Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Aug. 2013 - 2 StR 148/13

bei uns veröffentlicht am27.08.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 148/13
vom
27. August 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 27. August 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten G. , H. und S. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2012, soweit es sie betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten B. gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2012 wird verworfen. Der Angeklagte B. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten G. , H. und S. jeweils wegen Totschlags, den Angeklagten S. darüberhinaus tateinheitlich wegen Körperverletzung verurteilt. Gegen den Angeklagten G. hat es eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten und gegen den Angeklagten H. eine solche von neun Jahren verhängt. Den Angeklagten S. , der zum Tatzeitpunkt Heranwachsender war, hat es unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung zu einer (Einheits-)Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Den Angeklagten B. hat das Landgericht wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit Verfahrensrügen und sachlich-rechtlichen Beanstandungen. Die Revisionen der Angeklagten G. , H. und S. haben mit der Sachrüge Erfolg. Die Revision des Angeklagten B. ist unbegründet.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt sich der später Geschädigte He. am frühen Morgen des 25. April 2011 in einer Discothek in F. auf, in der die Angeklagten als Türsteher arbeiteten. Als der Angeklagte G. versuchte, einen vermeintlich randalierenden Gast von der Theke wegzuziehen, gerieter ins Straucheln, fiel gegen den Geschädigten und schlug ihm sodann mit der Faust ins Gesicht. Als dieser zurückschlug, entwickelte sich ein Gerangel, in dem der Angeklagte G. den Geschädigten zu Boden riss. Anschließend versetzte er ihm mehrere nicht todesursächliche Faustschläge ins Gesicht. Der Geschädigte blieb am Boden liegen. Zwischenzeitlich waren die Angeklagten H. , S. und B. informiert worden und hatten sich zum Ort der Auseinandersetzung begeben. Der Angeklagte B. schirmte das Geschehen am Tatort ab. Der Angeklagte H. sprang von der Treppe zu dem am Boden liegenden Geschädigten und kniete über diesem. Ihm folgte der Angeklagte S. , der sich neben den Geschädigten stellte, um gegebenenfalls zu dessen Nachteil eingreifen zu können. Der Ange- klagte H. schlug dem Geschädigten mit der Faust mehrfach wuchtig gegen den Kopf, wobei er sich auf den Bauch des Geschädigten setzte, während der Angeklagte G. auf den Geschädigten im Bereich des Kopfes, des Oberkörpers und des Bauches eintrat. Einem Gast, der eingreifen wollte, versetzte der Angeklagte S. zwei Schläge in den Nacken.
4
Infolge der Gewalteinwirkungen erlitt der Geschädigte einen Leberriss, der entweder durch die Tritte des Angeklagten G. gegen den Bauchraum oder durch das Aufsitzen des Angeklagten H. verursacht wurde. Aufgrund der massiven inneren Blutungen verstarb der Geschädigte.
5
Im Zusammenhang mit den Feststellungen zur inneren Tatseite hat das Landgericht im Rahmen einer „umfassenden Würdigung aller maßgeblichen für und gegen einen Tötungsvorsatz“ der Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte einerseits berücksichtigt, dass „vor dem Entschluss zur Tötung eines Menschen eine viel höhere Hemmschwelle steht als vor dem Entschluss, einen Menschen zu gefährden oder zu verletzen“; andererseits hat es ausgeführt, „dasses bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen naheliegt, dass der Täter mit dem Tode des Opfers rechnet und einen solchen Erfolg auch billigend in Kauf nimmt“ (UA S. 38). Daran anknüpfend hat das Landgericht den Tötungsvorsatz der Angeklagten G. und H. aus deren Gewalthandlungen abgeleitet. Anzeichen, die das Wissens- oder Willenselement des Eventualvorsatzes in Frage stellen könnten, hat es nicht gesehen; auch das Nachtatverhalten des Angeklagten G. begründe keinen Zweifel am Vorsatz.Zur Begründung für die Feststellung, dass auch der Angeklagte S. den Tod des Geschädigten billigend in Kauf genommen habe, hat das Landgericht angeführt, der Angeklagte habe die Gewalthandlungen zum Nachteil des Geschädigten aus unmittelbarer Nähe wahrgenommen und sei sich daher der Möglichkeit bewusst ge- wesen, dass der Geschädigte an den Folgen der Gewalthandlungen habe sterben können.

II.

6
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten G. , H. und S. haben mit der Sachrüge Erfolg. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.
7
1. Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
a) Bedingt vorsätzlich handelt, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Bei der Prüfung, ob ein bedingter Tötungsvorsatz festzustellen ist, hat das Tatgericht eine umfassende Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände vorzunehmen (vgl. Senat, Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 176/13 mwN). Beide Vorsatzelemente müssen zudem durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444).
9
b) Auch unter Berücksichtigung des bestehenden tatrichterlichen Bewertungsspielraums werden die Ausführungen des Landgerichts den Anforderungen an die Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes nicht gerecht.
10
aa) Hinsichtlich des Angeklagten S. , der selbst keine Gewalthandlungen vorgenommen hat, hat das Landgericht den bedingten Tötungsvorsatz allein aus dem Umstand abgeleitet, dass er die Gewaltanwendung der Angeklagten G. und H. wahrgenommen hat. Damit ist indes nur das Wissenselement des Vorsatzes belegt. Denn die Wahrnehmung von Gewalthandlungen allein rechtfertigt nicht ohne weiteres den Schluss auf die zumindest be- dingte Inkaufnahme des tödlichen Erfolgs (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1993 - 4 StR 470/93, StV 1994, 13, 14; Beschluss vom 6. März 2002 - 4 StR 30/02, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 54).
11
bb) Bezüglich der Angeklagten G. und H. fehlt es an einer umfassenden Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen ein bedingter Tötungsvorsatz trotz der hohen Hemmschwelle hinsichtlich der Tötung eines Menschen nahe liegt (BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524, 1525; Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 139/13). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Täter - wie hier der Angeklagte G. - seinen Gegner zu Boden gestreckt hat und anschließend auf das infolgedessen wehrlose Opfer mehrfach im Bereich des Kopfes und der Bauchgegend eintritt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2007 - 1 StR 126/07, NStZ 2007, 639, 640). Der Schluss aus einer besonders gefährlichen Gewalthandlung auf einen (bedingten) Tötungsvorsatz ist aber nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter auch die im Einzelfall in Betracht kommenden, den Vorsatz in Frage stellenden Umstände in seine Erwägungen einbezogen hat (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2007 - 3 StR 233/07, NStZ-RR 2007, 307). Hieran fehlt es.
12
Das Landgericht hat den Angeklagten G. und H. im Rahmender Strafzumessung zugutegehalten, dass es sich um eine Spontantat gehandelt hat. Dieser Umstand, der einem bedingten Tötungsvorsatz entgegenstehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 4 StR 424/09, NStZ 2010, 571, 572; Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 139/13), hätte aber nicht nur im Rahmen der Strafzumessung, sondern bereits bei der Prüfung des voluntativen Vorsatzelements erörtert werden müssen. Es kommt hinzu, dass es an einem einsichtigen Grund dafür fehlt, dass die Angeklagten in der konkreten Tatsituation den Tod des Geschädigten billigend in Kauf genommen haben (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. August 1990 - 3 StR 311/90, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 22; Urteil vom 30. November 2005 - 3 StR 344/05, NStZRR 2006, 317, 318). Dies hat die Strafkammer ebenfalls nicht in ihre Gesamtwürdigung einbezogen, obwohl sie festgestellt hat, dass - zumindest aus Sicht des Angeklagten B. - die Gewalthandlungen der Angeklagten G. und H. letztlich den Zweck verfolgten, „den Geschädigten aus der Diskothek zu schaffen“ (UA S. 14).
13
Um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubewertung der Tatumstände zu ermöglichen, waren neben den Feststellungen zur inneren Tatseite auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufzuheben.
14
2. Die Revision des Angeklagten B. ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Fischer RiBGH Dr. Appl ist aus Krehl tatsächlichen Gründen an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer RinBGH Dr. Ott ist aus Zeng tatsächlichen Gründen an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.
Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Aug. 2013 - 2 StR 148/13 zitiert 4 §§.

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 176/13
vom
17. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juli 2013,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Zeng,
Bundesanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15. November 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verneinung des Tötungsvorsatzes durch die Schwurgerichtskammer beanstandet, hat Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verbrachten der aus Litauen stammende Angeklagte und seine Verlobte mit weiteren Bekannten den Abend in einer russischen Bar unweit seiner Wohnung. Etwa eine Stunde nach Mitternacht besuchte auch der Geschädigte Z. mit drei litauischen Landsleuten , die im selben Mehrfamilienhaus wie der Angeklagte lebten, die Bar. In der Folgezeit unterhielt man sich und trank gemeinsam Bier, Wodka und Tequila. Als die Bar um 3.00 Uhr morgens schloss, verabredeten der Angeklagte , seine Verlobte und eine Bekannte mit den vier anderen Personen, in deren Appartement noch weiter zu feiern. Der Angeklagte, der mit seiner Verlobten zuvor noch in seine Wohnung ging, um etwas zu trinken zu holen, geriet mit ihr aus ungeklärten Gründen in Streit und ging sodann gegen 3.45 Uhr allein in das Appartement seiner vier Landsleute. Dort trank man - nachdem auch die Bekannte sich in die Wohnung des Angeklagten zurückgezogen hatte - weiter Bier und Wodka. Dabei erzählte der Angeklagte unter anderem, dass es im Lager seiner Möbelfirma Möglichkeiten gäbe, bei einmaliger Bezahlung mehrfach Waren aus dem Lager abzuholen. Dem trat das spätere Opfer Z. mit dem Hinweis entgegen, man sei in Deutschland zum Arbeiten und wolle mit solchen Dingen nichts zu tun haben.
3
Gegen 5.00 Uhr morgens schlief der Angeklagte ein. Z. weckte ihn und wollte ihn dazu bewegen, nach Hause zu gehen. Dabei wirkte der Angeklagte unzufrieden, ging dann aber doch in seine Wohnung, wobei der Grund seiner Missstimmung ungeklärt blieb. Dort stellte er fest, dass sich seine Verlobte nicht mehr in der Wohnung befand. Er kehrte darauf hin zum Appartement seiner Landsleute zurück und klingelte dort. Das Tatopfer Z. öffnete die Tür und sah den Angeklagten, wie er den Boden absuchte. Auf Nachfrage, was er dort mache, antwortete dieser wahrheitswidrig, dass er seinen Schlüssel vergessen haben müsse. Nachdem er den Geschädigten erkannt hatte, richtete er sich unvermittelt auf, bedeutete, er habe ihn gefunden, und rammte dem Opfer ein Messer in den Bauch. Z. , der eine 6-8 cm tiefe Stichverletzung im Bereich des rechten Oberbauches erlitt, stieß einen Seufzer aus und schloss die Tür. Der Geschädigte erlitt eine Perforation des Dickdarms sowie eine Verletzung des Dünndarmgekröses, die potentiell akut lebensgefährlich war und ohne sofortige, operative Versorgung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Tod des Opfers geführt hätte. Der Angeklagte flüchtete und wurde ge- gen 13.00 Uhr am Tattag festgenommen. Daraufhin entnommene Blutproben ergaben im Wege der Rückrechnung eine Blutalkoholkonzentration von mindes- tens 1,88‰ und maximal 2,97‰ zum Tatzeitpunkt.
4
2. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Von einer Bestrafung wegen eines Tötungsdeliktes hat es abgesehen, weil es einen Tötungsvorsatz nicht feststellen konnte. Die Kammer konnte sich schon nicht vom Vorliegen des Wissenselementes des Tötungsvorsatzes überzeugen. Trotz der äußerst gefährlichen Gewalthandlung, die der Angeklagte mit seinem Messerstich vorgenommen habe, sei angesichts der erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten und eines fehlenden Motivs, das den Angriff auf das Tatopfer erklären könnte, nicht anzunehmen, dass der Angeklagte die Gefahr der Tötung des Geschädigten erkannt habe. Im Übrigen seien keine hinreichenden Feststellungen zu treffen gewesen, dass der Angeklagte einen als möglich und nicht ganz fernliegend erkannten Eintritt des Todes auch gebilligt habe.

II.

