Bundesgerichtshof Urteil, 15. Aug. 2013 - 4 StR 179/13

15.08.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 179/13
vom
15. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Beleidigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. August
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 14. Dezember 2012 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte der Beleidigung in acht Fällen und des Missbrauchs von Notrufen schuldig ist.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beleidigung in neun Fällen und wegen Missbrauchs von Notrufen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es unbegründet.

I.


2
Der Senat hat das Verfahren in der Hauptverhandlung auf Antrag des Generalbundesanwalts durch Beschluss gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall 1 der Anklage 36 Js 190/12 wegen Beleidigung verurteilt worden ist. Dies führt zur entsprechenden Änderung des Schuld- spruchs und zum Wegfall der wegen dieser Tat verhängten Einzelfreiheitsstrafe von vier Monaten.
3
In dem nach der Verfahrensbeschränkung verbliebenen Umfang hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
4
Die Gesamtfreiheitsstrafe kann trotz des Wegfalls der im Fall 1 der Anklage 36 Js 190/12 verhängten Einzelstrafe bestehen bleiben. Angesichts der verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen von zweimal vier Monaten und siebenmal drei Monaten schließt der Senat aus, dass das Landgericht ohne die in dem eingestellten Fall verhängte Einzelstrafe zu einer niedrigeren Gesamtstrafe gelangt wäre.

II.


5
1. Der jetzt 59 Jahre alte Angeklagte ist mehrfach u.a. wegen sexuell motivierter Taten vorbestraft und war auch bereits in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht:
6
Am 9. März 1999 wurde der Angeklagte vom Amtsgericht W. wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Er hatte nachts an einer Bushaltestelle eine Frau mit den Worten „na, hast du heu- te schon gebumst?“ angesprochen und in den Schritt gefasst. Zwei Tage später war er auf dem Fahrrad an zwei Frauen vorbeigefahren und hatte unvermittelt einer mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen.
7
Am 30. November 2001 wurden gegen den Angeklagten vom Landgericht Bochum zwei Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und drei Monaten und von zwei Jahren verhängt sowie die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der Verurteilung lagen u.a. folgende Fälle der Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und der Beleidigung zu Grunde: Am 12. Mai 2001 gegen 23.10 Uhr war der Angeklagte am Omnibusbahnhof in W. an ein fünfzehnjähriges Mädchen herangetreten und hatte sie gefragt „soll ich dir meinen Samen in deine Unterhose tun?“. Am9. Juni 2001 gegen 1.30 Uhr nachts hatte er sich einer Frau auf einem Fahrrad auf der Bahnhofstrafe in W. genähert und sie angesprochen: „Ich habe die Vorhaut zurückgezogen , hast Du Lust?“. Als ihn die Frau aufforderte, zu verschwinden, hatte ihr der Angeklagte in die Pedale getreten, sie mit den Worten „Du alte Hure“ beschimpft und ihr mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Am selben Tag um 14.45 Uhr war er mit dem Fahrrad auf einen Schulhof gefahren und hatte sich zwei spielenden achtjährigen Mädchen genähert. Er hatte sie gefragt, ob sie beschnitten seien und ob er mal gucken solle. Als die beiden Mädchen zu einem Klettergerüst gingen, hatte er sich entfernt. Bei allen Taten war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten wegen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung , einer Störung der Sexualpräferenz und Pädophilie erheblich vermindert.
8
Die Maßregel wurde ab März 2002 in der Sozialtherapeutischen Anstalt L. vollzogen. Das Oberlandesgericht H. erklärte die Unterbringung zum 30. November 2011 aus Verhältnismäßigkeitsgründen für erledigt, der Strafrest wurde zur Bewährung ausgesetzt und es trat Führungsaufsicht ein. Zur Begründung führte das Oberlandesgericht aus, dass sich aus den Stellungnahmen der Klinik und den vorliegenden Sachverständigengutachten die Gefahr erheblicher Straftaten nicht ableiten lasse.
9
Nach der Entlassung aus dem Maßregelvollzug verbrachte der Angeklagte einen großen Teil seiner Zeit damit, durch die Stadt zu laufen und nach Mädchen und Frauen Ausschau zu halten, die ihn sexuell ansprachen. Er onanierte zwei- bis dreimal pro Woche, wobei er sich u.a. vorstellte, selbst eine Beschneidung an einem zwölf bis dreizehn Jahre alten Mädchen vorzunehmen oder ein solches Mädchen überall anzufassen und dann den Geschlechtsverkehr mit ihr auszuüben. Bei Telefonaten oder persönlichen Kontakten konfrontierte er Frauen und Mädchen mit obszönen Aussagen, um sich durch deren Demütigung und Angst zu erregen und dann zu onanieren. Der Angeklagte empfand seine annähernd täglich auftretenden Fantasien als sehr drängend, wobei er zuletzt auch den Drang verspürte, die Angesprochenen berühren zu müssen.
10
2. Der Verurteilung des Angeklagten wegen Beleidigung in acht Fällen im vorliegenden Verfahren liegen im Wesentlichen folgende Feststellungen zu Grunde:
11
Der Angeklagte rief im Zeitraum vom 20. Dezember 2011 bis zum 21. Mai 2012 in sieben Fällen bei Frauen an mit Aussagen wie: „Hattest du heu- te unten schon einen drin?“, „Ich möchte meinen Samen bei dir los werden“ oder „ich will dich ficken“. Einer Frau sagte er, dass er sie beschneiden wolle. Am 29. Mai 2012 sprach er eine Frau an einer Bushaltestelle an und fragte mehrfach „Magst Du gerne vögeln?“. Als die Frau drohte, die Polizei zu rufen, erklärte der Angeklagte, dass sie das ruhig machen solle und berührte sie anschließend gezielt an der rechten Hüfte. Bei allen Taten war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erheblich vermindert. Das Landgericht hat weitere ähnliche angeklagte Vorwürfe festgestellt. So hatte der Angeklagte u.a. bei zwei Gelegenheiten ein zehn und ein elf Jahre altes Mädchen sexuell motiviert angesprochen. Diese Fälle wurden nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
12
3. Nach dem Gutachten der Sachverständigen liegt beim Angeklagten eine kombinierte Persönlichkeitsstörung beruhend auf einer schizoiden Persönlichkeit und schweren dissozialen Auffälligkeiten sowie eine insbesondere von nicht kontrollierbaren sadistischen Neigungen geprägte sexuelle Devianz vor, welche das Ausmaß einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erreichen. Die Sachverständige stützte sich bei ihrer Diagnose maßgeblich auf die Angaben des Angeklagten im Rahmen der Exploration. Nach seinen eigenen Schilderungen habe der Angeklagte ab dem Alter von dreizehn oder vierzehn Jahren sexuelle Erregung verspürt, wenn er fremden Frauen auf das Gesäß geschlagen habe. Bei der Masturbation spiele in seinen sexuellen Fantasien die Demütigung und Angst von Frauen und Mädchen eine erhebliche Rolle. Er sei selbst erleichtert darüber, dass noch nichts Schlimmeres passiert sei. Er stelle sich seit ca. fünfzehn Jahren insbesondere vor, dass er selbst junge Mädchen beschneide , was ihn in besonderem Maße errege, sexuelle Fantasien im Zusammenhang mit Kindern habe er etwa seit dem 30. Lebensjahr. Seine sexuellen Wünsche empfinde er als sehr drängend und für ihn nicht beherrschbar.
13
Das Landgericht hat die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus bejaht. Bei der kombinierten Persönlichkeitsstörung und der sexuellen Devianz handele es sich um einen länger dauernden Zustand im Sinne des § 63 StGB. Die Persönlichkeitsstörung und die sexuelle Devianz seien sehr verfestigt. Das Krankheitsbild sei trotz der fast zehn Jahre währenden Unterbringung im Maßregelvollzug als nahezu untherapiert anzusehen. Das Krankheitsbild mache es konkret wahrscheinlich, dass der Angeklagte zukünftig erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde.
Der Angeklagte habe gegenüber der Sachverständigen geschildert, dass es ihm oftmals nicht gelinge, seine Fantasien zu unterdrücken. Dann habe es ihm zunächst genügt, Telefonanrufe mit obszönem Inhalt zu tätigen. Zuletzt habe er aber das Gefühl gehabt, er müsse jemanden berühren, eine Handlungskontrolle werde für ihn zunehmend schwerer. Er sei selbst erleichtert, dass es noch nicht zu weiter gehenden Taten als den angeklagten gekommen sei. Angesichts dessen bestehe die konkrete Gefahr, dass der Angeklagte seine Fantasien in weiter gehender Weise umsetzen werde. Es seien erhebliche Taten – gefährliche Körperverletzungen, Vergewaltigungen, sexueller Missbrauch von Kindern – konkret wahrscheinlich. Da der Angeklagte insbesondere auf Kinder zugehe, bestehe die jederzeitige Gefahr, dass er bei einem aus seiner Sicht geeigneten Opfer seine Körperverletzungs- und Missbrauchsvorstellungen umsetze.

