Bundesgerichtshof Urteil, 09. Nov. 2011 - 1 StR 302/11

bei uns veröffentlicht am09.11.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 302/11
vom 9. November 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Bestechlichkeit u.a.
zu 2. und 3.: Bestechung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
8. November 2011, in der Sitzung am 9. November 2011, an denen teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
- sämtliche Verteidiger nur am 8. November 2011 - ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Generalstaatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 19. Januar 2011 jeweils mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch zu den Taten II. 1. bis 3. des Urteils (Nr. 1 und 2 der Anklageschrift vom 23. August 2010),
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch. 2. Die weitergehende Revision hinsichtlich des Angeklagten H. wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Dresden zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht Leipzig hat den Angeklagten H. wegen Bestechlichkeit in drei Fällen (II. 1. bis 3. der Urteilsgründe = Nr. 1 b, 1 c und 2 b der Anklageschrift vom 23. August 2010), Untreue (II. 4. der Urteilsgründe = Nr. 3 der Anklageschrift), Bilanzfälschung in drei Fällen (II. 5. bis 7. der Urteilsgründe = Nr. 4 bis 6 der Anklageschrift) und Steuerhinterziehung in vier Fällen (II. 8. bis 11. der Urteilsgründe = Nr. 7 bis 10 der Anklageschrift) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und elf Monaten sowie die Angeklagten B. und S. jeweils wegen Bestechung in drei Fällen (II. 1. bis 3. der Urteilsgründe = Nr. 1 b, 1 c und 2 b der Anklageschrift) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten bzw. von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Betreffend allein den Angeklagten H. hat es einen Wertersatzverfall in Höhe von 2.561.874,26 € nur deshalb nicht angeordnet, weil dem Ansprüche von Verletzten entgegenstehen.
2
An einer Aburteilung der von der Generalstaatsanwaltschaft darüber hinaus erhobenen Vorwürfe der in zwei Fällen durch den Angeklagten H. (tateinheitlich jeweils mit einer - verurteilten - Bestechlichkeit) begangenen Untreue bzw. der durch die Angeklagten B. und S. hierzu geleisteten Beihilfe (Nr. 1 a und 2 a der Anklageschrift) hat sich das Landgericht jeweils gehindert gesehen, weil die Anklageschrift insofern unwirksam sei und sich der staatsanwaltschaftliche Verfolgungswille bei der zweiten Tat nicht auf die genannten Vorwürfe beziehe. Mit ihrer Revision wendet sich die Generalstaatsanwaltschaft gegen die Annahme fehlender Verfahrensvoraussetzungen, die Verurteilung wegen Untreue im Fall II. 4. der Urteilsgründe, die Strafzumessung insgesamt und die Nichtanordnung des Verfalls betreffend die Angeklagten B. und S. . Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat im tenorierten Umfang bereits mit der Sachrüge Erfolg. Auf die zudem erhobenen Verfahrensrü- gen kommt es danach nicht mehr an; zu ihnen hat jedoch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 10. Juni 2011 zutreffend Stellung genommen.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Der Angeklagte H. war im Tatzeitraum kaufmännischer Geschäftsführer der K. W. L. GmbH (KWL), die - wie auch die Mitangeklagten B. und S. wussten - ausschließlich im Bereich der Daseinsvorsorge, vor allem der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung tätig ist. Die beiden Mitangeklagten waren wirtschaftlich Berechtigter (B. ) bzw. Geschäftsführer (S. ) der Fa. V. P. G. (VPG). Unter Vermittlung der VPG wurde Ende Januar 2005 ein Leasingvertrag zwischen der Bayerischen Landesbank und der KWL über Teile von deren Abwassernetz abgeschlossen. Ein Teil des von der KWL für die Vertragsvermittlung zu zahlenden Provisionsbetrages in Höhe von 1.295.000 britische Pfund (GBP) floss vor dem 12. Mai 2005 an die im Frühjahr desselben Jahres von den Angeklagten B. und S. gegründete Fa. A. S. L. (ASL).
5
Bereits im März 2005 hatte der Angeklagte H. - ohne hierauf einen entsprechenden Anspruch zu haben - von den Mitangeklagten die Hälfte der an die ASL zu zahlenden Provision gefordert. Diese hatten ihm daraufhin eine Zuwendung in Höhe von 945.945 € zugesagt, die der Angeklagte H. am 12. Mai 2005 in Vaduz (Lichtenstein) bar erhielt und auf ein Konto der Fa. F. , deren wirtschaftlich Berechtigter er war, bei der Volksbank Vaduz einzahlte. Die Zuwendung erfolgte nach der Vorstellung der drei Beteiligten für die erfolgreiche Leasing-Transaktion; darüber hinaus sollte der Angeklagte H. , dem dies klar war, im Zusammenhang mit dem Abschluss künftiger Verträge im Rahmen des ihm als KWL-Geschäftsführer zustehenden weiten Ermessens zugunsten der VPG beeinflusst werden (Fall II. 1. der Urteilsgründe = Nr. 1 b der Anklageschrift).
6
Auf Vermittlung der Angeklagten B. und S. übernahm die durch den Angeklagten H. vertretene KWL durch am 8. Juni und 8. September 2006 sowie am 28. März 2007 abgeschlossene Verträge (Collateralized Debt Obligations – CDO) Kreditausfallrisiken im dreistelligen Millionenbereich. Der Angeklagte H. sorgte dafür, dass die Vertragsschlüsse ohne die eigentlich erforderliche Zustimmung des Aufsichtsrates erfolgten. Hierfür hatte er schon spätestens im Juni 2006 wiederum eine Beteiligung an der für die Vermittlung an die VPG zu zahlenden Provision gefordert. Ein Anteil wurde ihm von den beiden Mitangeklagten zugesagt und am 21. Juni 2006 auf deren Veranlassung in Höhe von 3.243.700 US-$ (= 2.567.843 €) auf das bereits zuvor verwendete Konto der Fa. F. in Vaduz eingezahlt (Fall II. 3. der Urteilsgründe = Nr. 2 b der Anklageschrift).
7
Weiterhin forderte der Angeklagte H. ebenfalls für vergangene bzw. künftige pflichtwidrige Diensthandlungen im Zusammenhang mit Transak- tionen von den beiden Mitangeklagten eine Zahlung von 150.000 € an den Fußballverein FC L. , dessen Aufsichtsratsmitglied er war. Der Betrag wurde am 9. Mai, 24. Mai und 10. Juni 2005 in drei Raten à 50.000 € jeweils als Spende deklariert von Konten der VPG auf ein Konto eines vom Angeklagten H. benannten Rechtsanwalts überwiesen; von dort wurden bis 10. August 2005 141.000 € auf ein Spendenkonto des genannten Vereins weitergeleitet (Fall II. 2. der Urteilsgründe = Nr. 1 c der Anklageschrift).
8
Der Angeklagte H. verwendete außerdem ein Verrechnungskonto bei der UBS-Bank in London, welches auf seine Veranlassung im Zusammenhang mit in den Jahren 2006 und 2007 für die KWL GmbH abgeschlossenen Finanzgeschäften (CDO) eingerichtet worden war, als sog. schwarze Kasse. Die vom 28. März 2007 bis Ende September 2008 dort eingegangenen Gelder in Höhe von insgesamt 10.635.146,29 € waren - wie das Konto selbst - bei der KWL GmbH niemandem außer dem Angeklagten bekannt, so dass dieser sie nach seinen Vorstellungen verwenden und zwischen Oktober 2008 bis Juni 2009 vollständig verbrauchen konnte (Fall II. 4. der Urteilsgründe = Nr. 3 der Anklageschrift).
9
Die CDO-Geschäfte fanden in den Jahren 2006 bis 2008 zudem keinen Eingang in die vom Angeklagten H. unterzeichneten Bilanzen der KWL GmbH, und zwar weder die gezahlten Prämien noch die entstandenen Überschüsse in Höhe von 7.600.000 € sowie 34.700.000 US-$. Dennoch versicherte er wahrheitswidrig, derivative Finanzinstrumente seien in den Büchern der Gesellschaft vollständig erfasst und den Wirtschaftsprüfern offen gelegt worden (Fälle II. 5. bis 7. der Urteilsgründe = Nr. 4 bis 6 der Anklageschrift).
10
Der Angeklagte H. erklärte schließlich weder die aus den Provisionen erlangten Beträge als sonstige Einkünfte noch die daraus in den Jahren 2005 bis 2008 erzielten Kapitalerträge in seinen Einkommensteuererklärungen für die betreffenden Jahre und verursachte hierdurch einen vom Landgericht im Einzelnen dargelegten Hinterziehungsschaden von insgesamt 1.644.195 € (Fälle II. 8. bis 11. der Urteilsgründe = Nr. 7 bis 10 der Anklageschrift).

II.

11
Der Senat ist für die Entscheidung über die Revision zuständig (1.). Die danach eröffnete Prüfung des Urteils ergibt, dass sich das Landgericht weder wegen Unwirksamkeit der Anklageschrift (2.) noch wegen fehlenden staatsanwaltschaftlichen Verfolgungswillens (3.) an einer Aburteilung der in der Anklageschrift unter Nr. 1 a und 2 a erhobenen Untreue-Vorwürfe gehindert sehen durfte. Es hätte daher über diese bzw. den Vorwurf der Beteiligung hieran entscheiden müssen. Indem es dies nicht getan hat, hat es seiner Kognitionspflicht (§ 264 StPO) nicht entsprochen und die angeklagten Taten nicht erschöpfend gewürdigt; dies stellt zugleich einen sachlich-rechtlichen Mangel dar (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2011 - 1 StR 194/11 mwN). Dem steht auch nicht entgegen , dass das Landgericht in seinem Eröffnungsbeschluss vom 9. November 2010 insoweit einen hinreichenden Tatverdacht verneint hat, weil hierdurch die Eröffnung des Hauptverfahrens und Zulassung der Anklageschrift die beiden prozessualen Taten insgesamt betreffend nicht gehindert wurde.
12
Während der Schuldspruch wegen der als Fall II. 4. der Urteilsgründe festgestellten Untreue des Angeklagten H. (4.) und die Strafzumessung für sich genommen nicht zu beanstanden sind (5.), wäre die unterbliebene Prüfung des Verfalls hinsichtlich der Angeklagten B. und S. ebenfalls rechtlich geboten gewesen (6.). Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im tenorierten Umfang (7.).
13
1. Nach einem entsprechenden Hinweis des Senats hat der Verteidiger des Angeklagten B. schriftlich und - ebenso wie der Verteidiger des Angeklagten S. - in der Hauptverhandlung die Zuständigkeit des Senats gerügt. Der Einwand greift nicht durch.
14
a) Der Senat ist zur Entscheidung über die den Angeklagten H. betreffende Revision zuständig, denn ihm sind nach dem Geschäftsplan des Bundesgerichtshofs für das Jahr 2011 (vgl. www.bundesgerichtshof.de) namentlich die Revisionen in Steuerstrafsachen zugewiesen. Allerdings hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 10. Juni 2011 zutreffend dargelegt, dass der - bei Zweifeln über den Umfang einer Revision maßgeblichen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2011 – 1 StR 153/11) - Begründung der Revision trotz des umfassenden Aufhebungsantrages zu entnehmen ist, dass die Generalstaatsanwaltschaft die Verurteilung des Angeklagten H. wegen der Bilanzfälschungs- und Steuerhinterziehungsdelikte nicht angreifen möchte (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2011 - 4 StR 571/10 = StV 2011, 453).
15
Die Auslegung des Rechtsmittels ergibt, dass jedoch die insofern verhängten Einzelstrafen angefochten sind. Denn die Generalstaatsanwaltschaft hat im Rahmen der Rüge sachlichen Rechts näher dargelegt, weshalb das Landgericht nach ihrer Ansicht im Urteil rechtsfehlerhaft nicht alle für seine Strafzumessung bestimmenden Umstände angeführt hat. Der geltend gemachte Einwand, das Landgericht habe durch - außerhalb einer formgerechten Absprache - zugesicherte Strafobergrenzen „den gesetzlichen Strafrahmen nicht ausschöpfen“ können, bezieht sich auf die verhängten Einzelstrafen insgesamt, also auch auf die wegen der Steuerhinterziehungen ausgesprochenen. Da somit die deliktsspezifische Strafzumessung und nicht lediglich noch die Bildung einer Gesamtstrafe (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2010 - 1 StR 614/10) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, handelt es sich bei dem eingelegten Rechtsmittel um ein solches in einer Steuerstrafsache. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die Rüge mit Aussicht auf Erfolg vorgetragen wird (hierzu 5.).
16
b) Aus der Zuständigkeit des Senats für die Revision hinsichtlich des Angeklagten H. folgt wegen des bestehenden Sachzusammenhangs (§ 3 StPO; vgl. Ullenbruch in Radtke/Hohmann, StPO, § 3 Rn. 7 f.) auch seine Zuständigkeit für die Entscheidung über die Revisionen gegen das angefochtene Urteil, soweit dieses die Angeklagten B. und S. betrifft.
17
c) Der Senat bemerkt, dass - zumal bei einer Revision der Generalstaatsanwaltschaft - der Revisionsantrag deckungsgleich mit den Ausführungen zur Revisionsbegründung sein sollte. Das Revisionsverfahren wird nicht unerheblich erleichtert, wenn der Umfang der Anfechtung nicht erst durch Auslegung der Revisionsbegründung ermittelt werden muss (BGH, Urteil vom 8. November 2006 - 1 StR 441/06 mwN).
18
2. Das Landgericht hat hinsichtlich der von ihm nicht geprüften Untreuedelikte bzw. der hierzu geleisteten Beihilfe zu Unrecht das Verfahrenshindernis einer insoweit unwirksamen Anklageschrift angenommen.
19
a) Die Generalstaatsanwaltschaft hat dem Angeklagten H. mit ihrer Anklageschrift vom 23. August 2010 einerseits (dort Nr. 1 a) zur Last gelegt, als Geschäftsführer der KWL Teile des Abwassernetzes durch vom 31. Januar bis 15. Juni 2005 geschlossene Verträge in ein sog. UK-Lease eingebracht und dabei dem Aufsichtsrat pflichtwidrig insbesondere die Zwischengesellschaften - die als Briefkastenfirmen fungierenden „Hu. “ und „Co. “ - einbeziehende Leasingstruktur und den Umstand verheimlicht zu haben, dass in die Transaktion ein überflüssiger „Credit Default Swap“ eingebunden war, mit dem die KWL ge- genüber der Bayerischen Landesbank für einen Ausfall der Hu. , deren Zahlungsverpflichtungen wenigstens 134.000.000 GBP betrugen, bürgte. Aus den Verträgen an sich der KWL als sog. Barwertvorteil zustehende Gelder von 5.140.560 € seien bis Mitte 2005 über ein als „schwarze Kasse“ dienendes Transaktionskostenkonto der „Co. “ auf Konten anderer Firmen „umgeleitet“ worden. Hinter den beiden Briefkastenfirmen hätte die von den Angeklagten B. und S. beherrschte VPG gestanden.
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Zum anderen hat die Generalstaatsanwaltschaft dem Angeklagten H. vorgeworfen (Nr. 2 a der Anklageschrift), die für die KWL höchst risikobehafteten , mit dem Unternehmenszweck nicht vereinbaren CDO-Verträge am 8. Juni und 8. September 2006 sowie am 28. März 2007 satzungswidrig, nämlich ohne vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung und des Aufsichtsrats abgeschlossen, ferner eine „Wette“ auf einen geringen Risikoaus- fall zulasten der KWL in mehrstelliger Millionenhöhe eingegangen sowie am 14. Juni 2006 völlig überhöhte Provisionen von 21,1 Millionen US-$ und 6,4 Mil- lionen € vereinbart und diese Summen an der KWL vorbei am 9. Juni bzw. 12. September 2006 auf zwei Konten der Wilmington-Trust-Bank in die USA geleitet zu haben. Auf diese Konten hätten die Angeklagten B. und S. , die beim Abschluss der CDO-Verträge beratend und unterstützend tätig geworden seien, aufgrund einer u.a. von ihrem Mitangeklagten unterschriebenen Vollmacht ungehindert Zugriff gehabt. Letztlich sei der KWL allein durch die Provisionsvereinbarungen ein Schaden von umgerechnet mindestens 13.662.900 € entstanden.
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Das Verhalten des Angeklagten H. hat die Generalstaatsanwaltschaft als jeweils in Tateinheit mit den unter Nr. 1 b und c bzw. 2 b der Anklageschrift beschriebenen und vom Landgericht festgestellten Bestechlichkeitstaten begangene Untreuehandlungen bewertet. Hierzu hätten die Angeklagten B. und S. - tateinheitlich zu ihren Bestechungen - Beihilfe geleistet.
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b) Hinsichtlich der bezeichneten Untreuevorwürfe liegt nach Auffassung des Landgerichts „wegen Verstoßes gegen § 184 GVG keine wirksame Ankla- ge“ vor. Da die Gerichtssprache deutsch sei, dürften „keinem Angeklagten Beweismittel in einer fremden Sprache … aufgezwungen werden …, auch nicht durch fremdsprachige Urkunden“, die daher „mit der Anklageerhebung … in deutscher Sprache vorzuliegen“ hätten. Eine Anklageschrift, die Passagen fremdsprachiger Schriftstücke enthalte oder sich zumindest teilweise auf nicht übersetzte fremdsprachige Schriftstücke stütze, sei mit einem Verfahrensman- gel behaftet. Dieser „funktionale Mangel“ führe jedenfalls dann zu einem Verfahrenshindernis , wenn sich die Anklageschrift mit dem Inhalt der Urkunden auseinandersetze oder dieser von hohem Belang für die Bewertung der Vorwür- fe sei, also wenn „die Staatsanwaltschaft aus dem Inhalt und dem Wortlaut der Urkunden selbst die Unrechtsvorwürfe herleiten“ wolle.
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Diese Voraussetzungen hat das Landgericht vorliegend als erfüllt angesehen. Die Unterlagen zu dem Leasinggeschäft sowie zu den Provisionsvereinbarungen seien ausschließlich in englischer Sprache vorgelegt worden (Nr. 1 a der Anklageschrift). Von den in den Jahren 2006 und 2007 abgeschlossenen CDO-Verträgen habe die Staatsanwaltschaft nur zwei in die deutsche Sprache übersetzen lassen. Jedoch seien auch die englischsprachigen Verträge „in der Auflistung der Beweismittel enthalten, die nur die für die Aufklärung des Sachverhaltes und für die Beurteilung des Angeklagten wesentlichen Beweismittel aufführen soll (vgl. Nr. 111 Abs. 1 RiStBV)“.
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c) Diese Bewertung war rechtsfehlerhaft. Denn die Anklageschrift wird nicht nur ihrer Umgrenzungsfunktion gerecht, sondern sie leidet auch sonst an keinem zu einem Verfahrenshindernis führenden Mangel.
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Ein Verfahrenshindernis wegen Nichterfüllung der Umgrenzungsfunktion liegt nicht vor. Nach der den Anforderungen des § 200 Abs. 1 StPO entsprechenden Anklage stehen die angeschuldigten Personen und die historischen Geschehen, die Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung sein sollen, und damit der Prozessgegenstand hinreichend deutlich fest (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 - 1 StR 94/98 = BGHSt 44, 153, 154 f.; Urteil vom 9. August 2011 - 1 StR 194/11 mwN). Das gilt insbesondere für die wesentlichen Abläufe der verschiedenen Taten und deren zeitliche Eingrenzung. Insofern verweist der Senat auf die oben zu a) dargelegten Einzelheiten, die sämtlich dem noch weitaus ausführlicheren konkreten Anklagesatz (dort S. 5 f., 7 f.) der Anklageschrift vom 23. August 2010 entnommen sind.
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Einer Anklageschrift kommt darüber hinaus eine Informationsfunktion zu. Im Hinblick darauf wäre es vorliegend beispielsweise geboten gewesen, die näheren Umstände der Abschlüsse der Verträge, insbesondere deren genaue Ausgestaltung darzulegen. Es ist jedoch anerkannt, dass insoweit bestehende Defizite grundsätzlich nicht zu einem Verfahrenshindernis führen, diese vielmehr im weiteren Verfahrensverlauf insbesondere durch gerichtliche Hinweise zur Gewährung rechtlichen Gehörs behoben werden können (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 - 1 StR 94/98 = BGHSt 44, 153, 156).
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Sonstige Mängel, etwa im Aufbau, in der Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen oder im Äußeren der Anklageschrift machen diese ebenfalls nicht unwirksam und begründen deshalb kein Verfahrenshindernis (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 200 Rn. 27).
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Aber auch gemessen an den Anforderungen des - vom Landgericht als verletzt angesehenen - § 184 GVG leidet die vorliegende Anklageschrift unter keinem Mangel, der zudem von besonderem Gewicht sein müsste, um die An- nahme eines Verfahrenshindernisses rechtfertigen und damit dem Fortgang des Verfahrens insgesamt entgegenstehen zu können.
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Gemäß § 184 GVG ist die Gerichtssprache deutsch. Die Regelung betrifft auch Zuschriften an das Gericht und namentlich staatsanwaltschaftliche Anklageschriften (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 184 GVG Rn. 3). Die Generalstaatsanwaltschaft hat jedoch dieser gesetzlichen Vorgabe hinreichend entsprochen. Die Anklageschrift vom 23. Oktober 2010 ist in allen maßgeblichen Teilen in deutscher Sprache verfasst worden. Dies gilt speziell für den gesamten Anklagesatz und das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen. In diese werden weder nichtdeutsche Texte durch ausdrückliche Bezugnahme quasi integriert noch enthalten sie gar eigenständig englisch- oder sonst fremdsprachige Passagen. Soweit die drei folgenden Ausnahmen bestehen, stellen diese unter dem Gesichtspunkt des § 184 GVG keinen Mangel der Anklageschrift dar:
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Bei den an den diversen relevanten Verträgen und Vorgängen Beteiligten handelt es sich häufig um im englischen Sprachraum angesiedelte Firmen. Soweit sie in der Anklageschrift ausdrücklich benannt werden, wird der von ihnen gewählte Name verwendet (z.B. „G. “, „V. P. G. “, „Co. “, „F. “). Es versteht sich - wie bei in Anklagen bezeichneten Privatpersonen, deren Name schon zur Vermeidung von Missverständnissen nicht übersetzt werden muss (z.B. „Blackwood“ oder „Whitehouse“) - von selbst, dass es insofern selbst dann kei- ner Übersetzung ins Deutsche bedurfte, wenn diese möglich gewesen wäre.
31
Nichts anderes gilt für in der Anklageschrift erwähnte Ortsangaben (etwa „British Virgin Islands“), die zweckmäßigerweise unübersetzt bleiben durften.
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Schließlich wird ein Teil der durchgeführten Geschäfte bzw. der dabei verwendeten Papiere mit englischen Bezeichnungen beschrieben (z.B. „Cross- Border-Leasing“, „UK-Lease“, „Credit Default Swap“, „Collateralized Debt Obli- gations“). Insoweit kann offen bleiben, ob es sich bei den verwendeten Begriffen nicht schon um im deutschen Wirtschafts- und Bankbereich ohnehin gängige Bezeichnungen handelt, deren Übersetzung bereits deshalb nicht geboten oder gar zu vermeiden war. Jedenfalls werden sämtliche relevanten Vorgänge schon im konkreten Anklagesatz in deutscher Sprache unmissverständlich klar erläutert, so dass keiner der - bezüglich der vom Landgericht festgestellten Taten im Übrigen geständigen - Angeklagten über die Art der in Rede stehenden wirtschaftlichen Vorgänge und über die vor diesem Hintergrund erhobenen Vorwürfe im Zweifel und in seiner Verteidigung beeinträchtigt sein konnte (zu diesem Gesichtspunkt BGH, Urteil vom 17. August 2000 - 4 StR 245/00 = BGHSt 46, 130, 134).
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Ist die Anklageschrift somit in allen wesentlichen Teilen in Deutsch verfasst , so verstößt es nicht gegen § 184 GVG, wenn sie inhaltlich auf in einer fremden Sprache errichteten Urkunde fußt. Diese werden hierdurch nicht etwa zu ihrem „integralen Bestandteil“ mit der Folge, dass die Anklageschrift wegen eines „funktionalen“ Mangels als Prozessvoraussetzung unwirksam ist (vgl. Eschelbach, HRRS 2007, 466, 469 f.). Die Bestimmung betrifft vielmehr außerhalb des Verfahrens entstandene, ggf. als Beweismittel in Betracht kommende Schriftstücke gerade nicht (Wickern in Löwe/Rosenberg, 26. Aufl., § 184 GVG Rn. 5). Sie zwingt die Staatsanwaltschaft insbesondere nicht dazu, derartige Urkunden bei Erhebung der Anklage nicht nur in der Ursprungssprache, sondern zudem in deutscher Übersetzung vorzulegen (vgl. Wickern in Löwe/ Rosenberg, 26. Aufl., § 184 GVG Rn. 5 und 17 a.E.; Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht , 3. Aufl., § 184 GVG Rn. 5).
34
Dies wäre in vielen Fällen zudem wenig prozessökonomisch. Denn zu diesem Zeitpunkt ist es offen, ob sie im Wege des Strengbeweises in die Hauptverhandlung eingeführt werden müssen. Häufig wird das Tatgericht aufgrund der (namentlich geständigen) Angaben des Angeklagten oder auf der Basis der im Übrigen erzielten Beweislage gar nicht oder nur zu einem Teil auf die den erhobenen Vorwurf betreffenden Urkunden zurückgreifen müssen. Erst wenn dies von der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) geboten wird, sind sie von einem Sachverständigen zu übersetzen (Wickern in Löwe/Rosenberg, 26. Aufl., § 184 GVG Rn. 5; s. auch BGH, Urteil vom 29. Mai 1985 - 2 StR 804/84 = NStZ 1985, 466; BGH, Urteil vom 9. Juli 1991 - 1 StR 666/90; jeweils zur - erst - in der Hauptverhandlung erfolgten Übersetzung von Mitschnitten in ausländischer Sprache geführten Telefonaten). § 184 GVG selbst verlangt jedenfalls nicht, sämtliche anfallenden Aktenteile von Amts wegen in die deutsche Sprache übersetzen zu lassen (BGH, Urteil vom 22. Juli 1980 - 1 StR 804/79; s. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. März 1986 - 1 Ws 182/86 = JZ 1986, 508).
35
Daraus folgt zugleich, dass fremdsprachige Urkunden - wie hier - in ihrer Originalbezeichnung in der Liste der Beweismittel aufgeführt werden dürfen. Denn die Aufnahme eines Beweismittels zeigt nur, dass die Staatsanwaltschaft es als entscheidungserheblich ansieht, und gewährleistet nicht seine spätere Verwendung in der mündlichen Hauptverhandlung.
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Allerdings werden in anderen Prozessordnungen und anderen strafprozessualen Verfahrensarten an ein Gericht adressierte Schriftsätze wegen Verstoßes gegen § 184 GVG als unzulässig angesehen, wenn sie auf ihnen beigefügte nichtdeutsche Urkunden verweisen. Dies findet aber seinen Grund in den abweichenden Verfahrensregelungen. Diese Handhabung lässt sich folglich auf die Anklageschrift nicht übertragen. Denn diese zielt auf die spätere, insbesondere durch das Mündlichkeitsprinzip und die gerichtliche Pflicht zu umfassender Aufklärung geprägte Hauptverhandlung ab. Hierin besteht ein wesentlicher Un- terschied beispielsweise zum Klageerzwingungsverfahren, das mit einem Beschluss endet (§§ 174, 175 StPO). In diesem herrscht zudem - wie insbesondere auch im Zivilprozessverfahren, in dem das Gericht von einer Partei eine Übersetzung verlangen kann (§ 142 Abs. 3 ZPO) - der Beibringungsgrundsatz mit der Folge, dass ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung unzulässig ist, wenn zur Ergänzung des Sachvortrags nicht in Deutsch verfasste Urkunden in Bezug genommen werden (vgl. ausdrücklich OLG Stuttgart, Beschluss vom 21. Februar 2007 - 1 Ws 47/07 = NStZ 2007, 664).
37
3. Darüber hinaus hat das Landgericht zu Unrecht angenommen, es brauche nicht zu entscheiden, ob es sich bei den unter Nr. 2 a der Anklageschrift angesprochenen zwei Konten bei der Wilmington-Trust-Bank um eine vom Angeklagten H. mit Hilfe der beiden Mitangeklagten eingerichtete „schwarze Kasse“ handele und die Angeklagten dadurch eine Untreue began- gen bzw. hierzu Beihilfe geleistet haben. Denn das die Einrichtung und Nutzung dieser Konten betreffende Geschehen war vom staatsanwaltschaftlichen Verfolgungswillen umfasst.
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Im konkreten Anklagesatz wird dargelegt (S. 8 der Anklageschrift), dass die „im Zusammenhang mit dem Abschluss der ersten beiden CDS/CDO- Transaktionen entstandenen Überschüsse … komplett als Provisionen von 21,1 Mio. US-$ am 09.06.2006 und von 6,4 Mio. EUR am 12.09.2006 auf zwei Konten der Wilmington-Trust-Bank in den USA“ geflossen seien. Für diese „formal“ der KWL zugeordneten Konten hätten die Angeklagten B. und S. eine umfangreiche Vollmacht u.a. des Angeklagten H. besessen, „mit der sie beliebig und unkontrolliert über die Gelder verfügen konnten“. Der KWL sei „allein durch die Provisionsvereinbarungen ein Schaden … zwischen 13.662.900 EUR und 22.868.900 EUR“ entstanden.
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Mit der Aufnahme eines tatsächlichen Geschehens in den Anklagesatz bringt die Staatsanwaltschaft regelmäßig zum Ausdruck, dieses Geschehen verfolgen zu wollen. Die gesamten im Anklagesatz beschriebenen geschichtlichen Vorgänge bilden daher den Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung. Etwas anderes gilt namentlich dann, wenn dem Anklagesatz oder den Ausführungen zum wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen eindeutig entnehmen lässt, dass die Staatsanwaltschaft ein bestimmtes, als selbständige prozessuale Tat (§ 264 StPO) zu wertendes Geschehen gerade nicht der Kognition des Gerichts unterwerfen will (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 1995 - 2 StR 157/95 = NStZ 1995, 500).
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Ein derartiger Ausnahmefall ist nicht gegeben. Er lässt sich entgegen der landgerichtlichen Ansicht (UA S. 38 f.) insbesondere nicht aus der für den An- klagepunkt 2 a) gewählten Überschrift „CDS-/CDO-Transaktionen - Provisionen“ ableiten. Denn die in der Überschrift durch den Gedankenstrich vorge- nommene Differenzierung zwischen den bezeichneten Transaktionen einerund den Provisionen andererseits deutet vielmehr darauf hin, dass es der Generalstaatsanwaltschaft auf die Verfolgung beider Komplexe ankommt. Dafür spricht außerdem, dass die Vorgänge um die Provisionen im konkreten Anklagesatz nahezu ebenso ausführlich dargestellt werden wie die Umstände und Folgen der CDS-/CDO-Transaktionen.
41
Gegen den Verfolgungswillen der Generalstaatsanwaltschaft spricht schließlich nicht, dass sie bei der von ihr im Rahmen des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen vorgenommenen rechtlichen Würdigung der Untreuedelikte lediglich zwei andere Konten, nicht aber diejenigen bei der Wilmington-Trust-Bank als „schwarze Kassen“ (s. hierzu BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - 5 StR 299/03 = BGHSt 49, 317; BGH, Urteil vom 29. August 2008 - 2 StR 587/07 = BGHSt 52, 323; BGH, Urteil vom 27. August 2010 - 2 StR 111/09 = NStZ 2010, 700) kategorisiert hat. Denn abgesehen davon , dass es Aufgabe des Gerichts ist, die ihm zur Beurteilung unterbreitete Tat rechtlich umfassend zu würdigen (§§ 155 Abs. 2, 264 Abs. 2 StPO), ließen die staatsanwaltschaftlichen Rechtsausführungen nicht den Schluss zu, das im konkreten Anklagesatz ausführlich dargelegte Geschehen um die Konten bei der Wilmington-Trust-Bank solle nicht verfolgt werden. Denn dieses wurde dort nicht nur beiläufig oder lediglich zum besseren Verständnis geschildert, sondern betraf den verschleiernden Fluss der Provisionen und damit einen wesentlichen Teil des verwirklichten Unrechts. In Übereinstimmung hiermit beziffert die Generalstaatsanwaltschaft nicht nur am Ende des konkreten Anklagesatzes zu 2 a) den der KWL durch die Provisionsvereinbarungen - und nicht nur durch die vor- und nachher durchgeführten „CDS-/CDO-Transaktionen“ - (tatsächlich) zuge- fügten finanziellen Nachteil, sondern bezeichnet diesen im Rahmen des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen, das zur Ergänzung und Auslegung des Anklagesatzes herangezogen werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2011 - 1 StR 194/11 mwN), ausdrücklich als „Untreueschaden“ (S. 21 f.).
42
Unabhängig davon wäre das Landgericht aber schon deshalb verpflichtet gewesen, die Vorgänge - hinsichtlich derer von § 154a Abs. 2 StPO nicht Gebrauch gemacht worden war - um die Provisionszahlungen rechtlich umfassend zu würdigen, weil diese ihm jedenfalls zur Begründung einer Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit bzw. Bestechung zur Beurteilung unterbreitet worden waren (Nr. 2 b der Anklageschrift). Dementsprechend hat es das Fordern einer Provision durch den Angeklagten H. „spätestens im Juni 2006“ und deren durch die Mitangeklagten veranlassten Eingang auf einem ihm zugänglichen Konto am 21. Juni 2006 festgestellt und rechtsfehlerfrei als Bestechlichkeit bzw. Bestechung verurteilt.
43
Zu diesem Lebenssachverhalt gehörten aber auch die Wege, auf denen diese Zuwendung erfolgt ist. Insofern teilt die Anklageschrift mit, es seien am 9. Juni 2006 zunächst 21,1 Mio. US-$ auf die bei der Wilmington-Trust-Bank geführten Konten gelangt (Nr. 2 a der Anklageschrift). Angesichts dieser engen sachlichen und zeitlichen Verknüpfung handelte es sich bei den bezeichneten Abläufen um eine Tat im prozessualen Sinn. Deren einheitliche Untersuchung und Aburteilung war daher nicht nur - wie das Landgericht selbst einräumt - „sinnvoll“ (UA 40), sondern geboten, weil eine prozessuale Tat nicht nach Tat- beständen differenziert, sondern umfassend, hier also auch unter dem Gesichtspunkt der Untreue, zu würdigen ist, um dem verwirklichten Unrechts- und Schuldgehalt gerecht zu werden. Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn die in Betracht kommenden Delikte - wovon die Anklageschrift naheliegend ausgeht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2001 - 3 StR 549/00 = BGHSt 47, 22, 26) - aus materiell-rechtlicher Sicht in Tateinheit zueinander verwirklicht worden sein könnten, so dass sich eine Aburteilung in getrennten Verfahren ohnehin verbieten würde (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2001 - 2 StR 513/00 = BGHSt 47, 68,

82).