5
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer einen bedingten Tötungsvorsatz abgelehnt hat, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, wenn sie möglich sind. Ein revisionsgerichtliches Eingreifen ist erst dann veranlasst, wenn dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.).
7
Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH NStZ 2012, 443, 444). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator. Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt die Annahme von zumindest bedingtem Tötungsvorsatz nahe (st. Rspr.; BGH NStZ 2011, 338 f.). Gleichwohl können das Wissens- oder Willenselement des Vorsatzes im Einzelfall fehlen, etwa wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen , das Risiko einer Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung oder alkoholischen Beeinflussung zur Tatzeit nicht bewusst ist (vgl. BGH NStZ 2012, 151). Im Rahmen der Prüfung, ob ein Tötungsvorsatz festzustellen ist, hat das Gericht eine umfassende Gesamtwürdigung von Täter und Tatumständen vorzunehmen und dabei in seine Erwägungen alle Umstände einzubeziehen, die für oder gegen einen Tötungsvorsatz sprechen könnten.
8
2. Eine solche umfassende Gesamtwürdigung hat das Landgericht schon bei der Verneinung des Wissenselementes nicht vorgenommen. Die Kammer führt lediglich aus, dass erhöhte Anforderungen an die Feststellungen zur inneren Tatseite gelten, wenn ein einsichtiger Grund für eine so schwere Tat wie die (versuchte) Tötung eines Menschen fehle, und begnügt sich sodann mit der Feststellung, dass das Motiv des Angeklagten nicht habe aufgeklärt werden können. Zudem verweist das Landgericht auf die erhebliche Alkoholisierung. Dabei lässt die Strafkammer einen maßgeblichen Umstand unberücksichtigt, der der Tat ihr wesentliches Gepräge gibt. Nach den Feststellungen ist der Angeklagte überlegt und zielgerichtet vorgegangen. Da er nicht wusste, wer von den vier Landsleuten nach dem Klingeln die Tür öffnen würde, gab er zunächst vor, am Boden nach seinen tatsächlich nicht verlorenen Schlüsseln zu suchen, um den Öffnenden identifizieren zu können. Anschließend stach er mit einem Messer zu und fügte dem Tatopfer dabei eine 3 cm lange und etwa 6-8 cm tiefe Stichverletzung im Bereich des rechten Oberbauchs zu. Ihm kam es dabei nach der ausdrücklichen Feststellung der Strafkammer darauf an, "konkret den Zeugen Z. " zu verletzen (UA S. 11). Wieso der Angeklagte bei diesem geplanten Vorgehen die Gefahr der Tötung des ausgewählten Tatopfers nicht erkannt haben soll, hätte das Landgericht trotz der Alkoholisierung des Angeklagten ausdrücklich erörtern müssen.
9
Hinzu kommt, dass - worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist - die Beweiswürdigung, mit der die Strafkammer das Vorliegen eines Tatmotivs verneint, nicht nachvollziehbar und damit widersprüchlich ist. Zum einen geht sie davon aus, dass der Angeklagte das Tatopfer verletzten wollte, weil dieser im Laufe des Abends als Wortführer aufgetreten war, der Angeklagte sich speziell von diesem nicht ernst genommen gefühlt hatte und in seinem Stolz verletzt war (UA S. 11). Zum anderen sehen sie in "allenfalls kleineren Unstimmigkeiten mit dem Tatopfer" keinen "Beweggrund" für die Tat (UA S. 17). Dies ist miteinander unvereinbar.
Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 608/11
vom
23. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23.Februar
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger,
die Nebenkläger V. und T. V. in Person,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 27. Juni 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung , begangen in den Varianten des § 224 Abs. 1 Nr. 2 (Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeuges) und Nr. 5 StGB (Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung) zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft und die Eltern des Geschädigten als Nebenkläger beanstanden mit ihren Rechtsmitteln die Verletzung materiellen Rechts. Die Revisionen führen zur Aufhebung des Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts.
2
1. Nach den Feststellungen hielt sich der Angeklagte am frühen Morgen des 12. Dezember 2010 gegen 03.45 Uhr mit drei Freunden auf dem Parkplatz einer Diskothek auf. Als es im Eingangsbereich zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit wechselseitigen Faustschlägen zwischen den Zeugen A. und C. kam, lief der Angeklagte in Richtung der Streitenden, um zu schlichten (UA 6/7). Etwa zum gleichen Zeitpunkt trat der ebenfalls um eine Streitschlichtung bemühte D. V. zwischen die Kontrahenten und wurde von dem Zeugen A. mit der Faust zu Boden geschlagen. Ob sich D. V. danach noch einmal zu erheben vermochte oder sofort regungslos liegenblieb, konnte das Landgericht nicht zweifelsfrei feststellen. Wenige Sekunden nachdem D. V. zu Boden gegangen war, trat ihm der Angeklagte ohne nachvollziehbaren Grund aus der Körperdrehung heraus mit seiner rechten Innenfußseite gegen die rechte Wange. Zu diesem Zeitpunkt lag D. V. auf der Seite oder auf dem Rücken, sodass sein Gesicht zur Seite oder nach oben ge- richtet war. Infolge des „mit nicht genau feststellbarer Intensität“ geführten Tritts wurde der Kopf des erheblich alkoholisierten Geschädigten nach hinten ge- schleudert und „im Radius von etwa 1/2 Meter in Trittrichtung gedreht. Die Fü- ße blieben am Ort liegen“. Dabei trug der Angeklagte geschnürte Sportschuhe, deren Innenseite so hart war, dass es dadurch bei Tritten zu erheblichen Verletzungen kommen konnte (UA 7).
3
Der Zeuge C. und andere Umstehende bemühten sich sofort um eine Erstversorgung des Geschädigten und alarmierten um 3.53 Uhr den Rettungsdienst. Der Angeklagte zeigte sich ebenfalls besorgt und überließ dem Zeugen C. seine Telefonnummer. Danach fuhr er mit seinen Freunden nach Hause.
4
Als der Rettungsdienst um 4.02 Uhr eintraf, war der Geschädigte bewusstlos und ohne eigene Atmung. Bei einem Intubationsversuch stellte der kurze Zeit später hinzu gekommene Notarzt fest, dass der Deckel der Luftröhre durch einen Kaugummi verlegt und deshalb keine Versorgung mit Sauerstoff über die Atemwege mehr möglich war. Nachdem er den Kaugummistreifen mit einem Spezialinstrument entfernt hatte, konnte der Tubus gelegt und eine maschinelle Beatmung eingeleitet werden. D. V. hatte daraufhin wieder ei- nen Spontankreislauf und einen stabilen Puls. Bis zu diesem Zeitpunkt war er etwa 15 Minuten ohne Bewusstsein. Nach dem Transport ins Krankenhaus wurde bei ihm eine bis dahin unbemerkt gebliebene massive Einblutung in die weiche Hirnhaut (Subarachnoidalblutung) festgestellt, die noch am 12. Dezember 2010 eine operative Entfernung knöcherner Schädelteile erforderlich machte (Entlastungscraniektomie). D. V. verstarb am 16. Dezember 2010 an einer irreversiblen Hirnschädigung in Folge einer akuten schwersten globalen Minderversorgung des Gehirns mit Blut und Sauerstoff.
5
Das medizinisch-sachverständig beratene Landgericht geht davon aus, dass der Geschädigte auf Grund des Faustschlages des Zeugen A. seinen Kaugummi in einer Weise verschluckt hat, dass dadurch sowohl der Kehlkopf als auch die Luftröhre verlegt wurden. In der Folge kam es zu einem reflektorischen Herz-Kreislauf-Stillstand (sog. Bolustod). Die Einblutung unter die weiche Hirnhaut ist nach Ansicht des Landgerichts „am ehesten durch den Sturz des Geschädigten ausgelöst worden und kann nicht zwangsläufig auf den Tritt des Angeklagten zurückgeführt werden“. Sie wurde zudem „wohl vom Bolustod überholt“ und ist „jedenfalls nicht mehr todesursächlich geworden“.
6
2. Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte billigend in Kauf nahm, dass durch seinen Tritt „das Leben des Geschädigten potentiell gefährdet würde“. Eshat deshalb einen bedingten Vorsatz in Bezug auf eine das Leben gefährdende Körperverletzungshandlung entsprechend § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB für gegeben erachtet (UA 24).
7
Einen bedingten Tötungsvorsatz hat das Landgericht verneint, weil die Feststellungen nicht belegen, dass der Angeklagte bei der Ausführung des Trittes den Tod des Geschädigten billigend in Kauf nahm. Dabei hat es auf die folgenden Punkte abgestellt (UA 26):
8
Die Intensität des Trittes konnte nicht ausreichend festgestellt werden und war deshalb ohne Aussagekraft. Das Fehlen knöcherner Schädelverlet- zungen spricht eher gegen „eine besonders starke Intensität“(UA 27).
9
Eine „deutliche Motivation“ für den Tritt ist nicht feststellbar, weil der An- geklagte an der vorausgegangenen Auseinandersetzung nicht beteiligt war. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte gegenüber dem ihm unbekannten Geschädigten eine „grundsätzlich feindliche Willensrichtung“ eingenommen hatte, bestehen nicht. Eine Solidarisierung mit dem Zeugen A. , die die Annahme rechtfertigen könnte, der Angeklagte habe ihn auch um den Preis des Todes eines Menschen unterstützen wollen, ist nicht anzunehmen. A. war dem Angeklagten nur flüchtig bekannt und wurde von D. V. zuvor nicht angegriffen.
10
Der Umstand, dass dem Angeklagten seine Tat sofort Leid tat und er sich in der Folgezeit mehrfach für das Befinden des Geschädigten interessierte, ist ein „weiteres Indiz“ gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes (UA 27).
11
3. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes abgelehnt hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
12
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, wenn sie möglich sind. Ein revisionsgerichtliches Eingreifen ist erst dann veranlasst , wenn dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11, Rn. 23; Urteil vom 14. Dezember 2011 – 1 StR 501/11; KK-StPO/Schoreit, 6. Aufl., § 261 Rn. 51 mwN).
13
Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699 Rn. 34 f. mwN.). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1999 – 1 StR 26/99, NJW 1999, 2533, 2534; NK-StGB/Neumann 3. Aufl., § 212 Rn. 12 f.; Mößner, Die Überprüfung des bedingten Tötungsvorsatzes in der Revision S. 6 ff., jew. mwN). Bei der Würdigung des Willenselements ist neben der konkreten Angriffsweise regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die Betrachtung einzubeziehen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2000 – 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51; Beschluss vom 1. Juni 2007 – 2 StR 133/07, NStZ-RR 2007, 267, 268; Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372 jew. mwN).
14
b) Diesen Anforderungen wird die landgerichtliche Entscheidung nicht gerecht.
15
Die Ausführungen des Landgerichts zur objektiven Gefährlichkeit des vom Angeklagten geführten Angriffs sind schon deshalb lückenhaft, weil sie sich nicht mit der von dem Angeklagten selbst geschilderten erheblichen Wirkung seines Tritts auf die Lage des Körpers des Geschädigten auseinanderset- zen (UA 7 und 14). Auch hätte an dieser Stelle nochmals erkennbar Berücksichtigung finden müssen, dass der Angeklagte die Trittwirkung gefährlich verstärkende Schuhe trug (UA 7) und auf den Geschädigten zu einem Zeitpunkt eintrat, als dieser – jedenfalls nach seiner Wahrnehmung (UA 13) – in Folge des Schlags des Zeugen A. regungslos am Boden lag. Bei seinen Erörterungen zum inneren Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB hat das Landgericht diese Umstände als Beleg dafür ausreichen lassen, dass der Angeklagte eine potentielle Gefährdung des Lebens seines Opfers in Kauf nahm (UA

24).


16
Die Annahme des Landgerichts, der Tritt des Angeklagten könne nicht von „besonders starker Intensität“ (UA 27) oder „nicht von übermäßiger Wucht“ (UA 19) gewesen sein, weil bei dem Geschädigten keine knöchernen Schädelverletzungen festzustellen waren, stellt einseitig auf die ex post feststellbaren Verletzungsfolgen ab (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11 Rn. 28) und lässt die generelle Gefährlichkeit derartiger Tritte außer Acht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2011 – 1 StR 179/11, Rn. 10). Sie ist zudem nicht mit der an anderer Stelle getroffenen Feststellung vereinbar, dass die Knochenbrücke zwischen den Knochendeckeln des Schädelknochens einen nicht unterbluteten Bruch aufwies (UA 11). Zwar liegt es nicht fern, dass dieser Bruch auf die später durchgeführte Entlastungscraniektomie zurückzuführen ist, doch hätte dies einer ausdrücklichen Erörterung bedurft.
17
Der Umstand, dass dem Angeklagten sein Tritt sofort Leid tat und er sich in der Folgezeit mehrfach für das Befinden des Geschädigten interessierte, durfte vom Landgericht nicht ohne weitere Darlegungen als Indiz gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes gewertet werden.
18
Nachträgliches Bedauern und Rettungsversuche sagen nur bedingt etwas über die innere Haltung des Täters im Tatzeitpunkt aus, da sie nicht selten auf einer spontanen Ernüchterung beruhen und mit Blick auf die Tatfolgen von der Sorge um das eigene Wohl geleitet sind (BGH, Urteil vom 8. August2001 – 2StR 166/01, NStZ-RR 2001, 369, 370; Urteil vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630). Der Angeklagte hat hierzu angegeben, nach dem Tritt „wach geworden“ zu sein. Dabei habe er begriffen, dass er etwas ge- tan habe, was nicht in Ordnung gewesen sei (UA 14). Der Angeklagte – dessen Einlassung das Landgericht im Übrigen gefolgt ist – hat damit selbst eingeräumt , dass sein Nachtatverhalten nicht mehr Ausdruck der ihn beherrschenden inneren Einstellung im Tatzeitpunkt gewesen ist, sondern auf einer veränderten Sicht der Dinge beruhte. Hieran durfte das Landgericht nicht vorübergehen.
19
Bedenken bestehen schließlich auch insoweit, als das Landgericht in dem Umstand, dass es „keine deutliche Motivation für den Tritt“ festzustellen vermochte, ein Indiz gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes gesehen hat.
20
Mit bedingten Tötungsvorsatz handelnde Täter haben kein Tötungsmotiv , sondern gehen einem anderen Handlungsantrieb nach (BGH, Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318). Allerdings kann sich aus der Art des jeweiligen Handlungsantriebs ein Rückschluss auf die Stärke des vom Täter empfundenen Tatanreizes und damit auch auf seine Bereitschaft zur Inkaufnahme schwerster Folgen ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1990 – 3 StR 311/90, BGHR StGB § 212 Abs.1 Vorsatz, bedingter 22; Urteil vom 30. November 2005 – 3 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317,

318).