III.


14
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten nach § 63 StGB hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die für den Angeklagten ungünstige Gefährlichkeitsprognose beruht auf einer umfassenden Gesamtwürdigung der rechtsfehlerfrei festgestellten Tatsachen und weist keinen Wertungsfehler auf.
15
Wegen der Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit und mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) rechtfertigen nur schwere Störungen des Rechtsfriedens, die zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (vgl. BGH, Urteile vom 17. August 1977 – 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248 und vom 15. August 2007 – 2 StR 309/07, NStZ 2008, 210, 212). Die Anlasstat selbst muss dabei nicht erheblich im Sinne des § 63 StGB sein. Maßgeblich ist vielmehr, welche Taten künftig von dem Täter infolge sei- nes Zustandes zu erwarten sind und ob diese erheblich im Sinne des § 63 StGB sind (vgl. BGH, Urteile vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563 und vom 11. September 2008 – 4 StR 284/08; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 63 Rn. 3). Allerdings bedarf die Gefährlichkeitsprognose einer besonders sorgfältigen Darlegung, wenn die Anlasstaten nach ihrem Gewicht dem unteren Bereich strafbaren Verhaltens zuzuordnen sind (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 – 4 StR 485/99). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung schwerer Delikte durch den Angeklagten bejaht.
16
Das sachverständig beratene Landgericht hat bei seiner Prüfung die wesentlichen prognoserelevanten Umstände bedacht. Dabei hat es zu Recht auch die Sachverhalte, die den eingestellten Taten zugrunde liegen, in seine Prüfung einbezogen, da sie rechtsfehlerfrei festgestellt worden sind.
17
Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass die Strafkammer bei der Gesamtabwägung maßgeblich auf die Schilderungen des Angeklagten abgestellt hat und davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte nach Entlassung aus dem Maßregelvollzug zunehmend von gewaltbesetzten, gegen schwache Opfer gerichteten sexuellen Fantasien bedrängt wird, seine Fähigkeit, entsprechende Handlungsantriebe zu beherrschen, stetig abnimmt und zuletzt der Drang, „jemanden zu berühren“, beim Angeklagten vorherrschend wurde. Die Schilderungen des Angeklagten korrespondieren mit der Feststellung, dass er einen Großteil seiner Zeit damit verbrachte, nach Mädchen und Frauen, die ihn sexuell ansprechen, Ausschau zu halten und bei der letzten Tat über die sexuelle Beschimpfung und Herabwürdigung hinaus auch den Körperkontakt zu dem Tatopfer suchte. Das Landgericht hat dabei nicht verkannt, dass es in der Zeit zwischen der Entlassung des Angeklagten aus dem Maßregelvollzug und sei- ner erneuten vorläufigen Unterbringung – also in etwa elf Monaten – dennoch nicht zu erheblichen Delikten gekommen ist. In Übereinstimmung mit der Sachverständigen ist es aber rechtlich beanstandungsfrei vor dem Hintergrund der drängenden Gewaltfantasien des Angeklagten und der Umstände der letzten Tat nachvollziehbar zu der Überzeugung gelangt, dass bei ihm ein vollständiger Zusammenbruch der Impuls- und Handlungskontrolle jederzeit möglich und deshalb damit zu rechnen ist, dass der Angeklagte erhebliche Gewaltdelikte, insbesondere (gefährliche) Körperverletzungen, Vergewaltigungen und sexuelle Missbrauchstaten, mithin erhebliche Taten im Sinne des § 63 StGB begehen wird.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 15. Aug. 2013 - 4 StR 179/13

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 15. Aug. 2013 - 4 StR 179/13

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 62 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit


Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.
Bundesgerichtshof Urteil, 15. Aug. 2013 - 4 StR 179/13 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


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Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Aug. 2013 - 4 StR 179/13 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

