Bundesgerichtshof Urteil, 13. Okt. 2016 - 4 StR 248/16

bei uns veröffentlicht am13.10.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 248/16
vom
13. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:131016U4STR248.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Oktober 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Franke, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt vom 17. Dezember 2015, soweit es den Angeklagten M. B. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in den Fällen II. 17 bis 66 der Urteilsgründe bezogen auf den Zeitraum von März bis Juli 2013 in 15 Fällen freigesprochen worden ist,
b) in den Strafaussprüchen in den Fällen II. 4, 5, 8, 10 und 12 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil
a) in den Fällen II. 4, 8, 10 und 12 der Urteilsgründe – im Fall II. 4 auch hinsichtlich der nicht revidierenden Angeklagten Bl. , im Fall II. 12 auch hinsichtlich des nicht revidierenden Angeklagten D. B. – in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln entfällt,
b) mit den Feststellungen aufgehoben in den Strafaussprüchen in den Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe und soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 24 Fällen, davon in 20 Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen, davon in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen.
2
Der Angeklagte rügt mit seinem unbeschränkten Rechtsmittel allgemein die Verletzung sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft erhebt mit ihrem zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittel ebenfalls die Sachrüge. Sie wendet sich gegen die Teilfreisprüche und, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, gegen die Strafzumessung, ausweislich ihrer Revisionsrechtfertigung – in wirksamer Beschränkung ihres Rechtsmittels – jedoch nicht gegen die unterbliebene Unterbringungsanordnung gemäß § 64 StGB. Ferner beanstandet sie das Verfahren. Beide Rechtsmittel haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.

A.


3
Zur Revision der Staatsanwaltschaft

I.


4
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils beschloss der Angeklagte spätestens im Jahr 2013, im Zusammenwirken mit den Mitangeklagten sowie weiteren, gesondert verfolgten Personen, u.a. der gesondert verfolgten Zeugin W. , in einer Vielzahl von Fällen mit Betäubungsmitteln Handel zu treiben. Die zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmittel wurden entsprechend dem zuvor gefassten gemeinsamen Plan größtenteils aus den Niederlanden nach Deutschland eingeführt, weil es dem Angeklagten und den anderen Beteiligten darauf ankam, Drogen guter Qualität zu günstigeren Preisen zu erwerben als dies in Deutschland möglich war. Seit Anfang 2015 wurden die Rauschgiftgeschäfte der Gruppe um den Angeklagten von der Polizei überwacht, am 3. März 2015 wurde der Angeklagte festgenommen.

II.


5
Die von der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit den Teilfreisprüchen des Angeklagten erhobenen Rügen der Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) genügen in Ermangelung konkreter Beweisbehauptungen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Im Übrigen werden die Angaben der Zeugen, auf die sich die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsrechtfertigung insoweit bezieht, nicht mitgeteilt. Dies gilt insbesondere für die Aussage der Zeugin W. im Ermittlungsverfahren.

III.


6
Mit ihren gegen die Freisprüche gerichteten sachlich-rechtlichen Angriffen hat die Staatsanwaltschaft nur in den Fällen II. 3 der Urteilsgründe (Fälle 17 - 66 der Anklage) – teilweise – Erfolg.
7
1. Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Münster vom 15. Juni 2015 legte dem Angeklagten in den Fällen 17 - 66 der Anklage zur Last, im Zeitraum zwischen März 2013 und April 2014 wöchentlich, mithin in mindestens 50 Fällen, jeweils Kokain in Mengen zwischen 50 und 100 Gramm in den Niederlanden zum gewinnbringenden Weiterverkauf in Deutschland erworben, mit dem Pkw über die niederländischdeutsche Grenze nach Bo. verbracht und dort mit Gewinn weiterverkauftzu haben. Diese Fälle sind in der Anklageschrift dahin konkretisiert, dass der Angeklagte und die gesondert verfolgte Zeugin W. das Kokain in den genannten 50 Fällen jeweils bei ihrem Lieferanten in G. /N. zum Einkaufspreis von 35 € pro Gramm erwarben und sodann mit dem Pkw Daimler -Benz der Zeugin W. nach Deutschland verbrachten, wo sie es an einen weitgehend unbekannten Kreis von Abnehmern mit Gewinn weiterverkauften. Das Landgericht hat den insoweit geständigen Angeklagten hinsichtlich der Fälle 17 - 66 der Anklage (Fälle II. 3 der Urteilsgründe) wegen 18 Taten verurteilt und festgestellt, er habe im Zeitraum zwischen dem 15. August 2013 und dem 31. März 2014, teilweise unter Mitwirkung der Zeugin W. in insgesamt 18 Fällen zu konkret festgestellten Zeitpunkten jeweils näher bezeichnete Mengen Kokain bei seinem Lieferanten in G. /N. erworben, nach Deutschland transportiert und dort gewinnbringend weiterverkauft. Wegen weiterer Taten aus dem Anklagekomplex Fälle 17 - 66 hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen, „soweit nicht das Verfahren insoweit teilweise nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt bzw. entsprechend den obigen Ausführungen eine Verurteilung erfolgt ist“ (UA 58). Das Landgericht hatte zuvor hinsichtlich der Fälle 17 - 66 der Anklageschrift, das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO insofern eingestellt, als für den Zeitraum März 2013 bis Juli 2013 mehr als 15 Fälle und für den Zeitraum 15. August 2013 bis 31. März 2014 mehr als 18 Fälle angeklagt sind.
8
2. Soweit das Landgericht den Angeklagten in den Anklagepunkten 17 - 66 vom Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge, aus tatsächlichen Gründen freigesprochen hat, genügen die Urteilsgründe den Darstellungsanforderungen nicht, die gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind. Die Darstellungsmängel erfassen jedoch nicht den gesamten, von der Anklage umfassten Tatzeitraum, sondern lediglich den Freispruch in 15 Fällen im Zeitraum zwischen März und Juli 2013.
9
Auch ein freisprechendes Urteil muss aus sich heraus verständlich sein. Dies setzt voraus, dass die einzelnen Anklagevorwürfe, von denen der Angeklagte freigesprochen worden ist, hinreichend konkret wiedergegeben werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2008 – 1 StR 552/08, NStZ-RR 2009, 116 f. mwN).
10
Gemessen daran bleibt in den Anklagepunkten 17 - 66 für den Zeitraum zwischen März und Juli 2013 mangels näherer individueller Kennzeichnung der einzelnen Taten unklar, welche Taten von dem für diesen Teilbereich des angeklagten Tatzeitraums erfolgten Freispruch erfasst sind. Die insoweit in den Urteilsgründen erfolgte Bezugnahme auf den Beschluss der Strafkammer vom 15. Dezember 2015 über die teilweise Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO, den der Senat im Rahmen der Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen zur Kenntnis zu nehmen hatte, kann die fehlende Darstellung der vom Teilfreispruch erfassten Anklagepunkte schon deshalb nicht ersetzen, weil dieser Beschluss gleichermaßen unbestimmt ist (vgl. Senatsurteil vom 25. September 2014 – 4 StR 69/14, NJW 2015, 181 f.).
11
Insoweit bedarf es neuer Verhandlung und Entscheidung, weshalb auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe nicht bestehen bleiben kann.
12
3. Die weiter gehenden Freisprüche (Fälle 4 - 15 und 117 - 121 der Anklage sowie zwei Fälle aus dem Anklagekomplex Fälle 17 - 66) halten rechtlicher Nachprüfung stand.
13
a) Hinsichtlich dieser Tatvorwürfe genügt das Urteil den Anforderungen, die an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind.
14
Dies gilt auch für die in die zweiwöchige Zeitspanne vom 1. bis 14. August 2013 fallenden beiden Beschaffungsfahrten aus dem Anklagekomplex Fälle 17 - 66. Das Urteil ergibt insoweit mit hinreichender Deutlichkeit, dass sich der Teilfreispruch (auch) auf diese beiden Einzelfälle bezieht, die von der Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO ausdrücklich nicht erfasst sind.
15
b) Auch die von der Staatsanwaltschaft ferner bezüglich aller freigesprochenen Vorwürfe gegen die Beweiswürdigung erhobenen sachlich-rechtlichen Bedenken greifen eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. KK-StPO/Ott, 7. Aufl., § 261 Rn. 77 mN zur Rspr.) nicht durch. Die Beweiswürdigung ist rechtsfehlerfrei. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Würdigung der Aussage der Zeugin W. , auf die die Strafkammer eine Verurteilung des Angeklagten nicht zu stützen vermocht hat.
16
4. Bezüglich im Anklagekomplex Fälle 17 - 66 angeklagter Taten, die in den Tatzeitraum ab dem 15. August 2013 fallen, ist kein Teilfreisprucherfolgt. Vielmehr werden die insoweit angeklagten Fälle in vollem Umfang und mit hinreichender Bestimmtheit durch die unter II. 3 der Urteilsgründe erfolgte Verurteilung wegen 18 im Einzelnen konkretisierter Taten einerseits und der Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO wegen der verbleibenden Fälle andererseits erfasst. Der Einstellungsbeschluss ist, bezogen auf diesen Tatzeitraum, unter Heranziehung von Urteil und Anklage hinreichend bestimmt und damit insoweit wirksam (vgl. Senatsurteil vom 25. September 2014 – 4 StR 69/14, NJW 2015, 181 f.).

