Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2015 - 2 StR 312/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2015:271015B2STR312.15.0
bei uns veröffentlicht am27.10.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 312/15
vom
27. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u. a.
ECLI:DE:BGH:2015:271015B2STR312.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27. Oktober 2015 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 17. März 2015 aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

2
1. Das Schwurgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Zur Vorgeschichte hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte von dem späteren Tatopfer, dem Zeugen Özk. Ka. , mit dem Tode bedroht worden ist. Hintergrund dieser Todesdrohung war der Umstand, dass der Sohn des Angeklagten im November 2013 im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung lebensgefährlich am Kopf verletzt worden war und nur durch eine sofortige Notoperation gerettet werden konnte. In den Verdacht des versuchten Totschlags waren unter anderem die Brüder Öz. und Özk. Ka. geraten. Öz. Ka. wurde in Untersuchungshaft genommen. Der Angeklagte war zu der auf den August 2014 anberaumten Hauptverhandlung als Zeuge geladen worden. Anfang Juni 2014 hatte der auf freiem Fuß befindliche Özk. Ka. den Angeklagten abgepasst und ihm erklärt, dass sein Bruder Öz. bereits in der Vergangenheit jemanden getötet habe und dass er, der Angeklagte , sterben werde, wenn er als Zeuge vor Gericht aussage und nicht dafür sorge , dass die Strafanzeige zurückgenommen werde. Der Angeklagte nahm die ausgesprochene Todesdrohung ernst.
4
b) Am Pfingstsonntag, dem 8. Juni 2014, nahm der Angeklagte auf seinem Weg in ein Cafe gegen 13.00 Uhr wahr, dass Özk. Ka. mit einem Bekannten, dem Zeugen S. , im Außenbereich einer in der Fußgängerzone von L. gelegenen Bäckerei saß. Er fühlte sich durch die Anwesenheit des Zeugen Ka. in seinem Wohnviertel bedroht und beschloss , ihm einen "Denkzettel" zu verpassen und ihm zu zeigen, dass er sich keine weiteren Bedrohungen gefallen lassen werde, sondern sich wehren könne ; er beschloss daher, Özk. Ka. mit einer Waffe anzugreifen. Er begab sich zurück zu seiner Wohnung, holte von dort eine halbautomatisches Faustfeuerwaffe der Marke FN, Modell 1910, Kaliber 7,65 mm Browning, die er mehrere Monate zuvor beschafft, aber noch nicht ausprobiert hatte, und begab sich auf einem Umweg zurück zum Cafe, um von Özk. Ka. nicht gesehen zu werden. Er richtete die mit scharfer Munition geladene Waffe auf den wenige Meter entfernt sitzenden, ahnungslosen Özk. Ka. und gab in unmittelbarer Abfolge zwei Schüsse auf ihn ab. Dabei war ihm bewusst, dass er den Zeugen Ka. tödlich treffen konnte; dies nahm er in Kauf. Zugleich war ihm klar, dass Özk. Ka. sich keines Angriffs versah und deshalb arg- und wehrlos war. Tatsächlich hatte Özk. Ka. den Angeklagten – anders als sein Freund S. - vor Abgabe der Schüsse nicht wahrgenommen, aus dem besorgten Gesichtsausdruck seines Freundes jedoch geschlossen, dass etwas nicht stimme. Er sprang daher im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit den beiden Schüssen auf, stieß den vor ihm stehenden Tisch um, floh in den Verkaufsraum der Bäckerei und suchte hinter einem Betonpfeiler Schutz. Der Angeklagte verfolgte ihn und zielte durch die Glasscheibe weiterhin auf ihn. Özk. Ka. floh schließlich über die Straße; der Angeklagte folgte ihm und gab einen weiteren Schuss auf den Fliehenden ab, ohne ihn zu treffen. Die weitere Verfolgung des Zeugen Ka. gab der auf einen Gehstock angewiesene Angeklagte in dem Bewusstsein auf, dass er ihn aufgrund seiner eingeschränkten Bewegungsfähigkeit nicht werde einholen können.
5
Einer der beiden ersten Schüsse verursachte eine Streifschussverletzung am rechten Handgelenk des Zeugen Ka. radialseitig und blieb im vorderen Querholm des Stuhls stecken, auf dem der Zeuge zuvor gesessen hatte. Das andere Projektil durchschlug etwa in Kniehöhe das rechte Hosenbein des Zeugen S. , ohne ihn zu verletzen.
6
2. Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung dahin eingelassen, dass er Ka. , der ihn kurz zuvor erneut mit dem Tode bedroht habe, nicht habe treffen wollen. Er habe beim türkischen Militär als "ausgezeichneter Schütze" gegolten und habe Ka. absichtlich verfehlt. Beim ersten der beiden Schüsse habe er "neben" den Zeugen Ka. gezielt; einen weiteren Schuss habe er in die Luft abgegeben, nachdem Ka. geflohen sei. Diese Einlassung hat das Schwurgericht als unwahre Schutzbehauptung bewertet und dabei unter anderem berücksichtigt, dass der Angeklagte im Rahmen der Exploration gegenüber der psychiatrischen Sachverständigen angegeben hatte, er habe den Zeugen Ka. nicht töten, sondern ihm einen "Denkzettel" verpassen wollen , weshalb er nicht auf Kopf oder Bauch, sondern "nur auf den Arm" des Zeugen gezielt habe.
7
3. Seine Überzeugung, dass der Angeklagte bei Abgabe der Schüsse die Möglichkeit des Todeseintritts erkannte und dies billigte, hat das Landgericht unter anderem damit begründet, dass "jeder auf einen Menschen gerichtete Schuss mit einer scharfen Waffe […] wegen der außergewöhnlich großen Le- bensgefährlichkeit den Schluss auf bedingten Tötungsvorsatz nahe" lege. Das Motiv des Angeklagten, dem Zeugen Ka. einen "Denkzettel" zu verpassen, spreche nicht gegen bedingten Tötungsvorsatz, weil es "in der Natur der Sache" liege, dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter in Verfolgung seines anders gelagerten Handlungsantriebs in der Regel über kein Tötungsmotiv verfüge.

II.


8
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg. Die Erwägungen des Landgerichts zur subjektiven Tatseite halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Vorliegen des voluntativen Elements des bedingten Tötungsvorsatzes ist nicht tragfähig begründet.
9
1. Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (Senat, Urteil vom 16. September 2015 – 2 StR 483/14, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702). Die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ist dabei ein wesentlicher Indikator für das Vorliegen beider Elemente des bedingten Tötungsvorsatzes (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 – 5 StR 435/14, NStZ 2015, 216). Hinsichtlich des Willenselements sind neben der konkreten Angriffsweise regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die erforderliche umfassende Gesamtbetrachtung einzubeziehen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2000 – 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51).
10
a) Zwar liegt es bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne dabei zu Tode kommen, und dass er, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt oder fortsetzt, einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (Senat, Beschluss vom 27. August 2013 – 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35). Der Schluss von einer besonders gefährlichen Gewalthandlung auf einen bedingten Tötungsvorsatz ist jedoch nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter auch die im Einzelfall in Betracht kommenden Umstände in seine Erwägungen einbezogen hat, die den Vorsatz in Frage stellen können (Senat, Urteil vom 26. November 2014 – 2 StR 54/14, NStZ 2015, 516, 517; Urteil vom 27. August 2013 – 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35). Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Täter die Gefahr des Eintritts eines tödlichen Erfolgs ausnahmsweise nicht erkannt oder jedenfalls darauf vertraut hat, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten, ist der Tatrichter verpflichtet, sich hiermit auseinander zu setzen (Senat, Urteil vom 16. September 2015 – 2 StR 483/14, juris Rn. 15).
11
b) Diese Grundsätze gelten auch in Fallkonstellationen, in denen ein Angeklagter mit einer scharfen Schusswaffe auf sein Tatopfer schießt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 1995 – 4 StR 642/95, StV 1997, 7; Urteil vom 8. Juni 1993 – 5 StR 88/93, NStZ 1993, 488 f.). Zwar handelt es sich in der Regel um eine besonders gefährliche Gewalthandlung, in der bedingter Tötungsvorsatz nahe liegt. Dies enthebt den Tatrichter indes nicht von der Verpflichtung , die subjektive Tatseite unter Berücksichtigung aller für und gegen sie sprechenden Umstände sorgfältig zu prüfen.
12
2. Diesen Anforderungen genügt die tatrichterliche Beweiswürdigung in mehrfacher Hinsicht nicht.
13
a) Bereits die tatrichterliche Erwägung, "jeder auf einen Menschen gerichtete Schuss mit einer scharfen Waffe" lege "wegen der außergewöhnlich großen Lebensgefährlichkeit den Schluss auf bedingten Tötungsvorsatz nahe" (UA S. 27), lässt besorgen, dass der Tatrichter das Erfordernis einer umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände nicht hinreichend beachtet hat. Zwar kann der auf einen Menschen abgegebene Schuss mit einer scharfen Waffe wegen der außergewöhnlich großen Lebensgefährlichkeit den Schluss auf bedingten Tötungsvorsatz nahe legen (BGH, a.a.O., StV 1997, 7). Jedoch verbietet sich auch in dieser Fallkonstellation jede schematische Lösung (Schneider, MüKo StGB 2. Aufl. § 212 Rn. 22). Dies gilt auch bei Abgabe von Schüssen aus kurzer Distanz (vgl. Senat, Beschluss vom 1. April 1998 – 2 StR 620/97; Altvater , NStZ 1999, 18).
14
b) Soweit das Landgericht dem Motiv des Angeklagten, dem Zeugen Ka.einen "Denkzettel" zu verpassen, jeden Indizwert für die subjektive Tatsei- te abgesprochen hat, begegnet auch dies Bedenken. Der tatrichterliche Hinweis , wonach es "in der Natur der Sache" liege, "dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter in Verfolgung seines anders gelagerten Handlungsantriebs in der Regel über kein Tötungsmotiv" verfüge (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318), greift zu kurz. Zwar trifft es zu, dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter kein Tötungsmotiv im engeren Sinne hat, weil er den tödlichen Erfolg nicht erstrebt , sondern seinen Eintritt lediglich in Kauf nimmt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dem von einem Tötungsmotiv zu unterscheidenden konkreten Handlungsantrieb keine Indizwirkung für die Frage zukommt, ob der Täter mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443). Die Art des jeweiligen Handlungsantriebs kann Hinweise auf die Stärke des vom Täter empfundenen Tatanreizes und damit auch auf seine Bereitschaft geben, zur Erreichung seines Handlungsziels gegebenenfalls schwerste Folgen in Kauf zu nehmen (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 445).
15
Der hier festgestellte Handlungsantrieb des Angeklagten, seinem Tatopfer die eigene Wehrhaftigkeit vor Augen zu führen, es in seine Schranken zu verweisen und ihm für die ausgesprochene Todesdrohung einen "Denkzettel" zu verpassen, ist im Rahmen der gebotenen umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318; Urteil vom 22. Oktober 2002 – 5 StR 275/02, NStZ-RR 2003, 39, 40; Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7, 8; Urteil vom 9. September 1986 – 5 StR 98/86, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 4). Er könnte gegen das Vorliegen des voluntativen Elements des bedingten Tötungsvorsatzes sprechen, weil insbesondere das Motiv, dem Tatopfer einen „Denkzettel“ zu verpassen, einÜberleben des Tatopfers voraussetzt.
16
c) Das Landgericht hat darüber hinaus nicht erkennbar in seine Erwägungen eingestellt, dass der Angeklagte den Zeugen Ka. tatsächlich verfehlt hat, obwohl er aus einer geringen Entfernung von wenigen Metern zweimal auf den arglosen und ihm den Rücken zuwendenden Zeugen schoss. Schließlich hätte es im Rahmen der umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände auch eines Eingehens auf die Persönlichkeit des Angeklagten, sein Verhältnis zur Anwendung körperlicher Gewalt zur Durchsetzung seiner Handlungsziele sowie seiner Fähigkeit zur Kontrolle aggressiver Impulse bedurft. Hierzu hätte vorliegend Anlass bestanden, weil das Schwurgericht eine mit einer posttraumatischen Belastungsstörung einher gehende besondere Reizbarkeit und Aggressivität des Angeklagten festgestellt hat.
17
3. Um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubewertung aller Tatumstände zu ermöglichen, waren neben den Feststellungen zur inneren Tatseite auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufzuheben. Die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlicher gefährlicher Körperverletzung kann nicht bestehen bleiben (vgl. Gericke, in KK-StPO 7. Aufl. § 353 Rn. 12). Fischer Krehl Eschelbach Zeng Bartel

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2015 - 2 StR 312/15

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(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.
Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2015 - 2 StR 312/15 zitiert 6 §§.

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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

14
Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH NStZ 2011, 699). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter be- kannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator (vgl. BGH NStZ 2012, 443, 444). Bei der Würdigung des Willenselements sind neben der konkreten Angriffsweise regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die Betrachtung einzubeziehen (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51; BGH NStZ-RR 2007, 267, 268; NStZ-RR 2009,

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 502/10
vom
27. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a. zu Ziff. 1
wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge u.a. zu Ziff. 2
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Januar
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
die Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten A. ,
Rechtsanwälte
als Nebenkläger-Vertreter für Roswitha und Gerhard O. ,
Rechtsanwalt
als Nebenkläger-Vertreterin für Ronja A. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 4. Mai 2010 bezüglich des Angeklagten A. dahin abgeändert, dass die von diesem in Portugal erlittene Auslieferungshaft im Maßstab 1:1 auf die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe anzurechnen ist. 2. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft bezüglich des Angeklagten A. , ihr Rechtsmittel bezüglich des Angeklagten S. sowie die Revisionen der Nebenkläger und der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. 3. Die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie die den Angeklagten hierdurch und durch die Rechtsmittel der Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenkläger je zur Hälfte. Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Nötigung und mit Beteiligung an einer Schlägerei zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten S. hat es wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Beihilfe zur Beteiligung an einer Schlägerei und mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Zudem hat es gegen beide Angeklagte Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet und bestimmt, dass die vom Angeklagten A. in dieser Sache in Portugal erlittene Freiheitsentziehung auf die verhängte Freiheitsstrafe in der Weise angerechnet wird, dass ein Tag Auslieferungshaft zwei Tagen inländischer Haft entspricht.
2
Gegen das Urteil richten sich die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, der Nebenkläger und der Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger beanstanden das Verfahren und erheben die Sachrüge. Die Staatsanwaltschaft wendet sich insbesondere gegen die Feststellungen und die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite; zudem bemängelt sie die fehlende Prüfung der Unterbringung des Angeklagten A. in der Sicherungsverwahrung. Die Nebenkläger begehren unter anderem eine Verurteilung der Angeklagten auch wegen (schweren) Raubes mit Todesfolge. Die Angeklagten rügen ebenfalls die Anwendung des sachlichen Rechts. Der Angeklagte A. beanstandet insbesondere den Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge sowie die Bewertung der Nötigung als besonders schweren Fall. Der Angeklagte S. meint, der Tatbestand des § 231 StGB sei nicht gegeben, weil es sich nicht um eine Schlägerei im Sinne dieser Vorschrift gehandelt habe; ferner beanstandet auch er die Annahme eines besonders schweren Falls der Nötigung.
3
Erfolg hat in geringem - aus dem Tenor ersichtlichem - Umfang lediglich das zum Nachteil des Angeklagten A. eingelegte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft. Im Übrigen sind die Revisionen unbegründet.

I.


4
Das Schwurgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
5
Die beiden Angeklagten waren Mitglieder der "Hells Angels", der Angeklagte A. als Vollmitglied ("full member"), der Angeklagte S. als Unterstützer ("supporter"). Dirk O. - das Tatopfer - war Vollmitglied der "Outlaws" und Präsident des "Chapters" Donnersbergkreis.
6
Am 24. Juni 2009 hatte der Angeklagte S. in Bad Kreuznach aus ungeklärten Gründen eine körperliche Auseinandersetzung mit Tobias L. , einem Mitglied des dortigen neu gegründeten Outlaws-Chapters, an deren Ende er von Tobias L. darauf hingewiesen wurde, dass Bad Kreuznach "OutlawGebiet" sei.
7
Am Nachmittag des 26. Juni 2009 trafen sich die Angeklagten in Landstuhl unter anderem mit Björn Sch. , der ebenfalls - als Anwärter ("prospect") - den Hells Angels angehörte. Sie beschlossen, nach Bad Kreuznach zu fahren, um dort "Präsenz zu zeigen"; gegebenenfalls wollten sie auch einem Mitglied der Outlaws wegen des Vorfalls vom 24. Juni 2009 eine "Abreibung verpassen". Gegen 20.00 Uhr brachen die Angeklagten und Björn Sch. in einem angemieteten Pkw nach Bad Kreuznach auf. Dort sahen sie zwar einen Motorradfahrer in "Rockerkluft", konnten ihm aber nicht folgen. Sie beschlossen daher, nach Marnheim zur Gaststätte "I. " zu fahren, dem Treffpunkt der Outlaws in deren neu gegründetem Chapter im Donnersbergkreis , um diese auszukundschaften und - so das Vorhaben des Angeklagten A. und von Björn Sch. - eine nicht näher bestimmte "Aktion" gegen dieses Chapter durchzuführen.
8
Etwa um 23.00 Uhr verließen mehrere Mitglieder der Outlaws, unter anderem Dirk O. , das "I. " und fuhren nach Kirchheimbolanden. Die Angeklagten und Björn Sch. folgten ihnen. Während sich die Mitglieder der Outlaws in einer Gaststätte aufhielten, fassten der Angeklagte A. und Björn Sch. den Entschluss, dem - von ihnen als solchem erkannten - Vollmitglied der Outlaws bei sich bietender Gelegenheit die "Kutte", also die mit Aufnähern versehene Lederweste, abzunehmen, um hierdurch "ein Zeichen gegen die Outlaws zu setzen" sowie "Präsenz zu zeigen" und den Outlaws deutlich zu machen, dass deren Gebietsanspruch nicht akzeptiert werde. Den Angeklagten und Björn Sch. war dabei klar, dass es zu einer "harten körperlichen Auseinandersetzung" auch mit Waffen und Werkzeugen kommen kann. Ihnen war bewusst, dass ihr Handeln "auch den Tod des anzugreifenden Rockers nach sich ziehen könnte", sie vertrauten aber darauf, dass insbesondere wegen ihrer körperlichen und zahlenmäßigen Überlegenheit "ein lebensgefährliches Ausmaß der Gewaltanwendung nicht notwendig sein werde". Ein solcher tödlicher Ausgang war den Angeklagten unerwünscht; der Angeklagte A. fürchtete bei einem "tödlichen Zwischenfall" clubinterne Sanktionen, der Angeklagte S. , der als einziges Mitglied der Hells Angels im Donnersbergkreis wohnte, befürchtete eine "Retourkutsche" der Outlaws.
9
Nachdem die Outlaws die Gaststätte verlassen hatten, folgten die Angeklagten - der Angeklagte S. als Fahrer - und Björn Sch. mit ihrem Pkw zwei Motorrädern der Outlaws, wobei sie die Stellung deren Fahrer als "full member" bzw. "prospect" erkannten, das Vollmitglied aber nicht als Dirk O. und den dortigen Chapter-Präsidenten identifizierten. Nachdem der zweite Motorradfahrer abgebogen war, fuhren Dirk O. und hinter ihm die Angeklagten und Björn Sch. gegen 23.50 Uhr auf der Landstraße 386 in Richtung Stetten. Der Angeklagte A. und Björn Sch. beschlossen nunmehr, Dirk O. zu überholen und zum Anhalten zu bringen, um ihm die Kutte abnehmen zu können. Auf Weisung des Angeklagten A. überholte der Angeklagte S. das Motorrad und bremste den Pkw anschließend bis zum Stillstand stark ab, wobei er darauf achtete und darauf vertraute, dass es nicht zu einer Kollision kam und Dirk O. nicht stürzte. Dirk O. gelang es wenige Meter hinter dem Pkw anzuhalten, wobei die Strafkammer ungeachtet einer Blockierspur von 13,3 Metern Länge nicht festzustellen vermochte, dass dabei tatsächlich die Gefahr bestand, er werde mit dem Pkw kollidieren oder stürzen.
10
Während der Angeklagte S. - auch in der Folgezeit - in dem Pkw verblieb, sprangen der Angeklagte A. und Björn Sch. aus dem Fahrzeug , liefen auf Dirk O. zu und zogen diesen von seinem Motorrad herunter. Sodann schnitten sie mit einem Messer die rechte Hosentasche des Dirk O. auf, in der er - erkennbar - ein Messer mitführte, und warfen dieses Messer weg. Nachdem ein entgegenkommender Pkw vorbeigefahren war und Dirk O. das umgefallene Motorrad aufgerichtet hatte, um mit diesem zu fliehen, versetzte Björn Sch. Dirk O. sechs Stiche kurz unterhalb des Arms in die rechte Seite. Er handelte dabei aus Verärgerung darüber, dass "das gesamte Vorhaben" durch das zufällige Erscheinen des Pkws zu scheitern gedroht hatte, und wollte der "Aktion" endgültig und sicher zum Erfolg verhelfen. "Dass der Dirk O. dabei sterben könnte, war ihm klar, jedoch auch egal". Der Angeklagte A. sah diese nicht abgesprochene Messerattacke, konnte allerdings nicht mehr eingreifen; er ging - wie auch der Angeklagte S. - davon aus, dass das Opfer bereits tödlich verletzt sei und jede, auch eine sofort herbeigerufene Hilfe zu spät kommen werde. Er und Björn Sch. zogen Dirk O. die Kutte aus, um diese mitzunehmen. Welche Motivation dieser Wegnahme zugrunde lag, vermochte die Strafkammer nicht festzustellen, insbesondere konnte sie nicht ausschließen, dass der Tatplan von vorneherein vorsah, die Kutte "zu vernichten" bzw. "verschwinden" zu lassen, damit sie nicht in die Hände der Outlaws gelangt. Sodann versetzte Björn Sch. ebenfalls ohne Absprache mit dem Angeklagten A. Dirk O. einen weiteren Messerstich in den Rücken, der zu einer Querschnittlähmung führte.
11
Infolge der Stiche in die Seite und des dadurch eingetretenen Blutverlustes verstarb Dirk O. am 27. Juni 2009 um 2.17 Uhr.

