Bundesgerichtshof Urteil, 25. Juli 2017 - 5 StR 176/17

bei uns veröffentlicht am25.07.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 176/17
vom
25. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:250717U5STR176.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Juli 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Dr. Mutzbauer,
Richter Prof. Dr. Sander, Richterin Dr. Schneider, Richter Dr. Berger, Richter Prof. Dr. Mosbacher
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 18. August 2016 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Daneben hat es die Einziehung eines Kraftfahrzeugs angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit einer zulässig erhobenen Verfahrensrüge zum Strafausspruch Erfolg.
2
1. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:
3
Am ersten Hauptverhandlungstag fand in einer Verhandlungspause zwischen den Mitgliedern der Strafkammer, dem Vertreter der Staatsanwaltschaft und den beiden Verteidigern eine Erörterung statt, die eine Verständigungsmöglichkeit klären sollte. Dabei stellten die Verteidiger eine Geständnisbereitschaft des Angeklagten für den Fall in den Raum, dass eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung erfolgen würde. Nachdem der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärt hatte, sich einem solchen Vorschlag nicht anschließen zu können und eine Verurteilung zu einer höheren Freiheitsstrafe anzustreben, hielt die Vorsitzende in ihrer proto- kollierten Dokumentation des Rechtsgesprächs fest, dass es „zu einer Verstän- digung zwischen Gericht und den Verfahrensbeteiligten danach nicht (wird) kommen können“.
4
Nach diesem Hauptverhandlungstag kam es auf Anregung der Verteidiger zu einem weiteren Rechtsgespräch mit Verständigungsbezug, in dem der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärte, bei geständiger Einlassung des Angeklagten eine Freiheitsstrafe von drei Jahren für angemessen zu halten. Im Fortsetzungstermin unterrichtete die Vorsitzende über das Gespräch und hielt als dessen Ergebnis fest, dass es zu einer Verständigung nicht kommen werde. Am dritten Hauptverhandlungstag fand während einer Sitzungsunterbrechung auf Anregung der Verteidiger zwischen den Mitgliedern der Strafkammer, dem Vertreter der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern eine erneute Erörterung statt, in deren Rahmen die Vorsitzende äußerte, dass sich die Strafkammer bei einem Geständnis des Angeklagten eine Freiheitsstrafe zwischen zwei Jahren und zwei Jahren vier Monaten und auch eine Strafaussetzung zur Bewährung vorstellen könne. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft erwiderte, dass er sich im Hinblick auf ein weiteres gegen den Angeklagten in Tschechien laufendes Ermittlungsverfahren einem solchen Vorschlag nicht anschließen könne.
5
Die Vorsitzende ließ in der Hauptverhandlung ihre Gesprächsdokumentation protokollieren, die sie mit der Erwartung abschloss, dass „eine Verständigung zwischen Gericht und den Verfahrensbeteiligten demnach nicht zustande kommen“ werde. Am darauffolgenden Verhandlungstag teilte die Vorsitzende zu Protokoll mit, dass der Strafkammer keine neuen Tatsachen bekannt gewor- den seien und „die Kammerdaher bei ihrer Zusage nach dem letzten Rechtsgespräch bleibe“. Danach führte die Strafkammer auf Anregung der Verteidiger in einer Sitzungspause mit den Verfahrensbeteiligten ein weiteres Gespräch über die Möglichkeit einer Verständigung, in dem der Vertreter der Staatsanwaltschaft bei seiner ablehnenden Haltung zu einer Bewährungsstrafe bei geständiger Einlassung blieb. Als Ergebnis auch dieses in der Hauptverhandlung mitgeteilten Gesprächs stellte die Vorsitzende erneut fest, dass es zu keiner Verständigung kommen werde. Anschließend legte der Angeklagte ein Geständnis in Form einer schriftlich vorbereiteten Verteidigererklärung ab, die er sich zu eigen machte. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft beantragte mehrere Beweiserhebungen. Die Strafkammer lehnte diese Anträge am folgenden Hauptverhandlungstag ab. Zur Begründung führte sie unter anderem aus: „Um Anhaltspunkte für die Strafzumessung zu gewinnen, na- mentlich für eine Verurteilung des Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe , deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, sind die darin unter Beweis gestellten Tatsachen ungeeignet … In diesem Fall wäre das vom Angeklagten abgegebene Geständnis nicht verwertbar. Denn der Angeklagte hat sein Geständnis aufgrund der Zusicherung der Kammer, im Falle eines Geständnisses eine Freiheitsstrafe zu verhängen, deren Voll- streckung zur Bewährung ausgesetzt würde, abgegeben.“
6
Nach Verkündung dieses Beschlusses wurde die Beweisaufnahme geschlossen. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft beantragte, den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten zu verurteilen ; die Verteidiger beantragten, auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu erkennen und deren Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen. Das Landgericht verkündete sodann das Urteil.
7
2. Mit ihrer Verfahrensrüge beanstandet die Staatsanwaltschaft im Ergebnis zu Recht, dass die Strafkammer bei der Bemessung der Strafe von einer tatsächlich nicht bestehenden Bindung an die von ihr angenommene Zusicherung einer bewährungsfähigen Strafe ausgegangen ist.
