DNA-Identifizierungsmuster die zwölf Merkmalsysteme des Europäischen Standardsatzes und zusätzlich das seit Errichtung der Datei berücksichtigte System SE33 heranzuziehen. Darüber hinaus sollen auch weitere routinemäßig untersuchte Merkmalsysteme obligatorisch in der DNA-Analyse-Datei gespeichert werden. Hierbei handelt es sich in der derzeitigen forensischen Praxis um drei STR-Systeme – D2S1338, D16S539 und D19S433 –, die in für die Untersuchungslabore kommerziell verfügbaren STR-Typisierungs-Kits mit enthalten sind, da sie in einer Reihe von europäischen Ländern in deren nationalen Datenbanken erfasst werden.
19
bb) Die bis zu 16 genannten Merkmalsysteme werden bei molekulargenetischen Vergleichsuntersuchungen ohne Besonderheiten in der forensischen Fragestellung routinemäßig eingesetzt. Zu den Regelfällen der DNA-Analyse gehört insbesondere die Vergleichsuntersuchung von an Gegenständen gesicherten unspezifischen Tatortspuren. Lediglich in speziellen Fallkonstellationen – z.B. bei Mischspuren von Mitspurenverursachern verschiedenen Geschlechts bei Sexualdelikten oder bei schlechtem Spurenmaterial in Fällen der Exhumierung – besteht aus forensischer Sicht die Notwendigkeit, ergänzende molekulargenetische Untersuchungen durchzuführen, bei denen über die 16 genannten Merkmale hinaus weitere autosomale Merkmalsysteme oder DNA-Marker, die auf den Geschlechtschromosomen des menschlichen Genoms lokalisiert sind, zur Anwendung kommen.
20
cc) Die Unabhängigkeit der Vererbung von Merkmalen als genetische Voraussetzung zur Anwendung der Produktregel ist seit vielen Jahrzehnten etabliert und bildet in Verbindung mit den Gesetzmäßigkeiten des HardyWeinberg -Gleichgewichts die Grundlage aller biostatistischen Berechnungen zur Wahrscheinlichkeit von DNA-Identifizierungsmustern, die sich aus den Merkmalen verschiedener Genorte zusammensetzen (vgl. Peter Schneider/ Anslinger/Eckert/Fimmers/Harald Schneider, NStZ 2013, 693, 694 f.). Die Unabhängigkeit der Vererblichkeit bei verschiedenen Merkmalsystemen hängt von deren Lokalisierung im menschlichen Genom ab. Genetische Merkmale, die auf verschiedenen Chromosomen des menschlichen Genoms liegen, werden unabhängig voneinander vererbt. Befinden sich zwei Genorte auf einem Chromosom , führt der Vorgang des chromosomalen Crossing-over bei der Entwicklung der Keimzellen dazu, dass die Allele der beiden Genorte auf einem elterlichen Chromosom getrennt werden können. Je nach Entfernung und Lage der Genorte auf dem Chromosom kann dies mit einer als Rekombinationsrate bezeichneten Wahrscheinlichkeit zwischen 0 % und 50 % geschehen. In einer Population , in der über mehrere Generationen eine ausreichend zufällige Partnerwahl stattgefunden hat, kann bei einer Rekombinationsrate von über 10 % zwischen zwei Genorten davon ausgegangen werden, dass das Vorkommen der Merkmale an beiden Genorten praktisch unabhängig ist, sodass die Multiplikation über die Merkmalshäufigkeiten an beiden Genorten nicht zu einer relevanten Abweichung führt (vgl. Peter Schneider/Anslinger/Eckert/Fimmers/Harald Schneider, aaO).