IV.


17
1. Soweit das Landgericht den Angeklagten verurteilt hat, hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge der Staatsanwaltschaft zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zu seinem Vorteil ergeben.
18
Einen solchen Rechtsfehler zeigen auch die Angriffe der Revision gegen die Beweiswürdigung im Zusammenhang mit den von der Strafkammer angenommenen Wirkstoffgehalten der vom Angeklagten umgesetzten Betäubungs- mittel nicht auf. Sie erschöpfen sich vielmehr in einer im Revisionsverfahren unbeachtlichen eigenen Würdigung.
19
2. Der Strafausspruch begegnet lediglich in den Fällen II. 4, 5, 8, 10 und 12 der Urteilsgründe durchgreifenden Bedenken; im Übrigen hält er rechtlicher Nachprüfung stand.
20
a) Das Landgericht hat in diesen Fällen nicht geprüft, ob der Angeklagte jeweils wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Anwendung des erhöhten Strafrahmens des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG zu bestrafen war. Vor dem Hintergrund der insoweit getroffenen Feststellungen drängte sich eine solche Prüfung auf.
21
b) Im Übrigen hat die Nachprüfung des Strafausspruchs keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten ergeben.
22
aa) Soweit die Staatsanwaltschaft die strafmildernde Berücksichtigung der vom Angeklagten erlittenen Untersuchungshaft beanstandet, übersieht sie, dass eine solche zwar nicht im Regelfall (vgl. dazu nur BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645), aber doch dann in Betracht kommt, wenn deren Vollzug für den Betroffenen mit besonderen Nachteilen verbunden ist (BGH aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Dezember 1993 – 5 StR 683/93, juris Rn. 8; SSW-StGB/Eschelbach, 3. Aufl., § 46 Rn. 184). Insoweit ist es auch unter Berücksichtigung der durch § 51 StGB vorgeschriebenen Anrechnung auf die erkannte Strafe nicht von vornherein durchgreifend rechtsfehlerhaft, wenn das Landgericht im vorliegenden Fall in tatrichterlicher Bewertung der Umstände des Einzelfalles strafmildernd in Erwägung zieht, ein Täter, der, wie hier der nicht vorbestrafte Angeklagte, zuvor noch nie Untersuchungshaft erlitten hat, habe sich durch deren erstmaligen Vollzug in besonderer Weise beeindruckt gezeigt.
23
bb) Dass das Landgericht in den Fällen II. 6 und 9 (Fälle 124 und 128 der Anklage) bei der Strafrahmenwahl die (mögliche) Sperrwirkung von § 29a BtMG nicht erörtert hat, deckt einen durchgreifenden, den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler ebenfalls nicht auf. Denn abgesehen davon, dass die Strafkammer entgegen § 30 Abs. 2 BtMG von einer Strafrahmenuntergrenze von sechs statt von drei Monaten ausgegangen ist, lassen die konkret verhängten Einzelstrafen von einem Jahr und zwei Monaten bzw. einem Jahr und vier Monaten nicht besorgen, dass die Festsetzung dieser Strafen von einer unzutreffenden Strafrahmenuntergrenze beeinflusst worden sein könnte.

B.


24
Zur Revision des Angeklagten

I.


25
Die Nachprüfung des Urteils auf die nicht näher ausgeführte Rüge der Verletzung materiellen Rechts hat zum Schuldspruch jedenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
26
Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln auch in den Fällen II. 4, 8, 10 und 12 der Urteilsgründe verurteilt hat, in denen nach den Feststellungen die Grenze zur nicht geringen Menge nicht überschritten worden ist, kann die tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln nicht bestehen bleiben; die Tathandlung der Einfuhr geht hier als unselbständiger Teilakt im Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln auf (vgl. nur Senatsbeschluss vom 16. April 1996 – 4 StR 80/95, NStZ-RR 1996, 232, 233). Die insoweit gebotene Korrektur des Schuldspruchs, die gemäß § 357 Satz 1 StPO im Fall II. 4 der Urteilsgründe auf die nicht revidierende Angeklagte Bl. und im Fall II. 12 auf den ebenfalls nicht revidierenden Mitangeklagten D. B. zu erstrecken ist, kann der Senat selbst vornehmen. § 265 StPO steht nicht entgegen, da der Senat ausschließen kann, dass sich der Angeklagte anders als geschehen hätte verteidigen können.

II.


