Bundesgerichtshof Urteil, 02. Nov. 2006 - III ZR 190/05

bei uns veröffentlicht am02.11.2006
vorgehend
Landgericht Bonn, 1 O 361/02, 10.12.2003
Oberlandesgericht Köln, 7 U 8/04, 28.07.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 190/05
Verkündet am:
2. November 2006
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
HLKO Art. 3; Genfer Abkommen 1. Zusatzprot. Art. 91
Im Falle von Verletzungen des Kriegsvölkerrechts stehen auch heute noch
etwaige völkerrechtliche Schadensersatzansprüche gegen den verantwortlichen
fremden Staat nicht einzelnen geschädigten Personen, sondern nur deren
Heimatstaat zu (Ergänzung zu BGHZ 155, 279).

a) Völkerrechtsverstöße bei einem Kampfeinsatz der NATO, an dem deutsche
Streitkräfte nicht unmittelbar, sondern nur durch unterstützende Maßnahmen
beteiligt waren, können der Bundesrepublik Deutschland allenfalls
dann unter dem Gesichtspunkt einer Amtspflichtverletzung zugerechnet
werden, wenn die deutschen Dienststellen über Einzelheiten des konkreten
Einsatzes unterrichtet waren. Ob auf militärische Handlungen von Bundeswehrsoldaten
im Ausland der Amtshaftungstatbestand des § 839 BGB
i.V.m. Art. 34 GG überhaupt anwendbar ist, bleibt offen.

b) Zum Beurteilungsspielraum militärischer Dienststellen bei ihren Entscheidungen
(hier: Mitwirkung bei der Festlegung der Ziele einer NATO-Operation
).
BGH, Urteil vom 2. November 2006 - III ZR 190/05 - OLG Köln
LG Bonn
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Streck, Dr. Kapsa, Galke und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 28. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsrechtszuges haben die Kläger zu 1, 8 und 22 je 3,4 %, zu 2 und 13 je 6,9 %, zu 3 10,3 %, zu 4, 5, 10, 11, 14, 16, 20, 21 und 24 je 1,1 %, zu 23, 25 und 27 je 2,3 %, zu 6, 7 und 18 je 4,1 %, zu 9 5,7 %, zu 12 13,7 %, zu 15 und 19 je 4,6 %, zu 17 5,1 % und zu 26 2,9 % zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Aufgrund eines entsprechenden Beschlusses der Mitgliedstaaten der NATO führte diese ab dem 24. März 1999 mit dem erklärten Ziel, in dem damaligen Jugoslawien eine drohende humanitäre Katastrophe infolge des KosovoKonflikts zu verhindern, Luftoperationen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien durch. An diesen Operationen beteiligten sich mit Zustimmung des Deutschen Bundestages auch deutsche Luftstreitkräfte. Am 30. Mai 1999 griffen Kampfflugzeuge der NATO die am Ortsausgang der serbischen Kleinstadt Varvarin - etwa 180 km südöstlich von Belgrad - über den Fluss Morava führende Brücke mit Raketen an und zerstörten sie. Hierbei wurden zehn Menschen getötet und 30 verletzt, davon 17 schwer; bei sämtlichen Opfern handelt es sich um Zivilpersonen. Kampfflugzeuge der Bundesrepublik Deutschland waren an dem Beschuss der Brücke nicht unmittelbar beteiligt. Ob und inwieweit die deutschen Luftstreitkräfte Unterstützungsleistungen erbracht haben, ist streitig, ebenso, in welcher Form deutsche Dienststellen an der vorausgegangenen Auswahl der Ziele der Luftangriffe beteiligt waren.
2
- insgesamt Die 35, teilweise in Erbengemeinschaften verbundenen - Kläger, Staatsangehörige des früheren Jugoslawiens, nehmen die beklagte Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz - in zweiter Instanz begrenzt auf billige Entschädigungen in Geld für immaterielle Schäden (Schmerzensgeld ) - wegen der Tötung von Angehörigen und eigener erlittener Verletzungen in Anspruch. Sie machen geltend, die Beklagte hafte für die Folgen des von NATO-Streitkräften durchgeführten Angriffs auf die Brücke aufgrund der Verletzung humanitären Völkerrechts und auch nach den Grundsätzen des deutschen Amtshaftungsrechts. Sie lasten der Beklagten in diesem Zusammenhang an, im Rahmen der NATO das ihr mögliche Vetorecht gegen die Auswahl der Brücke von Varvarin als militärisches Ziel nicht ausgeübt und zudem den Angriff selbst durch grundsätzliche Zusage und Übernahme von Aufklärung, Begleitschutz und Luftraumschutz unterstützt zu haben. Die Beklagte ist dagegen der Auffassung , der Angriff auf die Brücke und dessen Folgen seien ihr unter keinem Gesichtspunkt zuzurechnen, weil deutsche Kampfflugzeuge daran weder unmittelbar noch mittelbar beteiligt gewesen seien.
3
Landgericht (NJW 2004, 525 = JZ 2004, 572 m. Anm. Dörr) und Oberlandesgericht (NJW 2005, 2860) haben die auf Zahlung von Geldentschä- digungen zwischen 5.000 € und 102.258,38€ - insgesamt nicht unter 536.484,22 € - gerichtete Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Klageansprüche weiter, wobei die Klägerin zu 11 statt bisher 102.258,38 € Zahlung von 5.000 € verlangt.

Entscheidungsgründe


4
Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Klageansprüche mit Recht verneint.

I.