8
Außerhalb einer Verständigung gemäß § 257c StPO besteht keine Bindung des Tatgerichts an den von ihm für den Fall des Zustandekommens einer Absprache in Aussicht gestellten Strafrahmen (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2011 – 1 StR 302/11, Rn. 45; Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 205/10; Urteil vom 30. Juni 2011 – 3 StR 39/11, NJW 2011, 3463, 3464); erst recht ist es nicht verpflichtet, die dort angesprochene Strafuntergrenze zu verhängen. Ein Fall des § 257c StPO liegt hier mangels Zustimmung der Staatsanwaltschaft indes nicht vor, wie auch das Landgericht nicht verkannt hat. Nachdem die Staatsanwaltschaft in den verständigungsbezogenen Vorgesprächen jeweils angekündigt hatte, ihre gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO erforderliche Zustimmung nicht zu erteilen, hat die Vorsitzende in den von ihr zu Protokoll gegebenen Vermerken zu Recht stets betont, dass eine Verständigung deshalb nicht zustande komme. Auch der am vierten Hauptverhandlungstag protokollierte Hinweis, dass die Strafkammer bei ihrer „Zusage“ nach dem letzten Rechtsgespräch bleibe, lässt sich trotz seiner missverständlichen Formulierung auf den in jenem Gespräch von ihr vorgeschlagenen Strafrahmen beziehen und belegt noch keine von ihr schon zu diesem Zeitpunkt als bindend verstandene Erklärung. Denn im unmittelbaren Fortgang der Verhandlung hat sie eine weitere verständigungsbezogene Erörterung durchgeführt, als deren Ergebnis die Vorsitzende erneut feststellte, dass es zu keiner Verständigung komme.
9
Aufgrund der Formulierung in dem Beweisbeschluss, wonach die Strafkammer dem Angeklagten eine zur Bewährung auszusetzende Strafe „zugesi- chert“ habe, ist jedoch zu besorgen, dass sie gleichwohl schon vor den Schlussvorträgen der Verfahrensbeteiligten und der nachfolgenden Urteilsberatung von der verbindlichen Zusage einer solchen Strafe ausgegangen ist. Für eine von ihr angenommene Selbstbindung spricht auch, dass sie für die knapp 13 Kilogramm Marihuana betreffende Einfuhrfahrt tatsächlich eine solche Strafe verhängt hat. Dies hat hier zu einer Verletzung von § 46 StGB geführt.
10
3. Auf dem Rechtsfehler beruht nur der Strafausspruch. Der Schuldspruch und die Einziehungsentscheidung sind von ihm nicht betroffen. Insbesondere war das Geständnis des Angeklagten verwertbar. Denn dieses hat er in einem Zeitpunkt abgelegt, in dem nur der in dem Verständigungsgespräch vom Landgericht vorgeschlagene Strafrahmen im Raum stand. Dies hat aber wegen der fehlenden Zustimmung der Staatsanwaltschaft und der dem Geständnis unmittelbar vorausgegangen ausdrücklichen Feststellung der Vorsitzenden , dass eine Verständigung nicht zustande gekommen sei, für den Angeklagten keinen rechtlich geschützten Vertrauenstatbestand begründen können.
11
4. Die von der Staatsanwaltschaft weiter erhobenen und auf eine fehlerhafte Strafzumessung abzielenden Verfahrensrügen sind unzulässig, da sie nicht den sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden Anforderungen entsprechen. Auch die Sachrüge, die einen den Schuldspruch betreffenden Rechtsfehler nicht aufzeigt, hat keinen über die Aufhebung des Strafausspruchs hinausgehenden Erfolg. Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten (vgl. § 301 StPO) sind nicht ersichtlich.
12
5. Die Sache bedarf daher zum Strafausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung. Ergänzend ist zu den Strafzumessungsgründen des angefochtenen Urteils zu bemerken:
13
a) Zu Recht hat die Beschwerdeführerin bemängelt, dass die von der Strafkammer im Rahmen der Strafrahmenwahl als besonders strafmildernd eingestellte Erwägung, die Drogenfahrt hätte aufgrund polizeilicher Überwachung schon in Tschechien gestoppt und damit verhindert werden können, weder von den Feststellungen noch von der Beweiswürdigung getragen wird.
14
b) Da der Angeklagte auf frischer Tat betroffen in einer unmittelbar anschließenden Beschuldigtenvernehmung ganz überwiegend seine Tatbeteiligung und weitere Einfuhrfahrten gestanden hat, ist nicht ohne Weiteres nachvollziehbar , weshalb ihm im Rahmen der konkreten Strafzumessung auch noch zugutegehalten worden ist, ohne sein in der Hauptverhandlung abgegebenes Formal-Geständnis (vgl. UA S. 5) hätte die Strafkammer umfangreiche Ermittlungen zu den Tathintergründen in der Tschechischen Republik anstellen müssen.
15
c) Schließlich hat die Strafkammer bei der Strafzumessung nicht erkennbar in den Blick genommen, dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen Kurierfahrt um den Teil einer Tatserie handelte und der Angeklagte erst am Vortag eine weitere Einfuhrfahrt vorgenommen hatte. Weil die Schuld des Täters in Bezug auf Einzeltaten durch eine Mehrheit von Taten erhöht werden kann, kann dieser – hier naheliegende – Umstand schon bei der Bemessung der Einzel- strafe und bei der Erwägung mit in Betracht gezogen werden, ob ein minder schwerer Fall bejaht werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2013 – 4 StR 467/12 mwN).