27
Zum Strafausspruch ergibt die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf das Rechtsmittel des Angeklagten Folgendes:
28
1. Der Senat schließt einen Einfluss der geringfügigen Änderungen der Schuldsprüche in den Fällen II. 4, 8, 10 und 12 der Urteilsgründe auf die Bemessung der Rechtsfolgen angesichts der Strafzumessungserwägungen mit der erforderlichen Sicherheit aus.
29
2. Auch die für die Bemessung der Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe herangezogene Erwägung, das Gewinnstreben des Angeklagten müsse ganz erhebliche Berücksichtigung zu seinen Lasten finden, gefährdet den Bestand des – insgesamt maßvollen – Strafausspruchs letztlich nicht. Zwar lässt eine solche Erwägung regelmäßig besorgen, der Tatrichter habe entgegen § 46 Abs. 3 StGB einen zum Tatbestand des Handeltreibens gehörenden Umstand bei der Strafzumessung erneut straferschwerend berücksichtigt (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss vom 7. November 2000 – 4 StR 456/00, StV 2001, 461 mwN). Dies gilt insbesondere dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, ein ganz besonders verwerfliches, den Rahmen des Tatbestandsmäßigen übersteigendes Gewinnstreben nicht festgestellt worden ist (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 28. März 2000 – 4 StR 69/00). Im Gesamtzusammenhang der Strafzumessungserwägungen dient die für sich genommen rechtlich bedenkliche Erwägung hier aber lediglich der ergänzenden Kennzeichnung des von der Strafkammer erkennbar in den Vordergrund gerückten planvollen, organisierten und konspirativen Vorgehens des Angeklagten in einer Vielzahl von Fällen über einen längeren Zeitraum hinweg, also der Art der Tatausführung (§ 46 Abs. 2 StGB).
30
3. Nicht bestehen bleiben können jedoch die im Komplex II. 1 der Urteilsgründe (Fälle 1 - 15 der Anklage) – allerdings nur, soweit der Angeklagte (im ersten Fall) wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (100 Gramm Marihuana) zu einer Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden ist – und im Fall II. 2 der Urteilsgründe (Fall 16 der Anklage) jeweils festgesetzten Einzelstrafen, weshalb der neue Tatrichter – auch auf die Revision des Angeklagten – die Gesamtstrafe neu zuzumessen hat.
31
a) Die Strafkammer hat bei der Strafrahmenwahl und der Strafzumessung im engeren Sinne zu der ersten (von insgesamt drei) der unter II. 1 der Urteilsgründe dargestellten drei Taten zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt , dass die Grenze zur nicht geringen Menge (THC) um ein Drittel überschritten worden sei. Dieser Umstand stellt, da sich die gehandelte Menge noch im Grenzbereich befand, keinen zulässigen Strafschärfungsgrund dar (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 2 StR 39/16, NStZ-RR 2016, 141; Be- schluss vom 24. Juli 2012 – 2 StR 166/12, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung

39).


32
b) Das Landgericht hat ferner bei der Strafzumessung im Fall II. 2 der Urteilsgründe (Fall 16 der Anklage) straferschwerend berücksichtigt, dass die Grenze zur nicht geringen Menge von Amphetaminbase um das mehr als 333-fache überschritten gewesen sei. Diese Wertung beruht auf der fehlerhaften Annahme, der Grenzwert der nicht geringen Menge Amphetaminbase im Sinne von § 29a Abs. 2 BtMG betrage nicht 10 Gramm, sondern 0,15 Gramm Base.

III.


33
Auf die unbeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten kann das angefochtene Urteil auch insoweit keinen Bestand haben, als eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist.
34
1. Die Prüfung, ob diese Maßregel anzuordnen ist, drängte sich angesichts der Urteilsfeststellungen auf.
35
Danach hat der Angeklagte, der im Alter von 25 Jahren erstmals mit Betäubungsmitteln (Kokain, Amphetamin, Pilze, LSD und MDMA), über 20 Jahre hinweg zumeist Kokain und gelegentlich Amphetamin konsumiert, wobei die Häufigkeit seines Konsums je nach seiner wirtschaftlichen Lage schwankte. Ab 2008 steigerte sich sein Konsum auf nahezu täglich 1 Gramm Kokain, an Wochenenden auf 6 Gramm Kokain pro Tag. Hinzu kam die gelegentliche Ein- nahme von Amphetamin. Dass der Angeklagte die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Straftaten auch zur Deckung seines Eigenbedarfs begangen hat, hat das Landgericht hinsichtlich einiger Fälle festgestellt, im Übrigen drängt sich dieser (symptomatische) Zusammenhang auf. Den Urteilsgründen lässt sich ferner nicht entnehmen, dass bei dem Angeklagten keine konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht.
36
2. Der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter wird daher mit Hilfe eines Sachverständigen (§ 246a StPO) prüfen müssen, ob die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 13. Okt. 2016 - 4 StR 248/16

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 13. Okt. 2016 - 4 StR 248/16

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R
Bundesgerichtshof Urteil, 13. Okt. 2016 - 4 StR 248/16 zitiert 16 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung s

Strafgesetzbuch - StGB | § 51 Anrechnung


(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann

Strafprozeßordnung - StPO | § 246a Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung


(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Ange

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Okt. 2016 - 4 StR 248/16 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Okt. 2016 - 4 StR 248/16 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. März 2000 - 4 StR 69/00

bei uns veröffentlicht am 28.03.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 69/00 vom 28. März 2000 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwal

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Dez. 2008 - 1 StR 552/08

bei uns veröffentlicht am 17.12.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 552/08 vom 17. Dezember 2008 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Dezember 2008, an der teilgen

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Nov. 2000 - 4 StR 456/00

bei uns veröffentlicht am 07.11.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 456/00 vom 7. November 2000 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen versuchten Mordes u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 7. November

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Feb. 2016 - 2 StR 39/16

bei uns veröffentlicht am 25.02.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 39/16 vom 25. Februar 2016 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ECLI:DE:BGH:2016:250216B2STR39.16.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Sept. 2014 - 4 StR 69/14

bei uns veröffentlicht am 25.09.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 69/14 vom 25. September 2014 BGHSt: nein BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ––––––––––––––––––––––––––- StPO § 154 Abs. 2 Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit e
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 13. Okt. 2016 - 4 StR 248/16.

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2017 - 5 StR 552/16

bei uns veröffentlicht am 10.01.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 552/16 vom 10. Januar 2017 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2017:100117B5STR552.16.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. März 2017 - 4 StR 533/16

bei uns veröffentlicht am 14.03.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 533/16 vom 14. März 2017 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a. ECLI:DE:BGH:2017:140317B4STR533.16.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des G