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Referenzen

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 309/07
vom
15. August 2007
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. August
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode,
Prof. Dr. Fischer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 2. Februar 2007 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat es im Sicherungsverfahren abgelehnt, die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.
2
Die Ablehnung der Unterbringungsanordnung hält der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Begründung der für den Beschuldigten günstigen Gefährlichkeitsprognose enthält einen Wertungsfehler und die Gesamtwürdigung der Vor- und Anlasstaten lässt einen wesentlichen Tatumstand außer Betracht.
3
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen festgestellt:
4
a) Der Beschuldigte neigt aufgrund seiner psychischen Erkrankung zur Distanzlosigkeit und überschreitet allgemein anerkannte soziale Grenzen. Es kommt immer wieder zu Belästigungen seines sozialen Umfelds, wofür der Be- schuldigte insbesondere unter türkisch-stämmigen Bewohnern weithin bekannt ist. Seine Umgebung weiß vielfach mit den krankheitsbedingten Besonderheiten des Beschuldigten und den sich hieraus ergebenden irrationalen Verhaltensmustern umzugehen. Aufgrund der Nichteinhaltung der ärztlich verordneten Medikation, teilweise verstärkt durch Alkoholgenuss, kam es von Herbst 2005 bis August 2006 zu folgenden Vorfällen: - In einem Waschsalon nahm der Beschuldigte fremde Wäsche aus einem Trockner mit und warf sie weg (Fall 1). - In 15 Fällen missachtete er das Hausverbot in einer Spielothek und in sechs Fällen in einem Einkaufscenter; dabei entleerte er in einem Fall einen Feuerlöscher in die Spielothek, in einem weiteren Fall wurde er von der Aufsicht zum Verlassen der Spielothek aufgefordert. Daraufhin erhob er die Faust und holte zu einem Faustschlag in Richtung der Aufsicht aus. Ein anwesender Zeuge konnte den Arm des Beschuldigten festhalten, so dass die Aufsicht nicht getroffen wurde (Fälle 2, 7-26). - In einer Gaststätte wollte sich der Beschuldigte 50 Euro leihen. Als der Gastwirt dies verweigerte, zog der Beschuldigte beim Hinausgehen aus Verärgerung den Türschlüssel ab und warf ihn auf die Straße. Der Gastwirt ging davon aus, der Beschuldigte habe den Schlüssel mitgenommen , verfolgte ihn mit einem Begleiter und forderte lautstark die Rückgabe seines Schlüssels. Der Beschuldigte beteuerte zutreffend, er habe den Schlüssel nicht. Auf die nachdrückliche Forderung, den Schlüssel herauszugeben, reagierte der Beschuldigte ebenfalls laut und verbal aggressiv. Er fühlte sich in die Enge getrieben, zog ein Messer heraus und rief in Richtung des Gastwirts auf Türkisch: "Lass mich in Ruhe, ich bringe dich um, ich habe deinen Schlüssel nicht gestohlen." Daraufhin ließ der Gastwirt von dem Beschuldigten ab und ließ die Polizei verständigen (Fall 3). - In einer Bäckerei begann der Beschuldigte, Kunden anzupöbeln. Als ihn die Verkäuferin aus dem Laden wies, beschimpfte er sie als "Arschloch" , "Schlampe", "Hure". Als die Verkäuferin ihm ausdrücklich Ladenverbot erteilte, setzte er seine Verbalattacken fort. Auf die erneute Mahnung, den Laden zu verlassen, rammte er sein Knie in Richtung des Unterleibs der Verkäuferin. Diese drehte sich jedoch von dem Beschuldigten weg, so dass er lediglich ihren Oberschenkel schmerzhaft traf. Weitere Verletzungen entstanden nicht (Fall 4). - In zwei Fällen setzte der Beschuldigte einen nicht begründeten Notruf ab und bestellte einen Krankenwagen zu seiner Wohnung (Fälle 5 und

6).

