Bundesgerichtshof Urteil, 08. März 2017 - 2 StR 429/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:080317U2STR429.16.0
bei uns veröffentlicht am08.03.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 429/16
vom
8. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2017:080317U2STR429.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. März 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grube,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 19. April 2016 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Vollstreckung der Strafe und der Maßregel hat es zur Bewährung ausgesetzt. Schließlich hat es eine halbautomatische Selbstladepistole eingezogen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revision des Angeklagten und die zu seinen Ungunsten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft jeweils mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet, dasjenige der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte nachts in W. als Taxifahrer tätig und führte währenddessen ein Taxi, das am Tage dem Zeugen B. zur Verfügung stand. Im Februar 2014 fragte der Angeklagte am Taxistand seinen Kollegen B. nach dem in der Nähe stehenden Fahrer eines anderen Taxis und erfuhr den Spitznamen des Nebenklägers sowie dessen Eigenschaft als Taxiunternehmer. Er äußerte gegenüber dem Zeugen B. , dass der Nebenkläger ihn über Funk beschimpft habe und er- gänzte: „Leider hat die Polizei meine Pistole genommen, sonst hätte ich ihn in seinem Auto geschossen.“ Tatsächlich war eine Kommunikation über Funk unter den Taxifahrern nicht möglich. Die Vorstellung einer Beleidigung über Funk war eine Wahnvorstellung des Angeklagten, die auf einer schizoaffektiven Störung beruhte.
3
Am 7. März 2014 gegen 21.00 Uhr stand der Nebenkläger mit einem Kollegen am Taxistand neben seinem Fahrzeug. Plötzlich lief der Angeklagte mit einer halbautomatischen Selbstladepistole Kaliber 7,62 mm in der Hand auf ihn zu, richtete die Pistole „in Höhe seines Bauches und der Beine“ auf ihn und sagte: „Du hast mich beleidigt über Funk. Jetzt kriegst du die Antwort auf die Beleidigung.“ Dann schoss er aus einer Entfernung von einem bis zwei Metern zweimal in Richtung der Füße des Nebenklägers. Ob er diesen bereits dabei traf, konnte nicht festgestellt werden. Der Nebenkläger wich zurück und fragte: „Was ist los? Ich kenne dich nicht. Ist das ein Spielzeug?“ Der Angeklagte gab darauf zwei weitere Schüsse in Richtung der Füße des Nebenklägers ab. Die- ser erkannte nun, dass er mit einer echten Waffe beschossen wurde. Deshalb lief er um das Taxi herum auf eine Grünfläche, um sich dort zwischen Bäumen zu verstecken. Der Angeklagte folgte ihm und gab drei weitere Schüsse ab. Auf der Grünfläche kam es zu einem Gerangel, in dessen Verlauf die Pistole auf den Rasen fiel und der Nebenkläger von einem Schlag des Angeklagten gegen die Schläfe getroffen wurde. Ein Hotelbediensteter und zwei Taxifahrer kamen hinzu, überwältigten den Angeklagten und verständigten die Polizei.
4
Der Angeklagte hatte insgesamt sieben Schüsse abgegeben, die zu Weichteilverletzungen am rechten Unterschenkel und an beiden Füßen des Nebenklägers geführt hatten. Knochen und größere Blutgefäße wurden durch Zufall nicht getroffen.
5
2. Das Verfahren gegen den Angeklagten wegen des Vorwurfs, am 1. März 2013 unerlaubt eine andere halbautomatische Selbstladepistole Kaliber 6,35 mm nebst Munition besessen zu haben, hat das Landgericht gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt.
6
3. Die verfahrensgegenständliche Tat hat das Landgericht als tateinheitlich begangene Vergehen gemäß §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, § 52 Abs. 1 Nr. 2 b WaffG gewertet. Die Qualifikation der Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB hat es nicht festgestellt. Zwar genüge dafür eine potentiell lebensgefährliche Handlung, wie sie hier vorgelegen habe. Jedoch müsse der Täter dabei mit dem Vorsatz zu einer das Leben gefährdenden Behandlung des Opfers gehandelt haben. Dies sei „nach den getroffenen Feststellungen und insbesondere der zutage getretenen Absicht des Angeklagten“ nicht sicher festzustellen.
7
Das Landgericht hat die Tat als minder schweren Fall der gefährlichen Körperverletzung bewertet. Der Angeklagte habe bei der Begehung der Tat im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB gehandelt , weil er sich in der akuten Phase einer schizoaffektiven Störung befunden habe. Diesen vertypten Milderungsgrund hat das Landgericht in die Bewertung der gefährlichen Körperverletzung als minder schwerer Fall einbezogen. Außerdem hat es den so gemilderten Strafrahmen gemäß § 46a Nr. 1 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB weiter gemildert. Schließlich hat das Landgericht im Hinblick auf die schizoaffektive Störung des Angeklagten dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Die Vollstreckung von Strafe und Maßregel hat es zur Bewährung ausgesetzt.

