Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2003 - III ZR 326/02

bei uns veröffentlicht am03.07.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 326/02
Verkündet am:
3. Juli 2003
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 839 G; FGG § 70 h

a) Eine einstweilige Anordnung, betreffend eine vorläufige Unterbringungsmaßnahme
, ist kein "Urteil in einer Rechtssache" im Sinne des § 839
Abs. 2 Satz 1 BGB.

b) Bei richterlichen Amtspflichtverletzungen außerhalb des Anwendungsbereichs
des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB ist der Verfassungsgrundsatz der
richterlichen Unabhängigkeit zu beachten. Soweit in solchen Fällen im
Amtshaftungsprozeß darüber zu befinden ist, ob ein Richter bei der
Rechtsanwendung und Gesetzesauslegung schuldhaft amtspflichtwidrig
gehandelt hat, kann dem Richter in diesem Bereich ein Schuldvorwurf nur
bei besonders groben Verstößen gemacht werden; inhaltlich läuft das auf
eine Haftung für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit hinaus.

c) Einstweilige Anordnungen im Unterbringungsverfahren sind im Amtshaftungsprozeß
nicht uneingeschränkt auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern
nur daraufhin zu überprüfen, ob sie vertretbar sind.
BGH, Urteil vom 3. Juli 2003 - III ZR 326/02 - OLG Jena
LG Erfurt
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Schlick, Dr. Kapsa und Galke

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 3. September 2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Auf Antrag des Sozialpsychiatrischen Dienstes am Gesundheitsamt des I. -Kreises ordnete das Amtsgericht Gotha durch mit sofortiger Wirksamkeit versehenen Beschluß vom 2. April 2000 die einstweilige Unterbringung der Klägerin in einer geschlossenen Krankenabteilung des Landesfachkrankenhauses M. bis zu einer Dauer von sechs Wochen an. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wurde dieser Beschluß am 19. April 2000 durch das Landgericht Erfurt mit der Begründung aufgehoben, daß eine jene Unterbringungsmaßnahme rechtfertigende Gefahrenlage nicht feststellbar sei.
Die Klägerin hält den Beschluß des Amtsgerichts vom 2. April 2000 für rechtswidrig und nimmt den beklagten Freistaat wegen Amtspflichtverletzung auf Ersatz des ihr durch den zeitweisen Freiheitsentzug entstandenen materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.
Die Vorinstanzen haben die Amtshaftungsklage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Forderung weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist nicht begründet.
1. Beide Vorinstanzen lassen den Amtshaftungsanspruch bereits daran scheitern, daß der Beschluß des Amtsgerichts ein "Urteil in einer Rechtssache" im Sinne des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB gewesen sei und somit dem Spruchrichterprivileg (Richterspruchprivileg) unterfalle. Darin vermag der Senat ihnen nicht beizutreten.

a) Das Verfahren der hier in Rede stehenden vorläufigen Unterbringungsmaßnahme richtete sich nach § 7 des Thüringer Gesetzes zur Hilfe und Unterbringung psychisch Kranker (ThürPsychKG) vom 2. Februar 1994 (GVBl. S. 81) in Verbindung mit den Bestimmungen des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG; § 7 Abs. 1 Satz 2 ThürPsychKG).

b) Es trifft zu, daß auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit urteilsvertretende Beschlüsse möglich sind, die einem "Urteil in einer Rechtssache" gleichgestellt werden müssen und dementsprechend in den Anwendungsbereich des "Richterprivilegs" fallen (s. dazu insbesondere Senatsurteil BGHZ 36, 379, 384 f). Die Gleichstellung hängt insbesondere davon ab, ob das der betreffenden Entscheidung zugrundeliegende gerichtliche Verfahren ein "Erkenntnisverfahren" ist, das sich nach bestimmten prozessualen Regeln richtet und dessen Ziel im wesentlichen die Anwendung materieller Rechtsnormen auf einen konkreten Fall ist. Dazu gehören insbesondere die Wahrung des rechtlichen Gehörs, die Ausschöpfung der in Betracht kommenden Beweismittel und die Begründung des Spruchs (Senatsurteil BGHZ 36, 379, 382/383). Für die Beurteilung, ob ein urteilsvertretender Beschluß vorliegt, sind stets der materielle Gehalt des Streitgegenstands und die materielle Bedeutung der Entscheidung maßgeblich. Eine urteilsvertretende Entscheidung ist anzunehmen, wenn nach Sinn und Zweck der Regelung eine jederzeitige erneute Befassung des Gerichts (von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten) mit der formell rechtskräftig entschiedenen Sache ausgeschlossen ist, die Entscheidung vielmehr eine Sperrwirkung in dem Sinne entfaltet, daß eine erneute Befassung nur unter entsprechenden Voraussetzungen in Betracht kommt wie bei einer rechtskräftig durch Urteil abgeschlossenen Sache (d.h. wenn die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen), oder wenn eine wesentliche Veränderung des Sachverhalts eintritt, die nach besonderer gesetzlicher Vorschrift eine erneute Entscheidung rechtfertigt (Staudinger/Wurm, BGB 13. Bearb. [2002] § 839 Rn. 332).