Mutzbauer Sander Schneider RiBGH Dr. Berger ist in- Mosbacher folge Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 25. Juli 2017 - 5 StR 176/17

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 25. Juli 2017 - 5 StR 176/17

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.
Bundesgerichtshof Urteil, 25. Juli 2017 - 5 StR 176/17 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

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(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

45
5. Die Strafzumessung weist für sich genommen keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Soweit die Revisionsführerin im Rahmen der Begründung ihrer Sachrüge vorbringt, das Landgericht habe, nachdem Verständigungsbemühungen gemäß § 257c StPO an fehlender Mitwirkung der Staatsanwaltschaft gescheitert waren, den drei Angeklagten jeweils eigenständig Strafobergrenzen zugesagt und dadurch die Obergrenzen der anzuwendenden Strafrahmen zu Unrecht verringert, veranlasst dies den Senat zu folgendem Hinweis: Eine der- artige „informelle“, d.h. außerhalb des gesetzlich geregelten, insbesondere eine Mitwirkung der Staatsanwaltschaft vorsehenden Verfahrens getroffene „Ver- ständigung“ allein zwischen Gericht und Angeklagten widerspräche der Straf- prozessordnung. Sie könnte weder eine gerichtliche Bindung an die in Aussicht gestellte Strafobergrenze noch einen durch den fair-trial-Grundsatz geschützten Vertrauenstatbestand bei den Angeklagten hervorrufen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR 274/11 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 39/11
vom
30. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. Juni
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Dr. Schäfer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Staatsanwalt (GL) - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung,
Rechtsanwalt - bei der Verkündung -
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 8. Oktober 2010, soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit einer Verfahrensbeschwerde und der allgemeinen Sachrüge. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.
2
Der Schuldspruch sowie die Festsetzung einer zweijährigen Freiheitsstrafe halten rechtlicher Nachprüfung stand. Die Entscheidung, diese Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung auszusetzen, kann hingegen nicht bestehen bleiben. Insoweit greift die Verfahrensrüge durch.
3
1. Ihr liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Am 3. Hauptverhandlungstag kam es - nachdem sich der Angeklagte bereits geständig eingelassen hatte - in Unterbrechung der Sitzung zu einer Erörterung über die Möglichkeiten einer Verständigung. An ihr nahmen die gesamte Strafkammer (einschließlich der Schöffen), der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft sowie sämtliche Verteidiger der insgesamt vier Angeklagten teil. Der Vorsitzende wies dabei den Verteidiger des Angeklagten sowie die Verteidigerin des Mitangeklagten M. darauf hin, dass eine Verständigung nur die beiden anderen Angeklagten betreffe. Die Angeklagten R. und M. bräuchten kein Verständigung , sie bekämen ja "sowieso Bewährung". Ohne einen Hinweis darauf zu geben, dass in Abweichung von dieser Aussage eine Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe beabsichtigt sei, verkündete die Strafkammer später das Urteil.
4
2. Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund des eindeutigen Vortrags der Verteidigung, der durch Erklärungen zweier anderer Verteidiger gestützt wird und dem die an dem Termin beteiligten Richter sowie der Staatsanwalt nicht entscheidend entgegengetreten sind. Der gegenteiligen Ansicht des Generalbundesanwalts vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der Strafkammervorsitzende hat erklärt, eine solche Zusicherung nicht abgegeben zu haben, aber nicht ausschließen zu können, dass durch seine Erklärung, an deren genauen Wortlaut er sich nicht mehr erinnere, bei den Verteidigern ein entsprechender Eindruck entstanden sei. Die beisitzenden Richter haben erklärt, eine genaue Erinnerung an den Wortlaut nicht zu haben. Einer von ihnen konnte nicht vollständig ausschließen, dass bei den Erörterungen der Begriff "Bewährung" gefallen ist. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft hat ebenfalls dargelegt, er könne sich an eine solche Äußerung des Vorsitzenden nicht erin- nern. Wäre sie gefallen, dann hätte er diese nicht unkommentiert gelassen, woraus er wiederum schließe, eine solche Erörterung habe nicht stattgefunden.
5
3. Vor diesem Hintergrund macht die Revision mit Recht geltend, dass das Landgericht den Angeklagten nicht zu einer Strafe ohne Strafaussetzung zur Bewährung hätte verurteilen dürfen, ohne diesen zuvor davon zu unterrichten , dass es entgegen der Ankündigung des Vorsitzenden beabsichtige, eine solche Strafe zu verhängen.