5
Zutreffend hat das Berufungsgericht (wie schon das Landgericht) angenommen , dass ein - einmal zu unterstellendes - völkerrechtliches Delikt zum Nachteil der Kläger oder ihrer Angehörigen im Zusammenhang mit dem Angriff auf die Brücke von Varvarin nicht zu einem unmittelbaren völkerrechtlichen Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch der Kläger gegen die Beklagte führen würde.
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1. a) Die traditionelle Konzeption des Völkerrechts als eines zwischenstaatlichen Rechts verstand den Einzelnen nicht als Völkerrechtssubjekt, sondern gewährte ihm nur mittelbaren internationalen Schutz. Bei völkerrechtlichen Delikten durch Handlungen gegenüber fremden Staatsbürgern stand ein Anspruch nicht dem Betroffenen selbst, sondern seinem Heimatstaat zu. Der Staat machte im Wege des diplomatischen Schutzes sein eigenes Recht darauf geltend, dass das Völkerrecht in der Person seines Staatsangehörigen beachtet wurde (Senatsurteil BGHZ 155, 279, 291). Das Individuum war durch den Staat "mediatisiert" ; d.h. alle völkerrechtlichen Beziehungen waren ausschließlich Sache der Staaten, die insofern auch die Interessen der Einzelnen vermittelten. Der Einzelne konnte folglich weder Feststellung des Unrechts noch einen Unrechtsausgleich verlangen (Senat aaO).
7
Die Mediatisierung des Einzelnen durch den Staat im Völkerrecht hat allerdings im Zusammenhang mit der Fortentwicklung und Kodifizierung des internationalen Menschenrechtsschutzes nach dem Zweiten Weltkrieg Korrekturen erfahren. Diese Entwicklung gebietet es, das Individuum zumindest als partielles Völkerrechtssubjekt anzuerkennen (BVerfG NJW 2006, 2542, 2543; Hobe /Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 8. Aufl., Kap 3.4.3, S. 160 f; Epping , in: Ipsen, Völkerrecht 5. Aufl. § 7 Rn. 3 f; Delbrück, in: Dahm/Delbrück/ Wolfrum, Völkerrecht Bd. I/2, 2. Aufl., § 109, S. 260 ff; Doehring, Völkerrecht, 2. Aufl., Rn. 245; Hailbronner, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, 3. Aufl. 3. Abschnitt Rn. 218; Stein/v. Buttlar, Völkerrecht, 11. Aufl., Rn. 493; Herdegen, Völkerrecht , 4. Aufl., § 12 Rn. 2). Seitdem hat sich ein immer dichter werdendes Netz menschenrechtlicher Verbürgungen entwickelt, verbunden mit der zunehmend universell akzeptierten Vorstellung einer "Vorstaatlichkeit“ (Hobe/Kimminich aaO) der menschlichen Würde und ihres Schutzes. Die Menschenrechte sind danach als genuine Begünstigungen des Einzelnen aufzufassen. Auch einzelne personenbezogene Normen des Konfliktrechts bestätigen, dass das Völkerrecht auch Einzelpersonen unmittelbar berechtigen und verpflichten kann (vgl. Ipsen, aaO, § 67 Rn. 4). Damit korrespondiert der Umstand, dass der Einzelne auch zunehmend - etwa durch das Völkerstrafrecht - als Individuum in Anspruch genommen werden kann und er die völkerrechtliche Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen hat.
8
Das b) heißt aber nicht, dass jede vertraglich geschützte menschenrechtsbezogene Regelung auch tatsächlich Individualrechte zuweist. Manche Konventionen verstehen sich lediglich als Niederlegung staatlicher Schutzpflichten im Menschenrechtsbereich, ohne gleichzeitig Individualrechte zu gewähren (Hobe/Kimminich, aaO S. 161). Insbesondere gilt nach wie vor die Regel, dass - unabhängig von einem primärrechtlichen Anspruch der betroffenen Personen auf Einhaltung des Völkerrechts - sekundärrechtliche Schadensersatzansprüche wegen völkerrechtswidriger Handlungen eines Staates gegenüber fremden Staatsangehörigen nach wie vor grundsätzlich nur dem Heimatstaat zustehen (vgl. für Art. 3 HLKO BVerfGE 112, 1, 32 f; BVerfG NJW 2004, 3257, 3258; BVerfG NJW 2006, 2542, 2543). Es ist daher für jeden völkerrechtlichen Vertrag , der Individuen begünstigt, durch Auslegung zu ermitteln, ob und in welchem Umfang er individuelle Rechte begründen soll, d.h. ob es sich um eine eigenständige Begünstigung (ein subjektives Recht) - und zwar gegebenenfalls auch auf Schadensersatz - handelt oder ob nur eine faktische Begünstigung, ein Rechtsreflex, vorliegt (Dörr JZ 2004, 574, 575; Herdegen aaO § 22 Rn. 5).
9
2. Nach diesen Grundsätzen können die Kläger Schadensersatzansprüche auf völkerrechtlicher Ebene weder auf Art. 3 des Haager Abkommens betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom 18. Oktober 1907 (HLKO) noch auf Art. 91 des ersten Zusatzprotokolls vom 8. Juni 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (BGBl. 1990 II S. 1551; im Folgenden: ZP I) stützen. Weitere - völkerrechtliche - Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.
10
Art. 3 a) HLKO, dem ursprünglich aufgrund der früher herrschenden Rechtsauffassung von der Mediatisierung des Einzelnen unzweifelhaft nur zwischenstaatlicher Charakter zukam (vgl. Senat BGHZ 155, 279, 291), begründet auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich veränderten völkerrechtlichen Sichtweise in Bezug auf die Rechte des Individuums keinen unmittelbaren individuellen Entschädigungsanspruch bei Verstößen gegen das Kriegsvölkerrecht (BVerfGE 112, 1, 32 f; BVerfG NJW 2006, 2542, 2543). Zwar zeigt die Entstehungsgeschichte der Norm, dass sie zum Schutz des Einzelnen bestimmt und damit mittelbar menschenrechtsschützender Natur ist. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Vorschrift Grundlage eines unmittelbaren, originär völkerrechtlichen Ersatzanspruchs des betroffenen Individuums gegen den Staat ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stehen ungeachtet der Entwicklung auf der Ebene des Menschenrechtsschutzes, die zur Anerkennung einer partiellen Völkerrechtssubjektivität des Individuums sowie zur Etablierung vertraglicher Individualbeschwerdeverfahren geführt hat, sekundärrechtliche Schadensersatzansprüche wegen völkerrechtswidriger Handlungen eines Staates gegenüber fremden Staatsangehörigen grundsätzlich nach wie vor nur dem Heimatstaat zu (BVerfG NJW 2004, 3257, 3258; 2006, 2542, 2543).
11
b) Die Rechtslage kann auch in Bezug auf die Vorschrift des Art. 91 ZP I im Ergebnis nicht anders beurteilt werden. Es mag zwar sein, dass die hier in Betracht kommenden Regelungen des Kriegsvölkerrechts in den Zusatzprotokollen von 1977 zum Schutz der Zivilbevölkerung - insbesondere Art. 51 ZP I - subjektive Rechte der betroffenen einzelnen (Zivil-)Personen im Sinne eines (primären) Anspruchs auf Einhaltung der Verbote des humanitären Völkerrechts begründen (vgl. für Art. 3 HLKO BVerfG NJW 2004, 3257, 3258; a.A. Dörr JZ 2004, 574, 575; ders. JZ 2005, 905, 908). Ein individueller (sekundärer) Wiedergutmachungsanspruch für den Fall der Verletzung dieses Verbots ergibt sich daraus nach dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und der bisherigen Handhabung des Art. 91 ZP I in der völkerrechtlichen Praxis jedenfalls nicht.
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aa) (1) Nach Art. 91 Satz 1 ZP I ist "eine am Konflikt beteiligte Partei, welche die Abkommen oder dieses Protokoll verletzt, … gegebenenfalls zum Schadensersatz verpflichtet". "Sie ist für alle Handlungen verantwortlich, die von den zu ihren Streitkräften gehörenden Personen begangen werden" (Satz 2). Dies stimmt nahezu wörtlich mit Art. 3 HLKO überein. Es entspricht dementsprechend allgemeiner Ansicht, dass Art. 91 ZP I (nur) die bereits zuvor nach Maßgabe des Art. 3 HLKO geltende Rechtslage bestätigt und sie auf die vier Genfer (Rotkreuz-)Abkommen und das Zusatzprotokoll erstreckt, dass also Art. 91 ZP I die gleiche Bedeutung zukommt wie Art. 3 HLKO (Heintschel v. Heinegg, in: Heintschel v. Heinegg u.a., Entschädigung nach bewaffneten Konflikten [2001], 1, 38; Wolfrum, in: Fleck, Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, Tz. 1214). Auch den Berichten über die Konferenz , in der die Zusatzprotokolle erarbeitet wurden, lassen sich keine Anhaltspunkte in die Richtung entnehmen, dass die Vertragsparteien Art. 91 ZP I eine über Art. 3 HLKO hinausgehende Bedeutung beimessen wollten (vgl. Official Records of the Diplomatic Conference on the Reaffirmation and Development of International Humitarian Law applicable in Armed Conflicts, Geneva 1974-1977, Vol. III, S. 347; Vol. IX, S. 355 f, 397; Kalshoven, in: International and Comparative Law Quarterly Vol. 40 [1991], 827, 844 ff). Hätten die Vertragsparteien seinerzeit für den betreffenden Bereich individuelle Ersatzansprüche begründen wollen, so hätte man sich etwa an Art. 5 Abs. 5 der im Zeitpunkt des Verhandlungen über die Zusatzprotokolle in Kraft befindlichen Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) vom 4. November 1950 orientieren können, der einen ausdrücklichen Schadensersatzanspruch der in ihren Menschenrechten verletzten Person vorsieht; nichts deutet darauf hin, dass ähnliches für die Staatenverantwortlichkeit für Verstöße gegen humanitäres Kriegsvölkerrecht in bewaffneten Konflikten beabsichtigt war.