c) Im vorliegenden Fall geht es um eine vorläufige Unterbringungsmaßnahme , die durch einstweilige Anordnung auf Grundlage der §§ 70h, 69f Abs. 1
FGG getroffen worden war. Dieses Verfahren ist auf solche Fallgestaltungen zugeschnitten, bei denen dringende Gründe für die Annahme bestehen, daß die Voraussetzungen für eine endgültige Unterbringungsmaßnahme gegeben sind und bei denen mit dem Aufschub der Maßnahme Gefahr verbunden ist, d.h. für den Betroffenen selbst oder im Falle der öffentlich-rechtlichen Unterbringung für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eine Gefahr besteht, deren Abwendung keinen Aufschub duldet (Kayser in Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Kommentar zum FGG, 15. Aufl. 2003 § 70h Rn. 4, 5 m.w.N.). Eine derartige Verfahrensgestaltung hat - anders als etwa das frühere Entmündigungsverfahren nach § 645 ZPO a.F. (dazu Senatsurteil BGHZ 46, 106) - notwendig einen summarischen Charakter, was sich auch darin widerspiegelt , daß bei Gefahr im Verzug die einstweilige Anordnung bereits vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen erlassen werden kann (§ 69f Abs. 1 Satz 4 FGG). Deswegen kann nicht angenommen werden, daß das hier in Rede stehende Verfahren einem "Erkenntnisverfahren" im vorbezeichneten Sinne gleichsteht und daß die darauf beruhende Entscheidung die für ein Urteil zu fordernde Richtigkeitsgewähr bietet. Eher bestehen - trotz der vom Berufungsgericht zutreffend aufgezeigten Unterschiede im Verfahren - Ähnlichkeiten mit der einstweiligen Unterbringung im Strafprozeß nach § 126a StPO, die in ihrem Anwendungsbereich dem ThürPsychKG vorgeht (§ 7 Abs. 4) und bei der anerkannt ist, daß der Unterbringungsbefehl kein "Urteil" im Sinne des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB ist (Staudinger/Wurm Rn. 334 m.w.N.). Keiner Klärung bedürfen die Fragen, ob Beschlüsse der freiwilligen Gerichtsbarkeit von vornherein nur insoweit dem Richterprivileg unterfallen können, als sie "Streitsachen" betreffen (in diesem Sinne: Palandt/Thomas, BGB 62. Aufl. 2003 § 839 Rn. 69), und ob gegebenenfalls die Hauptsacheentscheidung im Unterbringungsverfahren
eine solche in einer "Streitsache" ist (verneinend Schmidt in Kei- del/Kuntze/Winkler aaO § 12 Rn. 233 m.w.N.).
2. Gleichwohl ist die Amtshaftungsklage im Ergebnis mit Recht abgewiesen worden.

a) Bei richterlichen Amtspflichtverletzungen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB ist nämlich der Verfassungsgrundsatz der richterlichen Unabhängigkeit zu beachten. Soweit in solchen Fällen im Amtshaftungsprozeß darüber zu befinden ist, ob ein Richter bei der Rechtsanwendung und Gesetzesauslegung schuldhaft amtspflichtwidrig gehandelt hat, kann dem Richter in diesem Bereich ein Schuldvorwurf nur bei besonders groben Verstößen gemacht werden (Senatsbeschluß vom 19. Dezember 1991 - III ZR 9/91 = BGHR BGB § 839 Abs. 2 Richter 1 m.w.N.); inhaltlich läuft das auf eine Haftung für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit hinaus (OLG Frankfurt NJW 2001, 3270; Staudinger/Wurm Rn. 316).

b) Darüber hinaus hat der Senat keine durchgreifenden Bedenken, auch bei der hier in Rede stehende einstweilige Anordnung im Unterbringungsverfahren dieselben Grundsätze anzuwenden, die für den Richter gelten, der über die Anordnung oder Fortdauer von Untersuchungshaft zu entscheiden hat: Danach sind derartige Entscheidungen im Amtshaftungsprozeß nicht uneingeschränkt auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie - bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege - vertretbar sind (vgl. Senatsurteil BGHZ 122, 268, 270/271; Se-
natsurteil vom 18. Mai 2000 - III ZR 180/99 = VersR 2001, 586, 587; Staudinger /Wurm Rn. 630 i.V.m. 632).

c) Insoweit weist die Revisionserwiderung zutreffend auf folgende Ge- sichtspunkte hin: Die Voraussetzungen des § 70h Abs. 1 i.V.m. § 69f Abs. 1 FGG lagen im Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsrichters vor. Der Richter durfte davon ausgehen, daß die Angaben des Sozialpsychiatrischen Dienstes zutrafen, wonach die Klägerin psychisch krank sei und mit einem Luftgewehr mehrfach in einen Hof geschossen habe, wo Kinder spielten. Somit durfte er dringende Gründe dafür annehmen, daß die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 ThürPsychKG gegeben seien und mit einem Aufschub Gefahr verbunden wäre (§ 69f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FGG). Ein vom Vortag, dem 1. April 2000, datierendes ärztliches Zeugnis über den Zustand der Klägerin lag ebenfalls vor. Ein besonderes fachpsychiatrisches Gutachten war nicht zwingend erforderlich (§ 7 Abs. 2 Satz 2 ThürPsychKG).