5
b) Nach der Beurteilung des sachverständig beratenen Landgerichts war der Beschuldigte bei Begehung der Taten wegen einer krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB unfähig, das Unerlaubte seiner Taten einzusehen. Seit seiner Einreise in die Bundesrepublik im Jahre 1992 bis zum Jahre 2006 wurde der Beschuldigte wegen seiner Erkrankung in 29 Fällen stationär in psychiatrischen Kliniken behandelt. Er leidet an einer seit 20 Jahren bestehenden und dokumentierten schizoaffektiven Störung, wobei es sich um eine episodische Störung handelt, bei der affektive und schizophrene Symptome gleichzeitig vorhanden sind. Im Vordergrund der Symptomatik stehen eine immer wieder auftretende Gereiztheit mit aggressivem Verhalten. Die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten war im Rahmen der bei ihm für die Tatzeiten festgestellten manischen Symptomatik vollständig aufgehoben.
6
c) Die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat das Landgericht abgelehnt, weil die Gesamtwürdigung des Beschuldigten und seiner Taten nicht ergebe, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seien zwar weitere Taten zu erwarten, die in ihrer Qualität den festgestellten Anlasstaten entsprechen. In ihrer konkreten Begehungsform erreichten diese Taten jedoch nicht den Bereich der mittleren Kriminalität. Aus den Anlasstaten ergebe sich, dass von dem Beschuldigten lediglich Taten zu erwarten seien, die dem unteren Bereich der Kriminalität zuzuordnen seien. Das gelte nicht nur für die Fälle der Beleidigung, des Hausfriedensbruchs , der Sachbeschädigung und des Missbrauchs von Notrufen, sondern auch für die vom Landgericht näher erörterten Vorfälle 3, 4 und 26. Diese Vorfälle belegten zwar eine Gefahr, insbesondere für die körperliche Unversehrtheit der Geschädigten. Der Grad der Gefährdung stelle sich bei dem konkreten Tatmuster des Beschuldigten aber als nicht erheblich dar. Beraten durch den psychiatrischen Sachverständigen gehe die Kammer nicht davon aus, dass eine weitergehende Eskalation der Gewalt in diesen drei Fällen ernsthaft drohte oder in zukünftigen Fällen zu erwarten wäre. Das gelte auch für den Fall der Todesdrohung unter Vorhalt eines Messers im Fall 3. Insbesondere aus dem Nachtatverhalten ergebe sich, dass die Todesdrohung, die von den Tatopfern ohnehin nicht ernst genommen worden sei, aus der Sicht des Beschuldigten zu keinem Zeitpunkt in die Tat umgesetzt werden sollte. Der in die Enge getriebene Beschuldigte habe sich lediglich seinen Verfolgern kurzfristig entziehen wollen. Die Drohung sei daher als defensiver Akt nicht darauf angelegt gewesen, in eine Verletzungshandlung zu münden.
7
Die Strafkammer und auch der Sachverständige könnten zwar nicht ausschließen , dass künftig eine von den Beschuldigten herbeigeführte Situation soweit eskaliere, dass es zur Begehung auch schwererer Delikte komme. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erfordere jedoch eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades und nicht nur die einfache Möglichkeit schwerer Taten. Auch unter Berücksichtigung der strafrechtlichen Vorbelastungen sei eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende Wahrscheinlichkeit schwerer Taten nicht festzustellen.
8
2. Das Landgericht hat das Gewicht der von dem Beschuldigten zu erwartenden neuen Taten fehlerhaft gewichtet.
9
Die Strafkammer geht zwar zunächst zutreffend davon aus, dass wegen der Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit und mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) nur schwere Störungen des Rechtsfriedens, die zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen , eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigen (vgl. u. a. BVerfGE 70, 297, 312; BGHSt 27, 246; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 8, 9, 11, 27; BGH StV 2006, 579; NStZ 1995, 228; NStZ-RR 2006, 203).
10
Die vom Landgericht vorgenommene Gesamtwürdigung, dass die festgestellten Anlasstaten des Beschuldigten in ihrer konkreten Begehungsform nicht in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, trifft jedoch nicht zu. Die festgestellten Anlass- und Vortaten gehen vielmehr in erheblichem Umfang deutlich über bloße Belästigungen der Allgemeinheit oder Bagatelltaten hinaus. Das gilt bei den festgestellten Anlasstaten jedenfalls für den Faustschlag gegen eine Spielhallenaufsicht, den bedrohenden Einsatz eines Messers gegen den Gastwirt und den Kniestoß in Richtung auf den Unterleib der Verkäuferin in einer Bäckerei. Soweit das Landgericht versucht, das Gewicht der Anlasstat im Fall 3 durch die Annahme zu relativieren, die Drohung mit dem Messer stelle sich nur als defensiver Akt dar, der keineswegs darauf angelegt gewesen sei, in eine Verletzungshandlung zu münden, fehlt es an einer tragfä- higen Beweisgrundlage. Nichts anderes gilt für die Vorfälle 4 und 26 vom 8. März und 13. August 2006. Hier bleibt offen, worauf das Landgericht seine Annahme stützt, dass diese Attacken nicht auf den Einsatz weiter gehender Gewalt angelegt gewesen seien.
11
Bei den Vortaten, derentwegen der Beschuldigte bestraft wurde, ist der Vorfall vom 27. September 2004 von Gewicht, bei dem der Beschuldigte eine Spielhallenaufsicht, die ein bestehendes Hausverbot durchsetzen wollte, mit beiden Händen am Hals packte und derart heftig würgte, dass ihr Atemnot, Schmerzen und zwei Tage anhaltende Schluckbeschwerden verursacht wurden. Nicht mehr zu den bloßen Belästigungen der Allgemeinheit gehört auch der Vorfall im Jahr 2003, bei dem der Beschuldigte einer Frau im Streit um geschenkte Ohrringe mehrere Faustschläge versetzte, die zu schmerzhaften Prellungen an Rücken und Hinterkopf sowie zu Schürfwunden am Arm führten. Wegen dieser Vorfälle wurden im Strafbefehlsverfahren zwar lediglich Geldstrafen von 120 bzw. 30 Tagessätzen verhängt. Die mäßige Höhe dieser Strafen beruht jedoch darauf, dass in beiden Fällen von einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Beschuldigten bei der Tatbegehung ausgegangen wurde, so dass hieraus nicht auf den Bagatellcharakter der zu Grunde liegenden Taten geschlossen werden kann.
12
In Übereinstimmung mit dem gehörten Sachverständigen geht das Landgericht davon aus, dass von dem Beschuldigten krankheitsbedingt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weitere Taten zu erwarten sind, die in ihrer Qualität den bereits festgestellten Taten entsprechen. Dies bedeutet aber, dass von dem Beschuldigten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne von § 63 StGB zu erwarten sind.
13
Bedenken begegnet im Übrigen auch die prognostische Differenzierung, dass zwar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weitere Taten vom Gewicht der Anlasstaten zu erwarten seien, sich jedoch keine über die bloße Möglichkeit hinausgehende Wahrscheinlichkeit schwerer Taten feststellen lasse. Insoweit beruft sich das Landgericht zwar auf die Beurteilung des psychiatrischen Sachverständigen. Bei der Gesamtwürdigung der konkreten Tatumstände bei den Anlasstaten wird jedoch nicht berücksichtigt, dass es jeweils dem besonnenen Verhalten der Tatbetroffenen, denen die Verhaltensweisen des Beschuldigten vertraut waren, zu verdanken war, dass es nicht zu einer weiteren Eskalation des Tatgeschehens kam. Letztlich hing es deshalb nicht von dem Verhalten des Beschuldigten, sondern von dem der Betroffenen und damit vom Zufall ab, ob die Tatsituationen eskalierten. Zudem darf bei der Gefährlichkeitsprognose nicht außer Betracht bleiben, dass von den irrationalen Verhaltensmustern des Beschuldigten nicht notwendigerweise nur solche Personen betroffen sind, die zum näheren Umfeld der Mitbewohner des Beschuldigten gehören, bei denen er mit seinen irrationalen Verhaltensweisen bekannt ist. VRi'inBGH Dr. Rissing-van Saan Bode Fischer ist durch Urlaub an der Unterschrift gehindert. Bode Roggenbuck Appl

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 140/08
vom
12. Juni 2008
in dem Strafverfahren/Sicherungsverfahren
gegen
wegen Bedrohung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Juni 2008,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 19. Oktober 2007 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es den im Sicherungsverfahren gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft, die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, abgelehnt und im Strafverfahren von der Anordnung der Maßregel abgesehen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat nach Verbindung zweier Strafverfahren und eines Sicherungsverfahrens gegen den Angeklagten bzw. Beschuldigten (im Folgenden : Beschuldigten) sowohl im Strafverfahren als auch im Sicherungsverfahren verhandelt. Es hat den Beschuldigten von den mit den Anklageschriften vom 16. Juni 2006 und 18. August 2006 erhobenen Vorwürfen, soweit es die Vorwürfe der Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung und einer weiteren Beleidigung zum Nachteil des Zeugen S. betrifft, wegen Schuldunfähigkeit, im Übrigen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen und den im Sicherungs- verfahren gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Mit ihrer zu Ungunsten des Beschuldigten eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Sie wendet sich dagegen, dass das Landgericht die Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB abgelehnt hat. Ferner beanstandet sie, dass eine Entscheidung über die Einziehung der bei dem Angeklagten sichergestellten, die rechtswidrige Tat nach § 52 Abs. 2 Nr. 8 WaffG betreffenden Gegenstände unterblieben ist.

I.