Referenzen

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 552/08
vom
17. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Dezember
2008, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender Richter
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Passau vom 1. Juli 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf, seine im Jahre 1987 geborene Stieftochter O. - die Nebenklägerin - im Jahre 1992, im Mai/Juni 1996 sowie zwischen Ende 1996 und Mai 1997 sexuell missbraucht zu haben, aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die hiergegen von der Nebenklägerin eingelegte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
Der Senat muss offen lassen, ob der Freispruch in der Sache rechtsfehlerfrei erfolgt ist, da ihm insoweit eine Nachprüfung nicht möglich ist. Das angefochtene Urteil wird nämlich schon den Anforderungen an die Begründungspflicht bei einem freisprechenden Urteil nicht gerecht. Spricht das Tatgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen frei, so muss es in den Urteilsgründen den Anklagevorwurf, die hierzu getroffenen Feststellungen, die we- sentlichen Beweisgründe und seine rechtlichen Erwägungen mitteilen (MeyerGoßner , StPO 51. Aufl. § 267 Rdn. 33 m.w.N.). Diese Mindestvoraussetzungen sind nicht erfüllt. Das Urteil leidet an mehreren Darstellungs- und Erörterungsmängeln , die dem Senat eine Prüfung auf Rechtsfehler verwehren.
3
1. Die Urteilsgründe geben bereits nicht die einzelnen Anklagevorwürfe in den wesentlichen Einzelheiten der vorgeworfenen Tathandlungen wieder, sondern setzen sie als bekannt voraus. Eine Bezugnahme auf die Anklagepunkte ist jedoch insoweit nicht zulässig. Das Urteil muss aus sich heraus verständlich sein (vgl. BGHSt 37, 21, 22).
4
2. Die Urteilsgründe enthalten keine Feststellungen zum Werdegang und zur Persönlichkeit des Angeklagten. Zu solchen Feststellungen ist das Tatgericht verpflichtet, wenn diese - z.B. bei einschlägigen Vorverurteilungen - für die Beurteilung des Tatvorwurfs eine Rolle spielen können (vgl. BGH, Urt. vom 23. Juli 2008 - 2 StR 150/08). Einschlägige Vorverurteilungen stehen hier im Raum.
5
3. Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen waren der Strafkammer zwar nicht möglich, weil sie zu der Auffassung gelangte, dass nach der Beweisaufnahme nichts blieb, was zu den Tatvorwürfen zu ihrer Überzeugung als erwiesen hätte festgestellt werden können. In diesem Falle hätte sie jedoch die hierfür maßgeblichen Gründe so darlegen müssen, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob der den Entscheidungsgegenstand bildende Sachverhalt erschöpfend gewürdigt ist (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 7). Hieran fehlt es in mehrfacher Hinsicht:
6
Die Kammer teilt schon im Ausgangspunkt nicht die Aussage der Belastungszeugin in ihrer Entstehung und nach ihrem wesentlichen Inhalt mit. Dies war hier erforderlich, weil Aussage gegen Aussage stand und die Entscheidung allein davon abhing, welcher Person die Kammer Glauben schenkt. Ihrer Pflicht konnte die Kammer sich nicht dadurch entziehen, dass sie einige Argumente gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage angeführt hat. Denn diese stellen nur einen Ausschnitt aus der gebotenen Gesamtwürdigung dar. Eine umfassende Nachprüfung der Überzeugungsbildung ist so nicht möglich.
7
Tagebuchaufzeichnungen der Belastungszeugin, die für die Beweiswürdigung von zentraler Bedeutung waren, werden im Urteil nicht wiedergegeben, sondern nur unter Bezugnahme auf den Akteninhalt bewertet. Eine Verweisung auf Schriften ist in den Urteilsgründen nicht statthaft (vgl. BGH bei Becker NStZRR 2003, 99).
8
Ein weiterer durchgreifender Mangel liegt darin, dass die Strafkammer den Inhalt des erstatteten Glaubwürdigkeitsgutachtens nicht mitteilt, obwohl dieses im Gegensatz zur Kammer zu dem Ergebnis kommt, dass "mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Erlebnisfundiertheit der Bekundungen von O. L. auszugehen" sei. Zwar ist das Gericht nicht gehindert, eine von dem Sachverständigengutachten abweichende eigene Beurteilung der Aussagekonstanz und der Glaubhaftigkeit der Angaben eines Belastungszeugen vorzunehmen ; denn das Tatgericht ist im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung stets zu einer eigenen Beurteilung verpflichtet (vgl. BGHR StPO § 261 Sachverständiger 9; BGH, Beschl. vom 16. September 2008 - 3 StR 302/08). Will es jedoch eine Frage, zu deren Beantwortung es sachverständige Hilfe für erforderlich gehalten hat, in Widerspruch zu dem Gutachten beantworten, muss es die Ausführungen des Sachverständigen in nachprüfbarer Weise wiedergeben.
Es muss sich außerdem mit ihnen konkret auseinandersetzen und seine abweichende Auffassung tragfähig und nachvollziehbar begründen (BGH aaO). Auch dies lässt die angefochtene Entscheidung vermissen. Wahl Kolz Hebenstreit Elf Jäger

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 69/14
vom
25. September 2014
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––-
Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit einer Verfahrenseinstellung nach § 154
Abs. 2 StPO.
BGH, Urteil vom 25. September 2014 – 4 StR 69/14 – LG Dortmund
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. September
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der
Verhandlung –
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 21. Oktober 2013 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in siebzehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt sowie Verfall und Verfall von Wertersatz angeordnet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils beschloss der Angeklagte im Jahr 2010, mit Cannabisprodukten Handel zu treiben. Er wandte sich an den früheren Mitangeklagten B. , der einen Händler in A. in den Niederlanden kannte. B. warb über den früheren Mitangeklagten G. den Motorradrennfahrer Be. als Kurier an. Be. transportierte jeweils mindestens fünf Kilogramm Marihuana nach Deutschland. Zwei Fahrten fanden im Jahr 2010, zehn Fahrten im Jahr 2011 und vier Fahrten im Jahr 2012 statt. Bei der Übergabe des Rauschgifts nach einer weiteren Fahrt am 19. Dezember 2012 wurden der Angeklagte und Be. festgenommen.
3
2. Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 13. Februar 2013 wirft dem Angeklagten vor, von Juli 2010 bis zum 19. Dezember 2012 durch 104 selbständige Handlungen in 86 Fällen (Fälle 1 bis 86) mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben und in 18 Fällen (Fälle 87 bis 104) als Mitglied einer Bande mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben und sie eingeführt zu haben. Die Fälle 1 bis 86 der Anklageschrift betreffen Verkäufe an den gesondert verfolgten M. im Zeitraum von Juli 2010 bis zum 12. März 2012. Die Fälle 87 bis 98 der Anklageschrift sind dahin konkretisiert, dass Be. nach Bestellungen des Angeklagten und auf Anweisung von B. im Jahr 2011 zwölfmal nach A. gefahren ist und jeweils mindestens fünf Kilogramm Marihuana nach Deutschland gebracht hat. Als Fälle 99 bis 103 sind fünf Einfuhrfahrten des Be. für den Angeklagten im Jahr 2012 dargestellt. Der Fall 104 schildert die Einfuhrfahrt vom 19. Dezember 2012 und die Festnahme des Angeklagten und Be. s.
4
3. Am zweiten Tag der Hauptverhandlung, dem 15. Oktober 2013, erteilte das Landgericht dem Angeklagten folgenden rechtlichen Hinweis: „1. Hinsichtlich der Anklagevorwürfe 87 bis 104 kommt statt einer Verur- teilung wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG auch eine Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG in Betracht, 2. hinsichtlich der Anklagevorwürfe 1 bis 86 dürften Bewertungseinheiten anzunehmen sein. Soweit Verkaufsgeschäfte an den gesondert verfolgten M. im Jahre 2011 stattfanden, dürfte es sich um Abverkäufe aus den zuvor von dem gesondert verfolgtenBe. mit dem Motorrad aus A. /Niederlande eingeführten Marihuanamengen handeln. Soweit Verkaufsgeschäfte an den gesondert ver- folgten M. ab Juli 2010 angeklagt sind, dürften auch insoweit Bewertungseinheiten vorliegen, da nach der Einlassung des Angeklagten und den Angaben des anderweitig verfolgten Be. in dem Verfahren gegen B. und G. bereits im Jahre 2010Einfuhrfahrten von jeweils mindestens 5 kg Marihuana durch Be. er- folgten.“
5
Am dritten Tag der Hauptverhandlung, dem 21. Oktober 2013, ergingen folgende Gerichtsbeschlüsse: „Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wird die Strafverfolgung in rechtlicher Hinsicht gemäß § 154 a Abs. 1 Nr. 1 StPO auf den Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG beschränkt.
Das Verfahren wird, soweit die Zahl der angeklagten Taten 17 Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge übersteigt, abgetrennt und insoweit auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt.“
6
Das Gericht erteilte dem Angeklagten den weiteren Hinweis, „dass anstelle einer Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäu- bungsmitteln in nicht geringer Menge auch eine Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in Betracht kommt.“

II.


7
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
8
1. Der Beschluss des Landgerichts vom 21. Oktober 2013, mit dem eine Abtrennung von Verfahrensteilen und deren Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO angeordnet worden ist, begründet kein Verfahrenshindernis und steht deshalb einer Ausurteilung von 17 Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht entgegen.
9
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet die Einstellung eines Tatvorwurfs gemäß § 154 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, zu dessen Beseitigung ein förmlicher Wiederaufnahmebeschluss nach § 154 Abs. 5 StPO erforderlich ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Juli 2014 – 4 StR 230/14 Rn. 6; vom 4. Februar 2014 – 2 StR 487/13 Rn. 2; vom 18. April 2007 – 2 StR 144/07, NStZ 2007, 476).
10
aa) Wegen der weitreichenden Wirkungen einer Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO ist die Beschlussformel so zu fassen, dass kein Zweifel besteht, auf welche Taten und welche Angeklagten sie sich bezieht (BGH, Beschluss vom 23. März 1996 – 1 StR 685/95, juris, Rn. 23). Die eingestellten Taten sind genau zu bezeichnen, nach Möglichkeit mit der Nummerierung der Anklageschrift. Ist dies nicht möglich, sind die Taten so genau zu beschreiben, dass klar erkennbar ist, welche angeklagten Taten aus dem Verfahren ausgeschieden werden. Hinsichtlich der Konkretisierung im Einstellungsbeschluss gelten insoweit dieselben Anforderungen wie bei der Tatbeschreibung in der Anklageschrift zur Erfüllung ihrer Umgrenzungsfunktion.
11
(1) Die Anklageschrift hat die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Täters unterscheiden lassen (Umgrenzungsfunktion – st. Rspr., vgl.
nur BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 25; Beschluss vom 19. Februar 2008 – 1 StR 596/07, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 24; Urteil vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 45; jeweils mwN). Dabei muss die Schilderung umso konkreter sein, je größer die allgemeine Möglichkeit ist, dass der Angeklagte verwechselbare weitere Straftaten gleicher Art verübt hat (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 8. August 1996 – 4 StR 344/96, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 20 mwN). Die Identität des geschichtlichen Vorgangs muss feststehen, es darf kein Zweifel über die verfahrensgegenständlichen Taten im prozessualen Sinn eintreten. Fehlt es an einer hinreichenden Konkretisierung, so ist die Anklage unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 45; Beschluss vom 29. November 1994 – 4 StR 648/94, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 13 jeweils mwN). Darüber hinaus hat die Anklage auch die Aufgabe, den Angeklagten und die übrigen Verfahrensbeteiligten über weitere Einzelheiten des Vorwurfs zu unterrichten, um ihnen Gelegenheit zu geben, ihr Prozessverhalten auf den mit der Anklage erhobenen Vorwurf einzustellen. Mängel der Anklage in dieser Hinsicht führen nicht zu ihrer Unwirksamkeit (Informationsfunktion – vgl. BGH, Urteile vom 28. Oktober 2009 und vom 11. Januar 1994 aaO, Beschluss vom 19. Februar 2008 aaO jeweils mwN).
12
Welche Angaben zur ausreichenden Umgrenzung des Verfahrensgegenstandes erforderlich sind, lässt sich nicht für alle Fälle in gleicher Weise sagen. Die einzelnen Faktoren der Tatkonkretisierung können von Fall zu Fall unterschiedliches Gewicht besitzen und durch größere Genauigkeit jeweils anderer Umstände ersetzt oder verdrängt werden. Entscheidend ist, dass der historische Geschehensablauf, der Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung sein soll, feststeht. Bei der Schilderung eines nach seinem Ablauf unverwechselbaren Ereignisses kann die Tatzeit als Eingrenzungskriterium an Bedeutung verlieren. Wenn bei einer Tatserie das Geschehen der jeweiligen Einzeltat nicht mehr durch Beschreibung der Umstände seines Ablaufs näher konkretisiert werden kann, gewinnt die Bezeichnung der Tatzeit der Einzelhandlung oder des Zeitraums der Tatserie entscheidende Bedeutung für die Umgrenzung des Verfahrensgegenstandes. Soweit bei Serientaten eine konkrete Bezeichnung oder nähere Beschreibung der Einzeltaten in der Anklage wegen deren Gleichförmigkeit nicht erfolgen kann, muss deshalb der Verfahrensstoff zumindest durch Festlegung des Tatzeitraums hinreichend umgrenzt werden. Regelmäßig ist in solchen Fällen erforderlich, in der Anklage den bestimmten Tatzeitraum, das Tatopfer, die Grundzüge der Art und Weise der Tatbegehung, die Tatfrequenz und die (Höchst-)Zahl der vorgeworfenen Straftaten, die Gegenstand des Verfahrens sein sollen, anzugeben. Dies gilt insbesondere in Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern, in denen bei einer Serie von Taten einzelne Handlungen überhaupt nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr genau voneinander unterschieden werden können (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 45 ff.; Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 154 f.).
13
(2) Dementsprechend konkret ist auch der Einstellungsbeschluss zu fassen, durch den der Verfahrensstoff begrenzt wird. Dabei können auszu- scheidende Taten sowohl „positiv“ beschrieben werden, indem die einzustellen- den Taten konkret bezeichnet werden, als auch „negativ“, indem genau angegeben wird, welche der angeklagten Taten weiterhin Verfahrensgegenstand sind. Wie der Tatrichter den Beschluss formuliert, ist ohne Bedeutung, solange der ausgeschiedene Verfahrensstoff und der verbleibende Verfahrensstoff eindeutig erkennbar sind. Sollte dem Senatsbeschluss vom 3. Dezember 2013 – 4 StR 461/13 – eine andere Rechtsauffassung zu entnehmen sein, hält der Senat daran nicht fest. Soweit in Entscheidungen anderer Senate des Bundes- gerichtshofs gefordert wird, dass ausgeschiedene Tatteile oder Strafbestim- mungen konkret („positiv“) zu bezeichnen sind, betrifft dies Verfahrensbe- schränkungen der Staatsanwaltschaft vor Anklageerhebung (BGH, Beschlüsse vom 4. Juni 2013 – 2 StR 59/13 Rn. 21; vom 7. Oktober 2011 – 1 StR 321/11, NStZ-RR 2012, 50, 51 und vom 16. Juli 1980 – 3 StR 232/80, NStZ 1981, 23). Die Bestimmung von auszuscheidenden Taten bzw. Tatteilen erfolgt zu diesem Zeitpunkt in einem anderen prozessualen Kontext. Bei einer Einstellung durch das Gericht sind nämlich auch im Falle der negativ formulierten Beschränkung auf die verfahrensgegenständlich verbleibenden Taten die ausgeschiedenen Taten durch die Anklage festgelegt.
14
(3) Bei einer Serie vollständig gleichförmiger, nicht näher konkretisierbarer Taten kann der Einstellungsbeschluss beispielsweise den Tatzeitraum angeben und die Anzahl der Taten in zu bezeichnenden Zeitabschnitten (Tatfrequenz ), die aus dem Verfahren ausgeschieden werden. Auch kann die Anzahl der – gegebenenfalls nach tatrichterlicher Schätzung – festgestellten Taten anhand von Tatzeitraum und Tatfrequenz konkretisiert werden, der Gesamtzahl der angeklagten Taten gegenübergestellt und eine Differenz ermittelt werden, die dann in der Einstellungsentscheidung zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2014 – 2 StR 128/14).
15
bb) Der Einstellungsbeschluss soll aus sich selbst heraus verständlich sein. Ist der Beschluss mehrdeutig und bestehen deshalb nach dem Wortlaut Unklarheiten, welche Vorwürfe der Anklageschrift aus dem Verfahren ausgeschieden werden, kann er nach allgemeinen Grundsätzen ausgelegt werden. Dabei können bei der Prüfung, ob der Einstellungsbeschluss die gebotene Umgrenzung des verbleibenden Verfahrensstoffs leistet, auch die zugelassene Anklage , der Einstellungsantrag der Staatsanwaltschaft (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2011 – 1 StR 539/11), auf die Einstellungsentscheidung bezogene Hinweise und Anregungen des Gerichts, Hinweise des Gerichts nach § 265 StPO sowie im Rahmen einer auf die Erledigung des gesamten Verfahrens bezogenen Betrachtung jedenfalls dann, wenn der Einstellungsbeschluss zeitnah zur Urteilsverkündung gefasst wurde, auch die Schlussanträge der Verfahrensbeteiligten und das Urteil (anders zur Heranziehung der Urteilsfeststellungen noch Senatsbeschluss vom 29. Juli 2008 – 4 StR 210/08) berücksichtigt werden.
16
Liegt einem Einstellungsbeschluss nach § 154 Abs. 2 StPO die unzutreffende Annahme mehrerer selbständiger prozessualer Taten zugrunde, kann etwa bei einem sich aus den Gesamtumständen ergebenden offensichtlichen Irrtum/Versehen des Gerichts eine Umdeutung einer Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO in eine Verfahrensbeschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO in Betracht kommen (BGH, Beschluss vom 14. Februar 2006 – 4 StR 6/06; Beschluss vom 23. März 2005 – 2 StR 11/05, juris, Rn. 5; vgl. auch Urteil vom 1. Juni 2005 – 2 StR 405/04, NStZ 2006, 455; vgl. aber Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2013 – 4 StR 339/13, NStZ 2014, 46 m. Anm. Allgayer).
17
cc) Nur wenn der Einstellungsbeschluss die vorstehend dargestellten Anforderungen erfüllt, entfaltet er eine den Verfahrensstoff beschränkende Wirkung.
18
Ergibt sich hingegen auch unter Würdigung der vorstehend unter 1. a) bb) genannten Umstände keine Klarheit über die ausgeschiedenen Verfahrensteile , ist die Verfahrensbeschränkung nach § 154 Abs. 2 StPO wirkungslos und steht einer Aburteilung nicht entgegen (BGH, Urteil vom 14. März 2012 – 2 StR 561/11 Rn. 17). Ist eine Verfahrensbeschränkung in der Hauptverhand- lung aufgrund ihrer Unbestimmtheit wirkungslos geblieben, hat das Revisionsgericht als Verfahrensvoraussetzung (nur) zu prüfen, ob die ausgeurteilten Taten von der Anklage erfasst sind. Der Einstellungsbeschluss selbst begründet in diesem Fall kein Verfahrenshindernis (aA OLG München wistra 2008, 319 f.). Soweit den Senatsentscheidungen vom 29. Juli 2008 – 4 StR 210/08 – und vom 3. Dezember 2013 – 4 StR 461/13 – eine andere Rechtsauffassung zu entnehmen ist, hält der Senat daran nicht fest.
19
Ist der Einstellungsbeschluss wirksam, hat das Revisionsgericht als Verfahrensvoraussetzung von Amts wegen zu überprüfen, ob den ausgeurteilten Taten eine Einstellung entgegensteht. Lässt sich dies den Urteilsgründen nicht hinreichend sicher entnehmen, kann dies zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung führen (BGH, Beschluss vom 9. November 2011 – 4 StR 300/11). Sind eingestellte Taten ausgeurteilt worden, stellt das Revisionsgericht das (weitere) Verfahren insoweit ein (st. Rspr.; u.a. BGH, Beschluss vom 4. Juni 2013 – 4 StR 192/13; Beschluss vom 25. Januar 2012 – 1 StR 45/11 Rn. 19 ff., insoweit in BGHSt 57, 95 nicht abgedruckt; Urteil vom 26. Oktober 2006 – 3 StR 290/06, NStZ-RR 2007, 83).
20
Soweit ein nach den oben genannten Kriterien wirksamer Einstellungsbeschluss die Informationsfunktion für den Angeklagten nicht erfüllt, muss dieser eventuelle Mängel mit einer Verfahrensrüge geltend machen.
21
b) Auf den vorliegenden Fall angewendet ergibt sich Folgendes:
22
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der Beschluss des Landgerichts vom 21. Oktober 2013 den dargelegten Konkretisierungsanforderungen genügt. Dies erscheint zweifelhaft, kann aber letztlich dahinstehen. Denn ein nicht hinreichend konkretisierter, unbestimmter Einstellungsbeschluss ginge ins Leere, so dass alle angeklagten Taten weiter Verfahrensgegenstand beim Landgericht waren. Alle ausgeurteilten Taten waren angeklagt; auch wäre keine der ausgeurteilten Taten von dem Einstellungsbeschluss erfasst, sollte dieser wirksam sein. Ein Verfahrenshindernis besteht somit in keinem Fall. Die vom Landgericht zusammen mit der Einstellung beschlossene „Abtrennung“ hat hier ersichtlich keine eigenständige rechtliche Bedeutung.
23
2. Der Schuld- und der Strafausspruch des angefochtenen Urteils weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 456/00
vom
7. November 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 7. November 2000 gemäß
§§ 349 Abs. 4, 357 StPO beschlossen:
I. Das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 25. Mai 2000 wird mit den Feststellungen aufgehoben 1. auf die Revision des Angeklagten F.
a) soweit dieser Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist (Fall II.5. der Urteilsgründe),
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe, 2. auf die Revision des Angeklagten E.
a) soweit es diesen Angeklagten betrifft und er verurteilt worden ist, in vollem Umfang,
b) soweit der Mitangeklagte F. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist (Fall II.2. der Urteilsgründe). II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat beide Angeklagte, unter Freisprechung im übrigen, jeweils des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, den Angeklagten F. darüber hinaus in einem weiteren Fall der gefährlichen Körperverletzung für schuldig befunden und den Angeklagten F. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und den Angeklagten E. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten – der AngeklagteF. unter Beschränkung auf die Verurteilung im Fall II. 5 der Urteilsgründe – mit ihren Revisionen, mit denen sie das Verfahren beanstanden und die Verletzung sachlichen Rechts rügen. Beide Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensbeschwerden kommt es deshalb nicht an.
1. Die Verurteilung beider Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.2. der Urteilsgründe ) kann nicht bestehen bleiben, weil die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten mit Haschisch "in nicht geringer Menge" im Sinne des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG Handel getrieben, einer ausreichenden Tatsachengrundlage entbehrt. Dieser auf die Revision des Angeklagten E. zu beachtende Rechtsfehler führt gemäß § 357 StPO zur Aufhebung auch der den Angeklagten F. , der insoweit keine Revision eingelegt hat, betreffenden Verurteilung.
Nach den Feststellungen kaufte der Angeklagte F. mit dem hierfür von dem Mitangeklagten E. zur Verfügung gestellten "Startkapital" 500 g Haschisch zur gewinnbringenden Weiterveräußerung. Feststellungen zu dem
Wirkstoffgehalt dieser Rauschgiftmenge hat das Landgericht nicht getroffen. Gleichwohl nimmt es das Vorliegen einer "nicht geringen Menge" an, wobei auf die "Gesamtmenge abzustellen" sei (UA 15). Insoweit beschränkt es sich auf den Hinweis, "selbst wenn die Qualität des Haschischs schlecht gewesen sein sollte, (sei) die Grenzgewichtsmenge der nicht mehr geringen Menge deutlich überschritten" (UA 15/16). Dies genügt für die Feststellung, daß das Haschisch mindestens 7,5 g Tetrahydrocannabinol (THC) enthielt und damit die Grenze der nicht geringen Menge erreicht hat (BGHSt 33, 8; 42, 1), nicht. Angesichts der Häufigkeit, mit der bei Cannabisprodukten eine sehr schlechte oder schlechte Qualität mit einem Wirkstoffgehalt von lediglich bis zu 2 % auftritt (1994: 4,1 %, BGHSt 42, 1, 13; 1997: 11 %, Weber BtMG Anh. E S. 1004), kann entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht ohne weiteres von einem Wirkstoffgehalt von nicht unter 2,5 % ausgegangen werden. Auf nähere Feststellungen zum Wirkstoffgehalt, die - unter Beachtung des Zweifelsgrundsatzes - mit hinreichender Genauigkeit auch dann möglich sind, wenn Betäubungsmittel nicht sichergestellt werden konnten und daher für eine Untersuchung durch Sachverständige nicht zur Verfügung stehen (vgl. BGH NJW 1994, 1885, 1886; BGH, Beschluß vom 29. Juni 2000 - 4 StR 202/00 - m.w.N.), konnte hier deshalb nicht verzichtet werden.
Für das weitere Verfahren weist der Senat bezüglich der Strafzumessung vorsorglich darauf hin, daß das Urteil die Prüfung eines minder schweren Falles (§ 29 a Abs. 2 BtMG) erkennen lassen muß. Im übrigen begegnen die Erwägungen, die Angeklagten hätten "allein um des schnellen finanziellen Gewinnes willen gehandelt" (UA 17, betreffend den Angeklagten E. ) bzw. "die Tat aus finanziellen Gründen begangen ..., ohne selbst drogenabhängig zu sein" (UA 18, betreffend den Angeklagten F. ), im Hinblick auf das Doppel-
verwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB rechtlichen Bedenken (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 2; BGH, Beschluß vom 26. Oktober 1990 - 2 StR 390/90 = StV 1991, 64 (nur LS); Körner BtMG 4. Aufl. § 29 Rdn. 278 m.w.N.).
2. Auch die Verurteilung beider Angeklagten wegen gemeinschaftlich begangenen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II.5. der Urteilsgründe) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Überzeugung des Schwurgerichts, der Angeklagte F. habe in der Nacht zum 15. Juli 1999 seinen Bekannten Armin Ei. aufgrund gemeinsam mit dem Angeklagten E. gefaßten Entschlusses in einen Hinterhalt gelockt und ihn zu erschießen versucht, beruht auf einer lückenhaften Beweiswürdigung, die wesentliche Umstände, die das gefundene Ergebnis in Frage stellen, unberücksichtigt läßt.
Der Senat läßt dahingestellt, ob es schon einen durchgreifenden Erörterungsmangel darstellt, daß das Landgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Angeklagte F. mit der Pistole auf Ei. gezielt hat, bevor sich beim ersten Mal "die Kugel verklemmte (und) im Verschluß ... stecken (blieb)" (UA 8). Ei. selbst hat nämlich insoweit lediglich bekundet, er habe "ein metallisches Klicken gehört und beim Hinsehen bemerkt, daß F. an seiner Pistole hantiere" (UA 12). Jedenfalls fehlt es an einer tragfähigen Begründung für die Feststellung, der Angeklagte F. habe auf dem Weg von der Grube zurück zum Pkw gezielt auf den vor ihm gehenden Ei. geschossen, um ihn zu töten. Bei dieser zweiten Betätigung der Pistole wurde Ei. durch den Schuß getroffen, wobei die Kugel "vom Felsenbein hinter dem rechten Ohr des Ei. ab(prallte)" und "hinter dem rechten Ohr eine ca. 5 mm große rundliche Haut-
abschürfung" hinterließ (UA 9). Das Landgericht hält die Einlassung des Angeklagten F. , der Schuß habe sich unbeabsichtigt gelöst, für widerlegt. Dabei geht es - mit dem rechtsmedizinischen Sachverständigen - davon aus, daß "das Projektil ... nahezu senkrecht auf den Felsenbeinknochen aufgeprallt" sei, und entnimmt diesem Umstand, es könne sich "folglich ... nicht um einen Querschläger gehandelt haben, der unglücklicherweise den Ei. getroffen (habe)" (UA 14). Diese Schlußfolgerung verträgt sich jedoch nicht ohne weiteres mit der weiteren Annahme – nämlich, "daß die Kugel einen herunterhängenden Ast gestreift haben muß" (UA 14) –, mit der das Schwurgericht - darin dem waffentechnischen Sachverständigen folgend - die geringe Aufprallgeschwindigkeit des Projektils begründet hat. Wenn tatsächlich das Geschoß auf einen Ast geprallt sein sollte, hätte es jedenfalls näherer Darlegung bedurft, daß technisch -physikalisch auszuschließen ist, daß das Projektil dadurch in seiner Flugbahn abgelenkt wurde und allein deshalb den Geschädigten "nahezu senkrecht" getroffen hat. Diese Möglichkeit ließe die Abgabe eines gezielten Schußes auf den Kopf des Geschädigten zumindest fraglich erscheinen.
Hierauf kam es schon deshalb an, weil das Schwurgericht ein Motiv der beiden Angeklagten, Ei. z u töten, nicht festzustellen vermochte. Die Sache bedarf deshalb erneuter Prüfung.
3. Davon abgesehen hat sich das Landgericht auch nur unzureichend mit der Frage strafbefreienden Rücktritts (§ 24 StGB) auseinandergesetzt. Das Schwurgericht schließt einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch des Mordes allein mit der Erwägung aus, "mit dem Abprallen der Kugel und der erfolgreichen Flucht des Ei. (sei) die Tat fehlgeschlagen und ein erneuter Tötungsversuch nicht mehr möglich" gewesen (UA 15). Das genügte hier schon des-
halb nicht, weil das Landgericht nicht erörtert hat, ob es den Angeklagten möglich gewesen wäre, die Flucht des Ei. zu verhindern und aus welchen Gründen weder der Angeklagte F. mit der Tatwaffe noch der Angeklagte E. mit einer der im Pkw mitgeführten weiteren Schußwaffen auf den flüchtenden Geschädigten geschossen haben.
Ein fehlgeschlagener Versuch liegt dann nicht vor, wenn der Täter die Tat, wie er weiß, mit den bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden einsatzbereiten Mitteln noch vollenden kann (st. Rspr.; BGHSt 35, 90, 94; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 24 Rdn. 7 a m.w.N.). Dazu fehlen schon Feststellungen zum Ladezustand der von dem Angeklagten F. benutzten Pistole. War diese noch nach Abgabe des Schusses mit weiterer Munition versehen und hätte der Angeklagte dennoch von einem weiteren Einsatz der Waffe abgesehen , wäre ein freiwilliges Aufgeben der Tat, für das der Zweifelsgrundsatz gilt (vgl. BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, fehlgeschlagener 5 a.E.), nicht ausgeschlossen (vgl. BGH StV 1997, 128; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, fehlgeschlagener 3, 8 und Versuch, unbeendeter 32). Desgleichen fehlt die Erörterung, weshalb der Angeklagte E. nicht eingegriffen hat. Diese Erörterung wäre aber erforderlich gewesen, weil das Landgericht zu dessen als mittäterschaftliches Handeln gewertetem Tatbeitrag festgestellt hat, daß er "den Ei. eventuell an einer Flucht hindern und notfalls mit einer in seinem Kofferraum versteckten Waffe erschießen sollte" (UA 7). Die nicht näher ausgeführte Feststellung, die Angeklagten hätten den Geschädigten, als dieser "in Panik flüchtete", "zunächst zu Fuß, dann mit dem Pkw des E. " verfolgt (UA 9), macht die fehlende Erörterung nicht entbehrlich. Insoweit war nämlich zu bedenken , daß der Angeklagte F. s ich bei Abgabe des Schusses nach den Feststellungen nur 1,50 m von dem Geschädigten entfernt befand, was schon
für sich nicht erklärt, weshalb nicht zumindest der Angeklagte F. den Geschädigten mit Erfolg verfolgen konnte. Ob dies auch für den Angeklagten E. zutraf, hätte Feststellungen zu den Sichtverhältnissen und dazu erfordert, wie weit er von dem Geschädigten entfernt stand, als dieser sich zur Flucht wendete. Die bisherigen Feststellungen bieten jedenfalls keine ausreichende Grundlage für die Annahme, die Angeklagten hätten ihren Plan, Ei. zu töten, als undurchführbar erkannt und deshalb gezwungenermaßen aufgegeben (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 9).
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß die Umstände, die zur erneuten Prüfung eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch Anlaß geben, unter den hier gegebenen Umständen auch schon die Annahme eines von beiden Angeklagten gemeinsam gefaßten unbedingten Tötungsentschlusses in Frage stellen können. Die Auffassung des Landgerichts, "das Ausheben des grabähnlichen Loches machte nur dann einen Sinn, wenn (die Angeklagten) die Leiche Ei. s auch darin verschwinden lassen wollten"
(UA 13; Hervorhebung durch den Senat), ist - anders als das Landgericht es seiner Beweiswürdigung zugrundegelegt hat - jedenfalls nicht zwingend.
Meyer-Goßner Maatz Kuckein