d) Die Revisionserwiderung zieht nach alledem mit gutem Grund in Zweifel, ob überhaupt die Tatbestandsvoraussetzungen einer einfachen Amtspflichtverletzung vorgelegen haben. Erst recht sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür erkennbar, daß den entscheidenden Richter der Vorwurf einer groben Pflichtverletzung im vorbezeichneten Sinne getroffen hat und daß die Grenzen des erweiterten Beurteilungsspielraums nicht eingehalten worden sind, deren Überschreitung eine amtshaftungsrechtliche Verantwortlichkeit überhaupt erst hätte begründen können. Abweichendes läßt sich insbesondere auch nicht aus der den Beschluß des Amtsgerichts aufhebenden Beschwerde-
entscheidung des Landgerichts entnehmen, die auf den zwischenzeitlich durchgeführten Ermittlungen und somit auf einer geänderten Beurteilungsgrundlage beruhte.
Rinne Wurm Schlick Kapsa Galke

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2003 - III ZR 326/02

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2003 - III ZR 326/02

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung


(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Ansp

Strafprozeßordnung - StPO | § 126a Einstweilige Unterbringung


(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und daß seine Unterbringung in einem psychiatrisc
Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2003 - III ZR 326/02 zitiert 5 §§.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung


(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Ansp

Strafprozeßordnung - StPO | § 126a Einstweilige Unterbringung


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Referenzen - Urteile

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR190/13 Verkündet am: 16. Oktober 2014 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 839 Fi; GG Art

Referenzen

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 des Strafgesetzbuches) begangen hat und daß seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.

(2) Für die einstweilige Unterbringung gelten die §§ 114 bis 115a, 116 Abs. 3 und 4, §§ 117 bis 119a, 123, 125 und 126 entsprechend. Die §§ 121, 122 gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass das Oberlandesgericht prüft, ob die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung weiterhin vorliegen.

(3) Der Unterbringungsbefehl ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung nicht mehr vorliegen oder wenn das Gericht im Urteil die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht anordnet. Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung nicht aufgehalten werden. § 120 Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Hat der Untergebrachte einen gesetzlichen Vertreter oder einen Bevollmächtigten im Sinne des § 1831 Absatz 5 und des § 1820 Absatz 2 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches, so sind Entscheidungen nach Absatz 1 bis 3 auch diesem bekannt zu geben.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 180/99
Verkündet am:
18. Mai 2000
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
------------------------------------
BGB § 839 Cb, Fi

a) Zur Frage der Amtspflichtwidrigkeit (Unvertretbarkeit) einer Anklage der
Staatsanwaltschaft wegen Brandstiftung.

b) Vom Schutzzweck der Amtspflicht der Staatsanwaltschaft, keine unzulässige
Anklage zu erheben, ist, wenn es um den Vorwurf der Brandstiftung
geht, auch die Vermeidung von Vermögensschäden des Angeschuldigten
umfaßt, die dadurch entstehen, daß der Feuerversicherer ihm die Brandschadenentschädigung
infolge der Anklageerhebung nicht auszahlt.