2
1. Nach den Feststellungen leidet der nunmehr 43 Jahre alte Beschuldigte an einer erstmals im Jahr 1990 diagnostizierten chronischen Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie. Im selben Jahr unternahm er einen Suizidversuch , bei dem er sich die Pulsadern öffnete und seine Wohnung in Brand steckte. Mit Ordnungsverfügung des Polizeipräsidenten Köln vom 10. Oktober 1990 wurde ihm die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen und Munition untersagt. Das Ermittlungsverfahren wegen schwerer Brandstiftung wurde im Dezember 1990 von der Staatsanwaltschaft Köln wegen Schuldunfähigkeit des Beschuldigten eingestellt. Nach einem weiteren Suizidversuch im Jahre 1997, den er ebenso wie den vorangegangenen unternommen hatte, weil er glaubte, er solle ermordet werden, ließ sich der Beschuldigte freiwillig 19 Monate lang in einem psychiatrischen Krankenhaus behandeln und wurde danach weiter ambulant psychiatrisch behandelt. Die über mehrere Jahre eingenommenen Medikamente setzte der Beschuldigte ab und nahm seitdem lediglich das Medikament Diazepam.
3
Zu den dem Beschuldigten zur Last gelegten Taten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
4
a) Anklageschrift vom 16. Juni 2006:
5
Am 27. November 2005 kam es in dem Mietshaus in Gelsenkirchen, in dem auch der Beschuldigte wohnte, zu folgenden Vorfällen:
6
Als der Zeuge S. , nachdem er einen dumpfen Knall gehört hatte , die Wohnungstür öffnete, stand der Beschuldigte, der einen Baseballschläger in der Hand hielt, im Flur und sagte: "Wir müssen was klären". Der Zeuge schloss die Wohnungstür und informierte die Polizei. Danach klopfte der Beschuldigte an die Tür der Wohnung des Zeugen P. . Als dieser die Tür öffnete , schlug der Beschuldigte mit seinem Baseballschläger in die eigene Handfläche und sagte: "Jetzt ist es soweit. Komm' raus!" Der Zeuge P. fürchtete, geschlagen zu werden und schloss die Tür. Als der Zeuge S. die inzwischen erschienenen Polizeibeamten in seine Wohnung einließ, kam der Beschuldigte hinzu, beleidigte den Zeugen und rief ihm zu: "Wenn ich in den Knast komme, mach' ich Euch beide kalt!"
7
b) Anklageschrift vom 18. August 2006:
8
Am 17. Juli 2006 belegte der Beschuldigte den Zeugen S. im Treppenhaus des vorgenannten Mietshauses erneut mit üblen Schimpfworten. Dabei hielt er ein Klappmesser in der Hand. Der Zeuge S. zog aus Angst vor Übergriffen des Beschuldigten in eine andere Wohnung um.
9
c) Antragsschrift vom 5. Juni 2007:
10
Am 23. Februar 2007 kam es gegen Abend zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Beschuldigten und anderen Mitbewohnern des Mietshauses, in deren Verlauf der Beschuldigte schließlich aus seiner Wohnung ein etwa 50 cm langes Messer holte und mit dem Messer in der Hand durch den Flur zu der Wohnung der Zeugin A. lief, was bei der Zeugin panische Angst auslöste. Unter welchen Umständen der Beschuldigte dann wieder in seine Wohnung gelangte , hat das Landgericht nicht aufzuklären vermocht. Der Zeuge W. hielt die Tür der Wohnung des Beschuldigten bis zum Eintreffen der von einem Mitbewohner alarmierten Polizeibeamten zu. Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten wurden neben zahlreichen Messern u.a. ein Bogen mit Köcher und sechs gespitzten Pfeilen, ein Baseballschläger, ein Tomahawk, sieben Bajonette, verschiedene Bauteile, Magazine und „Munitionsteile“ für das G 3, ein mit einem "F" im Fünfeck gekennzeichnetes Luftgewehr , sieben Handgranaten ohne Zünder und eine Mörsergranate sichergestellt.
11
2. Das Landgericht hat hinsichtlich der Vorfälle am 27. November 2005 eine rechtswidrige Tat gemäß §§ 185, 241 Abs. 1, 52 StGB bejaht und die Äußerungen des Beschuldigten gegenüber dem Zeugen S. am 17. Juli 2006 als rechtswidrige Tat im Sinne des § 185 StGB gewertet. Hinsichtlich der dem Beschuldigten mit der Antragsschrift vom 5. Juni 2007 im Sicherungsverfahren zur Last gelegten Taten hat das Landgericht lediglich eine von dem Beschuldigten durch die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über das bei ihm sichergestellte Luftgewehr und "diverse Munitions- und Schusswaffenteile" entgegen der Ordnungsverfügung des Polizeipräsidenten Köln begangene rechtswidrige Tat im Sinne des § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG als erwiesen angesehen. Dagegen habe die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass der Beschuldigte im Verlauf der Auseinandersetzung am 23. Februar die ihm ferner zur Last gelegten beiden Bedrohungen , eine vorsätzliche Körperverletzung sowie eine versuchte gefährliche Körperverletzung begangen habe.
12
Das sachverständig beratene Landgericht hat hinsichtlich der festgestellten rechtwidrigen Taten die Schuldfähigkeit des Beschuldigten verneint, weil eine krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB zu allen Tatzeitpunkten mit Sicherheit zum Ausschluss der Einsichtsfähigkeit geführt habe. Die Hauptsymptome der chronischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis , an der der Beschuldigte leide, bestünden in formalen und inhaltlichen Denkstörungen, die sich in zerfahrenen Gedankenabläufen bzw. Wahnvorstellungen und Verfolgungs-, Beeinträchtigungs- und Beziehungsideen äußerten. Das Wahnerleben des Beschuldigten beziehe sich auf dessen gesamtes personelles Umfeld, das ihn nach seiner Wahrnehmung ständig bedrohe, bespitzele und beleidige. Damit einher gehe eine affektive Störung, die sich in erhöhter Reizbarkeit, gesteigertem Antrieb und verminderter Impulskontrolle äußere.
13
Die Voraussetzungen des § 63 StGB für eine Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat das Landgericht verneint , weil die hierfür erforderliche erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung erheblicher Straftaten aus dem mittleren Kriminalitätsbereich nicht erkennbar sei. Die zur Anklage gebrachten Taten seien "von vornherein nicht von einem derartigen kriminellen Gewicht" gewesen. Die festgestellten rechtswidrigen Taten zum Nachteil des Zeugen S. genügten ebenso wenig wie der Verstoß gegen § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG für die Annahme einer erhöhten Wahrscheinlichkeit der Begehung künftiger erheblicher Straftaten. Zwar bestehe eine erhebliche Wahrscheinlichkeit künftigen strafrechtlich relevanten Verhaltens des Beschuldigten. Diese erhöhte Wahrscheinlichkeit sei aber auf die Begehung gleichartiger Straftaten wie Beleidigungen und Bedrohungen beschränkt, was für die Anordnung der Maßregel nicht ausreiche. Eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung erheblicher Straftaten, etwa von Körperverletzungsdelikten, sei dagegen nicht anzunehmen. Soweit der Beschuldigte ausweislich des Bundeszentralregisterauszuges im Jahre 2003 wegen einer im Jahre 2001 begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden sei, sei zu berücksichtigen, dass diese Tat bereits eine erhebliche Zeitspanne zurückliege. Die schwere Brandstiftung im Zusammenhang mit dem Suizidversuch im Jahre 1990 habe der Beschuldigte zudem in einer Ausnahmesituation begangen. Soweit es die rechtswidrige Tat nach § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG betreffe, bestehe "derzeit" keine erhöhte Wahrscheinlichkeit weiterer vergleichbarer Taten des Beschuldigten, weil sämtliche erlaubnispflichtigen oder auf Grund der Verfügung des Polizeipräsidenten Köln verbotenen Waffen „eingezogen“ worden seien.