44
4. Der von der Generalstaatsanwaltschaft ohne Begründung angegriffene Schuldspruch wegen der als Fall II. 4. der Urteilsgründe festgestellten Untreue des Angeklagten H. hält rechtlicher Überprüfung stand. Die Verfahrensrügen betreffen diesen Teil des Urteils nicht.
45
5. Die Strafzumessung weist für sich genommen keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Soweit die Revisionsführerin im Rahmen der Begründung ihrer Sachrüge vorbringt, das Landgericht habe, nachdem Verständigungsbemühungen gemäß § 257c StPO an fehlender Mitwirkung der Staatsanwaltschaft gescheitert waren, den drei Angeklagten jeweils eigenständig Strafobergrenzen zugesagt und dadurch die Obergrenzen der anzuwendenden Strafrahmen zu Unrecht verringert, veranlasst dies den Senat zu folgendem Hinweis: Eine der- artige „informelle“, d.h. außerhalb des gesetzlich geregelten, insbesondere eine Mitwirkung der Staatsanwaltschaft vorsehenden Verfahrens getroffene „Ver- ständigung“ allein zwischen Gericht und Angeklagten widerspräche der Straf- prozessordnung. Sie könnte weder eine gerichtliche Bindung an die in Aussicht gestellte Strafobergrenze noch einen durch den fair-trial-Grundsatz geschützten Vertrauenstatbestand bei den Angeklagten hervorrufen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR 274/11 mwN).
46
Das gerügte gerichtliche Vorgehen lässt sich jedoch ausschließlich dem staatsanwaltschaftlichen Revisionsvorbringen, nicht aber dem mit der Sachrüge dem Senat allein zur Prüfung unterbreiteten schriftlichen Urteil entnehmen. Eine Verfahrensrüge ist insoweit nicht ausdrücklich erhoben worden. Einer grundsätzlich möglichen Umdeutung der Sachrüge in eine entsprechende Verfahrensrüge steht entgegen, dass diese bereits unzulässig wäre, weil der diesbezügliche Vortrag nicht alle zur revisionsgerichtlichen Prüfung notwendigen Tatsachen mitteilen und daher den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht entsprechen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2011 - 1 StR 153/11; Hanack in Löwe/Rosenberg, 25. Aufl., § 344 Rn. 72). Beispielsweise wird nicht vorgetragen, mit welcher Begründung die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung den ursprünglichen, dem nunmehr gerügten Procedere vorausgehenden landgerichtlichen Verständigungsvorschlag abgelehnt hat.
47
6. Die Revision rügt dagegen zu Recht, dass das Landgericht nicht umfassend geprüft hat, ob auch hinsichtlich der Angeklagten B. und S. die Voraussetzungen des Verfalls bzw. des Wertersatzverfalls vorliegen. Denn das Landgericht hat sich dabei infolge seiner - unzutreffenden - Annahme von Verfahrenshindernissen bezüglich der angeklagten Untreuetaten auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob die Angeklagten B. und S. durch ihre an den Mitangeklagten geleisteten Bestechungszahlungen unmittelbar „etwas“ i.S.d. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt haben, und dies verneint (UA S. 51). Damit aber hat es jedenfalls die Möglichkeit außer Betracht gelassen, dass die beiden Angeklagten durch die dem Angeklagten H. zur Last gelegten Untreue- handlungen „etwas“, nämlich zumindest Teile der von diesem gezahlten Provi- sionen erlangt haben; nach der Anklageschrift sollen sie hierzu - in Tateinheit zu zwei ihrer Bestechungstaten stehend (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11. Mai 2001 - 3 StR 549/00 = BGHSt 47, 22, 26; s. auch BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05 = BGHR StGB § 299 Abs. 1 Konkurrenzen 1) - Beihilfe geleistet haben.
48
7. Die bezeichneten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils, soweit das Landgericht über die Beteiligung der Angeklagten an den ihnen zur Last gelegten Untreuedelikten nicht entschieden hat (Nr. 1 a und 2 a der Anklageschrift ). Daher waren auch die - für sich genommen rechtlich nicht zu beanstandenden - Schuldsprüche zu den unter II. 1. bis 3. festgestellten Bestechlichkeits - bzw. Bestechungstaten und die zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben, da insofern - wie oben dargelegt - von zwei einheitlichen prozessualen Taten auszugehen ist.
49
Dies zieht die Aufhebung der hierfür verhängten Einzelstrafen, der gegen den Angeklagten H. ausgesprochenen Verfallsentscheidung sowie der Gesamtstrafen nach sich. Ferner wird das Urteil aufgehoben, soweit eine Entscheidung nach den §§ 73 ff. StGB betreffend die Angeklagten B. und S. unterblieben ist. Darüber hinaus hebt der Senat die gegen den Angeklagten H. für die drei Bilanzfälschungsdelikte (Taten II. 5. bis 7. der Urteilsgründe ), die vier Steuerhinterziehungen (Taten II. 8. bis 11. der Urteilsgründe) sowie die zu II. 4. festgestellte Untreue an sich rechtsfehlerfrei festgesetzten Einzelstrafen wegen des zwischen sämtlichen Taten bestehenden inneren Zusam- menhangs auf, um dem neuen Tatgericht eine umfassende und in sich stimmige neue Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2002 - 2 StR 10/02 = NStZ-RR 2002, 165).

III.

50
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 StPO). Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, bei seiner Entscheidung die weiteren vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 10. Juni 2011 (S. 7 ff.) erörterten Gesichtspunkte zu beachten und im Übrigen die der Anklageschrift - ungeachtet der oben zur Frage eines Verfahrenshindernisses gemachten Ausführungen - anhaftenden Mängel hinsichtlich ihrer Informationsfunktion durch entsprechende Hinweise zu beheben. Sollte die Beweislage, wie sie den Urteilsgründen zu entnehmen ist, unverändert bleiben, wird die Aufklärungspflicht die Übersetzung der entscheidungserheblichen Urkunden ins Deutsche erfordern. Im Übrigen bemerkt der Senat, dass es zweckmäßig gewesen wäre, wenn die Generalstaatsanwaltschaft bereits bei der Anklageerhebung zumindest die zentralen Schriftstücke ins Deutsche übersetzt mit vorgelegt hätte. Wahl Hebenstreit Graf Jäger Sander

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(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 194/11
vom
9. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. August
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26. November 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die von dem Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.

I.

2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Spätestens im Februar bzw. März 2010 gelangte die Angeklagte zu der Überzeugung, ihre ehemalige Freundin und Arbeitskollegin R. versuche durch "legale Machenschaften" ihr Leben zu zerstören. Sie trug sich deshalb mit dem Gedanken, sich an R. zu rächen und sie "ggf." zu töten. Am 15. März 2010 rief sie, ohne ihren Namen zu nennen, bei R. an und teilte ihr mit: "Du bist tot." Im Anschluss daran bemühte sie sich darum, eine Schusswaffe zu erwerben, mit der sie R. erschießen wollte. Ihre Bemühungen scheiterten aber. Schließlich packte sie am 13. Mai 2010 (Christi Himmelfahrt) mehrere Messer und einen Teleskopschlagstock in ihre Tasche und fuhr zu R. , um gegen diese "eine erhebliche Gewalttat" zu verüben (UA S. 12) bzw. diese mit einem Messer anzugreifen und "unter Umständen lebensgefährlich" zu verletzen (UA S. 38).
4
Bewaffnet mit einem Brotmesser mit einer Klingenlänge von etwa 13 cm gelangte die Angeklagte unbemerkt in das Wohnhaus, in dem sich die Wohnung ihrer ehemaligen Freundin befand. Sie klingelte an der Wohnungstür. Nach ihrem Tatplan wollte sie das Überraschungsmoment ausnutzen und R. unmittelbar nach dem Öffnen der Tür angreifen (UA S. 34). Entgegen ihrer Erwartung wurde die Wohnungstür aber nicht von ihrer ehemaligen Freundin geöffnet, sondern von deren Lebensgefährten, dem Geschädigten H. . Die Angeklagte richtete ihr Messer gegen seinen Oberkörper, machte eine Stichbewegung und versuchte, sich an ihm vorbei in die Wohnung zu drängen. H. gelang es jedoch, die Angeklagte zu umklammern und festzuhalten. Um sich zu befreien, schnitt die Angeklagte ihm mit dem Messer in den linken Unterarm. Als er sie dennoch nicht losließ, biss sie ihm in den Arm. Daraufhin gelang es H. , die Angeklagte in das Treppenhaus zu schieben und die Tür hinter ihr zu verschließen.
5
b) Das Landgericht hat einen Tötungsvorsatz hinsichtlich des Geschädigten H. im Wesentlichen mit der Erwägung verneint, dass das eigentliche Angriffsziel der Angeklagten nicht der Geschädigte, sondern dessen Lebensgefährtin R. gewesen sei. Gegen diese habe sich die ganze Wut der Angeklagten ausschließlich gerichtet. An dem Geschädigten habe sich die Angeklagte zunächst nur vorbeidrängen wollen. Aus der Schnittverletzung lasse sich ebenfalls kein Rückschluss auf einen Tötungsvorsatz ziehen, da die Angeklagte sich habe befreien wollen und den Schnitt nur mit geringer Kraft ausgeführt habe. Das Landgericht hat das Tatgeschehen zum Nachteil des Geschädigten H. als gefährliche Körperverletzung gewertet. An einer Verurteilung der Angeklagten wegen des gegen die Zeugin R. gerichteten Tatgeschehens hat sich das Landgericht gehindert gesehen, weil dieses nach seiner Auffassung nicht angeklagt gewesen sei.
6
2. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, dass das Landgericht das festgestellte Tatgeschehen nicht erschöpfend gewürdigt habe. Insbesondere sei rechtsfehlerhaft nicht geprüft worden, ob sich die Angeklagte - neben der Tat zum Nachteil des Geschädigten H. - auch wegen versuchten Mordes betreffend R. strafbar gemacht habe.

II.

7
Die Revision ist begründet. Die Staatsanwaltschaft rügt zu Recht, dass das Landgericht das von ihm festgestellte Tatgeschehen in Bezug auf R. nicht in seine Urteilsfindung mit einbezogen, sondern isoliert nur unter dem Gesichtspunkt einer Tat zum Nachteil des Geschädigten H. gewürdigt hat.
8
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt in Bezug auf das Tatgeschehen betreffend R. eine wirksame Anklage vor. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht.
9
a) Die Anklageschrift hat gemäß § 200 Abs. 1 StPO die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen , dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Täters unterscheiden lassen. Es darf nicht unklar bleiben, über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urteilen soll. Die begangene konkrete Tat muss vielmehr durch bestimmte Tatumstände so genau gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welche Handlungen dem Angeklagten zur Last gelegt werden. Erfüllt die Anklage ihre Umgrenzungsfunktion nicht, so ist sie unwirksam (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 28. April 2006 - 2 StR 174/05 und vom 28. Oktober 2009 - 1 StR 205/09 mwN). Bei der Überprüfung, ob die Anklage die gebotene Umgrenzung leistet, dürfen die Ausführungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zur Ergänzung und Auslegung herangezogen werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 19. Februar 2008 - 1 StR 596/07 und KK-Schneider, 6. Aufl., § 200 Rn. 30 jew. mwN).
10
b) An diesen Maßstäben gemessen wird die Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 11. August 2010 ihrer Umgrenzungsfunktion auch in Bezug auf das Tatgeschehen betreffend R. hinreichend gerecht.
11
Zwar wird der Angeklagten im abstrakten Anklagesatz lediglich ein Fall des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (zum Nachteil des H. ) zur Last gelegt. Im konkreten Anklagesatz teilt die Staatsanwaltschaft jedoch nicht nur den Angriff auf den Geschädigten mit, sondern auch, dass die mit dem Messer bewaffnete Angeklagte am Tattag auf dem Weg zu dessen Lebensgefährtin gewesen sei. Dies wird im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen weiter dahingehend konkretisiert, dass die Angeklagte im Ermittlungsverfahren zugegeben habe, dass sie nicht auf H. , sondern auf R. habe "losgehen wollen". Die Staatsanwaltschaft geht im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zudem davon aus, dass die Angeklagte die Absicht gehabt habe, ihre ehemalige Freundin aus Hass zu töten. Gestützt wird diese Annahme auf eine umfassende Beweiswürdigung zur Tatvorgeschichte, insbesondere auf die Bemühungen der Angeklagten, sich eine Schusswaffe zu besorgen, um "die (gemeint ist R. ) abzuknallen", sowie auf den Telefonanruf der Angeklagten bei ihrer ehemaligen Freundin mit den Worten "Du bist tot".
12
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist damit in der Anklage nicht nur die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt, sondern auch erkennbar , welche Tat gemeint ist und über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urteilen soll. Aus den Schilderungen zur Motivation der Angeklagten wird deutlich, dass zu dem von der Anklage umrissenen Tatgeschehen nicht nur der Angriff der Angeklagten auf den Geschädigten gehört, sondern auch das Fehlverhalten der Angeklagten in Bezug auf R. , da diese am Tattag das eigentliche Ziel der Angeklagten gewe- sen ist und es letztlich nur deshalb nicht zu einem gegen diese gerichteten Angriff gekommen ist, weil zufällig der Geschädigte der Angeklagten die Tür geöffnet und sich ihr anschließend in den Weg gestellt hat. Die einzelnen Handlungen gehen hier nicht nur äußerlich ineinander über, sondern sind auch innerlich unmittelbar miteinander verknüpft. Der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung kann nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden. Ihre getrennte Würdigung und Aburteilung in verschiedenen Verfahren würde - worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist - einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211 mwN).
13
2. Das Landgericht hat die angeklagte Tat, so wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt (§ 264 Abs. 1 StPO), nicht erschöpfend abgeurteilt.
14
a) Die Feststellungen des Landgerichts legen es nahe, dass sich die Angeklagte nicht nur wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten H. , sondern auch wegen eines versuchten Mordes in Bezug auf R. strafbar gemacht hat. Die Tatvorgeschichte und die Motivation der Angeklagten deuten auf das Vorliegen eines entsprechenden Tatentschlusses hin. Die Angeklagte dürfte zudem unmittelbar zur Tat angesetzt haben, als sie an der Wohnungstür geklingelt hat. Nach dem vom Landgericht festgestellten Tatplan wollte die Angeklagte "für den geplanten Messereinsatz das Überraschungsmoment ausnutzen", da sie davon ausging, dass ihr R. und nicht deren Lebensgefährte nach dem Klingeln die Tür öffnen werde.
15
b) An der Aburteilung dieses Verhaltens war das Landgericht nicht dadurch gehindert, dass die im Eröffnungsbeschluss zugelassene Anklage nur http://www.juris.de/jportal/portal/t/1rag/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006290950BJNE038001309&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 9 - den Vorwurf des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten H. erhob.
16
Nach § 264 StPO muss das Gericht die in der Anklage bezeichnete Tat so, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt, unter allen rechtlichen Gesichtspunkten aburteilen. Es ist verpflichtet, den Unrechtsgehalt der "Tat" voll auszuschöpfen, sofern - wie hier - keine rechtlichen Hindernisse im Wege stehen (BGH, Beschluss vom 9. November 1972 - 4 StR 457/71, BGHSt 25, 72). Der Tatbegriff des § 264 Abs. 1 StPO entspricht dabei demjenigen des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO (BGH, Beschluss vom 30. März 2011 - 4 StR 42/11).
17
Danach gehörte hier zur Tat nicht nur der Angriff auf den Geschädigten H. , in dessen Verlauf es zu dem Messerschnitt in den Unterarm kam, sondern das gesamte strafrechtlich relevante Verhalten der Angeklagten am Tattag , das auch die geplante Tötung von R. mit umfasste, zu der sie mit dem Klingeln an der Wohnungstür bereits unmittelbar angesetzt haben dürfte. Diese Tathandlungen - sowohl H. als auch R. betreffend - stellen aufgrund ihres engen zeitlichen, örtlichen und sachlichen Zusammenhanges einen einheitlichen Vorgang dar, unabhängig davon, ob sie sachlichrechtlich als eine Tat oder mehrere Taten angesehen werden (KK-Engelhardt, 6. Aufl., § 264 Rn. 3 mwN). Diesen Vorgang hatte das Landgericht - ggf. unter Erfüllung seiner Hinweispflicht nach § 265 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 - 3 StR 222/02, BGHSt 48, 221, 223) - bei seiner Urteilsfindung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen. Dieser Pflicht ist das Landgericht vorliegend jedoch rechtsfehlerhaft nicht nachgekommen. Dies stellt nicht nur eine Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 264 StPO dar, sondern auch einen sachlich-rechtlichen Mangel, auf dem das Urteil beruht (vgl. BGH, Urteile vom 10. Dezember 1974 - 5 StR 578/74 und vom 16. Dezember 1982 - 4 StR 644/82, NStZ 1983, 174 mwN).
18
3. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils in vollem Umfang, da sich die - an sich rechtsfehlerfreien - Feststellungen hinsichtlich der Tathandlung zum Nachteil des Geschädigten H. nicht von den Feststellungen zum übrigen Tatgeschehen trennen lassen. Der neue Tatrichter wird unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 - 3 StR 105/10 mwN) nähere Feststellungen zum Vorstellungsbild der Angeklagten zu treffen haben, um danach die Frage beurteilen zu können, ob die Angeklagte zur Tötung von R. unmittelbar angesetzt hat.

Nack Elf Graf Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 153/11
vom
23. August 2011
BGHSt: ja zu A II. 3. a
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Art. 34
Nach Übernahme eines Ermittlungsverfahrens durch die Bundesrepublik
Deutsch-land ist eine in dem abgebenden Vertragsstaat der MRK bereits eingetretene
rechts- staatswidrige Verfahrensverzögerung nicht zu kompensieren.
BGH, Beschluss vom 23. August 2011 - 1 StR 153/11 - LG Ravensburg
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. und 2.: gefährlicher Körperverletzung
zu 3.: vorsätzlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. August 2011 beschlossen
:
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Ravensburg vom 10. November 2010 werden als unbegründet
verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die
dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen
zu tragen.
2. Die Revisionen des Nebenklägers gegen das vorbezeichnete
Urteil werden
hinsichtlich des Angeklagten C. als unzulässig (§ 349
Abs. 1 StPO),
hinsichtlich der Angeklagten A. und T. als unbegründet
verworfen.
Der Nebenkläger hat die Kosten seiner Rechtsmittel und die
den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen
zu tragen.

Gründe:


1
Die Jugendkammer hat festgestellt:
2
Die Angeklagten waren mit Freunden und Bekannten am Karsamstag 2008 in einer Diskothek in Hard (Österreich), ebenso der Nebenkläger M. . Dieser wollte eine schon abflauende Auseinandersetzung, an der der Angeklagte C. beteiligt war, schlichten. C. schlug ihn mit der Faust ins Gesicht, es entstand eine aggressive Stimmung. Nunmehr wollten die Angeklagten A. und T. , die zuvor mit C. zusammen am Tisch gewesen waren, C. helfen, der allerdings bald die Diskothek verließ. M. erhielt, auch von A. und T. , Schläge und Tritte, ging zu Boden, konnte sich zunächst aber wieder aufrichten. Es gab weitere, namentlich nicht ermittelte Beteiligte an der Auseinandersetzung. Es flogen Flaschen, eine davon traf auch A. , der seinerseits eine Flasche nahm und sie „in Bauchhöhe“ gegen M. warf. Eine Flasche traf M. so heftig am Kopf, dass er „k.o. ging und völlig hilflos zu Boden sackte“. Dass A. d i e s e Flasche geworfen hatte, steht nicht fest. Er trat aber gemeinsam mit anderen - darunter auch T. - auf den bewusstlos am Boden liegenden M. ein. M. wurde dabei auch gegen den Kopf getreten, ohne dass einem der Beteiligten einzelne Tritte genau zugeordnet werden konnten. M. zog sich sehr schwere Verletzungen zu, z.B. Brüche im Bereich des Jochbeins, der Augenhöhle und des Kiefers. Wegen der Gefahr, Blut einzuatmen, hätte er ohne fremde Hilfe ersticken können. Durch das Gesamtgeschehen wurde er auf einem Auge blind und kann, zu 40% erwerbsgemindert , seinen Beruf nicht mehr ausüben. Auch muss er lebenslang eine Platte im Gesicht tragen.
3
Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde C. wegen Körperverletzung (§ 223 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Hinsichtlich der beiden anderen, heranwachsenden Angeklagten konnte sich die Jugendkammer nicht von den in der Anklage noch enthaltenen Vorwürfen des versuchten Totschlags, hinsichtlich A. auch der schweren Körperverletzung (Verlust eines Auges) überzeugen, und verurteilte sie wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) wegen der Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 JGG) jeweils zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe, A. zu zehn Monaten, T. zu einem Jahr.
4
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten und des Nebenklägers. Sämtliche Rechtsmittel bleiben erfolglos.

A.

5
Die Revisionen der Angeklagten
6
Sämtliche Revisionen erheben die Sachrüge, die der Angeklagten A. und T. führen sie näher aus. Die Revision des Angeklagten A. ist zusätzlich noch auf Verfahrensrügen gestützt.

I.

7
Die Verfahrensrügen des Angeklagten A. wenden sich gegen die Verwertung der Angaben, die er am 24. März 2009 gegenüber KHK H. gemacht hatte; dieser hatte ihn als Beschuldigten vernommen, nachdem die österreichischen Behörden das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft Ravensburg abgegeben hatten. Schon in der Hauptverhandlung war ein Widerspruch gegen die Zeugenvernehmung von KHK H. , gestützt auf die Vernehmungsniederschrift , (u.a.) damit begründet worden, er habe ihn nur über sein Schweigerecht, aber nicht über sein Recht auf Verteidigerkonsultation belehrt und seinen Wunsch nach Unterrichtung des von ihm benannten Verteidigers abgelehnt.
8
Außerdem habe er ihn durch die in der Vernehmungsniederschrift dokumentierten Vorhalte
9
„Du weißt doch genau, dass der M. durch diese [von A. gewor- fene] Flasche das Auge verloren hat“ und später
10
„Laut bisherigen Ermittlungen ist klar, dass durch deinen Flaschenwurf die schweren Verletzungen am linken Auge des M. entstanden sind“ i.S.d. § 136a StPO über den bisherigen Stand der Ermittlungen getäuscht, da er, wie näher dargelegt, gewusst habe, dass es keine den Angeklagten konkret belastenden Erkenntnisse über das Zustandekommen der Augenverletzung gäbe.
11
Zu alledem befragt, erinnerte sich KHK H. genau, A. auch über sein Recht auf Verteidigerkonsultation belehrt zu haben, was er aber versehentlich nicht protokolliert habe. A. habe erklärt, seine Rechte aus einem früheren Verfahren - ein 2006 gemäß § 45 Abs. 1 JGG behandeltes Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs - zu kennen, jedoch nicht den Wunsch nach Kontakt mit (s)einem Rechtsanwalt geäußert. Außerdem erläuterte KHK H. seine damaligen Kenntnisse vom Ermittlungsstand. Die Jugendkammer hielt sei- ne Angaben für „uneingeschränkt überzeugend“, wies den Widerspruch mit nä- her begründetem Beschluss zurück und vernahm ihn zur Sache.
12
Hieran knüpft die Revision an. Sie hält sowohl § 136 StPO als auch § 136a StPO für verletzt.
13
1. Ein Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO liege vor, weil der Angeklagte keinen Kontakt mit seinem Verteidiger aufnehmen durfte; das Urteil begründe die Verwertbarkeit der Aussage von KHK H. nicht konkret. Seine Angaben seien wegen der entgegen Nr. 45 Abs. 1 RiStBV nicht dokumentierten Belehrung unglaubhaft, zumal er - so die Revision - erklärt habe, er dokumentiere die Beschuldigtenbelehrung nie in einem gesonderten Formular. Daher ergebe die Prüfung des Vernehmungsablaufs hier „ausschließlich“ das Ergebnis, „dass die Belehrung … nicht stattgefunden hat“. Die Behauptung von KHK H. , der Angeklagte habe geäußert, seine Rechte aus einem früheren Verfahren zu kennen, werde den Gegebenheiten nicht gerecht. Da insgesamt genügende Hinweise auf eine Belehrung fehlten, seien die Angaben des Angeklagten unverwertbar.
14
a) Im Urteil ist die Verwertbarkeit der Aussage von KHK H. nicht konkret begründet. Ob dies als eigenständiger Rechtsfehler gerügt sein soll, mag dahinstehen. Ausführungen zur Verwertbarkeit von Beweismitteln im Urteil sind rechtlich nicht geboten und würden es nur überfrachten (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 - 1 StR 99/09, NJW 2009, 2612, 2613 mwN).
15
b) Im Übrigen sprechen die genannten ineinander übergehend beide Gesichtspunkte ansprechenden Ausführungen der Revision dafür, dass Grundlage eines Beweisverwertungsverbots offenbar sowohl die unterbliebene Belehrung über das Recht auf Verteidigerkonsultation (BGH, Urteil vom 22. November 2001 - 1 StR 220/01, BGHSt 47, 172, 173 f.), als auch die Verhinderung der ausdrücklich gewünschten Kontaktaufnahme mit dem Verteidiger (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 126/92, BGHSt 38, 372, 374; vgl. auch Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK; hierzu Schädler in KK-StPO 6. Aufl., Art. 6 MRK Rn. 50 mwN) sein soll. Unbeschadet der Frage nach der gebotenen Klarheit der „Angriffsrichtung“ dieser Rüge (vgl. BGH,Beschluss vom 14. Januar 2010 - 1 StR 620/09, NStZ 2010, 403, 404 mwN) in tatsächlicher Hinsicht, erscheint zweifelhaft, ob, wie für eine zulässige Verfahrensrüge stets erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2010 - 1 StR 157/10, StV 2011, 399; BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2005 - 1 StR 117/05, NStZ-RR 2006, 181, 182 mwN), der Vortrag widerspruchsfrei ist. Einerseits sei der Hinweis von KHK H. auf die bei der Vernehmung aktuelle Kenntnis des Angeklagten von seinem Recht auf Verteidigerkonsultation - sie stünde trotz unterbliebener Belehrung einem Verwertungsverbot entgegen (BGH, Urteil vom 22. November 2001 - 1 StR 220/01, BGHSt 47, 172, 174) - unzutreffend, andererseits habe der Angeklagte Kontakt mit seinem Verteidiger verlangt. Wie es miteinander vereinbar ist, dass ein Recht unbekannt ist, aber dennoch geltend gemacht wird, liegt nicht auf der Hand.
16
c) Letztlich kann dies aber auf sich beruhen, da der Senat das tatsächliche Vorbringen der Revision, hinsichtlich der unterbliebenen Belehrung ebenso wie hinsichtlich der verwehrten Kontaktaufnahme, nicht für bewiesen hält (zum Maßstab vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1997 - 2 StR 130/97, StV 1999, 354). Er hat keinen Grund, die Angaben von KHK H. hierzu anders zu bewerten als die Jugendkammer. Er teilt nicht die Auffassung, dass wegen einer entgegen Nr. 45 Abs. 1 RiStBV teilweise unterbliebenen Protokollierung einer Belehrung bei Gericht „ausschließlich“ oder nahe liegend Lügen des hierfür verantwortli- chen Polizeibeamten zum Vernehmungsablauf zu erwarten seien. Auch konkret spricht hier für diese Möglichkeit nichts.
17
d) Die Belastung des Verfahrens durch unsorgfältige Protokollierung wäre leicht bei Verwendung eines entsprechenden Formulars vermieden worden.
18
Macht im Übrigen, wie hier, ein Angeklagter in der Hauptverhandlung keine Angaben, oder sagt er - erfahrungsgemäß ebenfalls nicht ungewöhnlich - dort anders aus als im Ermittlungsverfahren, können seine früheren Angaben sehr bedeutsam werden. Da hinsichtlich dieser Angaben hier keine ordnungsgemäße Belehrung aktenkundig war, stand das Verbot ihrer Verwertung dann im Raum, wenn die Belehrung und nicht nur deren Dokumentation unzulänglich war. Diese anhand der Akten nicht klärbare Frage hätte bereits vor der Hauptverhandlung überprüft werden können, auch schon von der Staatsanwaltschaft. Deren Gesamtverantwortung für ein rechtmäßiges Ermittlungsverfahren - auch soweit von der Polizei geführt - verlangt auch hinsichtlich etwaiger Beweisverwertungsverbote effektiv ausgeübte Leitungs- und Kontrollbefugnisse, damit gegebenenfalls gebotene Maßnahmen ergriffen werden können, wo nötig in Form allgemeiner Weisungen. Dies gilt in allen Verfahren, hat aber in Kapitalsachen (versuchter Totschlag) besonderes Gewicht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 - 1 StR 99/09, NJW 2009, 2612, 2613 mwN).
19
2. Eine Täuschung des Angeklagten über den Ermittlungsstand (§ 136a StPO) liegt nicht vor. Als der Angeklagte, der auch schon zuvor erklärt hatte, er wisse nicht, wo die von ihm geworfene Flasche getroffen habe, erneut auch auf den ersten als Beleg für eine Täuschung genannten Vorhalt „Du weißt doch genau …“ (oben A. I. vor 1.)nicht bestätigte, M. am Auge getroffen zu haben , hielt ihm KHK H. als nächstes vor: „Aber es ist in der Gruppe bekannt, dass deine Flasche den M. am Auge getroffen hat“, worauf der Angeklagte erwiderte: „Man sagt das deswegen, weil man gesehen hat, dass ich die eine Flasche geworfen habe“. Es gab also - vom Angeklagten sogar als richtig bestä- tigte - polizeiliche Erkenntnisse, dass mehrere bei dem Vorfall anwesende Personen (die „Gruppe“) - unabhängig von Angaben bei der Polizei - geäußert hatten , der Angeklagte habe M. mit der Flasche am Auge verletzt. Schon deshalb hat die Annahme einer Täuschung durch KHK H. keine Grundlage. Außerdem hat die Jugendkammer lediglich festgestellt, dass der Angeklagte - wie von vielen Anwesenden gesehen und auch von ihm schon vor der angeblichen Täuschung eingeräumt - eine Flasche geworfen, aber nicht, dass sie M. am Auge getroffen hat. Selbst wenn, was nicht so ist, eine Täuschung vorläge, hätte sie sich schon nicht auf die Aussagen des Angeklagten bei der Polizei und erst Recht nicht auf das Urteil ausgewirkt.

II.

20
Die auf Grund der von allen Angeklagten erhobenen Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil eines Angeklagten ergeben. Ergänzend bemerkt der Senat:
21
1. Zum Schuldspruch:
22
a) Vorbringen für den Angeklagten A. :
23
(1) Die Behauptung, die Jugendkammer habe nur Feststellungen zum Flaschenwurf getroffen und nichts festgestellt, was die Beteiligung des Angeklagten an den vorangegangenen Gewalttätigkeiten belege, widerspricht den Urteilsgründen. Danach hatte sich C. unmittelbar vor Beginn seiner Auseinandersetzung mit M. „an den Nachbartisch zu … A. und T. begeben“. M. hat bekundet, nachdem ihn C. geschlagen hatte, seien dessen „Begleiter oder Freunde … aufgestanden und hätten auf ihn eingeschlagen“. Zweifel an der Glaubwürdigkeit M. s hatte die Jugendkammer nicht, Gründe , warum sie sie hätte haben müssen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
24
(2) Weite Teile des sonstigen Vorbringens gegen die Feststellungen zum Tatgeschehen erschöpfen sich in Überlegungen zu alternativen Geschehensabläufen (der Angeklagte könne nach dem Flaschenwurf den Tatort alsbald verlassen oder dort nur zur Beobachtung des weiteren Geschehens „verweilt“ haben), die in den Urteilsgründen keine Anknüpfungspunkte finden. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2010 - 1 StR 454/09, wistra 2010, 310, 312 mwN). Dementsprechend braucht das Urteil bloß theoretische Möglichkeiten auch nicht zu erörtern (BGH, Urteil vom 26. Mai 2011 - 1 StR 20/11). Eine auf den Beleg der Richtigkeit ihrer Vermutungen gerichtete Aufklärungsrüge hat die Revision nicht erhoben.
25
(3) Nach den Feststellungen der Jugendkammer traten „umstehende Per- sonen“ aufden am Boden liegenden M. „mit Füßen … ein. ... Hieran waren auch die Angeklagten A. und T. beteiligt“. Angesichts dessen ist die Annahme der Revision, zur Art der Beteiligung des Angeklagten sei nichts festgestellt, nicht nachvollziehbar.
26
b) Vorbringen für den Angeklagten T. :
27
Die Revision verkennt, dass weder die Sach- noch eine Verfahrensrüge auf einen Abgleich der Urteilsgründe mit dem Akteninhalt gestützt werden kann (st. Rspr.; zuletzt BGH, Urteil vom 26. Mai 2011 - 1 StR 20/11; vgl. zusammenfassend Wahl in NJW-SH f. G. Schäfer, 2002, 73 mwN). Deshalb ist auch für die von ihr angeregte Anhörung eines Zeugen durch den Senat kein Raum. Sollte ein Zeuge im weiteren Verlauf wegen eines Aussagedelikts rechtskräftig verurteilt werden, könnte dies Grundlage einer Wiederaufnahme des Verfahrens sein (§ 359 Nr. 2 StPO). Soweit die Revision darüber hinaus im Rahmen der Begrün- dung der Sachrüge wegen der Ablehnung des „Beweisantrag(s) Anlage 8“ eine Verletzung der Aufklärungspflicht sieht, kommt eine Umdeutung in eine Verfahrensrüge nicht in Betracht, da das Vorbringen den Anforderungen von § 344 Abs. 2 StPO nicht genügt. Weder der Antrag noch der Beschluss sind mitgeteilt.
28
2. Zum Strafausspruch:
29
a) Ausführungen zum Strafausspruch enthält nur die Revisionsbegründung für den Angeklagten A. . Soweit sich fehlende Feststellungen zur Art der Tatbeteiligung auf den Strafausspruch ausgewirkt haben sollen, gilt nichts anderes als hinsichtlich des Schuldspruchs (vgl. A. II. 1. a (3)). Das übrige Vorbringen erschöpft sich in dem im Revisionsverfahren unbeachtlichen Versuch, Bewertungen, die die dem Tatrichter hierbei gezogenen Grenzen an keiner Stelle zum Nachteil des Angeklagten überschreiten, durch eigene zu ersetzen. Zu Unrecht ist die Jugendkammer allerdings davon ausgegangen, der Angeklagte sei „nicht strafrechtlich vorbelastet“ gewesen. Tatsächlich ist er schon 2006 wegen Landfriedensbruchs in Erscheinung getreten (vgl. A. I. vor 1.). Auch wenn nähere Feststellungen hierzu fehlen, handelt es sich dabei jedenfalls um ein Delikt, bei dem es, ähnlich wie hier, um Gewalttätigkeiten aus einer wegen etlicher Beteiligter unübersichtlichen Situation heraus geht. Die unterbliebene Erörterung dieses Gesichtspunkts hat sich jedoch nur zu Gunsten des Angeklagten ausgewirkt.
30
b) Auch sonst sind bei der Strafzumessung Rechtsfehler weder zum Nachteil des Angeklagten A. noch zum Nachteil der übrigen Angeklagten ersichtlich.
31
3. Zur Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensdauer:
32
Die Jugendkammer hat die Verfahrensdauer nicht nur als bedeutsamen Strafmilderungsgrund angesehen, sondern insoweit auch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt, weil - bis zur Abgabe des zunächst in Österreich anhängigen Ermittlungsverfahrens an die Staatsanwaltschaft Ravensburg „in erster Linie durch die zögerliche Behandlung bzw. Nichtbehandlung der Ermittlungen seitens der österreichischen Ermittlungsbehörden schon neun Monate ins Land gegangen“ sind; und - wegen vieler vorrangiger Haftsachen zwischen Eingang der Anklage und Urteil zwölf Monate gelegen haben.
33
In beiden Abschnitten sei das Verfahren in einer Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK zuwiderlaufenden Weise für die Dauer von je neun Monaten verzögert worden, was mit je drei Monaten zu kompensieren sei.
34
Dementsprechend wurden von der gegen den Angeklagten C. verhängten Freiheitsstrafe sechs Monate (im Urteilstenor) für vollstreckt erklärt.
35
Anders sei, so die Jugendkammer in den Urteilsgründen, demgegenüber hinsichtlich der Angeklagten A. und T. zu verfahren. Da gegen sie Jugendstrafe verhängt sei, sei nicht ein Teil der Strafe für vollstreckt zu erklären, sondern ein Abschlag von der an sich für angemessen gehaltenen Strafe vorzunehmen. Dementsprechend wurde eine Jugendstrafe von einem Jahr statt von einem Jahr und sechs Monaten gegen T. und von zehn Monaten statt von einem Jahr und vier Monaten gegen A. verhängt.
36
Der Senat bemerkt:
37
a) Die Dauer eines Strafverfahrens kann unabhängig von ihren Gründen für die Strafzumessung bedeutsam sein (BGH, Urteil vom 21. Februar 2002 - 1 StR 538/01, StV 2002, 598 mwN). Der Senat ist jedoch nicht der Auffassung, dass eine (von der Jugendkammer nur knapp geschilderte, nach ihrer Auffassung ) mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK unvereinbare Verfahrensverzögerung durch österreichische Behörden hier darüber hinaus auch als konventionswidrig zu kompensieren ist. Eine solche Kompensation ist Wiedergutmachung. Sie soll die „Opferstellung“ eines Betroffenen (Art. 34 MRK) beenden und so den jeweiligen Vertragsstaat (hier die Bundesrepublik Deutschland) vor einer möglichen Verurteilung durch den EGMR auf Grund einer Individualbeschwerde wegen Verletzung der MRK bewahren (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 137). Letztlich wird durch eine solche Kompensation eine „im Verantwortungsbereich des Staates“ (BGH aaO 129; vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 4. August 2009 - 5 StR 253/09, NStZ 2010, 230 mwN) entstandene „Art Staatshaftungsanspruch“ erfüllt (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 138). Dem entspricht, dass Individualbeschwerden gemäß Art. 35 Abs. 3 MRK zurückgewiesen werden, wenn die gerügten Handlungen oder Unterlassungen dem beklagten Staat nicht zuzurechnen wären (vgl. EGMR, Entscheidung vom 15. Juni 1999, Nr. 18360/91; EKMR, Entscheidung vom 14. April 1998, Nr. 20652/92). Dies spricht dagegen, dass ein (etwa) konventionswidriger Verfahrensgang in einem Mitgliedsstaat der MRK einem anderen Mitgliedsstaat, der hierauf keinen Einfluss nehmen konnte, gleichwohl zuzurechnen und von ihm zu kompensieren ist, wenn seine Ermittlungsbehörden das Ermittlungsverfahren erst nach Eintritt der Verzögerung übernommen haben (so in vergleichbarem Sinne, wenn auch anderen prozessualen Zusammenhängen, BGH, Beschluss vom 17. März 2010 - 2 StR 397/09, BGHSt 55, 70, 77 f. [mögliche Verletzung des Konfrontationsrechts durch einen anderen Staat im Rahmen von Rechtshilfe] und OLG Rostock, NStZ-RR 2010, 340 [mögliche konventionswidrige Verfahrensverzögerung durch einen anderen Staat bei einer hier zur Vollstreckung übernommenen Verurteilung] jew. mwN).
38
b) Der Senat kann auf der Grundlage der hierzu ebenfalls knappen Feststellungen nicht beurteilen, ob und gegebenenfalls wie lange das Verfahren durch die Jugendkammer konventionswidrig verzögert wurde (vgl. zu hierfür we- sentlichen Punkten BGH, Beschluss vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07, NJW 2008, 2451, 2453 f.). Jedenfalls handelt es sich hier um eine „Jugendschwurgerichtssache“ (§ 41 Abs. 1 Nr. 1 JGG) gegen (ursprünglich) fünf nicht inhaftierte Angeklagte. Diesen lagen, hinsichtlich der einzelnen Angeklagten differenziert, unterschiedliche Delikte teilweise sehr erheblichen Gewichts (gefährliche Körperverletzung , schwere Körperverletzung, versuchter Totschlag) zum Nachteil des am Verfahren als Nebenkläger beteiligten Geschädigten zur Last. Sämtliche Taten sollten die nicht geständigen Angeklagten im Rahmen eines tumultartigen und daher schwer klärbaren Geschehens begangen haben, wobei einige Zeugen der im Ausland begangenen Tat(en) im Ausland wohnten. Der Senat hält es danach jedenfalls nicht für menschenrechtswidrig, dass hier nicht schon etwa drei Monate nach Eingang der Anklage ein Urteil erging.
39
c) Außerdem ist bei der Prüfung einer etwaigen konventionswidrigen Verfahrensverzögerung stets die Dauer des gesamten Verfahrens in den Blick zu nehmen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2008 - 1 StR 238/08, wistra 2009, 147, 148 mwN). Es ist daher kein zutreffender Ansatz, nach jeweils nur isolierter Bewertung für mehrere Verfahrensabschnitte jeweils gesonderte Kompensationen zu bestimmen und diese dann zu addieren.
40
d) Eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung kann gegebenenfalls schon durch ihre Feststellung genügend kompensiert sein (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 5 StR 330/10, StraFo 2011, 56, 57 mwN). Jedenfalls hätte die Jugendkammer, die diese hier nahe liegende Möglichkeit nicht geprüft hat, bei der Bemessung der Kompensation aber erkennbar zu erwägen gehabt, dass sie, wie dargelegt, schon bei der Strafzumessung die Verfahrensdauer strafmildernd bewertet hat, sodass darüber hinaus nur noch deren konventionswidrige Verursachung auszugleichen ist. Dies wird, von hier nicht erkennbaren besonderen Fallgestaltungen abgesehen, vielfach dazu führen, dass sich eine Kompensation nur noch auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken hat (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 146, 147; BGH, Urteil vom 9. Oktober 2008 - 1 StR 238/08, wistra aaO mwN). Die Jugendkammer hat demgegenüber zwischen einem Drittel und der Hälfte der von ihr für angemessen gehaltenen Strafen für vollstreckt erklärt bzw. nicht ausgesprochen. Bei der Bemessung der Höhe einer Kompensation ist jedoch auch in den Blick zu nehmen, dass eine überzogene Berücksichtigung des Zeitfaktors als Ausgleich für Justiz und Ermittlungsbehörden anzulastenden Mängeln den Zielen effektiver Verteidigung der Rechtsordnung zuwider läuft (BGH, Beschluss vom 17. November 2010 - 1 StR 145/10, wistra 2011, 115, 116 mwN).
41
e) Einer abschließenden Entscheidung der aufgezeigten Gesichtspunkte hinsichtlich der Verfahrensverzögerung bedarf es hier aber nicht, da sie sich ersichtlich nur zu Gunsten der Angeklagten ausgewirkt haben.
42
f) Im Übrigen ist die Umsetzung der von der Jugendkammer für erforderlich gehaltenen Kompensation nur hinsichtlich des Angeklagten C. („Voll- streckungsmodell“) rechtsfehlerfrei.
43
Die Annahme, bei Verhängung von Jugendstrafe sei demgegenüber nicht das Vollstreckungsmodell anzuwenden, sondern ein Strafabschlag vorzunehmen , entspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, jedenfalls, wenn die Jugendstrafe, wie jeweils hier, allein auf eine Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 JGG) gestützt ist (BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 5 StR 330/10, StraFo 2011, 56, 57; Urteil vom 9. Mai 2010 - 2 StR 278/09 jew. mwN). Die Angeklagten sind dadurch jedoch nicht beschwert. Ein Angeklagter kann schon generell ohnehin allenfalls unter sehr ungewöhnlichen Umständen beschwert sein, wenn eine niedrigere statt einer höheren - sei es auch teilweise als vollstreckt geltenden - Strafe ausgesprochen wird (BGH, Beschluss vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07, NJW 2008, 2451, 2454; vgl. auch Pohlit in FS Rissing-van Saan, 453, 457). Hier kommt hinzu, dass der Strafabschlag dazu führte, dass die Jugendstrafen schon nach Maßgabe von § 21 Abs. 1 JGG zur Bewährung ausgesetzt werden konnten und nicht wie die von der Jugendkammer an sich für angemessen gehaltenen Strafen nur unter den demgegenüber (schon ausweislich des Gesetzeswortlauts) engeren Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 JGG (vgl. hierzu Brunner/Dölling JGG 11. Aufl., § 21 Rn. 11, 11a; vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - 2 StR 54/08, StV 2008, 400 zum strukturell identischen Fall, dass der Strafabschlag § 56 Abs. 1 StGB anwendbar macht, während bei dem Vollstreckungsmodell nur § 56 Abs. 2 StGB anwendbar wäre).