21
dd) Von den 16 routinemäßig bei der vergleichenden DNA-Untersuchung zur Anwendung kommenden Merkmalsystemen liegen die STR-Systeme D1S1656, D2S1338, D3S1358, FGA (FIBRA), SE33, D8S1179, D10S1248, HUMTH01, VWA, D16S539, D18S51, D19S433, D21S11 und D22S1045 auf jeweils unterschiedlichen Chromosomen des menschlichen Genoms und sind daher voneinander unabhängig vererbbar. Die Genorte der STRSysteme D2S441 und D12S391 befinden sich jeweils mit den Systemen D2S1338 bzw. VWA auf einem Chromosom. Zu den Kopplungsverhältnissen zwischen diesen jeweils auf einem Chromosom lokalisierten Merkmalsystemen existieren belastbare wissenschaftliche Daten aus drei Studien (B. Budowle, J. Ge, R. Chakraborty, A.J. Eisenberg, R. Green, J. Mulero, R.T. Lagace, L. Hennessy: Population genetic analyses of the NGM STR loci. Int. J. Legal Med., (2011), 125, 101-109; K. Lewis O’Connor, C.R. Hill, P.M. Vallone, J.M. Butler, Linkage disequilibrium analysis of D12S391 and vWA in U.S. population and paternity samples, and Corrigendum to: Linkage disequilibrium analysis of D12S391 and vWA in U.S. population and paternity samples. Forensic Sci. Int. Genet. (2011) 5, 538-540 und 541-542; C. Phillips, D. Ballard, P. Gill, D. Syndercombe Court, A. Carracedo, M.V. Lareu. The recombination landscape around forensic STRs: Accurate measurement of genetic distances between syntenic STR pairs using HapMap high density SNP data. Forensic Sci. Int. Genet. (2012) 6, 354-365). Danach liegen die STR-Systeme D2S1338 und D2S441 mit einem Abstand von über 100 Millionen Basenpaaren auf dem langen bzw. kurzen Arm des Chromosoms 2 und weisen eine Rekombinationsrate von 50 % auf. Die Genorte der STR-Systeme VWA und D12S391 befinden sich mit einem Abstand von 6,36 Millionen Basenpaaren auf dem kurzen Arm des Chromosoms 12, wobei in den vorhandenen wissenschaftlichen Studien eine mittlere Rekombinationsrate von 12 % ermittelt worden ist. Damit ist auch für diese jeweils auf einem Chromosom lokalisierten Markerpaare die genetische Unabhängigkeit der Merkmale gesichert.
22
c) Aus den Darlegungen der beiden Sachverständigen Prof. Dr. und Dr. ergeben sich für die in sachlich-rechtlicher Hinsicht zu stellenden Anforderungen an die Darstellung vergleichender molekulargenetischer Untersuchungen im tatrichterlichen Urteil die folgenden Konsequenzen:
23
Nach dem gegenwärtig erreichten wissenschaftlichen Stand der forensischen Molekulargenetik ist die Durchführung von DNA-Vergleichsuntersuchungen soweit vereinheitlicht, dass in den Regelfällen, die keine Besonderheiten in den forensischen Fragestellungen aufweisen, standardmäßig bis zu 16 der oben genannten STR-Systeme Anwendung finden, deren genetische Unabhängigkeit wissenschaftlich gesichert ist. In diesen Fällen bedarf es im tatrichterlichen Urteil keiner Ausführungen zur unabhängigen Vererblichkeit der Merkmalsysteme. Etwas anderes gilt für die Fälle der ergänzenden DNA-Analyse, in welchen andere autosomale Markersysteme oder geschlechtsgebunden vererbliche DNA-Merkmale in die Untersuchung mit einbezogen werden. In diesen Ausnahmekonstellationen, in denen die Unabhängigkeit der weiteren autosomalen STR-Systeme im Einzelfall gesondert geprüft und die Besonderheiten der geschlechtsgebundenen Vererbung berücksichtigt werden müssen, ist der Tatrichter gehalten, im Urteil hierzu nähere Ausführungen zu machen.