II.


14
Die Staatsanwaltschaft hat den Freispruch des Beschuldigten von den ihm in den hinzu verbundenen Strafverfahren zur Last gelegten Taten von dem Revisionsangriff ausgenommen. Diese Beschränkung des Rechtsmittels ist zulässig (vgl. BGH NStZ 1995, 609, 610; Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 318 Rdn. 24; Frisch in SK-StPO § 344 Rdn. 21, jew. m.w.N.).
15
Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das Landgericht den im Sicherungsverfahren gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft, die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, abgelehnt und im Strafverfahren von der Anordnung der Maßregel abgesehen hat. Im Übrigen ist sie unbegründet.
16
1. Die Nichtanordnung der Unterbringung des Beschuldigten nach § 63 StGB wegen der im Strafverfahren festgestellten rechtswidrigen Taten zum Nachteil des Zeugen S. und der im Sicherungsverfahren festgestellten rechtswidrigen Tat nach § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die der für den Beschuldigten günstigen Gefährlichkeitsprognose zugrunde liegende Gesamtwürdigung weist Wertungsfehler auf. Sie ist zudem lückenhaft und lässt deshalb die gebotene umfassende revisionsrechtliche Überprüfung der Würdigung der Persönlichkeit des Beschuldigten und der Taten nicht zu.
17
a) Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass wegen der Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit und mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) nur schwere Störungen des Rechtsfriedens , die zumindest in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigen (vgl. BGHSt 27, 246, 248; BGH NStZ 2008, 210, 212 m.w.N.). Die Annahme des Landgerichts , die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte künftig rechtswidrige Taten wie die festgestellten Anlasstaten zum Nachteil des Zeugen S. im Sinne der §§ 185 und 241 StGB begehen werde, vermöge seine Unterbringung nach § 63 StGB nicht zu rechtfertigen, weil die festgestellten Anlasstaten nicht in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichten, lässt zwar entgegen der Auffassung der Revision nicht besorgen, dass das Landgericht verkannt haben könnte, dass die Anlasstat selbst grundsätzlich nicht erheblich im Sinne des § 63 StGB sein muss (vgl. Fischer StGB 55. Aufl. § 63 Rdn. 3). Vielmehr hat das Landgericht trotz der Verneinung der Erheblichkeit dieser Anlasstaten auch geprüft, ob eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung schwerer Delikte gegeben ist, und dies verneint (UA S. 22). Durchgreifenden Bedenken begegnet aber die Gewichtung der festgestellten Bedrohung und damit auch der zu erwartenden gleichartigen Taten des Beschuldigten als nicht erheblich im Sinne des § 63 StGB.
18
Ergibt sich die Erheblichkeit drohender Taten nicht aus dem Delikt selbst, wie etwa bei Verbrechen, kommt es auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an, da das Gesetz keine Beschränkung auf bestimmte Tatbestände vorgenommen hat (vgl. BGH NStZ 1995, 228; BGH, Beschluss vom 3. April 2008 – 1 StR 153/08 - Rdn. 14). Das bedeutet, dass auch Bedrohungen im Sinne des § 241 StGB nicht von vornherein als unerheblich im Sinne des § 63 StGB angesehen werden können. Todesdrohungen, die geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen, stellen eine schwerwiegende Störung des Rechtsfriedens dar und sind nicht bloße Belästigungen. Schon im Hinblick auf das Gewicht eines Eingriffs gemäß § 63 StGB ist jedoch erforderlich, dass die Bedrohung in ihrer konkreten Ausgestaltung aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trägt (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2008 – 1 StR 153/08 - Rdn. 11). Es hätte deshalb der Erörterung bedurft, ob die Bedrohung des Zeugen S. aus dessen Sicht die Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trug. Dies liegt nach den Feststellungen nahe, denn der Bedrohung und Beleidigung des Zeugen war vorausgegangen, dass der Beschuldigte den Zeugen mit einem Baseballschläger aufgesucht und damit ein erhebliches Drohpotential aufgebaut hatte, was den Zeugen veranlasst hatte, sofort die Wohnungstür zu schließen und die Polizei zu informieren.
19
b) Soweit der Beschuldigte die tatsächliche Gewalt über die bei ihm sichergestellten Gegenstände ausgeübt hat, hat das Landgericht verkannt, dass er damit nach den bisherigen Feststellungen, jedenfalls soweit es die sichergestellten Magazine und „Munitionsteile“ für das G 3, die Mörsergranate und - möglicherweise - die Handgranaten ohne Zünder betrifft (vgl. Anlage zu § 1 Abs. 1 KWKG Nr. 29 c, 46, 49, 50), auch den Verbrechenstatbestand des § 22 a Abs. 1 Nr. 6 a KWKG und damit eine schon vom Deliktstyp her im Sinne des § 63 StGB erhebliche Tat verwirklicht haben könnte. Hierzu hätte es näherer Feststellungen zur Beschaffenheit der vorgenannten Gegenstände bedurft. Selbst wenn diese tatsächlich, etwa im Wege der außergerichtlichen Einziehung , eingezogen worden sein sollten, spräche dies entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht entscheidend gegen die Gefährlichkeit des Beschuldigten , weil dieser, womit sich das Landgericht hätte auseinandersetzen müssen, nach den Feststellungen ein „besonderes Interesse an Waffen aller Art“ hat. Es liegt daher nicht fern, dass er sich erneut solche beschaffen kann und wird.
20
c) Zudem fehlt eine Gesamtschau der konkreten Tatumstände der rechtswidrigen Taten zum Nachteil des Zeugen S. , die ebenfalls für die Gefährlichkeit des Beschuldigten sprechen können, wie das Mitführen eines Baseballschlägers oder eines Messers. Ebenso hätte in die Gesamtschau einbezogen werden müssen, dass der Beschuldigte, wie das Herbeiholen eines 50 cm langen Messers im Verlauf der – nicht ausgeurteilten - Auseinandersetzung am 23. Februar 2007 belegt, aufgrund seines Zustandes dazu neigt, sich mit einem Messer oder anderen gefährlichen Werkzeugen zu bewaffnen. Dies kann vor dem Hintergrund der krankheitsbedingt verminderten Impulskontrolle und erhöhten Reizbarkeit dafür sprechen, dass künftig auch mit Aggressionsdelikten des Beschuldigten zu rechnen ist, zumal die Erkrankung des Beschuldigten nach den Ausführungen des Sachverständigen mangels fachpsychiatrischer und medikamentöser Behandlung einen progredienten, chronischen Verlauf nimmt.
21
Soweit das Landgericht den früheren Taten des Beschuldigten wegen des Zeitablaufs keine indizielle Bedeutung beigemessen hat, hätte es gleichwohl der Mitteilung der Hintergründe dieser Taten bedurft, weil auch länger zurückliegende Taten eine, wenn auch eingeschränkte indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose haben können. Dies gilt namentlich für die gefährliche Körperverletzung vom 1. November 2001, aber auch für die nach Auffassung des Landgerichts in einer „Ausnahmesituation“ im Jahre 1990 begangene schwere Brandstiftung, bei deren Begehung der Beschuldigte schuldunfähig gewesen ist. Der Mitteilung bedurft hätten auch die Gründe der auf § 40 WaffG gestützten Untersagungsverfügung. Unter den hier gegebenen Umständen hätte es schließlich näherer Darlegung des vom Sachverständigen in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens bedurft, zumal nach den Urteilsausführungen unklar bleibt, zu welcher Einschätzung der Gefährlichkeit des Beschuldigten der Sachverständige in der Hauptverhandlung gelangt ist.
22
2. Soweit die Revision beanstandet, dass eine Entscheidung über die Einziehung der das Waffendelikt betreffenden sichergestellten Gegenstände unterblieben ist, lässt sie außer acht, dass im Sicherungsverfahren nur Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordnet werden dürfen. Einziehungsentscheidungen als sonstige Maßnahmen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB kommen bei schuldunfähigen Tätern allein im selbständigen Einziehungsverfahren in Betracht (§ 440 StPO). Der danach erforderliche gesonderte Antrag (§ 440 Abs. 1 StPO) ist hier nicht gestellt worden, so dass es für eine Einziehung an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2003 - 3 StR 405/03).