6
a) Allerdings begründet nicht jede Äußerung des Gerichts oder eines seiner Mitglieder, die im Laufe des Strafverfahrens abgegeben wird, ein berechtigtes Vertrauen des Angeklagten oder eines anderen Verfahrensbeteiligten dahin, dass von der darin zutage getretenen Einschätzung einer materiell- oder verfahrensrechtlich relevanten Frage nicht abgewichen wird, solange kein entsprechender Hinweis erteilt worden ist. Äußert sich etwa der Vorsitzende eines Spruchkörpers in einem Gespräch, das er im Lauf des Zwischenverfahrens mit dem Verteidiger des Angeklagten führt, zu einem denkbaren Ergebnis der Hauptverhandlung, so ist für den Angeklagten und seinen Verteidiger unschwer erkennbar, dass es sich hierbei um eine vorläufige, mit den übrigen Mitgliedern des Spruchkörpers nicht abgestimmte Beurteilung handelt, der schon für sich keinerlei Festlegung zukommt und der durch den Gang der Hauptverhandlung ohne weiteres die Grundlage entzogen werden kann. Ein Hinweis darauf, dass an der ursprünglichen Bewertung nicht mehr festgehalten wird, ist daher nicht erforderlich.
7
Anders liegt es hingegen dann, wenn die Äußerung geeignet ist oder gar darauf abzielt, die Verfahrensführung oder das Verteidigungsverhalten des Angeklagten zu beeinflussen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie bei fortge- schrittener Hauptverhandlung auf der Grundlage eines bereits weitgehend gesicherten Beweisergebnisses in (scheinbarer) Abstimmung mit den weiteren Gerichtspersonen abgegeben wird. Hier bedarf es in der Regel eines vorherigen Hinweises, wenn von dem Inhalt der Äußerung abgewichen werden soll.
8
Eine solche, dem Rechtsgedanken des § 265 StPO folgende, der prozessualen Fürsorgepflicht und Verfahrensfairness entsprechende Verpflichtung ist etwa im Bereich des Beweisantragsrechts anerkannt. Hat beispielsweise der Vorsitzende dem Angeklagten auf einen vor der Verhandlung angebrachten Beweisantrag mitgeteilt, die Entscheidung über den Antrag werde in der Verhandlung ergehen, so ist er entweder verpflichtet, dafür zu sorgen, dass diese Zusicherung eingehalten wird, sich das erkennende Gericht also mit dem Antrag befasst, oder er muss darauf hinweisen, dass der Antrag in der Hauptverhandlung zu wiederholen ist. Sofern nicht der Wille des Angeklagten, von dem Antrag ohnehin Abstand zu nehmen, zweifelsfrei erkennbar wird, kann eine Verletzung dieser Pflicht die Revision begründen. Nichts anderes gilt, wenn das Verhalten des Vorsitzenden in sonstiger Weise in einem Verteidiger den irrigen Glauben hervorruft, dass ein von diesem vor der Verhandlung eingereichter Antrag eine Sachlage geschaffen habe, die eine Wiederholung des Antrags nicht erforderlich mache. Erklärt der Vorsitzende etwa im Hinblick auf den vor der Hauptverhandlung angebrachten Beweisantrag, die dort aufgestellte Behauptung könne als wahr angenommen werden, so braucht der rechtskundige Verteidiger ohne entsprechenden Hinweis mit einer abweichenden Auffassung des erkennenden Gerichts nicht ohne weiteres zu rechnen (siehe insgesamt LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 123 mwN).
9
b) Nach diesen Maßstäben durfte das Landgericht den Angeklagten nicht zu einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe verurteilen, ohne zuvor auf diese Möglichkeit hinzuweisen.
10
Die Besonderheit des Falles liegt darin, dass nach zweitägiger Hauptverhandlung in Unterbrechung der Sitzung ein Gespräch aller Verfahrensbeteiligten zur Klärung der Frage stattgefunden hat, ob eine verfahrensbeschleunigende Absprache in Betracht kommt. Wenn in dieser Situation der Vorsitzende in Anwesenheit aller Beteiligten und ohne Widerspruch der übrigen Mitglieder des Spruchkörpers darauf verweist, es bedürfe für einen bestimmten Angeklagten keiner Verständigung, weil dieser "sowieso Bewährung" bekomme, erzeugt dies - zumal vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte seine Tatbeteiligung bereits vorher in der Hauptverhandlung eingeräumt hatte - einen erhöhten Grad an Vertrauen. Denn damit wird der Anschein gesetzt, die Strafkammer habe sich insoweit schon eine Überzeugung gebildet, weshalb es nicht mehr notwendig sei, weitere Argumente für die Annahme einer günstigen Sozialprognose und besonderer Umstände im Sinne von § 56 Abs. 1 und 2 StGB vorzubringen oder entsprechende Tatsachen unter Beweis zu stellen.
11
c) Die Ergänzungen der Strafprozessordnung durch das Verständigungsgesetz stehen diesem Ergebnis nicht entgegen.