II.


12
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben keinen (Rechtsmittel der Nebenkläger) bzw. nur in geringem Umfang Erfolg (Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft).
13
1. Die von Staatsanwaltschaft und den Nebenklägern erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
14
Die Rügen, das Landgericht habe seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt , dass es keinen "in so genannten Motorradclubs … szenekundigen, erfahrenen Ermittlungsbeamten eines Landeskriminalamts oder einer sonst überörtlich zuständigen Polizeidienststelle oder einen Kriminalwissenschaftler" zu deren "Herrschaftsgefüge, Befehlsstrukturen, Riten und Verhaltenskodizes" ange- hört hat, sind unzulässig. Denn die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger teilen nicht in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise mit, warum sich eine solche Beweiserhebung entgegen und trotz der Ausführungen des Schwurgerichts zu einem nicht zu erwartenden weiteren Erkenntnisgewinn durch eine solche Beweisaufnahme (UA 80) aufgedrängt haben soll, nachdem das Gericht - neben einer Vielzahl weiterer Polizeibeamter sowie mehrerer Zeugen aus "Rockerkreisen" - auch die dem Polizeipräsidium Mainz angehörende Sachbearbeiterin vernommen und diese über die Informationen berichtet hat, die ihr "im Bereich der organisierten Kriminalität erfahrene Kollegen" unter anderem zum "Trophäenkult mit Kutten" gegeben hatten. So wird insbesondere die in den Revisionsbegründungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger angesprochene polizeiliche Vernehmung des Angeklagten S. nicht vollständig mitgeteilt; die Staatsanwaltschaft hat es zudem unterlassen , den von ihr zitierten polizeilichen Abschlussbericht vollständig vorzutragen.
15
Soweit die Staatsanwaltschaft ferner einen Verstoß gegen § 261 StPO beanstandet und geltend macht, das Gericht habe in Zusammenhang mit dem Fluchtversuch des Dirk O. Feststellungen zu "inneren Vorgängen (Überlegungen )" beim Tatopfer getroffen, ohne hierfür über eine "äußere Grundlage" zu verfügen, fehlt es jedenfalls am Beruhen des Urteils auf einer etwaigen Gesetzesverletzung.
16
Erfolglos ist auch die von zwei Nebenklägern in Zusammenhang mit der Zurückweisung einer Frage an den Zeugen G. erhobene Aufklärungsrüge. Insofern verweist der Generalbundesanwalt zutreffend darauf, dass dem Zeugen G. das von ihm geltend gemachte Auskunftsverweigerungsrecht zustand.
17
2. Auch die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat - abgesehen von der Entscheidung bezüglich des Angeklagten A. nach § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 StGB aufgrund des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft - keinen Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten ergeben.
18
a) Das Schwurgericht hat die Angeklagten auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zu Recht nicht wegen besonders schweren Raubes (mit Todesfolge) oder besonders schwerer räuberischer Erpressung (mit Todesfolge) verurteilt.
19
aa) Ein besonders schwerer Raub (mit Todesfolge) liegt - wie ersichtlich auch der Generalbundesanwalt meint - nicht vor.
20
(1) Täter - auch Mittäter - kann beim Raub nur sein, wer bei der Wegnahme die Absicht hat, sich oder einem Dritten die fremde Sache rechtswidrig zuzueignen. Hierfür genügt, dass der Täter die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder den Dritten haben und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem des Dritten “einverleiben” oder zuführen will. Dagegen ist nicht erforderlich, dass der Täter oder der Dritte die Sache auf Dauer behalten soll oder will (BGH, Urteil vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812 mwN).
21
An der Voraussetzung, dass der Wille des Täters auf eine Änderung des Bestandes seines Vermögens oder das des Dritten gerichtet sein muss, fehlt es in Fällen, in denen er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie „zu zerstören”, „zu vernichten”, „preiszugeben”, „wegzuwerfen”, „beiseitezuschaffen” oder „zu beschädigen” (BGH, Urteile vom 10. Mai 1977 - 1 StR 167/77, NJW 1977, 1460; vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812 jeweils mwN). Der etwa auf Hass- und Rachegefühlen beruhende Schädigungswille ist zur Begründung der Zueignungsabsicht ebenso wenig geeignet wie der Wille, den Eigentümer durch bloßen Sachentzug zu ärgern (BGH, Urteil vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812, 813 mwN; Beschluss vom 15. Juli 2010 - 4 StR 164/10). In solchen Fällen genügt es auch nicht, dass der Täter - was grundsätzlich ausreichen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1980 - 2 StR 224/80, NStZ 1981, 63) - für eine kurze Zeit den Besitz an der Sache erlangt.
22
(2) Hiervon ausgehend handelten die Angeklagten und Björn Sch. nach den vom Schwurgericht getroffenen Feststellungen in Bezug sowohl auf die Kutte von Dirk O. als auch dessen Messer ohne die für eine Verurteilung wegen Raubes erforderliche Zueignungsabsicht.
23
Zwar diente die Wegnahme der Kutte nach dem Tatplan "dem Ziel, diesem Outlaw im speziellen und den sich neuangesiedelten Outlaws im Allgemeinen gegenüber 'Präsenz zu zeigen' und ihnen klarzumachen, dass mit den in der Nähe angesiedelten Hells Angels stets zu rechnen ist". Eine über die Enteignung hinausgehende Zueignungsabsicht konnte die Strafkammer jedoch nicht feststellen (UA 17: "Ein weiteres Interesse an der zu erlangenden Kutte, etwa als Tauschobjekt, Arbeitsnachweis oder zum 'Angeben', war nicht feststellbar" ). Vielmehr vermochte sie nicht auszuschließen, "dass der Tatplan von vornherein vorsah, die Kutte zu vernichten." (UA 79). Entsprechendes gilt für das Dirk O. abgenommene Messer, das der Angeklagte A. und Björn Sch. sofort nach der Entwaffnung ihres Opfers wegwarfen (UA 20, 55).
24
Die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung ist - wie auch im Übrigen - aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen zu verschaffen, obliegt grundsätzlich allein dem Tatrichter. Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen, es ist ihm verwehrt, sie durch eine eigene zu ersetzen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. Juni 2007 - 2 StR 161/07). Nach der durch § 261 und § 337 StPO vorgegebenen Aufgabenverteilung zwischen Tat- und Revisionsgericht kommt es nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn vom Tatrichter getroffene Feststellungen „lebensfremd“ erscheinen mögen (BGH, Urteile vom 27. Oktober 2010 - 5 StR 319/10; vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 285/10 mwN). Denn der vom Gesetz verwendete "Begriff der Überzeugung schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Sachverhalts nicht aus; vielmehr gehört es gerade zu ihrem Wesen, dass sie sehr häufig dem objektiv möglichen Zweifel ausgesetzt bleibt. Denn im Bereich der vom Tatrichter zu würdigenden Tatsachen ist der menschlichen Erkenntnis bei ihrer Unvollkommenheit ein absolut sicheres Wissen über den Tathergang, demgegenüber andere Möglichkeiten seines Ablaufs unter allen Umständen ausscheiden müssten, verschlossen. Es ist also die für die Schuldfrage entscheidende , ihm allein übertragene Aufgabe des Tatrichters, ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht“ (so bereits BGH, Urteil vom 9. Februar 1957 - 2 StR 508/56, BGHSt 10, 208, 209; zuletzt BGH, Urteil vom 9. November 2010 - 5 StR 297/10). Ist das Tatgericht – wie vorliegend – ausgehend von einer lückenlosen Tatsachengrundlage im Rahmen einer Bewertung der erhobenen Beweise im Einzelnen (UA 79 ff.) sowie in einer Gesamtschau (UA 82) zu der möglichen - hier sogar plausiblen - Schlussfolgerung gelangt, die erhobenen Beweise seien mangels nachgewiesener Zueignungsabsicht nicht geeignet, eine Verurteilung der Angeklagten wegen (schweren) Raubes mit Todesfolge zu tragen, hat dies – nicht anders als in gegenteiligen Verurteilungsfällen – als möglicher Schluss des Tatgerichts in der Revisionsinstanz Bestand. Die vom Revisionsgericht nicht mehr hinzunehmende, einen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten begründende Grenze der Denkfehlerhaftigkeit wird vom Schwurgericht nirgendwo überschritten (zu diesen Maßstäben: BGH, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 5 StR 319/10).
25
bb) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts liegt nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen aber auch eine besonders schwere räuberische Erpressung (mit Todesfolge) nicht vor.
26
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine (besonders schwere) räuberische Erpressung zwar auch derjenige begehen, der das Opfer mit Gewalt dazu zwingt, die Wegnahme einer Sache zu dulden (BGH, Urteil vom 30. August 1973 - 4 StR 410/73, BGHSt 25, 224, 228 mwN), eine Verurteilung wegen Raubes aber daran scheitert, dass die dafür erforderliche Zueignungsabsicht nicht vorliegt bzw. nicht nachweisbar ist (BGH, Urteile vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 388, 390 f.; vom 6. August 1991 - 1 StR 430/91, BGHR StGB § 255 Konkurrenzen 2; Beschluss vom 12. Januar 1999 - 4 StR 685/98, NStZ-RR 1999, 103).
27
Eine Verurteilung wegen räuberischer Erpressung erfordert jedoch die Absicht, sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern. Diese Tatbestandsvoraussetzung des § 253 StGB deckt sich inhaltlich mit der beim Betrug vorausgesetzten Bereicherungsabsicht (BGH, Urteile vom 3. Mai 1988 - 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; vom 3. März 1999 - 2 StR 598/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 9). Sie setzt nach dem in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertretenen wirtschaftlichen Vermögensbegriff deshalb voraus, dass der erstrebte Vorteil zu einer objektiv günstigeren Gestaltung der Vermögenslage für den Täter oder den Dritten führen soll (BGH, Urteil vom 3. März 1999 - 2 StR 598/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 9 mwN; ähnlich: BGH, Urteil vom 4. April 1995 - 1 StR 772/94, NStZ 1996, 39; Beschluss vom 2. Mai 2001 - 2 StR 128/01, NStZ 2001, 534), also eine Erhöhung des wirtschaftlichen Wertes des Vermögens angestrebt wird (BGH, Urteile vom 3. Mai 1988 - 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; vom 3. März 1999 - 2 StR 598/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 9 mwN).
28
Als ein solcher Vermögenszuwachs kann auch die Erlangung des Besitzes an einer Sache bewertet werden und zwar selbst bei einem nur vorübergehenden Besitzwechsel (BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 388 f.). Jedoch ist der bloße Besitz in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in den Fällen als Vermögensvorteil anerkannt, in denen ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt (BGH, Urteil vom 17. August 2001 - 2 StR 159/01, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 2), was regelmäßig lediglich dann zu bejahen ist, wenn mit dem Besitz wirtschaftlich messbare Gebrauchsvorteile verbunden sind, die der Täter oder der Dritte nutzen will (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 1995 - 2 StR 303/95, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 1 mwN; SSW-StGB/Satzger, § 263 Rdn. 98; zum Besitz an einem Kraftfahrzeug: BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 388 f.; Beschluss vom 24. April 1990 - 5 StR 111/90, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögensschaden 7; Urteil vom 4. April 1995 - 1 StR 772/94, NStZ 1996, 39; Beschluss vom 12. Januar 1999 - 4 StR 685/98, NStZ-RR 1999, 103; ähnlich für den Betrug: BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 - 4 StR 58/08, NStZ 2008, 627).
29
Dagegen genügt - wie beim Raub - nicht, wenn der Täter zwar kurzzeitigen Besitz begründen will, die Sache aber unmittelbar nach der Erlangung vernichtet werden soll (BGH, Beschluss vom 27. Juli 2004 - 3 StR 71/04, NStZ 2005, 155 mwN; Vogel in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 253 Rn. 29; Eser/Bosch in Schönke/Schröder, 28. Aufl., § 253 Rn. 17). Ebenso wenig reicht es aus, wenn der Täter den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt (BGH, Urteil vom 3. Mai 1988 - 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; ähnlich BGH, Beschluss vom 19. August 1987 - 2 StR 394/87, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 1) und allein einen anderen als einen wirtschaftlichen Vorteil erstrebt (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1971 - 4 StR 397/71).
30
Auf dieser Grundlage fehlt es an einer Bereicherungsabsicht der Angeklagten bzw. des Björn Sch. in Bezug auf die Kutte des Dirk O. und dessen Messer. Denn das Landgericht vermochte - wie oben ausgeführt - nicht auszuschließen, dass der Tatplan von vornherein vorsah, die Kutte zu vernichten und das Messer sofort wegzuwerfen.
31
b) Da die Angeklagten sowie Björn Sch. weder einen Raub noch eine räuberische Erpressung beabsichtigt haben, kommt auch eine Verurteilung wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer gemäß § 316a StGB nicht in Betracht.
32
c) Das Schwurgericht hat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen die Angeklagten zu Recht nicht wegen Täterschaft oder Teilnahme an der vorsätzlichen Tötung des Dirk O. verurteilt.
33
aa) Einen Tötungsvorsatz der Angeklagten hat es rechtsfehlerfrei als nicht erwiesen erachtet.
34
(1) Das Willenselement des bedingten Vorsatzes ist bei Tötungsdelikten nur gegeben, wenn der Täter den von ihm als möglich erkannten Eintritt des Todes billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen damit abfindet. Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn er mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft - nicht nur vage - darauf vertraut, der Tod werde nicht eintreten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 mwN). Dabei genügt für eine vorsätzliche Tatbegehung, dass der Täter den konkreten Erfolgseintritt akzeptiert und er sich innerlich mit ihm abgefunden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - 2 StR 50/08, NStZ 2008, 451 mwN), mag er auch seinen Wünschen nicht entsprochen haben (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372, 373; ähnlich zum unerwünschten Erfolg bereits BGH, Urteil vom 22. April 1955 - 5 StR 35/55, BGHSt 7, 363, 369). Hatte der Täter dagegen begründeten Anlass darauf zu vertrauen und vertraute er darauf, es werde nicht zum Erfolgseintritt kommen, kann bedingter Vorsatz nicht angenommen werden (BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - 2 StR 50/08, NStZ 2008, 451).
35
Da beide Schuldformen im Grenzbereich eng beieinander liegen, ist bei der Prüfung, ob der Täter vorsätzlich gehandelt hat, eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände geboten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 mwN); sowohl das Wissens - als auch das Willenselement muss grundsätzlich in jedem Einzelfall geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 340/06, NStZ 2007, 150, 151; Beschluss vom 8. Mai 2008 - 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91 jeweils mwN). Insbesondere bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements ist es regelmäßig erforderlich, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung sowie seine Motivation und die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände - insbesondere die konkrete Angriffsweise - mit in Betracht zieht (BGH, Beschluss vom 1. Juni 2007 - 2 StR 133/07, NStZ-RR 2007, 267; Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZRR 2009, 372 jeweils mwN). Dabei liegt zwar die Annahme einer Billigung des Todes des Opfers nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz erkannter Lebensgefährlichkeit durchführt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 340/06, NStZ 2007, 150, 151; vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.; vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372 jeweils mwN). Allein aus dem Wissen um den möglichen Erfolgseintritt oder die Gefährlichkeit des Verhaltens kann aber nicht ohne Berücksichtigung etwaiger sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebender Besonderheiten geschlossen werden, dass auch das Willenselement des Vorsatzes gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2008 - 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91 mwN).
36
(2) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen wird das landgerichtliche Urteil gerecht. Die Strafkammer hat die rechtlichen Grundlagen für die Ab- grenzung des bedingten Tötungsvorsatzes von bewusster Fahrlässigkeit zutreffend gesehen und beachtet. Ihre Bewertung, Tötungsvorsatz bei den Angeklagten sei nicht erwiesen, weist keinen Rechtsfehler auf.
37
Nach den Feststellungen des Schwurgerichts wussten die Angeklagten, "dass es zur Erlangung der symbolträchtigen Kutte zu einer möglicherweise auch harten körperlichen Auseinandersetzung mit dem gegnerischen Rocker" und "auch zum Einsatz von Waffen und Werkzeugen - wie etwa Schlaghölzern, Reizgas, Schlagstöcken, Motocrosshandschuhen und evtl. auch Messern - kommen könnte". Ihnen war "bewusst …, dass derartige Aktionen … ein hohes, unter Umständen auch tödliches, Gewaltpotential in sich tragen" und ihr Handeln "aufgrund der Art der ggf. einzusetzenden Tatmittel auch den Tod des anzugreifenden Rockers nach sich ziehen könnte". Gleichwohl vermochte sich das Landgericht - rechtsfehlerfrei - nicht davon zu überzeugen, dass das Willenselement des bedingten Tötungsvorsatzes gegeben ist. Denn die Angeklagten vertrauten - wie das Schwurgericht ausführlich belegt - "im Hinblick auf ihre körperliche und auch zahlenmäßige Überlegenheit … darauf, dass ein lebensgefährliches Ausmaß der Gewaltanwendung nicht notwendig sein werde"; auch war ihnen aus unterschiedlichen Gründen ein tödlicher Ausgang unerwünscht.
38
bb) Der Generalbundesanwalt meint auf der Grundlage seiner rechtlichen Bewertung des Tatgeschehens als besonders schwere räuberische Erpressung mit Todesfolge unter Hinweis auf das Urteil des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. Dezember 2007 (1 StR 301/07, NStZ 2008, 280, 281 und Walter, NStZ 2008, 548), der Angeklagte A. sei Gehilfe des vorsätzlichen Tötungsdelikts, weil sich "durch das gemeinsame Ausziehen und Ansichnehmen der Kutte des dann zurückgelassenen tödlich Verletzten … sein Vorsatz sukzessive auf die zum Tod führende Gewalthandlung des Mittäters Sch. erstreckt" habe. Der Senat lässt offen, ob dem bei Vorliegen einer räuberischen Erpressung zu folgen wäre. Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben, da weder der Angeklagte A. noch Björn Sch. den Tatbestand des Raubes bzw. der räuberischen Erpressung (mit Todesfolge) verwirklicht haben. Kann bei mehreren nacheinander aktiv werdenden Tätern der Hinzutretende die weitere Tatausführung nicht mehr fördern, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges schon alles getan ist und bleibt deshalb sein eigenes Handeln ohne Einfluss auf den späteren Tod des Geschädigten, kommt eine Zurechnung nach den Grundsätzen der (sukzessiven) Mittäterschaft trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 4 StR 164/09, NStZ 2009, 631, 632). Allein eine nachträgliche Billigung der tödlichen Gewalt kann deshalb jedenfalls im vorliegenden Fall eine strafbare Verantwortlichkeit des Angeklagten A. für die bereits abgeschlossene Tötungshandlung nicht begründen (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1984 - 4 StR 526/84 mwN). Dies gilt auch für die vom Generalbundesanwalt bejahte Beihilfe zum Mord und bezieht sich in gleicher Weise auf den Angeklagten S. .
39
d) Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist den Angeklagten auch der zur Querschnittlähmung des Opfers führende (letzte) Messerstich des Björn Sch. nicht zuzurechnen.
40
Eine solche Zurechnung scheidet aus, wenn der unmittelbare Täter dem Opfer den weiteren Stich nicht mehr im Rahmen verabredeter Gewaltanwendung beibrachte, der Dritte die (weitere) Gewaltanwendung weder gebilligt noch zu ihr gefahrerhöhend beigetragen hat und er deren Folgen auch nicht dazu ausnutzen wollte, den Besitz von durch die Tat erlangten Vermögenswerten zu erhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2009 - 2 StR 259/09, NStZ 2010, 33, 34). So verhält es sich hier. Der Messerstich erfolgte nach der Wegnahme der Kutte, er entsprach nicht dem Tatplan, sondern wurde "ohne weitere Absprache" mit dem Angeklagten A. von Björn Sch. ausgeführt, um (nicht ausschließbar) "ganz sicher zu gehen, dass dieser [also Dirk O. ] versterbe" (UA 63).
41
e) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts haben sich die Angeklagten auch nicht der Täterschaft oder Teilnahme an einem versuchten vorsätzlichen Tötungsverbrechen durch Unterlassen schuldig gemacht.
42
Denn eine Handlungspflicht des Garanten für das Leben eines anderen entfällt, wenn die gebotenen Rettungsbemühungen sicher erfolglos geblieben wären (BGH, Urteil vom 16. Februar 2000 - 2 StR 582/99, NStZ 2000, 414, 415; Weigend in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 13 Rdn. 63). Das ist nach den von der Strafkammer rechtsfehlerfrei getroffenen und tragfähig begründeten Feststellungen der Fall. Danach ging der Angeklagte A. - der objektiven Lage entsprechend (UA 78 f.) - nach der ersten Messerattacke des Björn Sch. davon aus, "dass der Outlaw durch die Messerstiche bereits tödlich verletzt sei" und selbst "bei sofort herbeigerufener Hilfe sterben" werde. Dasselbe hat das Landgericht bezüglich des Angeklagten S. festgestellt.
43
Da es durch das Sichentfernen der Angeklagten nicht zu einer Steigerung der für Dirk O. bestehenden Gefahr kam, haben sich die Angeklagten auch nicht nach § 221 StGB strafbar gemacht (vgl. SSW-StGB/Momsen, § 221 Rn. 10, 11).
44
f) Nach den getroffenen Feststellungen hat das Schwurgericht die Angeklagten zu Recht auch nicht des (versuchten) gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b StGB schuldig gesprochen.
45
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erfasst § 315b StGB ein vorschriftswidriges Verkehrsverhalten eines Fahrzeugführers nur dann, wenn dieser das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt, er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu "pervertieren" und er dabei mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz handelt (Beschluss vom 16. März 2010 - 4 StR 82/10 mwN; vgl. auch SSW-StGB/Ernemann, § 315b StGB Rn. 18). Einen solchen, mit dem Eingriff in den Straßenverkehr verbundenen Schädigungsvorsatz vermochte das Landgericht jedoch nicht festzustellen. Es kam vielmehr - rechtsfehlerfrei - zu der Erkenntnis, dass der Angeklagte S. darauf vertraute, dass Dirk O. weder zu Fall kommt, noch auf den Pkw auffährt und dass eine solche Gefahr auch objektiv nicht bestand. Eine versuchte Anstiftung durch den Angeklagten A. (§ 30 Abs. 1, § 315b Abs. 1, 3, § 315 Abs. 3 StGB) liegt nach den getroffenen Feststellungen nicht vor.
46
g) Soweit eine Verurteilung der Angeklagten nach § 323c StGB in Betracht kam (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2000 - 2 StR 582/99, NStZ 2000, 414, 415; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 323c Rn. 18), hat der Senat das Verfahren in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
47
h) Auch die Rechtsfolgenaussprüche weisen - abgesehen von der den Angeklagten A. betreffenden Entscheidung nach § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 StGB - keinen die Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler auf.
48
aa) Dies gilt auch, soweit der Generalbundesanwalt und die revisionsführende Staatsanwaltschaft beim Angeklagten A. die Prüfung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vermissen.
49
Denn es fehlt nach der vom Senat gemäß Art. 316e Abs. 2 EGStGB, § 354a StPO zu beachtenden, am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Neufassung des § 66 StGB an Vorstrafen, die die dort geforderten Voraussetzungen erfüllen (vgl. BT-Drucks. 17/3403 S. 50). Insbesondere die im Jahr 2005 erfolgte Verurteilung wegen Wohnungseinbruchdiebstahls und anderem ist nicht mehr geeignet, die Anordnung der Sicherungsverwahrung zu begründen.
50
bb) Die Revision der Staatsanwaltschaft führt jedoch zur Abänderung des Maßstabs für die Anrechung der in Portugal beim Angeklagten A. vollzogenen Auslieferungshaft, den das Landgericht mit 2:1 bestimmt hat.
51
Besondere Erschwernisse, die diesen Anrechnungsmaßstab rechtfertigen könnten, hat die Strafkammer - ersichtlich aufgrund des Schweigens des Angeklagten A. zur Person und zur Sache (UA 25) - nicht festgestellt. Im Hinblick darauf, dass in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union - auch in Portugal (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 5 StR 251/10) - grundsätzlich Anhaltspunkte für eine andere Anrechnung als im Verhältnis 1:1 nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen sind, hat der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO den Anrechnungsmaßstab selbst entsprechend bestimmt (BGH, Beschlüsse vom 4. Juni 2003 - 5 StR 124/03, BGHR StGB § 51 Abs. 4 Anrechnung 3; vom 4. Juli 2007 - 1 StR 298/07; vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 2005 - 2 BvR 1593/03).