21
Das Landgericht hat mit der Verneinung einer feindlichen Grundhaltung gegenüber dem Geschädigten einerseits und einer unbedingten Solidarität mit seinem Kontrahenten A. andererseits lediglich zwei mögliche starke Handlungsantriebe ausgeschlossen. Dies allein lässt jedoch noch nicht den Schluss zu, dass es dem Angeklagten deshalb an der Bereitschaft gefehlt hat, auch schwerste Tatfolgen in Kauf zu nehmen. Stattdessen wäre es an dieser Stelle erforderlich gewesen, näher auf die Persönlichkeit des Angeklagten, sein Verhältnis zur Anwendung körperlicher Gewalt und seine Fähigkeit zur Kontrolle aggressiver Impulse einzugehen. Wie das Landgericht im Rahmen seiner Erwägungen zu § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG zutreffend festgestellt hat, lässt die Art und Weise, wie sich der Angeklagte zu der Tat hinreißen ließ, auf einen starken Mangel an Ausgeglichenheit und Besonnenheit schließen (UA 29). Auch musste er in der Vergangenheit bereits zweimal wegen Körperverletzung geahndet werden, wobei er seinen Opfern jeweils knöcherne Verletzungen des Gesichtsschädels zufügte (UA 4 f.). Mangelnde Impulskontrolle, wie sie bei dem Angeklagten schon mehrfach zutage getreten ist, führt nicht selten dazu, dass es bereits bei geringsten Anlässen zu massiven Gewalthandlungen kommt, bei denen dem Täter die Konsequenzen seines Handelns gleichgültig sind und deshalb selbst tödliche Folgen in Kauf genommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08, Rn. 9).
22
4. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Ein Eingehen auf die von der Revision erhobenen Einwände gegen die unterbliebene Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge ist unter diesen Umständen ebenso wenig erforderlich wie die Erörterung einer Strafbarkeit nach § 231 Abs. 1 Alt. 2 StGB.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 558/11
vom
22. März 2012
in der Strafsache
gegen
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________
Zur "Hemmschwellentheorie" bei Tötungsdelikten.
BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11 - LG Saarbrücken
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. März
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 17. Juni 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist,
b) in den Aussprüchen über die Gesamtfreiheitsstrafe, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtstrafe vor der Unterbringung.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben ,
a) soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und
c) im gesamten Ausspruch über die verhängten Maßnahmen.
3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtstrafe angeordnet sowie Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB verhängt. Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Staatsanwaltschaft hat ihr Rechtsmittel nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist mit Einzelausführungen zur Verneinung des Tötungsvorsatzes und zur Anordnung der Unterbringung in dem angefochtenen Urteil näher begründet; im danach verbleibenden Umfang hat ihre Revision Erfolg. Der Angeklagte erzielt mit seinem Rechtsmittel einen Teilerfolg.

A.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
I. Nach den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen war der Angeklagte vor den hier abgeurteilten Taten u.a. bereits wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten: Am 8. Juni 2009 ordnete das Amtsgericht Saarbrücken gegen ihn wegen gefährlicher Körperverletzung eine Erziehungsmaßregel und ein Zuchtmittel an. Der Angeklagte hatte im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung zweimal mit einem Schraubenzieher in den linken Mittelbauch des Geschädigten gestochen. Wegen einer etwa sechs Wochen nach dieser Ahndung begangenen (ersichtlich: vorsätzlichen) Körperverletzung verhängte das Amtsgericht Saarbrücken gegen ihn mit Strafbefehl vom 2. Oktober 2009 eine Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen. Er hatte seine damalige Lebensgefährtin so lange gewürgt, bis diese Angst hatte zu ersticken; von ihr hatte er erst abgelassen, als sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Sechs Tage vor dem hier abgeurteilten Angriff auf den Nebenkläger (nachfolgend zu Ziff. III.) stellte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken ein gegen den Angeklagten geführtes Ermittlungsverfahren mangels öffentlichen Interesses ein; der Angeklagte hatte einem Besucher der Saarbrücker Diskothek „ “ angedroht, er werde ihn „abstechen, wenn er herauskomme“.
4
Bei der konkreten Strafzumessung teilt das Landgericht mit, dass der Angeklagte sich darauf berufen habe, in sämtlichen Fällen von den Zeugen bewusst der Wahrheit zuwider belastet worden zu sein.
5
II. Am 12. Oktober 2010 befuhr der Angeklagte mit einem entliehenen und abredewidrig weiter genutzten Pkw Smart gegen 5.45 Uhr öffentliche Straßen in Saarbrücken, u.a. die Straße in Saarbrücken-St. Johann. Infolge seiner alkoholischen Beeinflussung – er wies bei der Tat einen Blutalko- holgehalt von mindestens 1,35 ‰ auf – verkannteer den Straßenverlauf und überfuhr ein Stopp-Schild. Es kam beinahe zu einem Zusammenstoß mit dem Kleinbus des V. , der die vorfahrtberechtigte straße befuhr. An der Kreuzung Straße/ straße stieß der Angeklagte an ei- nen eisernen Begrenzungspfosten und riss diesen um; er kam mit dem von ihm gefahrenen, schwer beschädigten Fahrzeug erst auf einem angrenzenden Schulhof zum Stehen. Seine Fahrunsicherheit hätte er bei gewissenhafter Prüfung vor Antritt der Fahrt erkennen können.
6
III. In der Nacht zum 18. November 2010 beobachtete der Angeklagte in der Saarbrücker Diskothek „ “ einen Streit zwischen zwei ihm nicht näher bekannten Personen. Als der Nebenkläger diesen Streit schlichten wollte, mischte sich auch der Angeklagte in die Auseinandersetzung ein und geriet mit dem Nebenkläger in Streit. Es kam zu wechselseitigen Beleidigungen; der Angeklagte schlug dem Nebenkläger ins Gesicht. Anschließend trennten die Türsteher die Streitenden. Etwa 20 Minuten später lebte die Auseinandersetzung vor der Diskothek erneut auf; nach weiteren wechselseitigen Beleidigungen schlug nunmehr der Nebenkläger dem Angeklagten ins Gesicht. Auch dieses Mal trennten die Türsteher die Streitenden. Nachdem man sich kurzzeitig in unterschiedliche Richtungen entfernt hatte, setzte der Nebenkläger dem Angeklagten nach und schlug ihm ein weiteres Mal ins Gesicht; im Rahmen der sich anschließenden Rangelei blieb der Angeklagte der körperlich Unterlegene. Ein drittes Mal trennten die herbeigeeilten Türsteher die Streitenden. Der Angeklagte entfernte sich. Der Nebenkläger begab sich in Begleitung eines Freundes zu einem Taxistand, an dem sich eine Gruppe von „Nachtschwärmern“ ver- sammelt hatte.
7
Nach etwa 15 Minuten kam der Angeklagte plötzlich hinter einer Ecke hervor. Er lief unmittelbar auf den Nebenkläger zu und stach seinem nichts ahnenden Opfer sofort von seitlich hinten kommend in den Rücken. Mit den Wor- ten „Verreck‘, du Hurensohn“ rammte er ihm ein 22 cm langesdoppelklingiges Messer mit einer Klingenlänge von 11 cm derart heftig in den Rücken, dass die achte Rippe des Opfers durchtrennt wurde und die Klinge anschließend noch in die Lunge eindrang. Der Nebenkläger sackte auf dem Boden zusammen. Es entwickelten sich tumultartige Zustände; der Begleiter des Nebenklägers brachte den Angeklagten zu Boden und hielt ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest. Die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit betrug beim Angeklagten maximal 1,58 ‰.
8
Der Nebenkläger erlitt einen Hämatopneumothorax; es bestand akute Lebensgefahr. Ohne eine sofort durchgeführte Notoperation wäre er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verstorben. Er leidet nach wie vor unter erheblichen physischen und psychischen Beeinträchtigungen.

B.


9
Die Revision des Angeklagten
10
I. Der Angeklagte hat mit seinem Revisionsangriff Erfolg, soweit er sich gegen seine Verurteilung wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 2 StGB und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wendet.
11
1. Die Feststellungen des Landgerichts belegen die für die Annahme einer Tat nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 2 StGB vorausgesetzte Herbeiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert nicht. Nach gefestigter Rechtsprechung muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt haben, in der - was nach all- gemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (BGH, Urteile vom 30. März 1995 – 4 StR 725/94, NJW 1995, 3131 f., zu § 315 c StGB, und vom 4. September 1995 – 4 StR 471/95, NJW 1996, 329 f., zu § 315 b StGB; vgl. weiter SSW-Ernemann, StGB, § 315 c Rn. 22 ff.).
12
Da für den Eintritt des danach erforderlichen konkreten Gefahrerfolgs das vom Angeklagten geführte fremde Fahrzeug nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1976 – 4 StR 465/76, BGHSt 27, 40; Beschluss vom 19. Januar 1999 – 4 StR 663/98, NStZ 1999, 350, 351), auch der Verkehrswert und die Höhe des Schadens an dem Begrenzungspfosten nicht festgestellt sind (vgl. OLG Stuttgart DAR 1974, 106, 107; OLG Jena OLGSt § 315 c StGB Nr. 16; zur maßgeblichen Wertgrenze s. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215), kommt es auf die Begegnung mit dem Kleinbus des V. an. Nach den in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Maßstäben genügen die hierauf bezogenen Feststellungen des Landgerichts den Anforderungen zur Darlegung einer konkreten Gefahr nicht. Einen Verkehrsvorgang, bei dem es zu einem "Beinahe-Unfall" gekommen wäre - also ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, "das sei noch einmal gut gegangen" (Senat, Urteile vom 30. März 1995 und vom 4. September 1995, jew. aaO) -, hat das Schwurgericht nicht mit Tatsachen belegt. Dass sich beide Fahrzeuge beim Querverkehr in enger räumlicher Nähe zueinander befunden haben, genügt für sich allein nicht. Insbesondere ergeben die bisher getroffenen Feststellungen nicht, dass es dem Angeklagten und V. etwa nur auf Grund überdurchschnittlich guter Re- aktion sozusagen im allerletzten Moment gelungen ist, einer sonst drohenden Kollision durch Ausweichen zu begegnen.
13
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs entzieht der hierwegen verhängten Einzelstrafe, der Gesamtstrafe und den Maßnahmen nach §§ 69, 69 a StGB die Grundlage.
14
3. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht ist „vollumfänglich“ der psychiatrischen Sachverständigen gefolgt, welche die negative Gefahrenprognose mit „seiner (des Angeklagten) offenkundigen sich steigernden Neigung zu körperlichen Übergriffen“ begründet hat.Im Rahmen der konkreten Strafzumessung teilt das Schwurgericht mit, dass es, nachdem der Angeklagte behauptet hatte, früherer Aggressionsdelikte bewusst wahrheitswidrig beschuldigt worden zu sein, „die Anträge der Verteidigung auf Sachverhaltsaufklärung aller vorheriger Verfahren zurückgewiesen“ und „lediglich die Warn- funktion der beiden Vorstrafen“ berücksichtigt hat. Danach findet die die Prog- nose tragende Erwägung in den getroffenen Feststellungen keine ausreichende Grundlage.
15
II. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
16
III. 1. Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird zunächst die Verkehrssituation, in der sich die beiden beteiligten Fahrzeuge bei ihrer Annäherung im Vorfallszeitpunkt befanden, näher aufzuklären haben. Auch wenn an die diesbezüglichen Feststellungen im Urteil keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. Senat, Urteil vom 30. März 1995, aaO), wird sich der Tatrichter um nähere Ermittlung der von beiden Fahrzeugen im Vorfallszeitpunkt gefahrenen Geschwindigkeiten, ihrer Entfernung zueinander, zur Beschaffenheit des Straßenverlaufs und der Kreuzung sowie der am Vorfallsort bestehenden Ausweichmöglichkeiten zu bemühen und das Ergebnis in einer Weise im Urteil darzulegen haben, die dem Revisionsgericht eine Nachprüfung ermöglicht, ob eine - wie beschrieben - konkrete Gefahr im Sinne eines "Beinahe -Unfalls" bereits vorlag.
17
2. Der neue Tatrichter wird auch die Einwendungen der revisionsführenden Staatsanwaltschaft und des Generalbundesanwalts gegen die Unterbringungsanordnung zu berücksichtigen haben.