12
Aus § 257c Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 4, Abs. 4 Satz 1 und 2, § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO lässt sich nicht etwa ableiten, dass sich der Angeklagte nur noch auf solche Aussagen des Gerichts in materiell- oder verfahrensrechtlicher Hinsicht verlassen darf, die zum Inhalt einer förmlich zustande gekommenen Verständigung und damit für das Gericht grundsätzlich bindend geworden sind. Diese Vorschriften regeln allein die formalen Bedingungen des Zustande- kommens einer Verständigung, die sich aus einer solchen Verständigung ergebende Bindung des Gerichts sowie die Voraussetzungen, unter denen das Gericht von dieser Bindung frei wird. Sie schließen es indes nicht aus, dass durch sonstige Äußerungen des Gerichts außerhalb des förmlichen Verständigungsverfahrens ein berechtigtes Vertrauen des Angeklagten in eine bestimmte Verfahrensweise des Gerichts oder ein bestimmtes Verfahrensergebnis begründet wird. Der Unterschied liegt in Folgendem: Während die vom Gericht im Rahmen einer Verständigung gegebenen Zusagen grundsätzlich bindend sind, kommt eine solche Bindungswirkung sonstigen Erklärungen selbst dann nicht zu, wenn diese ein berechtigtes Vertrauen des Angeklagten begründen. Sie verpflichten das Gericht lediglich, den Angeklagten darauf hinzuweisen, dass an der geäußerten Auffassung nicht mehr festgehalten wird, damit dieser sein Prozessverhalten auf die geänderte Ansicht des Gerichts einstellen kann. Schon aus diesem Grund geht der Hinweis des Generalbundesanwalts auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25. Oktober 2006 - 1 StR 487/06, bei Cierniak NStZ-RR 2009, 1 fehl. Es geht hier nicht um die Frage, ob das Landgericht aufgrund der Äußerung des Vorsitzenden nach dem fair-trial-Grundsatz gebunden war, eine Bewährungsstrafe zu verhängen, sondern allein um die Verpflichtung des Gerichts, den Angeklagten darauf hinzuweisen, dass es an der geäußerten Bewertung der Bewährungsfrage durch den Vorsitzenden nicht mehr festhalten wolle.
13
4. Auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht die Entscheidung über die Nichtaussetzung der Strafe zur Bewährung. Die Revision hat unter Benennung von fünf Zeugen und konkreten Beweisbehauptungen im Einzelnen vorgetragen , was der Angeklagte im Falle eines entsprechenden Hinweises hätte unter Beweis stellen können, um das Gericht von einer positiven Sozialprognose und vom Vorliegen besonderer Umstände (§ 56 Abs. 2 StGB) zu überzeugen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht aufgrund einer entsprechenden Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt wäre, trotz der Vielzahl von Vorstrafen des Angeklagten seien die Voraussetzungen für eine Strafaussetzung zur Bewährung gegeben. Die Sache muss deshalb in diesem Umfang erneut verhandelt und entschieden werden.
14
5. Das Urteil gibt Anlass zu dem Hinweis, dass die detailgetreue Wiedergabe des Bundeszentralregisterauszugs bei den Feststellungen zum Lebenslauf des Angeklagten untunlich ist. Die Urteilsgründe werden dadurch aufgebläht , ohne dass damit ein substantieller Erkenntniszuwachs verbunden ist. Es empfiehlt sich im Interesse der Konzentration auf das Wesentliche (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Februar 2009 - 1 StR 687/08, NStZ-RR 2009, 183 und vom 4. März 2009 - 1 StR 27/09), die Vorstrafen gestrafft und zusammengefasst darzulegen. Einer Mitteilung von genauen Tatzeiten bzw. den Zeitpunkten der Rechtskraft der Entscheidungen bedarf es nur in wenigen Ausnahmefällen, so z.B. wenn es um Fragen der Gesamtstrafenbildung oder der sog. Rückfallverjährung bei der Prüfung von Sicherungsverwahrung geht.
Becker Pfister von Lienen Schäfer Menges

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 467/12
vom
28. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. März
2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Mai 2012 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes, besonders schwerer räuberischer Erpressung in drei Fällen, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Betrug, wegen Betruges, Diebstahls in zwei Fällen, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie wegen falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
2
Das zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.


3
Zu den Straftaten des Angeklagten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Am 9. Juni 2011 mietete der Angeklagte bei einer Autovermietungsfirma in B. einen Pkw der Marke VW, Typ Golf, obwohl er wusste, dass er die Mietkosten in Höhe von etwa 700 € nicht würde bezahlen können. Als das Fahrzeug am 29. Juni 2011 von einem Bekannten des Angeklagten bei der Autovermietung zurückgegeben wurde, wies es Beschädigungen auf. Mietzahlungen leistete der Angeklagte – wie von Anfang an geplant – nicht.
5
2. Nach Anmietung des Fahrzeugs fuhr er mit diesem auf öffentlichen Straßen, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein.
6
3. In der Nacht zum 24. Juni 2011 veranlasste der Angeklagte den Inhaber eines bereits geschlossenen Lebensmittelgeschäfts durch Vortäuschen von Kaufabsicht zur erneuten Öffnung des Ladens. Nachdem der Angeklagte das Geschäft betreten hatte, folgten ihm einer vorherigen Absprache gemäß zwei mit schwarzen Tüchern maskierte Mittäter und richteten ihre mitgeführten Pistolen auf den Ladeninhaber. Nachdem dieser, vom Angeklagten dazu aufgefordert , aus Angst die Ladenkasse geöffnet hatte, entnahm ihr der Angeklagte Bargeld in Höhe von etwa 200 €. Ferner steckte er mehrere Stangen Zigaretten und das Mobiltelefon des Ladeninhabers ein, bevor er mit seinen Mittätern das Geschäft verließ und das erbeutete Geld und die Zigaretten zu gleichen Teilen aufteilte.