c) Hat eine amtspflichtwidrige Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft gegen
die Geschäftsführer und einzigen Gesellschafter einer GmbH wegen
Brandstiftung zur Folge, daß der Feuerversicherer die Zahlung der Entschädigung
für den Brandschaden der versicherten GmbH (weiter) zurückhält
, so ist bezüglich der dadurch eingetretenen Vermögenseinbußen die
GmbH geschützter "Dritter" der Amtspflicht der Staatsanwaltschaft, keine
unzulässige Anklage zu erheben.
BGH, Urteil vom 18. Mai 2000 - III ZR 180/99 -OLG Oldenburg
LG Aurich
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Streck, Schlick, Dr. Kapsa und Galke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 14. Mai 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 328.291,66 DM abgewiesen worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Kläger sind die einzigen Gesellschafter und Geschäftsführer der F. & M. GmbH, die auf dem Grundstück A. E. in E. Fischwaren produzierte.
Am Abend des 10. September 1995 brach ein Feuer aus, durch das die Betriebsgebäude der Gesellschaft weitgehend zerstört wurden. Die Staatsanwaltschaft A. ermittelte gegen die Kläger wegen des Verdachts der gemeinschaftlichen vorsätzlichen Brandstiftung und des Versicherungsbetruges. Unter dem 5. Juni 1996 erhob sie Anklage wegen dieses Vorwurfs. Die Strafkammer lehnte jedoch die Eröffnung des Hauptverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts gegen die Kläger ab.
Die Kläger haben das beklagte Land auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung in Anspruch genommen. Sie haben geltend gemacht, die Staatsanwaltschaft habe sowohl bei der Einleitung und späteren monatelangen Aufrechterhaltung der Ermittlungen als auch bei der Anklageerhebung pflichtwidrig gehandelt. Den eingeklagten, aus eigenem wie aus abgetretenem Recht der F. & M. GmbH hergeleiteten Gesamtschaden von 884.174,57 DM haben sie - abgesehen von im Ermittlungsverfahren aufgewendeten Anwalts- und Sachverständigenkosten von insgesamt 40.366,45 DM - mit dem Hinweis darauf , daß vor dem Abschluß des strafrechtlichen Verfahrens keine Auszahlungen seitens der Versicherungen erfolgt seien, als "Betriebsunterbrechungsschaden" errechnet.
Das Landgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, wobei es jedoch in den Entscheidungsgründen seines Urteils zum Ausdruck gebracht hat, daß nur in der Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Anklageerhebung, nicht auch in der Einleitung und Fortführung des Ermittlungsverfahrens, eine Amtspflichtverletzung gelegen habe. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des beklagten Landes - unter Zurückweisung der Berufung der Kläger - die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Kläger, die ihren Anspruch insgesamt weiterverfolgen, hat der Senat mit Beschluß vom 22. Dezember 1999 angenommen, soweit die Klage in Höhe von 328.291,66 DM abgewiesen worden ist; im übrigen hat er sie nicht angenommen.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt in dem Umfang, in dem sie vom Senat angenommen worden ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Soweit es um die Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen die Kläger und die Art und den Umfang desselben bis zu der abschließenden Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 5. Juni 1996 geht, sind die dar-
aus hergeleiteten Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung durch das Urteil des Berufungsgerichts, das in diesem Umfang durch den Beschluß des Senats über die Nichtannahme der Revision Rechtskraft erlangt hat, abgewiesen. Hierbei handelt es sich im Anschluß an die Berechnung der Klageforderung durch die Kläger um einen Teilbetrag von (884.174,57 DM ./. 328.291,66 DM =) 555.882,91 DM. Das Revisionsverfahren betrifft nach der Teilannahme der Revision einen restlichen Schadensersatzanspruch von 328.291,66 DM (787.900 DM : 12 x 5 "Betriebsunterbrechungsschaden", der durch die Erhebung der Anklage vom 5. Juni 1996 statt einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen die Kläger verursacht worden sein soll).

II.


1. Das Berufungsgericht meint, die Erhebung der Anklage sei - zumindest gegen den Kläger zu 2 - in keiner Weise zu beanstanden. Zum einen seien ausreichende Anhaltspunkte für eine (vorsätzliche) Brandstiftung vorhanden gewesen. Zum anderen habe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür gesprochen , daß die Hauptverhandlung eine Tatbegehung durch den Kläger zu 2 ergeben werde. Dieser sei durch verschiedene und in ihrer Häufung bemerkenswerte Indizien belastet worden, die in der Anklageschrift aufgelistet und bewertet worden seien. Der Kläger zu 2 sei kurz vor Ausbruch des Brandes zweimal am Tatort gewesen. Sein Alibi für den Zeitpunkt der Brandentstehung hätte ihn nicht maßgeblich entlasten können, da es ohne weiteres zu bewerkstelligen gewesen wäre, einen Brand mit zeitlicher Verzögerung zu legen. Außerdem habe nach dem Verhalten, das der Kläger zu 2 kurz vor dem Ausbruch
des Feuers gegenüber dem Zeugen B. an den Tag gelegt hatte, einiges dafür gesprochen, daß er ein Interesse daran gehabt habe, den Zeugen von dem Betriebsgebäude fernzuhalten, bzw. daß er ihn zumindest dort nicht ohne Aufsicht habe agieren lassen wollen. Ein Motiv für die Tat habe sich daraus ergeben , daß die GmbH in nicht unerheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten gesteckt habe oder diese ihr doch zumindest bevorgestanden hätten. Zwei wichtige Kunden seien verloren gegangen. Außerdem habe eine hohe zivilrechtliche Forderung gedroht. Ferner habe eine Prüfung der hygienischen Verhältnisse des Betriebs angestanden, die man bislang hinausgeschoben gehabt habe. Letztlich sei noch hinzugekommen, daß die Pläne für eine Betriebsverlagerung kurz zuvor gescheitert gewesen seien. Vor dem Hintergrund dieses Ermittlungsergebnisses sei die Annahme, daß die in der Hauptverhandlung zu erhebenden Beweise mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu einer Verurteilung führen würden, ohne weiteres vertretbar gewesen.
Hieraus - so das Berufungsgericht weiter - ergebe sich auch die Unbegründetheit der Klage des Klägers zu 1 bezogen auf die Anklageerhebung. Der Versicherer hätte nämlich die Zahlung der Versicherungssumme auch dann zurückgehalten, wenn der Staatsanwalt die Anklage nur gegen den Kläger zu 2 erhoben hätte.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß nach der Rechtsprechung des Senats bestimmte Maßnahmen der Staatsanwaltschaft, zu denen auch die Entschließung zur Erhebung der öffentlichen Klage nach § 170 Abs. 1 StPO gehört, im Amtshaftungsprozeß nicht auf ihre "Richtigkeit", son-
dern nur daraufhin zu überprüfen sind, ob sie - bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege - vertretbar sind (Senatsurteile vom 21. April 1988 - III ZR 255/86 - NJW 1989, 96, vom 24. Februar 1994 - III ZR 76/92 - NJW 1994, 3162 und vom 16. Oktober 1997 - III ZR 23/96 - NJW 1998, 751).
Die Würdigung des Sachverhalts unter diesem Gesichtspunkt ist Sache des Tatrichters, die vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob der Tatrichter den Begriff der Vertretbarkeit verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (Senatsurteil vom 16. Oktober 1997, aaO). Dazu gehört allerdings auch, daß der Tatrichter die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen die in Rede stehende Maßnahme der Staatsanwaltschaft (hier: nach § 170 Abs. 1 StPO) stand, zutreffend erfaßt hat und seine Würdigung vor diesem Hintergrund hinreichend konkret, aus sich heraus "geschlossen" und nachvollziehbar ist.
Daran fehlt es hier.