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(2) Dass bei den Genfer Zusatzprotokollen nach den Grundsätzen der Staatenverantwortlichkeit nur zwischenstaatliche und keine unmittelbaren individuellen Wiedergutmachungsansprüche in Rede standen, bestätigt sich der Sache nach unter anderem dadurch, dass auch der Entwurf der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen (International Law Commission [ILC]) zum Recht der Staatenverantwortlichkeit aus dem Jahre 2001 (vgl. Anlage zur Resolution 56/83 der Generalversammlung der Vereinten Nationen v. 12. Dezember 2001; abgedruckt in Sartorius II Nr. 6) in Art. 42 ff nur die Berechtigung des verletzten Staates zur Geltendmachung der Verantwortlichkeit eines anderen Staates und keine individuellen Ansprüche verletzter Individuen vorsieht. Diese Bestimmungen beinhalten zwar nur insoweit bindendes Völkerrecht, als sie Völkergewohnheitsrecht kodifizieren (Schröder, in: Graf Vitzthum, aaO, 7. Abschnitt Rn. 7). Gleichwohl sind sie jedenfalls ein Indiz dafür, dass sich eine gegenteilige Überzeugung noch nicht herausgebildet hat. Völkerrechtliche Deliktsansprüche sind vielmehr weiterhin im Ansatz als Grundlage für (Ersatz-) Leistungen von Staat zu Staat anzusehen (Heintschel v. Heinegg, aaO S. 25). Insbesondere auch wegen der Spezialität des humanitären Kriegsvölkerrechts im Verhältnis zu den allgemeinen Menschenrechten (vgl. Heintze HuV-I 2003, 172, 174 f) kann allein daraus, dass es Regeln gibt, die in bestimmten Fällen den in ihren Menschenrechten verletzten Personen ein individuelles Recht zur Beschwerde gegen den Verletzerstaat gewähren (siehe etwa Art. 34 MRK), keine andere Auslegung des Art. 91 ZP I hergeleitet werden.
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bb) Auch der Kommentar zu den Zusatzprotokollen zu den Genfer Konventionen (de Preux, in: Sandoz/Swinarski/Zimmermann, Commentary on the Additional Protocols [1987] Rn. 3657) gelangt im Blick auf Art. 91 ZP I zu dem Ergebnis, von besonderen Ausnahmefällen abgesehen müssten Personen fremder Nationalität, die durch rechtswidriges Verhalten einer Kriegspartei geschädigt wurden, sich an ihre eigene Regierung wenden, die ihrerseits ihre Beschwerden bei der verantwortlichen Partei anbringen werde. Soweit de Preux (aaO) gleichzeitig auf eine "Tendenz" seit 1945 hinweist, die Ausübung von Rechten durch einzelne Personen anzuerkennen, beinhaltet dies - ebenso wie ähnliche Hinweise oder Forderungen in der völkerrechtlichen Literatur (vgl. Kleffner, in: 15 LJIL [2002], 235, 244 ff, 250; Zegveld, in: 85 IRRC [2003], 497, 505 ff; Dörr JZ 2005, 905, 909) - für den Bereich des humanitären Kriegsvölkerrechts nicht mehr als die Äußerung einer in die Zukunft gerichteten, in der Praxis des Völkerrechts so aber jedenfalls noch nicht umgesetzten, Idealvorstellung. In diesem Bereich findet der allgemeine deliktsrechtliche Grundsatz, dass sich aus der Verletzung einer primären Verhaltenspflicht regelmäßig ein Sekundäranspruch für den Träger des verletzten Rechts ergibt (Dörr aaO S. 909), nur eine begrenzte tatsächliche Anerkennung.
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Mehr als zukunftsgerichtete Bestrebungen können insoweit auch dem Entwurf über die Grundprinzipien und Leitlinien betreffend das Recht der Opfer von Verletzungen internationaler Menschenrechtsnormen oder des humanitären Völkerrechts auf Rechtsschutz und auf Wiedergutmachung (Dokument E/CN.4/2000/62 der Menschenrechtskommission vom 18. Januar 2000, S. 1 ff) nicht entnommen werden (vgl. auch Zegveld aaO S. 498 ff). Im Übrigen sind die Ausführungen in diesem Entwurf, der ohnehin nur rechtlich unverbindliche Studien und Empfehlungen wiedergibt (vgl. Hobe/Kimminich aaO Kap. 13.1.4, S. 398), zu allgemein, um - etwa in Richtung auf eine entsprechende "dynamische" Auslegung von Art. 91 ZP I - konkrete Schlüsse auf die Individualgerichtetheit von Ansprüchen der Art, um die es hier geht, zu ermöglichen.
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c) Die nach allem fehlende Aktivlegitimation der Kläger für einen völkerrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen Verletzung des humanitären Kriegsvölkerrechts lässt sich hier auch nicht (mittelbar) aus Art. 25 Satz 2 Halbs. 2 GG herleiten, wonach die allgemeinen Regeln des Völkerrechts für die Bewohner des Bundesgebiets unmittelbar Rechte und Pflichten erzeugen. Danach mag sich aus einem völkerrechtlichen "Primäranspruch" (siehe oben b) des Einzelnen für Bewohner Deutschlands gegebenenfalls die Grundlage auch für einen Schadensersatzanspruch gegen diese als Verletzerstaat ergeben (vgl. Herdegen, in: Maunz/Dürig GG [Stand: August 2000] Art. 25 Rn. 50). Eine solche Anspruchsgrundlage scheidet hier jedenfalls für die Kläger aus, weil Art. 25 Satz 2 Halbs. 2 GG sich nicht auf Ausländer im Ausland bezieht (vgl. Dörr JZ 2004, 574, 576).
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3. Zu der vorstehenden - vom Senat verneinten - Frage, ob aus Art. 3 HLKO und/oder Art. 91 ZP I beziehungsweise einer anderen Regel des Völkerrechts ein unmittelbar anwendbarer Individualanspruch abzuleiten ist, ist keine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 2 GG erforderlich. Die Pflicht zur Vorlage ist erst dann gegeben, wenn die betreffende Frage "zweifelhaft" ist, also das Gericht auf ernst zu nehmende Zweifel in Rechtsprechung und Literatur stößt (BVerfG NJW 2006, 2542, 2544). Aus der obigen Darstellung ergibt sich, dass nach dem allgemeinen Verständnis des geltenden Völkerrechts der einzelne Betroffene in Fällen wie hier eine Wiedergutmachung, so wünschenswert dies von einzelnen Stimmen in der völkerrechtlichen Literatur gehalten werden mag, nicht verlangen kann. Insbesondere sind keine (internationalen oder nationalen) gerichtlichen Entscheidungen ersichtlich, in denen die Aktivlegitimation von Anspruchsstellern für einen solchen individuellen (völkerrechtlichen ) Schadensersatzanspruch eindeutig bejaht und als Entscheidungsgrundlage genommen wird. Auch sonst gibt es keine Hinweise darauf, dass solche individuellen Schadensersatzansprüche gegen den Verletzerstaat in der völkerrechtlichen Praxis anerkannt worden wären.
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4. Da eine völkerrechtliche Einstandspflicht der Beklagten gegenüber den Klägern für etwaige rechtswidrige Übergriffe im Zusammenhang mit dem Angriff auf die Brücke von Varvarin schon mangels Aktivlegitimation der Kläger nicht gegeben ist, stellt sich auch nicht die - unter Umständen eine Pflicht zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG begründende - Frage , ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine (Mit-)Verantwortlichkeit der Beklagten aus völkerrechtlichem Delikt, unabhängig von unerlaubten Handlungen oder Unterlassungen der eigenen Bediensteten, schon allein aus der Beteiligung der Beklagten an dem NATO-Einsatz im KosovoKonflikt in Betracht kommt (vgl. zu diesem Fragenkreis Epping, in: Ipsen aaO § 31 Rn. 40 ff; Stein/v. Buttlar aaO Rn. 1125 ff, 1129; jeweils m.w.N.).

II.