24
d) Die oben zitierten Entscheidungen des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs , denen der erkennende Senat in der Vergangenheit gefolgt ist, stehen der dargelegten Entscheidung nicht entgegen. Da der Senat auf der Grundlage des in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Maßstabs für die sachlich-rechtlichen Anforderungen an die Darstellung von Sachverständigengutachten im tatrichterlichen Urteil lediglich eine im Tatsächlichen abweichende Bewertung des wissenschaftlichen Stands der DNA- Analyse vorgenommen hat, fehlt es an einer eine Rechtsfrage betreffenden Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 GVG.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 7/16
vom
15. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Brandstiftung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:150316B4STR7.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 15. März 2016 gemäß § 46 Abs. 1, § 154 Abs. 2, § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Siegen vom 3. September 2015 wird verworfen.
2. Auf die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen versuchten Betruges verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten;
b) das Urteil dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen besonders schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt ist.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
4. Der Angeklagte hat die weiteren Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung und wegen versuchten Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision. Ferner beantragt der Verteidiger des Angeklagten Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist. Die Revision führt zu einer Verfahrensbeschränkung gemäß § 154 Abs. 2 StPO; im Übrigen hat sie – wie auch der Wiedereinsetzungsantrag – keinen Erfolg.

I.


2
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt bei einer bereits form- und fristgerecht begründeten Revision eine Wiedereinsetzung nur ausnahmsweise in Betracht, wenn der Beschwerdeführer unverschuldet durch äußere Umstände oder unvorhersehbare Zufälle daran gehindert war, eine Verfahrensrüge rechtzeitig formgerecht zu begründen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 StR 196/14, wistra 2014, 486, 487 mwN). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Zur Ergänzung der – rechtzeitig erhobenen – Sachrüge bedarf es der Wiedereinsetzung nicht.

II.


3
1. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte wegen versuchten Betruges verurteilt wurde. Denn das Urteil befasst sich nicht mit der Frage, aus wel- chem Grund es nicht zur Vollendung dieser Tat gekommen ist (vgl. zu einem ähnlichen Fall BGH, Beschluss vom 30. Juni 2015 – 4 StR 173/15).
4
2. Im verbleibenden Schuld- und Strafausspruch hat die Überprüfung des Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 15. Januar 2016 bemerkt der Senat:
5
a) Grundlagen der revisionsgerichtlichen Überprüfung eines Urteils auf die Sachrüge hin sind ausschließlich die Urteilsurkunde und die dort zulässig in Bezug genommenen Abbildungen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 337 Rn. 22 mwN). Daher muss das urteilsfremde Vorbringen des Verteidigers im Schriftsatz vom 25. Januar 2016 außer Betracht bleiben.
6
b) Die Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung begegnet auf der Grundlage der Rechtsprechung zum Inbrandsetzen gemischt genutzter Gebäude keinen durchgreifenden Bedenken (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 26. Januar 2010 – 3 StR 442/09, BGHR StGB § 306a Abs. 1 Nr. 1 Vollendung 1; vom 20. Oktober 2009 – 3 StR 392/09, NStZ-RR 2010, 279 jeweils mwN). Der (versuchte) Betrug zum Nachteil der Versicherung , der durch die (besonders schwere) Brandstiftung ermöglicht werden sollte , stellt auch eine andere Straftat im Sinne des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB dar (BGH, Urteile vom 18. Juni 2008 – 2 StR 141/08, NStZ 2008, 571; vom 14. November 2013 – 3 StR 336/13, NStZ 2014, 404, 406). Dass § 306b StGB eine Strafrahmenverschiebung in minder schweren Fällen nicht vorsieht, beruht auf einer von der Rechtsprechung hinzunehmenden Entscheidung des Gesetzgebers , der sich damit innerhalb des verfassungsrechtlich zulässigen gesetzge- berischen Beurteilungsspielraums bewegt (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 2013 – 3 StR 336/13, NStZ 2014, 404, 406 mwN).