II.

8
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
9
Das Landgericht hat Feststellungen zur subjektiven Tatseite der Körperverletzung getroffen. Im Zusammenhang mit der rechtlichen Würdigung hat es ausgeführt: „Der Angeklagte nahm bei der jeweiligen Schussabgabe zumindest billigend in Kauf, dass der Zeuge H. durch Projektile oder Projektilteile an den Füßen bzw. den Beinen getroffen wird, sodass dessen tatsächliche Verlet- zungen von dem jedenfalls bedingten Vorsatz des Angeklagten erfasst sind.“ Nach den Gesamtumständen ist auch die zu Grunde liegende Beweiswürdigung rechtlich nicht zu beanstanden. Der Einlassung des Angeklagten, er habe „auf den Boden geschossen und versehentlich die Beine des Nebenklägers getroffen“ , ist das Landgericht ohne Rechtsfehler nicht gefolgt.
10
Auch die Annahme der sachverständig beratenen Strafkammer, zur Tatzeit sei die Fähigkeit des Angeklagten zur Einsicht in das Unrecht der Tat und seine Fähigkeit, sich der Unrechtseinsicht gemäß zu verhalten, trotz einer akuten schizoaffektiven Störung nicht aufgehoben, die Steuerungsfähigkeit aber sicher erheblich eingeschränkt gewesen, ist rechtsfehlerfrei. Gleiches gilt für die Feststellung der weiteren Voraussetzungen für die Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB.

III.

11
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
12
1. Die Verneinung des Vorliegens einer Tat nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB ist nicht tragfähig begründet worden. Dies führt zur Urteilsaufhebung auch im Schuldspruch.
13
a) Das Landgericht hat ausgeführt, nach „den getroffenen Feststellungen und insbesondere der zutage getretenen Absicht des Angeklagten“ sei nicht sicher festzustellen, dass der Angeklagte den Nebenkläger „lebensgefährlich verletzen wollte oder dies auch nur billigend in Kauf nahm“. Auf welche konkre- ten Feststellungen damit Bezug genommen wurde, bleibt unklar. Die vom Landgericht hervorgehobene „Absicht“ des Angeklagten, dem Nebenkläger ei- nen „Denkzettel“ zu verpassen, liefert keinen eindeutigen Hinweis auf eine Be- schränkung seines Vorsatzes, die schon für sich genommen einen zumindest bedingten Lebensgefährdungsvorsatz ausschließen könnte (vgl. für bedingten Tötungsvorsatz bei der Abgabe von Schüssen zur Erteilung eines „Denkzettels“ Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2015 – 2 StR 312/15, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 66). Eine Gesamtwürdigung aller Umstände hätte auch erfordert, die Äußerung des Angeklagten bereits im Februar 2014 gegenüber dem Zeugen B. zu berücksichtigen, er hätte den Nebenkläger „in sei- nem Auto geschossen“, wenn nicht die weitere Pistole, die er zuvor besessen hatte, von der Polizei sichergestellt worden wäre. Dieser Bemerkung hatte dieselbe Fehlvorstellung des Angeklagten über Beleidigungen durch den Nebenkläger zu Grunde gelegen wie der abgeurteilten Tat.
14
b) Der Rechtsfehler betrifft nur eine von zwei Qualifikationsvarianten des § 224 Abs. 1 StGB unmittelbar. Der Senat hebt gleichwohl den Schuldspruch mit den Feststellungen auf, weil zwischen den Tatvarianten gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB hinsichtlich der Feststellungen zum subjektiven Tatbestand ein untrennbarer Zusammenhang besteht.
15
2. Die Aufhebung wegen gefährlicher Körperverletzung erfasst auch die Verurteilung wegen des tateinheitlich begangenen Waffendelikts.
16
Der neu entscheidende Tatrichter wird auch eine Strafbarkeit wegen unerlaubten Besitzes von Munition zu erörtern haben (vgl. zur Tateinheit von Munitions - und Waffenbesitz Senat, Beschluss vom 7. Mai 2015 - 2 StR 478/14, NStZ-RR 2016, 155; zur Konkurrenz von Besitz und Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe BGH, Beschluss vom 15. Juni 2015 – 5 StR 197/15, NStZ 2015, 529).
17
3. Die Urteilsaufhebung im Schuldspruch und demzufolge im Strafausspruch zwingt zugleich zur Aufhebung der Maßregelentscheidung. Appl Eschelbach Zeng Bartel Grube

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 08. März 2017 - 2 StR 429/16

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

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Bundesgerichtshof Urteil, 08. März 2017 - 2 StR 429/16 zitiert 9 §§.