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 69/00
vom
28. März 2000
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 28. März 2000
gemäß §§ 44 ff., 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 10. November 1999 auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Damit ist der Verwerfungsbeschluß des Landgerichts vom 26. Januar 2000 gegenstandslos. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil
a) im Strafausspruch,
b) soweit die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist, mit den Feststellungen aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit deren unerlaubter Einfuhr, sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über zwei halbautomatische Selbstladekurzwaffen (nicht: ”in 2 Fällen") zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und einen Geldbetrag in Höhe von DM 8.000,- für verfallen erklärt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat – nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist – zum Rechtsfolgenausspruch im wesentlichen Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Urteil kann keinen Bestand haben, soweit das Landgericht davon abgesehen hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 28. Februar 2000 ausführlich näher dargelegt hat. Ergänzend dazu bemerkt der Senat, daß die Begründung, mit der das Landgericht – dem gehörten Sachverständigen folgend – den symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang des Angeklagten zum Konsum von Betäubungsmitteln und den abgeurteilten Taten verneint, auch widersprüchlich ist; zudem entbehrt die Auffassung der Strafkammer, die Taten seien ”Ausdruck einer kriminellen bzw. soziopathischen Grundstruktur des Angeklagten” (UA 12), einer näheren tatsächlichen Begründung. Zwar teilt das
Urteil - pauschal - mit, das Bundeszentralregister enthalte gegen den Angeklagten ”23 Eintragungen” (UA 4). Daraus läßt sich jedoch noch nicht ohne weiteres auf eine ”kriminelle und soziopathische Grundstruktur” schließen. Demgegenüber erörtert das Landgericht eine solche Persönlichkeitsauffälligkeit oder -störung auch nicht im Rahmen der Schuldfähigkeitsbeurteilung. Vielmehr wird danach die – tatauslösende – erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit allein auf die ”Polytoxikomanie von Alkohol und Kokain” zurückgeführt (UA 10, ebenso UA 4).
2. Von dem aufgezeigten Rechtsfehler ist auch der Strafausspruch betroffen. Der Senat kann – insoweit entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts – nicht ausschließen, daß die verhängten Einzelstrafen und die Gesamtstrafe niedriger ausgefallen wären, wenn das Landgericht eine Maßregelanordnung nach § 64 StGB getroffen hätte. Im übrigen ist der Strafausspruch auch mit Blick auf das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB rechtlichen Bedenken ausgesetzt, soweit das Landgericht dem Angeklagten strafschärfend anlastet, er habe sich ”die erforderlichen Kontakte und das erforderliche Wissen (des H.) für die Beschaffung des Rauschgifts ... ohne größere Bedenken um des eigenen Vorteils willen zu eigen (gemacht) und davon zu profitieren (gesucht)” (UA 11). Berücksichtigt werden darf beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zwar ein besonders verwerfliches, den Rahmen des Tatbestandsmäßigen deutlich übersteigendes Gewinnstreben (std. Rspr.; Weber BtMG vor § 29 Rdn. 469 m.N.). Dafür geben die Feststellungen
aber nichts her, zumal der Angeklagte mit dem Gewinn auch seinen eigenen Konsum zu finanzieren hoffte.
Meyer-Goßner Maatz Athing Ernemann

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 39/16
vom
25. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2016:250216B2STR39.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu 3. auf dessen Antrag, und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 9. Oktober 2015
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten nach einer Verfahrensbeschrän1 kung wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht gerin- ger Menge, wobei er sonstige Gegenstände mit sich führte, die ihrer Art nach
zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind,“ zu einer Freiheits- strafe von zwei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, bei der die Nichtanordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vom Rechtsmittelangriff ausgenommen wurde. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts versuchte der Angeklagte
2
am 21. November 2014 eine Teilmenge von 200 g aus einem im Übrigen für den Eigenkonsum bestimmten Vorrat von 385,15 g Amphetamingemisch mit einem Gesamtwirkstoffgehalt von 49,1 g Amphetaminbase an einen unbekannten Abnehmer zu verkaufen. Dabei führte er zwei Dolche, ein Jagdmesser, ein Bajonett und eine Machete sowie einen nicht funktionstüchtigen Revolver mit sich, die er an eine andere Person verkaufen wollte. Bei der Strafzumessung ist das Landgericht vom Vorliegen eines min3 der schweren Falls im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 BtMG ausgegangen. Dabei und bei der Strafzumessung im engeren Sinne hat es zulasten des Angeklagten gewertet, dass sich das Handeltreiben auf Amphetamin be- zog, welches „rund das 2,5-fache der nicht geringen Menge“ umfasste. Ferner hat es ihm angelastet, dass „er während des laufenden Verfahrens weiter – wenn auch reduziert – Betäubungsmittel konsumiert hat.“