7
Auch die Annahme von Mittäterschaft des Angeklagten bei der besonders schweren Brandstiftung begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Denn die tatgerichtliche Bewertung der Beteiligungsform ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle zugänglich (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteile vom 8. Februar 2012 – 1 StR 427/11, NStZ-RR 2012, 241, 243; vom 27. September 2012 – 4 StR 255/12, NStZ-RR 2013, 40, 41; vom 10. Dezember 2013 – 5 StR 387/13 mwN). Dabei erfordert Mittäterschaft nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt (BGH, Beschlüsse vom 2. Juli 2008 – 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26; vom 19. August 2014 – 3 StR 326/14 jeweils mwN). Mehrere können eine Tat sogar dann gemeinschaftlich begehen, wenn sie einander nicht kennen (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 2009 – 4 StR 275/09, NStZ 2010, 342, 343, sowie BGH, Urteil vom 23. November 2011 – 2 StR 330/11). Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer insbesondere aufgrund der gemeinsamen Tatplanung, des nach und aufgrund des Tatentschlusses erfolgten Abschlusses der Versicherung sowie des Interesses des Angeklagten an der Tat dessen Mittäterschaft bejaht hat (vgl. auch BGH, Urteile vom 17. Oktober 2002 – 3 StR 153/02, BGHR StGB § 26 Bestimmen 6; vom 23. November 2011 – 2 StR 330/11).
8
c) Auch die Beweiswürdigung hält der Überprüfung stand.
9
Zwar ist es überflüssig und regelmäßig verfehlt, dass die Strafkammer im Anschluss an die Feststellungen mitteilt, dass sie acht Zeugen vernommen hat, von denen im Folgenden jedoch keine Aussagen dargestellt und erörtert werden (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15). Denn dies kann die Würdigung der Beweise nicht ersetzen und stellt lediglich eine vermeidbare Fehlerquelle dar, da sie Anlass zu – hier nicht erhobenen – Rügen nach § 261 StPO geben kann. Insbesondere im Hinblick auf das umfassende Geständnis des Angeklagten schließt der Senat aber aus, dass das Urteil hierauf beruht. Dass der Molotow-Cocktail vom gesondert verfolgten H. oder einem von diesem beauftragten unbekannten Täter geworfen wurde, hat die Strafkammer ersichtlich der vom Angeklagten und H. bei der Tatplanung verabredeten und schließlich umgesetzten Vorgehensweise entnommen.
10
d) Hinsichtlich der am 24. Februar 2015 verhängten, an sich gesamtstrafenfähigen Geldstrafe hat das Landgericht zwar den Vollstreckungsstand nicht mitgeteilt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2015 – 4 StR 423/15). Da der Senat aufgrund der mitgeteilten Haftdaten (UA S. 5) ausschließen kann, dass der am 25. Februar 2015 festgenommene und sich bis zur Verkündung des hiesigen Urteils ununterbrochen in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte die Geldstrafe im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt hat, ist er durch die unterbliebene Gesamtstrafenbildung nicht beschwert (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 2013 – 1 StR 387/13).
11
e) Die Verfahrensbeschränkung gemäß § 154 Abs. 2 StPO hat die entsprechende Korrektur des Schuldspruchs zur Folge. Die wegen der besonders schweren Brandstiftung vom Landgericht verhängte (Einzel-)Strafe von fünf Jahren kann bestehen bleiben. Sie ist rechtsfehlerfrei zugemessen und wird durch den Entfall der Verurteilung wegen versuchten Betrugs jedenfalls nicht zugunsten des Angeklagten berührt, zumal er als Beweggrund des Angeklagten strafschärfend hätte berücksichtigt werden dürfen.
Sost-Scheible Franke Mutzbauer
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 423/15
vom
2. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubs u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 2. Dezember 2015 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 21. Mai 2015 im Strafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge und mehrere verfahrensrechtliche Beanstandungen gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat nur zum Strafausspruch Erfolg.