7
4. Am Nachmittag des 2. August 2011 verwickelte der Angeklagte die in einem Matratzengeschäft allein tätige Verkäuferin unter Vorspiegelung von Kaufinteresse in ein Kundengespräch, bis alle anderen Kunden die Geschäftsräume verlassen hatten. Vom Angeklagten über Mobiltelefon entsprechend informiert , betrat dem zuvor gefassten Tatplan gemäß ein vermummter Mittäter das Geschäft, ging mit einer vorgehaltenen Pistole auf die Verkäuferin zu, lud die Pistole durch und forderte die Aushändigung des Bargeldes. Aus Angst übergab ihm die Verkäuferin die Tageseinnahmen in Höhe von 875 €, mit denen der Mittäter fluchtartig das Geschäft verließ. Danach verließ auch der Angeklagte das Matratzengeschäft; die Beute wurde hälftig aufgeteilt. Die Verkäuferin musste sich auf Grund von Angststörungen in psychiatrische Behandlung begeben.
8
5. Am darauffolgenden Tag gegen 23.30 Uhr betrat der Angeklagte ein Sonnenstudio und verwickelte eine dort tätige Aushilfskraft in ein Gespräch. Wie zuvor abgesprochen, verständigte er über sein Mobiltelefon einen draußen wartenden Mittäter in einem für den geplanten Überfall günstigen Moment. Der vermummte Mittäter betrat daraufhin das Sonnenstudio, lud die Waffe vor dem Angestellten durch und forderte diesen zur Aushändigung der Geldbörse mit den Tageseinnahmen auf. Dem kam der Angestellte nach. Der Mittäter des Angeklagten flüchtete mit der Beute in Höhe von 311 €, die er später mit dem Angeklagten aufteilte.
9
6. Am Nachmittag des darauffolgenden Tages, des 4. August 2011, betrat der Angeklagte, wie zuvor mit seinem Mittäter abgesprochen, erneut das bereits zwei Tage zuvor überfallene Matratzengeschäft. Bei vergleichbarer Vorgehensweise erbeuteten der Angeklagte und sein Mittäter Bargeld in Höhe von 65 € und konnten unerkannt entkommen.
10
7. Am Abend des 2. Dezember 2011 hebelten der Angeklagte und sein Mittäter, der gesondert verfolgte M. H. , die Tür zu einem Bürogebäude am K. in B. auf und entwendeten aus den Räumlichkeiten zwei Laptops samt Zubehör, eine Spardose und eine Geldkassette mit Bargeld in Höhe von etwa 850 € sowie die Fahrzeugschlüssel für einen Pkw Ferrari, um diese Gegenstände für sich zu behalten bzw. gewinnbringend zu verkaufen.
11
8. Anschließend begaben sich beide auf den Hof des Bürogebäudes und entwendeten auf Grund eines neuen Tatentschlusses mit Hilfe der Fahrzeugschlüssel den dort geparkten Pkw Ferrari, um ihn für eigene Zwecke zu benutzen.
12
9. Noch am Abend desselben Tages befuhr der Angeklagte mit diesem Fahrzeug im Beisein seiner Freundin öffentliche Straßen in B. , obwohl er nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis war.
13
10. Zwei Tage später befuhr er mit diesem Pkw erneut öffentliche Straßen , um zu einer Tankstelle in B. -T. zu gelangen.
14
11. Dort betankte er den Pkw Ferrari mit 62,1 Liter Superbenzin zum Preis von 96,16 €, entfernte sich, wie von Anfang an geplant, ohne Bezahlung vom Tankstellengelände und flüchtete mit dem Pkw unter Benutzung öffentlicher Straßen ohne die erforderliche Fahrerlaubnis.
15
12. Am Abend des 23. Februar 2010 überquerte der Angeklagte mit einem Pkw Daimler Benz in der Innenstadt von B. mit unangemessen hoher Geschwindigkeit eine Kreuzung bei für ihn rotem Ampellicht. Zur gleichen Zeit wollte der fast blinde Geschädigte S. bei für ihn grünem Ampellicht die Straße überqueren. Das von dem Angeklagten geführte Fahrzeug erfasste ihn. Durch den Aufprall wurde der Geschädigte durch die Luft geschleudert und schlug auf die Fahrbahn auf. Er erlitt durch die Tat u.a. eine offene Ellenbogenfraktur und beidseitige Unterschenkelfrakturen. Bis Ende August 2010 musste er stationär im Krankenhaus und in einer Rehabilitationseinrichtung behandelt werden und ist seit dem Unfall auf einen Rollstuhl angewiesen. Ambulante ärztliche und therapeutische Behandlungen dauern an.
16
13. Obwohl der Angeklagte den Unfall mit dem Geschädigten bemerkt hatte, setzte er seine Fahrt im öffentlichen Straßenverkehr fort ohne seinen Feststellungspflichten zu genügen.
17
14. Als er noch am Abend desselben Tages von einem Polizeibeamten zu dem Unfall befragt wurde, gab er wahrheitswidrig an, nicht er, sondern sein Bruder sei der Fahrer des Tatfahrzeugs gewesen; er selbst sei lediglich Beifahrer gewesen. Dabei handelte er mit dem Bewusstsein und in der Absicht, von sich selbst als Täter abzulenken und gegen seinen Bruder ein polizeiliches Ermittlungsverfahren einleiten zu lassen. Auch an diesem Tag verfügte der Angeklagte nicht über eine gültige Fahrerlaubnis.