b) Die Staatsanwaltschaft durfte nur Anklage gegen die beiden Kläger erheben, wenn die Ermittlungen hierzu genügenden Anlaß boten, d.h. hinreichenden Tatverdacht im Sinne einer gemeinschaftlichen vorsätzlichen Brandstiftung in Tateinheit mit Versicherungsbetrug ergeben hatten (§§ 170 Abs. 1, 203 StPO; vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 1970 - III ZR 95/68 - NJW 1970, 1543; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 170 Rn. 1; ders. aaO § 203 Rn. 2). Hinreichender Verdacht bedeutet die Feststellung von Tatsachen, die nach praktischer Erfahrung zu einer Verurteilung in einer Hauptverhandlung
mit vollgültigen Beweisen führen werden. Die Staatsanwaltschaft hat nicht die Frage der Täterschaft und Schuld restlos bis in alle Einzelheiten zu klären, sondern nur einen hinreichenden Tat- und Schuldverdacht zu ermitteln, der eine Verurteilung wahrscheinlich macht. Dabei müssen zwar gewisse Belastungsmomente erwiesen sein, jedoch darf die Aufklärung von Widersprüchen zwischen den Angaben des Beschuldigten und den vorhandenen Beweisergebnissen der Hauptverhandlung überlassen bleiben (Senatsurteil vom 18. Juni 1970 aaO). Der unbestimmte Rechtsbegriff "hinreichender Tatverdacht" läßt einen nicht unerheblichen Beurteilungsspielraum, zumal es sich (auch) um eine Prognose handelt. Entscheidend ist letztlich die - vertretbare - eigene Prognose des Staatsanwalts, daß er selbst nach Sach- und Rechtslage wahrscheinlich am Ende einer Hauptverhandlung zum Antrag auf Verurteilung gelangen werde (Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 170 Rn. 1).
Das Berufungsgericht hat dies alles im Ansatz nicht verkannt. Seine Subsumtion ist jedoch weder aus sich heraus noch in Verbindung mit seinen Bezugnahmen auf Einzelheiten der Anklageschrift vollständig und schlüssig, soweit es zu dem Ergebnis gelangt, es sei nach dem zum Zeitpunkt der Anklageerhebung vorliegenden Verfahrensstoff hinreichend wahrscheinlich gewesen , daß die Hauptverhandlung eine Tatbegehung durch den Kläger zu 2 erweisen werde. Von einem hinreichenden Tatverdacht gegen den Kläger zu 1 geht das Berufungsgericht nach dem Zusammenhang seiner Ausführungen offenbar selbst nicht aus.
aa) Dabei mag im Revisionsverfahren mit dem Berufungsgericht davon ausgegangen werden - ohne daß dies vertieft zu werden braucht -, daß die Staatsanwaltschaft aus den ihr vorliegenden sachverständigen Stellungnah-
men über die Entstehung des Brandes derjenigen des Sachverständigen B. folgen, mithin eine vorsätzliche Brandstiftung als naheliegend annehmen und die abschließende Klärung der Brandursache der Hauptverhandlung vor der Strafkammer überlassen durfte.
bb) Dem Berufungsgericht kann auch darin gefolgt werden, daß sich aus den nicht unerheblichen Schwierigkeiten, in der sich seinerzeit die F. & M. GmbH befand, ein denkbares Motiv für eine etwaige Täterschaft der Kläger ergeben konnte, ohne daß die insoweit in der Anklageschrift bzw. im Urteil des Berufungsgerichts angesprochenen wirtschaftlichen Gesichtspunkte allerdings für sich den Schluß aufdrängten, daß es sich um eine Brandstiftung im Interesse der F. & M. GmbH bzw. der Kläger als Gesellschafter dieser Firma gehandelt haben muß.
cc) Jedenfalls reichen die Ausführungen des Berufungsgerichts nicht, um die "Vertretbarkeit" der Anklage gegen die Kläger zu begründen.
(1) Wenn das Berufungsurteil Ausführungen zum Tatverdacht gegen den Kläger zu 1 vermissen läßt, so liegt dies ersichtlich daran, daß es keine konkreten Anhaltspunkte für eine persönliche Tatbegehung oder eine Veranlassung der Tat durch den Kläger zu 1 gibt und die bloße Möglichkeit - selbst im Sinne einer aus der Motivlage hergeleiteten Plausibilität -, daß (auch) der Kläger zu 1 hinter der Brandstiftung "stecken" konnte, von vornherein nicht für eine Verurteilung ausreichen konnte. Damit erweist sich aber - was das Berufungsgericht bei seiner Würdigung unberücksichtigt läßt - die Anklage des Staatsanwalts als auf den ersten Blick ohne tatsächliche Grundlage, soweit sie beiden Klägern gemeinschaftliche Brandstiftung anlastet, ohne näher darauf