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(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafgesetzbuch - StGB | § 223 Körperverletzung


(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR478/14 vom 7. Mai 2015 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7.

Referenzen

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 312/15
vom
27. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u. a.
ECLI:DE:BGH:2015:271015B2STR312.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27. Oktober 2015 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 17. März 2015 aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

2
1. Das Schwurgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Zur Vorgeschichte hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte von dem späteren Tatopfer, dem Zeugen Özk. Ka. , mit dem Tode bedroht worden ist. Hintergrund dieser Todesdrohung war der Umstand, dass der Sohn des Angeklagten im November 2013 im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung lebensgefährlich am Kopf verletzt worden war und nur durch eine sofortige Notoperation gerettet werden konnte. In den Verdacht des versuchten Totschlags waren unter anderem die Brüder Öz. und Özk. Ka. geraten. Öz. Ka. wurde in Untersuchungshaft genommen. Der Angeklagte war zu der auf den August 2014 anberaumten Hauptverhandlung als Zeuge geladen worden. Anfang Juni 2014 hatte der auf freiem Fuß befindliche Özk. Ka. den Angeklagten abgepasst und ihm erklärt, dass sein Bruder Öz. bereits in der Vergangenheit jemanden getötet habe und dass er, der Angeklagte , sterben werde, wenn er als Zeuge vor Gericht aussage und nicht dafür sorge , dass die Strafanzeige zurückgenommen werde. Der Angeklagte nahm die ausgesprochene Todesdrohung ernst.
4
b) Am Pfingstsonntag, dem 8. Juni 2014, nahm der Angeklagte auf seinem Weg in ein Cafe gegen 13.00 Uhr wahr, dass Özk. Ka. mit einem Bekannten, dem Zeugen S. , im Außenbereich einer in der Fußgängerzone von L. gelegenen Bäckerei saß. Er fühlte sich durch die Anwesenheit des Zeugen Ka. in seinem Wohnviertel bedroht und beschloss , ihm einen "Denkzettel" zu verpassen und ihm zu zeigen, dass er sich keine weiteren Bedrohungen gefallen lassen werde, sondern sich wehren könne ; er beschloss daher, Özk. Ka. mit einer Waffe anzugreifen. Er begab sich zurück zu seiner Wohnung, holte von dort eine halbautomatisches Faustfeuerwaffe der Marke FN, Modell 1910, Kaliber 7,65 mm Browning, die er mehrere Monate zuvor beschafft, aber noch nicht ausprobiert hatte, und begab sich auf einem Umweg zurück zum Cafe, um von Özk. Ka. nicht gesehen zu werden. Er richtete die mit scharfer Munition geladene Waffe auf den wenige Meter entfernt sitzenden, ahnungslosen Özk. Ka. und gab in unmittelbarer Abfolge zwei Schüsse auf ihn ab. Dabei war ihm bewusst, dass er den Zeugen Ka. tödlich treffen konnte; dies nahm er in Kauf. Zugleich war ihm klar, dass Özk. Ka. sich keines Angriffs versah und deshalb arg- und wehrlos war. Tatsächlich hatte Özk. Ka. den Angeklagten – anders als sein Freund S. - vor Abgabe der Schüsse nicht wahrgenommen, aus dem besorgten Gesichtsausdruck seines Freundes jedoch geschlossen, dass etwas nicht stimme. Er sprang daher im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit den beiden Schüssen auf, stieß den vor ihm stehenden Tisch um, floh in den Verkaufsraum der Bäckerei und suchte hinter einem Betonpfeiler Schutz. Der Angeklagte verfolgte ihn und zielte durch die Glasscheibe weiterhin auf ihn. Özk. Ka. floh schließlich über die Straße; der Angeklagte folgte ihm und gab einen weiteren Schuss auf den Fliehenden ab, ohne ihn zu treffen. Die weitere Verfolgung des Zeugen Ka. gab der auf einen Gehstock angewiesene Angeklagte in dem Bewusstsein auf, dass er ihn aufgrund seiner eingeschränkten Bewegungsfähigkeit nicht werde einholen können.
5
Einer der beiden ersten Schüsse verursachte eine Streifschussverletzung am rechten Handgelenk des Zeugen Ka. radialseitig und blieb im vorderen Querholm des Stuhls stecken, auf dem der Zeuge zuvor gesessen hatte. Das andere Projektil durchschlug etwa in Kniehöhe das rechte Hosenbein des Zeugen S. , ohne ihn zu verletzen.
6
2. Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung dahin eingelassen, dass er Ka. , der ihn kurz zuvor erneut mit dem Tode bedroht habe, nicht habe treffen wollen. Er habe beim türkischen Militär als "ausgezeichneter Schütze" gegolten und habe Ka. absichtlich verfehlt. Beim ersten der beiden Schüsse habe er "neben" den Zeugen Ka. gezielt; einen weiteren Schuss habe er in die Luft abgegeben, nachdem Ka. geflohen sei. Diese Einlassung hat das Schwurgericht als unwahre Schutzbehauptung bewertet und dabei unter anderem berücksichtigt, dass der Angeklagte im Rahmen der Exploration gegenüber der psychiatrischen Sachverständigen angegeben hatte, er habe den Zeugen Ka. nicht töten, sondern ihm einen "Denkzettel" verpassen wollen , weshalb er nicht auf Kopf oder Bauch, sondern "nur auf den Arm" des Zeugen gezielt habe.
7
3. Seine Überzeugung, dass der Angeklagte bei Abgabe der Schüsse die Möglichkeit des Todeseintritts erkannte und dies billigte, hat das Landgericht unter anderem damit begründet, dass "jeder auf einen Menschen gerichtete Schuss mit einer scharfen Waffe […] wegen der außergewöhnlich großen Le- bensgefährlichkeit den Schluss auf bedingten Tötungsvorsatz nahe" lege. Das Motiv des Angeklagten, dem Zeugen Ka. einen "Denkzettel" zu verpassen, spreche nicht gegen bedingten Tötungsvorsatz, weil es "in der Natur der Sache" liege, dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter in Verfolgung seines anders gelagerten Handlungsantriebs in der Regel über kein Tötungsmotiv verfüge.