19
Auch einen Schadensersatzanspruch der Kläger gegen die Beklagte aus nationalem (deutschen) Recht, der nicht schon unter dem Gesichtspunkt einer völkerrechtlichen Exklusivität ausgeschlossen wäre (BVerfGE 94, 315, 330 ff; Senat BGHZ 155, 279, 293 f), hat das Berufungsgericht mit Recht verneint.
20
Als Anspruchsgrundlage für einen solchen Anspruch, kommt nur § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Betracht. Diesbezüglich hat der Senat ausgesprochen , dass nach dem Verständnis des Amtshaftungsrechts bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs militärische Kriegshandlungen im Ausland vom Amtshaftungstatbestand des § 839 BGB i.V.m. Art. 131 WRV ausgenommen waren (BGHZ 155, 279, 295 ff). Ob hieran auch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes festzuhalten ist - was das Berufungsgericht verneint hat -, lässt der erkennende Senat offen. Ein hierauf gestützter Schadensersatzanspruch der Kläger gegen die Beklagte scheitert im Streitfall jedenfalls daran, dass im Zusammenhang mit dem Angriff im Kosovo-Konflikt gegen die Brücke von Varvarin keine Amtspflichtverletzungen deutscher Soldaten oder Dienststellen - im Sinne konkreter (schuldhafter) Verstöße gegen Regeln des humanitären (Kriegs-)Völkerrechts zum Schutz der Zivilbevölkerung - vorliegen.
21
1. Das Berufungsgericht führt aus, der Beklagten haftungsrechtlich zurechenbare völkerrechtswidrige Handlungen ließen sich nicht feststellen. Unstreitig sei es nicht die Beklagte gewesen, die den Angriff auf die Brücke unternommen habe. Dieser könne der Beklagten nicht schon deshalb zugerechnet werden , weil diese sich überhaupt an der NATO-Luftoperation beteiligt habe. Das NATO-Truppenstatut, das eine gesamtschuldnerische Haftung vorsehe, sei hier nicht einschlägig. Nach deutschem Amtshaftungsrecht könne mangels eigener schädigender Handlungen der Soldaten der Bundesrepublik Deutschland eine Zurechnung nur über § 830 BGB, also als Mittäter oder Gehilfe, erfolgen. Eine (objektiv) unterstützende Beteiligung habe möglicherweise in der Gewährung von Luftraumschutz durch deutsche Flugzeuge gelegen, der nach der Behauptung der Kläger auch dem Angriff gegen die Brücke von Varvarin gegolten habe. Eine vorwerfbare Amtspflichtverletzung hätte darin aber nur bei Kenntnis oder zumindest fahrlässiger Unkenntnis von der "Vorwerfbarkeit" der unterstützten Handlung - nämlich, dass der Angriff nach den konkreten Umständen völkerrechtswidrig oder gar kriegsverbrecherisch gewesen sei - gelegen. Dafür sei nichts vorgetragen oder ersichtlich; es sei nicht einmal gesagt, dass der Beklagten bekannt gewesen sei, dass die Brücke von Varvarin überhaupt an diesem Tag angegriffen werden sollte. Eine Haftung der Beklagten folge auch nicht aus ihrer Mitwirkung - nach der Behauptung der Kläger: der Nichtausübung eines Vetorechts - bei der Aufnahme der Brücke von Varvarin in die Zielliste der damaligen Luftwaffenoperationen. Bei Entscheidungen der fraglichen Art kämen der Beklagten weite Beurteilungsspielräume zu, die grundsätzlich nicht justitiabel seien, es sei denn, die Entscheidung wäre willkürlich oder offensichtlich völkerrechtswidrig gewesen. Davon könne keine Rede sein. Bei dem Städtchen Varvarin bzw. der Brücke habe es sich entgegen der Auffassung der Kläger nicht um einen "unverteidigten Ort" im Sinne von Art. 59 ZP I gehandelt, wie sich aus Absatz 2 dieser Vorschrift ergebe. Brücken, wie die von Varvarin, seien - abstrakt gesehen - für den Fall bewaffneter Auseinandersetzungen zunächst immer potentielle militärische Ziele; hinzu komme, dass es sich bei der vorliegenden Brücke zwar nicht um einen Hauptverkehrsweg, aber doch um einen Teil eines Straßensystems zur Erreichung des Kosovo gehandelt habe. Die Brücke sei daher jedenfalls bei Zerstörung anderer - insbesondere der vorrangig nutzbaren - Verkehrswege potentiell geeignet gewesen, darüber zumindest kleinere Truppen- und Materialtransporte mit dem Ziel Kosovo vorzunehmen , weshalb auch unter diesem Gesichtspunkt die vorsorgliche Aufnahme in Ziellisten nicht als willkürlich und völlig unvertretbar anzusehen sei.
22
2. Diese Ausführungen halten - unterstellt, es kommt überhaupt eine Haftung der Beklagten nach deutschem Amtshaftungsrecht in Frage - der rechtlichen Nachprüfung stand.
23
a) aa) Was die - fehlende - unmittelbare Unterstützung des Angriffs auf die Brücke von Varvarin durch die Streitkräfte der Beklagten angeht, rügt die Revisionsbegründung der Kläger zu 1 bis 10 und 12 bis 27 die Ausführungen des Berufungsgerichts erfolglos als widersprüchlich: Es kann durchaus sein - und davon ist revisionsrechtlich mangels gegenteiliger Feststellungen bzw.
unter Beweis gestellten Vortrags der Kläger auszugehen -, dass zwar die Art der Abschirmung des Luftraums durch die Kräfte der Beklagten eine Unterstützung für den eigentlichen Angriff auf die Brücke von Varvarin darstellte, dass aber die deutschen Soldaten oder Dienststellen Einzelheiten des eigentlichen Luftangriffs nicht kannten. Dass sie hierüber nach dem praktizierten Grundsatz "need to know" - danach verfügten alle Streitkräfte der einzelnen Mitgliedstaaten nur über die Informationen, die sie für ihre eigene Beteiligung an der jeweiligen Operation benötigten - keine Informationen hatten, kann ihnen entgegen der Revision nicht angelastet werden.
24
bb) Auch die weitere Beanstandung der Revision, es werde übersehen, dass in Fällen, in denen ein Schaden haftungsrechtlich auf mehreren Ursachen beruhe, die von verschiedenen Personen gesetzt worden seien, für die gesamtschuldnerische Haftung nicht danach unterschieden werde, ob einzelne Ursachen wesentlicher seien als andere, führt zu keiner anderen Beurteilung. Da nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt die Angehörigen der deutschen Streitkräfte am jeweiligen Einsatztag über Einzelheiten der Ziele der Flugzeuge, deren Luftraum sie zu schützen hatten, und insbesondere über die Art des Angriffs auf die Brücke von Varvarin nicht informiert waren, fehlte ihnen der für eine Zurechnung des Angriffs als Mittäter oder Gehilfen (§ 830 BGB) erforderliche Vorsatz. Zu diesem Vorsatz hätte, was beide Revisionsbegründungen nicht genügend berücksichtigen, das Wissen der deutschen Stellen - zumindest billigende Inkaufnahme - gehört, dass ein Angriff auf die Zivilbevölkerung oder jedenfalls ein "unterschiedsloser Angriff" (vgl. Art. 51 Abs. 5 Buchst. b ZP I) erfolgen wird. Dazu ist nichts festgestellt; auch gibt es keinen unter Beweis gestellten Vortrag der Kläger.
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b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Würdigung des Berufungsgerichts , dass auch die - von den Klägern behauptete, von der Beklagten bestrittene - Mitwirkung der Beklagten an der Aufnahme der Brücke von Varvarin in eine Zielliste der Luftoperation der NATO nicht als amtspflichtwidrig qualifiziert werden kann, weil eine solche Entscheidung sich im Rahmen eines weiten, insoweit nicht justiziablen, Beurteilungsspielraums der militärischen Führungsstellen bewegte, insbesondere nicht offensichtlich völkerrechtswidrig und völlig unvertretbar war.
26
aa) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass in einzelnen hoheitlichen Bereichen den zuständigen Stellen bei bestimmten Maßnahmen wegen der besonderen Natur derselben Beurteilungsspielräume zustehen, die im Amtshaftungsprozess nicht uneingeschränkt auf ihre sachliche Richtigkeit zu überprüfen sind. So sind z.B. einzelne Maßnahmen der Staatsanwaltschaft nur daraufhin zu überprüfen, ob sie vertretbar sind (Senatsurteil vom 18. Mai 2000 - III ZR 180/99 - NJW 2000, 2672, 2673 m.w.N.). Mit Recht hat das Berufungsgericht den Repräsentanten der Beklagten, die - nach der Behauptung der Kläger - im NATO-Militärausschuss an der Festlegung strategisch geeigneter Ziele mitwirken konnten, einen noch weitergehenden nicht justiziablen Ermessensbzw. Beurteilungsspielraum zugebilligt, ähnlich wie etwa dem Bundesverteidigungsministerium bei der Prüfung, ob militärische Tiefflüge zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben zwingend notwendig sind (Senat BGHZ 122, 363, 369; vgl. auch - für Einschätzungen und Wertungen der Bundesregierung im außenpolitischen Bereich - BVerfGE 68, 1 - und - in Bezug auf die Beurteilung der völkerrechtlichen Lage Deutschlands durch die zuständigen Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland - BVerfGE 55, 349, 367 f; 77, 137, 166 f). Soweit die Revision meint, ein solcher Beurteilungsspielraum könne nicht in Bezug auf "die strikt einzuhaltenden Regeln des ius in bello" gegeben sein, kann ihr nicht ge- folgt werden. Es geht hier nicht um den abstrakten Inhalt dieser Regeln, sondern um die Einschätzung der örtlichen und militärischen Lage in konkreter Anwendung derselben. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht insoweit die Schwelle des Beurteilungsspielraums erst bei völliger Unvertretbarkeit und offensichtlicher Völkerrechtswidrigkeit als überschritten sieht.
27
bb) Das Berufungsgericht hat in einwandfreier tatrichterlicher Würdigung angenommen, dass diese Schwelle im Zusammenhang mit der - von den Klägern behaupteten - Billigung der Aufnahme der Brücke von Varvarin in die Zielliste der NATO-Operation durch die Beklagte nicht überschritten worden ist. Diese Würdigung lag schon deshalb nahe, weil zu den militärischen Zielen (vgl. Art. 52 Abs. 2 Satz 2 ZP I) traditionell unter anderem die Infrastruktur wie Straßen , Eisenbahnen, Brücken, Fernmeldeeinrichtungen gezählt wird. Das konnte "unter den in dem betreffenden Zeitpunkt gegebenen Umständen" (Art. 52 Abs. 2 Satz 2 a.E.) - bei Aufnahme in die Zielliste - aus der Sicht der Beklagten als Prüfungsmaßstab ausreichen, selbst wenn die Entscheidung zu einem militärischen Angriff letztlich nur unter der Voraussetzung hätte erfolgen dürfen, dass die Zerstörung der Brücke (zu diesem Zeitpunkt) einen eindeutigen militärischen Vorteil mit sich brachte. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht ausgeführt , die Beklagte habe bei ihrer Zustimmung zur Zielauswahl darauf vertrauen dürfen, dass ein etwaiger Angriff unter Beachtung des Völkerrechts erfolgen werde.
28
c) Das sich das von den Klägern angestrebte Ergebnis, der Beklagten unabhängig von deren Kenntnisstand und konkreten Mitwirkung im Einzelfall alle möglicherweise völkerrechtswidrigen Vorgänge während der von ihr mitbeschlossenen und in Gang gesetzten militärischen Operation im Kosovo-Konflikt als eigene Amtspflichtverletzungen anzulasten, lässt sich auch nicht, wie es die Revision versucht, mit Erfolg durch die pauschale Verweisung auf eine "Beweislastumkehr" zu Lasten der Beklagten durchsetzen. Es kann der Beklagten im vorliegenden Amtshaftungsprozess nicht zugemutet werden, über die militärischen Vorgänge betreffend den Angriff auf Varvarin und ihren Beitrag hierzu noch mehr vorzutragen, als dies im Prozess geschehen ist. Der Tatrichter war bei dieser Sachlage - auch unter Berücksichtigung der Informations- und Beweisschwierigkeiten der Kläger als ungewollt vom Kampfgeschehen betroffener Zivilisten, insbesondere, was die Verteilung der Aufgaben zwischen den NATOStaaten bei dem in Rede stehenden Kampfangriff angeht - gehalten, die für die Darlegungs- und Beweislast im deutschen Amtshaftungsprozess allgemein geltenden Grundsätze anzuwenden, nach denen es Sache des Anspruchstellers ist, den Sachverhalt darzulegen, der die Tatbestandselemente der behaupteten Anspruchsgrundlage erfüllen soll. Das geht hier zu Lasten der Kläger.
29
3. Nicht zutreffend ist schließlich der Standpunkt der Revision, da die Luftoperation durch die Mitgliedstaaten der NATO-Gemeinschaft beschlossen und durchgeführt worden sei, müssten sich Schadensersatzansprüche wegen einer Kampfhandlung unter Verletzung von Schutzrechten der Zivilbevölkerung, ohne dass der konkrete Verursacher für die Geschädigten zu ermitteln sei, gegen jeden Mitgliedstaat der NATO richten.
30
a) Es kann offen bleiben, ob und inwieweit solche Überlegungen bei der Prüfung von völkerrechtlichen Ersatzansprüchen (von Staat zu Staat; siehe oben I. 4.) ihren Niederschlag finden müssten. Für die hier allein - wenn überhaupt - in Rede stehenden Schadensersatzansprüche nach nationalem Amtshaftungsrecht (Art. 34 i.V.m. § 839 BGB) kommt eine Haftungsausweitung unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht. Schon aufgrund der personalen Konstruktion der Amtshaftung (vgl. Staudinger/Wurm BGB [13. Bearb. April 2002] § 839 Rn. 21 ff, 24) haftet der Staat grundsätzlich nur in dem gleichen Umfang, wie der Amtsträger selbst es (nach § 839 BGB) müsste, wenn es die Schuldübernahme (durch Art. 34 GG) nicht gäbe. Nur an das schuldhafte Fehlverhalten eines deutschen Amtsträgers kann die Amtshaftung also grundsätzlich anknüpfen. Hoheitliche Handlungen von Streitkräften anderer Staaten sind der Bundesrepublik Deutschland amtshaftungsrechtlich im Allgemeinen nicht zuzurechnen.
31
b) Ohne Erfolg verweist die Revision gegenüber dem vorstehenden Ansatz auf das Senatsurteil BGHZ 122, 363, 366 (vgl. auch Senatsurteil vom 30. Oktober 1975 - III ZR 79/73 - VersR 1976, 276, 277), wonach eine gesamtschuldnerische Haftung der Bundesrepublik Deutschland in Betracht kommt, wenn bei militärischen Tiefflügen der NATO über einem Hausgrundstück in Deutschland die Bewohner gesundheitliche Schäden erleiden, ohne dass bestimmte Verursacher zu ermitteln sind. Diese Haftung ergibt sich (in entsprechender Anwendung des Art. VIII Abs. 5 e ii und iii NTS) aus der besonderen Situation der Stationierung ausländischer Truppen in Deutschland nach Maßgabe des NATO-Truppenstatuts. Nach dem NATO-Truppenstatut sind Ersatzansprüche von Geschädigten nach deutschem Recht abzuwickeln und zwischen den NATO-Vertragsparteien nach einem bestimmten Modus intern zu verteilen; das kann nach der besagten Rechtsprechung des Senats (aaO) unter Umständen auch Auswirkungen im Sinne einer Außenhaftung der Bundesrepublik Deutschland - und zwar schon unter dem Gesichtspunkt einer Gefährdungshaftung - für die betreffenden (Inland-)Schäden haben. Der Anwendungsbereich dieses die Rechte und Pflichten des Aufnahme- und des Entsendestaats anlässlich der Stationierung von Truppen eines NATO-Mitgliedstaats in dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaats regelnden Abkommens erfasst nicht die Teilnahme an einem gemeinsamen militärischen NATO-Unternehmen in einem fremden Staat, wie im vorliegenden Fall.
Schlick Streck Kapsa
Galke Herrmann
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 10.12.2003 - 1 O 361/02 -
OLG Köln, Entscheidung vom 28.07.2005 - 7 U 8/04 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 02. Nov. 2006 - III ZR 190/05