III.


52
Die Revisionen der Angeklagten haben keinen Erfolg.
53
1. Das Rechtsmittel des Angeklagten A. ist unbegründet.
54
a) Seine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
55
Zwar kann einem Mittäter das Handeln eines anderen Mittäters, das über das gemeinsam Gewollte hinausgeht, grundsätzlich nicht zugerechnet werden (BGH, Urteil vom 5. August 2010 - 3 StR 210/10 Rn. 15 mwN). Handelt ein Mittäter aber mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz, ein anderer dagegen nur mit Verletzungsvorsatz, so ist letzterer - wenn er den tödlichen Ausgang für das Opfer vorhersehen konnte - zwar nicht wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts , aber wegen Körperverletzung mit Todesfolge strafbar (BGH, Urteil vom 19. August 2004 - 5 StR 218/04, NStZ 2005, 93 m. Anm. Heinrich). Wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung kann für deren Todesfolge, die ein anderer unmittelbar herbeigeführt hat, mithin auch derjenige bestraft werden, der die Verletzung nicht mit eigener Hand ausgeführt, jedoch aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses mit dem Willen zur Tatherrschaft zum Verletzungserfolg beigetragen hat, sofern die Handlung des anderen im Rahmen des beiderseitigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnisses lag und dem Täter hinsichtlich des Erfolges Fahrlässigkeit zur Last fällt (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 4 StR 164/09, NStZ 2009, 631, 632). Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei dem Mittäter das Wissenselement des Tötungsvorsatzes vorlag und dieser allein deshalb fehlte, weil es am Willenselement mangelte (vgl. auch BGH, Urteile vom 15. September 2004 - 2 StR 242/04, NStZ 2005, 261, 262; vom 5. August 2010 - 3 StR 210/10 mwN).
56
So verhält es sich hier. Beide Angeklagten rechneten - wie ausgeführt - mit Körperverletzungen unter Einsatz von Waffen und Werkzeugen, auch eines Messers, und billigten diese. Ihnen war ferner bewusst, dass "die Aktion aufgrund der Art der ggf. einzusetzenden Tatmittel auch den Tod des anzugreifenden Rockers nach sich ziehen könnte". Die damit gegebene Vorhersehbarkeit des Todes von Dirk O. reicht für die Erfüllung der subjektiven Fahrlässigkeitskomponente des § 227 StGB aus; einer Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 10. Juni 2009 - 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 309, 310 mwN).
57
b) Auch die Verurteilung des Angeklagten A. wegen mit der Körperverletzung mit Todesfolge und der Nötigung in Tateinheit stehenden Beteiligung an einer Schlägerei begegnet keinen Bedenken. Sie entspricht sowohl hinsichtlich der Bejahung des Tatbestandes des § 231 StGB als auch bezüglich der Konkurrenzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2008 - 3 StR 236/08; Urteil vom 10. Juni 2009 - 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 309, 310 mwN)
58
c) Entsprechendes gilt für den Schuldspruch wegen Nötigung. Diese wird hinsichtlich des Ausbremsens vom Verteidiger des Angeklagten A. nicht in Frage gestellt. Sie liegt aber auch hinsichtlich der Wegnahme der Kutte vor, bezüglich derer der Einsatz des Messers von Anfang an vom Vorsatz des Angeklagten A. umfasst war (vgl. auch UA 79).
59
d) Die Strafzumessung weist ebenfalls keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Dies gilt insbesondere für die Bewertung des Schwurgerichts, bei der vom Angeklagten A. begangenen Nötigung handle es sich um einen (unbenannten) besonders schweren Fall im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz 1 StGB. Sie wird vom Tatgericht zutreffend auf das "besonders grobe" Missverhältnis zwischen Mittel und Zweck gestützt.
60
e) Auch der Maßregelausspruch hält der Überprüfung stand. Zwar war der Angeklagte A. "nur" Beifahrer in dem vom Angeklagten S. gesteuerten Pkw. Indes hat der Angeklagte A. an der ihm zu Recht angelasteten Nötigung des Dirk O. durch das Ausbremsen nicht nur dadurch mitgewirkt, dass er den Angeklagten S. hierzu "verbal gedrängt" hat, sondern auch dadurch, dass er die "Weisung" für den Beginn des Überholmanövers gab. Dies rechtfertigt die Maßregel nach §§ 69, 69a StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2004 - 4 StR 585/03, NStZ 2004, 617; Tepperwien in Festschrift Nehm, 2006, S. 427, 430).
61
2. Die Revision des Angeklagten S. ist ebenfalls unbegründet.
62
a) Die Verurteilung wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge und zur Beteiligung an einer Schlägerei sowie wegen Nötigung ist nicht zu beanstanden. Rechtsfehlerfrei ist - wie ausgeführt - auch die Annahme von Tateinheit zwischen diesen Straftatbeständen.
63
b) Der Strafausspruch hält im Ergebnis ebenfalls der Überprüfung stand.
64
Zwar hat es das Schwurgericht unterlassen, beim Angeklagten S. trotz Vorliegens zweier vertypter Milderungsgründe (§ 27 Abs. 2, § 46b StGB) zu prüfen, ob ein minder schwerer Fall der Körperverletzung mit Todesfolge vorliegt. Der Senat schließt aufgrund der Besonderheiten des Falles jedoch aus, dass der Strafausspruch hierauf beruht. Denn es lag im Hinblick auf die vom Landgericht zutreffend dargelegten Strafschärfungsgründe (u.a. Bewährungsversagen ) fern, einen minder schweren Fall gemäß § 227 Abs. 2 StGB ohne "Verbrauch" mindestens eines der vertypten Milderungsgründe anzunehmen. Wäre aber der Strafrahmen des § 227 Abs. 2 StGB einmal nach § 49 Abs. 1 StGB gemindert worden, so wäre - bei nur geringfügig niedrigerer Strafrahmenobergrenze - die Strafrahmenuntergrenze höher gewesen als nach der vom Schwurgericht vorgenommenen doppelten Minderung des Strafrahmens des § 227 Abs. 1 StGB.
65
Die Annahme eines besonders schweren Falls der Nötigung begegnet beim Angeklagten S. auch angesichts der nur eingeschränkten Überprüfbarkeit dieser Bewertung in der Revision (vgl. Fischer aaO § 46 Rn. 85 mwN) keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

IV.


66
Das nur geringfügige Obsiegen der Staatsanwaltschaft rechtfertigt keine Kostenteilung. Da mithin sowohl die Revisionen der Staatsanwaltschaft als auch die der Nebenkläger erfolglos geblieben bzw. entsprechend zu behandeln sind, haben die Nebenkläger außer der Revisionsgebühr auch die Hälfte der gerichtlichen Auslagen zu tragen. Die durch diese Revisionen verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten hat allein die Staatskasse zu tragen (§ 473 Abs. 2 Satz 1 StPO); eine Auferlegung der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf den Nebenkläger erfolgt nur dann, wenn dieser allein erfolglos Revision eingelegt hat, nicht dagegen, wenn auch die Staatsanwaltschaft Rechtsmittelführe- rin ist (§ 473 Abs. 1 Satz 3 StPO; vgl. aber BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 - 5 StR 405/10). Die Kosten- und Auslagenentscheidung hinsichtlich der Revisionen der Angeklagten beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO. Zwar sind auch die Revision der Nebenkläger erfolglos geblieben, dies rechtfertigt es jedoch nicht, von einer Auslagenerstattung zu ihren Gunsten abzusehen (§ 473 Abs. 1 Satz 2 StPO; zum Ganzen: BGH, Urteil vom 30. November 2005 - 2 StR 402/05).
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR435/14
vom
13. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Mordes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Januar
2015, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin F.
als Verteidigerin des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt R.
als Verteidiger des Angeklagten L. ,
Rechtsanwältin G.
als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. März 2014 mit den Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen, aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Mit seinen auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen beanstandet der Nebenkläger, dass das Landgericht bedingten Tötungsvorsatz der Angeklagten nicht festgestellt hat. Die Rechtsmittel haben Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hielten sich die aus Polen stammenden, alkoholisierten und unter dem Einfluss von Cannabis stehenden, zur Tatzeit 23 Jahre (K. ) und 33 Jahre (L. ) alten Angeklagten am Nachmittag des 9. Juli 2013 auf dem Platz am Neptunbrunnen nahe dem Berliner Alexanderplatz auf und baten andere Personen um Zigaretten. Dabei trat der Angeklagte L. bedrohlich dicht an einen Zeugen heran. Der Angeklagte K. zog L. beiseite.
3
Wenig später ging der muskulöse K. – bewusst in einem bedrohlich geringen Abstand – an dem auf einer Parkbank sitzenden schmächtigen , dunkelhäutigen Nebenkläger vorbei, dem er körperlich deutlich überlegen war. Dabei strahlte K. eine solche Aggressivität aus, dass er einem Zeugen auffiel, der eine Bank vom Nebenkläger entfernt saß und den Angeklagten als „potentielle Gefahr“ im Auge behielt. K. , der nach eigener Aussage „keine Neger mag“, störte sich an der dunklen Hautfarbe des Neben- klägers. Im Vorbeigehen beleidigte er ihn mit einem dem deutschen Wort „Ne- ger“ vergleichbaren Wort in polnischer Sprache. Der Nebenkläger, der der russischen Sprache mächtig ist, verstand dieses Wort. Er reagierte, indem er K. auf Russisch fragte, was er getan habe. K. blieb ruckartig stehen und wandte sich dem Nebenkläger zu; er ergriff ihn, zog ihn von der Parkbank hoch und begann, ihn zu schubsen. Auf erfolglose Versuche des Nebenklägers , den Angeklagten K. abzuwehren, schlug dieser den Nebenkläger mit drei wuchtigen Faustschlägen ins Gesicht zu Boden. K. versuchte, den benommen am Boden liegenden – sehr leichten – Nebenkläger an dessen Gürtel in die Luft zu heben und zu Boden fallen zu lassen. Dies verhinderte der Nebenkläger zunächst, indem er sich an der Hose des Angeklagten festkrallte. Als er jedoch das Bewusstsein verlor, nutzte K. dies aus, um den Nebenkläger an seinem Gürtel aufzuheben, sein Knie in das Gesicht des Nebenklägers zu stoßen und ihn schließlich mit dem Gesicht voran auf den Steinboden des Platzes fallen zu lassen. K. versetzte dem bewusstlos auf dem Boden liegenden Nebenkläger noch mindestens einen Faustschlag ins Gesicht, ließ dann aber von ihm ab, als L. eingriff und gegen den Kopf des Nebenklägers trat. L. erkannte, dass der Nebenklä- ger nicht unerheblich verletzt, ohne Bewusstsein und deshalb wehrlos war, trat aber aus fremdenfeindlicher Verachtung ein zweites Mal gegen dessen Kopf. Bevor er dem Nebenkläger einen weiteren Tritt versetzen konnte, näherten sich von verschiedenen Seiten Passanten und forderten die Angeklagten lautstark auf, vom Nebenkläger abzulassen. Daraufhin entfernten sich die Angeklagten vom Tatort.
4
Passanten kümmerten sich um den verletzten Nebenkläger und sorgten dafür, dass er in eine Klinik gebracht wurde, in der er bis zum 23. Juli 2013 stationär behandelt wurde. Er hatte unter anderem einen Bruch der rechten Augenhöhlenwand und des Nasenbeins, ein Schädelhirntrauma sowie eine dünne Blutung unter die weiche Hirnhaut (Subarachnoidalblutung) und eine minimale Einblutung ins Hirngewebe (Kontusionsblutung) erlitten. Seine Verletzungen waren potentiell, nicht aber konkret lebensgefährlich.
5
2. Das Landgericht hat die Tat als gefährliche Körperverletzung – mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung sowie gemeinschaftlich begangen – gewürdigt und ausgeführt, es habe sich nicht die Überzeugung verschaffen können, dass die Angeklagten den Tod des Nebenklägers billigend in Kauf nahmen. Dagegen spreche, dass es sich um eine „spontane, unüberlegte und sehr kurz andauernde Tat“ gehandelt habe. Die Angeklagten hätten aufgrund einer mehrjährigen Erfahrung als Kickboxer (K. ) beziehungsweise aufgrund verschiedener Schlägereien als Fußballfan (L. ) möglicherweise ihre Kräfte besser als andere Täter einschätzen können, so dass der Nebenkläger nicht noch schwerer verletzt worden sei. Zudem hätten die Angeklagten in einer „(gruppen-)dynamischen Situation“ gestanden sowie unter erheblichem Einfluss von Alkohol und Cannabis, deren Wirkung sie möglicherweise leichtfertig darauf vertrauen ließ, ein tödlicher Erfolg werde nicht eintreten. Die Gewalthandlungen der Angeklagten hätten „keine schwersten Kopfverletzungen, insbesondere keinen Bruch des Schädels,“ herbeigeführt. Der Umstand, dass die Tat auf öffent- lichem Straßenland vor zahlreichen Zeugen stattgefunden habe, weise darauf hin, „dass eine Schlägerei – auffür den Geschädigten schreckliche Art – ‚aus dem Ruder lief', die Angeklagten aber den Tod des Nebenklägers jedenfalls nicht billigend in Kauf nahmen“ (UA S. 25). Dass ihre tatmotivierende Fremden- feindlichkeit so weit gegangen sei, auch den Tod eines Menschen billigend in Kauf zu nehmen, lasse sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen. Die Strafkammer hat nicht ausschließen können, dass sich die Angeklagten bei Tatbegehung in einem Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) befanden.
6
3. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zum Tötungsvorsatz hält – auch eingedenk des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401) – sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand, da sie lückenhaft ist.
7
a) Das Landgericht hat im Ausgangspunkt nicht verkannt, dass die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator für das Vorliegen eines bedingten Vorsatzes ist (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443). Bei dessen Prüfung ist es aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten. Dem genügt die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht, da mehrere wesentlich für einen bedingten Tötungsvorsatz der Angeklagten sprechende tatsächliche Umstände nicht bedacht werden.
8
b) Soweit die Strafkammer gegen das Vorliegen des voluntativen Ele- ments eines Tötungsvorsatzes ausführt, es habe sich um eine „spontane, unüberlegte und sehr kurz andauernde“ Tat gehandelt, berücksichtigt sie nicht, dass beide Angeklagte gegen den bereits bewusstlosen Nebenkläger mehrere gefährliche Gewalthandlungen ausführten und mit diesen erst aufhörten, als sich Passanten näherten und sie lautstark aufforderten, vom Nebenkläger abzulassen. Der Tatsache, dass die Angeklagten nicht freiwillig mit der Misshandlung des Nebenklägers aufhörten, kann ein hoher Indizwert für ihre innere Einstellung gegenüber einer möglichen Tötung des Nebenklägers zukommen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2007 – 1 StR 126/07, NStZ 2007, 639, 640). Das gewollte weitere Tun kann den Schluss nahelegen, dass ihnen die Folgen ihrer Tat bis hin zum möglichen Tod des Nebenklägers gleichgültig waren. Dies würde für die Annahme von bedingtem Tötungsvorsatz genügen und war mithin erörterungsbedürftig.
9
Zudem sprechen die Urteilsfeststellungen zum Verhalten der – berauschten – Angeklagten vor der Tat gegen ein spontanes und unüberlegtes Handeln, sondern eher dafür, dass sie bewusst Streit suchten. Dass es sich bei der Misshandlung des Nebenklägers um eine aus dem Ruder gelaufene „Schlägerei“ (UA S. 25)gehandelt haben könnte, wird durch die Feststellungen widerlegt. Danach beschränkte sich der zunächst vom Angeklagten K. – grundlos – körperlich angegriffene Nebenkläger auf Schutzwehr, zu der er wegen eintretender Bewusstlosigkeit alsbald schon nicht mehr in der Lage war. Er hatte in keiner Weise zu einer Eskalation des Geschehens über ein von den Angeklagten möglicherweise ursprünglich gewolltes begrenztes Maß hinaus beigetragen. Es ist auch nicht belegt oder sonst ersichtlich, dass eine von der Schwurgerichtskammer angenommene „gruppendynamische Situation“ vorlag, bei der sich die Entstehung oder zumindest das Ausmaß der Gewalttätigkeit der Angeklagten ausschließlich aus ihrer Interaktion untereinander oder mit dem Nebenkläger oder den Umstehenden ergab. Abgesehen davon stünden stattgehabte gruppendynamische Prozesse der Entwicklung eines – anfangs nicht vorhandenen – bedingten Tötungsvorsatzes in ihrem Verlauf auch keineswegs entgegen, sondern könnten sie im Gegenteil gerade gefördert haben.
10
c) Soweit die Strafkammer meint, aus der – rechtsfehlerfrei festgestellten – fremdenfeindlichen Motivation der Angeklagten keinen Tötungsvorsatz schlussfolgern zu können, berücksichtigt sie nicht, dass die Angeklagten noch in der Hauptverhandlung ihre anhaltende Missachtung für den anwesenden Nebenkläger durch höhnisches Lachen über ein Foto des schwer im Gesicht Verletzten sowie „demonstratives Gähnen, Lümmeln und Lachen“ während der Beweisaufnahme (UA S. 14) zum Ausdruck gebracht haben. Dieses Verhalten kann darauf schließen lassen, dass sie das Leiden des – in ihren Augen „min- derwertigen“ (UA S. 11) – Nebenklägers und die ihm zugefügtenerheblichen Verletzungen bagatellisierten. Dieses auf einer „tief dissozialen Prägung“ beru- hende Verhalten (UA S. 14) der Angeklagten kann ein Indiz dafür sein, dass sie auch weitergehende Verletzungen des Nebenklägers bis hin zu seinem Tod billigend in Kauf genommen hätten, und wäre mithin zu erörtern gewesen.
11
d) Wenn die Strafkammer eine gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung bejaht, so geht sie davon aus, dass die Tat in der Vorstellung der Angeklagten auf eine Lebensgefährdung „angelegt” war (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1989 – 4 StR 318/89, BGHSt 36, 262, 265). Demnach erkannten die Angeklagten trotz ihrer Beeinflussung durch Alkohol und Cannabis die Lebensgefährlichkeit ihrer Gewalthandlungen. Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass sie dennoch darauf vertraut haben könnten, der Nebenkläger werde nicht zu Tode kommen, hat das Landgericht nicht festge- stellt. Soweit es zugunsten der Angeklagten davon ausgeht, dass sie aufgrund ihrer Gewalterfahrenheit die Wirkung ihrer Verletzungshandlungen möglicherweise besser als andere Täter einschätzen konnten, weist die Revision zu Recht darauf hin, dass es nach Vornahme einer potentiell lebensgefährlichen Handlung grundsätzlich dem Zufall anheim gegeben bleibt, ob die Lebensgefahr sich konkretisiert und letztlich zum Tod führt.
12
4. Der aufgezeigte Rechtsmangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den Feststellungen; jedoch können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bestehen bleiben. Ergänzende, ihnen nicht widersprechende Feststellungen durch das neue Tatgericht sind zulässig.
Sander Schneider Dölp
Berger Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 321/00
vom
11. Oktober 2000
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Oktober
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Kutzer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Winkler,
Pfister,
von Lienen
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers K. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 7. Januar 2000 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Jugendstrafe. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung des Urteils des Jugendschöffengerichts Stade vom 5. Juni 1998 (Jugendstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung wegen vorsätzlicher Körperverletzung in drei Fällen in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung ) zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Sie beanstandet, daß das
Landgericht in den zwei Fällen, in denen der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, den bedingten Tötungsvorsatz mit fehlerhafter Begründung verneint hat. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen schlug der bereits mehrmals wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilte Angeklagte in einer Diskothek dem Auszubildenden M. mit der Faust in das Gesicht, nachdem es zuvor zwischen einem Freund des Angeklagten und dem Geschädigten zu einer Rempelei auf der Tanzfläche gekommen war. Daraufhin schlug ein Ordner so heftig in das Gesicht des Angeklagten, daß dieser einen stark blutetenden Nasenbeinbruch davontrug, und entfernte ihn aus der Diskothek.
Der alkoholisierte Angeklagte, der benommen und wütend über die Behandlung durch den Ordner war sowie erhebliche Schmerzen verspürte, bewaffnete sich mit einem Baseballschläger. Als kurze Zeit später M. und seineBekannten Ma. , B. und K. die Diskothek friedlich verließen, wurden sie von dem Angeklagten und weiteren mit einer Eisenstange und einer Flasche bewaffneten Personen angegriffen. Der Angeklagte holte beidhändig mit dem Baseballschläger aus und schlug nacheinander gezielt und wuchtig auf die Köpfe des Ma. und des K. ein, um diese auszuschalten. Obwohl Ma. beide Hände zum Schutz über seinen Kopf gehalten hatte, fiel er nach dem Schlag bewußtlos zu Boden. Er erlitt u.a. eine starke Schwellung an der rechten Hand, einen Splitterbruch am kleinen Finger, eine Gehirnerschütterung und Prellungen. K. wurde durch den Schlag sofort bewußtlos, fiel "um wie ein Baum" und erlitt eine lebensbedrohende beiderseitige Schädelkalottenfraktur mit Blutergüssen innerhalb des Schädels. Er mußte dreieinhalb Wochen lang stationär
behandelt werden und leidet noch heute an Konzentrationsstörungen und gelegentlichen Kopfschmerzen. Es besteht die Gefahr von Spätfolgen in Form epileptischer Anfälle.
2. Gegen die Begründung, mit der das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz abgelehnt hat, bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken.

a) Rechtsfehlerfrei hat das Tatgericht das Wissen des Angeklagten um die möglicherweise tödliche Wirkung der Schläge als erwiesen angesehen. Gleichwohl hat es sich nicht davon überzeugen können, daß der Angeklagte den Tod der Nebenkläger billigend in Kauf genommen hat. Dazu hat es im wesentlichen ausgeführt:
Zwar sei die objektive Gefährlichkeit der mit großer Kraft ausgeführten Schläge ein Indiz für einen Tötungsvorsatz. Wegen der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung sei jedoch auf Grund einer Gesamtabwägung aller objektiven und subjektiven Umstände zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen , daß er auf das Ausbleiben eines tödlichen Ausgangs vertraut habe. Gegen einen Tötungsvorsatz spreche, daß der Angeklagte jeweils nur einen Schlag ausgeführt und auf die am Boden liegenden Nebenkläger nicht weiter eingeschlagen habe; weiterhin, daß er zwar den Baseballschläger vom Parkplatz geholt, diesen aber wohl nicht geplant, sondern eher spontan und impulsiv eingesetzt habe. Zur Kompensation seiner Wut über die üble Behandlung durch den Ordner - dem in Betracht kommenden Tatmotiv - hätte es ausgereicht , die Geschädigten niederzuschlagen; deren Tod sei hierzu nicht erforderlich gewesen. Auch die Würdigung der Persönlichkeit des Angeklagten, sein psychischer und körperlicher Zustand zum Tatzeitpunkt sowie der gruppendynamische Einfluß ließen an der Billigung des Todes zweifeln.

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig zu prüfen, ob der Täter, der sein gefährliches Handeln durchführt, obwohl er mit der Möglichkeit tödlicher Verletzungen rechnet, den Tod des Opfers billigend in Kauf nimmt, wobei dies bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe liegt (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 3, 5, 33, 35 und 38 jeweils m.w.Nachw.). Ferner sind vor allem die konkrete Angriffsweise, die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motivation in die Beweiswürdigung mit einzubeziehen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 39).

c) Die Jugendkammer geht bei ihren Erwägungen zwar im Ansatz von diesen Kriterien aus. Ihre Ausführungen lassen jedoch besorgen, daß sie dem äußeren Tatgeschehen nicht den ihm zukommenden hohen Indizwert für die Billigung des Todes eingeräumt hat. Das festgestellte gezielte, beidhändige und kraftvolle Schlagen mit dem schweren Baseballschläger auf den für schwerste und tödliche Verletzungen sehr anfälligen Kopf im Bewußtsein einer möglicherweise tödlichen Wirkung und die dadurch verursachten - in einem Fall lebensbedrohenden - Verletzungen legen die Billigung des Todes wegen der offensichtlichen Lebensgefährlichkeit (vgl. BGH NStE Nr. 27 zu § 212 StGB) sehr nahe. Dies gilt vor allem deshalb, weil das wuchtige Zuschlagen mit einem schweren Baseballschläger im einzelnen nicht mehr kontrollierbar ist und Abwehr- und Ausweichbewegungen eines Opfers wenig erfolgversprechend sind. In einem solchen Fall darf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur hohen Hemmschwelle bei Tötungsdelikten nicht dahin mißverstanden werden, daß durch sie die Wertung der hohen und offensichtlichen Lebensgefährlichkeit von Gewalthandlungen als einem gewichtigen, auf Tö-
tungsvorsatz hinweisenden Beweisanzeichen in der praktischen Rechtsanwendung in Frage gestellt werden soll und dieser Beweisgrund den Schluß auf Tötungsvorsatz in aller Regel nicht tragen kann (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 35).

d) Rechtlich tragfähige Anhaltspunkte dafür, daß der Angeklagte trotz der - von ihm erkannten - Lebensgefährlichkeit der Schläge ernsthaft und nicht nur vage (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 3, 24) darauf vertraut haben könnte, es würden die angegriffenen Nebenkläger nicht zu Tode kommen, hat das Landgericht nicht festgestellt und liegen bei dem Tatgeschehen auch fern (vgl. BGH NStE Nr. 27 zu § 212 StGB).
Entgegen der Meinung des Landgerichts spricht das Unterlassen weiterer Schläge nicht gegen die Billigung des Todes. Da es dem Angeklagten jeweils mit einem Schlag gelungen ist, seine Gegner bewußtlos zu Boden stürzen zu lassen und dadurch - wie beabsichtigt - "auszuschalten" (UA S. 6, 17), hatte er sein Ziel erreicht. Somit waren weitere Schläge auf die am Boden liegenden Opfer zur Zweckerreichung nicht erforderlich. Das Unterlassen weiterer Schläge ist nur für die Frage des Rücktritts vom Versuch eines Tötungsdelikts von Bedeutung.
Der Schluß des Tatrichters, daß der Angeklagte eher spontan und impulsiv gehandelt hat, was eine realistische Einschätzung der Gefahrenlage beeinträchtigt haben könnte (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 38), findet in den Feststellungen keine ausreichende Stütze, abgesehen davon, daß dies eine Billigung des Todes nicht ausschließen würde. Die Einsichtsund Steuerungsfähigkeit des Angeklagten war weder durch die Alkoholisierung
noch seinen psychischen Zustand erheblich eingeschränkt (UA S. 18 f.). Der Angriff war nach seiner Entfernung aus der Diskothek geplant und vorbereitet, was sich aus der Bewaffnung der Angreifer und dem sofortigen Angriff auf die die Diskothek friedlich verlassenden Tatopfer ergibt.
Weiterhin hat die Jugendkammer die Persönlichkeit des Angeklagten, der nach ihrer Überzeugung "leicht aufbraust und bereits auf leichte Provokationen mit unangemessenen Aggressionen reagiert", unvollständig gewürdigt; er ist bereits zweimal wegen Körperverletzung in insgesamt fünf Fällen verurteilt worden. Nicht ausreichend berücksichtigt hat sie insbesondere die geringe Hemmschwelle des Angeklagten hinsichtlich besonders gefährlicher Gewalthandlungen , die sich auf Grund seines Vorlebens aufdrängte. So hatte der Angeklagte am 7. Dezember 1997 dem Freund seiner früheren Freundin aus Eifersucht mit einem Besteckmesser in den Nacken gestochen, wobei eine erhebliche Verletzung nur deshalb nicht entstand, weil sich das Messer verbog (UA S. 4).
Das Fehlen eines einsichtigen Beweggrundes für die Tötung eines Menschen braucht jedenfalls bei der gegebenen Sachlage nicht gegen die Billigung des Todes zu sprechen (vgl. BGH NStE Nr. 27 zu § 212 StGB). Die Verwirklichung des vom Angeklagten angestrebten Ziels, die Nebenkläger auszuschalten , ist angesichts der lebensgefährdenden Umstände, unter denen dies geschah , durchaus damit in Einklang zu bringen, daß ihm die als möglich erkannte Tötung gleichgültig war. Schon dies würde für die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes ausreichen (BGHSt 40, 304, 306). Daß dem Angeklagten der Tod der Tatopfer möglicherweise unerwünscht war, stünde dem
nicht entgegen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 42 m.w.Nachw.).
3. Da somit der bedingte Tötungsvorsatz nicht rechtsfehlerfrei verneint worden ist, ist der Schuldspruch in den z wei Fällen der Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung aufzuheben. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tathergang können bestehen bleiben; ergänzende Feststellungen sind zulässig. Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs führt auch zur Aufhebung der verhängten Jugendstrafe.
4. Der neue Tatrichter wird die Frage, ob der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat, unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles erneut prüfen und gegebenenfalls das Vorliegen des Mordmerkmals eines niedrigen Beweggrundes in Betracht ziehen müssen. Sollte er zur Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes kommen, wird er auch die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch zu prüfen haben. Dabei könnten die vom Angeklagten vorsätzlich geführten lebensgefährdenden Schläge, die erkannte Bewußtlosigkeit der Opfer und die Schwere der Verletzungen der Annahme eines unbeendeten Versuchs entgegenstehen (vgl. BGHSt 31, 170, 177; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 24 Rdn. 4 ff.; Lackner/Kühl, StGB
23. Aufl. § 24 Rdn. 4). Für den Fall der Bejahung eines bedingten Tötungsvorsatzes weist der Senat darauf hin, daß das versuchte Tötungsdelikt in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung stünde (BGHSt 44, 196 ff.).
Kutzer Miebach RiBGH Winkler ist durch Urlaub v erhindert zu unterschreiben. Kutzer Pfister von Lienen

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 148/13
vom
27. August 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 27. August 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten G. , H. und S. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2012, soweit es sie betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten B. gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2012 wird verworfen. Der Angeklagte B. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten G. , H. und S. jeweils wegen Totschlags, den Angeklagten S. darüberhinaus tateinheitlich wegen Körperverletzung verurteilt. Gegen den Angeklagten G. hat es eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten und gegen den Angeklagten H. eine solche von neun Jahren verhängt. Den Angeklagten S. , der zum Tatzeitpunkt Heranwachsender war, hat es unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung zu einer (Einheits-)Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Den Angeklagten B. hat das Landgericht wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit Verfahrensrügen und sachlich-rechtlichen Beanstandungen. Die Revisionen der Angeklagten G. , H. und S. haben mit der Sachrüge Erfolg. Die Revision des Angeklagten B. ist unbegründet.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt sich der später Geschädigte He. am frühen Morgen des 25. April 2011 in einer Discothek in F. auf, in der die Angeklagten als Türsteher arbeiteten. Als der Angeklagte G. versuchte, einen vermeintlich randalierenden Gast von der Theke wegzuziehen, gerieter ins Straucheln, fiel gegen den Geschädigten und schlug ihm sodann mit der Faust ins Gesicht. Als dieser zurückschlug, entwickelte sich ein Gerangel, in dem der Angeklagte G. den Geschädigten zu Boden riss. Anschließend versetzte er ihm mehrere nicht todesursächliche Faustschläge ins Gesicht. Der Geschädigte blieb am Boden liegen. Zwischenzeitlich waren die Angeklagten H. , S. und B. informiert worden und hatten sich zum Ort der Auseinandersetzung begeben. Der Angeklagte B. schirmte das Geschehen am Tatort ab. Der Angeklagte H. sprang von der Treppe zu dem am Boden liegenden Geschädigten und kniete über diesem. Ihm folgte der Angeklagte S. , der sich neben den Geschädigten stellte, um gegebenenfalls zu dessen Nachteil eingreifen zu können. Der Ange- klagte H. schlug dem Geschädigten mit der Faust mehrfach wuchtig gegen den Kopf, wobei er sich auf den Bauch des Geschädigten setzte, während der Angeklagte G. auf den Geschädigten im Bereich des Kopfes, des Oberkörpers und des Bauches eintrat. Einem Gast, der eingreifen wollte, versetzte der Angeklagte S. zwei Schläge in den Nacken.
4
Infolge der Gewalteinwirkungen erlitt der Geschädigte einen Leberriss, der entweder durch die Tritte des Angeklagten G. gegen den Bauchraum oder durch das Aufsitzen des Angeklagten H. verursacht wurde. Aufgrund der massiven inneren Blutungen verstarb der Geschädigte.
5
Im Zusammenhang mit den Feststellungen zur inneren Tatseite hat das Landgericht im Rahmen einer „umfassenden Würdigung aller maßgeblichen für und gegen einen Tötungsvorsatz“ der Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte einerseits berücksichtigt, dass „vor dem Entschluss zur Tötung eines Menschen eine viel höhere Hemmschwelle steht als vor dem Entschluss, einen Menschen zu gefährden oder zu verletzen“; andererseits hat es ausgeführt, „dasses bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen naheliegt, dass der Täter mit dem Tode des Opfers rechnet und einen solchen Erfolg auch billigend in Kauf nimmt“ (UA S. 38). Daran anknüpfend hat das Landgericht den Tötungsvorsatz der Angeklagten G. und H. aus deren Gewalthandlungen abgeleitet. Anzeichen, die das Wissens- oder Willenselement des Eventualvorsatzes in Frage stellen könnten, hat es nicht gesehen; auch das Nachtatverhalten des Angeklagten G. begründe keinen Zweifel am Vorsatz.Zur Begründung für die Feststellung, dass auch der Angeklagte S. den Tod des Geschädigten billigend in Kauf genommen habe, hat das Landgericht angeführt, der Angeklagte habe die Gewalthandlungen zum Nachteil des Geschädigten aus unmittelbarer Nähe wahrgenommen und sei sich daher der Möglichkeit bewusst ge- wesen, dass der Geschädigte an den Folgen der Gewalthandlungen habe sterben können.

II.