C.


18
Die Revision der Staatsanwaltschaft
19
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg.
20
I. Das Rechtsmittel ist zulässig.
21
1. Zwar hat die Staatsanwaltschaft entgegen § 344 Abs. 1 StPO innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 Satz 2 StPO) keinen Revisionsantrag gestellt. Sie hat bis zu diesem Zeitpunkt lediglich die bereits in ihrer Einlegungsschrift vorgebrachte allgemeine Sachrüge erhoben. Diese – auch Nr. 156 Abs. 2 RiStBV widersprechende – Verfahrensweise ist in dem hier gegebenen Einzelfall aber unschädlich. Freilich hat der Bundesgerichtshof wie- derholt Revisionen der Staatsanwaltschaft, die ohne Antragstellung lediglich mit der allgemeinen Sachrüge begründet waren, für unzulässig gehalten. Dies betraf jedoch Strafverfahren, in denen einem (BGH, Beschluss vom 21. Mai 2003 – 5 StR 69/03, bei Becker NStZ-RR 2004, 228) oder mehreren Angeklagten (BGH, Beschluss vom 7. November 2002 – 5 StR 336/02, NJW 2003, 839) eine Vielzahl von Straftaten zur Last gelegt oder in denen der Angeklagte teilweise freigesprochen worden war und die Angriffsrichtung des Rechtsmittels bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist unklar blieb (BGH, Beschluss vom 5. November 2009 – 2 StR 324/09, NStZ-RR 2010, 288). So verhält es sich hier nicht: Gegenstand des von der Staatsanwaltschaft angefochtenen Urteils sind lediglich zwei Taten; in der Erhebung der uneingeschränkten allgemeinen Sachrüge ist daher die Erklärung der revisionsführenden Staatsanwaltschaft zu sehen, dass das Urteil insgesamt angefochten werde (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 344 Rn. 3 m.w.N.).
22
2. Nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hat die Staatsanwaltschaft mit Schriftsatz vom 12. September 2011 einen umfassenden Aufhebungsantrag gestellt. Mit ihren Einzelausführungen hat sie sodann jedoch lediglich gerügt, dass das Landgericht in dem oben unter A. III. geschilderten Fall zu Unrecht den Tötungsvorsatz des Angeklagten verneint hat; außerdem hat sie die Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beanstandet. Dies ist als Teilrücknahme gemäß § 302 Abs. 1 Satz 1 StPO zu werten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2005 – 5 StR 86/05 und vom 6. Juli 2005 – 2 StR 131/05) und führt dazu, dass der Schuldspruch wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs, die dieserhalb verhängte Einzelstrafe und die Maßnahmen nach §§ 69, 69 a StGB nicht (mehr) auf Revision der Staatsanwaltschaft zu überprüfen sind.
23
II. In dem vorgenannten Umfang erweist sich das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft als begründet. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
24
1. Nach Auffassung des Schwurgerichts sprechen zwar nicht unerhebliche Gesichtspunkte für einen zumindest bedingten Tötungsvorsatz, nämlich insbesondere die erhebliche Wucht des von dem Ausspruch „Verreck‘, du Hurensohn“ begleiteten Messerstichs. Dagegenstehe indes die Tatsache, dass der Angeklagte lediglich einen Stich ausgeführt habe und darüber hinaus auch nicht unerheblich alkoholisiert gewesen sei. „Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Hemmschwellentheorie sieht die Kammer im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten einen Tötungsvorsatz als nicht mit letzter Sicherheit erwiesen an.“
25
2. Diese Beweiserwägungen halten – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11, m.w.N.) – rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Begründung, mit der das Landgericht meinte, dem Angeklagten nicht wenigstens bedingten Tötungsvorsatz nachweisen zu können, ist lückenhaft und teilweise widersprüchlich.
26
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 m.w.N.). Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; Schroth NStZ 1990, 324, 325) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f., vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10, WM 2012, 260, 262, und vom 21. Dezember 2011 – 1StR 400/11) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; vgl. zusammenfassend zuletzt BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11 m.w.N.).
27
b) Diese Prüfung lässt das Landgericht vermissen. Seinen knappen Ausführungen kann der Senat schon nicht die erforderliche Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände entnehmen. Es wird darüber hinaus nicht erkennbar, ob das Schwurgericht bereits Zweifel daran hatte, dass der Angeklagte den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkannte, oder nur daran, dass er ihn billigte oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfand.
28
aa) Soweit die Alkoholisierung des Angeklagten angesprochen wird, könnte dies für Zweifel des Landgerichts auch am Wissenselement sprechen. Abgesehen davon jedoch, dass eine maximale Alkoholkonzentration von 1,58 ‰ bei dem zur Tatzeit trinkgewohnten Angeklagten keinen Anhalt für solche Zweifel begründet, leidet das angefochtene Urteil an dieser Stelle – wie der Generalstaatsanwalt in Saarbrücken zu Recht geltend macht – an einem inneren Widerspruch: Während die Alkoholisierung bei der Prüfung des Tötungsvorsatzes als „nicht unerheblich“ bezeichnet wird, geht das Schwurgericht im Zusammenhang mit § 64 StGB – in Übereinstimmung mit der gehörten Sachverständigen – von einer „lediglich geringe(n) Beeinträchtigung durch Alkohol“ aus. Auch bei der Prüfung verminderter Schuldfähigkeit gelangt das sachverständig beratene Landgericht „nicht zu der Annahme einer erheblichen Beeinflussung“ des Angeklagten. Es legt auch nicht dar, wieso die den Stich begleitende Bemerkung überhaupt Raum für Zweifel daran lässt, dass der Angeklagte, dem die Lebensgefährlichkeit des Messerstichs bewusst war (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB), die Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs erkannt hat. Insgesamt ergeben sich aus den bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen könnten, eine psychische Beeinträchtigung habe dem Angeklagten die Erkenntnis einer möglichen tödlichen Wirkung seines in den oberen Rückenbereich zielenden, in hohem Maße lebensgefährlichen Angriffs verstellt (vgl. zur Allgemeinkundigkeit dieses Umstands BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08 und zur Entbehrlichkeit medizinischen Detailwissens BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 – 1 StR 410/05, NStZ 2006, 444, 445).
29
bb) Die Annahme einer Billigung liegt nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz erkannter Lebensgefährlichkeit durchführt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2005 – 4 StR 109/05, NStZ-RR 2005, 372; Urteil vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.). Hierbei sind die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise –, die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Mo- tivation in die Beweiswürdigung mit einzubeziehen (vgl. BGH, Urteile vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372, und vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Vertrauen auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolgs regelmäßig dann zu verneinen, wenn der vorgestellte Ablauf des Geschehens einem tödlichen Ausgang so nahe kommt, dass nur noch ein glücklicher Zufall diesen verhindern kann (BGH, Urteile vom 16. September 2004 – 1 StR 233/04, NStZ 2005, 92, vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630, und vom 1. Dezember 2011 - 5 StR 360/11).
30
Rechtlich tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte trotz der Lebensgefährlichkeit des Messerstichs ernsthaft und nicht nur vage (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1990 – 3 StR 332/90, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 24) darauf vertraut haben könnte, der Nebenkläger würde nicht zu Tode kommen, hat das Landgericht nicht festgestellt und liegen bei dem Tatgeschehen auch fern (vgl. BGH, Urteile vom 6. März 1991 – 2 StR 333/90, NStE Nr. 27 zu § 212 StGB, und vom 18. Oktober 2006 – 2 StR 340/06, NStZ 2007, 150, 151). Entgegen der Meinung des Landgerichts spricht insbesondere das Unterlassen weiterer Angriffe nicht gegen die Billigung des Todes. Nach dem Messerstich sackte der – nach dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen konkret lebensbedrohlich verletzte – Nebenkläger zu Boden; es ist schon nicht festgestellt, ob der Angeklagte davon ausging, ihn bereits tödlich verletzt zu haben, so dass es aus seiner Sicht weiterer Stiche nicht bedurfte (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08). Außerdem brachte der Begleiter des Nebenklägers den Angeklagten mit Gewalt zu Boden und hielt ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest; auch brach infolge der Tat ein Tumult aus. Danach liegt es nicht nahe, dass der Angeklagte überhaupt noch die Gelegenheit zu einem weiteren Messerstich auf sein am Boden liegendes Opfer hatte.
31
cc) Soweit das Landgericht sich ergänzend auf eine „Hemmschwellentheorie“ berufen hat, hat es deren Bedeutung für die Beweiswürdigung verkannt.
32
Es hat schon nicht mitgeteilt, was es darunter im Einzelnen versteht und in welchem Bezug eine solche „Theorie“ zu dem von ihm zu beurteilenden Fall stehen soll. Die bloße Erwähnung dieses Schlagworts wird vom Generalstaatsanwalt in Saarbrücken und vom Generalbundesanwalt daher mit Recht als „pauschal“ bzw. „formelhaft“ bezeichnet. Zwarhat auch der Bundesgerichtshof immer wieder auf die „für Tötungsdelikte deutlich höhere Hemmschwelle“ hin- gewiesen (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; abl. z.B. Brammsen JZ 1989, 71, 78; Fahl NStZ 1997, 392; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 212 Rn. 15 f.; Geppert Jura 2001, 55, 59; SSW-StGB/Momsen § 212 Rn. 12; Paeffgen, FS für Puppe, 791, 797 Fn. 25, 798 Fn. 30; NKStGB /Puppe, 3. Aufl., § 212 Rn. 97 ff.; Rissing-van Saan, FS für Geppert, 497, 505 f., 510; Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, 4. Aufl., § 12 Rn. 79 ff.; MünchKommStGB /Schneider § 212 Rn. 48 f.; SK-StGB/Sinn § 212 Rn. 35; Trück NStZ 2005, 233, 234 f.; Verrel NStZ 2004, 233 ff.; vgl. auch Altvater NStZ 2005, 22, 23), allerdings auch gemeint, in Fällen des Unterlassens bestünden „generell keine psychologisch vergleichbaren Hemmschwellen vor einem Tötungs- vorsatz“ (BGH,Urteil vom 7. November 1991 – 4 StR 451/91, NJW 1992, 583, 584; dazu Puppe NStZ 1992, 576, 577: „Anfang vom Ende der Hemm- schwellentheorie“).Für Fälle des positiven Tuns hat er an das Postulat einer Hemmschwelle anknüpfend weiter ausgeführt, dass selbst die offen zutage tretende Lebensgefährlichkeit zugefügter Verletzungen ein zwar gewichtiges Indiz, nicht aber einen zwingenden Beweisgrund für einen (bedingten) Tötungsvorsatz des Täters bedeute, der Tatrichter vielmehr gehalten sei, in seine Beweiserwägungen alle Umstände einzubeziehen, welche die Überzeugung von einem Handeln mit (bedingtem) Tötungsvorsatz in Frage stellen könnten (BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 1997 – 3 StR 569/97, NStZ-RR 1998, 101, vom 8. Mai 2001 – 1 StR 137/01, NStZ 2001, 475, 476, und vom 2. Februar 2010 – 3 StR 558/09, NStZ 2010, 511, 512);sachlich vergleichbar fordern andere Entscheidungen vom Tatrichter, immer auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen , dass der Täter die Gefahr der Tötung nicht erkannt oder jedenfalls darauf vertraut habe, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten (BGH, Beschlüsse vom 8. Mai 2008 – 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91, und vom 22. April 2009 – 5 StR 88/09, NStZ 2009, 503; Urteil vom 25. März 2010 – 4 StR 594/09 m.w.N.). Wieder andere Entscheidungen verlangen „eine eingehende Prüfung anhand aller Umstände des Einzelfalles“ (BGH, Urteil vom 8. März 2001 – 4 StR 477/00, StV 2001, 572; ähnlich bereits BGH, Beschluss vom 27. November 1975 – 4 StR 637/75, VRS 50, 94, 95).
33
An den rechtlichen Anforderungen ändert sich indessen nichts, wenn die zur Annahme oder Verneinung bedingten Tötungsvorsatzes führende Beweiswürdigung ohne Rückgriff auf das Postulat einer Hemmschwelle überprüft wird (BGH, Urteile vom 3. Juli 1986 – 4 StR 258/86, NStZ 1986, 549, 550, und vom 7. August 1986 – 4 StR 308/86, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 3 [jeweils: sorgfältige Prüfung], sowie vom 11. Dezember 2001 – 1 StR 408/01, NStZ 2002, 541, 542 [Ausführungen zu einer Hemmschwelle bei stark alkoholisiertem Täter ohne Motiv nicht geboten]; ebenso für Fälle affektiv erregter, alkoholisierter , ohne Motiv, spontan oder unüberlegt handelnder Täter BGH, Beschlüsse vom 21. Oktober 1986 – 4 StR 563/86, StV 1987, 92, vom 7. Juli 1999 – 2 StR 177/99, NStZ 1999, 507, 508,und vom 7. November 2002 – 3 StR 216/02, NStZ 2004, 51; Urteil vom 14. November 2001 – 3 StR 276/01; Beschluss vom 2. Dezember 2003 – 4 StR 385/03, NStZ 2004, 329, 330; Urteil vom 14. Dezember 2004 - 4 StR 465/04; Beschluss vom 20. September2005 – 3StR 324/05, NStZ 2006, 169, 170; Urteile vom 30. August 2006 – 2 StR 198/06, NStZ-RR 2007, 43, 44 [zusätzlich gruppendynamischer Prozess], vom 18. Januar 2007 – 4 StR 489/06, NStZ-RR 2007, 141, 142, und vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630; Beschluss vom 6. Dezember 2011 – 3 StR 398/11; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Januar 2003 – 4 StR 526/02, NStZ 2003, 369).
34
Im Verständnis des Bundesgerichtshofs erschöpft sich die „Hemmschwellentheorie“ somit in einem Hinweis auf § 261 StPO (BGH, Urteil vom 11. Januar 1984 – 2 StR 615/83, StV 1984, 187, Beschluss vom 27. Juni 1986 – 2 StR 312/86, StV 1986, 421, Urteile vom 22. November 2001 – 1 StR 369/01, NStZ 2002, 314, 315, vom 23. April 2003 – 2 StR 52/03, NStZ 2003, 603, 604, und vom 16. Oktober 2008 – 4 StR 369/08, NStZ 2009, 210, 211: jeweils sorgfältige Prüfung; vgl. weiter BGH, Urteil vom 25. November 1987 – 3 StR 449/87, NStZ 1988, 175; Beschlüsse vom 19. Juli 1994 – 4 StR 348/94, NStZ 1994, 585, und vom 25. November 2010 – 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338, 339; Urteil vom 15. Dezember 2010 – 2 StR 531/10, NStZ 2011, 210, 211; MünchKommStGB/Schneider § 212 Rn. 48: „prozessuale Selbstver- ständlichkeit“).Der Bundesgerichtshof hat demgemäß immer wieder hervorgehoben , dass durch sie die Wertung der hohen und offensichtlichen Lebensge- fährlichkeit von Gewalthandlungen als ein gewichtiges auf Tötungsvorsatz hinweisendes Beweisanzeichen (BGH, Urteil vom 24. April 1991 – 3 StR 493/90) in der praktischen Rechtsanwendung nicht in Frage gestellt oder auch nur relativiert werden solle (BGH, Urteile vom 24. März 1993 – 3 StR 485/92, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 35, vom 12. Januar 1994 – 3 StR 636/93, NStE Nr. 33 zu § 212 StGB, vom 11. Oktober 2000 – 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51, und vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372), auch nicht bei Taten zum Nachteil des eigenen Kindes (BGH, Urteil vom 17. Juli 2007 – 5 StR 92/07, NStZ-RR 2007, 304, 305). Zur Verneinung des voluntativen Vorsatzelements bedarf es vielmehr in jedem Einzelfall tragfähiger Anhaltspunkte dafür, dass der Täter ernsthaft darauf vertraut haben könnte, der Geschädigte werde nicht zu Tode kommen (BGH, Urteile vom 24. März 2005 – 3 StR 402/04, vom 9. August 2005 – 5 StR 352/04, NStZ 2006, 98, 99, vom 25. Mai 2007 – 1 StR 126/07, NStZ 2007, 639, 640, und vom 16. Oktober 2008 aaO; Trück aaO S. 239 f.). Daran fehlt es hier (vgl. vorstehend unter bb).
35
Der Hinweis des Landgerichts auf eine „Hemmschwellentheorie“ entbehrt somit jedes argumentativen Gewichts. Im Übrigen hätte das Schwurgericht sich – von seinem Standpunkt aus – damit auseinander setzen müssen, dass schon der festgestellte Handlungsablauf, nämlich das wuchtige und zielgerichtete Stechen eines Messers aus schnellem Lauf in den Rücken eines ahnungslosen Opfers, das Überwinden einer etwa vorhandenen Hemmschwelle voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08). Auch ist eine erhebliche Alkoholisierung (oder ein Handeln in affektiver Erregung und aufgrund spontanen Entschlusses) nach sicherer Erfahrung gerade besonders geeignet, eine etwa vorhandene Hemmschwelle auch für äußerst gefährliche Gewalthandlungen herabzusetzen (BGH, Urteil vom 24. Februar 2010 – 2 StR 577/09, NStZ- RR 2010, 214, 215; NK-StGB/Puppe, 3. Aufl., § 15 Rn. 93; Rissing-van Saan, aaO, S. 515; Roxin, aaO, Rn. 81; MünchKommStGB/Schneider § 212 Rn. 50; Trück aaO S. 238; Verrel aaO S. 311).
36
dd) Nach alledem kann der Senat offen lassen, ob die zusammenfassende Bemerkung des Landgerichts, es sehe „einen Tötungsvorsatz als nicht mit letzter Sicherheit erwiesen an“, nicht auf eine Überspannung der Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung hindeutet. Auch bedarf es keiner Entscheidung, ob hier nicht – etwa im Blick auf die den Messerstich begleitende Äußerung des Angeklagten – die Annahme direkten Tötungsvorsatzes näher liegt.
37
3. Auf der fehlerhaften Beweiswürdigung beruht der Schuldspruch wegen der Tat zum Nachteil des Nebenklägers. Nach den bisherigen Feststellungen liegt die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts vom Tötungsversuch nicht nahe (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2010 – 2 StR 536/10, NStZ 2011, 209).
38
III. Der aufgezeigte Mangel zwingt zur Aufhebung der für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung , weil ein versuchtes Tötungsdelikt hierzu in Tateinheit stünde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, NStZ 1997, 276; Beschluss vom 27. Juni 2000 – 4 StR 211/00). Dies entzieht der hierwegen verhängten Einzelfreiheitsstrafe , der Gesamtfreiheitsstrafe und der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nebst teilweisem Vorwegvollzug der Gesamtstrafe die Grundlage.
39
IV. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von der Rechtsprechung anderer Senate des Bundesgerichtshofs zum Tötungsvorsatz ab. Er legt ihr vielmehr die sog. Hemmschwellentheorie in dem in der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Verständnis zu Grunde (vgl. oben C. II. 2. b) cc).
Ernemann Cierniak Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 139/13
vom
17. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juli 2013
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 27. Juni 2012 mit Ausnahme der Entscheidung über den Adhäsionsantrag mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und festgestellt, dass er verpflichtet ist, dem Nebenkläger alle aus der Tat vom 13. Dezember 2011 entstandenen materiellen und immateriellen Schäden, soweit sie nicht auf Dritte übergegangen sind, zu ersetzen. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, beanstandet mit der Sachrüge die Verneinung des Tötungsvorsatzes sowie die fehlende Erörterung einer Strafbarkeit des Angeklagten auch wegen schwerer Körperverletzung. Das Rechtsmittel ist begründet.