B.

44
Die Revisionen des Nebenklägers

I.

45
Revision zum Nachteil des Angeklagten C. :
46
1. Die Revision wurde uneingeschränkt in der „Strafsache gegen A. u.a.“ eingelegt. Ebenso uneingeschränkt ist im Rahmen der Revisionsbegründung beantragt (§ 344 Abs.1 StPO), das Urteil aufzuheben. Die auf die Sachrüge gestützte Begründung erwähnt den Angeklagten C. nicht, sondern legt ausschließlich dar, warum das Urteil hinsichtlich der Angeklagten A. und T. rechtsfehlerhaft ist. Zur Begründung herangezogen sind ausschließlich Feststellungen zum Geschehen, das sich ereignete, nachdem C. die Diskothek verlassen hatte.
47
2. Der Senat hatte daher zu prüfen, ob das Urteil auch zum Nachteil des Angeklagten C. angefochten ist. Die Revisionseinlegungsschrift spricht eher dafür, da sich die Nebenklage auch gegen den auch wegen eines nebenklagefähigen Delikts verurteilten Angeklagten C. richtete. Gleiches gilt im Ergebnis für den Revisionsantrag. Gegen eine Revision zum Nachteil des Angeklagten C. spricht die Revisionsbegründung, die ihn weder erwähnt, noch sich auf die ihm zur Last gelegte Tat bezieht. Der Senat hat erwogen, ob hier, wie auch sonst bei Zweifeln über den Umfang einer Revision, deren Begründung maßgeblich ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 - 3 StR 122/09; BGH, Urteil vom 25. November 2003 - 1 StR 182/03, NStZ-RR 2004, 118 mwN). Dies hat er verneint. Wird, sei es auch in nur einem Schriftsatz, ein gegen mehrere Angeklagte ergangenes Urteil uneingeschränkt angefochten, gilt dies regelmäßig hinsichtlich jedes Angeklagten. Es liegen der Sache nach mehrere, voneinander unabhängige Rechtsmittel vor. Dann kann aber nicht allein der späteren Begründung des Rechtsmittels zum Nachteil eines Angeklagten inzident entnommen werden, dass zum Nachteil eines anderen Angeklagten doch kein Rechtsmittel eingelegt sein soll. Die Frage nach dem Umfang eines Rechtsmittels ist von anderer Art als die Frage, ob überhaupt ein Rechtsmittel eingelegt ist. Insoweit kommt es allein auf die Einlegungsschrift an.
48
3. Die danach (auch) zum Nachteil des Angeklagten C. eingelegte Revision ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO), da mangels konkreter Begründung nicht erkennbar ist, dass sie ein von einer Nebenklägerrevision erreichbares Ziel (§ 400 Abs. 1 StPO) verfolgte.

II.

49
Revisionen zum Nachteil der Angeklagten A. und T. :
50
Insoweit hat die auf Grund der Revisionsrechtfertigung(en) gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler ergeben, der diesen Revisionen des Nebenklägers zum Erfolg verhelfen könnte.
51
1. Die Annahme, dass insbesondere bei Tritten gegen den Kopf eines am Boden liegenden Menschen ein Tötungsvorsatz in Betracht kommen kann, liegt im Grundsatz nicht fern (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2005 - 1 StR 288/05, NStZ-RR 2006, 10, 11; Beschluss vom 28. Juni 2005 - 1 StR 178/05). Die insoweit freilich sehr knappen Ausführungen der Jugendkammer ergeben im Kontext mit den sonstigen Urteilsgründen, dass der Jugendkammer auch im Blick auf ein eher spontanes, sich rasch intensivierendes Geschehen Zweifel an einem solchen Vorsatz verblieben. Dies gilt auch, soweit die Jugendkammer angesichts des in seiner ständigen Bewegung schnell wechselnden und nur begrenzt zuverlässig zu rekonstruierenden tumultartigen Geschehens keine Handlungen der Angeklagten festzustellen vermochte, die die Annahme eines Tötungsvorsatzes aufdrängten. Vergleichbares gilt hinsichtlich des beim Nebenkläger eingetretenen Verlusts des Auges und der sonstigen schweren Verletzungen , von deren Verursachung durch die Angeklagten sich die Jugendkammer ebenfalls nicht zweifelsfrei überzeugen konnte. All dies liegt auch unter Berücksichtigung des hiergegen gerichteten Revisionsvorbringens noch im Rahmen möglicher tatrichterlicher Beweiswürdigung, sodass es nicht darauf ankommt, ob auch eine andere Würdigung vertretbar erschiene.
52
2. Näher noch als die Annahme eines versuchten Totschlags und/oder einer schweren Körperverletzung hätte die Annahme einer Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB, zweite Alternative) gelegen, da die Angeklagten sich gemeinsam mit anderen an einem u.a. auch durch Flaschenwürfe begangenen Angriff auf M. beteiligten, durch den dieser ein Auge verlor, ohne dass es darauf ankäme, welche konkrete Handlungen ihnen im Blick auf die hier, wie in solchen Fällen typisch, vorliegende Beweisnot zugerechnet werden können (vgl. zusammenfassend Fischer StGB 58. Aufl., § 231 Rn. 1, 2, 4 ff. mwN). Näher nachzugehen braucht der Senat dem aber nicht, weil § 231 StGB kein zur Nebenklage berechtigendes Delikt ist; ein nur hierauf bezogener etwaiger Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten kann einer hinsichtlich der Anwendung von Nebenklagedelikten erfolglosen Nebenklägerrevision nicht zum Erfolg verhelfen (BGH, Urteil vom 21. August 2008 - 3 StR 236/08, NStZ-RR 2009, 24, 25; BGH, Urteil vom 12. März 1997 - 3 StR 627/96, NStZ 1997, 402, 403 jew. mwN). Gleiches gilt im Ergebnis insoweit, als die Jugendkammer nicht geprüft hat, ob eine nur nach ihrer einzelfallbezogen abstrakten Gefährlichkeit, nicht nach ihren konkreten Folgen zu beurteilende lebensgefährdende Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB (vgl. Fischer aaO § 224 Rn. 12 mwN) vorliegt, oder ob im Blick auf bei den Tritten nahe liegend von den Angeklagten getragene Schuhe gefährliche Werkzeuge gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2009 - 4 StR 347/09, NStZ 2010, 151 mwN) verwendet wurden. Das Hinzutreten weiterer Tatbestandsalternativen eines ohnehin abgeurteilten Delikts betrifft den Schuldumfang und daher den Strafausspruch (BGH, Urteil vom 21. April 1999 - 5 StR 714/98, NJW 1999, 2449; BGH, Beschluss vom 3. Juli 1997 - 4 StR 266/97, NStZ-RR 1997, 371 jew. mwN) und kann daher einer Nebenklägerrevision ebenso wenig zum Erfolg verhelfen wie sonstige nur den Strafausspruch betreffende Rechtsfehler (§ 400 StPO). Nack Wahl Rothfuß Hebenstreit Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 571/10
vom
14. April 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
wegen zu 1. und 2.: schweren Bandendiebstahls u. a.
zu 3.: Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl u. a.
zu 4.: Wohnungseinbruchsdiebstahls u. a.
zu 5.: Beihilfe zum Wohnungseinbruchsdiebstahl u. a.
zu 6.: gewerbsmäßiger Hehlerei
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. April
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 1.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 2.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 3.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 4.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 5.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 6.,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten P. gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 20. Mai 2010 wird
a) das Verfahren im Fall 1.23 der Urteilsgründe (Fall 27 der Anklageschrift ) eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten P. , K. und Ka. der Staatskasse zur Last;
b) das vorgenannte Urteil dahin geändert, dass aa) der Angeklagte P. neben seiner Verurteilung im Übrigen wegen schweren Bandendiebstahls in 23 Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen, Hehlerei in zwei Fällen, fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu der (weiteren) Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt ist, bb) der Ausspruch über die Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft des Angeklagten P. auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten entfällt, cc) der Angeklagte K. des schweren Bandendiebstahls in 31 Fällen und des versuchten schweren Bandendiebstahls in sieben Fällen schuldig ist, dd) der Angeklagte Ka. der Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in 25 Fällen und der Beihilfe zum versuchten schweren Bandendiebstahl in sechs Fällen schuldig ist. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten B. wird das vorgenannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit festgestellt worden ist, dass bei dem Angeklagten B. der Anordnung des Verfalls Ansprüche Verletzter nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen und der Wert des Erlangten 149.650 € beträgt. 3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über den Verfall oder eine Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO bei dem Angeklagten A. unterblieben ist. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel des Angeklagten B. und der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten B. und A. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 5. Die weiter gehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten P. und B. werden verworfen. 6. Die Staatskasse hat die verbleibenden Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten P. , K. , Ka. und Pi. und die dadurch diesen Angeklagten in der Revisionsinstanz entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 7. Der Angeklagte P. trägt die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen schweren Bandendiebstahls in neun Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls in drei Fällen sowie versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 29. Oktober 2008 – rechtskräftig seit dem 13. Mai 2009 – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und wegen schweren Bandendiebstahls in 23 Fällen , versuchten schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen, Hehlerei in zwei Fällen, fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Das Landgericht hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von einem Jahr und zwei Monaten der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten angeordnet. Ferner hat es ausgesprochen, dass die erlittene Untersuchungshaft auf diese Gesamtfreiheitsstrafe anzurechnen ist und die Verwaltungsbehörde an- gewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
2
Der Angeklagte K. wurde wegen schweren Bandendiebstahls in 31 Fällen und versuchten schweren Bandendiebstahls in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten und der Angeklagte Ka. wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in 25 Fällen und Beihilfe zum versuchten schweren Bandendiebstahl in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Den Angeklagten A. hat das Landgericht des Wohnungseinbruchsdiebstahls in sechs Fällen und des versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls schuldig gesprochen und unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 24. August 2009 auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren erkannt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Der Angeklagte Pi. wurde wegen Beihilfe zum Wohnungseinbruchsdiebstahl in acht Fällen sowie Beihilfe zum versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahl in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Daneben hat das Landgericht auf eine gesonderte Gesamtgeldstrafe aus den einzubeziehenden Strafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bad Aibling vom 9. Juli 2009 und aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Brakel vom 6. November 2009 in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 10 € erkannt.
3
Der Angeklagte B. wurde unter Freispruch im Übrigen wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Anordnung des Verfalls gegen diesen Angeklagten Ansprüche Verletzter entgegenstehen und dass die Summe des Erlangten 149.650 € beträgt.
4
Mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie erstrebt beim Angeklagten Ka. eine Verurteilung wegen Mittäterschaft, beim Angeklagten A. eine solche wegen schweren Bandendiebstahls und bei den Angeklagten P. , K. und Ka. eine Feststellung nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB in Verbindung mit einer Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO. Bei allen Angeklagten beanstandet sie die Strafzumessung. Die Angeklagten P. und B. wenden sich mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung.
5
2. Nach den Feststellungen begingen die Angeklagten P. und K. unter Beteiligung der Angeklagten Ka. , A. und Pi. Tageswohnungseinbrüche in Wohnhäuser. Die Angeklagten P. , K. und Ka. waren spätestens Ende März 2009 übereingekommen, künftig für eine unabsehbare Zeit zur Erzielung eines gewissen Einkommens eine Mehrzahl von Einbruchsdiebstählen zu begehen. Der Angeklagte K. recherchierte im Internet Anschriften von Personen, die im Telefonbuch mit akademischen Titeln oder der Berufsbezeichnung Kapitän verzeichnet waren, da man sich bei diesen Personen größere Beute versprach. Der Angeklagte P. rief dann mehrfach mit einem eigens angeschafften „Testhandy“ auf den zuvor ermittelten Festnetzanschlüssen der Wohnungsinhaber an, um sicherzustellen, dass sie sich nicht zu Hause aufhielten. Wenn sich niemand meldete, fuhr der Angeklagte Ka. die Angeklagten P. und K. werktags in den Vormittagsstunden zu den Einbruchsobjekten. Um sicherzustellen, dass sich niemand zu Hause aufhielt, wurde nochmals an den Haustüren geklingelt. Diese Aufgabe übernahm zunächst der Angeklagte Ka. , wegen seiner Unsicherheit und Orientierungsschwierigkeiten wurde er jedoch alsbald vom Angeklagten P. abgelöst. Während dann der Angeklagte Ka. im Fahrzeug wartete, hebelten die Angeklagten P. und K. ein Fenster oder eine Terrassentür auf oder öffne- ten die Haustür mit einem Rollgabelschlüssel. In den Wohnungen suchten sie gezielt nach Schmuck und Bargeld. Den erbeuteten Schmuck brachten sie in einigen Fällen zu dem An- und Verkaufsgeschäft des Angeklagten B. . Den Erlös aus dem Verkauf des Diebesgutes teilten sich die Angeklagten P. und K. hälftig; der Angeklagte Ka. erhielt einen Anteil von 20 bis 200 €. Während eines einwöchigen Urlaubs des Angeklagten Ka. sprang der Angeklagte A. als Fahrer ein, der auch „Schmiere stand“. Der Angeklagte A. , dem ein gleicher Anteil an der Beute versprochen worden war, erhielt für seine Tätigkeit eine Gesamtsumme von 500 €. An mehreren Tagen nahmen die Angeklagten auf Wunsch des Angeklagten Ka. den Angeklagten Pi. auf ihren Einbruchstouren mit. Der Angeklagte Pi. wusste, dass der Angeklagte Ka. die Angeklagten P. und K. zu Wohnungseinbrüchen fuhr. Er leistete dem Angeklagten Ka. Gesellschaft und behielt auch die nähere Umgebung im Blick.

II.

6
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben überwiegend erfolglos.
7
1. Die Befangenheitsrüge (§ 338 Nr. 3 StPO) greift nicht durch.
8
a) Der Rüge liegt folgendes Geschehen zugrunde: Die Hauptverhandlung am ersten Verhandlungstag, dem 18. Februar 2010, wurde nach der Vereidigung des Schöffen W. und der Verlesung der Anklageschrift von 10.17 Uhr bis 10.30 Uhr unterbrochen. Nach der Belehrung der Angeklagten gemäß § 243 Abs. 5 StPO teilte der Vorsitzende den Verfahrensbeteiligten mit, dass der Kammer im Rahmen einer Verständigung im Falle glaubhafter geständiger Einlassungen folgende Strafobergrenzen angemessen erschienen: bei dem Angeklagten P. unter Berücksichtigung einer verminderten Schuldfähigkeit sechs Jahre drei Monate, bei dem Angeklagten K. sechs Jahre, bei dem An- geklagten Ka. vier Jahre drei Monate, bei den Angeklagten A. und Pi. jeweils unter Berücksichtigung der einzubeziehenden Strafen zwei Jahre, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden könnten, und beim Angeklagten B. drei Jahre zwei Monate. Anschließend wurde die Hauptverhandlung unterbrochen. Am zweiten Hauptverhandlungstag, dem 2. März 2010, gab die Staatsanwaltschaft eine ablehnende Stellungnahme zu dem Verständigungsvorschlag ab. Sie äußerte die Vermutung, dass eine Beratung über den Vorschlag bereits vor Vereidigung des Schöffen W. stattgefunden habe. Der Schöffe W. erklärte dienstlich, dass die Strafmaßvorschläge während der Unterbrechung der Hauptverhandlung nach Verlesung der Anklageschrift beraten worden seien. Der Vorsitzende stellte fest, dass keine Verständigung unter Einbeziehung der Staatsanwaltschaft möglich sei und leitete die Befragung der Angeklagten zur Sache mit den Worten ein, dass ″die Kammer grundsätzlich dazu steht, was sie gesagt hat“.
9
Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin eine längere Unterbrechung zur Prüfung der Stellung eines unaufschiebbaren Antrags. Auf Anregung der Verteidiger fand zwischen 10.50 Uhr und 11.15 Uhr eine Erörterung zwischen den Verfahrensbeteiligten statt, die nicht zu einem Einvernehmen führte. Nach Unterbrechung der Sitzung von 12.06 Uhr bis 14.04 Uhr stellte der Vertreter der Staatsanwaltschaft einen Befangenheitsantrag gegen die drei Berufsrichter und die beiden Schöffen. Die Schöffen hätten sich in einer nur zehnminütigen Beratung auf Strafmaßobergrenzen eingelassen, ohne den konkreten Sachverhalt zu kennen. Die Äußerung des Vorsitzenden, dass „die Kammer grundsätzlich dazu steht, was sie gesagt hat“, erwecke die Befürchtung, die Kammermitglieder würden sich am Ende der Beweisaufnahme an die in Aussicht gestellten Strafmaßobergrenzen gebunden fühlen, auch wenn sie zu der Überzeugung gelangten, dass diese nicht mehr tat- und schuldangemessen seien. Der Vorsitzende erklärte in seiner dienstlichen Äußerung, die Strafvorstellungen seien im Zusammenhang mit der Beratung über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Aufrechterhaltung der Haftbefehle sowie bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung von den Berufsrichtern entwickelt worden. Der Vorschlag sei mit den Schöffen nach Verlesung der Anklageschrift erörtert worden. Der Befangenheitsantrag wurde – ohne Mitwirkung der betroffenen Richter – als unbegründet zurückgewiesen.
10
b) Die Rüge ist unbegründet, soweit die Voreingenommenheit beider Schöffen aus der kurzen Beratungszeit vor der Bekanntgabe der möglichen Strafobergrenzen hergeleitet wird. Den Schöffen war bei der Beratung der zur Anklage gebrachte Sachverhalt bekannt, denn in dem verlesenen Anklagesatz sind alle Taten konkret geschildert. Anhaltspunkte dafür, dass die Schöffen nicht in der Lage gewesen wären, sich während der Beratung eine eigene Meinung über die Angemessenheit der von den Berufsrichtern für sachgerecht erachteten Strafobergrenzen zu bilden, bestehen nicht.
11
c) Auf die Bekanntgabe der nach Einschätzung der Strafkammer angemessenen Strafobergrenzen kann die Rüge der Befangenheit nicht gestützt werden. Dass die Berufsrichter die Sach- und Rechtslage vor der Eröffnung des Hauptverfahrens und bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung geprüft und eine vorläufige Prognose zu den Strafhöhen im Falle eines Geständnisses gestellt , mit den Schöffen abgestimmt und den Verfahrensbeteiligten mitgeteilt haben, rechtfertigt nicht die Annahme einer Besorgnis der Befangenheit (BGH, Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 313/99, BGHSt 45, 312, 315 f.; vgl. auch BGH, Urteile vom 15. Februar 2005 – 5 StR 536/04, NStZ 2005, 395, 396; vom 13. Juli 2006 – 4 StR 87/06 Rn. 7, NStZ 2006, 708 und vom 12. September 2007 – 5 StR 227/07 Rn. 11, NStZ 2008, 172, 173). Die schon nach früherer Rechtslage als zulässig angesehene Mitteilung der Strafobergrenze im Falle eines Geständnisses hat der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes zur Rege- lung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2353) ausdrücklich gebilligt. § 257b StPO erlaubt es dem Gericht, in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten zu erörtern, um eine Verständigung vorzubereiten (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 257b Rn. 2). Gegenstand einer solchen Erörterung kann die Angabe einer Ober- und Untergrenze der nach gegenwärtigem Verfahrensstand zu erwartenden Strafe durch das Gericht sein. Mit dieser Vorschrift wird klargestellt, dass sich das Gericht durch die Bekanntgabe seiner Einschätzung des Verfahrensstandes nicht dem Vorwurf der Befangenheit aussetzt (BT-Drucks. 16/11736 S. 10 f.).
12
d) Auch die Äußerung des Vorsitzenden, ″die Kammer stehe grundsätzlich dazu, was sie gesagt hat“, gibt keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit der Strafkammer zu zweifeln. Schon aus der Formulierung mit dem Wort ″grundsätzlich“ folgt, dass sich die Äußerung auf die vorläufige rechtliche und tatsächliche Bewertung der Anklagevorwürfe durch die Strafkammer bezog. Allen Verfahrensbeteiligten war zu diesem Zeitpunkt klar, dass eine verbindliche Absprache gemäß § 257c StPO gescheitert war und eine rechtliche Bindung der Strafkammer an die mitgeteilten Strafrahmenobergrenzen nicht bestand. In Verbindung mit der vom Vorsitzenden gewählten Formulierung konnte bei einem verständigen Verfahrensbeteiligten nicht der Eindruck entstehen, dass sie sich vorbehaltlos und endgültig auf die Strafen festgelegt haben könnte. Die Strafkammer durfte zulässigerweise die nach ihrer vorläufigen rechtlichen und tatsächlichen Bewertung des Akteninhalts in Aussicht genommenen Strafobergrenzen weiterhin für angemessen halten, nachdem die Staatsanwaltschaft widersprochen hatte, und dies gegenüber den Verfahrensbeteiligten zum Ausdruck bringen. Sie wollte damit ersichtlich nicht ankündigen, dass sie sich unabhängig von den noch ausstehenden Einlassungen der Angeklagten und dem Ergebnis der Beweisaufnahme auf eine Strafe festgelegt hätte; vielmehr wurde klargestellt, dass die Argumente der Staatsanwaltschaft die (vorläufige) Einschätzung der Strafkammer nicht verändert hatten.
13
e) Auch durch die Gesamtschau mit weiteren Umständen wird eine Voreingenommenheit der Strafkammer nicht belegt. Anhaltspunkte für die Vermutung , dass die Strafkammer die Beweisaufnahme ungeachtet des Aufklärungsinteresses der Verfahrensbeteiligten verkürzen wollte, werden von der Revisionsführerin nicht aufgezeigt. Die Berufsrichter sind ersichtlich nicht vorschnell auf eine Urteilsabsprache ausgewichen, ohne zuvor pflichtgemäß die Anklage tatsächlich anhand der Akten und insbesondere auch rechtlich überprüft zu haben (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2005 – GSSt 1/04, BGHSt 50, 40, 49 m.w.N.). Die Revision behauptet selbst nicht, dass sich aus der Verfahrensvorbereitung oder der Durchführung der Hauptverhandlung ableiten ließe, dass die Berufsrichter auf das Zustandekommen einer verfahrensverkürzenden Absprache vertraut haben. Die vom Vorsitzenden bekannt gegebenen Strafobergrenzen im Falle eines Geständnisses missachteten nicht bereits das Gebot eines gerechten Schuldausgleichs (BGH, Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 313/99, BGHSt 45, 312, 318 f.). Die Urteilsgründe enthalten keinen Beleg dafür, dass sich die Strafkammer an die den Angeklagten angekündigten Strafobergrenzen für gebunden gehalten und diese Strafen deshalb trotz erkannter Schuldunangemessenheit verhängt hat.
14
2. Die Aufklärungsrüge, mit der beanstandet wird, dass das Landgericht es unterlassen habe, durch Befragung des Angeklagten Ka. und Vernehmung des Zeugen Ulrich S. den Verbleib des durch die Taten erlangten Diebesgutes und des von den Angeklagten P. und K. aus dessen Verkauf erzielten Erlöses aufzuklären, ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Revisionsführerin hat schon nicht mitgeteilt, dass der Zeuge S. in der Hauptverhandlung vom 11. Mai 2010 vernommen worden ist.
Der Angeklagte Ka. hat sich umfassend eingelassen. Eine unterbliebene vollständige Ausschöpfung erhobener Beweise kann aber nicht Gegenstand einer Aufklärungsrüge sein, weil sich das Revisionsgericht nicht über das Verbot der Rekonstruktion der Beweisaufnahme hinwegsetzen darf (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2008 – 5 StR 412/08 Rn. 12, NStZ 2009, 468, 469; MeyerGoßner , StPO, 53. Aufl., § 244 Rn. 82 jeweils m.w.N.).
15
3. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hat nur bei dem Angeklagten A. einen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten dieses Angeklagten ergeben.
16
a) Die Auslegung der Revision der Staatsanwaltschaft ergibt trotz des umfassend gestellten Aufhebungsantrags und der Formulierung, dass die allgemeine Sachrüge durch die Bemerkungen zur Begründung nicht eingeschränkt werden soll, dass sie auf die Verurteilungsfälle beschränkt ist. Der Freispruch des Angeklagten B. im Fall 51 der Anklage wird von der Revisionsführerin mit keinem Wort angriffen. Im Übrigen weist die Beweiswürdigung des Landgerichts in diesem Fall keinen Rechtsfehler auf.
17
b) Die von der Revisionsführerin beanstandete rechtliche Würdigung der Taten des Angeklagten Ka. als Beihilfe (nachstehend unter aa) und die Verneinung der Bandenmitgliedschaft des Angeklagten A. (nachstehend unter bb) sind rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit die Schuldsprüche im Fall 1.23 der Urteilsgründe (Ziff. 27 der Anklageschrift) zu Lasten der betroffenen Angeklagten rechtsfehlerhaft sind (nachstehend unter cc), hat der Senat das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
18
aa) Die vom Landgericht in wertender Betrachtung der maßgeblichen Umstände vorgenommene Würdigung des Verhaltens des Angeklagten Ka. als Beihilfe und nicht als Mittäterschaft hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums. Mittäterschaft liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann vor, wenn ein Tatbeteiligter nicht bloß fremdes Tun fördern will, sondern seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils will. Ob ein Beteiligter dieses enge Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür können gefunden werden im Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, im Umfang der Tatbeteiligung und in der Tatherrschaft oder wenigstens im Willen zur Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 29. September 2005 – 4 StR 420/05, NStZ 2006, 94 und vom 24. Juli 2008 – 3 StR 243/08, StV 2008, 575 jeweils m.w.N.). Der vom Angeklagten Ka. geleistete Tatbeitrag, der Anhaltspunkt für den Grad seines Tatinteresses sein könnte, war im Vergleich zu den Beiträgen der Angeklagten P. und K. , wenn auch wichtig, so doch gering. Während der Angeklagte K. die Einbruchsorte recherchierte und gemeinsam mit dem Angeklagten P. die Einbrüche ausführte, beschränkte sich der Beitrag des Angeklagten Ka. darauf, die beiden anderen zum Tatort und zurück zu fahren. Er war weder in die Tatplanung eingebunden noch an der unmittelbaren Tatausführung beteiligt. Die untergeordnete Bedeutung seines Tatbeitrags wird nicht zuletzt durch den ihm versprochenen und überlassenen lediglich geringfügigen Anteil aus dem Erlös des Verkaufs der Beute belegt.
19
bb) Die Verneinung der Bandenmitgliedschaft des Angeklagten A. hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
20
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Bande im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich zur fortgesetzten Begehung einer noch unbestimm- ten Zahl von Diebstählen verbunden haben (BGH, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 325). Erforderlich ist eine – ausdrücklich oder konkludent getroffene – Bandenabrede, bei der das einzelne Mitglied den Willen hat, sich mit mindestens zwei anderen Personen zur Begehung von Straftaten in der Zukunft für eine gewisse Dauer zusammenzutun (BGH, Urteil vom 16. Juni 2005 – 3 StR 492/04, BGHSt 50, 160, 164). Als Bandenmitglied ist anzusehen, wer in die Organisation der Bande eingebunden ist, die dort geltenden Regeln akzeptiert, zum Fortbestand der Bande beiträgt und sich an den Straftaten als Täter oder Teilnehmer beteiligt (BGH, Beschluss vom 16. März 2010 – 4 StR 497/09, wistra 2010, 347).
21
Die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte A. habe sich der Bande nicht angeschlossen, weil er von vornherein lediglich für einen Zeitraum von fünf Tagen an den Fahrten teilgenommen hat und auch nur für die Zeit der Abwesenheit des Angeklagten Ka. (UA S. 82 f.), ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Nach den Feststellungen fehlte die enge Bindung des Angeklagten A. zu den Bandenmitgliedern P. , K. und Ka. . Diese haben den Angeklagten A. nicht dauerhaft in ihre Organisation eingebunden. Die Bandenmitglieder haben vielmehr ihre Straftaten unmittelbar nach der Urlaubsrückkehr des Angeklagten Ka. ohne ihn fortgesetzt.
22
cc) Im Fall 1.23 der Urteilsgründe (Fall 27 der Anklageschrift) hat der Senat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, weil nach den insoweit getroffenen Feststellungen die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch nicht ausgeschlossen ist. Dies führt zur entsprechenden Änderung der Schuldsprüche bei den Angeklagten P. , K. und Ka. und zum Wegfall der wegen dieser Tat verhängten Einzelfreiheitsstrafen. Die gegen die Angeklagten P. , K. und Ka. erkannten Gesamtfreiheitsstrafen können bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht ohne die im Fall 27 der Anklageschrift verhängten Einzelstrafen jeweils eine (noch) niedrigere Gesamtstrafe gebildet hätte.
23
c) Ohne Erfolg bleibt auch die Beanstandung der Bemessung der gegen die Angeklagten wegen der verfahrensgegenständlichen Taten verhängten Freiheitsstrafen.
24
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur dann eingreifen, wenn die tatrichterliche Strafzumessung Rechtsfehler enthält, insbesondere wenn sie lückenhaft oder widersprüchlich ist oder sie gegen anerkannte Strafzwecke verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 f.). Derartige Rechtsfehler zeigen die Revisionen der Staatsanwaltschaft hinsichtlich keines der Angeklagten auf. Der Beschwerdeführerin ist einzuräumen, dass die gegen die Angeklagten erkannten Einzel- und Gesamtstrafen angesichts des Umfangs der Tatserie vergleichsweise milde sind; hinzu kommt, dass bis auf den Angeklagten A. alle Angeklagten erheblich, auch einschlägig vorbelastet sind. Die Strafen entfernen sich aber noch nicht nach unten von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs. Zwar hätten die von der Beschwerdeführerin hervorgehobenen Umstände auch anders gewertet werden und deshalb bei allen Angeklagten Anlass geben können, höhere Strafen zu verhängen. Die Staatsanwaltschaft versucht aber lediglich, diese Gesichtspunkte anders als der Tatrichter zu gewichten. Damit kann sie jedoch im Revisionsverfahren nicht gehört werden.
25
Die Verhängung einer gesonderten Gesamtgeldstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB gegen den Angeklagten Pi. hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei begründet. Zwar fehlen Ausführungen zur Begründung der Höhe der Gesamt- geldstrafe und der Tagessatzhöhe. Angesichts der zur Person des Angeklagten Pi. getroffenen Feststellungen schließt der Senat aus, dass sich der Rechtsfehler zu dessen Gunsten ausgewirkt hat.
26
d) Die Urteilsfeststellungen tragen die Entscheidung der Strafkammer, von einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO bei den Angeklagten P. , K. und Ka. abzusehen. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , dass § 73c Abs. 1 StGB im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen ist (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10 Rn. 15 und 30, NJW 2011, 624, 625 m.w.N.). Nach den Urteilsfeststellungen (UA S. 96, 99 f., 103) ist bei den Angeklagten P. , K. und Ka. kein Vermögen mehr vorhanden. Im Rahmen der von der Strafkammer nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB zu treffenden Ermessensentscheidung hat sie tragfähig darauf abgestellt, die Resozialisierung der Angeklagten nach Haftentlassung solle nicht durch zu hohe finanzielle Belastungen gefährdet werden (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2003 – 1 StR 22/03, StV 2003, 616).
27
e) Rechtsfehlerhaft hat die Strafkammer jedoch die Anordnung des Verfalls bei dem Angeklagten A. nicht erörtert. Der Angeklagte A. hat für seine Teilnahme an den ausgeurteilten Straftaten eine Gesamtentlohnung von 500 € erhalten. Wenn die Voraussetzungen des Verfalls oder des Wertersatzverfalls vorliegen, ist deren Anordnung in §§ 73, 73a StGB zwingend vorgeschrieben. Nur unter den Voraussetzungen des § 73c StGB muss (Absatz 1 Satz 1) oder kann (Absatz 1 Satz 2) die Anordnung unterbleiben. Diese Voraussetzungen sind in den Urteilsgründen so darzulegen, dass die Entscheidung für das Revisionsgericht nachvollziehbar und auf Rechtsfehler überprüfbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 1993 – 2 StR 468/93). Soweit möglicherweise Ansprüche der Verletzten einer Verfallsanordnung entgegenstünden (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB), wäre eine Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO zu prüfen.
28
f) Hinsichtlich des Angeklagten B. führt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft gemäß § 301 StPO zu dessen Gunsten zur Aufhebung der Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO (unten unter III. 2.).