6
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten G. , H. und S. haben mit der Sachrüge Erfolg. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.
7
1. Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
a) Bedingt vorsätzlich handelt, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Bei der Prüfung, ob ein bedingter Tötungsvorsatz festzustellen ist, hat das Tatgericht eine umfassende Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände vorzunehmen (vgl. Senat, Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 176/13 mwN). Beide Vorsatzelemente müssen zudem durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444).
9
b) Auch unter Berücksichtigung des bestehenden tatrichterlichen Bewertungsspielraums werden die Ausführungen des Landgerichts den Anforderungen an die Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes nicht gerecht.
10
aa) Hinsichtlich des Angeklagten S. , der selbst keine Gewalthandlungen vorgenommen hat, hat das Landgericht den bedingten Tötungsvorsatz allein aus dem Umstand abgeleitet, dass er die Gewaltanwendung der Angeklagten G. und H. wahrgenommen hat. Damit ist indes nur das Wissenselement des Vorsatzes belegt. Denn die Wahrnehmung von Gewalthandlungen allein rechtfertigt nicht ohne weiteres den Schluss auf die zumindest be- dingte Inkaufnahme des tödlichen Erfolgs (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1993 - 4 StR 470/93, StV 1994, 13, 14; Beschluss vom 6. März 2002 - 4 StR 30/02, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 54).
11
bb) Bezüglich der Angeklagten G. und H. fehlt es an einer umfassenden Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen ein bedingter Tötungsvorsatz trotz der hohen Hemmschwelle hinsichtlich der Tötung eines Menschen nahe liegt (BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524, 1525; Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 139/13). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Täter - wie hier der Angeklagte G. - seinen Gegner zu Boden gestreckt hat und anschließend auf das infolgedessen wehrlose Opfer mehrfach im Bereich des Kopfes und der Bauchgegend eintritt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2007 - 1 StR 126/07, NStZ 2007, 639, 640). Der Schluss aus einer besonders gefährlichen Gewalthandlung auf einen (bedingten) Tötungsvorsatz ist aber nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter auch die im Einzelfall in Betracht kommenden, den Vorsatz in Frage stellenden Umstände in seine Erwägungen einbezogen hat (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2007 - 3 StR 233/07, NStZ-RR 2007, 307). Hieran fehlt es.
12
Das Landgericht hat den Angeklagten G. und H. im Rahmender Strafzumessung zugutegehalten, dass es sich um eine Spontantat gehandelt hat. Dieser Umstand, der einem bedingten Tötungsvorsatz entgegenstehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 4 StR 424/09, NStZ 2010, 571, 572; Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 139/13), hätte aber nicht nur im Rahmen der Strafzumessung, sondern bereits bei der Prüfung des voluntativen Vorsatzelements erörtert werden müssen. Es kommt hinzu, dass es an einem einsichtigen Grund dafür fehlt, dass die Angeklagten in der konkreten Tatsituation den Tod des Geschädigten billigend in Kauf genommen haben (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. August 1990 - 3 StR 311/90, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 22; Urteil vom 30. November 2005 - 3 StR 344/05, NStZRR 2006, 317, 318). Dies hat die Strafkammer ebenfalls nicht in ihre Gesamtwürdigung einbezogen, obwohl sie festgestellt hat, dass - zumindest aus Sicht des Angeklagten B. - die Gewalthandlungen der Angeklagten G. und H. letztlich den Zweck verfolgten, „den Geschädigten aus der Diskothek zu schaffen“ (UA S. 14).
13
Um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubewertung der Tatumstände zu ermöglichen, waren neben den Feststellungen zur inneren Tatseite auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufzuheben.
14
2. Die Revision des Angeklagten B. ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Fischer RiBGH Dr. Appl ist aus Krehl tatsächlichen Gründen an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer RinBGH Dr. Ott ist aus Zeng tatsächlichen Gründen an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 5 4 / 1 4
vom
26. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. November
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. September 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "versuchten Totschlags in Tateinheit mit versuchtem besonders schweren Raub, gefährlicher Körperverletzung und Wohnungseinbruchsdiebstahl" zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und hiervon vier Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Ende Juli 2004 planten der Angeklagte, sein Landsmann K. , mit dem er bereits 1999 einen bewaffneten Überfall begangen hatte, und zwei weitere Personen, in ein Privathaus zweier "älterer Leute" einzubrechen. Sie vermuteten dort einen Tresor mit Bargeld in Höhe von 200.000 € bis 300.000 € und andere Wertgegenstände.Für den Fall, dass der Tresor nicht aufzufinden sei oder sich nicht öffnen oder abtransportieren ließe, beschlossen sie, "die Rückkehr der Eigentümer abzuwarten und diese anschließend unter Vorhalt einer Schusswaffe dazu zu zwingen, das Versteck des Tresors preiszugeben und den Tresor zu öffnen" (UA S. 10).
4
Entsprechend diesem Tatplan drangen zunächst K. und ein weiterer Mittäter in das Haus ein, indem sie die Glastüren des Hauses aufhebelten. Der Angeklagte hatte sich - wie zuvor verabredet - unter einem neben dem Hauseingang geparkten Wohnwagen versteckt, "um dort 'Schmiere' zu 'liegen'" (UA S. 11); der vierte Tatbeteiligte hatte sich ebenfalls in der Nähe des Hauses postiert.
5
Die beiden Mittäter im Haus steckten tatplangemäß zunächst Schmuck, Uhren und Bargeld im Werte von etwa 100.000 € in eine mitgebrachte Reiseta- sche ein. Da sich der Tresor, den sie im Haus fanden, nicht öffnen ließ, beschloss K. , auf die Rückkehr der Eigentümer zu warten. Hierüber informierte er per Mobiltelefon den Angeklagten, und forderte ihn auf, "sich ebenfalls in das Gebäude zu begeben und ihnen bei der weiteren Tatausführung behilflich zu sein" (UA S. 12). Obwohl lediglich verabredet war, dass der Angeklagte nur "Schmiere stehen" sollte, leistete er dieser Anweisung Folge.
6
Der Angeklagte erhielt sodann von K. ein Paar mitgebrachte Handschuhe und eine Karnevalsmaske mit Clownsgesicht, die er sich überzog. Ein massives, schweres Hackbeil, das der Angeklagte in der Küche vorgefunden hatte, wollte er als Drohmittel verwenden. K. maskierte sich mit einer Sturmhaube und holte seine ungeladene Pistole hervor. Beide postierten sich im Erdgeschoss des Hauses am Eingangsbereich, nachdem ihnen von einem weiteren Mittäter die Ankunft der Hauseigentümer angekündigt worden war.
7
Die Hauseigentümer, die zur Tatzeit 62jährige Zeugin F. und der 72jährige Zeuge N. , fuhren mit ihrem Pkw zunächst in die Garage des Anwesens. Als Frau F. von dort die Wohnung betrat, sah sie sich dem mit der Clownsmaske maskierten Angeklagten, der das Hackbeil in der erhobenen Hand drohend in ihre Richtung hielt, und dem ebenfalls maskierten Mittäter K. gegenüber, der die Pistole auf sie gerichtet hatte. Sie schrie laut "Hilfe , Überfall" und rannte - immer weiter schreiend - in die Garage zurück. K. , der mit einem solchen Verhalten der älteren Geschädigten nicht gerechnet hatte, "hielt das geplante weitere Vorhaben zunächst nicht mehr für durchführbar" (UA S. 13). Dem Angeklagten rief er deshalb auf Polnisch zu, er solle abhauen; dieses missverstand der Angeklagte und glaubte, K. "habe ihm befohlen, er solle 'zuhauen'" (UA S. 13). Der Angeklagte vermutete, K. wolle ihn testen, ob er auch zu bedeutenderen Tatbeiträgen "taugte".
8
Um K. "seine Gefolgschaft zu beweisen", rannte der Angeklagte hinter der Geschädigten F. in die Garage, warf dort das Hackbeil weg, packte die Zeugin F. mit beiden Händen am Arm und schleuderte sie mehrere Meter weit von sich weg auf den Boden. Der Angeklagte wollte die Geschädigte hierdurch davon abhalten, weiter so laut zu schreien und sie zugleich gefügig machen, um mit ihrer Hilfe an den Inhalt des Tresors zu gelangen.
9
Der Zeuge N. , der seine Lebensgefährtin am Boden liegen sah und ihr deswegen zur Hilfe kommen wollte, griff den auch ihm körperlich überlegenen Angeklagten von hinten an, und schlug ihm mit einem Besen auf den Kopf. Der Angeklagte, der dadurch eine blutende und schmerzende Platzwunde erlitt, geriet in Rage "und verspürte eine gewisse Panik" (UA S. 13). Er schlug N. den Besen aus der Hand und brachte ihn "mit einem oder mehreren Faustschlägen zu Boden". Sodann trat er noch mehrfach seitlich gegen das Gesicht des Geschädigten. "Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte das ursprüngli- che Ziel seiner Gewaltanwendung, nämlich die Geschädigten zum Zwecke der Öffnung des Tresors lediglich gefügig zu machen, aus den Augen verloren und betrachtete die Angelegenheit als einen Kampf, bei dem es darum ging, seine Widersacher dauerhaft zu besiegen und sie um jeden Preis zum Schweigen zu bringen" (UA S. 13 f.).
10
Als die Geschädigte F. ihren Lebensgefährten blutend auf dem Boden liegen sah, stand sie auf und "ging nun ihrerseits mit dem zwischenzeitlich abgebrochenen Besenstiel auf den Angeklagten los, um ihn von weiteren Ge- walttätigkeiten […] abzuhalten. Daraufhin packte der Angeklagte die Zeugin F. an den Haaren, riss sie zu Boden und schlug dort ihren Kopf, den er mit einer Hand an den Haaren festhielt, vier Mal wuchtig mit der Stirn gegen den Betonboden der Garage. Hierbei nahm er billigend in Kauf, dass die Geschädigte durch diese Behandlung lebensgefährliche Verletzungen im Kopfbereich erlitt , die auch zu ihrem Tode führen konnten" (UA S. 14). Der Angeklagte hörte nach dem vierten Schlag mit weiteren Schlägen auf, weil die Geschädigte, die zuvor immer weiter geschrien hatte, keinen Ton mehr von sich gab. Der sich tot stellenden Geschädigten verpasste der Angeklagte noch einen Tritt; der Zeuge N. erhielt ebenfalls noch einen Tritt gegen den Kopf und die Füße.
11
Als die Nachbarn, durch das laute Schreien der Geschädigten F. auf den Vorfall aufmerksam gemacht, an der Haustür klingelten, floh der Angeklagte.
12
Die Geschädigte F. hat durch die Tat eine Schädelprellung, eine HWS-Distorsion, ein Mandelhämaton an der rechten Stirn und Prellungen am ganzen Körper erlitten. Dass die Geschädigte keinerlei knöcherne Verletzungen am Schädel erlitten hat, beruhe auf "purem Zufall" (UA S. 22). Die Verletzungen sind bis auf eine sichtbare Beule folgenlos verheilt.
13
b) Der Angeklagte hat die Tat in der Hauptverhandlung im Wesentlichen eingeräumt. Abweichend von den Feststellungen hat er sich allerdings u.a. dahin eingelassen, die Geschädigte nicht vier bis fünf Mal auf den Boden sondern zwei bis drei Mal mit der Faust geschlagen und dann getreten zu haben. Er sei auch gar nicht fähig dazu, eine Frau so zu packen und "so etwas" zu machen. Er habe früher geboxt und wisse daher, was passiere, wenn man "so etwas" mache. "Wenn er das tatsächlich getan hätte und den Kopf der Frau sechs Mal mit seiner Kraft geschlagen hätte, wäre sie wohl nicht mehr da" (UA S. 20).
14
Das Landgericht hat die von den Feststellungen abweichende Einlassung des Angeklagten als widerlegt angesehen und ist den Angaben der Geschädigten gefolgt.
15
c) Zum bedingten Tötungsvorsatz hat die Schwurgerichtskammer ausgeführt , dass es sich beim viermaligen Schlagen des Kopfes der Geschädigten F. auf den Betonboden um eine äußerst gefährliche Gewalthandlung handelte und der Angeklagte sich der Gefährlichkeit einer solchen Handlungsweise grundsätzlich auch bewusst war. Dieses habe er "im Rahmen seiner Einlassung in der Hauptverhandlung selbst eingeräumt, indem er angegeben hat, er wisse genau, was passieren könne, wenn man 'so etwas mache', denn er habe ja schließlich früher geboxt" (UA S. 22).
16
2. Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
17
a) Bedingt vorsätzlich handelt, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Bei der Prüfung, ob ein bedingter Tötungsvorsatz festzustellen ist, hat das Tatgericht eine umfassende Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände vorzunehmen (vgl. Senat, Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 176/13, NStZ-RR 2013, 341, 342; Beschluss vom 27. August 2013 - 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35, jeweils mwN). Beide Vorsatzelemente müssen zudem durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444).
18
b) Auch unter Berücksichtigung des bestehenden tatrichterlichen Bewertungsspielraums werden die Ausführungen des Landgerichts den Anforderungen an die Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes nicht gerecht.
19
aa) Das Landgericht hat die Behauptung des Angeklagten, er wisse als ehemaliger Boxer, was passiere, wenn man "so etwas mache", allein als Begründung für das Vorliegen des kognitiven Elements des bedingten Tötungsvorsatzes herangezogen. Die Strafkammer hat indes insgesamt die von den getroffenen Feststellungen abweichende Einlassung des Angeklagten als widerlegt erachtet. Eine für widerlegt erachtete - entlastende - Behauptung des Angeklagten kann aber nicht ohne Weiteres ein Belastungsindiz abgeben (vgl. Senat, Urteil vom 6. Februar 1987 - 2 StR 630/86, BGHR StPO § 261 Aussageverhalten 5 und Urteil vom 5. Juli 1995 - 2 StR 137/95, BGHSt 41, 153, 154 f.; BGH, Beschluss vom 5. Januar 2000 - 3 StR 560/99, StV 2001, 439, jeweils mwN).
20
bb) Es fehlt zudem an einer umfassenden Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen ein bedingter Tötungsvorsatz trotz der hohen Hemmschwelle hinsichtlich der Tötung eines Menschen nahe liegt (BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524, 1525; Senat, Beschluss vom 27. August 2013 - 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35, jeweils mwN). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Täter den Kopf des Geschädigten mehrfach auf einen harten Boden schlägt (vgl. BGH, Be- schluss vom 14. Dezember 2011 - 1 StR 533/11). Indes wird schon die Bewertung des Landgerichts, hier liege eine äußerst gefährliche Gewalthandlung vor, von den Feststellungen nicht getragen. Dabei hat das Landgericht bereits den gegenläufigen indiziellen Umstand, dass die Geschädigte F. tatsächlich keine erheblichen Verletzungen erlitten hat, nicht hinreichend in die Bewertung eingestellt. Die Begründung der Schwurgerichtskammer, das Ausbleiben erheblicher Verletzungen beruhe auf "purem Zufall", lässt zudem die allein zu seinen Lasten gewertete Behauptung des Angeklagten (s. o. unter lit. aa) außer Acht, als ehemaliger Boxer sein Handeln dosieren zu können.
21
Schließlich ist der Schluss aus einer besonders gefährlichen Gewalthandlung auf einen (bedingten) Tötungsvorsatz nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter auch die im Einzelfall in Betracht kommenden, den Vorsatz in Frage stellenden Umstände in seine Erwägungen einbezogen hat (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2007 - 3 StR 233/07, NStZ-RR 2007, 307; Senat, Beschluss vom 27. August 2013 - 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35). Dementsprechend hätte das Landgericht den Umstand, dass es sich innerhalb des dynamischen Geschehens um eine "spontane Handlung" (UA S. 37) des "in Rage" befindlichen Angeklagten gehandelt hat, bereits bei der Prüfung des kognitiven Vorsatzelements (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 212 Rdn. 12) in den Blick nehmen müssen.
22
3. Um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubewertung der Tatumstände zu ermöglichen, waren neben den Feststellungen zur inneren Tatseite auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufzuheben.
23
Für den Fall, dass die neu zur Entscheidung berufene Schwurgerichtskammer (erneut) zur Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes kommen sollte , wird sie sich - eingehender als bislang geschehen - damit auseinanderzu- setzen haben, ob der Angeklagte strafbefreiend vom Versuch des Totschlags zurückgetreten ist. Den bisherigen Feststellungen ist bereits das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung (sog. Rücktrittshorizont), wonach sich u.a. auch die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274; Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - 2 StR 64/13, NStZ-RR 2014, 111, jeweils mwN), nicht ausreichend konkret zu entnehmen; soweit den bisherigen Feststellungen zu entnehmen sein könnte (UA S. 28), der Angeklagte sei davon ausgegangen, die Geschädigte lebensgefährlich verletzt zu haben, wäre dieses im Übrigen nicht ausreichend belegt.
24
Die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen - tateinheitlichem - versuchten besonders schweren Raubes, gefährlicher Körperverletzung und Wohnungseinbruchsdiebstahls kann nicht bestehen bleiben (vgl. Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 353 Rdn. 12). Fischer RiBGH Prof. Dr. Schmitt Krehl ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer Eschelbach Zeng
14
Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH NStZ 2011, 699). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter be- kannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator (vgl. BGH NStZ 2012, 443, 444). Bei der Würdigung des Willenselements sind neben der konkreten Angriffsweise regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die Betrachtung einzubeziehen (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51; BGH NStZ-RR 2007, 267, 268; NStZ-RR 2009,
5 StR 344/05
(alt: 5 StR 94/04)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 30. November 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 29. und 30. November 2005, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K
alsVerteidigerfürdenA ngeklagten H ,
Rechtsanwalt R
alsVerteidigerfürdenAngek lagten S ,
Rechtsanwalt Sa
alsVertreterderNebenklägerin,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
in der Sitzung vom 30. November 2005 für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. Februar 2005
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten wegen Totschlags verurteilt sind,
b) in den Strafaussprüchen aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Die Revision des Angeklagten H gegen das genannte Urteil wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin zu tragen.
4. Die Sache wird zur Neufestsetzung der Strafen und zur Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hatte die Angeklagten zunächst mit seinem Urteil vom 14. August 2003 wegen Totschlags zu Freiheitsstrafen von jeweils sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revisionen der Nebenklägerin hat der Senat die Schuldsprüche aufgehoben und – bei Aufrechterhaltung der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen – das Verfahren an eine andere Schwurgerichtskammer zurückverwiesen (NStZ-RR 2004, 332). Diese hat die Angeklagten nunmehr wegen Körperverletzung mit Todesfolge wiederum zu Freiheitsstrafen von jeweils sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, und die Rechtsmittel der Nebenklägerin jeweils mit der Sachrüge. Der Angeklagte H greift mit seiner beschränkten Revision die vom Landgericht gefundene Strafe an. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin haben Erfolg, soweit das Landgericht nicht auf Totschlag erkannt hat. Die Revision des Angeklagten H ist unbegründet.
1. Das Landgericht hatte in seinem Urteil vom 14. August 2003 folgende Feststellungen getroffen:
a) Die Angeklagten besuchten gegen Mittag des 26. Januar 2003 den ihnen bekannten wesentlich älteren, körperlich und seelisch angegriffenen He in dessen Wohnung in Berlin-Lichtenberg. Sie trafen dort auf die Zeugen Ra und Sh ; letzterer entfernte sich alsbald. Nach reichlichem Genuss von Rotwein und Wodka verletzten die Angeklagten den He zwischen 18.00 und 19.00 Uhr zunächst wie folgt: S rammte dem neben ihm sitzenden Wohnungsinhaber völlig unvermittelt seinen rechten Ellenbogen in die seitliche Halsgegend. H trat He mit dem beschuhten Fuß kräftig ins Gesicht. S schubste den Zeugen Ra zur Seite, der He vor einem Angriff schützen wollte. H schlug He mit der Faust auf das rechte Auge. Nachdem der Zeuge Ra im Badezimmer die von H verursachten Wunden ausgewaschen hatte, schlug dieser Angeklagte erneut mehrfach mit der Faust auf die Wunden und gegen den rechten Kieferbereich. Der Angeklagte S schlug ebenfalls mehrmals mit den Fäusten auf den jetzt wieder blutenden Verletzten ein. H packte dann das keinerlei Widerstand leistende Opfer an den Haaren und schlug dessen Kopf gegen die Wand. Er urinierte auf den an der Stirn, aus der Nase und am Ohr blutenden Schwerverletzten. Um diesen noch stärker zu erniedrigen , rasierten ihm die Angeklagten die Kopfhaare teilweise ab. Unter dem Ausruf: „Mal sehen, wie widerstandsfähig er ist!“ würgte einer der Angeklagten ihr Opfer, während der andere mit äußerster Gewalt die Nase zuhielt und so stark an ihr zerrte, dass der Nasenknorpel abriss. In der sicheren Erwartung , der Schwerverletzte werde in Kürze versterben, verließen die Angeklagten die Wohnung. Gemeinsam mit dem Zeugen Ra suchten sie gegen 22.00 Uhr den Bundesgrenzschutz im Bahnhof Lichtenberg auf. Dort und gegenüber der später eingetroffenen Notärztin erklärten sie, sie hätten mit einem „gesoffen“ und machten sich Sorgen, dass derjenige eventuell tot sei.
Infolge der massiven Tätlichkeiten der Angeklagten erlitt He neben Haut- und Weichteilunterblutungen eine Fraktur der rechten Augenhöhle, eine Verletzung der Leber und der rechten Niere, Rippenfrakturen sowie eine Blutung unter die harte Hirnhaut, an der er im Zusammenhang mit einer Hirnschwellung und einer Bluteinatmung noch in seiner Wohnung verstarb.