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 02. Nov. 2006 - III ZR 190/05

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung


(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Ansp

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Bundesgerichtshof Urteil, 02. Nov. 2006 - III ZR 190/05 zitiert 8 §§.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 830 Mittäter und Beteiligte


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Bundesgerichtshof Urteil, 02. Nov. 2006 - III ZR 190/05 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Mai 2000 - III ZR 180/99

bei uns veröffentlicht am 18.05.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 180/99 Verkündet am: 18. Mai 2000 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja -------------
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 02. Nov. 2006 - III ZR 190/05.

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Okt. 2016 - III ZR 140/15

bei uns veröffentlicht am 06.10.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 140/15 Verkündet am: 6. Oktober 2016 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja GG Art. 34; BGB

Oberlandesgericht Köln Urteil, 30. Apr. 2015 - 7 U 4/14

bei uns veröffentlicht am 30.04.2015

Tenor Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 11.12.2013 (1 O 460/11) wird zurückgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Kläger k

Landgericht Bonn Urteil, 11. Dez. 2013 - 1 O 460/11

bei uns veröffentlicht am 11.12.2013

Tenor 1.      Die Klage wird abgewiesen.2.      Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.3.      Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. 1T a t b e s t a n d2

Referenzen

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.

(2) Anstifter und Gehilfen stehen Mittätern gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 180/99
Verkündet am:
18. Mai 2000
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
------------------------------------
BGB § 839 Cb, Fi

a) Zur Frage der Amtspflichtwidrigkeit (Unvertretbarkeit) einer Anklage der
Staatsanwaltschaft wegen Brandstiftung.

b) Vom Schutzzweck der Amtspflicht der Staatsanwaltschaft, keine unzulässige
Anklage zu erheben, ist, wenn es um den Vorwurf der Brandstiftung
geht, auch die Vermeidung von Vermögensschäden des Angeschuldigten
umfaßt, die dadurch entstehen, daß der Feuerversicherer ihm die Brandschadenentschädigung
infolge der Anklageerhebung nicht auszahlt.

c) Hat eine amtspflichtwidrige Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft gegen
die Geschäftsführer und einzigen Gesellschafter einer GmbH wegen
Brandstiftung zur Folge, daß der Feuerversicherer die Zahlung der Entschädigung
für den Brandschaden der versicherten GmbH (weiter) zurückhält
, so ist bezüglich der dadurch eingetretenen Vermögenseinbußen die
GmbH geschützter "Dritter" der Amtspflicht der Staatsanwaltschaft, keine
unzulässige Anklage zu erheben.
BGH, Urteil vom 18. Mai 2000 - III ZR 180/99 -OLG Oldenburg
LG Aurich
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Streck, Schlick, Dr. Kapsa und Galke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 14. Mai 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 328.291,66 DM abgewiesen worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Kläger sind die einzigen Gesellschafter und Geschäftsführer der F. & M. GmbH, die auf dem Grundstück A. E. in E. Fischwaren produzierte.
Am Abend des 10. September 1995 brach ein Feuer aus, durch das die Betriebsgebäude der Gesellschaft weitgehend zerstört wurden. Die Staatsanwaltschaft A. ermittelte gegen die Kläger wegen des Verdachts der gemeinschaftlichen vorsätzlichen Brandstiftung und des Versicherungsbetruges. Unter dem 5. Juni 1996 erhob sie Anklage wegen dieses Vorwurfs. Die Strafkammer lehnte jedoch die Eröffnung des Hauptverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts gegen die Kläger ab.
Die Kläger haben das beklagte Land auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung in Anspruch genommen. Sie haben geltend gemacht, die Staatsanwaltschaft habe sowohl bei der Einleitung und späteren monatelangen Aufrechterhaltung der Ermittlungen als auch bei der Anklageerhebung pflichtwidrig gehandelt. Den eingeklagten, aus eigenem wie aus abgetretenem Recht der F. & M. GmbH hergeleiteten Gesamtschaden von 884.174,57 DM haben sie - abgesehen von im Ermittlungsverfahren aufgewendeten Anwalts- und Sachverständigenkosten von insgesamt 40.366,45 DM - mit dem Hinweis darauf , daß vor dem Abschluß des strafrechtlichen Verfahrens keine Auszahlungen seitens der Versicherungen erfolgt seien, als "Betriebsunterbrechungsschaden" errechnet.
Das Landgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, wobei es jedoch in den Entscheidungsgründen seines Urteils zum Ausdruck gebracht hat, daß nur in der Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Anklageerhebung, nicht auch in der Einleitung und Fortführung des Ermittlungsverfahrens, eine Amtspflichtverletzung gelegen habe. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des beklagten Landes - unter Zurückweisung der Berufung der Kläger - die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Kläger, die ihren Anspruch insgesamt weiterverfolgen, hat der Senat mit Beschluß vom 22. Dezember 1999 angenommen, soweit die Klage in Höhe von 328.291,66 DM abgewiesen worden ist; im übrigen hat er sie nicht angenommen.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt in dem Umfang, in dem sie vom Senat angenommen worden ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Soweit es um die Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen die Kläger und die Art und den Umfang desselben bis zu der abschließenden Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 5. Juni 1996 geht, sind die dar-
aus hergeleiteten Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung durch das Urteil des Berufungsgerichts, das in diesem Umfang durch den Beschluß des Senats über die Nichtannahme der Revision Rechtskraft erlangt hat, abgewiesen. Hierbei handelt es sich im Anschluß an die Berechnung der Klageforderung durch die Kläger um einen Teilbetrag von (884.174,57 DM ./. 328.291,66 DM =) 555.882,91 DM. Das Revisionsverfahren betrifft nach der Teilannahme der Revision einen restlichen Schadensersatzanspruch von 328.291,66 DM (787.900 DM : 12 x 5 "Betriebsunterbrechungsschaden", der durch die Erhebung der Anklage vom 5. Juni 1996 statt einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen die Kläger verursacht worden sein soll).

II.


1. Das Berufungsgericht meint, die Erhebung der Anklage sei - zumindest gegen den Kläger zu 2 - in keiner Weise zu beanstanden. Zum einen seien ausreichende Anhaltspunkte für eine (vorsätzliche) Brandstiftung vorhanden gewesen. Zum anderen habe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür gesprochen , daß die Hauptverhandlung eine Tatbegehung durch den Kläger zu 2 ergeben werde. Dieser sei durch verschiedene und in ihrer Häufung bemerkenswerte Indizien belastet worden, die in der Anklageschrift aufgelistet und bewertet worden seien. Der Kläger zu 2 sei kurz vor Ausbruch des Brandes zweimal am Tatort gewesen. Sein Alibi für den Zeitpunkt der Brandentstehung hätte ihn nicht maßgeblich entlasten können, da es ohne weiteres zu bewerkstelligen gewesen wäre, einen Brand mit zeitlicher Verzögerung zu legen. Außerdem habe nach dem Verhalten, das der Kläger zu 2 kurz vor dem Ausbruch
des Feuers gegenüber dem Zeugen B. an den Tag gelegt hatte, einiges dafür gesprochen, daß er ein Interesse daran gehabt habe, den Zeugen von dem Betriebsgebäude fernzuhalten, bzw. daß er ihn zumindest dort nicht ohne Aufsicht habe agieren lassen wollen. Ein Motiv für die Tat habe sich daraus ergeben , daß die GmbH in nicht unerheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten gesteckt habe oder diese ihr doch zumindest bevorgestanden hätten. Zwei wichtige Kunden seien verloren gegangen. Außerdem habe eine hohe zivilrechtliche Forderung gedroht. Ferner habe eine Prüfung der hygienischen Verhältnisse des Betriebs angestanden, die man bislang hinausgeschoben gehabt habe. Letztlich sei noch hinzugekommen, daß die Pläne für eine Betriebsverlagerung kurz zuvor gescheitert gewesen seien. Vor dem Hintergrund dieses Ermittlungsergebnisses sei die Annahme, daß die in der Hauptverhandlung zu erhebenden Beweise mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu einer Verurteilung führen würden, ohne weiteres vertretbar gewesen.
Hieraus - so das Berufungsgericht weiter - ergebe sich auch die Unbegründetheit der Klage des Klägers zu 1 bezogen auf die Anklageerhebung. Der Versicherer hätte nämlich die Zahlung der Versicherungssumme auch dann zurückgehalten, wenn der Staatsanwalt die Anklage nur gegen den Kläger zu 2 erhoben hätte.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß nach der Rechtsprechung des Senats bestimmte Maßnahmen der Staatsanwaltschaft, zu denen auch die Entschließung zur Erhebung der öffentlichen Klage nach § 170 Abs. 1 StPO gehört, im Amtshaftungsprozeß nicht auf ihre "Richtigkeit", son-
dern nur daraufhin zu überprüfen sind, ob sie - bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege - vertretbar sind (Senatsurteile vom 21. April 1988 - III ZR 255/86 - NJW 1989, 96, vom 24. Februar 1994 - III ZR 76/92 - NJW 1994, 3162 und vom 16. Oktober 1997 - III ZR 23/96 - NJW 1998, 751).
Die Würdigung des Sachverhalts unter diesem Gesichtspunkt ist Sache des Tatrichters, die vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob der Tatrichter den Begriff der Vertretbarkeit verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (Senatsurteil vom 16. Oktober 1997, aaO). Dazu gehört allerdings auch, daß der Tatrichter die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen die in Rede stehende Maßnahme der Staatsanwaltschaft (hier: nach § 170 Abs. 1 StPO) stand, zutreffend erfaßt hat und seine Würdigung vor diesem Hintergrund hinreichend konkret, aus sich heraus "geschlossen" und nachvollziehbar ist.
Daran fehlt es hier.