18
15. Obwohl der Angeklagte auch am 14. Februar 2011 nicht über die erforderliche Fahrerlaubnis verfügte, fuhr er bewusst und gewollt mit überhöhter Geschwindigkeit mit einem Kraftfahrzeug in B. auf öffentlichen Straßen.

II.


19
Der Rechtsfolgenausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
20
1. Die für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte nach dem in der Hauptverhandlung gewonnenen Gesamteindruck gegeneinander abzuwägen ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. In dessen Strafzumessung kann das Revisionsgericht daher nur dann eingreifen, wenn diese Rechtsfehler aufweist, weil sie einseitig, widersprüchlich oder unvollständig ist, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder – unter Berücksichtigung des weiten tatrichterlichen Ermessens – nicht mehr als gerechter Schuldausgleich angesehen werden kann. Nur in diesem Rahmen kann eine Verletzung des Gesetzes im Sinne von § 337 Abs. 1 StPO vorliegen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Liegt ein solcher Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die Strafzumessung des Tatrichters regelmäßig hinzunehmen (BGH, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320). Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle der tatrichterlichen Strafzumessung im Revisionsverfahren ist danach ausgeschlossen (Senatsurteil vom 5. April 2007 – 4 StR 5/07, wistra 2007, 341, 342). Das Revisionsgericht kann insbesondere nicht mit der Erwägung, ein strafzumessungserheblicher Umstand sei nicht genügend berücksichtigt worden , seine Bewertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters setzen.
21
2. Gemessen daran weist die Strafzumessung des angefochtenen Urteils durchgreifende Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf, die zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs zwingen.
22
a) Bereits die Annahme eines minder schweren Falles des Raubes bzw. der besonders schweren räuberischen Erpressung in den Fällen II. 3, 4, 5 und 6 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
23
So lässt der knappe Hinweis auf die bisherige Delinquenz, das Bewährungsversagen und das jeweils raffinierte und planvolle Vorgehen nicht erkennen , ob das Landgericht die erforderliche Gesamtwürdigung unter Einbeziehung aller für die Abwägung erheblichen Umstände vorgenommen hat. Dazu gehört hier vor allem die Tatsache, dass der Angeklagte nicht nur einen Raubüberfall begangen hat, sondern dass er kurz danach an drei aufeinanderfolgenden Tagen im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit unterschiedlichen Mittätern ähnliche Taten begangen hat, wobei er die Tatobjekte zur Begehung der Raubüberfälle ausgekundschaftet und die Taten unter Berücksichtigung der jeweils gegebenen Umstände geplant und ausgeführt hat. Dies drängt zu der Annahme, dass die Begehung dieser sowie der nunmehr insgesamt über 80 Straftaten durch den zur Zeit der tatrichterlichen Hauptverhandlung 25-jährigen Angeklagten nicht Ausdruck einer durch häufige Tatbegehung abgesunkenen Hemmschwelle war, sondern auf eine verfestigte rechtsfeindliche Gesinnung und damit auf eine erhöhte kriminelle Intensität schließen lässt, zumal der Angeklagte bislang mehrere Bewährungschancen nicht genutzt und bereits Jugendstrafe verbüßt hat. Dies war auch nicht erst bei der Bildung der Gesamtstrafe zu berücksichtigen. Da die Schuld des Täters in Bezug auf die Einzeltaten durch eine Mehrheit von Taten erhöht werden kann, ist dieser Umstand vielmehr auch bei der Bemessung der Einzelstrafe und schon bei der Er- wägung mit in Betracht zu ziehen, ob jeweils ein minder schwerer Fall bejaht werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271; Senatsurteil vom 23. Februar 1989 – 4 StR 8/89, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 7).
24
Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auch die Erwägung des Landgerichts, zu Gunsten des Angeklagten sei zu berücksichtigen, dass dieser bei den Taten gegenüber den Opfern unmaskiert aufgetreten sei. Damit wird der zu Lasten des Angeklagten berücksichtigte Umstand , er sei bei diesen Taten jeweils raffiniert und planvoll vorgegangen, nicht nur in widersprüchlicher und daher kaum nachvollziehbarer Weise relativiert (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 22. Oktober 1986 – 2 StR 516/86, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 4). Die Formulierung lässt auch besorgen, dass sich die Strafkammer den Blick dafür verstellt hat, dass die fehlende Maskierung gerade Bestandteil des mit erheblicher krimineller Energie erdachten Tatplanes war, wonach die jeweils Geschädigten zunächst durch Vortäuschen von Kaufabsicht in Sicherheit gewiegt werden sollten, um die anschließende Tatausführung unter Ausnutzung des Überraschungsmoments zu erleichtern.