III.


23
Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils, soweit dieses angefochten ist. Die infolge der wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels eingetretene Rechtskraft des Freispruchs bewirkt nur, dass der Beschuldigte vor einer Bestrafung wegen der Taten, die Gegenstand des Strafverfahrens sind, geschützt ist. Auch hinsichtlich dieser Taten muss der neue Tatrichter ebenso wie zu den Taten, die Gegenstand des Sicherungsverfahrens sind, als Grundlage für eine etwaige Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus eigene Feststellungen zum objektiven und zum subjektiven Tatbestand sowie zur Schuldfähigkeit treffen.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 284/08
vom
11. September 2008
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter sexueller Nötigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. September 2008, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Dr. Ernemann,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 27. Februar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen versuchter sexueller Nötigung verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgesehen worden ist.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und wegen versuchter sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstra- fe von einem Jahr verurteilt. Ferner hat es gegen ihn ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt und bestimmt, dass ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf.
2
Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer wirksam beschränkten Revision dagegen, dass das Landgericht die Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB abgelehnt hat.

I.


3
Der 64 Jahre alte Angeklagte ist mehrfach vorbestraft, u.a. wegen Körperverletzung , exhibitionistischer Handlungen, Erregung öffentlichen Ärgernisses und wegen Beleidigung. Am 22. Juni 2005 verurteilte ihn das Amtsgericht Bayreuth wegen fahrlässigen Vollrausches, gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung in vier rechtlich zusammentreffenden Fällen und wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten und ordnete seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Diese Strafe verbüßte der Angeklagte, nachdem die angeordnete Maßregel für erledigt erklärt worden war, bis zum 3. April 2007. Nach jahrelangem intensiven Alkoholmissbrauch leidet der Angeklagte an einer „Alkoholabhängigkeitserkrankung“, die zu einer „organischen Persönlichkeitsstörung“ geführt hat.
4
Der Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten liegen im Wesentlichen folgende Feststellungen zu Grunde:
5
Der erheblich alkoholisierte Angeklagte hielt sich am 17. September 2007 gegen 16.30 Uhr in der Fußgängerzone in Bayreuth auf und traf dort auf die am 9. Oktober 1993 geborene Jasmin L. und ihre etwa gleichaltrigen Freundinnen Denise D. und Juliane F. . Er belästigte die Mädchen mit obszönen, sexualbezogenen Äußerungen. Die Mädchen entfernten sich und gingen zu einem nahe gelegenen Brunnen. Der Angeklagte folgte ihnen und stellte sich vor Jasmin L. , die sich auf den Brunnenrand gesetzt hatte. Er erklärte ihr, er könne mehrmals am Tage Sex haben und forderte die Mädchen auf, gegen 23.00 Uhr zu ihm nach Hause zu kommen. Dort könne man eine "Sex-Party" veranstalten. Der Angeklagte legte seine Hände auf die Oberseite der Oberschenkel des Mädchens, das eine Hose trug, und streichelte die Oberschenkel. Als Jasmin L. ihre Oberschenkel zusammenpresste und aufzustehen versuchte, hielt der Angeklagte sie fest, um die Innenseiten der Oberschenkel und den Genitalbereich des Mädchens über der Kleidung zu „begrapschen“. Denise D. und Juliane Feige zerrten Jasmin L. vom Angeklagten gegen dessen Widerstand weg. Die dem Angeklagten um 18.30 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,83 ‰.
6
Das Landgericht hat eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes verneint, weil dieser nicht habe erkennen können, dass Jasmin L. noch nicht 14 Jahre alt war, und hat den Angeklagten der versuchten sexuellen Nötigung schuldig gesprochen. Es hat einen strafbefreienden Rücktritt verneint, weil der Angeklagte sein Vorhaben wegen des Eingreifens der Freundinnen des Tatopfers nicht habe zu Ende führen können.
7
Das Landgericht hat einen minder schweren Fall im Sinne des § 177 Abs. 5 StGB u.a. deshalb bejaht, weil die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten wegen seiner organischen Persönlichkeitsstörung als Folge seiner Alkoholab- hängigkeitserkrankung erheblich vermindert gewesen sei. Es hat ferner von der Milderungsmöglichkeit gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht. Die Zubilligung der Versuchsmilderung sei vertretbar, auch wenn dem Angeklagten die weitere Tatausführung durch das Eingreifen der Freundinnen des Tatopfers unmöglich geworden sei. „Immerhin“ habe „der Angeklagte freiwillig von weiteren – auch verbalen – Zudringlichkeiten abgesehen“ .
8
Die Voraussetzungen des § 64 StGB für eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat das sachverständig beratene Landgericht verneint, weil eine weitere Therapie des Angeklagten "keinerlei" Erfolgsaussichten habe. Auch eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB komme nicht in Betracht. Zwar liege bei dem Angeklagten eine organische Persönlichkeitsstörung im Sinne eines überdauernden Zustandes vor. Die Anlasstat und die den Vorverurteilungen zu Grunde liegenden Taten rechtfertigen nach Auffassung des Landgerichts jedoch nicht die Annahme, dass von dem Angeklagten infolge seines Zustandes weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind.

II.


9
Revision des Angeklagten:
10
Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung seiner Verurteilung wegen versuchter sexueller Nötigung und zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
11
Die Verurteilung wegen versuchter sexueller Nötigung hat keinen Bestand.
12
Durch die bisherigen Feststellungen ist zwar noch hinreichend belegt, dass der Angeklagte das Tatopfer zur Duldung intensiver, länger dauernder Berührungen der Innenseite seiner Oberschenkel und seines Genitalbereichs nötigen wollte. Solche Handlungen sind unter Berücksichtigung des hier gegebenen Handlungsrahmens (vgl. dazu BGH NStZ-RR 1999, 357), insbesondere der Äußerungen des Angeklagten gegenüber dem Tatopfer und dessen Freundinnen , als sexuelle Handlungen im Sinne des § 184 f Nr. 1 StGB zu werten.
13
Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet aber die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts des Angeklagten vom (unbeendeten) Versuch der sexuellen Nötigung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB. Ein solcher Rücktritt durch freiwilliges Aufgeben der weiteren Ausführung der Tat ist ausgeschlossen , wenn der Versuch fehlgeschlagen ist (vgl. BGHSt 39, 221, 228 m. w. N.). Ein fehlgeschlagener Versuch liegt jedoch dann nicht vor, wenn der Täter die Tat, wie er weiß, mit den bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden einsatzbereiten Mitteln ohne zeitliche Zäsur noch vollenden kann (st. Rspr.; BGHSt 34, 53, 56; 35, 90, 94; 39, 221, 228). Dies hat das Landgericht nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Denn die Urteilsausführungen zur Rücktrittsfrage weisen einen auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht aufzulösenden Widerspruch auf. Das Landgericht hat nämlich dem Angeklagten, obwohl es einen freiwilligen Rücktritt verneint hat, bei der Strafrahmenwahl gleichwohl zugute gehalten, „immerhin“ habe er „freiwillig von weiteren – auch verbalen – Zudringlichkeiten“ abgesehen.
14
Die danach gebotene Aufhebung der Verurteilung wegen versuchter sexueller Nötigung zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

III.


15
Revision der Staatsanwaltschaft:
16
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
17
Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus. Denn die Würdigung, auf die das Landgericht die für den Angeklagten günstige Gefährlichkeitsprognose stützt, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft und lässt deshalb die gebotene umfassende revisionsrechtliche Überprüfung der Würdigung der Persönlichkeit und der den Vorverurteilungen zugrunde liegenden Taten nicht zu.
18
Diese Würdigung durch das Landgericht beschränkt sich im Wesentlichen auf die Verurteilungen wegen exhibitionistischer Handlungen, Erregung öffentlichen Ärgernisses und wegen Beleidigung mit sexuellem Hintergrund. Soweit das Landgericht die der Verurteilung durch das Amtgericht Bayreuth vom 30. Juni 2005 wegen Vollrausches zugrunde liegende Tat als nicht erheblich im Sinne des § 62 StGB ansieht, lässt es außer acht, dass die zum Nachteil einer Justizangestellten im dortigen Gerichtsgebäude begangene Rauschtat eine rechtswidrige Tat im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB war. Der Generalbundesanwalt beanstandet ferner zu Recht, dass die Verurteilung des Angeklagten durch das vorgenannte Urteil wegen gefährlicher Körperverletzung, die der Angeklagte mittels einer Bierflasche beging, mit der er auf das Tatopfer einstach , nachdem sie nach einem Schlag auf dessen Kopf zerbrochen war, nicht in die Gesamtwürdigung einbezogen worden ist. Zudem lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, ob der Angeklagte diese Tat, was nach den bisherigen Feststellungen nahe liegt, ebenso wie die anderen den letzten Vorverurteilungen zugrunde liegenden Taten infolge seines „Zustandes“ begangen hat.
19
Soweit das Landgericht darauf verweist, dass mit Blick auf die nur geringfügige Gewaltanwendung bei der verfahrensgegenständlichen versuchten sexuellen Nötigung gegenüber den früheren Taten keine Steigerungstendenz zu erkennen sei, lässt es außer acht, dass die Anlasstat selbst grundsätzlich nicht erheblich sein muss (vgl. Fischer StGB 55. Aufl. § 63 Rdn. 3). Maßgeblich ist vielmehr, welche Taten künftig von dem Täter infolge seines Zustandes zu erwarten sind und ob diese erheblich im Sinne des § 63 StGB sind. Deshalb hätte es, insbesondere auch im Hinblick darauf, dass der Angeklagte nach Auffassung des Sachverständigen „wohl in absehbarer Zeit“ in einer Einrichtung für chronisch abhängige Alkoholkranke untergebracht werden muss, der Mitteilung bedurft, zu welcher Einschätzung der Sachverständige hinsichtlich der Gefährlichkeit des Angeklagten gekommen ist.

IV.


20
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass der für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erforderliche „überdauernde“ Zustand (vgl. BGHSt 34, 22, 27; BGHR StGB § 63 Zustand 38) näherer Darlegung bedarf. Jedenfalls genügt es nicht, mit dem Sachverständigen „die weiteren medizinischen Voraussetzungen des § 63 StGB“ zu bejahen.
21
Im Falle der erneuten Verurteilung im Fall II. 2. der Urteilsgründe und einer Anordnung auch der Maßregel nach § 63 StGB wird zu prüfen sein, ob im Hinblick darauf, dass der Angeklagte nunmehr unter Betreuung steht und die Möglichkeit einer vormundschaftsgerichtlich genehmigten Unterbringung des Angeklagten besteht, die Gesamtstrafe gemäß § 56 Abs. 1 StGB und damit auch die Maßregel gemäß § 67 b StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
Maatz Kuckein Athing Ernemann Mutzbauer

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.