I.

2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte unterhielt bis August 2011 eine Beziehung zur Ehefrau des Nebenklägers. Da er sich nicht damit abfinden konnte, dass diese sich von ihm getrennt hatte, suchte er weiterhin den Kontakt und wartete häufig mit seinem PKW in der Nähe ihrer Wohnung oder ihrer Arbeitsstelle.
4
Am 13. Dezember 2011 unternahm der Nebenkläger gemeinsam mit seiner Tochter eine Einkaufsfahrt. Unterwegs bemerkte er, dass ihm der Angeklagte in seinem Fahrzeug folgte. Er hielt deshalb an, um ihn zur Rede zu stellen. Der Angeklagte, der spätestens jetzt erkannte, dass sich die Ehefrau des Nebenklägers nicht in dem PKW befand, setzte indes seine Fahrt fort.
5
Der Nebenkläger tätigte nun den geplanten Einkauf. Nach seiner Rückkehr zum Parkplatz des Einkaufsmarktes bemerkte er den dort abgestellten PKW des Angeklagten. Er trat an dessen Fahrzeug heran, klopfte an die Fensterscheibe und fragte den Angeklagten, der in seinem Fahrzeug saß, warum er ihn verfolge. Der Angeklagte antwortete unverständlich und der Nebenkläger kehrte zu seinem Fahrzeug zurück. Beim Verlassen des Parkplatzes winkte der Angeklagte dem Nebenkläger nunmehr zu, weshalb dieser sein Fahrzeug anhielt , wiederum an den PKW des Angeklagten herantrat und fragte, was er von ihm wolle. Der Angeklagte antwortete unverständlich, wobei nur das Wort "Arschloch" zu verstehen war. Der Nebenkläger wandte sich schließlich ab und ging ein paar Schritte in Richtung seines Fahrzeugs, wobei er dem Angeklagten den Rücken zukehrte. In diesem Moment stieg der Angeklagte schnell aus seinem Fahrzeug aus und ließ die fingerlange Klinge seines amSchlüsselbund befestigten Springmessers durch Knopfdruck hervor schnellen. Er packte mit einer Hand die linke Schulter des Nebenklägers, zog ihn zu sich herum und stach ihm wuchtig ca. vier bis fünf Zentimeter tief in den Bauch. Der Nebenkläger schlug daraufhin auf den Angeklagten ein und drückte ihn gegen dessen Auto. Während des entstehenden Gerangels versetzte der Angeklagte dem Nebenkläger eine oberflächliche Stichwunde im Nackenbereich sowie einen tiefgehenden Stich im Bereich der linken Achselhöhle, der in den Brustkorb eindrang und dort einen konkret lebensgefährlichen Pneumothorax verursachte. Da die Tochter des Nebenklägers laut nach ihrem Vater rief, ließ dieser den Angeklagten los und wandte sich seiner Tochter zu. In diesem Moment versetzte ihm der Angeklagte einen quer durch das Gesicht geführten mindestens acht Zentimeter langen Schnitt. Der Angeklagte handelte zumindest bei dem Bauchstich und dem Schnitt ins Gesicht aus Wut und dem Wunsch, den Nebenkläger für die vom ihm selbst gefühlte Unterlegenheit büßen zu lassen; nicht aber, um ihn zu töten.
6
Der Nebenkläger, der die Schwere seiner Verletzungen nicht bemerkt hatte, schlug nochmals hart auf den Angeklagten ein und entfernte sich. Er befand sich aufgrund seiner Verletzungen elf Tage in stationärer Behandlung und war anschließend rund drei Monate arbeitsunfähig. Die zickzackförmig verlaufende Schnittverletzung im Gesicht ist unter Verbleib einer deutlich sichtbaren, acht Zentimeter langen Narbe verheilt, die am linken Mundwinkel beginnt und bogenförmig nach unten zum Kieferwinkel verläuft.
7
2. Das Landgericht hat den Schuldspruch auf § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB gestützt. Es hat sich nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte auch nur mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Zwar sei das Wissenselement des bedingten Tötungsvorsatzes jedenfalls bei dem Bauchstich gegeben. In der Gesamtschau der Persönlichkeit des Angeklagten, seiner psychischen Verfassung im Tatzeitpunkt und seiner Motivation hat die Straf- kammer keinen so starken Handlungsantrieb erkennen können, der den Rückschluss auf eine Bereitschaft des Angeklagten zur Inkaufnahme schwerster Folgen erlaube.

II.

8
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist begründet.
9
1. Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz abgelehnt hat, halten auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs rechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt, weiter, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Vor Annahme eines bedingten Vorsatzes müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens - als auch das Willenselement, umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen sind (BGH, Beschluss vom 1. Juni 2007 – 2StR 133/07; Urteil vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator (st. Rpsr.; vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1999 – 1 StR 26/99, NJW 1999, 2533, 2534).
11
Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt.
12
b) Diesen Anforderungen wird die landgerichtliche Entscheidung nicht gerecht. Zwar ist die Strafkammer zutreffend davon ausgegangen, dass die in den Bauch und den Brustkorb des Nebenklägers ausgeführten Messerstiche als jeweils äußerst gefährliche Gewalthandlung einen bedingten Tötungsvorsatz nahe legen. Die sich anschließende Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalls, im Rahmen derer die Strafkammer maßgeblich auf eine besondere Erregung des Angeklagten als Indiz gegen die Annahme des voluntativen Vorsatzelements abgestellt hat, bleibt indes lückenhaft , weil nicht mit konkreten Feststellungen belegt.
13
Zwar ist anerkannt, dass insbesondere bei spontanen, unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen aus dem Wissen um den möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten darauf geschlossen werden kann, dass das – selbständig neben dem Wissenselementstehende – voluntative Vorsatzelement gegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2010 – 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338 mwN; Urteil vom 17. Dezember 2009 – 4 StR 424/09,NStZ 2010, 571, 572; Urteil vom 28. Januar 2010 – 3 StR 533/09, NStZ-RR 2010, 144). Das Landgericht hat aber erkennbar nicht bedacht , dass es sich bei einem spontanen Handeln in affektiver Erregung um ein ambivalentes Beweisanzeichen handelt, das, je nachdem, wie das Tatgericht es im Einzelfall bewertet, rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen kann (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630; Urteil vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13; vgl. auch Urteil vom 24. Februar 2010 – 2 StR 577/09, NStZ-RR 2010, 214, 215). Zwar ist eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet, vom Revisionsgericht hinzunehmen. Der Tatrichter kann in einem solchen Falle nicht gehalten sein, denselben Umstand nochmals in dem anderen Beweiszusammenhang zu erwägen und damit Gefahr zu laufen, sich zu seinem anderweitig gewonnenen Ergebnis zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten in Widerspruch zu setzen (vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 20. September 2012 – 3 StR 140/12, NStZ-RR 2013, 75, 76 f. mwN; BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13). Der Tatrichter ist indes nicht davon befreit , basierend auf konkreten Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Umständen der Tat erkennen zu lassen, warum er einem ambivalenten Beweiszeichen überhaupt eine indizielle Bedeutung in eine Richtung zumisst.
14
Dem werden die Ausführungen des Landgerichts nicht gerecht, denn Auswirkungen der festgestellten besonderen Erregung auf das Willenselement des bedingten Vorsatzes werden nicht dargestellt und liegen auch nicht auf der Hand. Die Strafkammer hat insoweit lediglich ausgeführt, der Angeklagte sei wegen der Konkurrenzsituation zum Nebenkläger infolge der von ihm immer noch nicht überwundenen Liebesbeziehung "besonders erregt" gewesen; entsprechend habe er noch in der Hauptverhandlung seine ihn immer noch beherrschende , unerfüllte Liebe teils unter Tränen beklagt (UA S. 23). Inwiefern aber eine solche, ganz offenkundig dauerhaft bestehende besondere Erregung bei dem Angeklagten vorliegend überhaupt Schlüsse darauf zulässt, weshalb er trotz erkannter Lebensgefährlichkeit seines gezielt gesetzten Bauchstichs ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut haben konnte, der Nebenkläger würde nicht zu Tode kommen,lassen diese Erörterungen nicht erkennen. Dies erschließt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe.
Offen bleibt insbesondere schon der Grad seiner besonderen Erregung. In den Feststellungen findet sich insoweit einzig der Hinweis, der Angeklagte habe zumindest bei dem Stich in den Bauch und dem Schnitt ins Gesicht aus Wut und dem Wunsch, den Nebenkläger für die von ihm selbst gefühlte Unterlegenheit büßen zu lassen, gehandelt.
15
Auf der fehlerhaften Beweiswürdigung beruht der Schuldspruch. Ein Rücktritt vom – möglicherweise – versuchten Tötungsdelikt kommt nach den bisherigen Feststellungen nicht in Betracht. Voraussetzung für eine dahin gehende Beurteilung wären insbesondere nähere Feststellungen zum Rücktrittshorizont des Angeklagten, die das Landgericht – aus seiner Sicht konsequent – nicht getroffen hat.
16
2. Die Staatsanwaltschaft beanstandet darüber hinaus zu Recht, dass das Landgericht den Sachverhalt nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft hat. Angesichts des Umstands, dass im Gesicht des Nebenklägers eine deutlich sichtbare Narbe verblieben ist, die immerhin acht Zentimeter bemisst, musste sich das Gericht zur Erörterung der Frage gedrängt sehen, ob der Nebenkläger durch die Körperverletzung im Sinne von § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB in erheblicher Weise dauernd entstellt wurde. Erheblich ist eine Entstellung zwar nur dann, wenn sie zumindest dem Gewicht der geringsten Fälle nach § 226 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB gleichkommt (BGH, Beschluss vom 2. Mai 2007 – 3 StR 126/07, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 1). Dies kann jedoch im Einzelfall bei besonders großen oder markanten Narben der Fall sein (BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 – 3 StR 185/07, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 2); insbesondere aber auch bei verunstaltenden Narben im Gesicht eines Opfers (BGH, Urteil vom 8. November 1966 – 1 StR 450/66, NJW 1967, 297; Beschluss vom 11. Juli 2006 – 3 StR 183/06, NStZ 2006, 686; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 – 3 StR 185/07, NStZ 2008, 32). Ob die Qualifikation der Tat hier auf das äußere Verletzungsbild des Nebenklägers zutrifft, kann anhand der Urteilsgründe nicht nachgeprüft werden. Das Landgericht hat insoweit keine zur Charakterisierung der Narben ausreichenden Feststellungen getroffen. Auch eine Bezugnahme auf Lichtbilder gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zur Ergänzung der textlichen Tatsachenfeststellungen ist nicht erfolgt. Der neue Tatrichter wird daher diese Feststellungen nachzuholen und sodann rechtlich zu beurteilen haben, ob von einer dauernden und erheblichen Entstellung des Nebenklägers auszugehen ist.
17
3. Die aufgezeigten Mängel zwingen zur Aufhebung der rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung, weil ein versuchtes Tötungsdelikt wie auch eine schwere Körperverletzung, jedenfalls soweit auch eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB vorliegt, hierzu in Tateinheit stünden.
18
Die Adhäsionsentscheidung ist von der Aufhebung auszunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96; Urteil vom 8. April 2009 – 5 StR 65/09; Meyer-Goßner, StPO 56. Aufl. § 406a Rn. 8).
Fischer Krehl Eschelbach Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 126/07
vom
25. Mai 2007
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Mai 2007,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 2. November 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts Konstanz zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.
2
Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Angeklagten Revision eingelegt, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Sie erstrebt eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

II.


3
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Am Tattag war der Angeklagte, ein syrischer Staatsangehöriger, 20 Jahre und fünf Monate alt. Am Abend des 16. August 2005 feierte er in einer Gaststätte in Villingen-Schwenningen u.a. mit dem Zeugen M. einen Geburtstag. Gegen 20.00 Uhr zog er an einem Joint. Er trank Whiskey, Wodka und Rotwein. Nach Mitternacht ließ er sich und den Zeugen M. von dem Zeugen E. zu einer Tankstelle chauffieren. Alle drei verließen das Fahrzeug und holten sich am Nachtschalter etwas zu essen und alkoholfreie Getränke. Danach standen sie am Rande der Anlage und unterhielten sich. Kurz vor 1.54 Uhr kam der damals 24-jährige B. H. - der Nebenkläger - auf sie zu. Er hatte zuvor in einer anderen Gruppe in derselben Gaststätte gezecht. Er schrie den Angeklagten, der ihm bis dahin unbekannt war, ohne jeden Anlass mit Ausdrücken wie "Arsch, kleiner Pisser, Stinker, Fixer" an und schubste ihn mehrfach weg. Obwohl der Angeklagte die beträchtliche Alkoholisierung des Nebenklägers erkannte - dieser hatte eine Blutalkoholkonzentration von etwas mehr als 2,53 Promille - stieß er gegen den Angreifer und gewann die Oberhand. Er schlug ihm so heftig mit der Faust ins Gesicht, dass dieser zu Boden ging und mit dem Hinterkopf auf einen Randstein aufschlug. Der Angeklagte trat dann mehrfach mit den Füßen, an denen er festes Schuhwerk trug, auf den Kopf, in das Gesicht und in die Bauchgegend des am Boden Liegenden ein. Seinen beiden Begleitern gelang es schließlich, den Angeklagten vom Opfer wegzuziehen. Momente später stand der Nebenkläger, der nun am Kopf blutete, auf und ging schwankend auf den Angeklagten zu. Dieser konnte sich aus der Umklammerung seiner Begleiter losreißen. Seine Wut steigerte sich. Er war jetzt entschlossen , seinen Kontrahenten zu töten. Er sprang mit dem Ruf "Ich bring Dich um" oder "Ich schlag Dich tot" auf ihn zu und streckte ihn mit mindestens einem Faustschlag ins Gesicht zu Boden. Das Opfer fiel mit dem Hinterkopf mit solcher Wucht auf eine Betonplatte, dass ein Bersten des Schädels zu hören war.
Es blieb bewusstlos liegen. Der Angeklagte schrie weiter mehrfach herum und wollte erneut auf den Nebenkläger eintreten, was seine beiden Begleiter unter großer Kraftanstrengung verhindern konnten.
5
Als der Angeklagte nach der Tat darauf hingewiesen wurde, dass die Tankstelle über eine Videoüberwachungsanlage verfüge, flüchtete er in die nähere Umgebung, bevor er festgenommen werden konnte. Die Auswertung der Videoüberwachung war allerdings unergiebig.
6
Das Opfer erlitt u.a. ein Schädelhirntrauma, eine Schädelfraktur mit Schädelbasisfraktur und eine Hörminderung beiderseits. Es befand sich in Lebensgefahr und konnte nur durch eine äußerst zeitnahe Notoperation gerettet werden. Sein Hörvermögen ist dauerhaft rechts um 60 % und links um 80 % vermindert.
7
Die dem Angeklagten entnommene Blutprobe ergab bei Rückrechnung auf die Tatzeit eine maximale Blutalkoholkonzentration von 1,74 Promille. Sie wies außerdem ein positives Ergebnis hinsichtlich von Cannabinoiden auf.
8
2. Auf Grund dieser Feststellungen bejaht die Jugendkammer für den ersten Angriff einen Körperverletzungsvorsatz, der auch die Qualifikationsmerkmale des gefährlichen Werkzeugs (festes Schuhwerk) und der lebensgefährdenden Behandlung umfasst (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB). Sie nimmt - sachverständig beraten - an, zu Beginn der Auseinandersetzung sei die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten auf Grund eines Zusammenwirkens verschiedener Alkoholika und des Konsums von Cannabis erheblich vermindert gewesen (§ 21 StGB). Ab dem Zeitpunkt, in dem der Nebenkläger nach dem Niederschlag wieder aufstand - beim zweiten Angriff -, geht sie zwar vom Tötungsvorsatz des Angeklagten aus, gelangt aber zu der Überzeugung, dass nunmehr seine Steuerungsfähigkeit nicht ausschließbar völlig aufgehoben war (§ 20 StGB). Die Überzeugung begründet sie damit, der Angeklagte habe sich in diesen Zustand gesteigert auf Grund der durch die tätliche Auseinandersetzung eingetretenen Erregung und auf Grund der durch die Beleidigungen angestachelten Wut.
9
Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung zur Sache eingelassen , aber teilweise Erinnerungslücken geltend gemacht, was die Kammer ihm abnimmt. Sie ist davon überzeugt, das Motiv seines Handelns war Wut.

III.