b) Die Staatsanwaltschaft durfte nur Anklage gegen die beiden Kläger erheben, wenn die Ermittlungen hierzu genügenden Anlaß boten, d.h. hinreichenden Tatverdacht im Sinne einer gemeinschaftlichen vorsätzlichen Brandstiftung in Tateinheit mit Versicherungsbetrug ergeben hatten (§§ 170 Abs. 1, 203 StPO; vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 1970 - III ZR 95/68 - NJW 1970, 1543; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 170 Rn. 1; ders. aaO § 203 Rn. 2). Hinreichender Verdacht bedeutet die Feststellung von Tatsachen, die nach praktischer Erfahrung zu einer Verurteilung in einer Hauptverhandlung
mit vollgültigen Beweisen führen werden. Die Staatsanwaltschaft hat nicht die Frage der Täterschaft und Schuld restlos bis in alle Einzelheiten zu klären, sondern nur einen hinreichenden Tat- und Schuldverdacht zu ermitteln, der eine Verurteilung wahrscheinlich macht. Dabei müssen zwar gewisse Belastungsmomente erwiesen sein, jedoch darf die Aufklärung von Widersprüchen zwischen den Angaben des Beschuldigten und den vorhandenen Beweisergebnissen der Hauptverhandlung überlassen bleiben (Senatsurteil vom 18. Juni 1970 aaO). Der unbestimmte Rechtsbegriff "hinreichender Tatverdacht" läßt einen nicht unerheblichen Beurteilungsspielraum, zumal es sich (auch) um eine Prognose handelt. Entscheidend ist letztlich die - vertretbare - eigene Prognose des Staatsanwalts, daß er selbst nach Sach- und Rechtslage wahrscheinlich am Ende einer Hauptverhandlung zum Antrag auf Verurteilung gelangen werde (Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 170 Rn. 1).
Das Berufungsgericht hat dies alles im Ansatz nicht verkannt. Seine Subsumtion ist jedoch weder aus sich heraus noch in Verbindung mit seinen Bezugnahmen auf Einzelheiten der Anklageschrift vollständig und schlüssig, soweit es zu dem Ergebnis gelangt, es sei nach dem zum Zeitpunkt der Anklageerhebung vorliegenden Verfahrensstoff hinreichend wahrscheinlich gewesen , daß die Hauptverhandlung eine Tatbegehung durch den Kläger zu 2 erweisen werde. Von einem hinreichenden Tatverdacht gegen den Kläger zu 1 geht das Berufungsgericht nach dem Zusammenhang seiner Ausführungen offenbar selbst nicht aus.
aa) Dabei mag im Revisionsverfahren mit dem Berufungsgericht davon ausgegangen werden - ohne daß dies vertieft zu werden braucht -, daß die Staatsanwaltschaft aus den ihr vorliegenden sachverständigen Stellungnah-
men über die Entstehung des Brandes derjenigen des Sachverständigen B. folgen, mithin eine vorsätzliche Brandstiftung als naheliegend annehmen und die abschließende Klärung der Brandursache der Hauptverhandlung vor der Strafkammer überlassen durfte.
bb) Dem Berufungsgericht kann auch darin gefolgt werden, daß sich aus den nicht unerheblichen Schwierigkeiten, in der sich seinerzeit die F. & M. GmbH befand, ein denkbares Motiv für eine etwaige Täterschaft der Kläger ergeben konnte, ohne daß die insoweit in der Anklageschrift bzw. im Urteil des Berufungsgerichts angesprochenen wirtschaftlichen Gesichtspunkte allerdings für sich den Schluß aufdrängten, daß es sich um eine Brandstiftung im Interesse der F. & M. GmbH bzw. der Kläger als Gesellschafter dieser Firma gehandelt haben muß.
cc) Jedenfalls reichen die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht, um die "Vertretbarkeit" der Anklage gegen die Kläger zu begründen.
(1) Wenn das Berufungsurteil Ausführungen zum Tatverdacht gegen den Kläger zu 1 vermissen läßt, so liegt dies ersichtlich daran, daß es keine konkreten Anhaltspunkte für eine persönliche Tatbegehung oder eine Veranlassung der Tat durch den Kläger zu 1 gibt und die bloße Möglichkeit - selbst im Sinne einer aus der Motivlage hergeleiteten Plausibilität -, daß (auch) der Kläger zu 1 hinter der Brandstiftung "stecken" konnte, von vornherein nicht für eine Verurteilung ausreichen konnte. Damit erweist sich aber - was das Berufungsgericht bei seiner Würdigung unberücksichtigt läßt - die Anklage des Staatsanwalts als auf den ersten Blick ohne tatsächliche Grundlage, soweit sie beiden Klägern gemeinschaftliche Brandstiftung anlastet, ohne näher darauf
einzugehen, wie nach der Vorstellung des Staatsanwalts die persönliche Tatausführung durch die Angeschuldigten stattgefunden haben soll, und ohne die Möglichkeit der Täterschaft dritter Personen nachvollziehbar auszuschließen.
(2) Soweit das Berufungsgericht, was den Kläger zu 2 angeht, die Vertretbarkeit der Annahme hinreichenden Tatverdachts aus "in ihrer Häufung bemerkenswerten Indizien" herleitet, die in der Anklageschrift aufgelistet und bewertet worden seien, erörtert es nur folgendes:
Der Kläger zu 2 sei kurz vor Ausbruch des Brandes zweimal am Tatort gewesen. Irgendeine nähere zeitliche Einordnung wird insoweit nicht vorgenommen. Es kann sich nach den in der Anklageschrift angeführten Tatsachen nur darum handeln, daß der Kläger zu 2 zu einem nicht näher festgehaltenen Zeitpunkt eine Salzheringsmaschine repariert hatte und sich dann zwischen etwa 20 Uhr und etwa 20.45 Uhr zusammen mit dem Werkmeister, der die Maschinen überprüfte, noch einmal in die Firma begab. Welche konkreten Handlungen dem Kläger zu 2 angelastet werden könnten, bleibt offen.
Das Alibi des Klägers zu 2 (durch Familienangehörige) für den Zeitpunkt der Brandentstehung habe ihn nicht maßgeblich entlasten können, da es ohne weiteres zu bewerkstelligen gewesen sei, einen Brand mit zeitlicher Verzögerung zu legen. Auch insoweit werden nur Vermutungen geäußert bzw. Möglichkeiten angesprochen, ohne Hinweis auf konkrete Anhaltspunkte für eine bestimmte Vorgehensweise des Klägers zu 2.
Außerdem habe nach dem Verhalten, das der Kläger zu 2 kurz vor dem Ausbruch des Feuers gegenüber dem Zeugen B. an den Tag gelegt habe, einiges dafür gesprochen, daß er ein Interesse daran gehabt habe, den Zeugen von dem Betriebsgebäude fernzuhalten, bzw. daß er ihn zumindest dort nicht ohne Aufsicht habe agieren lassen wollen. Dies betrifft die Aussage des Zeugen B., der Kläger zu 2 sei darüber, daß er, der Zeuge B., unbedingt selbst einen Probelauf mit der reparierten Salzheringsmaschine machen wollte, offensichtlich sehr verärgert gewesen. Konkrete Bezüge zu einer Brandlegung durch den Kläger zu 2 ergeben sich daraus nicht. Wie die Revision mit Recht rügt, ist den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils auch nicht zu entnehmen, ob und inwieweit der Kläger zu 2 den Zeugen B. während des Aufenthalts in der Firma beaufsichtigt haben soll.
(3) Insgesamt ermangelt es der Anklageschrift an greifbaren positiven Hinweisen auf eine Täterschaft des Klägers zu 2, und solche sind - im vorliegenden Amtshaftungsprozeß - auch nicht dem Urteil des Berufungsgerichts zu entnehmen. Das läßt nach dem im Revisionsverfahren vorliegenden Prozeßstoff nur den Schluß zu, daß die Staatsanwaltschaft bei der Erhebung der Anklage gegen die Kläger zu 1 und 2 nicht mit deren Verurteilung, sondern - falls das Hauptverfahren überhaupt eröffnet werden sollte - mit einem Freispruch rechnen mußte, falls sich in der Hauptverhandlung nicht noch unvorhergesehene Beweise ergeben würden. Die Erhebung der Anklage auf einer so ungesicherten tatsächlichen Grundlage widerspricht der Strafprozeßordnung und war daher amtspflichtwidrig.
Nach dem objektivierten Sorgfaltsmaßstab, der im Rahmen des § 839 BGB gilt (vgl. etwa Senatsurteil vom 18. Juni 1998 - III ZR 100/97 - NVwZ
1998, 1329), ist insoweit auch von einem Verschulden der Staatsanwaltschaft auszugehen. Es kommt hier im Hinblick darauf, daß das Berufungsgericht die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft als nicht amtspflichtwidrig beurteilt hat, auch nicht der Grundsatz zur Anwendung, daß einen Beamten in der Regel kein Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (sog. Kollegialitätsrichtlinie; vgl. Senatsurteile BGHZ 97, 97, 107 und vom 16. Oktober 1997 - III ZR 23/96 - NJW 1998, 751). Denn das Berufungsgericht hat die Anklageerhebung lediglich nach einem gegenüber der eigenen Prüfungspflicht der Staatsanwaltschaft reduzierten Prüfungsmaßstab gebilligt (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 1997 aaO).

III.


Das klageabweisende Urteil läßt sich danach in dem Umfang, in dem es der revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt, mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung, es liege keine Amtspflichtverletzung der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der Anklageerhebung gegen die Kläger vor, nicht halten. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).
1. a) Das Berufungsgericht äußert Zweifel - enthält sich jedoch insoweit, aus seiner Sicht folgerichtig, einer Entscheidung -, ob der geltend gemachte Schaden, der dadurch entstanden sein soll, daß das strafrechtliche Ermittlungsverfahren (hier: die Erhebung der Anklage anstelle einer Einstellung des
Verfahrens) gegen die Kläger die Auszahlung der Versicherungssumme verzögert habe, in den Schutzbereich der in Rede stehenden Amtspflichten der Staatsanwaltschaft fällt. Hierzu erwägt das Berufungsgericht: Die Wahrung oder gar Förderung zivilrechtlicher Interessen, wie des Interesses an der Auszahlung der Versicherungssumme, sei nicht Sinn und Zweck eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Müßte der Staatsanwalt bei seiner Amtsführung zumindest mittelbar auch solche Vermögensinteressen im Auge haben, würde hierdurch ein kaum beherrschbares und mit den Interessen einer geordneten Strafrechtspflege schlechterdings nicht zu vereinbarendes Haftungsrisiko entstehen. Denn es seien vielfältige Konstellationen denkbar, unter denen die Erledigung eines zivilrechtlichen Anspruchs von dem vorherigen Abschluß eines Ermittlungsverfahrens abhängig sei oder von den Beteiligten abhängig gemacht werde. Zudem sei es für die Ermittlungsbehörden noch nicht einmal stets abschätzbar, welche zivilrechtlichen Interessen hinter einem Ermittlungsverfahren stünden. Von derartigen Unwägbarkeiten und Risiken dürfe die Tätigkeit des Staatsanwalts nicht beeinflußt werden. Setze man sie einem solchen Haftungsrisiko aus, trete zwangsläufig eine Beschränkung der Amtsführung ein, die mit einer geordneten Strafrechtspflege kaum vereinbar sein dürfte. Dies gelte auch dann, wenn man berücksichtige, daß die Amtsführung des Staatsanwalts im Amtshaftungsprozeß nur unter ganz eingeschränkten Voraussetzungen überprüft werden könne.