II.

1. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen
4
den Schuldspruch richtet. Dieser ist zur Klarstellung neu zu fassen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 353/10). 2. Die Strafzumessungsentscheidung des Landgerichts begegnet
5
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Eine geringe Überschreitung der Untergrenze zur nicht geringen
6
Menge ist ein Strafmilderungsgrund (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2012 – 2 StR166/12, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 39). Das Zweieinhalbfache der nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln ist auch noch derart gering, dass dies jedenfalls nicht als bestimmender Strafschärfungsgrund gewertet werden kann.
b) Die weitere Bemerkung des Landgerichts, dass auch die Fortsetzung
7
des Betäubungsmittelkonsums als Strafschärfungsgrund bewertet wurde, ist ebenfalls rechtsfehlerhaft. Nach den Feststellungen „raucht der Angeklagte gelegentlich Joints und konsumierte jedenfalls zweimal Amphetamin“, seit er aus der Untersuchungshaft wegen der vorliegenden Tat entlassen wurde. Um den Marihuanakonsum zu vermeiden, nimmt er zudem Beruhigungsmittel. Bei dieser Sachlage ist der für sich genommen straflose Eigenkonsum von (zuletzt nur noch weichen) Drogen als Nachtatverhalten kein bestimmender Strafschär- fungsgrund. Die Urteilsgründe lassen auch nicht erkennen, aus welchem strafzumessungsrechtlichen Gesichtspunkt – der Schuld (§ 46 Abs. 1 Satz 1), der Spezialprävention (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB) oder der Generalprävention – das Landgericht diesen Aspekt hervorgehoben hat. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.