III.

29
Die Revisionen des Angeklagten P. (nachfolgend unter 1.) und B. (nachfolgend unter 2.) haben den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.
30
1. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Revision des Angeklagten P. hat zum Schuldspruch – nach Teileinstellung des Verfahrens im Fall 27 der Anklageschrift – keinen beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Der Rechtsfolgenausspruch hat – mit Ausnahme der Anrechnung der Untersuchungshaft – Bestand.
31
a) Die Schadenshöhe im Fall 36 der Anklageschrift ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Der Schaden in den beiden Fällen 36 und 37 der Anklageschrift betrug zusammen 44.800 € (UA S. 48); im Fall 37 war der Wert der Beute 9.800 € (UA S. 41), so dass sich für den Fall 36 unschwer ein Schadensbetrag in Höhe von 35.000 € errechnet.
32
b) Soweit die Strafkammer die Fälle 22, 28 und 36 der Anklageschrift, für die sie Freiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren festgesetzt hat, nochmals bei den Fällen aufgeführt hat, für die sie Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten verhängt hat, handelt es sich um ein offensichtliches Fassungsversehen. Der Senat schließt aus, dass sich das Versehen auf die Bemessung der zweiten Gesamtfreiheitsstrafe ausgewirkt hat.
33
c) Bei der vom Landgericht vorgenommenen Anordnung über die Vollstreckungsreihenfolge von Strafe und Maßregel hat es sich allerdings, wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom 29. November 2010 zutreffend ausgeführt hat, um zwei Wochen verrechnet. Da der Angeklagte P. indes seit seiner Inhaftierung am 15. Juni 2009 nunmehr ein Jahr und zehn Monate auf die Strafe anzurechnende Untersuchungshaft (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2010 – 1 StR 642/10 Rn. 3) erlitten hat, ist er jetzt ohnehin wegen des hieraus folgenden Ablaufs des angeordneten Vorwegvollzugs unverzüglich in den Vollzug der Unterbringung nach § 64 StGB zu überführen. Eine Korrektur – oder auch die Anordnung des Wegfalls – des angeordneten Teilvorwegvollzugs ist bei dieser Sachlage entbehrlich (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2009 – 5 StR 22/09 Rn. 5).
34
d) Der Ausspruch über die Anrechnung der Untersuchungshaft auf die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten hat zu entfallen. Die Anordnung der Anrechnung der Untersuchungshaft nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB im Urteil ist überflüssig (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2000 – 4 StR 471/00, BGHR StGB § 51 Abs. 1 Anrechnung 2; Fischer, StGB, 58. Aufl. § 51 Rn. 4). Im vorliegenden Fall ist angesichts der bisherigen Dauer der Untersuchungshaft nicht auszuschließen, dass der Angeklagte durch die Anrechnung allein auf die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten Nachteile erleidet, etwa bei Erreichen der Mindestverbüßungszeiten des § 57 StGB.
35
e) Zwar hat das Landgericht die Anordnung einer Sperrfrist von einem Jahr für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nicht begründet. Angesichts der einschlägigen Vorstrafen und des Bewährungsversagens des Angeklagten schließt der Senat aus, dass der Angeklagte durch den Rechtsfehler beschwert ist.
36
2. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Revision des Angeklagten B. hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 29. November 2010.
37
Der Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO hat allerdings keinen Bestand. Dem angefochtenen Urteil kann nicht entnommen werden, ob das Landgericht im Rahmen seiner Entscheidung nach § 111i Abs. 2 Satz 3 StPO die Härtevorschrift des § 73c StGB geprüft hat (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 – 3 StR 460/08, wistra 2009, 241, 242; Beschlüsse vom 7. September 2010 – 4 StR 393/10 und vom 15. November 2010 – 4 StR 413/10). Hierfür hätte es tatsächlicher Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten bedurft. Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck Franke Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 614/10
vom
1. Dezember 2010
in der Strafsache
gegen
wegen strafbarer Werbung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Dezember 2010 einstimmig

beschlossen:
Das Verfahren wird zuständigkeitshalber an den 4. Strafsenat abgegeben.

Gründe:

1
Das Landgericht Halle hat den Angeklagten wegen strafbarer Werbung (§ 16 Abs. 2 UWG) unter Einbeziehung einer Geldstrafe wegen Steuerhehlerei aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die im Strafbefehl ausgesprochene Einziehung beschlagnahmter Zigaretten hat das Landgericht aufrechterhalten.
2
Zur Entscheidung über die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil ist der 1. Strafsenat nicht zuständig.
3
Allein die Einbeziehung der Rechtsfolgen einer rechtskräftigen Verurteilung bzw. hier des Strafbefehls wegen eines Steuerdelikts in die nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§ 55 StGB) im Zusammenhang mit der Verurteilung wegen einer Nichtsteuerstraftat begründet „zweifelsfrei“ (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April 1998 - 4 StR 81/98) nicht die Zuständigkeit des 1. Strafsenats aufgrund der dem 1. Strafsenat zugewiesenen Spezialzuständigkeit für Steuerund Zollstrafsachen gemäß Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs 2010 (A. II. 1. Strafsenat Nr. 5). Denn insoweit besteht kein Entscheidungsbedarf mehr.
4
Das Landgericht Halle gehört zum Bezirk des Oberlandesgerichts Naumburg. Zur Entscheidung über Revisionen aus diesem Bereich in Strafsa- chen, die keine einem anderen Senat zugewiesene Spezialmaterie betreffen, ist der 4. Strafsenat zuständig (Geschäftsverteilungsplan A. II. 4. Strafsenat Nr. 1).
5
Der 4. Strafsenat wurde angehört. Er teilt die hier vertretene Auffassung.
6
Der 1. Strafsenat gibt deshalb die Sache gemäß der Regelung im Geschäftsverteilungsplan unter A. VI. 1. a) an den 4. Strafsenat ab. Wahl Hebenstreit Elf Jäger Sander

Ein Zusammenhang ist vorhanden, wenn eine Person mehrerer Straftaten beschuldigt wird oder wenn bei einer Tat mehrere Personen als Täter, Teilnehmer oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beschuldigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 441/06
vom
8. November 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls und Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. November
2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 23. Februar 2006 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Der schizophrene Angeklagte hat im Oktober 2004 eine ihm unbekannte Frau grundlos auf der Straße getreten. Im Dezember 2004 hat er eine Jacke und im April 2005 ein Hemd gestohlen.
2
Bei dem Tritt war er jedenfalls vermindert schuldfähig (§ 21 StGB), möglicherweise schuldunfähig (§ 20 StGB). Bei den beiden Diebstählen war er möglicherweise vermindert schuldfähig (§ 21 StGB), nicht jedoch schuldunfähig (§ 20 StGB). Dementsprechend wurde er wegen der Diebstähle bestraft, vom Vorwurf der Körperverletzung dagegen freigesprochen. Von einer Unterbringung gemäß § 63 StGB, die angesichts der genannten Feststellungen zur Schuldfähigkeit hier allein auf die Körperverletzung hätte gestützt werden können , wurde abgesehen.
3
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft.
4
Sie beantragt (§ 344 Abs. 1 StPO), das Urteil aufzuheben. Die Begründung dieses Antrags befasst sich ausschließlich mit der unterbliebenen Unterbringungsanordnung. Nach dem maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; BGH NStZ-RR 2004, 118) ist damit allein das Absehen von einer Unterbringungsanordnung angefochten. Der Senat bemerkt, dass, zumal bei einer Revision der Staatsanwaltschaft, der Revisionsantrag deckungsgleich mit den Ausführungen zur Revisionsbegründung sein sollte. Das Revisionsverfahren wird nicht unerheblich erleichtert, wenn der Umfang der Anfechtung nicht erst durch Auslegung der Revisionsbegründung ermittelt werden muss (BGH NStZ-RR aaO m. w. N.).
5
Die Ablehnung einer Unterbringungsanordnung hält rechtlicher Überprüfung stand. Dies hat der Vertreter der Generalbundesanwältin zutreffend im Einzelnen dargelegt. Hinsichtlich der Vorstrafen hat die Strafkammer die jeweils zugrunde liegenden Delikte (hauptsächlich Diebstahl, Betrug und Leistungserschleichung ) und die jeweils verhängten Strafen (Geldstrafen oder kurze Freiheitsstrafen , § 47 StGB) mitgeteilt. Anhaltspunkte dafür, dass darüber hinaus- gehende Feststellungen zu den Vorverurteilungen eine andere Beurteilung der Notwendigkeit einer Unterbringungsanordnung hätten ergeben können, sind nicht erkennbar.
Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

Die Gerichtssprache ist deutsch. Das Recht der Sorben, in den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung vor Gericht sorbisch zu sprechen, ist gewährleistet.

(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.

(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 194/11
vom
9. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. August
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26. November 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die von dem Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.

I.

2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Spätestens im Februar bzw. März 2010 gelangte die Angeklagte zu der Überzeugung, ihre ehemalige Freundin und Arbeitskollegin R. versuche durch "legale Machenschaften" ihr Leben zu zerstören. Sie trug sich deshalb mit dem Gedanken, sich an R. zu rächen und sie "ggf." zu töten. Am 15. März 2010 rief sie, ohne ihren Namen zu nennen, bei R. an und teilte ihr mit: "Du bist tot." Im Anschluss daran bemühte sie sich darum, eine Schusswaffe zu erwerben, mit der sie R. erschießen wollte. Ihre Bemühungen scheiterten aber. Schließlich packte sie am 13. Mai 2010 (Christi Himmelfahrt) mehrere Messer und einen Teleskopschlagstock in ihre Tasche und fuhr zu R. , um gegen diese "eine erhebliche Gewalttat" zu verüben (UA S. 12) bzw. diese mit einem Messer anzugreifen und "unter Umständen lebensgefährlich" zu verletzen (UA S. 38).
4
Bewaffnet mit einem Brotmesser mit einer Klingenlänge von etwa 13 cm gelangte die Angeklagte unbemerkt in das Wohnhaus, in dem sich die Wohnung ihrer ehemaligen Freundin befand. Sie klingelte an der Wohnungstür. Nach ihrem Tatplan wollte sie das Überraschungsmoment ausnutzen und R. unmittelbar nach dem Öffnen der Tür angreifen (UA S. 34). Entgegen ihrer Erwartung wurde die Wohnungstür aber nicht von ihrer ehemaligen Freundin geöffnet, sondern von deren Lebensgefährten, dem Geschädigten H. . Die Angeklagte richtete ihr Messer gegen seinen Oberkörper, machte eine Stichbewegung und versuchte, sich an ihm vorbei in die Wohnung zu drängen. H. gelang es jedoch, die Angeklagte zu umklammern und festzuhalten. Um sich zu befreien, schnitt die Angeklagte ihm mit dem Messer in den linken Unterarm. Als er sie dennoch nicht losließ, biss sie ihm in den Arm. Daraufhin gelang es H. , die Angeklagte in das Treppenhaus zu schieben und die Tür hinter ihr zu verschließen.
5
b) Das Landgericht hat einen Tötungsvorsatz hinsichtlich des Geschädigten H. im Wesentlichen mit der Erwägung verneint, dass das eigentliche Angriffsziel der Angeklagten nicht der Geschädigte, sondern dessen Lebensgefährtin R. gewesen sei. Gegen diese habe sich die ganze Wut der Angeklagten ausschließlich gerichtet. An dem Geschädigten habe sich die Angeklagte zunächst nur vorbeidrängen wollen. Aus der Schnittverletzung lasse sich ebenfalls kein Rückschluss auf einen Tötungsvorsatz ziehen, da die Angeklagte sich habe befreien wollen und den Schnitt nur mit geringer Kraft ausgeführt habe. Das Landgericht hat das Tatgeschehen zum Nachteil des Geschädigten H. als gefährliche Körperverletzung gewertet. An einer Verurteilung der Angeklagten wegen des gegen die Zeugin R. gerichteten Tatgeschehens hat sich das Landgericht gehindert gesehen, weil dieses nach seiner Auffassung nicht angeklagt gewesen sei.
6
2. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, dass das Landgericht das festgestellte Tatgeschehen nicht erschöpfend gewürdigt habe. Insbesondere sei rechtsfehlerhaft nicht geprüft worden, ob sich die Angeklagte - neben der Tat zum Nachteil des Geschädigten H. - auch wegen versuchten Mordes betreffend R. strafbar gemacht habe.

II.

7
Die Revision ist begründet. Die Staatsanwaltschaft rügt zu Recht, dass das Landgericht das von ihm festgestellte Tatgeschehen in Bezug auf R. nicht in seine Urteilsfindung mit einbezogen, sondern isoliert nur unter dem Gesichtspunkt einer Tat zum Nachteil des Geschädigten H. gewürdigt hat.
8
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt in Bezug auf das Tatgeschehen betreffend R. eine wirksame Anklage vor. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht.
9
a) Die Anklageschrift hat gemäß § 200 Abs. 1 StPO die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen , dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Täters unterscheiden lassen. Es darf nicht unklar bleiben, über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urteilen soll. Die begangene konkrete Tat muss vielmehr durch bestimmte Tatumstände so genau gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welche Handlungen dem Angeklagten zur Last gelegt werden. Erfüllt die Anklage ihre Umgrenzungsfunktion nicht, so ist sie unwirksam (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 28. April 2006 - 2 StR 174/05 und vom 28. Oktober 2009 - 1 StR 205/09 mwN). Bei der Überprüfung, ob die Anklage die gebotene Umgrenzung leistet, dürfen die Ausführungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zur Ergänzung und Auslegung herangezogen werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 19. Februar 2008 - 1 StR 596/07 und KK-Schneider, 6. Aufl., § 200 Rn. 30 jew. mwN).
10
b) An diesen Maßstäben gemessen wird die Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 11. August 2010 ihrer Umgrenzungsfunktion auch in Bezug auf das Tatgeschehen betreffend R. hinreichend gerecht.
11
Zwar wird der Angeklagten im abstrakten Anklagesatz lediglich ein Fall des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (zum Nachteil des H. ) zur Last gelegt. Im konkreten Anklagesatz teilt die Staatsanwaltschaft jedoch nicht nur den Angriff auf den Geschädigten mit, sondern auch, dass die mit dem Messer bewaffnete Angeklagte am Tattag auf dem Weg zu dessen Lebensgefährtin gewesen sei. Dies wird im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen weiter dahingehend konkretisiert, dass die Angeklagte im Ermittlungsverfahren zugegeben habe, dass sie nicht auf H. , sondern auf R. habe "losgehen wollen". Die Staatsanwaltschaft geht im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zudem davon aus, dass die Angeklagte die Absicht gehabt habe, ihre ehemalige Freundin aus Hass zu töten. Gestützt wird diese Annahme auf eine umfassende Beweiswürdigung zur Tatvorgeschichte, insbesondere auf die Bemühungen der Angeklagten, sich eine Schusswaffe zu besorgen, um "die (gemeint ist R. ) abzuknallen", sowie auf den Telefonanruf der Angeklagten bei ihrer ehemaligen Freundin mit den Worten "Du bist tot".
12
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist damit in der Anklage nicht nur die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt, sondern auch erkennbar , welche Tat gemeint ist und über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urteilen soll. Aus den Schilderungen zur Motivation der Angeklagten wird deutlich, dass zu dem von der Anklage umrissenen Tatgeschehen nicht nur der Angriff der Angeklagten auf den Geschädigten gehört, sondern auch das Fehlverhalten der Angeklagten in Bezug auf R. , da diese am Tattag das eigentliche Ziel der Angeklagten gewe- sen ist und es letztlich nur deshalb nicht zu einem gegen diese gerichteten Angriff gekommen ist, weil zufällig der Geschädigte der Angeklagten die Tür geöffnet und sich ihr anschließend in den Weg gestellt hat. Die einzelnen Handlungen gehen hier nicht nur äußerlich ineinander über, sondern sind auch innerlich unmittelbar miteinander verknüpft. Der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung kann nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden. Ihre getrennte Würdigung und Aburteilung in verschiedenen Verfahren würde - worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist - einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211 mwN).
13
2. Das Landgericht hat die angeklagte Tat, so wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt (§ 264 Abs. 1 StPO), nicht erschöpfend abgeurteilt.
14
a) Die Feststellungen des Landgerichts legen es nahe, dass sich die Angeklagte nicht nur wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten H. , sondern auch wegen eines versuchten Mordes in Bezug auf R. strafbar gemacht hat. Die Tatvorgeschichte und die Motivation der Angeklagten deuten auf das Vorliegen eines entsprechenden Tatentschlusses hin. Die Angeklagte dürfte zudem unmittelbar zur Tat angesetzt haben, als sie an der Wohnungstür geklingelt hat. Nach dem vom Landgericht festgestellten Tatplan wollte die Angeklagte "für den geplanten Messereinsatz das Überraschungsmoment ausnutzen", da sie davon ausging, dass ihr R. und nicht deren Lebensgefährte nach dem Klingeln die Tür öffnen werde.
15
b) An der Aburteilung dieses Verhaltens war das Landgericht nicht dadurch gehindert, dass die im Eröffnungsbeschluss zugelassene Anklage nur http://www.juris.de/jportal/portal/t/1rag/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006290950BJNE038001309&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 9 - den Vorwurf des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten H. erhob.
16
Nach § 264 StPO muss das Gericht die in der Anklage bezeichnete Tat so, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt, unter allen rechtlichen Gesichtspunkten aburteilen. Es ist verpflichtet, den Unrechtsgehalt der "Tat" voll auszuschöpfen, sofern - wie hier - keine rechtlichen Hindernisse im Wege stehen (BGH, Beschluss vom 9. November 1972 - 4 StR 457/71, BGHSt 25, 72). Der Tatbegriff des § 264 Abs. 1 StPO entspricht dabei demjenigen des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO (BGH, Beschluss vom 30. März 2011 - 4 StR 42/11).
17
Danach gehörte hier zur Tat nicht nur der Angriff auf den Geschädigten H. , in dessen Verlauf es zu dem Messerschnitt in den Unterarm kam, sondern das gesamte strafrechtlich relevante Verhalten der Angeklagten am Tattag , das auch die geplante Tötung von R. mit umfasste, zu der sie mit dem Klingeln an der Wohnungstür bereits unmittelbar angesetzt haben dürfte. Diese Tathandlungen - sowohl H. als auch R. betreffend - stellen aufgrund ihres engen zeitlichen, örtlichen und sachlichen Zusammenhanges einen einheitlichen Vorgang dar, unabhängig davon, ob sie sachlichrechtlich als eine Tat oder mehrere Taten angesehen werden (KK-Engelhardt, 6. Aufl., § 264 Rn. 3 mwN). Diesen Vorgang hatte das Landgericht - ggf. unter Erfüllung seiner Hinweispflicht nach § 265 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 - 3 StR 222/02, BGHSt 48, 221, 223) - bei seiner Urteilsfindung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen. Dieser Pflicht ist das Landgericht vorliegend jedoch rechtsfehlerhaft nicht nachgekommen. Dies stellt nicht nur eine Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 264 StPO dar, sondern auch einen sachlich-rechtlichen Mangel, auf dem das Urteil beruht (vgl. BGH, Urteile vom 10. Dezember 1974 - 5 StR 578/74 und vom 16. Dezember 1982 - 4 StR 644/82, NStZ 1983, 174 mwN).
18
3. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils in vollem Umfang, da sich die - an sich rechtsfehlerfreien - Feststellungen hinsichtlich der Tathandlung zum Nachteil des Geschädigten H. nicht von den Feststellungen zum übrigen Tatgeschehen trennen lassen. Der neue Tatrichter wird unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 - 3 StR 105/10 mwN) nähere Feststellungen zum Vorstellungsbild der Angeklagten zu treffen haben, um danach die Frage beurteilen zu können, ob die Angeklagte zur Tötung von R. unmittelbar angesetzt hat.

Nack Elf Graf Jäger Sander

Die Gerichtssprache ist deutsch. Das Recht der Sorben, in den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung vor Gericht sorbisch zu sprechen, ist gewährleistet.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Die Gerichtssprache ist deutsch. Das Recht der Sorben, in den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung vor Gericht sorbisch zu sprechen, ist gewährleistet.

(1) Ergibt sich kein genügender Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so verwirft das Gericht den Antrag und setzt den Antragsteller, die Staatsanwaltschaft und den Beschuldigten von der Verwerfung in Kenntnis.

(2) Ist der Antrag verworfen, so kann die öffentliche Klage nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel erhoben werden.

Erachtet das Gericht nach Anhörung des Beschuldigten den Antrag für begründet, so beschließt es die Erhebung der öffentlichen Klage. Die Durchführung dieses Beschlusses liegt der Staatsanwaltschaft ob.

(1) Das Gericht kann anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Das Gericht kann hierfür eine Frist setzen sowie anordnen, dass die vorgelegten Unterlagen während einer von ihm zu bestimmenden Zeit auf der Geschäftsstelle verbleiben.

(2) Dritte sind zur Vorlegung nicht verpflichtet, soweit ihnen diese nicht zumutbar ist oder sie zur Zeugnisverweigerung gemäß den §§ 383 bis 385 berechtigt sind. Die §§ 386 bis 390 gelten entsprechend.

(3) Das Gericht kann anordnen, dass von in fremder Sprache abgefassten Urkunden eine Übersetzung beigebracht wird, die ein Übersetzer angefertigt hat, der für Sprachübertragungen der betreffenden Art in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften ermächtigt oder öffentlich bestellt wurde oder einem solchen Übersetzer jeweils gleichgestellt ist. Eine solche Übersetzung gilt als richtig und vollständig, wenn dies von dem Übersetzer bescheinigt wird. Die Bescheinigung soll auf die Übersetzung gesetzt werden, Ort und Tag der Übersetzung sowie die Stellung des Übersetzers angeben und von ihm unterschrieben werden. Der Beweis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Übersetzung ist zulässig. Die Anordnung nach Satz 1 kann nicht gegenüber dem Dritten ergehen.

Tenor

Der Antrag der Anzeigeerstatter auf gerichtliche Entscheidung gegen den Beschwerdebescheid der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart wird als unzulässig

verworfen.

Gründe

 
I.
Die Anzeigeerstatter werfen der Beschuldigten falsche Verdächtigung, vorsätzliche falsche uneidliche Aussage und schwere Freiheitsberaubung vor.
Gegen die Anzeigeerstatter war beim Landgericht ... unter dem Aktenzeichen ... ein Strafverfahren wegen versuchten Betruges zum Nachteil der Beschuldigten bzw. des ... anhängig. Dieses wurde bezüglich des Anzeigeerstatters Ziff. 1 durch Beschluss des Landgerichts ... vom ... gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt; der Anzeigeerstatter Ziff. 1 wurde aus der Untersuchungshaft freigelassen. Hinsichtlich des Anzeigeerstatters Ziff. 2 wurde das Verfahren bereits am ... gemäß § 153 a Abs. 2 StPO endgültig eingestellt.
Die Anzeigeerstatter werfen der Beschuldigten in ihrer Strafanzeige vom ... vor, als Zeugin im Strafprozess vor dem Landgericht ... am und ... zu verschiedenen Punkten im Zusammenhang mit dem ins Auge gefassten Verkauf einer Fabergé-Sammlung bewusst falsche Aussagen zu ihrem Nachteil gemacht zu haben. Gegen den Anzeigeerstatter Ziff. 1 sei die Untersuchungshaft in erster Linie aufgrund der Zeugenaussage der Beschuldigten bis zum 18. Oktober 2006 aufrecht erhalten worden.
II.
Der Antrag der Anzeigeerstatter auf gerichtliche Entscheidung ist nicht zulässig, da er jedenfalls in einem Punkt nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 172 Abs. 3 S. 1 StPO entspricht. Nach dieser Vorschrift muss der Antrag in vollständiger und verständlicher Form diejenigen Tatsachen angeben, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen; auch müssen die Beweismittel benannt werden.
Daran fehlt es hier.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Anzeigeerstatter beruft sich zur Ergänzung seines Sachvortrags und zum Beweis für die Unrichtigkeit der Zeugenaussage der Beschuldigten zunächst auf ein Schreiben, das er unter dem ... an den Zeugen ... nach New York gesandt hat. Auf der Grundlage der dort gestellten Fragen hat er am ... mit diesem Zeugen telefoniert und hierüber ein „Memo“ (Gedächtnisprotokoll) gefertigt. Sowohl das Schreiben als auch das „Memo“ sind in englischer Sprache abgefasst. Eine (beglaubigte) Übersetzung in die deutsche Sprache liegt nicht bei.
Diese Antragsbegründung ist unzulässig. § 184 GVG bestimmt, dass die Gerichtssprache deutsch ist. Die Vorschrift bedeutet, dass allen deutschen Staatsbürgern vor deutschen Gerichten keine fremde Sprache aufgezwungen werden darf, auch nicht teilweise durch eine fremdsprachliche Urkunde. Es ist ein nicht ausdrücklich in die Verfassung aufgenommener Grundsatz, dass im Geltungsbereich des Grundgesetzes die deutsche Sprache das einzige offizielle Verständigungsmittel ist (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 4. Auflage, § 184 Rdn. 1 m. w. N.).
Dem entsprechend sind nicht in deutscher Sprache abgefasste Klageerzwingungsanträge unzulässig (vgl. Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Auflage, § 172 Rdn. 33; Anwaltskommentar zur StPO, § 172 Rdn. 20).Das gilt auch für die ergänzende Bezugnahme auf fremdsprachliche Anlagen.
Nichts anderes kann gelten, wenn wichtige Zeugenaussagen in Form schriftlich niedergelegter Fragen und Aussagen in einer fremden Sprache im Antrag in Bezug genommen werden, obwohl keine Übersetzung in die deutsche Sprache beiliegt. Denn hierdurch soll die Wahrscheinlichkeitsprognose für die Beweisbarkeit des Vortrags (vgl. OLG Stuttgart, NStZ-RR 2005, 113) als für die Anzeigeerstatter günstig dargestellt werden. Es handelt sich daher um einen für die Schlüssigkeitsprüfung des Antrags entscheidenden Vortrag. Da die Schlüssigkeit hier ohne die in englischer Sprache abgefassten Urkunden vom Senat nicht beurteilt werden kann, führt der Verstoß gegen § 184 GVG zur Unzulässigkeit des Klageerzwingungsantrags. Es ist im Klageerzwingungsverfahren, in dem der Beibringungsgrundsatz herrscht, nicht die Aufgabe des Senats, durch eine Übersetzung auf Kosten der Staatskasse den Antrag erst schlüssig zu machen; dies ist vielmehr Aufgabe des in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Rechtsanwalts, der den Antrag nach § 172 Abs. 3 S. 2 StPO abfassen und unterzeichnen muss.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Die Untersuchung und Entscheidung erstreckt sich nur auf die in der Klage bezeichnete Tat und auf die durch die Klage beschuldigten Personen.

(2) Innerhalb dieser Grenzen sind die Gerichte zu einer selbständigen Tätigkeit berechtigt und verpflichtet; insbesondere sind sie bei Anwendung des Strafgesetzes an die gestellten Anträge nicht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 194/11
vom
9. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. August
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26. November 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die von dem Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.

I.

2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Spätestens im Februar bzw. März 2010 gelangte die Angeklagte zu der Überzeugung, ihre ehemalige Freundin und Arbeitskollegin R. versuche durch "legale Machenschaften" ihr Leben zu zerstören. Sie trug sich deshalb mit dem Gedanken, sich an R. zu rächen und sie "ggf." zu töten. Am 15. März 2010 rief sie, ohne ihren Namen zu nennen, bei R. an und teilte ihr mit: "Du bist tot." Im Anschluss daran bemühte sie sich darum, eine Schusswaffe zu erwerben, mit der sie R. erschießen wollte. Ihre Bemühungen scheiterten aber. Schließlich packte sie am 13. Mai 2010 (Christi Himmelfahrt) mehrere Messer und einen Teleskopschlagstock in ihre Tasche und fuhr zu R. , um gegen diese "eine erhebliche Gewalttat" zu verüben (UA S. 12) bzw. diese mit einem Messer anzugreifen und "unter Umständen lebensgefährlich" zu verletzen (UA S. 38).
4
Bewaffnet mit einem Brotmesser mit einer Klingenlänge von etwa 13 cm gelangte die Angeklagte unbemerkt in das Wohnhaus, in dem sich die Wohnung ihrer ehemaligen Freundin befand. Sie klingelte an der Wohnungstür. Nach ihrem Tatplan wollte sie das Überraschungsmoment ausnutzen und R. unmittelbar nach dem Öffnen der Tür angreifen (UA S. 34). Entgegen ihrer Erwartung wurde die Wohnungstür aber nicht von ihrer ehemaligen Freundin geöffnet, sondern von deren Lebensgefährten, dem Geschädigten H. . Die Angeklagte richtete ihr Messer gegen seinen Oberkörper, machte eine Stichbewegung und versuchte, sich an ihm vorbei in die Wohnung zu drängen. H. gelang es jedoch, die Angeklagte zu umklammern und festzuhalten. Um sich zu befreien, schnitt die Angeklagte ihm mit dem Messer in den linken Unterarm. Als er sie dennoch nicht losließ, biss sie ihm in den Arm. Daraufhin gelang es H. , die Angeklagte in das Treppenhaus zu schieben und die Tür hinter ihr zu verschließen.
5
b) Das Landgericht hat einen Tötungsvorsatz hinsichtlich des Geschädigten H. im Wesentlichen mit der Erwägung verneint, dass das eigentliche Angriffsziel der Angeklagten nicht der Geschädigte, sondern dessen Lebensgefährtin R. gewesen sei. Gegen diese habe sich die ganze Wut der Angeklagten ausschließlich gerichtet. An dem Geschädigten habe sich die Angeklagte zunächst nur vorbeidrängen wollen. Aus der Schnittverletzung lasse sich ebenfalls kein Rückschluss auf einen Tötungsvorsatz ziehen, da die Angeklagte sich habe befreien wollen und den Schnitt nur mit geringer Kraft ausgeführt habe. Das Landgericht hat das Tatgeschehen zum Nachteil des Geschädigten H. als gefährliche Körperverletzung gewertet. An einer Verurteilung der Angeklagten wegen des gegen die Zeugin R. gerichteten Tatgeschehens hat sich das Landgericht gehindert gesehen, weil dieses nach seiner Auffassung nicht angeklagt gewesen sei.
6
2. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, dass das Landgericht das festgestellte Tatgeschehen nicht erschöpfend gewürdigt habe. Insbesondere sei rechtsfehlerhaft nicht geprüft worden, ob sich die Angeklagte - neben der Tat zum Nachteil des Geschädigten H. - auch wegen versuchten Mordes betreffend R. strafbar gemacht habe.

II.

7
Die Revision ist begründet. Die Staatsanwaltschaft rügt zu Recht, dass das Landgericht das von ihm festgestellte Tatgeschehen in Bezug auf R. nicht in seine Urteilsfindung mit einbezogen, sondern isoliert nur unter dem Gesichtspunkt einer Tat zum Nachteil des Geschädigten H. gewürdigt hat.
8
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt in Bezug auf das Tatgeschehen betreffend R. eine wirksame Anklage vor. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht.
9
a) Die Anklageschrift hat gemäß § 200 Abs. 1 StPO die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen , dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Täters unterscheiden lassen. Es darf nicht unklar bleiben, über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urteilen soll. Die begangene konkrete Tat muss vielmehr durch bestimmte Tatumstände so genau gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welche Handlungen dem Angeklagten zur Last gelegt werden. Erfüllt die Anklage ihre Umgrenzungsfunktion nicht, so ist sie unwirksam (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 28. April 2006 - 2 StR 174/05 und vom 28. Oktober 2009 - 1 StR 205/09 mwN). Bei der Überprüfung, ob die Anklage die gebotene Umgrenzung leistet, dürfen die Ausführungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zur Ergänzung und Auslegung herangezogen werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 19. Februar 2008 - 1 StR 596/07 und KK-Schneider, 6. Aufl., § 200 Rn. 30 jew. mwN).
10
b) An diesen Maßstäben gemessen wird die Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 11. August 2010 ihrer Umgrenzungsfunktion auch in Bezug auf das Tatgeschehen betreffend R. hinreichend gerecht.
11
Zwar wird der Angeklagten im abstrakten Anklagesatz lediglich ein Fall des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (zum Nachteil des H. ) zur Last gelegt. Im konkreten Anklagesatz teilt die Staatsanwaltschaft jedoch nicht nur den Angriff auf den Geschädigten mit, sondern auch, dass die mit dem Messer bewaffnete Angeklagte am Tattag auf dem Weg zu dessen Lebensgefährtin gewesen sei. Dies wird im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen weiter dahingehend konkretisiert, dass die Angeklagte im Ermittlungsverfahren zugegeben habe, dass sie nicht auf H. , sondern auf R. habe "losgehen wollen". Die Staatsanwaltschaft geht im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zudem davon aus, dass die Angeklagte die Absicht gehabt habe, ihre ehemalige Freundin aus Hass zu töten. Gestützt wird diese Annahme auf eine umfassende Beweiswürdigung zur Tatvorgeschichte, insbesondere auf die Bemühungen der Angeklagten, sich eine Schusswaffe zu besorgen, um "die (gemeint ist R. ) abzuknallen", sowie auf den Telefonanruf der Angeklagten bei ihrer ehemaligen Freundin mit den Worten "Du bist tot".
12
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist damit in der Anklage nicht nur die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt, sondern auch erkennbar , welche Tat gemeint ist und über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urteilen soll. Aus den Schilderungen zur Motivation der Angeklagten wird deutlich, dass zu dem von der Anklage umrissenen Tatgeschehen nicht nur der Angriff der Angeklagten auf den Geschädigten gehört, sondern auch das Fehlverhalten der Angeklagten in Bezug auf R. , da diese am Tattag das eigentliche Ziel der Angeklagten gewe- sen ist und es letztlich nur deshalb nicht zu einem gegen diese gerichteten Angriff gekommen ist, weil zufällig der Geschädigte der Angeklagten die Tür geöffnet und sich ihr anschließend in den Weg gestellt hat. Die einzelnen Handlungen gehen hier nicht nur äußerlich ineinander über, sondern sind auch innerlich unmittelbar miteinander verknüpft. Der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung kann nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden. Ihre getrennte Würdigung und Aburteilung in verschiedenen Verfahren würde - worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist - einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211 mwN).
13
2. Das Landgericht hat die angeklagte Tat, so wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt (§ 264 Abs. 1 StPO), nicht erschöpfend abgeurteilt.
14
a) Die Feststellungen des Landgerichts legen es nahe, dass sich die Angeklagte nicht nur wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten H. , sondern auch wegen eines versuchten Mordes in Bezug auf R. strafbar gemacht hat. Die Tatvorgeschichte und die Motivation der Angeklagten deuten auf das Vorliegen eines entsprechenden Tatentschlusses hin. Die Angeklagte dürfte zudem unmittelbar zur Tat angesetzt haben, als sie an der Wohnungstür geklingelt hat. Nach dem vom Landgericht festgestellten Tatplan wollte die Angeklagte "für den geplanten Messereinsatz das Überraschungsmoment ausnutzen", da sie davon ausging, dass ihr R. und nicht deren Lebensgefährte nach dem Klingeln die Tür öffnen werde.
15
b) An der Aburteilung dieses Verhaltens war das Landgericht nicht dadurch gehindert, dass die im Eröffnungsbeschluss zugelassene Anklage nur http://www.juris.de/jportal/portal/t/1rag/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006290950BJNE038001309&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 9 - den Vorwurf des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten H. erhob.
16
Nach § 264 StPO muss das Gericht die in der Anklage bezeichnete Tat so, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt, unter allen rechtlichen Gesichtspunkten aburteilen. Es ist verpflichtet, den Unrechtsgehalt der "Tat" voll auszuschöpfen, sofern - wie hier - keine rechtlichen Hindernisse im Wege stehen (BGH, Beschluss vom 9. November 1972 - 4 StR 457/71, BGHSt 25, 72). Der Tatbegriff des § 264 Abs. 1 StPO entspricht dabei demjenigen des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO (BGH, Beschluss vom 30. März 2011 - 4 StR 42/11).
17
Danach gehörte hier zur Tat nicht nur der Angriff auf den Geschädigten H. , in dessen Verlauf es zu dem Messerschnitt in den Unterarm kam, sondern das gesamte strafrechtlich relevante Verhalten der Angeklagten am Tattag , das auch die geplante Tötung von R. mit umfasste, zu der sie mit dem Klingeln an der Wohnungstür bereits unmittelbar angesetzt haben dürfte. Diese Tathandlungen - sowohl H. als auch R. betreffend - stellen aufgrund ihres engen zeitlichen, örtlichen und sachlichen Zusammenhanges einen einheitlichen Vorgang dar, unabhängig davon, ob sie sachlichrechtlich als eine Tat oder mehrere Taten angesehen werden (KK-Engelhardt, 6. Aufl., § 264 Rn. 3 mwN). Diesen Vorgang hatte das Landgericht - ggf. unter Erfüllung seiner Hinweispflicht nach § 265 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 - 3 StR 222/02, BGHSt 48, 221, 223) - bei seiner Urteilsfindung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen. Dieser Pflicht ist das Landgericht vorliegend jedoch rechtsfehlerhaft nicht nachgekommen. Dies stellt nicht nur eine Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 264 StPO dar, sondern auch einen sachlich-rechtlichen Mangel, auf dem das Urteil beruht (vgl. BGH, Urteile vom 10. Dezember 1974 - 5 StR 578/74 und vom 16. Dezember 1982 - 4 StR 644/82, NStZ 1983, 174 mwN).
18
3. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils in vollem Umfang, da sich die - an sich rechtsfehlerfreien - Feststellungen hinsichtlich der Tathandlung zum Nachteil des Geschädigten H. nicht von den Feststellungen zum übrigen Tatgeschehen trennen lassen. Der neue Tatrichter wird unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 - 3 StR 105/10 mwN) nähere Feststellungen zum Vorstellungsbild der Angeklagten zu treffen haben, um danach die Frage beurteilen zu können, ob die Angeklagte zur Tötung von R. unmittelbar angesetzt hat.