b) Diese Bedenken teilt der Senat, was den hier von den Klägern aus der amtspflichtwidrigen Anklageerhebung gegen sie hergeleiteten Vermögensschaden angeht, nicht.
Daß die Kläger in bezug auf die Amtspflicht der Staatsanwaltschaft, keine nach den gesetzlichen Vorschriften unzulässige Anklage gegen sie zu erheben (vielmehr - nach den Gegebenheiten des vorliegenden Falls - das Verfahren nach dem Abschluß der Ermittlungen einzustellen), als Betroffene des Ermittlungsverfahrens "Dritte" im Sinne des § 839 BGB sind (zu diesem Begriff vgl. etwa BGHZ 134, 268, 276), steht außer Frage. Das Berufungsgericht hat allerdings im Ansatz mit Recht hervorgehoben, daß eine Person, der gegenüber eine Amtspflicht zu erfüllen ist, nicht in allen ihren Belangen immer als Dritter anzusehen sein muß. Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll. Es kommt danach auf den Schutzzweck der Amtspflicht an (BGHZ 110, 1, 9; 117, 83, 90; 134, 268, 276). Aber auch unter diesem Gesichtspunkt läßt sich nicht bezweifeln, daß die Vermeidung von Vermögensschäden, die durch eine unzulässige (unvertretbare) Anklageerhebung bei dem (rechtswidrig) Angeschuldigten eintreten, vom Schutzweck der Amtspflicht, keine gesetzlich unzulässige Anklage zu erheben, umfaßt wird. Es geht in diesem Zusammenhang nicht, wie nach dem gedanklichen Ansatz des Berufungsgerichts, um die "Wahrung oder gar Förderung" zivilrechtlicher Interessen, sondern um die Vermeidung von Vermögensschäden , wie sie erfahrungsgemäß häufig mit strafrechtlichen Ermittlungsverfahren - insbesondere im Falle der Anklageerhebung - einhergehen. Geht es - wie hier - um den Vorwurf der vorsätzlichen Brandstiftung bzw. des Versicherungsbetruges , so gehört es zu den typischen Nebenfolgen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, daß der Versicherer die Auszahlung der Feuerversicherungssumme ganz oder zu einem erheblichen Teil bis zur Einstellung des Verfahrens zurückstellt (vgl. § 17 Abs. 2 b AFB), wodurch nicht selten die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen bedroht sein kann. Der Senat hat bereits
in seinem Urteil vom 21. April 1988 (aaO) ausgeführt, daß die Staatsanwaltschaft dies im Rahmen ihrer im Ermittlungsverfahren zu treffenden Entscheidungen bedenken muß.
Soweit das Berufungsgericht hierdurch die Staatsanwaltschaft einem für eine geordnete Rechtspflege unerträglichen Risiko ausgesetzt sieht, wird diesem Gesichtspunkt hinreichend dadurch Rechnung getragen, daß die Entschließungen der Staatsanwaltschaft, wie ausgeführt, im Amtshaftungsprozeß ohnehin nur auf ihre "Vertretbarkeit" überprüft werden können.
2. Wenn das Berufungsgericht schließlich die Frage aufwirft, ob und in welcher Weise eine verzögerte Auszahlung der Versicherungssumme an die F. & M. GmbH überhaupt zu einer Vermögenseinbuße bei den Klägern geführt hat, so steht auch dieser Gesichtspunkt nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt einem Schadensersatzanspruch der Kläger aus Amtspflichtverletzung der Staatsanwaltschaft nicht entgegen. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß dann, wenn der Alleingesellschafter einer GmbH von einem Dritten schuldhaft verletzt wird und der Schaden an seinem "Sondervermögen", seiner Gesellschaft, eintritt, es nach Lage des Falles im Verhältnis zum Kläger so angesehen werden kann, daß ihn persönlich ein Schaden getroffen hat (BGHZ 61, 380; BGH, Urteile vom 8. Februar 1977 - VI ZR 249/74 - VersR 1977, 374, vom 6. Oktober 1988 - III ZR 143/87 - WM 1988, 1851 und vom 23. März 1995 - III ZR 80/93 - BGHR BGB § 249 Schaden 8; vgl. auch BGHZ 106, 313, 315). Es kann offenbleiben, ob die Grundgedanken dieser Rechtsprechung (s. insbesondere die vertiefenden Ausführungen in dem Urteil vom 8. Februar 1977 aaO) auf den hier vorliegenden Fall einer Zwei-Personen-Gesellschaft, in der die beiden einzigen Gesell-
schafter (Brüder) zugleich die Geschäftsführung ausgeübt und sich dadurch gleichberechtigt wirtschaftlich betätigt haben, übertragbar wären. Solcher Überlegungen bedarf es im Streitfall schon deshalb nicht, weil die Kläger ihren Schadensersatzanspruch auch - und zwar, wie ihre Ausführungen zur Höhe nahelegen, wohl vorrangig - aus abgetretenem Recht der F. & M. GmbH herleiten und nach den vorstehenden Ausführungen ein unmittelbarer Schadensersatzanspruch der Zessionarin gegen das beklagte Land wegen Amtspflichtverletzung der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der Erhebung der Anklage gegen die Kläger in Betracht kommt. Davon, daß die F. & M. GmbH infolge der (weiteren) Zurückstellung der Auszahlung der Feuerversicherungssumme durch den Versicherer als Versicherungsnehmerin einen Schaden erlitten hat, ist im Revisionsverfahren auszugehen (vgl. auch nachstehend zu IV). Bezüglich eines solchen Schadens, der im Zusammenhang mit § 17 Abs. 2 b AFB darauf beruht, daß eine "polizeiliche oder strafrichterliche Untersuchung aus Anlaß des Schadens gegen den Versicherungsnehmer" (hier: gegen seine gesetzlichen Vertreter) eingeleitet worden war, ist amtshaftungsrechtlich auch die F. & M. GmbH geschützter "Dritter" der oben (1 b) erörterten Amtspflicht der Staatsanwaltschaft, keine nach den gesetzlichen Vorschriften unzulässige Anklage zu erheben, sondern statt dessen nach dem Abschluß der Ermittlungen das Verfahren gegen die Beschuldigten mangels hinreichenden Tatverdachts einzustellen. Denn das Ermittlungsverfahren gegen die Kläger, die zugleich Geschäftsführer und die einzigen Gesellschafter der F. & M. GmbH waren, betraf - was die besagten typischen und schwerwiegenden Folgen für die Feuerversicherung anging - unmittelbar die GmbH als Versicherungsnehmerin.

IV.


Im Umfang der Aufhebung des angefochtenen Urteils muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung des Revisionsgerichts in der Sache selbst (vgl. § 565 Abs. 3 ZPO) sind insoweit nicht gegeben, auch nicht für den Erlaß eines Zwischenurteils über den Grund (§ 304 Abs. 1 ZPO) des Zahlungsanspruchs, soweit dieser aus der Erhebung der Anklage (statt der Verfahrenseinstellung) gegen die Kläger hergeleitet wird. Bei Schadensersatzklagen reicht zwar für ein Grundurteil die hohe Wahrscheinlichkeit, daß irgendein Schaden entstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1998 - V ZR 319/96 - NJW 1998, 1709). Die Schadensberechnung muß aber wenigstens schlüssig sein. Hierfür bedarf es eines konkreten Vortrags der Kläger, welche Versicherungsleistungen im Falle einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens statt der Anklageerhebung vom 5. Juni 1996 wann zur Auszahlung gekommen wären, wann sie nach den tatsächlichen Abläufen ausgezahlt wurden und welche Vermögenseinbußen durch diese Verzögerung eingetreten sind. Die Berechnung eines abstrakten "Betriebsunterbrechungsschadens", der nicht auf diese konkreten Abläufe abstellt , reicht nicht aus.
Nach dem Gang des bisherigen Verfahrens in den Tatsacheninstanzen muß den Klägern Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vortrags in diesem Punkt gegeben werden.
Rinne Streck Schlick Kapsa Galke

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.