II.


8
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg. Die Erwägungen des Landgerichts zur subjektiven Tatseite halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Vorliegen des voluntativen Elements des bedingten Tötungsvorsatzes ist nicht tragfähig begründet.
9
1. Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (Senat, Urteil vom 16. September 2015 – 2 StR 483/14, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702). Die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ist dabei ein wesentlicher Indikator für das Vorliegen beider Elemente des bedingten Tötungsvorsatzes (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 – 5 StR 435/14, NStZ 2015, 216). Hinsichtlich des Willenselements sind neben der konkreten Angriffsweise regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die erforderliche umfassende Gesamtbetrachtung einzubeziehen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2000 – 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51).
10
a) Zwar liegt es bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne dabei zu Tode kommen, und dass er, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt oder fortsetzt, einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (Senat, Beschluss vom 27. August 2013 – 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35). Der Schluss von einer besonders gefährlichen Gewalthandlung auf einen bedingten Tötungsvorsatz ist jedoch nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter auch die im Einzelfall in Betracht kommenden Umstände in seine Erwägungen einbezogen hat, die den Vorsatz in Frage stellen können (Senat, Urteil vom 26. November 2014 – 2 StR 54/14, NStZ 2015, 516, 517; Urteil vom 27. August 2013 – 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35). Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Täter die Gefahr des Eintritts eines tödlichen Erfolgs ausnahmsweise nicht erkannt oder jedenfalls darauf vertraut hat, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten, ist der Tatrichter verpflichtet, sich hiermit auseinander zu setzen (Senat, Urteil vom 16. September 2015 – 2 StR 483/14, juris Rn. 15).
11
b) Diese Grundsätze gelten auch in Fallkonstellationen, in denen ein Angeklagter mit einer scharfen Schusswaffe auf sein Tatopfer schießt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 1995 – 4 StR 642/95, StV 1997, 7; Urteil vom 8. Juni 1993 – 5 StR 88/93, NStZ 1993, 488 f.). Zwar handelt es sich in der Regel um eine besonders gefährliche Gewalthandlung, in der bedingter Tötungsvorsatz nahe liegt. Dies enthebt den Tatrichter indes nicht von der Verpflichtung , die subjektive Tatseite unter Berücksichtigung aller für und gegen sie sprechenden Umstände sorgfältig zu prüfen.
12
2. Diesen Anforderungen genügt die tatrichterliche Beweiswürdigung in mehrfacher Hinsicht nicht.
13
a) Bereits die tatrichterliche Erwägung, "jeder auf einen Menschen gerichtete Schuss mit einer scharfen Waffe" lege "wegen der außergewöhnlich großen Lebensgefährlichkeit den Schluss auf bedingten Tötungsvorsatz nahe" (UA S. 27), lässt besorgen, dass der Tatrichter das Erfordernis einer umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände nicht hinreichend beachtet hat. Zwar kann der auf einen Menschen abgegebene Schuss mit einer scharfen Waffe wegen der außergewöhnlich großen Lebensgefährlichkeit den Schluss auf bedingten Tötungsvorsatz nahe legen (BGH, a.a.O., StV 1997, 7). Jedoch verbietet sich auch in dieser Fallkonstellation jede schematische Lösung (Schneider, MüKo StGB 2. Aufl. § 212 Rn. 22). Dies gilt auch bei Abgabe von Schüssen aus kurzer Distanz (vgl. Senat, Beschluss vom 1. April 1998 – 2 StR 620/97; Altvater , NStZ 1999, 18).
14
b) Soweit das Landgericht dem Motiv des Angeklagten, dem Zeugen Ka.einen "Denkzettel" zu verpassen, jeden Indizwert für die subjektive Tatsei- te abgesprochen hat, begegnet auch dies Bedenken. Der tatrichterliche Hinweis , wonach es "in der Natur der Sache" liege, "dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter in Verfolgung seines anders gelagerten Handlungsantriebs in der Regel über kein Tötungsmotiv" verfüge (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318), greift zu kurz. Zwar trifft es zu, dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter kein Tötungsmotiv im engeren Sinne hat, weil er den tödlichen Erfolg nicht erstrebt , sondern seinen Eintritt lediglich in Kauf nimmt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dem von einem Tötungsmotiv zu unterscheidenden konkreten Handlungsantrieb keine Indizwirkung für die Frage zukommt, ob der Täter mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443). Die Art des jeweiligen Handlungsantriebs kann Hinweise auf die Stärke des vom Täter empfundenen Tatanreizes und damit auch auf seine Bereitschaft geben, zur Erreichung seines Handlungsziels gegebenenfalls schwerste Folgen in Kauf zu nehmen (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 445).
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Der hier festgestellte Handlungsantrieb des Angeklagten, seinem Tatopfer die eigene Wehrhaftigkeit vor Augen zu führen, es in seine Schranken zu verweisen und ihm für die ausgesprochene Todesdrohung einen "Denkzettel" zu verpassen, ist im Rahmen der gebotenen umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318; Urteil vom 22. Oktober 2002 – 5 StR 275/02, NStZ-RR 2003, 39, 40; Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7, 8; Urteil vom 9. September 1986 – 5 StR 98/86, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 4). Er könnte gegen das Vorliegen des voluntativen Elements des bedingten Tötungsvorsatzes sprechen, weil insbesondere das Motiv, dem Tatopfer einen „Denkzettel“ zu verpassen, einÜberleben des Tatopfers voraussetzt.
16
c) Das Landgericht hat darüber hinaus nicht erkennbar in seine Erwägungen eingestellt, dass der Angeklagte den Zeugen Ka. tatsächlich verfehlt hat, obwohl er aus einer geringen Entfernung von wenigen Metern zweimal auf den arglosen und ihm den Rücken zuwendenden Zeugen schoss. Schließlich hätte es im Rahmen der umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände auch eines Eingehens auf die Persönlichkeit des Angeklagten, sein Verhältnis zur Anwendung körperlicher Gewalt zur Durchsetzung seiner Handlungsziele sowie seiner Fähigkeit zur Kontrolle aggressiver Impulse bedurft. Hierzu hätte vorliegend Anlass bestanden, weil das Schwurgericht eine mit einer posttraumatischen Belastungsstörung einher gehende besondere Reizbarkeit und Aggressivität des Angeklagten festgestellt hat.
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3. Um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubewertung aller Tatumstände zu ermöglichen, waren neben den Feststellungen zur inneren Tatseite auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufzuheben. Die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlicher gefährlicher Körperverletzung kann nicht bestehen bleiben (vgl. Gericke, in KK-StPO 7. Aufl. § 353 Rn. 12). Fischer Krehl Eschelbach Zeng Bartel