Nack Elf Graf Jäger Sander

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
Ein Strafverteidiger, der Honorar entgegennimmt, von dem er weiß, daß es aus einer
Katalogtat im Sinne von § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB herrührt, kann sich wegen Geldwäsche
strafbar machen.
BGH, Urteil vom 4. Juli 2001 - 2 StR 513/00 - Landgericht Frankfurt am Main

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 513/00
vom
4. Juli 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Geldwäsche
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
20. Juni 2001 in der Sitzung vom 4. Juli 2001, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
als beisitzende Richter
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Bundesanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
für die Angeklagte St. ,
Rechtsanwalt für den
Angeklagten S. in der Verhandlung
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4. Mai 2000 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das genannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagten freigesprochen worden sind, und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

I.

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Geldwäsche jeweils zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, und sie im übrigen freigesprochen. Gegen dieses
Urteil richten sich die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten, mit denen insbesondere die Anwendung des Geldwäschetatbestandes auf die Annahme von Honoraren durch Strafverteidiger beanstandet wird. Die zum Nachteil der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, wendet sich gegen die Rechtsfolgenaussprüche und die Freisprüche.

II.

Die miteinander verheirateten Angeklagten sind als Rechtsanwälte in einer von ihnen 1986 gegründeten Sozietät in F. tätig. 1994 vertraten die Angeklagte St. D. B. und der Angeklagte S. deren Ehemann, H. B. . Gegen beide Mandanten wurde wegen fortgesetzten gemeinschaftlichen Betruges im Zusammenhang mit sogenannten Letter-Geschäften des "E. " (E.) ermittelt. Die Eheleute B. waren - zusammen mit weiteren gesondert Verfolgten - Führungsmitglieder des E. . Sie vertrieben seit 1992 Broschüren, in denen Geldanlegern für Letter-Käufe sichere Gewinne von mindestens 71 % jährlich versprochen wurden, obwohl sie als Verantwortliche des E. wußten, daß die dafür erforderlichen Renditen nicht zu erzielen und die versprochenen Gewinnauszahlungen nur im Rahmen eines betrügerischen Schneeballsystems durch Einzahlungen neuer Letter-Käufer möglich waren. Der E. erlangte dadurch - bis zum Zusammenbruch des Systems Anfang 1995 - insgesamt knapp zwei Milliarden DM, von denen an die Anleger nur etwa 1,5 Milliarden DM zurückflossen. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Wahlverteidiger nahm jeder der Angeklagten im Dezember 1994 Bargeld in Höhe von 200.000 DM als Honorarvorschuß entgegen. Nach den Feststellungen des Landgerichts wußten und bil-
ligten die Angeklagten bei der Annahme der Beträge, daß es sich dabei um Geld aus den Letter-Geschäften des E. handelte, dessen System den Angeklagten bekannt war. Sie wußten auch, daß sich die Verantwortlichen des E. seit Jahren zusammengeschlossen hatten, um durch die auf unbestimmte Zeit angelegten Letter-Verkäufe eine ständige Einnahmequelle zu erzielen. Auf diesen Feststellungen beruht der Schuldspruch. Anfang 1995 beantragten die Angeklagten beim Amtsgericht Frankfurt am Main jeweils die Freigabe einer Kaution in Höhe von je 500.000 DM. Sie hatten die Kautionen im September 1994 im Rahmen der Haftverschonung im eigenen Namen für die Mandanten B. in Form von Bargeld bei Gericht hinterlegt. Das Bargeld stammte aus den Geschäften des E. , was den Angeklagten bekannt war. Vor der Freigabe und Auszahlung des Geldes hatten sich diese die Ansprüche auf Rückzahlung der hinterlegten Beträge "zur Sicherung (ihrer) Honoraransprüche" abtreten lassen. Insoweit hat das Landgericht die Angeklagten aus Rechtsgründen freigesprochen. III. Die Revisionen der Angeklagten
Die Verurteilung wegen vorsätzlich begangener Geldwäsche nach § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB begegnet keinen Bedenken. Die Verfahrensrügen greifen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ausgeführten Gründen nicht durch. Auch die Sachrüge ist nicht begründet.
1. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die den Angeklagten am 8. Dezember 1994 und 23. Dezember 1994 jeweils als Honorarvorschuß übergebenen Geldbeträge von ihren Mandanten aus gewerbsmäßig und bandenmäßig betriebenen Anlagebetrügereien erlangt waren und die Ange-
klagten dies wußten. Seine Überzeugung, daß die Angeklagten Kenntnis von der Herkunft der Gelder hatten, hat das Landgericht u. a. darauf gestützt, daß die Angeklagten bereits seit 1992 in die gegen die Mandanten betriebenen Verfahren - zunächst noch gegen den Vorgängerverein G. - eingeschaltet waren, die Renditeversprechen sowohl des G. als auch des E. völlig unrealistisch waren, die für Anlagegeschäfte nicht vorgebildeten Mandanten ihnen mehrfache Fragen nach dem Anlagekonzept und den getätigten Investitionen nicht beantworten konnten, daß die gegen die Mandanten geführten Ermittlungen im September 1994 zu Haftbefehlen geführt hatten sowie auf die Umstände der Bargeldübergaben von jeweils 200.000 DM und die außergewöhnliche Höhe der Honorare. Diese Beweiswürdigung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Sie ist weder unklar noch lückenhaft oder widersprüchlich. Die dagegen vorgebrachten Angriffe der Revisionen gehen fehl. Sie erschöpfen sich im wesentlichen darin, an die Stelle der tatrichterlichen Beweiswürdigung eigene Schlußfolgerungen zu setzen. Insbesondere ist eine Lücke in der Beweiswürdigung entgegen der Auffassung der Revisionen nicht darin zu sehen, daß das Landgericht dem Vorbringen der Angeklagten im Verfahren ihrer Mandanten keine wesentliche oder gar ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat. Das Vorbringen des Verteidigers im Verfahren gegen die Mandanten, der sich - wie hier - im Haftbeschwerdeverfahren gegen die Annahme eines dringenden Tatverdachts für eine rechtswidrige Katalogtat nach § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB wendet, kann zwar ein Anhaltspunkt dafür sein, daß der Verteidiger selbst davon überzeugt war, daß der Mandant diese Tat nicht begangen hat und ihm deshalb der Vorsatz hinsichtlich der Vortat fehlte. Für den Indizwert eines solchen Vorbringens ist aber auch zu berücksichtigen, daß ein Verteidiger selbst bei einem Ange-
klagten, der sich ihm gegenüber offenbart hat, nicht gehindert ist, Freispruch zu beantragen.
2. Die Annahme bemakelten Geldes als Strafverteidigerhonorar in Kenntnis seiner Herkunft unterfällt § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB.
Die Revisionen vertreten die Auffassung, daß ein Verteidiger sich durch Annahme von Honorargeldern, die aus einer Katalogtat im Sinne von § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB herrühren, grundsätzlich nicht strafbar macht. Für diese Ansicht können sie sich auf Teile der Literatur und der Rechtsprechung stützen , die eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift insbesondere wegen der Auswirkungen auf das Institut der Wahlverteidigung und auf das Verteidigungsverhältnis für erforderlich halten.1 Dabei werden verschiedene Lösungsmodelle diskutiert. So wird eine restriktive Auslegung unter Heranziehung des Gesichtspunkts der Sozialadäquanz2 gefordert, eine verfassungskonforme Auslegung3 oder teleologische Reduktion4 des Tatbestands vertreten oder die Annahme eines Rechtfertigungsgrunds5 vorgeschlagen, wobei überwiegend gefordert wird, daß eine Strafbarkeit des Verteidigers auch dann auszuscheiden habe, wenn dieser positive Kenntnis von der Herkunft der Gelder aus Katalogtaten habe. 1 Übersicht über den Meinungsstand mit jeweiligen Nachweisen: Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 261 Rdn. 31 f.. 2 Bottermann, Untersuchungen zu den grundlegenden Problematiken des Geldwäschetatbestandes auch in seinen Bezügen zum Geldwäschegesetz S. 67 f. m.w.N.; Salditt StraFo 1992, 121 f.; Rengier, Strafrecht BT S. 295; ablehnend Barton StV 1993, 156 f., 159 3 HansOLG Hamburg NJW 2000, 673 f. mit weiteren Differenzierungen; zu den Bedenken gegen die verfassungskonforme Auslegung in diesem Fall vgl. Reichert, Anm. zu OLG Hamburg NStZ 2000, 316; siehe auch Otto JZ 2001, 436 f. 4 Barton aaO S. 156 f.; Salditt aaO S. 132; teilweise wird auch eine Einschränkung nur für den subjekti- ven Tatbestand gefordert 5 Bernsmann StV 2000, 40 f.; zustimmend Lüderssen StV 2000, 205, 207; auch Hamm NJW 2000, 636 f.; ablehnend Hefendehl, FS für Roxin S. 145, 154 f.

Demgegenüber halten die Revisionen eine so weitgehende Einschränkung für nicht gerechtfertigt. Der besonderen Situation des Strafverteidigers müsse aber dadurch Rechnung getragen werden, daß er die vom Mandanten abgegebene Schilderung zu der diesem vorgeworfenen Katalogtat "so lange als wahr behandeln (dürfe), als sie nicht vom Mandanten selbst als unwahr bezeichnet oder durch rechtskräftiges Urteil widerlegt ist".
Dem folgt der Senat nicht.

a) Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 261 Abs. 2 StGB sind weder Strafverteidiger als Täter noch Strafverteidigerhonorare als Objekte des Geldwäschetatbestands ausgenommen. Der mit dem Gesetz verfolgte Zweck einer weitgehenden Isolierung des Straftäters gestattet eine Ausnahmeregelung für Strafverteidiger nicht. Die Gesetzgebungsgeschichte spricht - wie im übrigen auch von den Befürwortern einer Straffreiheit überwiegend eingeräumt wird - gegen eine solche Ausnahme.
Im Gesetzgebungsverfahren wurde für den Gesetzentwurf des Bundesrats vom 25. Juli 1991 zum Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) von den Vertretern des Deutschen Anwaltsvereins auf mögliche Auswirkungen auf das Vertrauensverhältnis der in § 53 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO aufgeführten Berufsträger zu ihren Mandanten hingewiesen (Salditt, Stellungnahme des Strafrechtsausschusses des DAV S. 204 f. der Anlage 12 z um Protokoll der 31. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags vom 22. Januar 1992), ohne daß dies in der Folge zu einer Ä nderung des Ent-
wurfs geführt hätte. Selbst die in dem ursprünglichen, noch in der 11. Legislaturperiode eingebrachten Entwurf vorgesehene Ausnahmeregelung (BTDrucks. 11/7663 S. 7) für Handlungen, die kraft Gesetzes geschuldet werden oder mit denen eine Gegenleistung für Sachen oder Dienstleistungen des täglichen Bedarfs bewirkt wird - die nach der Entwurfsbegründung allerdings Verteidigerhonorare als vertraglich geschuldete Leistungen von vornherein nicht betreffen sollte (BTDrucks. 11/7663 S. 27) -, wurde nach einer ablehnenden Stellungnahme der Bundesregierung (BT Drucks. 11/7663 S. 50) in den Entwurf der 12. Legislaturperiode und in das Gesetz nicht übernommen. Auch in der Folge hat der Gesetzgeber trotz der alsbald einsetzenden lebhaften Diskussion über Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Vorschrift - gerade auch zur Strafbarkeit bei der Annahme inkriminierter Gelder als Strafverteidigerhonorar - die weiteren Gesetzesänderungen nicht zum Anlaß zur Aufnahme von Ausnahmeregelungen genommen.
Schließlich lassen auch die Regelungen des Geldwäschegesetzes, das in § 3 Abs. 1 keine Ausnahmen für die Identifizierungspflicht für Rechtsanwälte bei der Führung eines Anderkontos vorsieht, den Willen des Gesetzgebers erkennen , den rechtsberatenden Berufen keine Sonderstellung einzuräumen (BTDrucks. 11/7663 S. 49; Bottke, wistra 1995, 121, 127).

b) Die Strafbarkeit der Annahme von Verteidigerhonorar in Kenntnis seiner bemakelten Herkunft verstößt nicht gegen höherrangiges Recht oder Art. 6 MRK.
aa) Das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht des Rechtsanwalts, sich anwaltlich auf dem Gebiet der Strafverteidigung zu betätigen, ist nicht be-
rührt. Bei einer Regelung, die die Berufsausübung nur mittelbar beeinträchtigt, ist ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nur dann gegeben, wenn die Bestimmung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs steht und objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen läßt (BVerfGE 70, 191, 214). Das ist hier nicht der Fall (Hefendehl, aaO S. 165; Burger/Peglau wistra 2000, 161, 162; anders Müther Jura 2001, 318, 320, 321). Zudem liegt hier ein Eingriff schon deshalb nicht vor, weil es dem Berufsbild eines Strafverteidigers nicht entspricht, Honorar entgegenzunehmen, von dem er weiß, daß es aus schwerwiegenden Straftaten herrührt. Dies folgt aus der Stellung des Verteidigers als Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) und ist für die Strafbarkeit nach §§ 257, 259 StGB auch nicht in Frage gestellt worden. Für § 261 StGB, der die Strafbarkeit einerseits ausdehnt, weil damit auch Ersatzhehlerei und im weiteren Maße Ersatzbegünstigung erfaßt werden, andererseits auf bestimmte Vortaten begrenzt, kann keine andere Beurteilung gelten. Denn jedenfalls ist auch hier Voraussetzung, daß eine eindeutig nachweisbare Verbindung zwischen der Honorarzahlung und der Herkunft der dafür verwendeten Mittel aus einer Katalogtat besteht. Daß dies von Standesvertretern der Rechtsanwälte nicht anders gesehen wird, ergibt sich etwa aus dem auf der 172. Tagung des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer im Juni 1999 gefaßten Beschluß, nach dem es dem Selbstverständnis des Berufs nicht entspricht, Fälle aus der Strafbarkeit herauszunehmen, in denen ein Verteidiger wissentlich Gelder aus Katalogtaten als Honorar entgegennimmt (für Strafbarkeit bei dieser Fallgestaltung auch Kempf, Das Honorar des Strafverteidigers und Geldwäsche, unveröffentlichtes Referat für die Beratungen des Strafrechtsausschusses der BRAK, Juni 1999).
Damit kann auch der Einwand, mit der Erfassung der bemakelten Strafverteidigerhonorare als Geldwäsche werde den Rechtsanwälten letztlich die Möglichkeit der Wahlverteidigung bei Katalogtaten genommen und ihnen hierdurch die wirtschaftliche Basis ihres Berufs beschnitten, nicht durchgreifen. Aus einer möglicherweise unzulänglichen Honorierung der Pflichtverteidigung kann ein Recht des Verteidigers auf Honorierung aus illegalen Mitteln nicht abgeleitet werden. § 261 StGB stellt im übrigen nicht auf eine Strafverteidigung wegen einer Katalogtat ab, sondern auf die Herkunft der zur Honorierung verwendeten Gegenstände aus einer solchen Tat. Das Verbot, als Entgelt für eine Dienstleistung Mittel anzunehmen, die aus einer Katalogtat des Mandanten oder eines Dritten herrühren, gilt allgemein und ist nicht auf die Verteidigung gegen den Vorwurf einer Katalogtat beschränkt; es trifft daher den Strafverteidiger nicht anders als Angehörige anderer Berufe. Schließlich besteht bei vielen Katalogtaten auch keineswegs die Gefahr, sich durch die Annahme des Honorars der Geldwäsche schuldig zu machen - man denke etwa an Tatbestände wie Totschlag/Mord (Ausnahme: Mord aus Habgier), Vergewaltigung, schwere Körperverletzung, die als "Verbrechen" (§ 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB) zwar taugliche Vortaten sein können, aber die Erzielung von geldwäschetauglichen Vermögensvorteilen nicht voraussetzen.
Eine vermehrte Anordnung von Pflichtverteidigungen würde auch nicht - wie ebenfalls eingewandt wird (HansOLG Hamburg aaO S. 679; Müther Jura 2001, 318, 321; Matt, unveröffentlichtes Referat für den Strafrechtsausschuß der BRAK vom 21.6.1999) - die Freiheit der Advokatur bedrohen. Denn die damit verbundenen staatlichen Eingriffsmöglichkeiten in die Tätigkeit eines bestellten Verteidigers sind gering. Wäre es im übrigen tatsächlich so, daß die wirtschaftliche Existenz der Strafverteidiger weitgehend davon abhinge, auch
inkriminierte Honorargelder anzunehmen, wäre die Unabhängigkeit der Anwaltschaft schon heute aus einer ganz anderen Richtung, nämlich durch ihre wirtschaftliche Abhängigkeit vom organisierten Verbrechen gefährdet.
bb) Ebenso wie für den Verteidiger kein Recht auf Honorierung mit bemakelten Geldern besteht, gibt es auch für den Beschuldigten kein Recht auf Wahlverteidigung unter Einsatz illegal erworbener Mittel. Zwar steht jedem Beschuldigten das Recht zu, sich des Beistands eines Verteidigers oder mehrerer Verteidiger seiner Wahl zu bedienen. Dieses durch § 137 StPO, das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 2, 20 Abs. 3 GG und Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK verbürgte Recht setzt aber voraus, daß der Mandant das Honorar für einen oder mehrere Wahlverteidiger aufbringen kann. Verfügt er nicht über ausreichende Mittel, hat er den Anspruch auf Pflichtverteidigung. Ein Beschuldigter, der lediglich über bemakelte Vermögenswerte verfügt, ist einem mittellosen Beschuldigten gleichzustellen (Schaefer/Wittig NJW 2000, 1387 f.; Reichert aaO S. 316 f.; Burger/Peglau aaO S. 161, 164; Grüner/Wasserburg GA 2000, 430 f.). Damit sind seine Rechte ausreichend gewahrt. Die Pflichtverteidigung ist keine Verteidigung minderer Güte (so aber Barton aaO S. 156, 158: Rechtsschutz 2. Klasse; Lüderssen aaO, der darin eine zusätzliche Bestrafung des Mandanten durch Minderung seiner Verfahrensrechte sieht). Da dem Wunsch des Beschuldigten auf Beiordnung eines Anwalts seines Vertrauens weitgehend zu entsprechen ist (§ 142 Abs. 1 Satz 2 und 3 StPO), sind die Voraussetzungen für ein Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Mandanten wie bei einer Wahlverteidigung gegeben.
cc) Dann ist aber auch nicht zu erkennen, daß das verfassungsrechtlich geschützte Vertrauensverhältnis zwischen Mandanten und Strafverteidiger da-
durch ausgehöhlt würde, daß der Verteidiger bei wahrheitsgemäßer Angabe des Mandanten über die Herkunft seiner Honorarzahlung die Fortführung als Wahlmandat ablehnen könnte (so aber Barton aaO S. 162; HansOLG Hamburg aaO S. 676). Daß ein Verteidiger ein Mandat auch aus wirtschaftlichen Gründen ablehnen kann, folgt aus der Vertragsfreiheit (dazu auch Grüner /Wasserburg aaO S. 436).
Die Gefahr, daß ein Wechsel von der Wahlverteidigung zur Pflichtverteidigung eine "Signalwirkung" hätte (so HansOLG Hamburg aaO S. 676; Hamm aaO S. 636 f.; Bernsmann aaO S. 40, 41), ein vermögender Beschuldigter damit gleichsam zur Selbstbelastung genötigt werde, erscheint angesichts der Häufigkeit der Pflichtverteidigung in Fällen schwerer Kriminalität, die unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen etwa auch dann anzuordnen ist, wenn sich der Beschuldigte selbst nicht um einen Verteidiger bemüht, fernliegend. Wollte man daraus, daß ein Pflichtverteidiger für den Beschuldigten auftritt, Schlüsse auf dessen Schuld ziehen, wäre auch das Vorliegen einer Wahlverteidigung bei einem Beschuldigten, der über keine erkennbaren legalen Geldquellen verfügt, als belastend anzusehen. Der Umstand allein, ob ein Pflicht- oder ein Wahlverteidiger auftritt, erlaubt keine tragfähigen Schlußfolgerungen.
Für fernliegend hält der Senat die ebenfalls beschworene Gefahr (HansOLG Hamburg aaO S. 676), daß der Verteidiger geneigt sein könnte, möglichst wenig von seinem Mandanten zu erfahren, um nicht ihm angebotene Honorare zurückweisen zu müssen, und er deshalb an einer effektiven Verteidigung gehindert sein kann. Ein solches Verhalten würde voraussetzen, daß er
mit der illegalen Herkunft des Honorars rechnet, und widerspräche ersichtlich dem Selbstverständnis des Berufs.
Dies gilt auch für den Einwand, ein Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Mandanten könne sich nicht entwickeln, wenn letzterer Belastungszeuge im Verfahren gegen den Verteidiger werden kann (Bernsmann aaO S. 40, 41). Wenn der Verteidiger damit rechnet, daß die Honorarzahlung aus unsauberen Quellen kommt, hat er es in der Hand, durch einen Beiordnungsantrag die denkbare Konfliktsituation zu beseitigen.
Dabei kann es allerdings nicht darauf ankommen, ob der Verteidiger diese Kenntnis durch ein ihm gegenüber abgelegtes Geständnis oder aus anderen Umständen erlangt hat. Das Wissen von der Herkunft aus Straftaten kann sich aus einer Vielzahl von Indizien ergeben; Beweisregeln für oder gegen eine solche Kenntnis bestehen nicht. Entgegen der Auffassung der Revisionen folgt auch nicht etwa aus der als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips verfassungsrechtlich garantierten und in Artikel 6 Absatz 2 MRK konstituierten Unschuldsvermutung, die für den beschuldigten Mandanten gegenüber dem Staat bis zum Nachweis seiner Schuld streitet, daß der Verteidiger solange von der Unschuld seines Mandanten überzeugt sein darf oder gar muß, bis der Beschuldigte ihm gegenüber gestanden hat. Der Verteidiger ist im Strafprozeß verpflichtet, alles zu tun, was dem Mandanten in gesetzlich nicht zu beanstandender Weise nützt. Er ist daher berechtigt, u. U. auch wider besseres Wissen mit prozessual zulässigen Mitteln auf Freispruch seines Mandanten hinzuwirken. Eine Unschuldsvermutung des Inhalts, daß die prozessuale Vermutung zugunsten des Beschuldigten unmittelbar materiell zugunsten seines Verteidi-
gers wirkt, gibt es weder für § 261 Abs. 2 StGB noch für §§ 257, 259 StGB (Tröndle/Fischer aaO § 261 Rdn. 34).
dd) Nicht von der Hand zu weisen ist, daß das Verteidungsverhältnis gestört sein kann, wenn gegen den Verteidiger - während des gegen seinen Mandanten geführten Verfahrens - wegen des Verdachts, Honorargelder in Kenntnis ihrer inkriminierten Herkunft angenommen zu haben, ermittelt wird und gegen ihn strafprozessuale Maßnahmen ergriffen werden (HansOLG Hamburg aaO S. 677; Grüner/Wasserburg aaO S. 441). Auch insoweit ist jedoch eine Einschränkung der Strafbarkeit nicht geboten. Derartige Maßnahmen sind auch einem Verteidiger, der - im Ergebnis - fälschlich in Verdacht geraten ist, zuzumuten. Denn sie sind nur auf Grund eines bestehenden Anfangsverdachts zulässig. Dieser ist an bestimmte rechtliche Voraussetzungen gebunden und kann nicht allein aus der Tatsache hergeleitet werden, daß der Mandant einen Wahlverteidiger hat (vgl. oben 2 b cc). Dem folgt auch die Praxis. Dies zeigt sich daran, daß auch die mögliche Strafbarkeit der Honorarannahme nach § 259 StGB, ggf. auch nach § 257 und § 258 StGB, nicht zu einer nennenswerten Anzahl von Ermittlungsverfahren gegen Verteidiger geführt hat. Eine generelle und tiefgreifende Beeinträchtigung des Verteidigungsverhältnisses ist deshalb nicht zu erwarten. Der Verteidiger, der - wie hier - positive Kenntnis von der unrechtmäßigen Herkunft des Honorargeldes besitzt, hat es ohnehin in der Hand, durch einen Beiordnungsantrag jeglichen Anfangsverdacht auszuräumen.
Eine Ermittlungsimmunität für das laufende Verfahren, wie sie teilweise gefordert wird (Grüner/Wasserburg aaO S. 443 f.), kommt daher nicht in Betracht. Sie könnte dazu führen, daß wichtige Ermittlungsansätze verloren, Si-
cherstellungen nach § 111 b StPO ins Leere gehen und der der Geldwäsche beschuldigte Verteidiger aus Eigeninteresse an einer möglichst langen Verfahrensdauer geneigt sein könnte, das Verfahren zu verzögern. Ermittlungen gegen der Geldwäsche verdächtige Rechtsanwälte würden auf Dauer erschwert oder unmöglich, wenn ein entsprechender Anfangsverdacht im Hinblick auf eine Mehrzahl sich überschneidender und einander nachfolgender Mandatsverhältnisse bestünde. Der Täter hätte es dann in der Hand, Umfang und Zeitpunkt der gegen ihn zu führenden Ermittlungsmaßnahmen selbst zu steuern.
ee) Die beiläufige Erwägung in BGHSt 45, 235, 248 steht nicht entgegen , da die Angeklagten als Zahlungsempfänger im vorliegenden Fall gerade nicht gutgläubig waren.
3. Das Landgericht hat die Voraussetzungen des Strafaufhebungsgrundes nach § 261 Abs. 9 StGB zutreffend verneint. Auch im übrigen weist das Urteil, soweit die Angeklagten verurteilt worden sind, keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
IV. Die Revision der Staatsanwaltschaft
Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit es sich dagegen wendet, daß die Angeklagten im Zusammenhang mit den Vorgängen der Kautionszahlungen freigesprochen worden sind, im übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Landgericht hat die Inempfangnahme der freigegebenen Kautionen im Frühjahr 1995 nicht als strafbare Geldwäsche angesehen. Dies hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
Zu einer Prüfung des als Begünstigung angeklagten Tatgeschehens auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt war das Landgericht verpflichtet. Die bei der zugelassenen Anklageerhebung (Bedenken gegen die Wirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses bestehen nicht) vorgenommene Beschränkung nach § 154 a StPO steht dem nicht entgegen. Wie sich aus der Anklageschrift in Verbindung mit der Abschlußverfügung ergibt, sollten lediglich Konkursdelikte aus der Verfolgung dieser Tat ausgeschieden werden. Zudem konnte das Landgericht auch ohne förmlichen Beschluß (BGHR § 154 a Abs. 3 StPO Wiedereinbeziehung
3) etwa ausgeschiedene Gesetzesverletzungen wiedereinbeziehen und zum Gegenstand seiner Urteilsfindung machen.
Das Landgericht hat zwar im Ergebnis zutreffend eine Strafbarkeit nach § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB verneint, aber es - rechtsfehlerhaft - unterlassen, die Voraussetzungen des § 261 Abs. 1 StGB zu prüfen.

a) Das Landgericht ist der Auffassung, daß eine Strafbarkeit nach § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB für die Inempfangnahme der Kautionsbeträge deshalb ausscheide , weil es sich bei den Kautionen nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht mehr um die Vermögensvorteile gehandelt habe, die an die Stelle der Betrugsbeute getreten waren. Damit hat das Landgericht allerdings schon den Begriff des Herrührens verkannt, der nach der gesetzgeberischen Intention bewußt weit auszulegen ist und mit dem gerade auch eine Kette von Verwertungshandlungen erfaßt werden soll, bei der der ursprüngliche Gegenstand
unter Beibehaltung seines Wertes durch einen anderen ersetzt wird. Dies war hier bei der Hinterlegung der Kautionen mit Geldern, die aus den Betrugstaten erlangt waren, der Fall. Begrenzt wird die Kette der Verwertungshandlungen jedoch zum Schutz des Rechtsverkehrs durch § 261 Abs. 6 StGB. Diese Vorschrift führt zur Straflosigkeit weiterer Verschaffungshandlungen im Sinne von § 261 Abs. 2 StGB, wenn zuvor ein Dritter den aus einer Katalogtat herrührenden Gegenstand erlangt hat, ohne hierdurch eine Straftat zu begehen. Eine solche Unterbrechung der Kette nach § 261 Abs. 6 StGB war hier eingetreten. Durch den zwischenzeitlichen Erwerb hatte die Hinterlegungsstelle nach § 7 HinterlO Eigentum an den Geldscheinen erlangt, so daß im Ergebnis eine strafbare Geldwäsche nach § 261 Abs. 2 StGB nicht in Betracht kommt.

b) Die Revision weist jedoch zu Recht darauf hin, daß § 261 Abs. 6 StGB nicht eingreift, wenn eine Tathandlung nach § 261 Abs. 1 StGB gegeben ist. Bei gleichzeitiger Tatbestandserfüllung von § 261 Abs. 1 und Abs. 2 StGB kommt - bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 261 Abs. 6 StGB - § 261 Abs. 2 StGB nicht etwa eine Sperrwirkung zu (anders für den Fall des Gefährdens oder Vereitelns des Auffindens: Maiwald, FS für Hirsch S. 631, 642 f.). Auch wenn nicht selten durch eine Handlung beide Tatbestände objektiv erfüllt sein werden, erfordert die innere Tatseite der Tathandlungen des § 261 Abs. 1 StGB ein Mehr gegenüber dem bloßen Verschaffen im Sinne von § 261 Abs. 2 StGB (Ruß in LK StGB 11. Aufl. § 261 Rdn. 12 f., 26). Der Anwendungsbereich beider Vorschriften ist daher nicht deckungsgleich (vgl. auch BTDrucks. 12/989 S. 27, 12/3533 S. 13: Absatz 2 kommt auch die Funktion eines Auffangtatbestands gegenüber Absatz 1 zu, sofern ein Vereitelungs- oder Gefährdungsvorsatz nicht nachweisbar ist oder ein Verbergen oder Verschleiern nicht vorliegt).
In Betracht kommt hier die Gefährdung oder Vereitelung der Sicherstellung. Die von den Mandanten aus den Betrugstaten erlangten Geldscheine unterlagen zwar nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB nicht dem Verfall, wohl aber der Sicherstellung nach § 111 b Abs. 1, 2 und 5 StPO. Da die Sicherstellung auch Surrogate nach § 73 Abs. 2 StGB und Wertersatz nach § 73a StGB erfassen kann, entfiel diese Möglichkeit auch nicht durch die zwischenzeitlichen im Namen der Angeklagten erfolgten Hinterlegungen. Mit den Auszahlungen an die Angeklagten in Verbindung mit den zur Sicherung der Honorarforderungen erfolgten "Abtretungen" (s. unten) war die Sicherstellung zumindest gefährdet. Ob die Angeklagten dies in ihren Vorsatz aufgenommen hatten, läßt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Die Sache bedarf im Hinblick auf die subjektiven Voraussetzungen - Gefährdungs- oder Vereitelungsvorsatz - weiterer tatrichterlicher Prüfung. Der Freispruch kann danach keinen Bestand haben.

V.


Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
1. Der neue Tatrichter wird zu prüfen haben, ob sich die Angeklagten durch die Einzahlungen der Kautionen im eigenen Namen im September 1994 strafbar gemacht haben. Zwar scheidet eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche aus, weil gewerbsmäßiger und bandenmäßiger Betrug erst durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994 als Katalogtat in den § 261 Abs. 1 StGB aufgenommen wurde. Mit der Hinterlegung im eigenen Namen haben die Angeklagten aber jedenfalls objektiv eine tatbestandsmäßige Begünstigungshandlung (§ 257 StGB) begangen. Wären die Angeklagten als Eigenhinterleger anzusehen, hätten nur sie einen Anspruch auf Rückzahlung
gegen die Staatskasse gehabt, eine Pfändung dieses Rückzahlungsanspruchs durch die Geschädigten wäre nicht möglich gewesen, allenfalls eine Pfändung eines etwaigen Rückzahlungsanspruchs der Mandanten gegen die Angeklagten. Allerdings folgt noch nicht ohne weiteres aus der Angabe des Namens des Verteidigers im Hinterlegungsantrag, daß der Verteidiger und nicht der Beschuldigte in diesem Sinne Hinterleger war. Der Hinterlegungsvertrag ist vielmehr im Zusammenhang mit dem gegen den Beschuldigten ergangenen Haftverschonungsbeschluß auszulegen (vgl. auch BGH Rpfleger 1955, 187; OLG Stuttgart Justiz 1988, 373). Selbst wenn diese - vom Landgericht unterlassene - Auslegung des Hinterlegungsvertrags, zu dem bisher keine näheren Feststellungen getroffen wurden, hier dazu führte, daß die von den Angeklagten vertretenen Mandanten als Hinterleger anzusehen sind, waren die Angaben im Hinterlegungsantrag - Hinterlegung nicht im Namen der Mandanten, sondern im eigenen Namen, Bezeichnung der Angeklagten als Empfangsberechtigte - geeignet, die Herkunft der Gelder aus betrügerisch erlangten Mitteln der Mandanten gegenüber deren Gläubigern zu verschleiern und den Zugriff der Geschädigten zu erschweren. Einer Vorteilssicherungsabsicht im Sinne von § 257 StGB stände nicht entgegen, wenn die Angeklagten von vornherein mit der Begünstigungshandlung auch die Sicherung oder Befriedigung ihrer Honoraransprüche anstrebten (vgl. auch BGH MDR 1985, 447).
Die Einzahlungen der Kautionen im September 1994 - die im Anklagesatz und im wesentlichen Ergebnis allerdings ohne Angabe, in wessen Namen sie erfolgten, geschildert sind - sind von dem angeklagten Tatgeschehen auch umfaßt. Eine solche Begünstigungshandlung wäre jedenfalls dann, wenn sie von vornherein mit der Absicht verbunden gewesen sein sollte, sich aus den Kautionssummen eine Befriedigung oder Sicherung des Honoraranspruchs zu
verschaffen, erst mit der "Abtretung", - auf deren Sinn und Zweck und die damit verbundenen Vorstellungen der Parteien vom neuen Tatrichter näher einzugehen sein wird (sie war gegenüber der Hinterlegungsstelle nur erforderlich, wenn nicht die Angeklagten sondern die Beschuldigten Hinterleger waren) - und der Auszahlung der Sicherheiten beendet gewesen, so daß schon materiellrechtlich eine Tat vorläge. Unabhängig davon sind hier die Ein- und Auszahlungsvorgänge - trotz des zeitlichen Abstands - jedenfalls als eine geschichtliche Tat im Sinne von § 264 StPO anzusehen. Eine prozessuale Tat im Sinne von § 264 StPO liegt vor, wenn die Vorgänge innerlich derart unmittelbar miteinander verknüpft sind, daß der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände , die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre Aburteilung in verschiedenen Verfahren einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde (ständige Rechtsprechung, BGHSt 45, 211 f. m.w.N.). Verändert sich das Bild des Geschehens, auf das die Anklage hinweist, kommt es darauf an, ob die Nämlichkeit der Tat trotz dieser Veränderung noch gewahrt ist (BGHSt 32, 215, 218).
Hier liegt eine wesentliche Ä nderung des Tatbildes zwischen den Einzahlungs - und Auszahlungsvorgängen nicht vor. Die Identität des Tatobjekts und der Personen, denen die Hilfe geleistet werden sollte, ist gewahrt. Sowohl die in der Anklage umschriebene Hilfeleistung bei der Auszahlung als auch eine mögliche Hilfeleistung bei der Einzahlung der Kautionen bezogen sich auf die den Angeklagten übergebenen, aus Betrugstaten erlangten zweimal 500.000 DM. Zwischen den beiden Zahlungsvorgängen besteht eine innere Verbindung. Zum einen läßt sich ohne Kenntnis des Einzahlungsvorgangs nicht klären, wer als Hinterleger aufgetreten ist und einen Rückzahlungsan-
spruch an die Hinterlegungsstelle hat. Zum anderen stellt sich die Inempfangnahme der freigegebenen Kautionen in Verbindung mit der jeweiligen "Abtretung" als die Vertiefung des Sicherungserfolgs dar, der bereits mit der im eigenen Namen erfolgten Einzahlung eingetreten war. Ob daneben auch eine Begünstigungshandlung durch die Inempfangnahme der freigegebenen Kautionen im Frühjahr 1995 in Betracht kommt oder ob es - was hier nicht fernliegt - an dem erforderlichen Unmittelbarkeitszusammenhang des Vermögensvorteils fehlt, muß offen bleiben, da die zur Beurteilung erforderlichen Feststellungen, insbesondere zur Auslegung des Hinterlegungsvertrags, den damit verbundenen Vorstellungen der Angeklagten und der Mandanten und ggf. zwischen ihnen erfolgten Absprachen bisher nicht getroffen sind.
2. Der neue Tatrichter wird ggf. auch zu prüfen haben, ob sich die Angeklagten die Kautionssummen bereits durch die unmittelbar vor der Hinterlegung erfolgte Annahme der Gelder im Sinne von § 259 StGB verschafft haben. Dies kann dann in Betracht kommen, wenn sie bereits zu diesem Zeitpunkt ihre Erlangung zur Sicherung oder Befriedigung ihrer Honorarforderung erstrebten.
3. Im Falle einer Verurteilung der Angeklagten steht einer etwaigen Einziehung der durch die Kautionszahlungen erlangten Vermögensvorteile nicht entgegen, daß hinsichtlich der erlangten Honorarzahlungen von je 200.000 DM rechtskräftig von der Einziehung abgesehen wurde.
Bode Otten Rothfuß Fischer Elf

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 274/11
vom
12. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juli 2011 beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 15. Februar 2011 wird als unbegründet verworfen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen die Angeklagte beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Schriftsätze der Revision vom 5. und vom 8. Juli 2011 lagen vor. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat : 1. Die Urteilsfeststellungen und der Schuldspruch werden von der auf dem Geständnis der Angeklagten beruhenden Beweiswürdigung des Landgerichts getragen. Zwar hat das Landgericht nicht die Feststellung getroffen, dass es sich bei den dem Betriebsausgabenabzug und der Geltendmachung von Vorsteuer zugrunde gelegten Aufträgen um Scheingeschäfte i.S.d. § 41 Abs. 2 AO gehandelt hat. Solches lag freilich nach den im Urteil mitgeteilten Umständen nahe; auch ist das Tatgericht nicht gehalten, Behauptungen eines Angeklagten (etwa im Rahmen eines auf der Grundlage einer Verständigung abgegebenen Geständnisses) als unwiderlegbar hinzunehmen, wenn hinreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Angaben fehlen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. November 2010 - 1 StR 502/10 Rn. 12). Der Senat kann hier jedoch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen, dass im Jahr 2002 - wie die Angeklagte wusste - aus Gutachtenaufträgen weder eine Leistung bezogen wurde, noch eine Zahlung hierfür erfolgte, was die Geltendmachung der Betriebsausgaben oder der Vorsteuer hätte rechtfertigen können. Die Angeklagte hat ausdrücklich eingeräumt, dass ihr im Jahr 2002 „keines der Gutachten“ übergeben worden sei. 2. Der Strafausspruch hat ebenfalls Bestand. Entgegen der Auffassung der Revision enthalten die Urteilsgründe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Angeklagte lediglich eine „Steuerverkürzung auf Zeit“ beabsichtigt haben könnte. Dies hat die Angeklagte als ausgebildete Steuerfachgehilfin und damit in steuerlichen Angelegenheiten hinreichend sachkundige Angeklagte (UA S. 9) auch nicht behauptet, obwohl sie die gewinnmindernde Berücksichtigung der Gutachtenkosten eingeräumt hat (UA S. 8) und zum Zeitpunkt der Einreichung der unrichtigen Körperschaftsteuerund Gewerbesteuererklärungen im Jahr 2006 die steuerlichen Verhältnisse der von ihr geleiteten Firmen seit dem Jahr 2002 gekannt hatte. Bereits die Annah- me des Landgerichts, „faktisch“ habe eine „Steuerverkürzung auf Zeit“ vorgele- gen, wird von den Feststellungen nicht getragen. Denn aus den Urteilsgründen ergibt sich nicht, dass in den Folgejahren überhaupt Gewinne erzielt worden sind, die durch einen dann möglichen Betriebsausgabenabzug hätten vermindert werden können. Solches liegt, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, angesichts der festgestellten persönlichen Verhältnisse der Angeklagten (UA S. 2 ff.) auch fern. Eine Aufklärungsrüge hat die Revision nicht erhoben.
3. Die Feststellung in den Urteilsgründen, das Urteil beruhe „auf einer in einer Vorbesprechung nach § 202a StPO informell getroffenen, verfahrensverkürzenden Verständigung“ (UA S. 9), gibt dem Senat Anlass zu folgendem Hinweis: „Informelle Verständigungen“ widersprechen der Strafprozessordnung. Zwar ist es zulässig, auch schon vor Eröffnung des Hauptverfahrens Erörterungen zur Vorbereitung einer Verständigung zu führen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. § 202a Rn. 2). Solche Gespräche können - bei gründlicher Vorbereitung auf der Basis der Anklageschrift und des gesamten Akteninhalts - im Einzelfall sinnvoll sein. Sie lösen aber weder eine Bindung des Gerichts an dabei in Aussicht gestellte Strafober- oder -untergrenzen aus, noch kann durch sie ein durch den fair-trial-Grundsatz geschützter Vertrauenstatbestand entstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2011 - 1 StR 458/10; BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2010 - 2 StR 354/10; BGH, Beschluss vom 4. August 2010 - 2 StR 205/10). Die Annahme einer solchen Bindung ist rechtfehlerhaft und könnte u.U. sogar den Bestand eines Urteils gefährden. Die Staatsanwaltschaft, der neben dem Gericht die Wahrung eines rechtsstaatlichen Verfahrens obliegt, hat hier indes kein Rechtsmittel eingelegt; eine von der Strafkammer angenommene Bindung an den Inhalt geführter Vorgespräche könnte hier dieAngeklagte, die dies auch nicht mit einer Verfahrensrüge (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2010 - 3 StR 528/09) geltend macht, nicht beschweren.

Nack Wahl Hebenstreit Graf Jäger

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 153/11
vom
23. August 2011
BGHSt: ja zu A II. 3. a
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Art. 34
Nach Übernahme eines Ermittlungsverfahrens durch die Bundesrepublik
Deutsch-land ist eine in dem abgebenden Vertragsstaat der MRK bereits eingetretene
rechts- staatswidrige Verfahrensverzögerung nicht zu kompensieren.
BGH, Beschluss vom 23. August 2011 - 1 StR 153/11 - LG Ravensburg
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. und 2.: gefährlicher Körperverletzung
zu 3.: vorsätzlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. August 2011 beschlossen
:
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Ravensburg vom 10. November 2010 werden als unbegründet
verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die
dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen
zu tragen.
2. Die Revisionen des Nebenklägers gegen das vorbezeichnete
Urteil werden
hinsichtlich des Angeklagten C. als unzulässig (§ 349
Abs. 1 StPO),
hinsichtlich der Angeklagten A. und T. als unbegründet
verworfen.
Der Nebenkläger hat die Kosten seiner Rechtsmittel und die
den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen
zu tragen.

Gründe:


1
Die Jugendkammer hat festgestellt:
2
Die Angeklagten waren mit Freunden und Bekannten am Karsamstag 2008 in einer Diskothek in Hard (Österreich), ebenso der Nebenkläger M. . Dieser wollte eine schon abflauende Auseinandersetzung, an der der Angeklagte C. beteiligt war, schlichten. C. schlug ihn mit der Faust ins Gesicht, es entstand eine aggressive Stimmung. Nunmehr wollten die Angeklagten A. und T. , die zuvor mit C. zusammen am Tisch gewesen waren, C. helfen, der allerdings bald die Diskothek verließ. M. erhielt, auch von A. und T. , Schläge und Tritte, ging zu Boden, konnte sich zunächst aber wieder aufrichten. Es gab weitere, namentlich nicht ermittelte Beteiligte an der Auseinandersetzung. Es flogen Flaschen, eine davon traf auch A. , der seinerseits eine Flasche nahm und sie „in Bauchhöhe“ gegen M. warf. Eine Flasche traf M. so heftig am Kopf, dass er „k.o. ging und völlig hilflos zu Boden sackte“. Dass A. d i e s e Flasche geworfen hatte, steht nicht fest. Er trat aber gemeinsam mit anderen - darunter auch T. - auf den bewusstlos am Boden liegenden M. ein. M. wurde dabei auch gegen den Kopf getreten, ohne dass einem der Beteiligten einzelne Tritte genau zugeordnet werden konnten. M. zog sich sehr schwere Verletzungen zu, z.B. Brüche im Bereich des Jochbeins, der Augenhöhle und des Kiefers. Wegen der Gefahr, Blut einzuatmen, hätte er ohne fremde Hilfe ersticken können. Durch das Gesamtgeschehen wurde er auf einem Auge blind und kann, zu 40% erwerbsgemindert , seinen Beruf nicht mehr ausüben. Auch muss er lebenslang eine Platte im Gesicht tragen.
3
Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde C. wegen Körperverletzung (§ 223 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Hinsichtlich der beiden anderen, heranwachsenden Angeklagten konnte sich die Jugendkammer nicht von den in der Anklage noch enthaltenen Vorwürfen des versuchten Totschlags, hinsichtlich A. auch der schweren Körperverletzung (Verlust eines Auges) überzeugen, und verurteilte sie wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) wegen der Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 JGG) jeweils zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe, A. zu zehn Monaten, T. zu einem Jahr.
4
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten und des Nebenklägers. Sämtliche Rechtsmittel bleiben erfolglos.

A.

5
Die Revisionen der Angeklagten
6
Sämtliche Revisionen erheben die Sachrüge, die der Angeklagten A. und T. führen sie näher aus. Die Revision des Angeklagten A. ist zusätzlich noch auf Verfahrensrügen gestützt.

I.

7
Die Verfahrensrügen des Angeklagten A. wenden sich gegen die Verwertung der Angaben, die er am 24. März 2009 gegenüber KHK H. gemacht hatte; dieser hatte ihn als Beschuldigten vernommen, nachdem die österreichischen Behörden das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft Ravensburg abgegeben hatten. Schon in der Hauptverhandlung war ein Widerspruch gegen die Zeugenvernehmung von KHK H. , gestützt auf die Vernehmungsniederschrift , (u.a.) damit begründet worden, er habe ihn nur über sein Schweigerecht, aber nicht über sein Recht auf Verteidigerkonsultation belehrt und seinen Wunsch nach Unterrichtung des von ihm benannten Verteidigers abgelehnt.
8
Außerdem habe er ihn durch die in der Vernehmungsniederschrift dokumentierten Vorhalte
9
„Du weißt doch genau, dass der M. durch diese [von A. gewor- fene] Flasche das Auge verloren hat“ und später
10
„Laut bisherigen Ermittlungen ist klar, dass durch deinen Flaschenwurf die schweren Verletzungen am linken Auge des M. entstanden sind“ i.S.d. § 136a StPO über den bisherigen Stand der Ermittlungen getäuscht, da er, wie näher dargelegt, gewusst habe, dass es keine den Angeklagten konkret belastenden Erkenntnisse über das Zustandekommen der Augenverletzung gäbe.
11
Zu alledem befragt, erinnerte sich KHK H. genau, A. auch über sein Recht auf Verteidigerkonsultation belehrt zu haben, was er aber versehentlich nicht protokolliert habe. A. habe erklärt, seine Rechte aus einem früheren Verfahren - ein 2006 gemäß § 45 Abs. 1 JGG behandeltes Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs - zu kennen, jedoch nicht den Wunsch nach Kontakt mit (s)einem Rechtsanwalt geäußert. Außerdem erläuterte KHK H. seine damaligen Kenntnisse vom Ermittlungsstand. Die Jugendkammer hielt sei- ne Angaben für „uneingeschränkt überzeugend“, wies den Widerspruch mit nä- her begründetem Beschluss zurück und vernahm ihn zur Sache.
12
Hieran knüpft die Revision an. Sie hält sowohl § 136 StPO als auch § 136a StPO für verletzt.
13
1. Ein Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO liege vor, weil der Angeklagte keinen Kontakt mit seinem Verteidiger aufnehmen durfte; das Urteil begründe die Verwertbarkeit der Aussage von KHK H. nicht konkret. Seine Angaben seien wegen der entgegen Nr. 45 Abs. 1 RiStBV nicht dokumentierten Belehrung unglaubhaft, zumal er - so die Revision - erklärt habe, er dokumentiere die Beschuldigtenbelehrung nie in einem gesonderten Formular. Daher ergebe die Prüfung des Vernehmungsablaufs hier „ausschließlich“ das Ergebnis, „dass die Belehrung … nicht stattgefunden hat“. Die Behauptung von KHK H. , der Angeklagte habe geäußert, seine Rechte aus einem früheren Verfahren zu kennen, werde den Gegebenheiten nicht gerecht. Da insgesamt genügende Hinweise auf eine Belehrung fehlten, seien die Angaben des Angeklagten unverwertbar.
14
a) Im Urteil ist die Verwertbarkeit der Aussage von KHK H. nicht konkret begründet. Ob dies als eigenständiger Rechtsfehler gerügt sein soll, mag dahinstehen. Ausführungen zur Verwertbarkeit von Beweismitteln im Urteil sind rechtlich nicht geboten und würden es nur überfrachten (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 - 1 StR 99/09, NJW 2009, 2612, 2613 mwN).
15
b) Im Übrigen sprechen die genannten ineinander übergehend beide Gesichtspunkte ansprechenden Ausführungen der Revision dafür, dass Grundlage eines Beweisverwertungsverbots offenbar sowohl die unterbliebene Belehrung über das Recht auf Verteidigerkonsultation (BGH, Urteil vom 22. November 2001 - 1 StR 220/01, BGHSt 47, 172, 173 f.), als auch die Verhinderung der ausdrücklich gewünschten Kontaktaufnahme mit dem Verteidiger (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 126/92, BGHSt 38, 372, 374; vgl. auch Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK; hierzu Schädler in KK-StPO 6. Aufl., Art. 6 MRK Rn. 50 mwN) sein soll. Unbeschadet der Frage nach der gebotenen Klarheit der „Angriffsrichtung“ dieser Rüge (vgl. BGH,Beschluss vom 14. Januar 2010 - 1 StR 620/09, NStZ 2010, 403, 404 mwN) in tatsächlicher Hinsicht, erscheint zweifelhaft, ob, wie für eine zulässige Verfahrensrüge stets erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2010 - 1 StR 157/10, StV 2011, 399; BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2005 - 1 StR 117/05, NStZ-RR 2006, 181, 182 mwN), der Vortrag widerspruchsfrei ist. Einerseits sei der Hinweis von KHK H. auf die bei der Vernehmung aktuelle Kenntnis des Angeklagten von seinem Recht auf Verteidigerkonsultation - sie stünde trotz unterbliebener Belehrung einem Verwertungsverbot entgegen (BGH, Urteil vom 22. November 2001 - 1 StR 220/01, BGHSt 47, 172, 174) - unzutreffend, andererseits habe der Angeklagte Kontakt mit seinem Verteidiger verlangt. Wie es miteinander vereinbar ist, dass ein Recht unbekannt ist, aber dennoch geltend gemacht wird, liegt nicht auf der Hand.
16
c) Letztlich kann dies aber auf sich beruhen, da der Senat das tatsächliche Vorbringen der Revision, hinsichtlich der unterbliebenen Belehrung ebenso wie hinsichtlich der verwehrten Kontaktaufnahme, nicht für bewiesen hält (zum Maßstab vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1997 - 2 StR 130/97, StV 1999, 354). Er hat keinen Grund, die Angaben von KHK H. hierzu anders zu bewerten als die Jugendkammer. Er teilt nicht die Auffassung, dass wegen einer entgegen Nr. 45 Abs. 1 RiStBV teilweise unterbliebenen Protokollierung einer Belehrung bei Gericht „ausschließlich“ oder nahe liegend Lügen des hierfür verantwortli- chen Polizeibeamten zum Vernehmungsablauf zu erwarten seien. Auch konkret spricht hier für diese Möglichkeit nichts.
17
d) Die Belastung des Verfahrens durch unsorgfältige Protokollierung wäre leicht bei Verwendung eines entsprechenden Formulars vermieden worden.
18
Macht im Übrigen, wie hier, ein Angeklagter in der Hauptverhandlung keine Angaben, oder sagt er - erfahrungsgemäß ebenfalls nicht ungewöhnlich - dort anders aus als im Ermittlungsverfahren, können seine früheren Angaben sehr bedeutsam werden. Da hinsichtlich dieser Angaben hier keine ordnungsgemäße Belehrung aktenkundig war, stand das Verbot ihrer Verwertung dann im Raum, wenn die Belehrung und nicht nur deren Dokumentation unzulänglich war. Diese anhand der Akten nicht klärbare Frage hätte bereits vor der Hauptverhandlung überprüft werden können, auch schon von der Staatsanwaltschaft. Deren Gesamtverantwortung für ein rechtmäßiges Ermittlungsverfahren - auch soweit von der Polizei geführt - verlangt auch hinsichtlich etwaiger Beweisverwertungsverbote effektiv ausgeübte Leitungs- und Kontrollbefugnisse, damit gegebenenfalls gebotene Maßnahmen ergriffen werden können, wo nötig in Form allgemeiner Weisungen. Dies gilt in allen Verfahren, hat aber in Kapitalsachen (versuchter Totschlag) besonderes Gewicht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 - 1 StR 99/09, NJW 2009, 2612, 2613 mwN).
19
2. Eine Täuschung des Angeklagten über den Ermittlungsstand (§ 136a StPO) liegt nicht vor. Als der Angeklagte, der auch schon zuvor erklärt hatte, er wisse nicht, wo die von ihm geworfene Flasche getroffen habe, erneut auch auf den ersten als Beleg für eine Täuschung genannten Vorhalt „Du weißt doch genau …“ (oben A. I. vor 1.)nicht bestätigte, M. am Auge getroffen zu haben , hielt ihm KHK H. als nächstes vor: „Aber es ist in der Gruppe bekannt, dass deine Flasche den M. am Auge getroffen hat“, worauf der Angeklagte erwiderte: „Man sagt das deswegen, weil man gesehen hat, dass ich die eine Flasche geworfen habe“. Es gab also - vom Angeklagten sogar als richtig bestä- tigte - polizeiliche Erkenntnisse, dass mehrere bei dem Vorfall anwesende Personen (die „Gruppe“) - unabhängig von Angaben bei der Polizei - geäußert hatten , der Angeklagte habe M. mit der Flasche am Auge verletzt. Schon deshalb hat die Annahme einer Täuschung durch KHK H. keine Grundlage. Außerdem hat die Jugendkammer lediglich festgestellt, dass der Angeklagte - wie von vielen Anwesenden gesehen und auch von ihm schon vor der angeblichen Täuschung eingeräumt - eine Flasche geworfen, aber nicht, dass sie M. am Auge getroffen hat. Selbst wenn, was nicht so ist, eine Täuschung vorläge, hätte sie sich schon nicht auf die Aussagen des Angeklagten bei der Polizei und erst Recht nicht auf das Urteil ausgewirkt.

II.

20
Die auf Grund der von allen Angeklagten erhobenen Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil eines Angeklagten ergeben. Ergänzend bemerkt der Senat:
21
1. Zum Schuldspruch:
22
a) Vorbringen für den Angeklagten A. :
23
(1) Die Behauptung, die Jugendkammer habe nur Feststellungen zum Flaschenwurf getroffen und nichts festgestellt, was die Beteiligung des Angeklagten an den vorangegangenen Gewalttätigkeiten belege, widerspricht den Urteilsgründen. Danach hatte sich C. unmittelbar vor Beginn seiner Auseinandersetzung mit M. „an den Nachbartisch zu … A. und T. begeben“. M. hat bekundet, nachdem ihn C. geschlagen hatte, seien dessen „Begleiter oder Freunde … aufgestanden und hätten auf ihn eingeschlagen“. Zweifel an der Glaubwürdigkeit M. s hatte die Jugendkammer nicht, Gründe , warum sie sie hätte haben müssen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
24
(2) Weite Teile des sonstigen Vorbringens gegen die Feststellungen zum Tatgeschehen erschöpfen sich in Überlegungen zu alternativen Geschehensabläufen (der Angeklagte könne nach dem Flaschenwurf den Tatort alsbald verlassen oder dort nur zur Beobachtung des weiteren Geschehens „verweilt“ haben), die in den Urteilsgründen keine Anknüpfungspunkte finden. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2010 - 1 StR 454/09, wistra 2010, 310, 312 mwN). Dementsprechend braucht das Urteil bloß theoretische Möglichkeiten auch nicht zu erörtern (BGH, Urteil vom 26. Mai 2011 - 1 StR 20/11). Eine auf den Beleg der Richtigkeit ihrer Vermutungen gerichtete Aufklärungsrüge hat die Revision nicht erhoben.
25
(3) Nach den Feststellungen der Jugendkammer traten „umstehende Per- sonen“ aufden am Boden liegenden M. „mit Füßen … ein. ... Hieran waren auch die Angeklagten A. und T. beteiligt“. Angesichts dessen ist die Annahme der Revision, zur Art der Beteiligung des Angeklagten sei nichts festgestellt, nicht nachvollziehbar.
26
b) Vorbringen für den Angeklagten T. :
27
Die Revision verkennt, dass weder die Sach- noch eine Verfahrensrüge auf einen Abgleich der Urteilsgründe mit dem Akteninhalt gestützt werden kann (st. Rspr.; zuletzt BGH, Urteil vom 26. Mai 2011 - 1 StR 20/11; vgl. zusammenfassend Wahl in NJW-SH f. G. Schäfer, 2002, 73 mwN). Deshalb ist auch für die von ihr angeregte Anhörung eines Zeugen durch den Senat kein Raum. Sollte ein Zeuge im weiteren Verlauf wegen eines Aussagedelikts rechtskräftig verurteilt werden, könnte dies Grundlage einer Wiederaufnahme des Verfahrens sein (§ 359 Nr. 2 StPO). Soweit die Revision darüber hinaus im Rahmen der Begrün- dung der Sachrüge wegen der Ablehnung des „Beweisantrag(s) Anlage 8“ eine Verletzung der Aufklärungspflicht sieht, kommt eine Umdeutung in eine Verfahrensrüge nicht in Betracht, da das Vorbringen den Anforderungen von § 344 Abs. 2 StPO nicht genügt. Weder der Antrag noch der Beschluss sind mitgeteilt.
28
2. Zum Strafausspruch:
29
a) Ausführungen zum Strafausspruch enthält nur die Revisionsbegründung für den Angeklagten A. . Soweit sich fehlende Feststellungen zur Art der Tatbeteiligung auf den Strafausspruch ausgewirkt haben sollen, gilt nichts anderes als hinsichtlich des Schuldspruchs (vgl. A. II. 1. a (3)). Das übrige Vorbringen erschöpft sich in dem im Revisionsverfahren unbeachtlichen Versuch, Bewertungen, die die dem Tatrichter hierbei gezogenen Grenzen an keiner Stelle zum Nachteil des Angeklagten überschreiten, durch eigene zu ersetzen. Zu Unrecht ist die Jugendkammer allerdings davon ausgegangen, der Angeklagte sei „nicht strafrechtlich vorbelastet“ gewesen. Tatsächlich ist er schon 2006 wegen Landfriedensbruchs in Erscheinung getreten (vgl. A. I. vor 1.). Auch wenn nähere Feststellungen hierzu fehlen, handelt es sich dabei jedenfalls um ein Delikt, bei dem es, ähnlich wie hier, um Gewalttätigkeiten aus einer wegen etlicher Beteiligter unübersichtlichen Situation heraus geht. Die unterbliebene Erörterung dieses Gesichtspunkts hat sich jedoch nur zu Gunsten des Angeklagten ausgewirkt.
30
b) Auch sonst sind bei der Strafzumessung Rechtsfehler weder zum Nachteil des Angeklagten A. noch zum Nachteil der übrigen Angeklagten ersichtlich.
31
3. Zur Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensdauer:
32
Die Jugendkammer hat die Verfahrensdauer nicht nur als bedeutsamen Strafmilderungsgrund angesehen, sondern insoweit auch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt, weil - bis zur Abgabe des zunächst in Österreich anhängigen Ermittlungsverfahrens an die Staatsanwaltschaft Ravensburg „in erster Linie durch die zögerliche Behandlung bzw. Nichtbehandlung der Ermittlungen seitens der österreichischen Ermittlungsbehörden schon neun Monate ins Land gegangen“ sind; und - wegen vieler vorrangiger Haftsachen zwischen Eingang der Anklage und Urteil zwölf Monate gelegen haben.
33
In beiden Abschnitten sei das Verfahren in einer Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK zuwiderlaufenden Weise für die Dauer von je neun Monaten verzögert worden, was mit je drei Monaten zu kompensieren sei.
34
Dementsprechend wurden von der gegen den Angeklagten C. verhängten Freiheitsstrafe sechs Monate (im Urteilstenor) für vollstreckt erklärt.
35
Anders sei, so die Jugendkammer in den Urteilsgründen, demgegenüber hinsichtlich der Angeklagten A. und T. zu verfahren. Da gegen sie Jugendstrafe verhängt sei, sei nicht ein Teil der Strafe für vollstreckt zu erklären, sondern ein Abschlag von der an sich für angemessen gehaltenen Strafe vorzunehmen. Dementsprechend wurde eine Jugendstrafe von einem Jahr statt von einem Jahr und sechs Monaten gegen T. und von zehn Monaten statt von einem Jahr und vier Monaten gegen A. verhängt.
36
Der Senat bemerkt:
37
a) Die Dauer eines Strafverfahrens kann unabhängig von ihren Gründen für die Strafzumessung bedeutsam sein (BGH, Urteil vom 21. Februar 2002 - 1 StR 538/01, StV 2002, 598 mwN). Der Senat ist jedoch nicht der Auffassung, dass eine (von der Jugendkammer nur knapp geschilderte, nach ihrer Auffassung ) mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK unvereinbare Verfahrensverzögerung durch österreichische Behörden hier darüber hinaus auch als konventionswidrig zu kompensieren ist. Eine solche Kompensation ist Wiedergutmachung. Sie soll die „Opferstellung“ eines Betroffenen (Art. 34 MRK) beenden und so den jeweiligen Vertragsstaat (hier die Bundesrepublik Deutschland) vor einer möglichen Verurteilung durch den EGMR auf Grund einer Individualbeschwerde wegen Verletzung der MRK bewahren (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 137). Letztlich wird durch eine solche Kompensation eine „im Verantwortungsbereich des Staates“ (BGH aaO 129; vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 4. August 2009 - 5 StR 253/09, NStZ 2010, 230 mwN) entstandene „Art Staatshaftungsanspruch“ erfüllt (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 138). Dem entspricht, dass Individualbeschwerden gemäß Art. 35 Abs. 3 MRK zurückgewiesen werden, wenn die gerügten Handlungen oder Unterlassungen dem beklagten Staat nicht zuzurechnen wären (vgl. EGMR, Entscheidung vom 15. Juni 1999, Nr. 18360/91; EKMR, Entscheidung vom 14. April 1998, Nr. 20652/92). Dies spricht dagegen, dass ein (etwa) konventionswidriger Verfahrensgang in einem Mitgliedsstaat der MRK einem anderen Mitgliedsstaat, der hierauf keinen Einfluss nehmen konnte, gleichwohl zuzurechnen und von ihm zu kompensieren ist, wenn seine Ermittlungsbehörden das Ermittlungsverfahren erst nach Eintritt der Verzögerung übernommen haben (so in vergleichbarem Sinne, wenn auch anderen prozessualen Zusammenhängen, BGH, Beschluss vom 17. März 2010 - 2 StR 397/09, BGHSt 55, 70, 77 f. [mögliche Verletzung des Konfrontationsrechts durch einen anderen Staat im Rahmen von Rechtshilfe] und OLG Rostock, NStZ-RR 2010, 340 [mögliche konventionswidrige Verfahrensverzögerung durch einen anderen Staat bei einer hier zur Vollstreckung übernommenen Verurteilung] jew. mwN).
38
b) Der Senat kann auf der Grundlage der hierzu ebenfalls knappen Feststellungen nicht beurteilen, ob und gegebenenfalls wie lange das Verfahren durch die Jugendkammer konventionswidrig verzögert wurde (vgl. zu hierfür we- sentlichen Punkten BGH, Beschluss vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07, NJW 2008, 2451, 2453 f.). Jedenfalls handelt es sich hier um eine „Jugendschwurgerichtssache“ (§ 41 Abs. 1 Nr. 1 JGG) gegen (ursprünglich) fünf nicht inhaftierte Angeklagte. Diesen lagen, hinsichtlich der einzelnen Angeklagten differenziert, unterschiedliche Delikte teilweise sehr erheblichen Gewichts (gefährliche Körperverletzung , schwere Körperverletzung, versuchter Totschlag) zum Nachteil des am Verfahren als Nebenkläger beteiligten Geschädigten zur Last. Sämtliche Taten sollten die nicht geständigen Angeklagten im Rahmen eines tumultartigen und daher schwer klärbaren Geschehens begangen haben, wobei einige Zeugen der im Ausland begangenen Tat(en) im Ausland wohnten. Der Senat hält es danach jedenfalls nicht für menschenrechtswidrig, dass hier nicht schon etwa drei Monate nach Eingang der Anklage ein Urteil erging.
39
c) Außerdem ist bei der Prüfung einer etwaigen konventionswidrigen Verfahrensverzögerung stets die Dauer des gesamten Verfahrens in den Blick zu nehmen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2008 - 1 StR 238/08, wistra 2009, 147, 148 mwN). Es ist daher kein zutreffender Ansatz, nach jeweils nur isolierter Bewertung für mehrere Verfahrensabschnitte jeweils gesonderte Kompensationen zu bestimmen und diese dann zu addieren.
40
d) Eine konventionswidrige Verfahrensverzögerung kann gegebenenfalls schon durch ihre Feststellung genügend kompensiert sein (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 5 StR 330/10, StraFo 2011, 56, 57 mwN). Jedenfalls hätte die Jugendkammer, die diese hier nahe liegende Möglichkeit nicht geprüft hat, bei der Bemessung der Kompensation aber erkennbar zu erwägen gehabt, dass sie, wie dargelegt, schon bei der Strafzumessung die Verfahrensdauer strafmildernd bewertet hat, sodass darüber hinaus nur noch deren konventionswidrige Verursachung auszugleichen ist. Dies wird, von hier nicht erkennbaren besonderen Fallgestaltungen abgesehen, vielfach dazu führen, dass sich eine Kompensation nur noch auf einen eher geringen Bruchteil der Strafe zu beschränken hat (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 146, 147; BGH, Urteil vom 9. Oktober 2008 - 1 StR 238/08, wistra aaO mwN). Die Jugendkammer hat demgegenüber zwischen einem Drittel und der Hälfte der von ihr für angemessen gehaltenen Strafen für vollstreckt erklärt bzw. nicht ausgesprochen. Bei der Bemessung der Höhe einer Kompensation ist jedoch auch in den Blick zu nehmen, dass eine überzogene Berücksichtigung des Zeitfaktors als Ausgleich für Justiz und Ermittlungsbehörden anzulastenden Mängeln den Zielen effektiver Verteidigung der Rechtsordnung zuwider läuft (BGH, Beschluss vom 17. November 2010 - 1 StR 145/10, wistra 2011, 115, 116 mwN).
41
e) Einer abschließenden Entscheidung der aufgezeigten Gesichtspunkte hinsichtlich der Verfahrensverzögerung bedarf es hier aber nicht, da sie sich ersichtlich nur zu Gunsten der Angeklagten ausgewirkt haben.
42
f) Im Übrigen ist die Umsetzung der von der Jugendkammer für erforderlich gehaltenen Kompensation nur hinsichtlich des Angeklagten C. („Voll- streckungsmodell“) rechtsfehlerfrei.
43
Die Annahme, bei Verhängung von Jugendstrafe sei demgegenüber nicht das Vollstreckungsmodell anzuwenden, sondern ein Strafabschlag vorzunehmen , entspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, jedenfalls, wenn die Jugendstrafe, wie jeweils hier, allein auf eine Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 JGG) gestützt ist (BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 5 StR 330/10, StraFo 2011, 56, 57; Urteil vom 9. Mai 2010 - 2 StR 278/09 jew. mwN). Die Angeklagten sind dadurch jedoch nicht beschwert. Ein Angeklagter kann schon generell ohnehin allenfalls unter sehr ungewöhnlichen Umständen beschwert sein, wenn eine niedrigere statt einer höheren - sei es auch teilweise als vollstreckt geltenden - Strafe ausgesprochen wird (BGH, Beschluss vom 20. März 2008 - 1 StR 488/07, NJW 2008, 2451, 2454; vgl. auch Pohlit in FS Rissing-van Saan, 453, 457). Hier kommt hinzu, dass der Strafabschlag dazu führte, dass die Jugendstrafen schon nach Maßgabe von § 21 Abs. 1 JGG zur Bewährung ausgesetzt werden konnten und nicht wie die von der Jugendkammer an sich für angemessen gehaltenen Strafen nur unter den demgegenüber (schon ausweislich des Gesetzeswortlauts) engeren Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 JGG (vgl. hierzu Brunner/Dölling JGG 11. Aufl., § 21 Rn. 11, 11a; vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - 2 StR 54/08, StV 2008, 400 zum strukturell identischen Fall, dass der Strafabschlag § 56 Abs. 1 StGB anwendbar macht, während bei dem Vollstreckungsmodell nur § 56 Abs. 2 StGB anwendbar wäre).

B.

44
Die Revisionen des Nebenklägers

I.