b) Die Schwurgerichtskammer hatte sich vom bedingten Tötungsvorsatz aufgrund der Geständnisse der Angeklagten überzeugt, aber kein Tatmotiv feststellen können.
2. Der Senat hat auf die Revisionen der Nebenklägerin die Schuldsprüche aufgehoben, weil die fehlerfrei getroffenen Feststellungen nach den anzuwendenden Maßstäben von BGHSt 47, 128 tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme niedriger Beweggründe geboten hätten, deren Erörterung notwendig gewesen wäre. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen hat der Senat aufrechterhalten.
3. Die neu berufene Schwurgerichtskammer hat, nachdem die Angeklagten von ihrem Recht zu schweigen Gebrauch gemacht haben, das Tatgeschehen umfassend neu aufgeklärt, zum Vor- und Nachtatgeschehen weitergehende Feststellungen getroffen und ein Motiv der Angeklagten festgestellt :
a) Zwischen den muskulös gebauten, noch jungen Angeklagten und dem 48 Jahre alten, durch längeren starken Alkoholkonsum geschwächten He kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen und Streit, weil He nach eigenem, von ihm als ausreichend empfundenen Alkoholgenuss den Angeklagten den Zutritt zu seiner Wohnung gelegentlich versagte. Nachdem He die Angeklagten wieder einmal nicht eingelassen hatte, griffen diese am 30. Dezember 2002 ihren Gastgeber massiv an. He begab sich am nächsten Tag wegen stärker werdender Schmerzen in der Brust ins Krankenhaus. Die Ärzte stellten mehrere frische und mehrere ältere Rippenbrüche sowie eine Nasenbeinfraktur fest. Des Weiteren erlitt He am 30. Dezember , möglicherweise aber auch einige Tage davor oder danach eine subdurale Hirnblutung im Hinterkopf.

b) Das Landgericht hat als Motiv der mit einer Blutalkoholkonzentration von über drei Promille handelnden Angeklagten festgestellt, diese hätten He verletzt, um ihn dafür zu bestrafen, dass er die Angeklagten am Tag zuvor nicht in seine Wohnung eingelassen hatte. Die bis zum Abriss des Nasenknorpels übereinstimmend mit den Feststellungen des Urteils vom 14. August 2003 erneut zu Grunde gelegten Tätlichkeiten der Angeklagten seien aber immer wieder durch Zeiten des gemeinsamen Trinkens unterbrochen worden, während derer die Angeklagten Vorwürfe wegen des abweisenden Verhaltens des He erhoben. Das Landgericht konnte nicht sicher feststellen, dass einzelne oder alle Faustschläge mit voller Kraft und Wucht ausgeführt wurden und dass die Angeklagten den Tod des He auch nur billigend in Kauf genommen haben. Die Angeklagten hätten sich um ihr Opfer auf vielfältige Weise bemüht: Sie führten den malträtierten Geschädigten gemeinsam mit dem Zeugen Ra nochmals ins Badezimmer, duschten ihn mit kaltem Wasser ab, um so seinen Zustand wieder zu verbessern. Dann wechselten sie ihm seine Kleidung und brachten ihn ins Wohnzimmer zurück, wo sie ihn auf dem Sofa absetzten. Kurze Zeit später verlor He das Bewusstsein und rutschte – unerwartet für den Zeugen Ra und nicht sicher ausschließbar auch für die beiden Angeklagten – ohne Einwirkung Dritter zu Boden. In diesem Moment erkannten die Angeklagten und der Zeuge Ra , dass sich die Hautfarbe des Geschädigten im Bereich des Gesichts und der Hände blau verfärbt hatte. Der Angeklagte H begann daraufhin, möglicherweise ebenso wie der Angeklagte S – erst jetzt in Sorge um das Leben von He – bei diesem eine Herzmassage vorzunehmen. Da dies nicht zu einer Besserung des Zustandes des Geschädigten führte, drang Ra darauf, die Feuerwehr oder die Polizei zu rufen, zumal er jetzt befürchtete, He könnte bei einem weiteren Zuwarten möglicherweise versterben. Er verließ mit den beiden Angeklagten die Wohnung. Auch die Angeklagten hatten dabei nicht sicher ausschließbar das Ziel, Hilfe für He zu holen und so die nun erkannte Lebensgefahr zu bannen.

c) Zur Todesursache hat die Schwurgerichtskammer mit sachverständiger Hilfe festgestellt, dass durch den Schlag des Kopfes gegen die Wand die durch den Heilungsprozess der älteren subduralen Hirnblutung entstandene Bindegewebsorganisation aufgerissen sei und eine frische Blutung ausgelöst habe, die zu der tödlichen Hirnschwellung und starken Bluteinatmung geführt hätte. Sämtliche frischen Verletzungen seien nicht sehr erheblich , insbesondere im Einzelnen nicht konkret lebensbedrohlich gewesen. Das Landgericht hat die Rippenbrüche und die Verletzung der Leber nicht mehr dem Tatgeschehen zugerechnet. Diese seien durch die Reanimationsbemühungen des Angeklagten H entstanden.
4. Die Revisionen der Nebenklägerin sind zulässig.
Zwar enthält die Begründung der Rechtsmittel (erneut) keine ausdrückliche Erklärung im Sinne von § 344 Abs. 1 StPO, inwieweit die Beschwerdeführerin das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage. Solches ergibt sich vorliegend aber aus der innerhalb der Revisionsbegründungsfrist ausgeführten Sachrüge, mit der die Nebenklägerin geltend macht, das Landgericht habe die Bindungswirkung der Aufhebungsansicht des Revisionsurteils verkannt und den Prüfungsauftrag nicht erfüllt, festzustellen, ob das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe vorliegt. Damit hat die Nebenklägerin schließlich erklärt, sie verfolge das Ziel ihrer Rechtsmittel gegen das erste tatrichterliche Urteil weiter, nämlich eine Verurteilung der Angeklagten wegen Mordes zu erreichen (vgl. BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 2), und hat – wie von § 400 Abs. 1 StPO geboten – auch klargestellt, dass sie das Urteil mit dem Ziel einer Änderung der Schuldsprüche wegen einer Gesetzesverletzung anfechte, die zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt (vgl. BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 5).
5. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin führen zur Änderung der Schuldsprüche.

a) Die Verurteilungen wegen Körperverletzung mit Todesfolge können nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht die innerprozessuale Bindung an die aufrecht erhaltenen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) des ersten in dieser Sache ergangenen Urteils nicht hinreichend beachtet hat (vgl. BGH NStZ 1999, 259). Zwar ist das Landgericht von einer Bindung an die Feststellungen zum äußeren Tatablauf ausgegangen und hat die einzelnen Tathandlungen in die von ihm getroffenen Feststellungen übernommen. Das Landgericht hat sie aber zum Teil in einen anderen Zusammenhang gestellt, in das festgestellte Gesamtgeschehen weitere Handlungen eingefügt und die Erheblichkeit der Gewalthandlungen der Angeklagten anders bewertet. Damit hat das Landgericht das Tatgeschehen unzulässigerweise im Sinne eines anderen geschichtlichen Vorgangs näher beschrieben (vgl. BGHSt 30, 340, 343, 344; BGH NStZ 1999, 259, 260). Die Beweiswürdigung des Landgerichts , mit der es einen bedingten Tötungsvorsatz der Angeklagten verneint, beruht demnach auf einer unzutreffenden Grundlage.
aa) Im ersten Urteil ist festgestellt, dass die Rippenfrakturen und die Leberverletzung des Tatopfers durch die aggressiven massiven Tätlichkeiten der Angeklagten hervorgerufen wurden. Hiervon weicht das nunmehr angefochtene Urteil in unzulässiger Weise ab, indem es diese Verletzungen unter Anwendung des Zweifelssatzes als mögliche Folge einer vom Angeklagten H vorgenommenen Herzmassage ansieht und diesen Umstand im Rahmen der Beweiswürdigung als einen gegen den Tötungsvorsatz sprechenden Gesichtspunkt anführt.
bb) Das Landgericht hat den festgestellten Tatablauf ferner durch Handlungen unterbrochen gesehen und weitere Feststellungen getroffen, die den gesamten Tatverlauf als für die Angeklagten weitaus günstiger erscheinen lassen. Im Einzelnen handelt es sich um die nunmehr festgestellten Pausen zwischen den einzelnen Misshandlungen, während derer die Angeklagten mit dem Opfer gemeinsam weiter Alkohol getrunken haben, die Versuche der Angeklagten, den Zustand ihres Opfers durch Abduschen und Umkleiden zu verbessern, das Ergreifen lebensrettender Maßnahmen und das Einschalten Dritter.
cc) Das Landgericht hat schließlich die vom Erstgericht als massiv beschriebenen Tätlichkeiten, rückschließend aus der nicht hochgradigen Gefährlichkeit der Verletzungen, höchstens als durchschnittlich bewertet („mittlere Wucht“, UA S. 25). Damit wird die im ersten Urteil bindend festgestellte Dimension der Tätlichkeiten zugunsten der Angeklagten verringert.

b) Der Senat kann die Schuldsprüche selbst entsprechend der Anklage und der Erstverurteilung auf Totschlag umstellen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 57 m.w.N.). Schon die Prüfung des ersten tatrichterlichen Urteils hat keinerlei Bedenken aufkommen lassen, der damals eingestandene bedingte Tötungsvorsatz könnte im Widerspruch zu den objektiven Tatumständen stehen und nicht ebenfalls das Ergebnis einer auf ihnen beruhenden Schlussfolgerung sein. Solches gilt auf der Grundlage der gleichen verbindlichen Feststellungen (siehe unter 1 a der hiesigen Urteilsgründe ) und an Hand der nunmehr vom Landgericht fehlerfrei getroffenen zusätzlichen Feststellungen zur Vorschädigung des Opfers und zum Motiv der Angeklagten sogar in verstärktem Maße.
Die Feststellungen belegen, dass sich die Angeklagten der Vornahme lebensbedrohlicher Gewalthandlungen bewusst waren. Sie sind mit sich steigernder Gewalt gegen ihren Gastgeber vorgegangen, um sich für die Abweisung vom Vortag zu rächen. Sie waren nach ihren eigenen Worten bereit, die Grenze der Widerstandsfähigkeit ihres Opfers zu erreichen, und – vor dem Hintergrund der massiven Verletzung des Kopfes des Opfers und der besonderen Schwierigkeiten, das Ausmaß und die Wirkungen der weiteren Gewalthandlungen gegen den Kopf im Einzelnen steuern zu können (vgl. BGH, Urt. vom 9. August 2005 – 5 StR 352/04) – auch bereit, die Grenzen der Widerstandsfähigkeit zu überschreiten. Dies gilt vorliegend umso mehr: Das Ausmaß der objektiv erforderlichen Gewalt als Grundlage für einen Schluss auf das Erkennen der Lebensgefährlichkeit der aktuellen Gewalthandlungen war sogar herabgesetzt; denn die Angeklagten hatten ihr Opfer schon am 30. Dezember 2002 erheblich verletzt. Bei dieser Sachlage sind keine Umstände erkennbar, nach denen die Angeklagten ernsthaft darauf vertraut haben könnten, der Geschädigte werde nicht zu Tode kommen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 57; BGH, Urt. vom 24. März 2005 – 3 StR 402/04).
Die vom Landgericht – insoweit auf Grund zulässiger ergänzender Feststellungen – gegen einen bedingten Tötungsvorsatz angeführten Umstände gebieten keine andere Wertung.
Das Motiv der Angeklagten, He „lediglich“ für dessen abweisendes Verhalten zu bestrafen, streitet nicht gegen einen bedingten Tötungsvorsatz. Es liegt in der Natur der Sache, dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter in Verfolgung seines anders gelagerten Handlungsantriebs in der Regel über kein Tötungsmotiv verfügt (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 22). Allerdings kann die Art des Motivs die Stärke des vom Täter empfundenen Handlungsimpulses beeinflussen (vgl. BGH aaO). Vorliegend handelten die Angeklagten in Verfolgung ihres Bestrafungsmotivs in einem zeitlich gestreckten Vorgehen unter Inkaufnahme der Überschreitung der Widerstandsfähigkeit des Opfers. Damit steht das Motiv der Angeklagten der Annahme des voluntativen Vorsatzelements nicht entgegen (vgl. Schneider NStZ 2005, 629, 631).
Auch die Erwägung des Landgerichts, der Tod des Opfers sei nicht im Sinne der Angeklagten gewesen, weil damit die Anlaufstelle für gemeinsame Trinkgelage aufgegeben würde, spricht nicht gegen eine Billigung des Todes (vgl. BGHSt 7, 363, 369). Der Erfolg muss den Wünschen des Täters nicht entsprechen (vgl. BGHSt aaO). Allenfalls hochgradig interessenwidrige Tatfolgen widerstreiten der Annahme einer Billigung des Erfolges durch einen in der Steuerungsfähigkeit beeinträchtigten, ohnehin überaus unüberlegt handelnden Täter. Solches liegt hier nicht vor. Das Landgericht hat nämlich fehlerfrei festgestellt, dass He die Angeklagten schon mehrmals abgewiesen hatte, obwohl sie gekommen waren, um mitgebrachten Alkohol zu konsumieren. Danach stand die Wohnung des He den Angeklagten bereits nur noch in beschränktem Umfang zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund vermag der vollständige Verlust (nur) eines Ortes für Trinkgelage keine hochgradig interessenwidrigen Tatfolgen zu begründen.

c) Das Landgericht hat im ersten Urteil rechtsfehlerfrei festgestellt, dass das Opfer an den Folgen der ihm zugefügten als Einheit zu beurteilenden gesamten Gewalthandlungen verstorben ist, insbesondere an den Kopfverletzungen , die ihm in der entscheidenden besonders brutalen späten Ge- schehensphase zugefügt worden waren. Wie ausgeführt, war das Geschehen insoweit – nicht anders als das massive Blutungen verursachende Abreißen des Nasenknorpels in dieser Phase – von bedingtem Tötungsvorsatz getragen. Diese von der Teilaufrechterhaltung erfassten bindenden Feststellungen zur Kausalität hindern die vom Generalbundesanwalt erwogene zweifelhafte Aufspaltung des Geschehens mit einem möglicherweise allein todesverursachenden Teil der Verletzungen in der ersten, noch nicht vom Tötungsvorsatz erfassten Tatphase. Soweit den Feststellungen des Landgerichts , das freilich auch von einer Todesverursachung durch Bluteinatmung ausgeht (UA S. 16, 26), Abweichendes zu entnehmen sein sollte, würde auch dies gegen die innerprozessuale Bindungswirkung verstoßen. Eine Verurteilung wegen eines lediglich versuchten Kapitalverbrechens in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge scheidet schon deshalb aus.

d) Die Voraussetzungen für das Vorliegen niedriger Beweggründe lassen sich den insoweit fehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts nicht entnehmen. Zwar ist die nunmehr festgestellte (wiederholte) Bestrafungsaktion grundsätzlich geeignet, das Vorliegen niedriger Beweggründe zu belegen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 39; BGH, Urt. vom 1. September 2005 – 4 StR 290/05). Es liegt nicht gänzlich fern, die von den Angeklagten ausgelebte Rache für ein ihnen unverständliches, als undankbar empfundenes Bestehen des betrunkenen Opfers auf seinem Hausrecht als ebenfalls auf niedrigen Beweggründen beruhend anzusehen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 36; BGH NStZ-RR 2003, 147, 149). Indes reichen die bisherigen Feststellungen als Grundlage für eine sichere Wertung nicht aus. Der Senat schließt namentlich aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung bewiesen werden kann, dass die Angeklagten, die erst nach sechsstündigem gemeinsamen Alkoholgenuss ihre zunächst mit Worten ausgedrückte Verärgerung in stark angetrunkenem Zustand in dumpfem Unmut zur affektgeladenen, fast blindwütigen Racheaktion steigerten, ihr Vergeltungsstreben für ein verwehrtes Gastrecht in seiner Bedeutung für die Tatausführung in ihr Bewusstsein aufgenommen haben (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 26 und 36). Damit hat es mit der Umstellung der Schuldsprüche auf Totschlag sein Bewenden.
6. Die Strafen müssen neu bemessen werden. Dazu bedarf es keiner Aufhebung von Feststellungen. Der neu berufene Tatrichter wird die Strafen für den von den Angeklagten gemeinschaftlich begangenen Totschlag auf der Grundlage der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen (1 a der hiesigen Urteilsgründe), der zulässigerweise getroffenen weiteren Feststellungen zur Person der Angeklagten (UA S. 4 bis 10), deren Motiv (UA S. 12, 20, 31) und zu der Tat vom 30. Dezember 2002 (UA S. 10 f.) zu bemessen haben, wobei von einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit (UA S. 26 bis 28) auszugehen ist. Der Senat wiederholt seinen im Urteil vom 17. August 2004 unter IV. erteilten Hinweis zur Anwendung von § 49 Abs. 1 StGB (vgl. auch sub 8).
7. Mit den Teilerfolgen der Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin erledigen sich deren Kostenbeschwerden.
8. Die wirksam auf das Strafmaß beschränkte Revision des Angeklagten H ist unbegründet. Soweit sich die Revision mit der Sachrüge gegen die versagte Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wendet, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat das mit dem vorliegenden Tatbild übereinstimmende Vortatgeschehen vom 30. Dezember 2002 als Vorerfahrung der Angeklagten gewürdigt, wonach der sie unter dem Einfluss erheblicher Mengen Alkohols objektiv und subjektiv vorhersehbar zu weiteren gewalttätigen Übergriffen gegen ihr Opfer neigten. Solches begründet die Versagung der Strafrahmenverschiebung (vgl. BGHSt 49, 239, 243, 245 f.).
Basdorf Häger Raum Brause Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 608/11
vom
23. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23.Februar
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger,
die Nebenkläger V. und T. V. in Person,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 27. Juni 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung , begangen in den Varianten des § 224 Abs. 1 Nr. 2 (Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeuges) und Nr. 5 StGB (Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung) zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft und die Eltern des Geschädigten als Nebenkläger beanstanden mit ihren Rechtsmitteln die Verletzung materiellen Rechts. Die Revisionen führen zur Aufhebung des Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts.
2
1. Nach den Feststellungen hielt sich der Angeklagte am frühen Morgen des 12. Dezember 2010 gegen 03.45 Uhr mit drei Freunden auf dem Parkplatz einer Diskothek auf. Als es im Eingangsbereich zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit wechselseitigen Faustschlägen zwischen den Zeugen A. und C. kam, lief der Angeklagte in Richtung der Streitenden, um zu schlichten (UA 6/7). Etwa zum gleichen Zeitpunkt trat der ebenfalls um eine Streitschlichtung bemühte D. V. zwischen die Kontrahenten und wurde von dem Zeugen A. mit der Faust zu Boden geschlagen. Ob sich D. V. danach noch einmal zu erheben vermochte oder sofort regungslos liegenblieb, konnte das Landgericht nicht zweifelsfrei feststellen. Wenige Sekunden nachdem D. V. zu Boden gegangen war, trat ihm der Angeklagte ohne nachvollziehbaren Grund aus der Körperdrehung heraus mit seiner rechten Innenfußseite gegen die rechte Wange. Zu diesem Zeitpunkt lag D. V. auf der Seite oder auf dem Rücken, sodass sein Gesicht zur Seite oder nach oben ge- richtet war. Infolge des „mit nicht genau feststellbarer Intensität“ geführten Tritts wurde der Kopf des erheblich alkoholisierten Geschädigten nach hinten ge- schleudert und „im Radius von etwa 1/2 Meter in Trittrichtung gedreht. Die Fü- ße blieben am Ort liegen“. Dabei trug der Angeklagte geschnürte Sportschuhe, deren Innenseite so hart war, dass es dadurch bei Tritten zu erheblichen Verletzungen kommen konnte (UA 7).
3
Der Zeuge C. und andere Umstehende bemühten sich sofort um eine Erstversorgung des Geschädigten und alarmierten um 3.53 Uhr den Rettungsdienst. Der Angeklagte zeigte sich ebenfalls besorgt und überließ dem Zeugen C. seine Telefonnummer. Danach fuhr er mit seinen Freunden nach Hause.
4
Als der Rettungsdienst um 4.02 Uhr eintraf, war der Geschädigte bewusstlos und ohne eigene Atmung. Bei einem Intubationsversuch stellte der kurze Zeit später hinzu gekommene Notarzt fest, dass der Deckel der Luftröhre durch einen Kaugummi verlegt und deshalb keine Versorgung mit Sauerstoff über die Atemwege mehr möglich war. Nachdem er den Kaugummistreifen mit einem Spezialinstrument entfernt hatte, konnte der Tubus gelegt und eine maschinelle Beatmung eingeleitet werden. D. V. hatte daraufhin wieder ei- nen Spontankreislauf und einen stabilen Puls. Bis zu diesem Zeitpunkt war er etwa 15 Minuten ohne Bewusstsein. Nach dem Transport ins Krankenhaus wurde bei ihm eine bis dahin unbemerkt gebliebene massive Einblutung in die weiche Hirnhaut (Subarachnoidalblutung) festgestellt, die noch am 12. Dezember 2010 eine operative Entfernung knöcherner Schädelteile erforderlich machte (Entlastungscraniektomie). D. V. verstarb am 16. Dezember 2010 an einer irreversiblen Hirnschädigung in Folge einer akuten schwersten globalen Minderversorgung des Gehirns mit Blut und Sauerstoff.
5
Das medizinisch-sachverständig beratene Landgericht geht davon aus, dass der Geschädigte auf Grund des Faustschlages des Zeugen A. seinen Kaugummi in einer Weise verschluckt hat, dass dadurch sowohl der Kehlkopf als auch die Luftröhre verlegt wurden. In der Folge kam es zu einem reflektorischen Herz-Kreislauf-Stillstand (sog. Bolustod). Die Einblutung unter die weiche Hirnhaut ist nach Ansicht des Landgerichts „am ehesten durch den Sturz des Geschädigten ausgelöst worden und kann nicht zwangsläufig auf den Tritt des Angeklagten zurückgeführt werden“. Sie wurde zudem „wohl vom Bolustod überholt“ und ist „jedenfalls nicht mehr todesursächlich geworden“.
6
2. Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte billigend in Kauf nahm, dass durch seinen Tritt „das Leben des Geschädigten potentiell gefährdet würde“. Eshat deshalb einen bedingten Vorsatz in Bezug auf eine das Leben gefährdende Körperverletzungshandlung entsprechend § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB für gegeben erachtet (UA 24).
7
Einen bedingten Tötungsvorsatz hat das Landgericht verneint, weil die Feststellungen nicht belegen, dass der Angeklagte bei der Ausführung des Trittes den Tod des Geschädigten billigend in Kauf nahm. Dabei hat es auf die folgenden Punkte abgestellt (UA 26):
8
Die Intensität des Trittes konnte nicht ausreichend festgestellt werden und war deshalb ohne Aussagekraft. Das Fehlen knöcherner Schädelverlet- zungen spricht eher gegen „eine besonders starke Intensität“(UA 27).
9
Eine „deutliche Motivation“ für den Tritt ist nicht feststellbar, weil der An- geklagte an der vorausgegangenen Auseinandersetzung nicht beteiligt war. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte gegenüber dem ihm unbekannten Geschädigten eine „grundsätzlich feindliche Willensrichtung“ eingenommen hatte, bestehen nicht. Eine Solidarisierung mit dem Zeugen A. , die die Annahme rechtfertigen könnte, der Angeklagte habe ihn auch um den Preis des Todes eines Menschen unterstützen wollen, ist nicht anzunehmen. A. war dem Angeklagten nur flüchtig bekannt und wurde von D. V. zuvor nicht angegriffen.
10
Der Umstand, dass dem Angeklagten seine Tat sofort Leid tat und er sich in der Folgezeit mehrfach für das Befinden des Geschädigten interessierte, ist ein „weiteres Indiz“ gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes (UA 27).
11
3. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes abgelehnt hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
12
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, wenn sie möglich sind. Ein revisionsgerichtliches Eingreifen ist erst dann veranlasst , wenn dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11, Rn. 23; Urteil vom 14. Dezember 2011 – 1 StR 501/11; KK-StPO/Schoreit, 6. Aufl., § 261 Rn. 51 mwN).
13
Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699 Rn. 34 f. mwN.). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1999 – 1 StR 26/99, NJW 1999, 2533, 2534; NK-StGB/Neumann 3. Aufl., § 212 Rn. 12 f.; Mößner, Die Überprüfung des bedingten Tötungsvorsatzes in der Revision S. 6 ff., jew. mwN). Bei der Würdigung des Willenselements ist neben der konkreten Angriffsweise regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die Betrachtung einzubeziehen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2000 – 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51; Beschluss vom 1. Juni 2007 – 2 StR 133/07, NStZ-RR 2007, 267, 268; Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372 jew. mwN).
14
b) Diesen Anforderungen wird die landgerichtliche Entscheidung nicht gerecht.
15
Die Ausführungen des Landgerichts zur objektiven Gefährlichkeit des vom Angeklagten geführten Angriffs sind schon deshalb lückenhaft, weil sie sich nicht mit der von dem Angeklagten selbst geschilderten erheblichen Wirkung seines Tritts auf die Lage des Körpers des Geschädigten auseinanderset- zen (UA 7 und 14). Auch hätte an dieser Stelle nochmals erkennbar Berücksichtigung finden müssen, dass der Angeklagte die Trittwirkung gefährlich verstärkende Schuhe trug (UA 7) und auf den Geschädigten zu einem Zeitpunkt eintrat, als dieser – jedenfalls nach seiner Wahrnehmung (UA 13) – in Folge des Schlags des Zeugen A. regungslos am Boden lag. Bei seinen Erörterungen zum inneren Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB hat das Landgericht diese Umstände als Beleg dafür ausreichen lassen, dass der Angeklagte eine potentielle Gefährdung des Lebens seines Opfers in Kauf nahm (UA

24).


16
Die Annahme des Landgerichts, der Tritt des Angeklagten könne nicht von „besonders starker Intensität“ (UA 27) oder „nicht von übermäßiger Wucht“ (UA 19) gewesen sein, weil bei dem Geschädigten keine knöchernen Schädelverletzungen festzustellen waren, stellt einseitig auf die ex post feststellbaren Verletzungsfolgen ab (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11 Rn. 28) und lässt die generelle Gefährlichkeit derartiger Tritte außer Acht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2011 – 1 StR 179/11, Rn. 10). Sie ist zudem nicht mit der an anderer Stelle getroffenen Feststellung vereinbar, dass die Knochenbrücke zwischen den Knochendeckeln des Schädelknochens einen nicht unterbluteten Bruch aufwies (UA 11). Zwar liegt es nicht fern, dass dieser Bruch auf die später durchgeführte Entlastungscraniektomie zurückzuführen ist, doch hätte dies einer ausdrücklichen Erörterung bedurft.
17
Der Umstand, dass dem Angeklagten sein Tritt sofort Leid tat und er sich in der Folgezeit mehrfach für das Befinden des Geschädigten interessierte, durfte vom Landgericht nicht ohne weitere Darlegungen als Indiz gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes gewertet werden.
18
Nachträgliches Bedauern und Rettungsversuche sagen nur bedingt etwas über die innere Haltung des Täters im Tatzeitpunkt aus, da sie nicht selten auf einer spontanen Ernüchterung beruhen und mit Blick auf die Tatfolgen von der Sorge um das eigene Wohl geleitet sind (BGH, Urteil vom 8. August2001 – 2StR 166/01, NStZ-RR 2001, 369, 370; Urteil vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630). Der Angeklagte hat hierzu angegeben, nach dem Tritt „wach geworden“ zu sein. Dabei habe er begriffen, dass er etwas ge- tan habe, was nicht in Ordnung gewesen sei (UA 14). Der Angeklagte – dessen Einlassung das Landgericht im Übrigen gefolgt ist – hat damit selbst eingeräumt , dass sein Nachtatverhalten nicht mehr Ausdruck der ihn beherrschenden inneren Einstellung im Tatzeitpunkt gewesen ist, sondern auf einer veränderten Sicht der Dinge beruhte. Hieran durfte das Landgericht nicht vorübergehen.
19
Bedenken bestehen schließlich auch insoweit, als das Landgericht in dem Umstand, dass es „keine deutliche Motivation für den Tritt“ festzustellen vermochte, ein Indiz gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes gesehen hat.
20
Mit bedingten Tötungsvorsatz handelnde Täter haben kein Tötungsmotiv , sondern gehen einem anderen Handlungsantrieb nach (BGH, Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318). Allerdings kann sich aus der Art des jeweiligen Handlungsantriebs ein Rückschluss auf die Stärke des vom Täter empfundenen Tatanreizes und damit auch auf seine Bereitschaft zur Inkaufnahme schwerster Folgen ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1990 – 3 StR 311/90, BGHR StGB § 212 Abs.1 Vorsatz, bedingter 22; Urteil vom 30. November 2005 – 3 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317,

318).


21
Das Landgericht hat mit der Verneinung einer feindlichen Grundhaltung gegenüber dem Geschädigten einerseits und einer unbedingten Solidarität mit seinem Kontrahenten A. andererseits lediglich zwei mögliche starke Handlungsantriebe ausgeschlossen. Dies allein lässt jedoch noch nicht den Schluss zu, dass es dem Angeklagten deshalb an der Bereitschaft gefehlt hat, auch schwerste Tatfolgen in Kauf zu nehmen. Stattdessen wäre es an dieser Stelle erforderlich gewesen, näher auf die Persönlichkeit des Angeklagten, sein Verhältnis zur Anwendung körperlicher Gewalt und seine Fähigkeit zur Kontrolle aggressiver Impulse einzugehen. Wie das Landgericht im Rahmen seiner Erwägungen zu § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG zutreffend festgestellt hat, lässt die Art und Weise, wie sich der Angeklagte zu der Tat hinreißen ließ, auf einen starken Mangel an Ausgeglichenheit und Besonnenheit schließen (UA 29). Auch musste er in der Vergangenheit bereits zweimal wegen Körperverletzung geahndet werden, wobei er seinen Opfern jeweils knöcherne Verletzungen des Gesichtsschädels zufügte (UA 4 f.). Mangelnde Impulskontrolle, wie sie bei dem Angeklagten schon mehrfach zutage getreten ist, führt nicht selten dazu, dass es bereits bei geringsten Anlässen zu massiven Gewalthandlungen kommt, bei denen dem Täter die Konsequenzen seines Handelns gleichgültig sind und deshalb selbst tödliche Folgen in Kauf genommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08, Rn. 9).
22
4. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Ein Eingehen auf die von der Revision erhobenen Einwände gegen die unterbliebene Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge ist unter diesen Umständen ebenso wenig erforderlich wie die Erörterung einer Strafbarkeit nach § 231 Abs. 1 Alt. 2 StGB.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin
5 StR 344/05
(alt: 5 StR 94/04)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 30. November 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 29. und 30. November 2005, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K
alsVerteidigerfürdenA ngeklagten H ,
Rechtsanwalt R
alsVerteidigerfürdenAngek lagten S ,
Rechtsanwalt Sa
alsVertreterderNebenklägerin,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
in der Sitzung vom 30. November 2005 für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. Februar 2005
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten wegen Totschlags verurteilt sind,
b) in den Strafaussprüchen aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Die Revision des Angeklagten H gegen das genannte Urteil wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin zu tragen.
4. Die Sache wird zur Neufestsetzung der Strafen und zur Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hatte die Angeklagten zunächst mit seinem Urteil vom 14. August 2003 wegen Totschlags zu Freiheitsstrafen von jeweils sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revisionen der Nebenklägerin hat der Senat die Schuldsprüche aufgehoben und – bei Aufrechterhaltung der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen – das Verfahren an eine andere Schwurgerichtskammer zurückverwiesen (NStZ-RR 2004, 332). Diese hat die Angeklagten nunmehr wegen Körperverletzung mit Todesfolge wiederum zu Freiheitsstrafen von jeweils sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, und die Rechtsmittel der Nebenklägerin jeweils mit der Sachrüge. Der Angeklagte H greift mit seiner beschränkten Revision die vom Landgericht gefundene Strafe an. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin haben Erfolg, soweit das Landgericht nicht auf Totschlag erkannt hat. Die Revision des Angeklagten H ist unbegründet.
1. Das Landgericht hatte in seinem Urteil vom 14. August 2003 folgende Feststellungen getroffen:
a) Die Angeklagten besuchten gegen Mittag des 26. Januar 2003 den ihnen bekannten wesentlich älteren, körperlich und seelisch angegriffenen He in dessen Wohnung in Berlin-Lichtenberg. Sie trafen dort auf die Zeugen Ra und Sh ; letzterer entfernte sich alsbald. Nach reichlichem Genuss von Rotwein und Wodka verletzten die Angeklagten den He zwischen 18.00 und 19.00 Uhr zunächst wie folgt: S rammte dem neben ihm sitzenden Wohnungsinhaber völlig unvermittelt seinen rechten Ellenbogen in die seitliche Halsgegend. H trat He mit dem beschuhten Fuß kräftig ins Gesicht. S schubste den Zeugen Ra zur Seite, der He vor einem Angriff schützen wollte. H schlug He mit der Faust auf das rechte Auge. Nachdem der Zeuge Ra im Badezimmer die von H verursachten Wunden ausgewaschen hatte, schlug dieser Angeklagte erneut mehrfach mit der Faust auf die Wunden und gegen den rechten Kieferbereich. Der Angeklagte S schlug ebenfalls mehrmals mit den Fäusten auf den jetzt wieder blutenden Verletzten ein. H packte dann das keinerlei Widerstand leistende Opfer an den Haaren und schlug dessen Kopf gegen die Wand. Er urinierte auf den an der Stirn, aus der Nase und am Ohr blutenden Schwerverletzten. Um diesen noch stärker zu erniedrigen , rasierten ihm die Angeklagten die Kopfhaare teilweise ab. Unter dem Ausruf: „Mal sehen, wie widerstandsfähig er ist!“ würgte einer der Angeklagten ihr Opfer, während der andere mit äußerster Gewalt die Nase zuhielt und so stark an ihr zerrte, dass der Nasenknorpel abriss. In der sicheren Erwartung , der Schwerverletzte werde in Kürze versterben, verließen die Angeklagten die Wohnung. Gemeinsam mit dem Zeugen Ra suchten sie gegen 22.00 Uhr den Bundesgrenzschutz im Bahnhof Lichtenberg auf. Dort und gegenüber der später eingetroffenen Notärztin erklärten sie, sie hätten mit einem „gesoffen“ und machten sich Sorgen, dass derjenige eventuell tot sei.
Infolge der massiven Tätlichkeiten der Angeklagten erlitt He neben Haut- und Weichteilunterblutungen eine Fraktur der rechten Augenhöhle, eine Verletzung der Leber und der rechten Niere, Rippenfrakturen sowie eine Blutung unter die harte Hirnhaut, an der er im Zusammenhang mit einer Hirnschwellung und einer Bluteinatmung noch in seiner Wohnung verstarb.

b) Die Schwurgerichtskammer hatte sich vom bedingten Tötungsvorsatz aufgrund der Geständnisse der Angeklagten überzeugt, aber kein Tatmotiv feststellen können.
2. Der Senat hat auf die Revisionen der Nebenklägerin die Schuldsprüche aufgehoben, weil die fehlerfrei getroffenen Feststellungen nach den anzuwendenden Maßstäben von BGHSt 47, 128 tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme niedriger Beweggründe geboten hätten, deren Erörterung notwendig gewesen wäre. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen hat der Senat aufrechterhalten.
3. Die neu berufene Schwurgerichtskammer hat, nachdem die Angeklagten von ihrem Recht zu schweigen Gebrauch gemacht haben, das Tatgeschehen umfassend neu aufgeklärt, zum Vor- und Nachtatgeschehen weitergehende Feststellungen getroffen und ein Motiv der Angeklagten festgestellt :
a) Zwischen den muskulös gebauten, noch jungen Angeklagten und dem 48 Jahre alten, durch längeren starken Alkoholkonsum geschwächten He kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen und Streit, weil He nach eigenem, von ihm als ausreichend empfundenen Alkoholgenuss den Angeklagten den Zutritt zu seiner Wohnung gelegentlich versagte. Nachdem He die Angeklagten wieder einmal nicht eingelassen hatte, griffen diese am 30. Dezember 2002 ihren Gastgeber massiv an. He begab sich am nächsten Tag wegen stärker werdender Schmerzen in der Brust ins Krankenhaus. Die Ärzte stellten mehrere frische und mehrere ältere Rippenbrüche sowie eine Nasenbeinfraktur fest. Des Weiteren erlitt He am 30. Dezember , möglicherweise aber auch einige Tage davor oder danach eine subdurale Hirnblutung im Hinterkopf.

b) Das Landgericht hat als Motiv der mit einer Blutalkoholkonzentration von über drei Promille handelnden Angeklagten festgestellt, diese hätten He verletzt, um ihn dafür zu bestrafen, dass er die Angeklagten am Tag zuvor nicht in seine Wohnung eingelassen hatte. Die bis zum Abriss des Nasenknorpels übereinstimmend mit den Feststellungen des Urteils vom 14. August 2003 erneut zu Grunde gelegten Tätlichkeiten der Angeklagten seien aber immer wieder durch Zeiten des gemeinsamen Trinkens unterbrochen worden, während derer die Angeklagten Vorwürfe wegen des abweisenden Verhaltens des He erhoben. Das Landgericht konnte nicht sicher feststellen, dass einzelne oder alle Faustschläge mit voller Kraft und Wucht ausgeführt wurden und dass die Angeklagten den Tod des He auch nur billigend in Kauf genommen haben. Die Angeklagten hätten sich um ihr Opfer auf vielfältige Weise bemüht: Sie führten den malträtierten Geschädigten gemeinsam mit dem Zeugen Ra nochmals ins Badezimmer, duschten ihn mit kaltem Wasser ab, um so seinen Zustand wieder zu verbessern. Dann wechselten sie ihm seine Kleidung und brachten ihn ins Wohnzimmer zurück, wo sie ihn auf dem Sofa absetzten. Kurze Zeit später verlor He das Bewusstsein und rutschte – unerwartet für den Zeugen Ra und nicht sicher ausschließbar auch für die beiden Angeklagten – ohne Einwirkung Dritter zu Boden. In diesem Moment erkannten die Angeklagten und der Zeuge Ra , dass sich die Hautfarbe des Geschädigten im Bereich des Gesichts und der Hände blau verfärbt hatte. Der Angeklagte H begann daraufhin, möglicherweise ebenso wie der Angeklagte S – erst jetzt in Sorge um das Leben von He – bei diesem eine Herzmassage vorzunehmen. Da dies nicht zu einer Besserung des Zustandes des Geschädigten führte, drang Ra darauf, die Feuerwehr oder die Polizei zu rufen, zumal er jetzt befürchtete, He könnte bei einem weiteren Zuwarten möglicherweise versterben. Er verließ mit den beiden Angeklagten die Wohnung. Auch die Angeklagten hatten dabei nicht sicher ausschließbar das Ziel, Hilfe für He zu holen und so die nun erkannte Lebensgefahr zu bannen.

c) Zur Todesursache hat die Schwurgerichtskammer mit sachverständiger Hilfe festgestellt, dass durch den Schlag des Kopfes gegen die Wand die durch den Heilungsprozess der älteren subduralen Hirnblutung entstandene Bindegewebsorganisation aufgerissen sei und eine frische Blutung ausgelöst habe, die zu der tödlichen Hirnschwellung und starken Bluteinatmung geführt hätte. Sämtliche frischen Verletzungen seien nicht sehr erheblich , insbesondere im Einzelnen nicht konkret lebensbedrohlich gewesen. Das Landgericht hat die Rippenbrüche und die Verletzung der Leber nicht mehr dem Tatgeschehen zugerechnet. Diese seien durch die Reanimationsbemühungen des Angeklagten H entstanden.
4. Die Revisionen der Nebenklägerin sind zulässig.
Zwar enthält die Begründung der Rechtsmittel (erneut) keine ausdrückliche Erklärung im Sinne von § 344 Abs. 1 StPO, inwieweit die Beschwerdeführerin das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage. Solches ergibt sich vorliegend aber aus der innerhalb der Revisionsbegründungsfrist ausgeführten Sachrüge, mit der die Nebenklägerin geltend macht, das Landgericht habe die Bindungswirkung der Aufhebungsansicht des Revisionsurteils verkannt und den Prüfungsauftrag nicht erfüllt, festzustellen, ob das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe vorliegt. Damit hat die Nebenklägerin schließlich erklärt, sie verfolge das Ziel ihrer Rechtsmittel gegen das erste tatrichterliche Urteil weiter, nämlich eine Verurteilung der Angeklagten wegen Mordes zu erreichen (vgl. BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 2), und hat – wie von § 400 Abs. 1 StPO geboten – auch klargestellt, dass sie das Urteil mit dem Ziel einer Änderung der Schuldsprüche wegen einer Gesetzesverletzung anfechte, die zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt (vgl. BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 5).
5. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin führen zur Änderung der Schuldsprüche.

a) Die Verurteilungen wegen Körperverletzung mit Todesfolge können nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht die innerprozessuale Bindung an die aufrecht erhaltenen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) des ersten in dieser Sache ergangenen Urteils nicht hinreichend beachtet hat (vgl. BGH NStZ 1999, 259). Zwar ist das Landgericht von einer Bindung an die Feststellungen zum äußeren Tatablauf ausgegangen und hat die einzelnen Tathandlungen in die von ihm getroffenen Feststellungen übernommen. Das Landgericht hat sie aber zum Teil in einen anderen Zusammenhang gestellt, in das festgestellte Gesamtgeschehen weitere Handlungen eingefügt und die Erheblichkeit der Gewalthandlungen der Angeklagten anders bewertet. Damit hat das Landgericht das Tatgeschehen unzulässigerweise im Sinne eines anderen geschichtlichen Vorgangs näher beschrieben (vgl. BGHSt 30, 340, 343, 344; BGH NStZ 1999, 259, 260). Die Beweiswürdigung des Landgerichts , mit der es einen bedingten Tötungsvorsatz der Angeklagten verneint, beruht demnach auf einer unzutreffenden Grundlage.
aa) Im ersten Urteil ist festgestellt, dass die Rippenfrakturen und die Leberverletzung des Tatopfers durch die aggressiven massiven Tätlichkeiten der Angeklagten hervorgerufen wurden. Hiervon weicht das nunmehr angefochtene Urteil in unzulässiger Weise ab, indem es diese Verletzungen unter Anwendung des Zweifelssatzes als mögliche Folge einer vom Angeklagten H vorgenommenen Herzmassage ansieht und diesen Umstand im Rahmen der Beweiswürdigung als einen gegen den Tötungsvorsatz sprechenden Gesichtspunkt anführt.
bb) Das Landgericht hat den festgestellten Tatablauf ferner durch Handlungen unterbrochen gesehen und weitere Feststellungen getroffen, die den gesamten Tatverlauf als für die Angeklagten weitaus günstiger erscheinen lassen. Im Einzelnen handelt es sich um die nunmehr festgestellten Pausen zwischen den einzelnen Misshandlungen, während derer die Angeklagten mit dem Opfer gemeinsam weiter Alkohol getrunken haben, die Versuche der Angeklagten, den Zustand ihres Opfers durch Abduschen und Umkleiden zu verbessern, das Ergreifen lebensrettender Maßnahmen und das Einschalten Dritter.
cc) Das Landgericht hat schließlich die vom Erstgericht als massiv beschriebenen Tätlichkeiten, rückschließend aus der nicht hochgradigen Gefährlichkeit der Verletzungen, höchstens als durchschnittlich bewertet („mittlere Wucht“, UA S. 25). Damit wird die im ersten Urteil bindend festgestellte Dimension der Tätlichkeiten zugunsten der Angeklagten verringert.

b) Der Senat kann die Schuldsprüche selbst entsprechend der Anklage und der Erstverurteilung auf Totschlag umstellen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 57 m.w.N.). Schon die Prüfung des ersten tatrichterlichen Urteils hat keinerlei Bedenken aufkommen lassen, der damals eingestandene bedingte Tötungsvorsatz könnte im Widerspruch zu den objektiven Tatumständen stehen und nicht ebenfalls das Ergebnis einer auf ihnen beruhenden Schlussfolgerung sein. Solches gilt auf der Grundlage der gleichen verbindlichen Feststellungen (siehe unter 1 a der hiesigen Urteilsgründe ) und an Hand der nunmehr vom Landgericht fehlerfrei getroffenen zusätzlichen Feststellungen zur Vorschädigung des Opfers und zum Motiv der Angeklagten sogar in verstärktem Maße.
Die Feststellungen belegen, dass sich die Angeklagten der Vornahme lebensbedrohlicher Gewalthandlungen bewusst waren. Sie sind mit sich steigernder Gewalt gegen ihren Gastgeber vorgegangen, um sich für die Abweisung vom Vortag zu rächen. Sie waren nach ihren eigenen Worten bereit, die Grenze der Widerstandsfähigkeit ihres Opfers zu erreichen, und – vor dem Hintergrund der massiven Verletzung des Kopfes des Opfers und der besonderen Schwierigkeiten, das Ausmaß und die Wirkungen der weiteren Gewalthandlungen gegen den Kopf im Einzelnen steuern zu können (vgl. BGH, Urt. vom 9. August 2005 – 5 StR 352/04) – auch bereit, die Grenzen der Widerstandsfähigkeit zu überschreiten. Dies gilt vorliegend umso mehr: Das Ausmaß der objektiv erforderlichen Gewalt als Grundlage für einen Schluss auf das Erkennen der Lebensgefährlichkeit der aktuellen Gewalthandlungen war sogar herabgesetzt; denn die Angeklagten hatten ihr Opfer schon am 30. Dezember 2002 erheblich verletzt. Bei dieser Sachlage sind keine Umstände erkennbar, nach denen die Angeklagten ernsthaft darauf vertraut haben könnten, der Geschädigte werde nicht zu Tode kommen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 57; BGH, Urt. vom 24. März 2005 – 3 StR 402/04).
Die vom Landgericht – insoweit auf Grund zulässiger ergänzender Feststellungen – gegen einen bedingten Tötungsvorsatz angeführten Umstände gebieten keine andere Wertung.
Das Motiv der Angeklagten, He „lediglich“ für dessen abweisendes Verhalten zu bestrafen, streitet nicht gegen einen bedingten Tötungsvorsatz. Es liegt in der Natur der Sache, dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter in Verfolgung seines anders gelagerten Handlungsantriebs in der Regel über kein Tötungsmotiv verfügt (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 22). Allerdings kann die Art des Motivs die Stärke des vom Täter empfundenen Handlungsimpulses beeinflussen (vgl. BGH aaO). Vorliegend handelten die Angeklagten in Verfolgung ihres Bestrafungsmotivs in einem zeitlich gestreckten Vorgehen unter Inkaufnahme der Überschreitung der Widerstandsfähigkeit des Opfers. Damit steht das Motiv der Angeklagten der Annahme des voluntativen Vorsatzelements nicht entgegen (vgl. Schneider NStZ 2005, 629, 631).
Auch die Erwägung des Landgerichts, der Tod des Opfers sei nicht im Sinne der Angeklagten gewesen, weil damit die Anlaufstelle für gemeinsame Trinkgelage aufgegeben würde, spricht nicht gegen eine Billigung des Todes (vgl. BGHSt 7, 363, 369). Der Erfolg muss den Wünschen des Täters nicht entsprechen (vgl. BGHSt aaO). Allenfalls hochgradig interessenwidrige Tatfolgen widerstreiten der Annahme einer Billigung des Erfolges durch einen in der Steuerungsfähigkeit beeinträchtigten, ohnehin überaus unüberlegt handelnden Täter. Solches liegt hier nicht vor. Das Landgericht hat nämlich fehlerfrei festgestellt, dass He die Angeklagten schon mehrmals abgewiesen hatte, obwohl sie gekommen waren, um mitgebrachten Alkohol zu konsumieren. Danach stand die Wohnung des He den Angeklagten bereits nur noch in beschränktem Umfang zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund vermag der vollständige Verlust (nur) eines Ortes für Trinkgelage keine hochgradig interessenwidrigen Tatfolgen zu begründen.

c) Das Landgericht hat im ersten Urteil rechtsfehlerfrei festgestellt, dass das Opfer an den Folgen der ihm zugefügten als Einheit zu beurteilenden gesamten Gewalthandlungen verstorben ist, insbesondere an den Kopfverletzungen , die ihm in der entscheidenden besonders brutalen späten Ge- schehensphase zugefügt worden waren. Wie ausgeführt, war das Geschehen insoweit – nicht anders als das massive Blutungen verursachende Abreißen des Nasenknorpels in dieser Phase – von bedingtem Tötungsvorsatz getragen. Diese von der Teilaufrechterhaltung erfassten bindenden Feststellungen zur Kausalität hindern die vom Generalbundesanwalt erwogene zweifelhafte Aufspaltung des Geschehens mit einem möglicherweise allein todesverursachenden Teil der Verletzungen in der ersten, noch nicht vom Tötungsvorsatz erfassten Tatphase. Soweit den Feststellungen des Landgerichts , das freilich auch von einer Todesverursachung durch Bluteinatmung ausgeht (UA S. 16, 26), Abweichendes zu entnehmen sein sollte, würde auch dies gegen die innerprozessuale Bindungswirkung verstoßen. Eine Verurteilung wegen eines lediglich versuchten Kapitalverbrechens in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge scheidet schon deshalb aus.

d) Die Voraussetzungen für das Vorliegen niedriger Beweggründe lassen sich den insoweit fehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts nicht entnehmen. Zwar ist die nunmehr festgestellte (wiederholte) Bestrafungsaktion grundsätzlich geeignet, das Vorliegen niedriger Beweggründe zu belegen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 39; BGH, Urt. vom 1. September 2005 – 4 StR 290/05). Es liegt nicht gänzlich fern, die von den Angeklagten ausgelebte Rache für ein ihnen unverständliches, als undankbar empfundenes Bestehen des betrunkenen Opfers auf seinem Hausrecht als ebenfalls auf niedrigen Beweggründen beruhend anzusehen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 36; BGH NStZ-RR 2003, 147, 149). Indes reichen die bisherigen Feststellungen als Grundlage für eine sichere Wertung nicht aus. Der Senat schließt namentlich aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung bewiesen werden kann, dass die Angeklagten, die erst nach sechsstündigem gemeinsamen Alkoholgenuss ihre zunächst mit Worten ausgedrückte Verärgerung in stark angetrunkenem Zustand in dumpfem Unmut zur affektgeladenen, fast blindwütigen Racheaktion steigerten, ihr Vergeltungsstreben für ein verwehrtes Gastrecht in seiner Bedeutung für die Tatausführung in ihr Bewusstsein aufgenommen haben (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 26 und 36). Damit hat es mit der Umstellung der Schuldsprüche auf Totschlag sein Bewenden.
6. Die Strafen müssen neu bemessen werden. Dazu bedarf es keiner Aufhebung von Feststellungen. Der neu berufene Tatrichter wird die Strafen für den von den Angeklagten gemeinschaftlich begangenen Totschlag auf der Grundlage der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen (1 a der hiesigen Urteilsgründe), der zulässigerweise getroffenen weiteren Feststellungen zur Person der Angeklagten (UA S. 4 bis 10), deren Motiv (UA S. 12, 20, 31) und zu der Tat vom 30. Dezember 2002 (UA S. 10 f.) zu bemessen haben, wobei von einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit (UA S. 26 bis 28) auszugehen ist. Der Senat wiederholt seinen im Urteil vom 17. August 2004 unter IV. erteilten Hinweis zur Anwendung von § 49 Abs. 1 StGB (vgl. auch sub 8).
7. Mit den Teilerfolgen der Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin erledigen sich deren Kostenbeschwerden.
8. Die wirksam auf das Strafmaß beschränkte Revision des Angeklagten H ist unbegründet. Soweit sich die Revision mit der Sachrüge gegen die versagte Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wendet, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat das mit dem vorliegenden Tatbild übereinstimmende Vortatgeschehen vom 30. Dezember 2002 als Vorerfahrung der Angeklagten gewürdigt, wonach der sie unter dem Einfluss erheblicher Mengen Alkohols objektiv und subjektiv vorhersehbar zu weiteren gewalttätigen Übergriffen gegen ihr Opfer neigten. Solches begründet die Versagung der Strafrahmenverschiebung (vgl. BGHSt 49, 239, 243, 245 f.).
Basdorf Häger Raum Brause Schaal
5 StR 275/02

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 22. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Oktober
2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. November 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung freigesprochen, jedoch seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Mit ihrer auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch; sie begehrt die Verurteilung des Angeklagten entsprechend dem Anklagevorwurf. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so daß es auf die Verfahrensrüge nicht mehr ankommt.

I.


Nach den Feststellungen begab sich der Angeklagte in der Tatnacht in die Wohnung des Zeugen und Nebenklägers G . Man unterhielt sich über belanglose Dinge und rauchte eine Zigarette. Unter dem Vorwand, die Toilette aufsuchen zu müssen, erhob sich der Angeklagte plötzlich, löste
das um seine Hüfte als Gürtel gebundene Seil und legte es dem auf der Couch sitzenden Nebenkläger um den Hals. Dieser - von dem unerwarteten Angriff überrascht - richtete sich auf und versuchte, seine Hände zwischen Hals und Seil zu halten, was jedoch nur kurzzeitig gelang. Nunmehr schlang der Angeklagte, der inzwischen hinter dem Nebenkläger stand, das Seil über Kreuz um dessen Hals und zog es kräftig zu. Infolge der fortwährenden Drosselung kippte der Nebenkläger nach vorn, wurde bewußtlos, kotete ein und urinierte. Erst als der Angeklagte bemerkte, daß G im Gesicht blau anlief und aus der Nase blutete, ließ er von ihm ab. Danach löschte er das Licht und verließ die Wohnung; er ging davon aus, den Nebenkläger getötet zu haben. Nach kurzer Rückkehr an den Tatort entledigte sich der Angeklagte auf dem Heimweg seines Rucksacks, seiner Oberbekleidung und seiner Schuhe, indem er die Sachen in einem Waldstück unter Laub versteckte.
Zum Tatmotiv hat das Landgericht ausgeführt, daß der Angeklagte, der sich in der Vergangenheit wiederholt mit dem Nebenkläger gestritten und sich von diesem ungerecht und „minderwertig“ behandelt gefühlt habe, diesem einen Denkzettel verpassen wollte. Zur Schuldfähigkeit hat die sachverständig beratene Strafkammer festgestellt, daß der Angeklagte zur Tatzeit nicht ausschließbar unter einer „Mischpsychose“, bestehend aus einer Drogen - und einer schizophrenen Psychose in Kombination mit einer Persönlichkeitsstörung gelitten habe. Deshalb müsse davon ausgegangen werden, daß er unfähig gewesen sei, das Unrecht seines Handelns einzusehen (§ 20 StGB). Aufgrund des Tatmotivs und des möglichen Fehlens der Einsichtsfähigkeit schließt die Strafkammer aus, daß der Angeklagte mit Tötungsvorsatz – und sei es auch nur mit bedingtem – gehandelt habe. Nach ihrer Auffassung könne lediglich Verletzungsvorsatz angenommen werden, so daß als Anlaßtat nur eine gefährliche Körperverletzung in Betracht komme.

II.


Das angefochtene Urteil hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Mit den vom Landgericht getroffenen Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten sind weder ein möglicher Ausschluß seiner Einsichtsfähigkeit im Sinne von § 20 StGB noch deren erhebliche Einschränkung gemäß § 21 StGB zureichend belegt. Denn das von der Strafkammer übernommene Gutachten des Sachverständigen stellt nach dessen eigenem Bekunden nur eine „Verdachtsdiagnose“ dar, da sich der Sachverständige nicht in der Lage sah, die psychische Symptomatik beim Angeklagten detailliert und differenziert zu klären, weil dies einer längeren Verhaltensbeobachtung und Diagnostik bedurft hätte (UA S. 47).
Es erscheint zudem zweifelhaft, ob die vom Gutachter in Betracht gezogene Drogenpsychose (vgl. dazu BGHSt 33, 8, 12 f.; 38, 339, 342) auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, da der Angeklagte, der zur Tatzeit nur in sehr geringem Umfang Drogenmißbrauch betrieb, bei dem gewaltsamen Vorgehen gegen den Nebenkläger nicht unter akutem Drogeneinfluß stand und die Tat nach den bisherigen Feststellungen keinen Bezug zu Drogen aufwies. Die Ausführungen zum möglichen Vorliegen einer Drogenpsychose sind darüber hinaus unklar: während der Angeklagte nach eigenen Angaben zur Tatzeit weder optische noch akustische Halluzinationen hatte, stützt der Sachverständige seine Diagnose maßgeblich auf derartige Symptome (vgl. einerseits UA S. 36, andererseits UA S. 47).
Abgesehen davon bestehen insgesamt Bedenken, ob das Landgericht bei Beurteilung der Schuldfähigkeit den Anforderungen an die gebotene eigenverantwortliche tatgerichtliche Prüfung der Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen (vgl. BGHSt 7, 238; 12, 311; Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 Rdn. 32; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 261 Rdn. 92) genügt hat. Das Landgericht gibt die Ausführungen des Sachver-
ständigen im Urteil zwar ausführlich wieder, läßt eine eigene Bewertung und Gewichtung auch unter Berücksichtigung des Tatgeschehens aber weitestgehend vermissen.
2. Die Sache bedarf demnach neuer Verhandlung und Entscheidung, wobei auch über die innere Tatseite, nämlich über die Frage, mit welchem Vorsatz der Angeklagte gehandelt hat, umfassend neu zu befinden sein wird. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, daß angesichts der festgestellten außerordentlich schweren Gewaltanwendung eines massiven, länger anhaltenden Drosselns, durch die der Nebenkläger das Bewußtsein verlor und in akute Lebensgefahr geriet und nach deren Beendigung der Angeklagte ihn für tot hielt, das Vorliegen eines Tötungsvorsatzes außerordentlich nahe liegt. Dies gilt auch bei erneuter Annahme des vom Landgericht festgestellten Tatmotivs, dem Opfer einen „Denkzettel“ erteilen zu wollen. Eine solche Motivation steht unter den gegebenen Voraussetzungen einem jedenfalls bedingten Tötungsvorsatz nicht entgegen.
3. Gemäß § 301 StPO führt die Revision der Staatsanwaltschaft auch zur Aufhebung der Maßregelanordnung. Die vom Landgericht hingenommene „Verdachtsdiagnose“ des Sachverständigen bildet keine tragfähige Grundlage zur Anwendung des § 63 StGB, für die wenigstens die Vorausset-
zungen des § 21 StGB zweifelsfrei festgestellt werden müssen (vgl. Tröndle /Fischer, StGB 50. Aufl. § 63 Rdn. 6 mit Rechtsprechungsnachweisen; vgl. im übrigen zur schizophrenen Persönlichkeitsstörung BGHSt 37, 397).
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.