einzugehen, wie nach der Vorstellung des Staatsanwalts die persönliche Tatausführung durch die Angeschuldigten stattgefunden haben soll, und ohne die Möglichkeit der Täterschaft dritter Personen nachvollziehbar auszuschließen.
(2) Soweit das Berufungsgericht, was den Kläger zu 2 angeht, die Vertretbarkeit der Annahme hinreichenden Tatverdachts aus "in ihrer Häufung bemerkenswerten Indizien" herleitet, die in der Anklageschrift aufgelistet und bewertet worden seien, erörtert es nur folgendes:
Der Kläger zu 2 sei kurz vor Ausbruch des Brandes zweimal am Tatort gewesen. Irgendeine nähere zeitliche Einordnung wird insoweit nicht vorgenommen. Es kann sich nach den in der Anklageschrift angeführten Tatsachen nur darum handeln, daß der Kläger zu 2 zu einem nicht näher festgehaltenen Zeitpunkt eine Salzheringsmaschine repariert hatte und sich dann zwischen etwa 20 Uhr und etwa 20.45 Uhr zusammen mit dem Werkmeister, der die Maschinen überprüfte, noch einmal in die Firma begab. Welche konkreten Handlungen dem Kläger zu 2 angelastet werden könnten, bleibt offen.
Das Alibi des Klägers zu 2 (durch Familienangehörige) für den Zeitpunkt der Brandentstehung habe ihn nicht maßgeblich entlasten können, da es ohne weiteres zu bewerkstelligen gewesen sei, einen Brand mit zeitlicher Verzögerung zu legen. Auch insoweit werden nur Vermutungen geäußert bzw. Möglichkeiten angesprochen, ohne Hinweis auf konkrete Anhaltspunkte für eine bestimmte Vorgehensweise des Klägers zu 2.
Außerdem habe nach dem Verhalten, das der Kläger zu 2 kurz vor dem Ausbruch des Feuers gegenüber dem Zeugen B. an den Tag gelegt habe, einiges dafür gesprochen, daß er ein Interesse daran gehabt habe, den Zeugen von dem Betriebsgebäude fernzuhalten, bzw. daß er ihn zumindest dort nicht ohne Aufsicht habe agieren lassen wollen. Dies betrifft die Aussage des Zeugen B., der Kläger zu 2 sei darüber, daß er, der Zeuge B., unbedingt selbst einen Probelauf mit der reparierten Salzheringsmaschine machen wollte, offensichtlich sehr verärgert gewesen. Konkrete Bezüge zu einer Brandlegung durch den Kläger zu 2 ergeben sich daraus nicht. Wie die Revision mit Recht rügt, ist den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils auch nicht zu entnehmen, ob und inwieweit der Kläger zu 2 den Zeugen B. während des Aufenthalts in der Firma beaufsichtigt haben soll.
(3) Insgesamt ermangelt es der Anklageschrift an greifbaren positiven Hinweisen auf eine Täterschaft des Klägers zu 2, und solche sind - im vorliegenden Amtshaftungsprozeß - auch nicht dem Urteil des Berufungsgerichts zu entnehmen. Das läßt nach dem im Revisionsverfahren vorliegenden Prozeßstoff nur den Schluß zu, daß die Staatsanwaltschaft bei der Erhebung der Anklage gegen die Kläger zu 1 und 2 nicht mit deren Verurteilung, sondern - falls das Hauptverfahren überhaupt eröffnet werden sollte - mit einem Freispruch rechnen mußte, falls sich in der Hauptverhandlung nicht noch unvorhergesehene Beweise ergeben würden. Die Erhebung der Anklage auf einer so ungesicherten tatsächlichen Grundlage widerspricht der Strafprozeßordnung und war daher amtspflichtwidrig.
Nach dem objektivierten Sorgfaltsmaßstab, der im Rahmen des § 839 BGB gilt (vgl. etwa Senatsurteil vom 18. Juni 1998 - III ZR 100/97 - NVwZ
1998, 1329), ist insoweit auch von einem Verschulden der Staatsanwaltschaft auszugehen. Es kommt hier im Hinblick darauf, daß das Berufungsgericht die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft als nicht amtspflichtwidrig beurteilt hat, auch nicht der Grundsatz zur Anwendung, daß einen Beamten in der Regel kein Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (sog. Kollegialitätsrichtlinie; vgl. Senatsurteile BGHZ 97, 97, 107 und vom 16. Oktober 1997 - III ZR 23/96 - NJW 1998, 751). Denn das Berufungsgericht hat die Anklageerhebung lediglich nach einem gegenüber der eigenen Prüfungspflicht der Staatsanwaltschaft reduzierten Prüfungsmaßstab gebilligt (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 1997 aaO).