25
b) Sowohl bei der Wahl der Strafrahmen als auch bei der Festsetzung der Einzelstrafen hat das Landgericht jeweils zu Gunsten des Angeklagten die vollzogene Untersuchungshaft berücksichtigt. Untersuchungshaft ist indes, jedenfalls bei Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe, kein Strafmilderungsgrund , es sei denn, mit ihrem Vollzug wären ungewöhnliche, über die üblichen deutlich hinausgehende Beschwernisse verbunden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2011 – 1 StR 407/11, NStZ 2012, 147; Urteil vom 19. Mai 2010 – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100; Urteil vom 19. Dezember 2002 – 3 StR 401/02, NStZ-RR 2003, 110, 111). Will der Tatrichter wegen besonde- rer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Untersuchungshaft bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden (BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645). Daran fehlt es hier, zumal die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten im Wesentlichen seit der Vollstreckung der letzten Jugendstrafe unverändert geblieben sind.
26
c) Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt hat (Fall II. 12 der Urteilsgründe ), muss die Rechtsfolge ebenfalls neu zugemessen werden.
27
Die verhängte Einzelstrafe von einem Jahr und zwei Monaten lässt besorgen , dass die Strafkammer dem Maß der persönlichen Schuld des Angeklagten sowie dem Unrechtsgehalt und der Gefährlichkeit der Tat nicht hinreichend Rechnung getragen hat.
28
Das Landgericht hat bei der Festsetzung dieser Strafe eine Reihe von Umständen zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, von denen bereits jeder für sich genommen in erheblichem Maße straferhöhend ins Gewicht fällt. Es hat insbesondere darauf abgestellt, dass der Angeklagte bereits mehrfach einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und die einer Vorverurteilung zu Grunde liegende Tat „erschreckende Ähnlichkeit“ mit der abgeurteilten Tat aufweist. Auch habe der Angeklagte bei Tatbegehung unter laufender Bewährung gestanden und mehrere Straftatbestände tateinheitlich verwirklicht. "Ganz erheblich strafschärfend" müsse sich ferner auswirken, dass der Geschädigte "in überdurchschnittlicher Weise unter den Tatfolgen leidet" und sich weiterhin umfangreichen ärztlichen und therapeutischen Behandlungen unterziehen müsse. Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen ist zu besorgen, dass die Strafkammer mit der Verhängung einer Einzelstrafe im unteren Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens unter Verkennung von Tatunrecht und -schuld den dem Tatrichter eingeräumten Beurteilungsrahmen unterschritten hat.
29
d) Zu Recht wendet sich die Beschwerdeführerin auch gegen die Erwägungen , die den Gesamtstrafausspruch des angefochtenen Urteils tragen.
30
Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Bildung einer Gesamtstrafe strafmildernd ins Gewicht fallen, dass zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1995 – 1 StR 463/95, BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 3 mwN). Auch bei der Bemessung einer Gesamtstrafe gilt jedoch, dass das Gesetz bei der Strafzumessung "von jedem Sche- matismus …" weit entfernt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt34, 345, 351). Vielmehr richtet es sich nach den Umständen des Einzelfalles, ob der genannte enge Zusammenhang bei der Gesamtstrafenbildung als bestimmender Strafzumessungsgrund im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO maßgeblich zu Gunsten des Täters zu werten und daher ausdrücklich zu erwägen ist oder nicht (BGH, Urteil vom 18. September 1995 aaO). Die strafmildernde Bedeutung dieses Umstandes beruht – etwa im Bereich von Sexualdelikten – darauf, dass die wiederholte Verwirklichung gleichartiger , gegen dasselbe Opfer gerichteter, einer persönlichen Beziehung entspringenden Taten nicht notwendig Ausdruck einer sich steigernden rechtsfeindlichen Einstellung sein muss; vielmehr kann die Hemmschwelle für die späteren Taten von Tat zu Tat niedriger geworden sein (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1995 aaO).
31
Vor dem Hintergrund der insbesondere zu den Taten des Raubes und der besonders schweren räuberischen Erpressung getroffenen Feststellungen lässt die Auffassung des Landgerichts, wegen des engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs dieser (und anderer) Taten sei ein besonders straffer Zusammenzug aller verhängten Einzelstrafen vorzunehmen, hier jedoch einen weiteren Wertungsfehler besorgen. Der Angeklagte hat innerhalb eines sehr kurzen Tatzeitraums, in den Fällen II. 4, 5 und 6 an drei aufeinanderfolgenden Tagen, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit unterschiedlichen Mittätern insgesamt drei verschiedene Tatobjekte zur Begehung von Raubüberfällen ausgekundschaftet, die Taten unter Berücksichtigung der jeweils gegebenen Umstände vor Ort geplant und in kurzer Folge ausgeführt. Danach liegt die Annahme, gerade diese Taten seien nicht der Ausdruck einer bei dem Angeklagten vorliegenden, sich steigernden rechtsfeindlichen Einstellung, auch angesichts seiner strafrechtlichen Vorbelastung und seines Bewährungsversagens fern.

III.


32
Auf den aufgezeigten Rechtsfehlern kann der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils insgesamt beruhen. Es ist nicht nur anzunehmen, dass der Tatrichter bei rechtsfehlerfreier Strafzumessung in den Fällen II. 3, 4, 5 und 6 nicht zur Annahme minder schwerer Fälle gekommen wäre. Vielmehr ist nicht auszuschließen, dass alle verhängten Einzelstrafen, die Gesamtfreiheitsstrafe und auch die angeordnete Sperrfrist deutlich höher ausgefallen wären.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Quentin Reiter