45
Revision zum Nachteil des Angeklagten C. :
46
1. Die Revision wurde uneingeschränkt in der „Strafsache gegen A. u.a.“ eingelegt. Ebenso uneingeschränkt ist im Rahmen der Revisionsbegründung beantragt (§ 344 Abs.1 StPO), das Urteil aufzuheben. Die auf die Sachrüge gestützte Begründung erwähnt den Angeklagten C. nicht, sondern legt ausschließlich dar, warum das Urteil hinsichtlich der Angeklagten A. und T. rechtsfehlerhaft ist. Zur Begründung herangezogen sind ausschließlich Feststellungen zum Geschehen, das sich ereignete, nachdem C. die Diskothek verlassen hatte.
47
2. Der Senat hatte daher zu prüfen, ob das Urteil auch zum Nachteil des Angeklagten C. angefochten ist. Die Revisionseinlegungsschrift spricht eher dafür, da sich die Nebenklage auch gegen den auch wegen eines nebenklagefähigen Delikts verurteilten Angeklagten C. richtete. Gleiches gilt im Ergebnis für den Revisionsantrag. Gegen eine Revision zum Nachteil des Angeklagten C. spricht die Revisionsbegründung, die ihn weder erwähnt, noch sich auf die ihm zur Last gelegte Tat bezieht. Der Senat hat erwogen, ob hier, wie auch sonst bei Zweifeln über den Umfang einer Revision, deren Begründung maßgeblich ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 - 3 StR 122/09; BGH, Urteil vom 25. November 2003 - 1 StR 182/03, NStZ-RR 2004, 118 mwN). Dies hat er verneint. Wird, sei es auch in nur einem Schriftsatz, ein gegen mehrere Angeklagte ergangenes Urteil uneingeschränkt angefochten, gilt dies regelmäßig hinsichtlich jedes Angeklagten. Es liegen der Sache nach mehrere, voneinander unabhängige Rechtsmittel vor. Dann kann aber nicht allein der späteren Begründung des Rechtsmittels zum Nachteil eines Angeklagten inzident entnommen werden, dass zum Nachteil eines anderen Angeklagten doch kein Rechtsmittel eingelegt sein soll. Die Frage nach dem Umfang eines Rechtsmittels ist von anderer Art als die Frage, ob überhaupt ein Rechtsmittel eingelegt ist. Insoweit kommt es allein auf die Einlegungsschrift an.
48
3. Die danach (auch) zum Nachteil des Angeklagten C. eingelegte Revision ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO), da mangels konkreter Begründung nicht erkennbar ist, dass sie ein von einer Nebenklägerrevision erreichbares Ziel (§ 400 Abs. 1 StPO) verfolgte.

II.

49
Revisionen zum Nachteil der Angeklagten A. und T. :
50
Insoweit hat die auf Grund der Revisionsrechtfertigung(en) gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler ergeben, der diesen Revisionen des Nebenklägers zum Erfolg verhelfen könnte.
51
1. Die Annahme, dass insbesondere bei Tritten gegen den Kopf eines am Boden liegenden Menschen ein Tötungsvorsatz in Betracht kommen kann, liegt im Grundsatz nicht fern (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2005 - 1 StR 288/05, NStZ-RR 2006, 10, 11; Beschluss vom 28. Juni 2005 - 1 StR 178/05). Die insoweit freilich sehr knappen Ausführungen der Jugendkammer ergeben im Kontext mit den sonstigen Urteilsgründen, dass der Jugendkammer auch im Blick auf ein eher spontanes, sich rasch intensivierendes Geschehen Zweifel an einem solchen Vorsatz verblieben. Dies gilt auch, soweit die Jugendkammer angesichts des in seiner ständigen Bewegung schnell wechselnden und nur begrenzt zuverlässig zu rekonstruierenden tumultartigen Geschehens keine Handlungen der Angeklagten festzustellen vermochte, die die Annahme eines Tötungsvorsatzes aufdrängten. Vergleichbares gilt hinsichtlich des beim Nebenkläger eingetretenen Verlusts des Auges und der sonstigen schweren Verletzungen , von deren Verursachung durch die Angeklagten sich die Jugendkammer ebenfalls nicht zweifelsfrei überzeugen konnte. All dies liegt auch unter Berücksichtigung des hiergegen gerichteten Revisionsvorbringens noch im Rahmen möglicher tatrichterlicher Beweiswürdigung, sodass es nicht darauf ankommt, ob auch eine andere Würdigung vertretbar erschiene.
52
2. Näher noch als die Annahme eines versuchten Totschlags und/oder einer schweren Körperverletzung hätte die Annahme einer Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB, zweite Alternative) gelegen, da die Angeklagten sich gemeinsam mit anderen an einem u.a. auch durch Flaschenwürfe begangenen Angriff auf M. beteiligten, durch den dieser ein Auge verlor, ohne dass es darauf ankäme, welche konkrete Handlungen ihnen im Blick auf die hier, wie in solchen Fällen typisch, vorliegende Beweisnot zugerechnet werden können (vgl. zusammenfassend Fischer StGB 58. Aufl., § 231 Rn. 1, 2, 4 ff. mwN). Näher nachzugehen braucht der Senat dem aber nicht, weil § 231 StGB kein zur Nebenklage berechtigendes Delikt ist; ein nur hierauf bezogener etwaiger Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten kann einer hinsichtlich der Anwendung von Nebenklagedelikten erfolglosen Nebenklägerrevision nicht zum Erfolg verhelfen (BGH, Urteil vom 21. August 2008 - 3 StR 236/08, NStZ-RR 2009, 24, 25; BGH, Urteil vom 12. März 1997 - 3 StR 627/96, NStZ 1997, 402, 403 jew. mwN). Gleiches gilt im Ergebnis insoweit, als die Jugendkammer nicht geprüft hat, ob eine nur nach ihrer einzelfallbezogen abstrakten Gefährlichkeit, nicht nach ihren konkreten Folgen zu beurteilende lebensgefährdende Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB (vgl. Fischer aaO § 224 Rn. 12 mwN) vorliegt, oder ob im Blick auf bei den Tritten nahe liegend von den Angeklagten getragene Schuhe gefährliche Werkzeuge gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2009 - 4 StR 347/09, NStZ 2010, 151 mwN) verwendet wurden. Das Hinzutreten weiterer Tatbestandsalternativen eines ohnehin abgeurteilten Delikts betrifft den Schuldumfang und daher den Strafausspruch (BGH, Urteil vom 21. April 1999 - 5 StR 714/98, NJW 1999, 2449; BGH, Beschluss vom 3. Juli 1997 - 4 StR 266/97, NStZ-RR 1997, 371 jew. mwN) und kann daher einer Nebenklägerrevision ebenso wenig zum Erfolg verhelfen wie sonstige nur den Strafausspruch betreffende Rechtsfehler (§ 400 StPO). Nack Wahl Rothfuß Hebenstreit Graf

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c, § 73 Abs. 1 Satz 1, § 266;
1. Privatrechtlich organisierte Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge
sind keine "sonstigen Stellen" im Sinne von § 11 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. c StGB, wenn ein Privater daran in einem Umfang beteiligt
ist, dass er durch eine Sperrminorität wesentliche unternehmerische
Entscheidungen mitbestimmen kann.
2. Bei der Auftragserlangung durch Bestechung im geschäftlichen
Verkehr bildet der auf den Preis aufgeschlagene Betrag, der lediglich
der Finanzierung des Schmiergelds dient, regelmäßig die
Mindestsumme des beim Auftraggeber entstandenen Vermögensnachteils
im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB.
3. Durch Bestechung erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB
ist bei der korruptiven Manipulation einer Auftragsvergabe der gesamte
wirtschaftliche Wert des Auftrags im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses
, nicht der vereinbarte Werklohn.
4. Wer Bestechungsgelder erhält, muss diese versteuern. Dem steht
der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit auch in Fällen des
§ 393 Abs. 2 Satz 2 AO nicht entgegen, soweit sich die Erklärungspflicht
auf die betragsmäßige Angabe der Einnahmen beschränkt
und nicht deren deliktische Herkunft umfasst.
BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05
LG Köln –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 2. Dezember 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
- Verfallsbeteiligte:
wegen Untreue u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 1. und 2. Dezember 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Sc
alsVerteidigerfürdenAngeklagten E ,
Rechtsanwalt W ,
Rechtsanwältin We
als Verteidiger für den Angeklagten M ,
Rechtsanwalt L ,
Rechtsanwältin H
alsVerteidigerfürdenA ngeklagten R ,
Rechtsanwalt M
alsVertreterderVerfallsbeteiligten,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
in der Sitzung vom 2. Dezember 2005 für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie der Angeklagten E und M gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 13. Mai 2004 werden verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten und der Verfallsbeteiligten; die Angeklagten E und M tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten E wegen Untreue und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr sowie wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten M hat es wegen Beihilfe zur Untreue und wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und daneben eine Geldstrafe von 270 Tagessätzen zu je 165 Euro festgesetzt. Aus tatsächlichen Gründen freigesprochen hat das Landgericht den Angeklagten R insgesamt sowie den Angeklagten M , soweit diesem eine Steuerhinterziehung vorgeworfen wurde; zudem hat es die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen die Angeklagten und die Verfallsbeteiligte abgelehnt.
Die zuungunsten der Angeklagten und der Verfallsbeteiligten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft richten sich mit der Sachrüge zum einen gegen die Freisprüche, die Strafzumessung und die Strafaussetzung zur Bewährung beim Angeklagten M sowie die Nichtanordnung des Verfalls von Wertersatz gegen die Verfallsbeteiligte; nur insoweit werden sie vom Generalbundesanwalt vertreten. Darüber hinaus beanstandet die Staatsanwaltschaft, dass die Angeklagten nicht wegen Bestechung bzw. Bestechlichkeit verurteilt worden sind, ferner auch die Strafzumessung bei dem Angeklagten E . Die Angeklagten E und M wenden sich mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen umfassend gegen ihre Verurteilung.
Sämtliche Revisionen bleiben erfolglos.

I.


Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
Im Jahr 1990 beschloss der Rat der Stadt Köln die Gründung einer Abfallverwertungsgesellschaft in Form einer städtisch beherrschten Mischgesellschaft unter maßgeblicher Beteiligung der Privatwirtschaft. Die Einbeziehung eines privaten Unternehmers sollte dessen Fachwissen und wirtschaftliche Erfahrung nutzbar machen sowie zur Kostenersparnis beitragen. Als Mitgesellschafter wurde der gesondert Verfolgte T gewonnen, der über verschiedene Gesellschaften eine beherrschende Stellung – vom Zeugen A anschaulich als „Monopölchen“ bezeichnet – auf dem Abfallsektor im Rheinland besaß. Die Stadt Köln (Anteil am Stammkapital 50,1 %), die S K G (Anteil 24,8 %) und die T E G V (Anteil 25,1 %) gründeten 1992 die „AVG “ (nachfolgend: AVG). Gegenstand der Gesellschaft waren insbesondere die Errichtung und der Be-
trieb von Anlagen für die thermische Behandlung und die Kompostierung von Abfällen sowie das Baustellen- und Gewerbeabfallrecycling unter Beachtung der Leitlinien des Abfallwirtschaftskonzepts der Stadt Köln. Der Gesellschaftsvertrag sah bei wichtigen Entscheidungen die Notwendigkeit einer Dreiviertel-Mehrheit vor. Die Stadt Köln schloss mit der AVG einen langfristigen Entsorgungsvertrag, wonach sie die AVG als sog. „Dritte“ mit der Wahrnehmung der Abfallentsorgungsaufgaben in zentralen Bereichen des Recyclings , der Kompostierung und der thermischen Behandlung beauftragte. Alleiniger Geschäftsführer der AVG wurde der Angeklagte E . Die Stadt Köln regelte die Müllentsorgung weiterhin durch Abfallsatzungen, nach denen die Abfallwirtschaft als öffentliche Einrichtung im Sinne einer rechtlichen , wirtschaftlichen und organisatorischen Einheit betrieben wurde.
Eine der zentralen Aufgaben der AVG war in den folgenden Jahren der Bau einer Restmüllverbrennungsanlage (nachfolgend: RMVA) in Köln zum Zweck der thermischen Müllentsorgung. Nach der Ausschreibung der Aufträge zur Planung und zum Bau der RMVA gaben mehrere Firmen Angebote ab; sie stellten teilweise auch die Zahlung von Schmiergeldern zwischen 2 % und 3 % des Auftragsvolumens bei Auftragsvergabe in Aussicht. Einer der Mitwettbewerber war die Verfallsbeteiligte L & C (nachfolgend: LCS), deren Geschäftsführer der Angeklagte M war. Unter maßgeblicher Einflussnahme des gesondert Verfolgten Wi , der seit mehreren Jahren als Unternehmensberater für die LCS tätig war und durch seine politische Laufbahn zahlreiche Kontakte zu den Entscheidungsträgern der Stadt Köln hatte, wurde schließlich im Herbst 1993 – einige Zeit vor dem Submissionstermin – zwischen E , T und M vereinbart, dass im Falle der Auftragsvergabe an die LCS von dieser ein Schmiergeld in Höhe von insgesamt 3 % des Auftragswerts in gleichen Teilen an E , T und Wi gezahlt werde, und zwar ein Drittel nach Vertragsschluss, ein Drittel nach Baubeginn und das letzte Drittel nach Abschluss der Bauarbeiten. E und M manipulierten die Ausschreibung, so dass die LCS nach Kenntnis der
anderen Angebote als günstigster Bieter schließlich den Zuschlag erhielt. In dem durch Verhandlungsgeschick des Angeklagten E schließlich erzielten, für die AVG insgesamt günstigen Festpreis von 792 Mio. DM war durch verschiedene Aufschläge auf einzelne Bau-Lose eine schmiergeldbedingte Erhöhung des Werklohns um rund 24 Mio. DM enthalten. Da sich dieser Betrag aus Sicht der LCS lediglich als Durchlaufposten darstellte, wäre der Angeklagte M auch bereit gewesen, für die LCS zu einem um den Schmiergeldbetrag verminderten Preis abzuschließen.
Die AVG zahlte den vereinbarten Werklohn einschließlich des darin enthaltenen Schmiergeldanteils bis August 2000 fast vollständig an die LCS. Die Abwicklung der Schmiergeldzahlungen, die in Höhe von insgesamt 21,6 Mio. DM flossen, erfolgte über verschiedene Schweizer Firmen, die der gesondert Verfolgte T absprachegemäß zur Verschleierung der Zahlungsflüsse vermittelte. An diese Firmen zahlte LCS im Jahr 1994 insgesamt 9 Mio. DM, 1995 2,7 Mio. DM, 1996 insgesamt 5,5 Mio. DM, 1998 insgesamt 3,4 Mio. DM und 1999 einen Restbetrag von 1 Mio. DM. Hiervon erhielt der Angeklagte E insgesamt 14,29 Mio. DM, und zwar 1994 3,2 Mio. DM, 1995 2 Mio. DM, 1996 5,2 Mio. DM, 1998 2 Mio. DM und 1999 schließlich 1,89 Mio. DM. Einen weiteren Betrag von mindestens 1 Mio. DM gab E 1995 oder 1996 an den Angeklagten M weiter; T und Wi erhielten zumindest 1994 jeweils 2 Mio. DM, wobei T seinen Anteil an Wi weiterreichte. Dass E von seinem Anteil weitere Millionensummen an die Angeklagten R und M sowie den gesondert Verfolgten Wienand auskehrte, konnte das Landgericht nicht sicher feststellen; es hat indes zugunsten des Angeklagten E angenommen, dass diesem lediglich Schmiergeldbeträge von insgesamt 7,49 Mio. DM verblieben sind.
Die Verfallsbeteiligte LCS rechnete das Projekt RMVA – nach einem zwischenzeitlichen vorläufigen Gewinn in Höhe von ca. 8 bis 9 Mio. Euro – im Jahr 2001 wegen verschiedener Gewährleistungsarbeiten endgültig mit
einem Verlust in Höhe von 688.000 Euro ab. Über das Vermögen der Verfallsbeteiligten ist inzwischen das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

II.


Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben keinen Erfolg.
1. Dass die Angeklagten E und M nicht wegen Bestechlichkeit bzw. Bestechung, sondern nur wegen Bestechlichkeit bzw. Bestechung im geschäftlichen Verkehr gemäß §§ 299, 300 StGB verurteilt worden sind, ist nicht rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat eine Amtsträgerstellung des Angeklagten E als Geschäftsführer der AVG nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB zutreffend verneint, weil es sich bei der AVG nicht um eine „sonstige Stelle“ im Sinne dieser Vorschrift handelt.

a) Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB ist, wer sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. „Sonstige Stellen“ sind – ohne Rücksicht auf ihre Organisationsform – behördenähnliche Institutionen, die zwar keine Behörden im organisatorischen Sinne sind, aber rechtlich befugt sind, bei der Ausführung von Gesetzen und bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken (vgl. BGHSt 43, 370, 375 ff.; 49, 214, 219). Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , dass auch als juristische Personen des Privatrechts organisierte Einrichtungen und Unternehmen der öffentlichen Hand als „sonstige Stellen“ den Behörden gleichzustellen sind, wenn bei ihnen Merkmale vorliegen, die eine Gleichstellung rechtfertigen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie bei ihrer Tätigkeit öffentliche Aufgaben wahrnehmen und dabei derart staatlicher – gegebenenfalls auch kommunaler – Steuerung unterliegen, dass sie bei einer Gesamtbewertung der sie kennzeichnenden Merkmale als „verlängerter Arm“ des Staates erscheinen (vgl. BGHSt 49, 214, 219 m.w.N.).

b) Diese Voraussetzungen liegen bei der AVG nicht vor.
aa) Die AVG ist zwar nach dem Gesellschaftsvertrag auf dem Gebiet der Müllentsorgung und damit in einem Bereich der Daseinsvorsorge tätig (vgl. BGHZ 40, 355, 360; BGH MDR 1983, 824; KG-Report 2005, 145); solche Tätigkeit wird von der Rechtsprechung seit jeher als öffentliche Aufgabe angesehen (vgl. BGHSt 12, 89, 90; 31, 264, 268; 45, 16, 19; BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 7; vgl. auch den Gesetzentwurf zum Korruptionsbekämpfungsgesetz BT-Drucks. 13/5584, S. 12). Als „verlängerter Arm“ des Staates und damit als „sonstige Stellen“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB können aber privatrechtlich organisierte Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge jedenfalls dann nicht mehr verstanden werden, wenn ein Privater an dem Unternehmen in einem Umfang beteiligt ist, dass er durch eine Sperrminorität wesentliche unternehmerische Entscheidungen mitbestimmen kann.
bb) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge für sich genommen nicht ausreicht, um eine der Behörde gleichgestellte „sonstige Stelle“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB anzunehmen (vgl. BGHSt 43, 370, 377; 45, 16, 19). Die Tatsache, dass vielfältige der Daseinsvorsorge zugerechnete Aufgaben wie etwa die Energie- und Wasserversorgung oder die Müllentsorgung nach einer Liberalisierung der entsprechenden Märkte auch von privaten Unternehmen erbracht werden und dass die öffentliche Hand daneben in unterschiedlicher Organisations- und Beteiligungsform weiterhin auf diesen Gebieten tätig ist, erfordert jedenfalls im Bereich der Daseinsvorsorge ein aussagekräftiges zusätzliches Unterscheidungskriterium, um privates Handeln von staatlichem Handeln hinreichend abgrenzen zu können.
cc) Mit der Ergänzung von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB durch die Worte „unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform“ durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997
(BGBl I S. 2038) hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Wahl der Organisationsform – privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich – für sich gesehen kein solches Abgrenzungskriterium sein kann. Der Bundesgerichtshof hat anstelle eines solchen formalen ein inhaltliches Abgrenzungskriterium entwickelt: Die „sonstige Stelle“ muss bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben derart staatlicher Steuerung unterliegen, dass sie als „verlängerter Arm“ des Staates erscheint ; erforderlich ist dabei eine Gesamtbewertung aller relevanten Umstände des Einzelfalls (BGHSt 43, 370, 377; 45, 16, 19; 46, 310, 312 f.; 49, 214, 219; BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 6; BGH NJW 2004, 693, 694 m. Anm. Krehl StV 2005, 325 und Dölling JR 2005, 30, insoweit in BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 7 nicht abgedruckt).
dd) Soweit ersichtlich noch nicht entschieden hat der Bundesgerichtshof dabei die Frage, ob auch ein solches Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge eine „sonstige Stelle“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB sein kann, an dem ein Privater beteiligt ist.
(1) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind weder die alleinige Inhaberschaft einer Gesellschaft noch die damit verbundenen Aufsichtsbefugnisse für sich genommen geeignet, eine für die Annahme von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB ausreichende staatliche oder kommunale Steuerung zu bejahen (vgl. BGHSt 43, 370, 378; 45, 16, 20; BGH NJW 2001, 3062, 3064, insoweit in BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 6 nicht abgedruckt; BGH NJW 2004, 693, 694). Auch bei solchen Konstellationen ist vielmehr entscheidend, ob zusätzlich zu der alleinigen Inhaberschaft die Umstände des Einzelfalls bei einer Gesamtbewertung aller relevanten Umstände die Gleichstellung mit einer Behörde rechtfertigen können (vgl. BGH aaO). Daraus folgt, dass – anders als die Staatsanwaltschaft meint – auf eine Ähnlichkeit mit dem Begriff des „herrschenden Unternehmens“ i. S. von § 17 AktG allein nicht maßgeblich abzustellen ist.
(2) Ist schon die Alleininhaberschaft der öffentlichen Hand bei Unternehmen auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge kein hinreichendes Kriterium zur Annahme behördenähnlicher staatlicher Steuerung, gilt dies erst recht, wenn Private an einem Unternehmen beteiligt sind, das sich lediglich im Mehrheitsbesitz der öffentlichen Hand befindet. Unabhängig von der Frage, ob jede Beteiligung von Privaten an öffentlich beherrschten Unternehmen schon die Anwendung von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB hindert, liegt die Gleichstellung eines Unternehmens mit einer Behörde jedenfalls dann fern, wenn der Private durch seine Beteiligung über derart weitgehende Einflussmöglichkeiten verfügt, dass er wesentliche unternehmerische Entscheidungen mitbestimmen kann (vgl. auch EuGH NVwZ 2005, 187, 190 zum Vergaberecht). Räumt der Gesellschaftsvertrag dem Privaten aufgrund der Höhe seiner Beteiligung eine Sperrminorität für wesentliche unternehmerische Entscheidungen ein, kann das Unternehmen nicht mehr als „verlängerter Arm“ des Staates und sein Handeln damit nicht mehr als unmittelbar staatliches Handeln verstanden werden.
ee) Nach diesen Kriterien ist die AVG nicht als „sonstige Stelle“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB anzusehen:
Die Gesellschafterin T besaß aufgrund ihrer Beteiligung in Höhe von 25,1 % eine Sperrminorität für wesentliche unternehmerische Entscheidungen der AVG: Der Gesellschaftsvertrag der AVG sah vor, dass wesentliche Angelegenheiten der Gesellschaft nur mit DreiviertelMehrheit beschlossen werden können. Dazu zählten neben der Veräußerung eines Gesellschaftsanteils, der Änderung des Gesellschaftsvertrages und der Abberufung des Geschäftsführers insbesondere die Investitions- und Darlehensaufnahme , der Abschluss und die Kündigung von Unternehmensverträgen , die Bestellung eines Abschlussprüfers und die Feststellung des Wirtschaftsplans. Der Gesellschafterin T wurde zudem das Recht zur Stellung eines Prokuristen für den technischen Bereich eingeräumt und T selbst erhielt den stellvertretenden Vorsitz des – freilich von
den kommunalen Mitgesellschaftern dominierten – siebzehnköpfigen Aufsichtsrats , der die Geschäftsführung der AVG beraten, überwachen und überprüfen sollte.
Schon allein aufgrund dieser vom Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vorgesehenen wesentlichen Einflussmöglichkeiten des privaten Gesellschafters auf Kernbereiche unternehmerischen Handelns wie etwa die Möglichkeit einer Darlehensaufnahme stellte die AVG nicht mehr den „verlängerten Arm“ des Staates dar. Die weiteren, von der Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründungsschrift zutreffend aufgeführten Möglichkeiten der Stadt Köln – insbesondere durch ihre Mehrheitsbeteiligung, den Aufsichtsrat, den Abschluss des langfristigen Entsorgungsvertrages und die im Gesellschaftsvertrag verankerte Bindung der AVG an die von der Stadt Köln beschlossenen Leitlinien des Abfallwirtschaftskonzepts –, Einfluss auf das Unternehmen AVG zu nehmen, hat das Landgericht bei seiner ausführlichen Gesamtbetrachtung hinreichend gesehen und im Ergebnis zutreffend gewürdigt. Diese Gesichtspunkte rechtfertigen es angesichts der dargestellten Sperrminorität der privaten Gesellschafterin auch in der Gesamtschau nicht, die AVG als behördenähnlich zu verstehen und wie eine Behörde zu behandeln.
ff) Ob die AVG bereits keine „sonstige Stelle“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB sein kann, weil sie für einen Bereich (Abfallentsorgung) gegründet wurde, auf dem auch Private – wie etwa der Unternehmer T – als Marktteilnehmer unternehmerisch tätig sind, bedarf hier deshalb keiner weiteren Vertiefung. Angesichts der zunehmenden Schaffung wettbewerblicher Strukturen und der Öffnung auch zentraler Bereiche der Daseinsvorsorge für private Marktteilnehmer wie etwa beim Bahnverkehr (hierzu BGHSt 49, 214), bei der Wärmeversorgung (hierzu BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 7) oder bei der Energie- und Wasserversorgung spricht allerdings einiges dafür, dass privatrechtlich organisierte Gesellschaften der öffentlichen Hand, die auf solchen Märkten tätig werden, – wie andere (rein private) Marktteilnehmer auch – allein erwerbswirtschaftlich tätig sind (vgl.
BGH wistra 2001, 267, 270, insoweit in BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 5 nicht abgedruckt). Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, kann insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge von einer öffentlichen Aufgabe dann nicht (mehr) gesprochen werden, wenn der Hoheitsträger diesen Bereich aus der Hand gibt und ihre Erledigung einem privaten, marktwirtschaftlichen Unternehmen überlässt (Aufgabenprivatisierung im Gegensatz zur Organisationsprivatisierung), selbst wenn das private Unternehmen einer staatlichen Aufsicht unterstellt wird (BGHSt 49, 214, 221). In diesen Fällen fehlt der spezifisch öffentlich-rechtliche Bezug, der eine Gleichstellung mit behördlichem Handeln rechtfertigt. Auch eine Gesellschaft in alleiniger staatlicher Inhaberschaft würde letztlich nur einen weiteren Wettbewerber auf einem Markt darstellen, der vom Staat eröffnet wurde und sich um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildet hat.
2. Das mithin verbleibende Vergehen der Bestechung bzw. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr ist nicht etwa verjährt.

a) Nach § 78a Satz 1 StGB beginnt die Verjährung, sobald die Tat beendet ist. Die Beendigung tritt erst in dem Zeitpunkt ein, in dem das Tatunrecht seinen tatsächlichen Abschluss findet. Die Verjährung setzt nur ein, wenn der Täter sein rechtsverneinendes Tun insgesamt abgeschlossen hat. Vorher besteht kein Anlass, durch den Beginn der Verjährungsfrist einen Verfolgungsverzicht in Aussicht zu stellen (BGHR StGB § 78a Satz 1 Bestechung 1). Die Bestechung im geschäftlichen Verkehr ist in diesem Sinne erst mit der letzten Annahme des von der Unrechtsvereinbarung umfassten Vorteils beendet (BGHR UWG § 12 Abs. 2 Angestelltenbestechlichkeit 1; Tröndle /Fischer, StGB 53. Aufl. § 299 Rdn. 21; Heine in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 299 Rdn. 31; vgl. auch BGHSt 10, 237, 243; 11, 345, 347; BGHR StGB § 334 Verjährung 1; jeweils zu §§ 331 ff. StGB).

b) Das Landgericht hat für die Frage der Beendigung zutreffend auf die letzte Zahlung von Schmiergeld an den Angeklagten E im Früh-
jahr 1999 abgestellt. Demgegenüber meinen die Angeklagten, die Unrechtsvereinbarung sei mit derjenigen Zahlung im Jahr 1996 an den Angeklagten E beendet worden, durch die – zumindest nicht ausschließbar – die Summe der ursprünglich allein für diesen Angeklagten vorgesehenen Zahlungen erreicht worden sei; sämtliche späteren Zahlungen an die Angeklagten E und M beruhten auf einer neuen, nicht von § 12 UWG a.F. oder § 299 StGB erfassten Vereinbarung.

c) Mit dieser Bewertung lösen sich die Revisionen von den Feststellungen des Landgerichts:
aa) Der von den Revisionen in Zweifel gezogene Ausgangspunkt des Landgerichts – sämtliche gemeinschaftlich vereinbarten und schließlich geleisteten Schmiergeldzahlungen seien vom Tatbestand der Bestechung bzw. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr umfasst und daher für die Verjährungsfrage erheblich – trifft zu. Nicht nur die vereinbarten Zahlungen an E selbst, sondern auch diejenigen an T und Wi stellen sich als „Vorteile“ für E im Sinne von § 12 UWG a.F. und § 299 StGB dar.
(1) Zahlungen an Dritte wurden – wie in §§ 331 ff. StGB a.F. – schon vor den Änderungen des Tatbestands der Angestelltenbestechlichkeit durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997 (BGBl I S. 2038) von § 12 UWG a.F. erfasst, wenn sie dem bestochenen Angestellten oder Beauftragten mittelbar zugute kamen (von Gamm, Wettbewerbsrecht 5. Aufl. Kap. 47 Rdn. 12; vgl. auch BGHSt 14, 123, 128; 33, 336, 339; 35, 128, 133; jeweils zu §§ 331 ff. StGB a.F.). Für die Frage, ob bei einer Drittzuwendung ein solcher Vorteil vorliegt, kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an, wobei dem persönlichen Interesse des Bestochenen entscheidende Bedeutung zukommt (vgl. BGHSt 33, 336, 339 f.). Mit Einfügung der Worte „für sich oder einen Dritten“ in § 299 Abs. 1 StGB bzw. „für diesen oder einen Dritten“ in § 299 Abs. 2 StGB (sowie entsprechend in §§ 331 ff.
StGB) wurde nach dem Willen des Gesetzgebers im Wesentlichen lediglich eine Klarstellung erstrebt, aber keine Änderung des bisherigen Rechtszustands (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drucks. 13/5584 S. 15 f.; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 299 Rdn. 25).
(2) Nach diesen Kriterien waren auch sämtliche gemeinsam vereinbarten Zahlungen an T (und auch an Wi ) mittelbar für E von Vorteil: Nur durch die Einbeziehung des an maßgeblichen Stellen in entscheidender Position tätigen T (stellvertretender Vorsitzender des AVG-Aufsichtsrats und Geschäftsführer der Mitgesellschafterin) konnte sichergestellt werden, dass es zu dem von E gewünschten und für den Empfang seines Schmiergeldanteils notwendigen Vertragsschluss zwischen der AVG und der LCS kommt; nur seine Beteiligung ermöglichte zudem die notwendige verdeckte Zahlungsabwicklung über die Schweiz. Die verabredeten Zahlungen an T gereichten E also selbst zum Vorteil, weil sie notwendige Voraussetzung des Geldflusses an ihn selbst waren. Für die Beteiligung Wi s als in der SPD einflussreicher „Strippenzieher“ sowie Mitinitiator und -organisator der Schmiergeldabrede, dessen Einbindung aus Sicht E s Grundvoraussetzung für deren Durchführung war, gilt – zumal ein mittelbarer Vorteil ausreichte – nichts anderes. Im Übrigen käme es auf Wi s Beteiligung für die Frage der Verjährung angesichts der festgestellten höchstmöglichen Zuflüsse von Schmiergeldern bei E nicht einmal an.
Zudem hatte E – mit Ausnahme von 4 Mio. DM, die zu Anfang direkt an T und Wi überreicht wurden – zunächst jeweils persönlich die Verfügungsmöglichkeit über sämtliche aus der Schweiz weitergegebene Schmiergelder erhalten (vgl. hierzu BGHSt 35, 128, 134 f.). Da bei § 12 UWG a.F. und bei § 299 StGB jeweils auf die gesamte vereinbarte Schmiergeldsumme abzustellen ist, konnte die Verjährung erst mit der letzten in diesem Rahmen geflossenen Zahlung beginnen; dies war die Zahlung an E im Frühjahr 1999.
bb) Die ursprüngliche Schmiergeldvereinbarung – Zahlung von insgesamt 3 % der Auftragssumme in drei Zeitabschnitten – ist auch nicht durch eine spätere Zahlungsvereinbarung ersetzt worden. Ursprung des Zahlungsflusses blieb bis zum Frühjahr 1999 die Abrede vom Herbst 1993. Das zwischenzeitliche Ausscheiden von Wi und T aus dem Kreis der Zahlungsempfänger hatte lediglich eine Veränderung der Zahlungsströme zur Folge. Die bloße Änderung der Richtung des Zahlungsflusses ist jedoch nicht derart wesentlich, dass hierin eine gänzlich neue, die Ursprungsvereinbarung ersetzende Vereinbarung gesehen werden muss, weil damit nicht das „Ob“, sondern nur das „Wie“ der Zahlung modifiziert wurde. Ein solches bloßes Umleiten von Geldern führt auch nicht zu einem für den Verjährungsbeginn entscheidenden Abschluss des rechtsverneinenden Handelns.
cc) Zudem ist für den Verjährungsbeginn nicht allein auf die vereinbarten Beträge, sondern gleichermaßen auf den vereinbarten Zahlungszeitraum abzustellen. Nach dem gemeinsam verabredeten Zahlungsplan sollte die Zahlung des Schmiergelds an E , T und den gesondert verfolgten Wi zu gleichen Teilen in drei Zahlungsabschnitten entsprechend dem Baufortschritt erfolgen. Tatsächlich hat der Angeklagte E nach den Feststellungen des Landgerichts den vereinbarten Bestechungslohn im Wesentlichen entsprechend dieser Fälligkeitsabrede erhalten, nämlich einen ersten Teil 1994 nach Abschluss des Vertrages, weitere Beträge nach Beginn der Bauarbeiten sowie den Rest nach deren Ende. Damit wurde die Schmiergeldabrede in dem Zeitrahmen erfüllt, den die Beteiligten vereinbart hatten. Dass der Angeklagte E über seinen ursprünglich vereinbarten Anteil hinaus aufgrund des Ausscheidens von Wi und T als Zahlungsempfänger nicht ausschließbar bereits in den Jahren bis 1996 mehr Geld erhalten hatte, als ihm eigentlich zu diesem Zeitpunkt zufließen sollte, ist demgegenüber unbeachtlich, da jedenfalls die Zahlungen in den Jahren 1998 und 1999 dem ursprünglich vereinbarten Zahlungsplan entsprachen, wonach die letzte Zahlung nach Beendigung der Bauarbeiten erfolgen sollte.
3. Der Freispruch des Angeklagten R und der Teilfreispruch des Angeklagten M vom Vorwurf der Steuerhinterziehung haben Bestand.
In beiden Fällen war einziges Beweismittel für den Vorwurf, den Angeklagten seien in unverjährter Zeit erhebliche Geldbeträge zugeflossen, die sie nicht versteuert hätten, die belastende Aussage des Mitangeklagten E . Dass sich das Landgericht allein auf dieser Grundlage keine für eine Verurteilung hinreichende Überzeugung vom Geldzufluss hat bilden können, ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

a) Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters ist. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.: vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33; BGH NStZ 2000, 48; BGH wistra 2002, 260, 261). Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben , dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11, 24). Weitergehende zum Schutz des Angeklagten aufgestellte besonders strikte Anforderungen an die Begründung der Beweiswürdigung in der Situation „Aussage gegen Aussage“ (BGHSt 44, 153, 158 f.; 44, 256, 257) gelten zwar – wie die Revision des Angeklagten M zutreffend hervorgehoben hat – grundsätzlich unmittelbar nur in Verurteilungsfällen. Gleichwohl kann das Bedürfnis nach vollständiger , nachprüfbarer Beweiswürdigung in Fällen gleich karger und widersprüchlicher Beweisgrundlage in ähnlicher Weise auch dann zum Tragen
kommen, wenn ein Angeklagter freigesprochen wird, weil sich das Gericht von der Richtigkeit der belastenden Aussage eines Zeugen nicht überzeugen kann (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 174, 175).