2
1. Zwar sind die Strafzumessungserwägungen der Strafkammer für sich materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Der Strafausspruch kann aber gleich- wohl keinen Bestand haben, weil sich die Urteilsgründe nicht zum Vollstreckungsstand der Urteile des Amtsgerichts Freiburg vom 2. Mai 2014 und vom 3. Juli 2014 verhalten. Da die verfahrensgegenständlichen Taten am 26. Februar 2014 begangen wurden, der Angeklagte am 24. Mai 2014 festgenommen wurde, er sich seit dem 25. Mai 2014 „ununterbrochen“ in Untersuchungshaft befindet (UA S. 6) und er bei nur unregelmäßigem Arbeitseinkommen hoch verschuldet ist (UA S. 4 bis 6), kann der Senat nicht ausschließen, dass die in jenen Urteilen verhängten Geldstrafen im Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils noch nicht erledigt waren. Sollten sie erledigt sein und deshalb eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB ausscheiden, wäre – wieder Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 14. September 2015 dargelegt hat – ein Härteausgleich möglich. Im Hinblick hierauf ist allerdings – über den Antrag des Generalbundesanwalts hinaus – nicht nur der Ausspruch über die Gesamtstrafe, sondern der gesamte Strafausspruch aufzuheben und die Sache insoweit an das Landgericht zurückzuverweisen.
3
2. Der Schuldspruch weist keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Ein solcher liegt im Hinblick auf die Besonderheiten des Falls auch nicht darin, dass das Landgericht bezüglich der zum Nachteil von S. mit einem unbekannten Mittäter begangenen versuchten schweren räuberischen Erpressung den für die Prüfung eines strafbefreienden Rücktritts grundsätzlich erforderlichen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 15. Mai 2014 – 3 StR 149/14, NStZ-RR 2015, 8, 9 mwN) „Rück- trittshorizont“ des Angeklagten nicht festgestellt hat. Denn der Senat kann an- gesichts der zum Abbruch der Tatausführung getroffenen Feststellungen (hefti- ge Gegenwehr des Opfers und „Störung“ durch die Nachbarin) ausschließen, dass der Rücktritt freiwillig im Sinn des § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB erfolgt ist (vgl. auch UA S. 44 f.).
4
3. Auch die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts vom 24. September 2015 bemerkt der Senat:
5
Den Beweisantrag auf Erholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens hat die Strafkammer auch hinsichtlich der am 28. Februar 2014 in der Sparkasse E. gefertigten Lichtbilder rechtsfehlerfrei abgelehnt (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 – 3 StR 284/11, NStZ 2012, 345 unter anderem zum insofern zulässigen und gebotenen Freibeweis). Hinsichtlich des zur (Nicht-)Existenz der 200.000 € gestellten Beweisantrags (Zeugenvernehmung von Rechtsanwalt D. ) fehlt es jedenfalls am Beruhen, da die Strafkammer – rechtsfehlerfrei – offen gelassen hat, ob es diesen Bargeldbetrag jemals gegeben hat (UA S. 12). Die Rüge zum Beweisantrag auf Erholung eines „Glaubwürdigkeitsgutachtens“ zu den „Bekundungen von S. “ ist schon deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil unter anderem der im Beweisantrag in Bezug genommene Bericht der „BG Klinik“ vom 4. März 2014 nicht vollständig mitgeteilt wurde; dies war schon deshalb unerlässlich, weil die Strafkammer festgestellt hat, dass der Zeuge (lediglich) vor 17 Jahren an einer Psychose litt (UA S. 33). Auch die Rüge zum Beweisantrag auf Erholung eines Sachverständigengutachtens zur Nicht-Benutzung des Pkw Fiat Panda durch den Angeklagten ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), da der dort in Bezug genommene Spurensicherungsbericht nicht vollständig mitgeteilt wurde. Der Rüge der Ablehnung des Aussetzungsantrags (§ 338 Nr. 8 StPO) ist der Erfolg auch deshalb zu versagen, weil es für die Annahme , die Verteidigung sei in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden, nicht genügt, dass diese Beschränkung nur generell (abstrakt ) geeignet ist, die gerichtliche Entscheidung zu beeinflussen. Vielmehr ist § 338 Nr. 8 StPO nur dann gegeben, wenn die Möglichkeit eines kausalen Zu- sammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil konkret besteht (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Februar 2010 – 4 StR 599/09, NStZ 2010, 530, 531 mwN). Dies ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, zumal der Verteidiger den Ausführungen in dem Ablehnungsbeschluss, mit dem die späte Verbescheidung der Beweisanträge erläutert wird, nicht entgegengetreten ist und der Senat – auch deshalb – keine Zweifel an der Richtigkeit der dortigen Darlegungen hat.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 24/04
vom
7. Mai 2004
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 7. Mai 2004 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26. August 2003
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der unerlaubten Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt im Bundesgebiet nach Abschiebung und mit Urkundenfälschung , der unerlaubten Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt im Bundesgebiet nach Abschiebungund des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwölf Fällen schuldig ist,
b) in den Einzelstrafen für die Urkundenfälschung und für die unerlaubte Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt am 18. Februar 2002 und davor sowie im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "unerlaubten Aufenthalts in zwei Fällen, Urkundenfälschung und gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Heroin) in 12 Fällen unter Einbezug der Strafen aus der Verurteilung durch das Landgericht Frankfurt am Main vom 8. Oktober 2002 (Az.: 5/20 Ns 5320 Js 10143.2/98) unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe in ihre Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren" verurteilt. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge und einer Verfahrensrüge.