III.


Das klageabweisende Urteil läßt sich danach in dem Umfang, in dem es der revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt, mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung, es liege keine Amtspflichtverletzung der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der Anklageerhebung gegen die Kläger vor, nicht halten. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).
1. a) Das Berufungsgericht äußert Zweifel - enthält sich jedoch insoweit, aus seiner Sicht folgerichtig, einer Entscheidung -, ob der geltend gemachte Schaden, der dadurch entstanden sein soll, daß das strafrechtliche Ermittlungsverfahren (hier: die Erhebung der Anklage anstelle einer Einstellung des
Verfahrens) gegen die Kläger die Auszahlung der Versicherungssumme verzögert habe, in den Schutzbereich der in Rede stehenden Amtspflichten der Staatsanwaltschaft fällt. Hierzu erwägt das Berufungsgericht: Die Wahrung oder gar Förderung zivilrechtlicher Interessen, wie des Interesses an der Auszahlung der Versicherungssumme, sei nicht Sinn und Zweck eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Müßte der Staatsanwalt bei seiner Amtsführung zumindest mittelbar auch solche Vermögensinteressen im Auge haben, würde hierdurch ein kaum beherrschbares und mit den Interessen einer geordneten Strafrechtspflege schlechterdings nicht zu vereinbarendes Haftungsrisiko entstehen. Denn es seien vielfältige Konstellationen denkbar, unter denen die Erledigung eines zivilrechtlichen Anspruchs von dem vorherigen Abschluß eines Ermittlungsverfahrens abhängig sei oder von den Beteiligten abhängig gemacht werde. Zudem sei es für die Ermittlungsbehörden noch nicht einmal stets abschätzbar, welche zivilrechtlichen Interessen hinter einem Ermittlungsverfahren stünden. Von derartigen Unwägbarkeiten und Risiken dürfe die Tätigkeit des Staatsanwalts nicht beeinflußt werden. Setze man sie einem solchen Haftungsrisiko aus, trete zwangsläufig eine Beschränkung der Amtsführung ein, die mit einer geordneten Strafrechtspflege kaum vereinbar sein dürfte. Dies gelte auch dann, wenn man berücksichtige, daß die Amtsführung des Staatsanwalts im Amtshaftungsprozeß nur unter ganz eingeschränkten Voraussetzungen überprüft werden könne.