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR478/14
vom
7. Mai 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. Mai 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 24. Juli 2014 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte im Fall II. 4. der Urteilsgründe der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und im Fall II. 7. der Urteilsgründe des Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit Führen einer Schusswaffe , Besitz von Munition und Besitz eines verbotenen Gegenstandes schuldig ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung und Bedrohung [Fall II. 4. der Urteilsgründe], in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit versuchter Nötigung, wegen versuchter Körperverletzung, Bedrohung gefährlicher Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen, wegen "des tateinheitlich begangenen Verstoßes gegen das Waffengesetz in 4 Fällen (verbotener Erwerb, Besitz und Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe, verbotenes Führen zweier Schreckschusswaffen, verbotener Erwerb und Besitz von Muniti- on sowie Besitz verbotener Gegenstände)" [Fall II. 7. der Urteilsgründe], wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen die Verurteilung richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
3
2. Die Überprüfung des Urteils im Rahmen der erhobenen Sachrüge führt lediglich zur Berichtigung des Schuldspruchs entsprechend der Beschlussformel.
4
a) Im Fall II. 4. der Urteilsgründe tritt die Bedrohung hinter der Nötigung zurück, weil die Bedrohung sich als Teil der Nötigung erweist (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 240 Rn. 63 und § 241 Rn. 7 mwN).
5
b) Im Fall II. 7. der Urteilsgründe scheidet ein gemäß § 52 Abs. 1 WaffG strafbarer Erwerb aus, weil das Landgericht zu den Erwerbszeitpunkten keine Feststellungen treffen konnte und eine Verjährung dieser Tathandlungen nicht auszuschließen ist. Die im Fahrzeug des Angeklagten aufbewahrte halbautomatische Kurzwaffe und die Schusswaffe hat er geführt (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 b), Abs. 3 Nr. 2 a) WaffG; vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. August 2009 - 3 StR 226/09, BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 2); Munition und Stahlruten hat der Angeklagte besessen (§ 52 Abs. 3 Nr. 1 und 2 b) WaffG). Diese Verstöße gegen das Waffengesetz stehen in Tateinheit (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai2011 - 3 StR 445/10, juris Rn. 38).
6
c) Der Senat kann aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 25. November 2014 ausschließen, dass die jeweils für die Fälle II. 4. und II. 7. der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafen auf den teilweise fehlerhaften Schuldsprüchen beruhen.
7
3. Der geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO). Fischer Eschelbach RinBGH Dr. Ott ist an der Unterschrift aus tatsächlichen Gründen gehindert. Fischer Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 197/15
vom
15. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Juni 2015 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 5. Februar 2015, soweit es diesen Angeklagten betrifft, dahin geändert, dass der Angeklagte wegen bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen eines verbotenen Gegenstandes verurteilt ist. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz und Führen einer verbotenen Waffe zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete und auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Abänderung des Schuldspruchs. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt : „Die getroffenen Feststellungen belegen im Übrigen aber ledig- lich, dass der Angeklagte sich wegen Führens eines verbotenen Gegenstands (des Schlagrings) strafbar gemacht hat; sie tragen jedoch die tateinheitliche Verurteilung wegen Besitzes einer sol- chen ‚Waffe‘ nicht. Zwar steht das Führen mit Besitz regelmäßig in Tateinheit (vgl. Pauckstadt-Maihold in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 180. ErgLfg, WaffG, § 52 Rdn. 95 mwN). Übt der Täter aber – wie hier – die tatsächliche Gewalt über eine Waffe (nur) außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume oder des eigenen befriedeten Besitztums aus, so führt er sie (siehe Anl. 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG Abschnitt 2 Ziffer 4). Eine Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichten Besitzes der Waffe kommt aber nur in Betracht, wenn festgestellt ist, dass der Täter die tatsächliche Gewalt über die Waffe auch innerhalb der bezeichneten Örtlichkeiten ausgeübt hat (vgl. BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 2; BGH, NStZ-RR 2013, 387, 388). Daran fehlt es hier. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Der Senat wird ausschließen können, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf eine geringere Strafe – deren Zumessung sich im Übrigen im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraumes hält – erkannt hätte.“
3
Dem stimmt der Senat zu und ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
Sander Dölp König
Bellay Feilcke