II.

Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im übrigen erweist es sich aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. 1. Die Annahme von Tatmehrheit hinsichtlich der unerlaubten Einreise und des unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet und der Urkundenfälschung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Angeklagte hatte einen verfälschten kroatischen Reisepaß, der auf die Personalien M., geboren am 22. Mai 1958, ausgestellt war, erworben und mit sich geführt, um sich anläßlich von Kontrollen mit der falschen Identität auszuweisen und damit seine illegale Einreise und seinen unerlaubten Aufenthalt zu verschleiern. Bei der Polizeikontrolle am 18. Februar 2002 hat er sich mit diesem Paß ausgewiesen.
Da aber damit tatbestandliche Ausführungshandlungen zusammenfielen, nämlich Gebrauchmachen von der verfälschten Urkunde und unerlaubter Aufenthalt im Bundesgebiet, ist Tateinheit (§ 52 StGB) gegeben (vgl. auch Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, AuslG – Stand: 1. Mai 2000 – § 92 Rdn. 7). Weitere Feststellungen sind nicht zu erwarten. Der Senat kann auch ausschließen, daß sich der Angeklagte bei einem Hinweis auf die Änderung des Konkurrenzverhältnisses anders hätte verteidigen können. § 265 StPO steht deshalb einer Änderung des Schuldspruchs nicht entgeg en. Dies zwingt jedoch zur Aufhebung der insoweit ausgeworfenen Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe. 2. Die Gesamtfreiheitsstrafe kann auch aus einem anderen Grund keinen Bestand haben. Die Strafkammer hat die Zäsurwirkung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 8. Oktober 2002 nicht beachtet. Nach § 55 Abs. 1 StGB ist eine Gesamtstrafe zu bilden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter , bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Der Tatrichter, dem sich die Frage nachträglicher Gesamtstrafenbildung stellt, muß sich in die Lage des Richters versetzen, dessen Entscheidung für eine nachträgliche Einbeziehung in Frage kommt. Alle Strafen für die vor jenem Urteil begangenen Taten sind auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen , aber auch nur diese. Hat der Täter sich nach dem früheren Urteil erneut strafbar gemacht, so ist insoweit eine gesonderte Einzelstrafe oder eine weitere Gesamtstrafe festzusetzen. Dies hat das Landgericht nicht beachtet. Der Senat kann nicht ausschließen, daß die Bildung von zwei Gesamtfreiheits-
strafen für den Angeklagten günstiger wäre als die von der Strafkammer gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren. 3. Die Feststellungen zu den von der Aufhebung betroffenen Einzelstrafen und zur Gesamtstrafe sind von den Rechtsfehlern nicht berührt und können bestehen bleiben. Der neue Tatrichter wird im übrigen Gelegenheit haben, der Behauptung der Revision nachzugehen, der Angeklagte habe 20.000 DM zur Erfüllung von Bewährungsauflagen geleistet. Bode Otten Rothfuß Fischer Roggenbuck

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.