b) Diese Bedenken teilt der Senat, was den hier von den Klägern aus der amtspflichtwidrigen Anklageerhebung gegen sie hergeleiteten Vermögensschaden angeht, nicht.
Daß die Kläger in bezug auf die Amtspflicht der Staatsanwaltschaft, keine nach den gesetzlichen Vorschriften unzulässige Anklage gegen sie zu erheben (vielmehr - nach den Gegebenheiten des vorliegenden Falls - das Verfahren nach dem Abschluß der Ermittlungen einzustellen), als Betroffene des Ermittlungsverfahrens "Dritte" im Sinne des § 839 BGB sind (zu diesem Begriff vgl. etwa BGHZ 134, 268, 276), steht außer Frage. Das Berufungsgericht hat allerdings im Ansatz mit Recht hervorgehoben, daß eine Person, der gegenüber eine Amtspflicht zu erfüllen ist, nicht in allen ihren Belangen immer als Dritter anzusehen sein muß. Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll. Es kommt danach auf den Schutzzweck der Amtspflicht an (BGHZ 110, 1, 9; 117, 83, 90; 134, 268, 276). Aber auch unter diesem Gesichtspunkt läßt sich nicht bezweifeln, daß die Vermeidung von Vermögensschäden, die durch eine unzulässige (unvertretbare) Anklageerhebung bei dem (rechtswidrig) Angeschuldigten eintreten, vom Schutzweck der Amtspflicht, keine gesetzlich unzulässige Anklage zu erheben, umfaßt wird. Es geht in diesem Zusammenhang nicht, wie nach dem gedanklichen Ansatz des Berufungsgerichts, um die "Wahrung oder gar Förderung" zivilrechtlicher Interessen, sondern um die Vermeidung von Vermögensschäden , wie sie erfahrungsgemäß häufig mit strafrechtlichen Ermittlungsverfahren - insbesondere im Falle der Anklageerhebung - einhergehen. Geht es - wie hier - um den Vorwurf der vorsätzlichen Brandstiftung bzw. des Versicherungsbetruges , so gehört es zu den typischen Nebenfolgen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, daß der Versicherer die Auszahlung der Feuerversicherungssumme ganz oder zu einem erheblichen Teil bis zur Einstellung des Verfahrens zurückstellt (vgl. § 17 Abs. 2 b AFB), wodurch nicht selten die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen bedroht sein kann. Der Senat hat bereits
in seinem Urteil vom 21. April 1988 (aaO) ausgeführt, daß die Staatsanwaltschaft dies im Rahmen ihrer im Ermittlungsverfahren zu treffenden Entscheidungen bedenken muß.
Soweit das Berufungsgericht hierdurch die Staatsanwaltschaft einem für eine geordnete Rechtspflege unerträglichen Risiko ausgesetzt sieht, wird diesem Gesichtspunkt hinreichend dadurch Rechnung getragen, daß die Entschließungen der Staatsanwaltschaft, wie ausgeführt, im Amtshaftungsprozeß ohnehin nur auf ihre "Vertretbarkeit" überprüft werden können.
2. Wenn das Berufungsgericht schließlich die Frage aufwirft, ob und in welcher Weise eine verzögerte Auszahlung der Versicherungssumme an die F. & M. GmbH überhaupt zu einer Vermögenseinbuße bei den Klägern geführt hat, so steht auch dieser Gesichtspunkt nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt einem Schadensersatzanspruch der Kläger aus Amtspflichtverletzung der Staatsanwaltschaft nicht entgegen. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß dann, wenn der Alleingesellschafter einer GmbH von einem Dritten schuldhaft verletzt wird und der Schaden an seinem "Sondervermögen", seiner Gesellschaft, eintritt, es nach Lage des Falles im Verhältnis zum Kläger so angesehen werden kann, daß ihn persönlich ein Schaden getroffen hat (BGHZ 61, 380; BGH, Urteile vom 8. Februar 1977 - VI ZR 249/74 - VersR 1977, 374, vom 6. Oktober 1988 - III ZR 143/87 - WM 1988, 1851 und vom 23. März 1995 - III ZR 80/93 - BGHR BGB § 249 Schaden 8; vgl. auch BGHZ 106, 313, 315). Es kann offenbleiben, ob die Grundgedanken dieser Rechtsprechung (s. insbesondere die vertiefenden Ausführungen in dem Urteil vom 8. Februar 1977 aaO) auf den hier vorliegenden Fall einer Zwei-Personen-Gesellschaft, in der die beiden einzigen Gesell-
schafter (Brüder) zugleich die Geschäftsführung ausgeübt und sich dadurch gleichberechtigt wirtschaftlich betätigt haben, übertragbar wären. Solcher Überlegungen bedarf es im Streitfall schon deshalb nicht, weil die Kläger ihren Schadensersatzanspruch auch - und zwar, wie ihre Ausführungen zur Höhe nahelegen, wohl vorrangig - aus abgetretenem Recht der F. & M. GmbH herleiten und nach den vorstehenden Ausführungen ein unmittelbarer Schadensersatzanspruch der Zessionarin gegen das beklagte Land wegen Amtspflichtverletzung der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der Erhebung der Anklage gegen die Kläger in Betracht kommt. Davon, daß die F. & M. GmbH infolge der (weiteren) Zurückstellung der Auszahlung der Feuerversicherungssumme durch den Versicherer als Versicherungsnehmerin einen Schaden erlitten hat, ist im Revisionsverfahren auszugehen (vgl. auch nachstehend zu IV). Bezüglich eines solchen Schadens, der im Zusammenhang mit § 17 Abs. 2 b AFB darauf beruht, daß eine "polizeiliche oder strafrichterliche Untersuchung aus Anlaß des Schadens gegen den Versicherungsnehmer" (hier: gegen seine gesetzlichen Vertreter) eingeleitet worden war, ist amtshaftungsrechtlich auch die F. & M. GmbH geschützter "Dritter" der oben (1 b) erörterten Amtspflicht der Staatsanwaltschaft, keine nach den gesetzlichen Vorschriften unzulässige Anklage zu erheben, sondern statt dessen nach dem Abschluß der Ermittlungen das Verfahren gegen die Beschuldigten mangels hinreichenden Tatverdachts einzustellen. Denn das Ermittlungsverfahren gegen die Kläger, die zugleich Geschäftsführer und die einzigen Gesellschafter der F. & M. GmbH waren, betraf - was die besagten typischen und schwerwiegenden Folgen für die Feuerversicherung anging - unmittelbar die GmbH als Versicherungsnehmerin.

IV.


Im Umfang der Aufhebung des angefochtenen Urteils muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung des Revisionsgerichts in der Sache selbst (vgl. § 565 Abs. 3 ZPO) sind insoweit nicht gegeben, auch nicht für den Erlaß eines Zwischenurteils über den Grund (§ 304 Abs. 1 ZPO) des Zahlungsanspruchs, soweit dieser aus der Erhebung der Anklage (statt der Verfahrenseinstellung) gegen die Kläger hergeleitet wird. Bei Schadensersatzklagen reicht zwar für ein Grundurteil die hohe Wahrscheinlichkeit, daß irgendein Schaden entstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1998 - V ZR 319/96 - NJW 1998, 1709). Die Schadensberechnung muß aber wenigstens schlüssig sein. Hierfür bedarf es eines konkreten Vortrags der Kläger, welche Versicherungsleistungen im Falle einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens statt der Anklageerhebung vom 5. Juni 1996 wann zur Auszahlung gekommen wären, wann sie nach den tatsächlichen Abläufen ausgezahlt wurden und welche Vermögenseinbußen durch diese Verzögerung eingetreten sind. Die Berechnung eines abstrakten "Betriebsunterbrechungsschadens", der nicht auf diese konkreten Abläufe abstellt , reicht nicht aus.
Nach dem Gang des bisherigen Verfahrens in den Tatsacheninstanzen muß den Klägern Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vortrags in diesem Punkt gegeben werden.
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