10
1. Die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
11
Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Sie ist etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine nach den Feststellungen nahe liegende Schlussfolgerung nicht gezogen ist, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr., BGH NStZ-RR 2003, 371; BGH NStZ 2004, 35, 36 m.w.N.).
12
Die Kammer hätte einen Tötungsvorsatz des Angeklagten schon zu Beginn der tätlichen Auseinandersetzung in ihre Erwägungen einbeziehen müssen. Insoweit ist die Beweiswürdigung lückenhaft.
13
Äußerst gefährliche Gewalthandlungen legen trotz der hohen Hemmschwelle hinsichtlich der Tötung eines Menschen die Annahme von zumindest bedingtem Tötungsvorsatz nahe (st. Rspr., BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz bedingter 3, 33, 38 jeweils m.w.N.). Der Täter handelt bereits dann mit bedingtem Vorsatz, wenn er den Erfolgseintritt als nur möglich und nicht ganz fern liegend erkennt, gleichwohl sein gefährliches Handeln fortsetzt und einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt. Das gefährliche Handeln des Angeklagten, nachdem er seinen Gegner erstmals zu Boden gestreckt hatte, nämlich das mehrfache Eintreten mit festem Schuhwerk auf den Kopf, in das Gesicht und in die Bauchgegend des wehrlosen Opfers, ist hier ein gewichtiges Beweisanzeichen für einen bedingten Tötungsvorsatz. Auch der Tatsache, dass er nicht freiwillig von seinem Opfer abließ, sondern schon im ersten Teilakt durch seine Begleiter weggezogen werden musste, kann ein hoher Indizwert für die innere Einstellung des Angeklagten gegenüber der Tötung seines Opfers zukommen. Das gewollte weitere Tun legt es nahe, dass ihm die Folgen seiner Tat - der mögliche Tod des Opfers - zumindest gleichgültig waren. Dies würde für die Annahme von bedingtem Vorsatz genügen (BGHSt 40, 304, 306; BGH, Urt. vom 30. August 2006 - 2 StR 198/06) und war deshalb erörterungsbedürftig.
14
Wenn die Kammer für den ersten Teilakt eine gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung bejaht, so geht sie davon aus, dass die Tat in der Vorstellung des Angeklagten auf eine Lebensgefährdung "angelegt" war (BGHSt 36, 262, 265). Demnach erkannte der Angeklagte trotz seiner Wut und seiner sonstigen psychischen Verfassung - Einfluss von Alkohol und Cannabis - die Lebensgefährlic hkeit seiner Tritte. Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte dennoch darauf vertrauen konnte, der Nebenkläger werde nicht zu Tode kommen, hat das Landgericht nicht festgestellt.
15
2. Schon die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit ist nicht frei von Rechtsfehlern.
16
Die Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der erfolgte Konsum von Cannabis die Wirkungen des getrunkenen Alkohols so erheblich zu einer explosiven Mischung verstärkt hat, dass zu Beginn der Begehung der Straftat der gefährlichen Körperverletzung das Steuerungsvermögen des Angeklagten erheblich vermindert gewesen sei. Dem hat sich die Kammer angeschlossen (UA S. 9). Die Ausführungen lassen besorgen, dass dem Tatrichter nicht bewusst war, dass es sich bei der Frage, ob eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit "erheblich" im Sinne von § 21 StGB ist, um eine Rechtsfrage handelt, die der Tatrichter - ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen - in eigener Verantwortung zu entscheiden hat (st. Rspr., BGHSt 43, 66, 77 m.w.N.). Dabei fließen normative Überlegungen ein. Dies lässt das Urteil nicht erkennen.
17
3. Eine nicht ausschließbare Schuldunfähigkeit des Angeklagten ab dem Zeitpunkt, in dem der Nebenkläger wieder aufstand, ist nicht tragfähig begründet. Die Ausführungen hierzu sind widersprüchlich und unklar. Die Annahme der Steigerung von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit in einen Zustand des völligen Ausschlusses ist nicht nachvollziehbar.
18
Nach dem festgestellten objektiven Tatgeschehen erfolgten die Beleidigungen durch das Opfer vor dem ersten Faustschlag des Angeklagten (UA S. 4). Nach der Überzeugung der Kammer geriet er dadurch in Wut, sodass die Wut das Motiv seines gesamten Handelns war (UA S. 10, 11). Weitere Beleidi- gungen hat das Landgericht nicht festgestellt. Somit können Beleidigungen seine Wut oder Erregung nicht weiter gesteigert haben (UA S. 9). Das gilt auch für den Verlauf der tätlichen Auseinandersetzung, den die Kammer hier widersprüchlich zu den getroffenen Feststellungen heranzieht. Der Angeklagte hat sich entgegen UA S. 9 nach den Fußtritten nicht freiwillig vom Opfer zurückgezogen , sondern wurde durch seine Begleiter zurückgezogen (UA S. 4). Das Verhalten des Angeklagten legt eher einen anhaltenden Willen nahe, den Nebenkläger endgültig auszuschalten.
19
4. Danach war das Urteil auf die Sachrüge der Staatsanwaltschaft wegen der den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler aufzuheben. Nach den bisherigen Feststellungen liegt es nicht fern, dass es sich um ein einheitliches Tatgeschehen mit durchgängigem Tötungsvorsatz handelt. Die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit drängt sich jedenfalls unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht auf.
20
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten sind nicht erkennbar geworden (§ 301 StPO). Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 424/09
vom
17. Dezember 2009
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Dezember
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Dr. Franke
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 1. April 2009 werden verworfen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen. Bei dem Angeklagten wird von der Auferlegung der im Revisionsverfahren entstandenen Kosten und Auslagen abgesehen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen, wegen Bedrohung und wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung dreier Vorverurteilungen zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat ferner angeordnet, dass die in dem einbezogenen Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 3. November 2008 angeordnete Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis aufrechterhalten bleibt.
2
Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge; mit der Verfahrensrüge beanstandet er ferner die Verletzung der Aufklärungspflicht. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, wendet sich dagegen, dass das Landgericht bei der Tat zum Nachteil des Steffen P. bedingten Tötungsvorsatz verneint hat.
3
Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

A.

4
Revision der Staatsanwaltschaft

I.

5
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Verneinung des Tötungsvorsatzes bei der Tat zum Nachteil des Geschädigten P. beschränkt. Die Beschwerdeführerin hat zwar einen unbeschränkten Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils gestellt. Dieser steht aber in Widerspruch zu dem Angriffsziel des Rechtsmittels, wie es sich aus der Revisionsrechtfertigungsschrift ergibt. Deren Auslegung lässt angesichts der Formulierung, das Landgericht habe den Angeklagten „hinsichtlich des Anklagevorwurfes Ziffer 3 der Anklageschrift vom 03.12.2008 zu Unrecht nur wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt“, einen auf diesen Teil des Schuldspruchs bezogenen Beschränkungswillen der Beschwerdeführerin erkennen. Die Auslegung wird durch die allgemeine Übung der Staatsanwaltschaft bestätigt, Revisionen regelmäßig so zu begründen, dass klar ersichtlich ist, in welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils sie eine Rechtsverletzung erblickt und auf welche Gründe sie ihre Rechtsauffassung stützt (Nr. 156 Abs. 2 RiStBV; vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3, insoweit in BGHSt 36, 167 nicht abgedr.).

II.

6
Die Verneinung bedingten Tötungsvorsatzes bei der Tat zum Nachteil des Geschädigten P. hält rechtlicher Nachprüfung stand.
7
1. Das Landgericht hat insoweit im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
8
a) Am Tattag, dem 9. Mai 2008, kam es am G. W. in der Nähe von St. Ingbert gegen 21.30 Uhr zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen junger Leute, die sich daran entzündete, dass der zur Gruppe um den Angeklagten gehörende, gesondert verfolgte D. , von dem zu der anderen Gruppe gehörenden Zeugen K. , der sich u.a. in Begleitung der später geschädigten Zeugen H. , P. und M. befand, wegen des lauten Rufens von Nazi-Parolen zur Rede gestellt worden war. Im Verlauf der Auseinandersetzung nahm der Angeklagte zunächst den Geschädigten H. in den Schwitzkasten. Dieser setzte sich dagegen zur Wehr, woraufhin der Angeklagte seine Stirn unvermittelt und mit voller Wucht auf die Nase des Geschädigten stieß, der dadurch eine Nasenbeinfraktur erlitt. Der Angeklagte verfolgte den nun flüchtenden Geschädigten und versuchte, mit einer Bierflasche auf ihn einzuschlagen, wobei er nur knapp dessen Kopf verfehlte. Der Angeklagte setzte die Verfolgung mit einem beim Grillen benutzten Klappmesser fort. Als der Geschädigte dies bemerkte, geriet er in Panik, stolperte und fiel zu Boden. Mit der Drohung, ihn umzubringen, stürzte sich der Angeklagte auf ihn und drückte ihm das Messer fest an die Kehle, so dass eine oberflächliche Verletzung am Hals entstand. Als der Zeuge M. den Angeklagten zum Aufhören aufforderte, versetzte ihm der Angeklagte unvermittelt einen Schlag auf das rechte Auge, der ein schmerzhaftes Hämatom zur Folge hatte.
9
b) Nachdem es dem Geschädigten H. durch das Einschreiten des M. gelungen war, wieder aufzustehen und seine Flucht fortzusetzen, nahm der Angeklagte erneut die Verfolgung auf. Nunmehr eilte der Zeuge P. dem H. zu Hilfe und stieß den Angeklagten zur Seite. In diesem Moment stach der Angeklagte dem P. unvermittelt mit dem Klappmesser in die linke Flanke des Oberkörpers, wobei er ihn mit den Worten anschrie: "Soll ich dich abstechen oder was?" Dabei versuchte er weiter auf den P. einzustechen, was dieser aber durch einen Festhaltegriff verhindern konnte. Nachdem nun aber auch der gesondert Verfolgte D. hinzu kam und auf den P. einschlug , ergriff dieser die Flucht. Erst jetzt bemerkte er seine Stichverletzung und die dadurch verursachten Schmerzen.
10
Nach medizinischer Erstversorgung durch den Notarzt vor Ort wurde der Geschädigte, dessen linke Brusthöhle durch den etwa 2 cm langen, leicht schräg verlaufenden Stich eröffnet worden war, was bei zunehmender Luftnot zu einer potentiell lebensgefährlichen Verletzung führte, fünf Tage stationär behandelt ; die Verletzung ist mittlerweile folgenlos abgeheilt.
11
2. Das Landgericht hat bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten bei der Tat zum Nachteil des Geschädigten P. verneint. Zwar sei der Messerstich objektiv gefährlich gewesen, in der konkreten Situation stelle er sich jedoch lediglich als ungezielt dar und sei - bei lebensnaher Betrachtung - nur von der Absicht des Angeklagten getragen gewesen, sich des Einschreitens des Zeugen P. zu erwehren, ohne diesen mit bedingtem Tötungsvorsatz gezielt schwer zu verletzen.
12
3. Diese Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite hält revisionsrechtlicher Kontrolle (noch) stand.
13
a) Die Bejahung bedingten Tötungsvorsatzes erfordert bei schwerwiegenden Gewalthandlungen eine sorgfältige Prüfung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles. Die offensichtliche Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise stellt dabei für den Nachweis bedingten Tötungsvorsatzes einen Umstand von erheblichem Gewicht dar, weil bei äußerst gefährlichen gewalttä- tigen Handlungen ein bedingter Tötungsvorsatz nahe liegt (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 58, 59). Angesichts der hohen Hemmschwelle bei Tötungsdelikten bedarf die Frage der Billigung des Todeserfolges indes einer Gesamtschau alle objektiven und subjektiven Tatumstände, in die die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motivation ebenso einzubeziehen sind wie die konkrete Angriffsweise (BGHSt 36, 1, 10; BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 39). Insbesondere bei einem spontanen, unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Handlung kann aus dem Wissen um einen möglichen Erfolgseintritt nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten geschlossen werden, dass auch das - selbständig neben dem Wissenselement stehende - voluntative Vorsatzelement gegeben ist (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 62; BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 4).
14
b) Gemessen daran beanstanden Beschwerdeführerin und Generalbundesanwalt im Ansatz zu Recht, dass die vom Landgericht als Grundlage für die Ablehnung eines bedingten Tötungsvorsatzes bei dem Messerangriff zum Nachteil des Geschädigten P. angestellte Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände bedenklich knapp ausgefallen ist. Insbesondere muss der – von der Strafkammer für die Verneinung eines bedingten Tötungsvorsatzes maßgeblich herangezogene – Umstand, dass der Angeklagte nicht gezielt in die Brust des Geschädigten einstach, für sich genommen nicht dagegen sprechen, dass dem Angeklagten ein etwaiger Tod seines Opfers gleichgültig war, was für die billigende Inkaufnahme des tödlichen Erfolges ausreichen würde. Anders als im Fall eines gezielten Stichs in einen Körperbereich, in dem sich lebenswichtige Organe befinden, musste sich dem Landgericht hier ein Tötungsvorsatz aber auch nicht geradezu aufdrängen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin erforderten die im angefochtenen Urteil zum Verhalten des Angeklagten vor Ausführung des Messerangriffs getroffenen Feststellungen keine andere rechtliche Beurteilung. Zwar hatte sich der Angeklagte auch schon zuvor äußerst gewaltbereit gezeigt. Gleichwohl war es nicht zur Zufügung lebensbedrohlicher Verletzungen gekommen, obwohl er unter anderem dem Geschädigten H. das Messer an die Kehle gesetzt und gedroht hatte ihn umzubringen. Dass die Strafkammer angesichts dieses zwar gewalttätigen, aber auch von großsprecherischen Zügen geprägten Verhaltens des Angeklagten seiner an den Geschädigten P. gerichteten (rhetorischen) Frage: “Soll ich Dich abstechen, oder was?“ ersichtlich keine maßgebende Bedeutung als Indiz für einen vorhandenen Tötungsvorsatz beigemessen hat, stellt jedenfalls keinen durchgreifenden Erörterungsmangel im Rahmen der dem Tatrichter obliegenden Gesamtschau dar.

B.

15
Revision des Angeklagten

I.

16
Die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge, das Landgericht habe durch die Ablehnung des Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gegen die ihm obliegende richterliche Aufklärungspflicht i.S. des § 244 Abs. 2 StPO verstoßen, ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

II.

17
1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler nicht ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
18
2. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist es im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass das Landgericht eine alkoholbedingt erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit verneint hat.
19
a) Zwar hat die Strafkammer aufgrund der Trinkmengenangaben des Angeklagten nur die höchstmögliche Blutalkoholkonzentration (6,37 Promille) ermittelt. Hingegen hat sie die Kontrollberechnung zur Feststellung der Mindestwerte nicht vorgenommen. Der Generalbundesanwalt weist zwar zutreffend darauf hin, dass sich bei Zugrundelegung eines Resorptionsdefizits von 30 % und einem stündlichen Abbauwert von 0,2 Promille zuzüglich eines einmaligen Sicherheitszuschlags von 0,2 Promille (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 7, 8, 18) ein BAK-Wert von (nur) 4,22 Promille ergeben hätte. Auch vor dem Hintergrund dieses geringeren Wertes durfte das Landgericht die Trinkmengenangaben im Ergebnis zu Recht als unglaubhaft ansehen und insoweit das damit nicht vereinbare Leistungsverhalten des Angeklagten heranziehen. Danach verfügte der Angeklagte trotz der Beeinflussung durch Alkohol- und Drogenkonsum über eine beachtliche körperliche Leistungsfähigkeit , die ihn in die Lage versetzte, einen komplexen Handlungsablauf zu steuern; von körperlichen Ausfallerscheinungen haben die in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen nichts berichtet. Vielmehr bestätigte die Freundin des Angeklagten, dieser sei nicht betrunken gewesen.
20
b) Für den zu einer Jugendstrafe verurteilten heranwachsenden Angeklagten wäre die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB im Übrigen schon deshalb nicht günstiger gewesen, weil dies nicht zu einer Strafrahmenverschiebung geführt hätte. Auch der der Höhe der Jugendstrafe zu Grunde zu legende Erziehungsbedarf wäre kaum geringer anzusetzen gewesen, weil der Angeklagte auf Grund seiner Vorverurteilungen wusste , dass er unter Alkoholeinfluss zu Aggressivität neigt und gleichwohl erneut Alkohol in erheblichem Umfang konsumierte. Tepperwien Athing Solin-Stojanović Ernemann Franke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 139/13
vom
17. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juli 2013
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 27. Juni 2012 mit Ausnahme der Entscheidung über den Adhäsionsantrag mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und festgestellt, dass er verpflichtet ist, dem Nebenkläger alle aus der Tat vom 13. Dezember 2011 entstandenen materiellen und immateriellen Schäden, soweit sie nicht auf Dritte übergegangen sind, zu ersetzen. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, beanstandet mit der Sachrüge die Verneinung des Tötungsvorsatzes sowie die fehlende Erörterung einer Strafbarkeit des Angeklagten auch wegen schwerer Körperverletzung. Das Rechtsmittel ist begründet.

I.

2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte unterhielt bis August 2011 eine Beziehung zur Ehefrau des Nebenklägers. Da er sich nicht damit abfinden konnte, dass diese sich von ihm getrennt hatte, suchte er weiterhin den Kontakt und wartete häufig mit seinem PKW in der Nähe ihrer Wohnung oder ihrer Arbeitsstelle.
4
Am 13. Dezember 2011 unternahm der Nebenkläger gemeinsam mit seiner Tochter eine Einkaufsfahrt. Unterwegs bemerkte er, dass ihm der Angeklagte in seinem Fahrzeug folgte. Er hielt deshalb an, um ihn zur Rede zu stellen. Der Angeklagte, der spätestens jetzt erkannte, dass sich die Ehefrau des Nebenklägers nicht in dem PKW befand, setzte indes seine Fahrt fort.
5
Der Nebenkläger tätigte nun den geplanten Einkauf. Nach seiner Rückkehr zum Parkplatz des Einkaufsmarktes bemerkte er den dort abgestellten PKW des Angeklagten. Er trat an dessen Fahrzeug heran, klopfte an die Fensterscheibe und fragte den Angeklagten, der in seinem Fahrzeug saß, warum er ihn verfolge. Der Angeklagte antwortete unverständlich und der Nebenkläger kehrte zu seinem Fahrzeug zurück. Beim Verlassen des Parkplatzes winkte der Angeklagte dem Nebenkläger nunmehr zu, weshalb dieser sein Fahrzeug anhielt , wiederum an den PKW des Angeklagten herantrat und fragte, was er von ihm wolle. Der Angeklagte antwortete unverständlich, wobei nur das Wort "Arschloch" zu verstehen war. Der Nebenkläger wandte sich schließlich ab und ging ein paar Schritte in Richtung seines Fahrzeugs, wobei er dem Angeklagten den Rücken zukehrte. In diesem Moment stieg der Angeklagte schnell aus seinem Fahrzeug aus und ließ die fingerlange Klinge seines amSchlüsselbund befestigten Springmessers durch Knopfdruck hervor schnellen. Er packte mit einer Hand die linke Schulter des Nebenklägers, zog ihn zu sich herum und stach ihm wuchtig ca. vier bis fünf Zentimeter tief in den Bauch. Der Nebenkläger schlug daraufhin auf den Angeklagten ein und drückte ihn gegen dessen Auto. Während des entstehenden Gerangels versetzte der Angeklagte dem Nebenkläger eine oberflächliche Stichwunde im Nackenbereich sowie einen tiefgehenden Stich im Bereich der linken Achselhöhle, der in den Brustkorb eindrang und dort einen konkret lebensgefährlichen Pneumothorax verursachte. Da die Tochter des Nebenklägers laut nach ihrem Vater rief, ließ dieser den Angeklagten los und wandte sich seiner Tochter zu. In diesem Moment versetzte ihm der Angeklagte einen quer durch das Gesicht geführten mindestens acht Zentimeter langen Schnitt. Der Angeklagte handelte zumindest bei dem Bauchstich und dem Schnitt ins Gesicht aus Wut und dem Wunsch, den Nebenkläger für die vom ihm selbst gefühlte Unterlegenheit büßen zu lassen; nicht aber, um ihn zu töten.
6
Der Nebenkläger, der die Schwere seiner Verletzungen nicht bemerkt hatte, schlug nochmals hart auf den Angeklagten ein und entfernte sich. Er befand sich aufgrund seiner Verletzungen elf Tage in stationärer Behandlung und war anschließend rund drei Monate arbeitsunfähig. Die zickzackförmig verlaufende Schnittverletzung im Gesicht ist unter Verbleib einer deutlich sichtbaren, acht Zentimeter langen Narbe verheilt, die am linken Mundwinkel beginnt und bogenförmig nach unten zum Kieferwinkel verläuft.
7
2. Das Landgericht hat den Schuldspruch auf § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB gestützt. Es hat sich nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte auch nur mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Zwar sei das Wissenselement des bedingten Tötungsvorsatzes jedenfalls bei dem Bauchstich gegeben. In der Gesamtschau der Persönlichkeit des Angeklagten, seiner psychischen Verfassung im Tatzeitpunkt und seiner Motivation hat die Straf- kammer keinen so starken Handlungsantrieb erkennen können, der den Rückschluss auf eine Bereitschaft des Angeklagten zur Inkaufnahme schwerster Folgen erlaube.

II.

8
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist begründet.
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1. Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz abgelehnt hat, halten auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt, weiter, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Vor Annahme eines bedingten Vorsatzes müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens - als auch das Willenselement, umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen sind (BGH, Beschluss vom 1. Juni 2007 – 2StR 133/07; Urteil vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator (st. Rpsr.; vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1999 – 1 StR 26/99, NJW 1999, 2533, 2534).
11
Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt.
12
b) Diesen Anforderungen wird die landgerichtliche Entscheidung nicht gerecht. Zwar ist die Strafkammer zutreffend davon ausgegangen, dass die in den Bauch und den Brustkorb des Nebenklägers ausgeführten Messerstiche als jeweils äußerst gefährliche Gewalthandlung einen bedingten Tötungsvorsatz nahe legen. Die sich anschließende Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalls, im Rahmen derer die Strafkammer maßgeblich auf eine besondere Erregung des Angeklagten als Indiz gegen die Annahme des voluntativen Vorsatzelements abgestellt hat, bleibt indes lückenhaft , weil nicht mit konkreten Feststellungen belegt.
13
Zwar ist anerkannt, dass insbesondere bei spontanen, unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen aus dem Wissen um den möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten darauf geschlossen werden kann, dass das – selbständig neben dem Wissenselementstehende – voluntative Vorsatzelement gegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2010 – 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338 mwN; Urteil vom 17. Dezember 2009 – 4 StR 424/09,NStZ 2010, 571, 572; Urteil vom 28. Januar 2010 – 3 StR 533/09, NStZ-RR 2010, 144). Das Landgericht hat aber erkennbar nicht bedacht , dass es sich bei einem spontanen Handeln in affektiver Erregung um ein ambivalentes Beweisanzeichen handelt, das, je nachdem, wie das Tatgericht es im Einzelfall bewertet, rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen kann (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630; Urteil vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13; vgl. auch Urteil vom 24. Februar 2010 – 2 StR 577/09, NStZ-RR 2010, 214, 215). Zwar ist eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet, vom Revisionsgericht hinzunehmen. Der Tatrichter kann in einem solchen Falle nicht gehalten sein, denselben Umstand nochmals in dem anderen Beweiszusammenhang zu erwägen und damit Gefahr zu laufen, sich zu seinem anderweitig gewonnenen Ergebnis zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten in Widerspruch zu setzen (vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 20. September 2012 – 3 StR 140/12, NStZ-RR 2013, 75, 76 f. mwN; BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13). Der Tatrichter ist indes nicht davon befreit , basierend auf konkreten Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Umständen der Tat erkennen zu lassen, warum er einem ambivalenten Beweiszeichen überhaupt eine indizielle Bedeutung in eine Richtung zumisst.
14
Dem werden die Ausführungen des Landgerichts nicht gerecht, denn Auswirkungen der festgestellten besonderen Erregung auf das Willenselement des bedingten Vorsatzes werden nicht dargestellt und liegen auch nicht auf der Hand. Die Strafkammer hat insoweit lediglich ausgeführt, der Angeklagte sei wegen der Konkurrenzsituation zum Nebenkläger infolge der von ihm immer noch nicht überwundenen Liebesbeziehung "besonders erregt" gewesen; entsprechend habe er noch in der Hauptverhandlung seine ihn immer noch beherrschende , unerfüllte Liebe teils unter Tränen beklagt (UA S. 23). Inwiefern aber eine solche, ganz offenkundig dauerhaft bestehende besondere Erregung bei dem Angeklagten vorliegend überhaupt Schlüsse darauf zulässt, weshalb er trotz erkannter Lebensgefährlichkeit seines gezielt gesetzten Bauchstichs ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut haben konnte, der Nebenkläger würde nicht zu Tode kommen,lassen diese Erörterungen nicht erkennen. Dies erschließt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe.
Offen bleibt insbesondere schon der Grad seiner besonderen Erregung. In den Feststellungen findet sich insoweit einzig der Hinweis, der Angeklagte habe zumindest bei dem Stich in den Bauch und dem Schnitt ins Gesicht aus Wut und dem Wunsch, den Nebenkläger für die von ihm selbst gefühlte Unterlegenheit büßen zu lassen, gehandelt.
15
Auf der fehlerhaften Beweiswürdigung beruht der Schuldspruch. Ein Rücktritt vom – möglicherweise – versuchten Tötungsdelikt kommt nach den bisherigen Feststellungen nicht in Betracht. Voraussetzung für eine dahin gehende Beurteilung wären insbesondere nähere Feststellungen zum Rücktrittshorizont des Angeklagten, die das Landgericht – aus seiner Sicht konsequent – nicht getroffen hat.
16
2. Die Staatsanwaltschaft beanstandet darüber hinaus zu Recht, dass das Landgericht den Sachverhalt nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft hat. Angesichts des Umstands, dass im Gesicht des Nebenklägers eine deutlich sichtbare Narbe verblieben ist, die immerhin acht Zentimeter bemisst, musste sich das Gericht zur Erörterung der Frage gedrängt sehen, ob der Nebenkläger durch die Körperverletzung im Sinne von § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB in erheblicher Weise dauernd entstellt wurde. Erheblich ist eine Entstellung zwar nur dann, wenn sie zumindest dem Gewicht der geringsten Fälle nach § 226 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB gleichkommt (BGH, Beschluss vom 2. Mai 2007 – 3 StR 126/07, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 1). Dies kann jedoch im Einzelfall bei besonders großen oder markanten Narben der Fall sein (BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 – 3 StR 185/07, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 2); insbesondere aber auch bei verunstaltenden Narben im Gesicht eines Opfers (BGH, Urteil vom 8. November 1966 – 1 StR 450/66, NJW 1967, 297; Beschluss vom 11. Juli 2006 – 3 StR 183/06, NStZ 2006, 686; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 – 3 StR 185/07, NStZ 2008, 32). Ob die Qualifikation der Tat hier auf das äußere Verletzungsbild des Nebenklägers zutrifft, kann anhand der Urteilsgründe nicht nachgeprüft werden. Das Landgericht hat insoweit keine zur Charakterisierung der Narben ausreichenden Feststellungen getroffen. Auch eine Bezugnahme auf Lichtbilder gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zur Ergänzung der textlichen Tatsachenfeststellungen ist nicht erfolgt. Der neue Tatrichter wird daher diese Feststellungen nachzuholen und sodann rechtlich zu beurteilen haben, ob von einer dauernden und erheblichen Entstellung des Nebenklägers auszugehen ist.
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3. Die aufgezeigten Mängel zwingen zur Aufhebung der rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung, weil ein versuchtes Tötungsdelikt wie auch eine schwere Körperverletzung, jedenfalls soweit auch eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB vorliegt, hierzu in Tateinheit stünden.
18
Die Adhäsionsentscheidung ist von der Aufhebung auszunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96; Urteil vom 8. April 2009 – 5 StR 65/09; Meyer-Goßner, StPO 56. Aufl. § 406a Rn. 8).
Fischer Krehl Eschelbach Ott Zeng

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.