b) Den genannten Anforderungen genügt die Darstellung der Beweiswürdigung durch das Landgericht, soweit es sich keine hinreichende Überzeugung von der Richtigkeit der belastenden Angaben des Angeklagten E zu den von den Mitangeklagten bestrittenen Schmiergeldweitergaben gebildet hat, gerade noch.
Folgende Umstände waren aus Sicht des Landgerichts maßgebend: E hat die Mitangeklagten erstmals in Zusammenhang mit Gesprächen über einen Strafnachlass belastet; er hatte ein gewichtiges Motiv, den bei ihm verbliebenen Anteil des Schmiergeldes möglichst gering darzustellen , und hatte im Verlauf der Ermittlungen auch anderweitig versucht, sich durch unrichtige Angaben Teile der Tatbeute zu sichern; seine – zudem eher farblosen – Angaben zur zeitlichen Einordnung und zu Begleitumständen im Zusammenhang mit mehreren Geldübergaben waren uneinheitlich.
Den genannten Umständen hat das Landgericht sämtliche für die Glaubhaftigkeit der Angaben E s sprechenden Tatsachen gegenübergestellt , insbesondere dass andere Angaben E s in der Hauptverhandlung ihre Bestätigung gefunden haben, er maßgeblich und frühzeitig zur Aufklärung der Taten beigetragen hat und die Angaben von R und M zu diesem Vorwurf wenig überzeugend waren. Aufgrund einer Gesamtschau der für und gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben E sprechenden s Gesichtspunkte hat sich das Landgericht schließlich außer Stande gesehen, sich eine Überzeugung von der Richtigkeit dieser einzigen Belastungsangaben zu bilden; Anhaltspunkte für weitergehende Ermittlungsansätze waren nicht ersichtlich.
Diese tatrichterliche Wertung ist letztlich hinzunehmen. Der Revision der Staatsanwaltschaft ist allerdings zuzugeben, dass – wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen ausgeführt hat – das Landgericht Umstände wie insbesondere die Aussagegenese und den Inhalt divergierender oder detailarmer Aussagen von E nicht in einer Weise dargestellt hat, wie dies in dem sonst überaus umfangreichen Urteil konsequent und wünschenswert gewesen wäre. Lediglich im Hinblick auf die umgekehrt strengen Anforderungen an eine Verurteilung in der vorliegenden besonderen Konstellation, bei der der einzige Belastungszeuge ein erhebliches Motiv für eine Falschbelastung hat und seine Aussage auch sonst Ungereimtheiten aufweist, lässt der Senat im vorliegenden Fall den Freispruch unbeanstandet.
4. Die Strafzumessung des Landgerichts weist im Ergebnis keine Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten E und M auf.

a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ihm obliegt es, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn der Tatrichter gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängten Strafen nach oben oder unten von ihrer Bestimmung lösen, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGHSt 34, 345, 349; st. Rspr.).

b) Solche Rechtsfehler zeigt die Beschwerdeführerin, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, bei dem Angeklagten E nicht auf. Insbesondere durfte das Landgericht den Umstand zu seinen Gunsten berücksichtigen, dass er von der ihm zustehenden Möglichkeit, die Aussetzung der Hauptverhandlung nach § 265 Abs. 4 StPO wegen erst spä-
ter bekannt gewordenen umfangreichen Aktenmaterials zu verlangen, keinen Gebrauch gemacht und damit eine zügige Erledigung der Hauptverhandlung ermöglicht hat. Anhaltspunkte dafür, dass diesem Umstand vom Landgericht unangebracht großes Gewicht zugemessen worden wäre, bestehen nicht. Die gegen den Angeklagten E verhängten Einzelstrafen sind ebenso wenig unvertretbar milde wie die Gesamtstrafe.

c) Gleichfalls weist die Strafzumessung keinen Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten M auf; dies gilt auch für die Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung.
aa) Hinreichende Anhaltspunkte, dass das Landgericht, etwa nur um zu einer Strafaussetzung zur Bewährung zu gelangen, die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe unangemessen niedrig bemessen hätte, liegen nicht vor, letztlich auch nicht im Blick auf die für sich rechtsfehlerfreie Anwendung des § 41 StGB.
bb) Das Landgericht durfte im Hinblick auf zahlreiche gewichtige Strafmilderungsgründe – insbesondere Unbestraftheit, erstmalige Verbüßung von Untersuchungshaft, lange Dauer der seit der Tat vergangenen Zeit, Handeln auch im Interesse des Unternehmens, Abgabe eines Schuldanerkenntnisses über 1 Mio. DM – besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB annehmen, die die Aussetzung der zweijährigen Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung gestatteten. Die Entscheidung des Landgerichts, dass auch § 56 Abs. 3 StGB einer Strafaussetzung zur Bewährung nicht entgegenstehe, ist ebenfalls rechtlich noch hinzunehmen. Allerdings erfordern die durch Bestechung im geschäftlichen Verkehr und durch damit einhergehende Untreue hervorgerufenen erheblichen wirtschaftlichen Schäden ein nachdrückliches und energisches Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden. Doch dürfen auch bei der Ahndung solcher Taten die besonderen Umstände des Einzelfalles nicht außer Acht gelassen werden. Sie sind insbesondere in der mangelnden Tatinitiative des Angeklagten M und in seiner Kon-
frontation als Unternehmer mit ersichtlich verbreiteten skrupellosen Geschäftspraktiken bei der Konzeption von Großanlagen und dabei – sogar ungeachtet gegebener „Staatsnähe“ – bedenkenlos angebrachten Schmiergeldforderungen des von ihm gewünschten Vertragspartners zu finden. Danach kann die Entscheidung des Landgerichts nach § 56 Abs. 3 StGB noch als vertretbar angesehen werden, wenngleich eine gegenteilige Würdigung des Landgerichts rechtlich möglich gewesen wäre und im Blick auf die spätere Eigenbereicherung des Angeklagten M sogar näher gelegen hätte.
cc) In diesem Zusammenhang sieht der Senat Anlass zu folgender Anmerkung: Nach der Erfahrung des Senats kommt es bei einer Vielzahl von großen Wirtschaftsstrafverfahren dazu, dass eine dem Unrechtsgehalt schwerwiegender Korruptions- und Steuerhinterziehungsdelikte adäquate Bestrafung allein deswegen nicht erfolgen kann, weil für die gebotene Aufklärung derart komplexer Sachverhalte keine ausreichenden justiziellen Ressourcen zur Verfügung stehen. Die seit der Tat vergangene Zeit und auch die Dauer des Ermittlungs- und Strafverfahrens (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) werden in vergleichbaren Verfahren häufig zu derart bestimmenden Strafzumessungsfaktoren , dass die Verhängung mehrjähriger Freiheitsstrafen oder – wie hier – die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 3 StGB namentlich wegen des Zeitfaktors ausscheidet. Dem in § 56 Abs. 3 StGB zum Ausdruck gekommenen Anliegen des Gesetzgebers, das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts vor einer Erschütterung durch unangemessen milde Sanktionen zu bewahren, kann im Bereich des überwiegend tatsächlich und rechtlich schwierigen Wirtschaftsund Steuerstrafrechts nach Eindruck des Senats nur durch eine spürbare Stärkung der Justiz in diesem Bereich Rechnung getragen werden. Nur auf diese Weise – nicht durch bloße Gesetzesverschärfungen – wird es möglich sein, dem drohenden Ungleichgewicht zwischen der Strafpraxis bei der allgemeinen Kriminalität und der Strafpraxis in Steuer- und Wirtschaftsstrafverfahren entgegenzutreten und dem berechtigten besonderen öffentlichen Inte-
resse an einer effektiven Strafverfolgung schwerwiegender Wirtschaftskriminalität gerecht zu werden.
5. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen die Verfallsbeteiligte abgesehen; der Senat geht mit dem Generalbundesanwalt davon aus, dass die Staatsanwaltschaft insoweit ihre Revision auf das Fehlen einer entsprechenden Nebenentscheidung gegenüber der Verfallsbeteiligten beschränkt hat, zumal das Absehen von der Anordnung des Verfalls bei den Angeklagten E und M im Hinblick auf § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB keinen Bedenken begegnet.

a) Zutreffend hat der Generalbundesanwalt allerdings darauf hingewiesen , dass das Landgericht das „Erlangte“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB nicht hinreichend genau bestimmt hat; entgegen der – insoweit vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen – Auffassung der Staatsanwaltschaft ist das Erlangte aber auch nicht der für den Bau der RMVA vereinbarte Werklohn in Höhe von 792 Mio. DM. Durch Bestechung (im geschäftlichen Verkehr) erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB ist bei der korruptiven Manipulation einer Auftragsvergabe nicht der vereinbarte Preis, sondern der gesamte wirtschaftliche Wert des Auftrags im Zeitpunkt des Vertragsschlusses; dieser umfasst den kalkulierten Gewinn und etwaige weitere, gegebenenfalls nach § 73b StGB zu schätzende wirtschaftliche Vorteile.
aa) „Aus der Tat erlangt“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sind alle Vermögenswerte, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (BGH NStZ 2001, 155, 156); „für die Tat erlangt“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sind dagegen Vermögenswerte, die dem Täter als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, aber – wie etwa ein Lohn für die Tatbegehung – nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen
(vgl. BGHR StGB § 73 Erlangtes 4). Für die Bestimmung desjenigen, was der Täter in diesem Sinne aus einer Tat oder für sie erlangt hat, ist das Bruttoprinzip unerheblich. Erst wenn feststeht, worin der erlangte Vorteil des Täters besteht, besagt dieses Prinzip, dass bei der Bemessung der Höhe des Erlangten gewinnmindernde Abzüge unberücksichtigt bleiben müssen (vgl. BGHSt 47, 260, 269). Zudem muss die Abschöpfung spiegelbildlich dem Vermögensvorteil entsprechen, den der Täter gerade aus der Tat gezogen hat; dies setzt eine Unmittelbarkeitsbeziehung zwischen Tat und Vorteil voraus (vgl. BGHSt 45, 235, 247 f.; 47, 260, 269; Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 17; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73 Rdn. 16; jeweils m.w.N.).
bb) Unmittelbar aus einer Bestechung (im geschäftlichen Verkehr) erlangt ein Werkunternehmer im Rahmen korruptiver Manipulation bei der Auftragsvergabe lediglich die Auftragserteilung – also den Vertragsschluss – selbst, nicht hingegen den vereinbarten Werklohn (vgl. Sedemund DB 2003, 323, 325 ff.; a. A. OLG Köln ZIP 2004, 2013; OLG Thüringen wistra 2005, 114). Bei der Auftragserlangung durch Bestechung (im geschäftlichen Verkehr ) führt die „Tat“ als solche unmittelbar nur zu dem Vorteil des schuldrechtlichen Vertragsschlusses; die Vorteile aus der Ausführung des Auftrags wären hingegen nicht mehr unmittelbar aus der „Tat“ erlangt (vgl. Joecks in MünchKomm-StGB § 73 Rdn. 30). Strafrechtlich bemakelt ist lediglich die Art und Weise, wie der Auftrag erlangt ist, nicht dass er ausgeführt wird. In diesem Punkt unterscheidet sich der Fall einer Auftragserlangung durch Bestechung von verbotenen Betäubungsmittelgeschäften oder Embargoverstößen. Nur in solchen Fällen ist es deshalb gerechtfertigt, als das „Erlangte“ i. S. von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB den gesamten vereinbarten Kaufpreis anzusehen (vgl. BGH NStZ 2000, 480; BGHSt 47, 369).
cc) Der wirtschaftliche Wert des Auftrags im Zeitpunkt der Auftragserlangung bemisst sich vorrangig nach dem zu erwartenden Gewinn. Aussagekräftiges Indiz hierfür wird regelmäßig die Gewinnspanne sein, die der Auftragnehmer in die Kalkulation des Werklohns hat einfließen lassen.
tragnehmer in die Kalkulation des Werklohns hat einfließen lassen. Fehlen hierfür Anhaltspunkte, kann u. U. auch ein branchenüblicher Gewinnaufschlag Grundlage einer Schätzung (§ 73b StGB) sein. Mit dem zu erwartenden Gewinn wird in aller Regel der wirtschaftliche Wert des durch Bestechung erlangten Auftrags und damit das „Erlangte“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB hinreichend erfasst.
Im Einzelfall können darüber hinaus konkrete Anhaltspunkte für weitergehende wirtschaftliche Vorteile bestehen, die durch den Vertragsschluss als solchen erlangt wurden (vgl. Sedemund DB 2003, 323, 328; vgl. zum Begriff des wirtschaftlichen Vorteils auch § 17 Abs. 4 Satz 1 OWiG). Hierzu zählen mittelbare Vorteile wie etwa die konkrete Chance auf Abschluss von Wartungsverträgen für eine errichtete Anlage oder von sonstigen Folgegeschäften durch Aufbau einer Geschäftsbeziehung, die Chance zur Erlangung weiterer Aufträge für vergleichbare Anlagen, die Steigerung des wirtschaftlich werthaltigen „Goodwill“ eines Unternehmens durch Errichtung eines Prestigeobjekts für einen renommierten Auftraggeber, die Vermeidung von Verlusten durch Auslastung bestehender Kapazitäten oder die Verbesserung der Marktposition durch Ausschalten von Mitwettbewerbern (vgl. BayObLG wistra 1998, 199, 200; König in Göhler, OWiG 13. Aufl. § 17 Rdn. 41; Lemke /Mosbacher, OWiG 2. Aufl. § 17 Rdn. 38). Solche Vorteile hat auch das Landgericht bei der LCS durch den Vertragsschluss festgestellt (UA S. 78).
Bestehen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für derartige weitere konkrete wirtschaftliche Vorteile, kann deren Wert, wenn der konkrete Sachverhalt eine tragfähige Grundlage dafür bietet (hierzu BGHR StGB § 73b Schätzung 1, 2), nach § 73b StGB geschätzt werden. Gegebenenfalls wird sich hierfür die Hinzuziehung von Sachverständigen anbieten (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 73b Rdn. 5).
Ein tragfähiger Anhaltspunkt im Rahmen der Bestimmung eines solchen über den kalkulierten Gewinn hinausgehenden Werts eines Auftrags
kann u. U. auch der Preis sein, den für die Auftragsvergabe zu zahlen der Auftragnehmer bereit ist. Wird ein Auftrag durch Bestechung (im geschäftlichen Verkehr) erlangt, wird die Bestechungssumme allerdings nur dann ein aussagekräftiges Indiz für eine Art „Marktpreis“ der Auftragsvergabe jenseits des kalkulierten Gewinns sein, wenn der Auftragnehmer selbst die Bestechungssumme aufbringt und nicht – wie hier – in korruptivem Zusammenwirken mit den Verantwortlichen des Auftraggebers der Auftragssumme aufschlägt , so dass sie aus seiner Sicht einen bloßen Durchlaufposten bildet.
dd) Ist der Wert des durch Bestechung erlangten Auftrags im Zeitpunkt der Auftragsvergabe auf diese Weise – ggf. mit sachverständiger Hilfe und mittels Schätzung nach § 73b StGB – ermittelt worden, folgt aus dem Bruttoprinzip , dass etwaige für den Vertragsschluss getätigte Aufwendungen (wie insbesondere eine vom Auftragnehmer gezahlte Bestechungssumme) nicht weiter in Abzug gebracht, sondern allenfalls im Rahmen von § 73c StGB berücksichtigt werden können.

b) Der Anordnung des Verfalls steht – entgegen der Auffassung der Verfallsbeteiligten – nicht bereits grundsätzlich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Verfallsbeteiligten unter dem Gesichtspunkt eines vorrangigen Schutzes der Geschädigten in der Insolvenz entgegen. Die Vorschrift des § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO betrifft lediglich die Frage, wie ein angeordneter Verfall rangmäßig im Insolvenzverfahren zu behandeln ist (vgl. OLG Schleswig wistra 2001, 312, 313). Anders als nach § 240 ZPO kommt auch eine Unterbrechung des Strafverfahrens insoweit nicht in Betracht , weil die Anordnung des Verfalls als strafrechtliche Nebenfolge dem strafrichterlichen Erkenntnis vorbehalten bleiben muss. Ansprüche der Geschädigten werden im Rahmen von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB hinreichend berücksichtigt.

c) Auch wenn das Landgericht den Umfang des Erlangten nicht in der vorbeschriebenen Weise ermittelt, sondern letztlich eher unbestimmt gelas-
sen hat, was es genau als das „Erlangte“ in diesem Sinne ansieht, hat es doch zumindest im Ergebnis zu Recht von einer Anordnung des Verfalls von Wertersatz bei der Verfallsbeteiligten nach § 73c Abs. 1 StGB abgesehen.
aa) Schadensersatzansprüche der AVG stehen nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB einer Verfallsentscheidung zu Lasten der Verfallsbeteiligten zumindest in der Höhe entgegen, in denen diese Ansprüche noch nicht durch Zahlungen der Angeklagten erfüllt worden sind. Ob der Wert des Auftrags im Zeitpunkt des Vertragsschlusses diese noch vorhandenen – gegebenenfalls nach § 254 BGB geminderten – Ansprüche übersteigt, kann letztlich offen bleiben.
bb) Die Voraussetzungen von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB hat das Landgericht zwar – auch in Abgrenzung zu Satz 2 – nicht hinreichend dargelegt (vgl. hierzu BGH wistra 2000, 379, 382; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 73c Rdn. 3 m.w.N.). Ergänzend hat es jedoch unter Hinweis auf § 73c Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 StGB folgende Umstände genannt, die eine Verfallsanordnung jedenfalls unangemessen erscheinen lassen: Ein bleibender Gewinn , der Schadensersatzansprüche der AVG übersteigen würde, ist bei der LCS nicht vorhanden; letztlich ergab sich bei der endgültigen Abrechnung des Projekts im Jahr 2001 aufgrund von Gewährleistungsarbeiten ein Verlust von insgesamt 688.000 Euro (UA S. 159); zudem befindet sich die Verfallsbeteiligte in der Insolvenz.
cc) Ungeachtet der rechtlich nicht unbedenklichen Ausführungen des Landgerichts zu §§ 73 ff. StGB ist es aus Sicht des Senats im Hinblick auf § 73c Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 StGB jedenfalls angemessen (vgl. § 354 Abs. 1a StPO), gegenüber der insolventen Verfallsbeteiligten, die letztlich keinen Gewinn erzielt hat und sich erheblichen Regressansprüchen gegenüber sieht, von einer Anordnung des Verfalls von Wertersatz abzusehen.

III.


Die Revisionen der Angeklagten bleiben ebenfalls erfolglos.
1. Die Verurteilungen des Angeklagten E wegen Untreue nach § 266 StGB und des Angeklagten M wegen Beihilfe zu dieser Tat begegnen keinen Bedenken.

a) Zutreffend weist die Revision des Angeklagten E allerdings zunächst darauf hin, dass die Annahme des Landgerichts, dieser Angeklagte habe mit seinem Verhalten die Missbrauchalternative des § 266 Abs. 1 StGB erfüllt, unzutreffend ist. Voraussetzung dieser Alternative ist, dass der rechtsgeschäftliche Missbrauch der Verpflichtungsbefugnis zu einer wirksamen Verpflichtung des Treugebers führt (vgl. BGH bei Holtz, MDR 1983, 92; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 266 Rdn. 20, 22 m.w.N.; Seier in Achenbach/Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 2004, Abschnitt V 2 Rdn. 47). Dem steht hier bereits § 138 BGB entgegen. Die Sittenwidrigkeit der kollusiven Absprache zwischen den Angeklagten E und M zur Schädigung der AVG durch Vereinbarung eines um den Schmiergeldanteil überhöhten Preises wirkt sich auch auf den Hauptvertrag aus (vgl. BGH NJW 1989, 26, 27; Tröndle/Fischer aaO Rdn. 21; Seier aaO Rdn. 48; vgl. auch BGHZ 141, 357, 362 f.; BGH BB 1990, 733, 734; BGH NJW 2000, 511, 512). Zudem hat E bei dem Abschluss des um den Schmiergeldanteil überhöhten Vertrages im kollusiven Zusammenwirken mit dem Angeklagten M ersichtlich seine Vertretungsmacht zum Nachteil der AVG missbraucht (vgl. hierzu Tröndle/Fischer aaO § 266 Rdn. 22 m.w.N.; BGHZ 50, 112, 114; Bernsmann StV 2005, 576, 577).
Hieraus folgt indes unmittelbar, dass der Angeklagte E durch Abschluss des dergestalt unerkannt nichtigen Vertrages mit einem kollusiv überhöhten Auftragspreis die Treubruchalternative des § 266 Abs. 1 StGB erfüllt und der Angeklagte M zu solcher Tat Beihilfe geleistet
hat. Hierauf kann der Senat von sich aus erkennen (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Missbrauch 2). Es ist auszuschließen, dass sich die Angeklagten gegen den tatsächlich identisch fundierten Vorwurf des Treubruchs anders als geschehen hätten verteidigen können.

b) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte E durch den Abschluss des Vertrages mit der LCS zum Gesamtpreis von 792 Mio. DM seine als Geschäftsführer gegenüber der AVG bestehende Vermögensbetreuungspflicht verletzt und hierdurch der AVG einen Vermögensnachteil in Höhe des vereinbarten Schmiergeldaufschlags zugefügt hat.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt bei der Vereinbarung von Schmiergeldzahlungen in Form eines prozentualen Preisaufschlags regelmäßig ein Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB vor (vgl. BGHSt 47, 295, 298 f.; 49, 317, 332 f.; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 49, insoweit in BGHSt 46, 310 nicht abgedruckt). Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass jedenfalls mindestens der Betrag, den der Vertragspartner für Schmiergelder aufwendet, auch in Form eines Preisnachlasses dem Geschäftsherrn des Empfängers hätte gewährt werden können (vgl. Raum in Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts 2. Aufl. S. 304 m.w.N.). Bei der Auftragserlangung durch Bestechung im geschäftlichen Verkehr bildet deshalb der auf den Preis aufgeschlagene Betrag, der lediglich der Finanzierung des Schmiergelds dient, regelmäßig die Mindestsumme des beim Auftraggeber entstandenen Vermögensnachteils im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB.
bb) Die Vermögensbetreuungspflicht gebietet in diesen Fällen, dass der Treupflichtige die Möglichkeit des vorteilhaften Vertragsschlusses im Interesse des betreuten Vermögens nutzt und den Vertrag zu dem günstigeren Preis abschließt (BGH wistra 1984, 109, 110; 1989, 224, 225). Zumeist liegt auf der Hand, dass das Geschäft auch für einen um den aufgeschlagenen
Schmiergeldanteil verminderten Preis abgeschlossen worden wäre, wenn das Schmiergeld – wie hier – einen bloßen Durchlaufposten darstellt (vgl. BGH wistra 1983, 118, 119; 1986, 67; 2001, 295, 296). Inwieweit andere Anbieter noch teurere Angebote eingereicht haben, bleibt demgegenüber unerheblich (vgl. BGH wistra 2001, 295, 296).
Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt in diesem Fall im aktiven Tun, nämlich im Abschluss des um den Schmiergeldanteil überteuerten Vertrages und in der damit einhergehenden Verlagerung der Schmiergeldzahlungen zugunsten des Geschäftsführers auf die vertretene Gesellschaft durch Vereinbarung entsprechend überhöhter Zahlungsverpflichtungen mit Dritten (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 266 Rdn. 38a m.w.N.). Der Abschluss des überteuerten Vertrages hindert gleichzeitig den Abschluss eines um den Schmiergeldanteil verminderten günstigeren. Zudem steht der eingegangenen Zahlungsverpflichtung in Höhe des vereinbarten Schmiergelds keinerlei Gegenleistung gegenüber. Nach anderer, aber gleichgerichteter Betrachtungsweise ist der Unrechtsschwerpunkt in der bewussten Verhandlung mit einem sachlich nicht gerechtfertigten Verteuerungsfaktor zu finden, der dem Geschäftsführer zu Unrecht einen von der vertretenen Gesellschaft nicht genehmigten, über seine Vergütung hinausgehenden wirtschaftlichen Vorteil verschaffen soll (vgl. auch BGHSt 49, 317, 333 ff.).
cc) Nach den Feststellungen des Landgerichts war in der vereinbarten Auftragssumme von 792 Mio. DM ein Schmiergeldanteil in Höhe von rund 24 Mio. DM enthalten. Dieser Anteil sollte als bloßer Durchlaufposten nicht der LCS, sondern auf Kosten der AVG allein den an der Schmiergeldabrede Beteiligten zukommen. Der vom Landgericht gezogene Schluss, die LCS wäre bereit gewesen, den Vertrag auch zu einem um diesen Schmiergeldanteil verminderten Betrag abzuschließen, ist nicht nur nachvollziehbar, sondern vielmehr naheliegend.
dd) Demgegenüber verfängt der Einwand der Revision nicht, der Angeklagte E habe ein solches Geschäft zum verminderten Preis überhaupt nicht abschließen dürfen, weil dieses durch die vorangegangene Vergabemanipulation nach wie vor wettbewerbswidrig gewesen wäre; vom Treupflichtigen könne nicht der Abschluss verbotener oder wettbewerbswidriger Geschäfte verlangt werden (vgl. Bernsmann StV 2005, 576, 578).
Nachdem sich E für den Zuschlag an die LCS entschlossen hatte, bestand die Alternative lediglich in dem Abschluss des Vertrages zum Preis von 792 Mio. DM oder zu einem um mehr als 24 Mio. DM verminderten Preis. Seine Vermögensbetreuungspflicht gebot E in dieser Situation den Abschluss zum geringeren statt zum höheren Preis. Da es für den Vorwurf der Untreue entscheidend auf den Vertragsschluss zu einem um den Schmiergeldanteil überhöhten Preis ankommt, sind die von der Revision angeführten Alternativszenarien ohne Bedeutung.
ee) Das Landgericht geht auch zutreffend von einem Nachteilsumfang in Höhe von rund 24 Mio. DM aus.
Die Berechnung des im vereinbarten Preis enthaltenen Schmiergeldanteils (3 % Aufschlag bei einem Teil der Lose, zusätzliche Anhebung beim Los Abgasbehandlung um 20 Mio. DM) ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht ist zudem richtigerweise davon ausgegangen, dass Vorteile, die der Angeklagte E durch besonders nachdrückliche und geschickte Verhandlungen bei der Preisgestaltung erreicht hat oder die zur Ermöglichung einer Vergabe des Auftrags an die LCS notwendig waren, nicht gegengerechnet werden können (treffend UA S. 309, 317). Dies gilt insbesondere für die Absenkung des Preises beim Los Bauteil um 9 Mio. DM im Rahmen der Vergabemanipulation. Denn es kommt allein darauf an, ob – was das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat – der Angeklagte M letztendlich bereit war, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses den Vertrag auch ohne den Schmiergeldanteil abzuschließen oder nicht. Es kann deshalb da-
hinstehen, ob der abweichende Ansatz der Verteidigung auch im Blick auf die zur Schmiergeldfinanzierung überhöhte Kalkulation des Gesamtpreises im ersten Angebot der LCS verfehlt ist. Selbst wenn man vom festgestellten Nachteilsumfang einen für Wi ursprünglich vorgesehenen Provisionsanteil in Höhe von 0,5 % der Auftragssumme abziehen würde, wäre dies angesichts des verbleibenden Nachteilumfangs in Höhe von etwa 20 Mio. DM letztlich unerheblich; auch ein solcher Nachteil rechtfertigt ohne weiteres die für die Untreue bzw. die Beihilfe hierzu verhängten Einzelfreiheitsstrafen (vgl. § 354 Abs. 1a StPO).
2. Der Schuldspruch wegen – wie ausgeführt, nicht verjährter – Bestechlichkeit bzw. Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§§ 299, 300 Nr. 1 StGB) ist rechtsfehlerfrei. Auch die Bestimmung der Konkurrenzverhältnisse zur Untreue bzw. Beihilfe dazu hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand.
Zutreffend ist das Landgericht bezüglich der Untreue und der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr bei dem Angeklagten E (a) sowie hinsichtlich der Beihilfe zur Untreue und der Bestechung im geschäftlichen Verkehr durch den Angeklagten M (b) jeweils von zwei Taten im Sinne von § 53 StGB ausgegangen.

a) Regelmäßig besteht zwischen Angestelltenbestechlichkeit und der in Aussicht gestellten „bevorzugenden Handlung“ Tatmehrheit (BGHR UWG § 12 Abs. 2 Angestelltenbestechlichkeit 1; vgl. auch BGHSt 47, 22, 25 f., zu § 332 StGB). Dies gilt auch dann, wenn die Taten auf eine einheitliche Unrechtsvereinbarung zurückgehen (vgl. BGHSt 47, 22, 26; BGH NStZ 1987, 326, 327; BGH wistra 1993, 189, 190). Denn die Vornahme der durch die Unrechtsvereinbarung verabredeten unlauteren Bevorzugung im Wettbewerb gehört nicht zum Tatbestand der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (BGH NStZ 1987, 326, 327; vgl. auch BGHSt 47, 22, 26; jeweils zu § 332 StGB).
Tateinheit ist lediglich in solchen Fällen möglich, in denen die Verwirklichung beider Tatbestände in einer Ausführungshandlung zusammentrifft (BGHSt 47, 22, 26, zu § 332 StGB). Solches hat das Landgericht nicht festgestellt. Verletzt hat der Angeklagte E seine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der AVG erst durch den Abschluss des um den Schmiergeldanteil überhöhten Vertrages; erst dadurch kam es auch zu einer schadensgleichen konkreten Vermögensgefährdung (UA S. 500). Die Unrechtsvereinbarung , mit der die Angestelltenbestechlichkeit vollendet war (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 299 Rdn. 21), gehört angesichts der Notwendigkeit zahlreicher weiterer Zwischenschritte im vorliegenden Fall nicht zum Ausführungsstadium der Untreue.
Soweit die Revision für ihre Ansicht auf die Entscheidung BGHSt 47, 22 verweist, war der dortige Fall im Tatsächlichen anders gelagert; dort ging es um die Schaffung eines eingespielten Preisabsprachesystems unter Einbindung weiterer Mitwettbewerber im Rahmen langfristiger Geschäftsbeziehungen (vgl. BGHSt 47, 22, 28), nicht – wie hier – um den Abschluss eines einzigen Vertrages. Zudem war es nach dem Inhalt der Unrechtsvereinbarung zwar naheliegend, aber nicht einmal zwingend notwendig, dass der Schmiergeldanteil durch eine Untreue zu Lasten der AVG erwirtschaftet wird. Nach den Feststellungen des Landgerichts machte sich der Angeklagte M erst nach der Unrechtsvereinbarung vom Herbst 1993 Gedanken darüber, wie dieser Betrag aufgebracht werden soll (UA S. 97). Erst als er erfuhr, dass LCS über keinen „Topf“ für solche Gelder verfügt, entschloss er sich, das verabredete Schmiergeld durch einen entsprechenden Aufschlag auf den Werklohn zu Lasten der AVG zu erwirtschaften.

b) Rechtlich vertretbar ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass die Bestechung im geschäftlichen Verkehr und die Beihilfe zur Untreue durch den Angeklagten M im vorliegenden Fall materiellrechtlich als zwei Taten im Sinne von § 53 StGB zu bewerten sind. Die Bestechung im geschäftlichen Verkehr war bereits mit dem Abschluss der Un-
rechtsvereinbarung im Herbst 1993 vollendet. Dagegen bestand die Beihilfe zu der vom Angeklagten E begangenen Untreue im Abschluss des um den Schmiergeldanteil überhöhten Vertrages für die von M vertretene LCS. Die Vertragsunterzeichnung durch den Angeklagten E – die eigentliche Untreuehandlung – konnte nur zu einem Vermögensnachteil bei der AVG führen, weil auch der Angeklagte M den Vertrag seinerseits für die LCS unterzeichnete. Gegenüber dieser notwendigen Mitwirkung an der eigentlichen Untreuehandlung konnten für die Beurteilung der Konkurrenzen die im Vorfeld begangenen Vorbereitungsbeiträge als nachrangig bewertet werden. Selbst wenn das Landgericht das Konkurrenzverhältnis bei dem Angeklagten M falsch beurteilt hätte, wäre im Übrigen die verhängte Gesamtstrafe angesichts des gleichbleibenden Schuldumfangs als Einzelfreiheitsstrafe angemessen (vgl. § 354 Abs. 1a StPO).
3. Die Verurteilung des Angeklagten E wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen ist rechtsfehlerfrei.

a) Bei den erhaltenen Bestechungsgeldern handelt es sich um erklärungspflichtige sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG (vgl. BFH DStRE 2000, 1187; BFHE 191, 274; BGHR AO § 393 Abs. 1 Erklärungspflicht 4 m.w.N.). Die Kapitalerträge aus der Anlage der verschwiegenen Schmiergelder stellen erklärungspflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar. Für die Jahre 1995 bis 1998 hat der Angeklagte E solche Einkünfte in Höhe von rund 4 Mio. DM verschwiegen und hierdurch Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag in der Gesamthöhe von rund 2,2 Mio. DM hinterzogen.

b) Die Pflicht zur Abgabe einer wahrheitsgemäßen Steuererklärung war auch nicht unter dem Gesichtspunkt suspendiert, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst anzuklagen oder sonst zur eigenen Überführung bei-
zutragen (nemo tenetur se ipsum accusare; hierzu näher Jäger NStZ 2005, 552, 556 ff. m.w.N.).
aa) Ein Steuerpflichtiger, der Einkünfte aus Bestechungsgeldern anzugeben hat, wird seiner durch § 370 AO strafbewehrten Erklärungspflicht regelmäßig bereits dadurch nachkommen können, dass er diese Einkünfte betragsmäßig offen legt und einer Einkunftsart zuordnet, ohne die genaue Einkunftsquelle zu benennen (vgl. auch BGHR AO § 393 Abs. 1 Erklärungspflicht 4). Denn diese Erklärung reicht regelmäßig zu einer Festsetzung von Einkommensteuer aus, durch die im Ergebnis eine Verkürzung von Steuern – also der von § 370 AO vorausgesetzte Taterfolg – vermieden wird. Derartige Angaben, durch die sich der Steuerpflichtige nicht selbst einer Straftat bezichtigt, sondern lediglich Einkünfte offenbart, sind ihm ohne weiteres zumutbar. Die strafrechtliche Erzwingbarkeit dieser Erklärungspflicht in dem genannten beschränkten Umfang gerät regelmäßig nicht in Konflikt mit dem verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit.
bb) Soweit nach der AO darüber hinaus Erläuterungspflichten (§§ 93 ff. AO) bestehen, die mit den in §§ 328 ff. AO genannten Zwangsmitteln durchsetzbar sind, ist der Steuerpflichtige zunächst durch das Steuergeheimnis (§ 30 AO) sowie das in § 393 Abs. 2 AO normierte begrenzte strafrechtliche Verwertungsverbot geschützt (vgl. BVerfGE 56, 37, 47; BGHR aaO). In dem Umfang, in dem dieser Schutz aufgrund überragender öffentlicher Interessen durch § 393 Abs. 2 Satz 2, § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO durchbrochen wird, gebietet der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit allenfalls, dass sich die erzwingbare Erklärungspflicht auf die betragsmäßige Angabe der Einkünfte als solche beschränkt und der Steuerpflichtige nicht mit Zwangsmitteln zur Abgabe weitergehender Erläuterungen zur – allein hierdurch nicht ermittelbaren – deliktischen Herkunft der Einkünfte angehalten werden kann (vgl. BGHR aaO). Nur soweit die steuerrechtliche Pflicht zur umfassenden Auskunft mit Zwangsmitteln durchsetzbar wäre, könnte ein Konflikt mit dem verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatz bestehen, dass
niemand zur eigenen Überführung beitragen muss (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2005, 352, 353).
cc) Weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht noch die Menschenwürde werden schon allein dadurch tangiert, dass ein Steuerpflichtiger zur Angabe von Einnahmen aus Straftaten verpflichtet ist (vgl. auch BVerfG – Vorprüfungsausschuss – wistra 1988, 302). Denn der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit schützt nicht vor einer Bestrafung strafbaren Verhaltens , sondern lediglich vor einer strafrechtlichen Verurteilung, die auf einem rechtlichen Zwang zur Selbstbelastung beruht (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2005, 352, 353). Die Grundrechte des Steuerpflichtigen sind jedenfalls dann gewahrt, wenn sich die Erzwingbarkeit der Erklärung nur auf die Angabe der Einnahme als solche und nicht auf deren – allein hierdurch nicht ermittelbare – deliktische Herkunft bezieht.
4. Die Strafzumessung lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erkennen. Insbesondere hat das Landgericht entgegen der Auffassung der Revision des Angeklagten E bei diesem den besonders engen Zusammenhang zwischen der Bestechlichkeit und der Steuerhinterziehung bei der Gesamtstrafbildung (vgl. hierzu BGHR AO § 393 Abs. 1 Erklärungspflicht
4) ersichtlich dadurch hinreichend berücksichtigt, dass es die verhängten Einzelfreiheitsstrafen von drei Jahren, einem Jahr und sechs Monaten, zweimal einem Jahr, neun und vier Monaten straff zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten zusammengezogen
hat; ausdrücklicher Erwähnung bedurfte dieser Gesichtspunkt im vorliegenden Fall nicht.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr als Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens

1.
einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, oder
2.
ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung vornehme oder unterlasse und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze.

(2) Ebenso wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr einem Angestellten oder Beauftragten eines Unternehmens

1.
einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, oder
2.
ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung vornehme oder unterlasse und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze.