Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2016 - IV ZR 245/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:200716UIVZR245.15.0
bei uns veröffentlicht am20.07.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 245/15 Verkündet am:
20. Juli 2016
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AVB Rechtsschutzversicherung
Eine Klage auf Rückzahlung griechischer Staatsanleihen, die von der Hellenischen
Republik wegen des Zwangsumtausches der Anleihen durch den Greek Bondholder
Act verweigert wird, ist vom Deckungsschutz in der Rechtschutzversicherung nicht
durch eine Klausel ausgeschlossen, nach der Rechtsschutz nicht für die Wahrnehmung
rechtlicher Interessen in Enteignungs-, Planfeststellungs-, Flurbereinigungssowie
im Baugesetzbuch geregelten Angelegenheiten besteht.
BGH, Urteil vom 20. Juli 2016 - IV ZR 245/15 - OLG München
LG München II
ECLI:DE:BGH:2016:200716UIVZR245.15.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richter Felsch, Lehmann, die Richterinnen Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2016

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München - 25. Zivilsenat - vom 17. April 2015 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen mit der Maßgabe , dass die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger Rechtsschutz für eine Klage mit dem im vorbezeichneten Urteil genannten Antrag zu bewilligen, festgestellt wird.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger unterhält eine Rechtsschutzversicherung. Dem Versicherungsvertrag liegen Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2004) des Versicherers (im Folgenden nur: ARB) zugrunde , deren §§ 2 und 3 auszugsweise wie folgt lauten: "§ 2 Leistungsarten Der Umfang des Versicherungsschutzes kann in den Formen des § 21 bis § 29 vereinbart werden. Je nach Vereinbarung umfaßt der Versicherungsschutz …
d) Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht (auch über Internet geschlossene Verträge) für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus privatrechtlichen Schuldverhältnissen und dinglichen Rechten, … … § 3 Ausgeschlossene Rechtsangelegenheiten Rechtsschutz besteht, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen … (3) a) in Verfahren vor Verfassungsgerichten;
b) in Verfahren vor internationalen oder supranationalen Gerichtshöfen, soweit es sich nicht um die Wahrnehmung rechtlicher Interessen von Bediensteten internationaler oder supranationaler Organisationen aus Arbeitsverhältnissen oder öffentlichrechtlichen Dienstverhältnissen handelt;
c) in ursächlichem Zusammenhang mit einem über das Vermögen des Versicherungsnehmers beantragten oder eröffneten Konkurs- oder Vergleichsverfahren;
d) in Enteignungs-, Planfeststellungs-, Flurbereinigungs - sowie im Baugesetzbuch geregelten Angelegenheiten ;
e) in Ordnungswidrigkeiten- und Verwaltungsverfahren wegen des Vorwurfes eines Halt- oder Parkverstoßes ; …"
2
Die Beklagte ist das vom Versicherer beauftragte Schadenabwicklungsunternehmen.
3
Der Kläger begehrt Rechtsschutz für eine Klage gegen die Hellenische Republik. Er hatte im Jahre 2010 Staatsanleihen des griechischen Staates erworben, deren Nominalwert 10.000 € betrug, bevor sie auf Grundlage des griechischen Gesetzes Nr. 4050/2012 vom 23. Februar 2012, dem sogenannten Greek Bondholder Act, konvertiert und gegen neue Staatsanleihen mit einem niedrigeren Nominalwert ausgetauscht wurden.
4
Der Kläger akzeptiert den Zwangsumtausch nicht und will mit der beabsichtigten Klage gegen die Hellenische Republik, die die Rückzahlung der ursprünglich am 20. August 2012 fälligen Anleihen verweigert, einen Zahlungsanspruch Zug um Zug gegen Gestattung der Rückbuchung der zugunsten des Klägers im Zuge des Umtausches eingebuchten Wertpapiere geltend machen.
5
Dazu führen der Klageentwurf und das Begleitschreiben seiner Bevollmächtigten an den Versicherer aus, es würden Zahlungsansprüche aus den 2010 erworbenen, zur Rückzahlung fälligen Anleihen verfolgt. Hilfsweise sollen Ansprüche aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung geltend gemacht werden. Im Klageentwurf wird die Umschuldung als rechtswidriger enteignungsgleicher Eingriff gewürdigt. Die angenommenen Verstöße gegen die Griechische Verfassung, die Grundrechtecharta der Europäischen Union und das Völkergewohnheitsrecht bewirkten einen Verstoß gegen den ordre public, der dazu führe, dass der Greek Bondholder Act nicht angewendet werden dürfe.
6
Die Beklagte hat die erbetene Kostenzusage unter Berufung auf § 3 (3) d) der ARB abgelehnt. In Enteignungsangelegenheiten genieße der Kläger keinen Rechtsschutz.
7
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
8
In der Revisionsverhandlung hat sich die Beklagte ergänzend darauf berufen, dass es im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8. März 2016 (VI ZR 516/14) nunmehr auch an der hinreichenden Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Klagefehle.

Entscheidungsgründe:


9
Die Revision hat keinen Erfolg.
10
I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in VersR 2015, 1159 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, die beabsichtigte Klage falle unter das versicherte Risiko. Der Versicherungsschutz umfasse nach § 26 (3) der ARB auch Vertragsrecht im Sinne des § 2 d) der ARB. Der Anspruch, den der Kläger geltend zu machen beabsichtige, habe seine Grundlage in einem schuldrechtlichen Vertragsverhältnis.
11
Die Klausel des § 3 (3) d) der ARB schließe die Rechtsangelegenheit nicht vom Versicherungsschutz aus. Dabei könne offen bleiben, ob es sich bei der beabsichtigten Klage allein um die Geltendmachung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs handele oder um eine einen schuldrechtlichen Anspruch betreffende Enteignungsangelegenheit. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer, dessen Sicht maßgeblich sei, werde unter Berücksichtigung der Verklammerung der in § 3 (3) d) der ARB aufgeführten Begriffe den Schluss ziehen, dass hier ein Leistungsausschluss nur für Enteignungen im Zusammenhang mit Grundeigentum vorgenommen werde. Im allgemeinen Sprachgebrauch werde der Begriff Enteignung typischerweise bezogen auf körperliche Gegenstände verwendet. Dass sich nach juristischen Kriterien Enteignungen auch auf schuldrechtliche Ansprüche beziehen könnten, sei dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht geläufig.
12
Der Bezug zu Grundstücksangelegenheiten ergebe sich aus der Verwendung des Enteignungsbegriffs gemeinsam mit den Begriffen Planfeststellungs -, Flurbereinigungs- und im Baugesetzbuch geregelte Angelegenheiten. Letztere drei beträfen eindeutig Grundstücksangelegenheiten. Die sprachliche Verknüpfung durch den gemeinsamen Begriff "Angelegenheiten" begründe dabei einen besonders engen Zusammenhang.
13
Ein solches Verständnis lege auch der systematische Aufbau von § 3 (3) der ARB nahe. Die dort unter den jeweiligen Alternativen a) bis e) geregelten Ausschlüsse bezögen sich jeweils auf einen einheitlichen Regelungsgegenstand , der bei Buchstabe d) in "Grundstücksangelegenheiten" bestehe.
14
Im Übrigen ergebe sich aus der gebotenen engen Auslegung von Ausschlussklauseln, dass Enteignungen oder enteignungsgleiche Eingriffe bezogen auf schuldrechtliche Ansprüche nicht erfasst würden. Selbst wenn man eine gegenteilige Auslegung für möglich erachtete, verbliebe es als Folge des Günstigkeitsprinzips dabei, dass § 3 (3) d) der ARB nicht zum Ausschluss des Versicherungsschutzes führt.
15
II. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
16
1. Der Antrag des Klägers, die Beklagte zu verurteilen, ihm "Rechtsschutz zu bewilligen", ist so auszulegen, dass die Feststellung begehrt wird, die Beklagte sei zur Gewährung von Versicherungsschutz verpflichtet (vgl. Senatsurteil vom 20. Oktober 1982 - IVa ZR 48/81, VersR 1983, 125 unter I).
17
2. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, die beabsichtigte Rechtsverfolgung falle unter die Leistungsart "Vertragsrecht" im Sinne des § 2 d) der ARB.
18
a) Als Voraussetzung für das Bestehen von Versicherungsschutz muss der Versicherungsnehmer schlüssig darlegen, dass der von ihm verfolgte Anspruch aus einem Rechtsverhältnis herrührt, das in den Schutzbereich seines Versicherungsvertrages fällt (Harbauer/Stahl, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 2 ARB 2000 Rn. 4; vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Januar 1961 - II ZR 249/58, VersR 1961, 121 m.w.N. zur Haftpflichtversicherung). Der Rechtsschutz nach § 2 d) der ARB umfasst privatrechtliche Schuldverhältnisse aller Art (Harbauer/Stahl, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 2 ARB 2000 Rn. 160).
19
b) Diese Anforderungen hat der Kläger erfüllt. Er hat vorgetragen, fällige privatrechtliche Zahlungsansprüche gegen die Hellenische Republik aus von ihr begebenen Inhaberschuldverschreibungen zu verfolgen (zur Leistungsart Vertrags-Rechtsschutz in § 2 d) ARB 2000 bei Wertpapierrechtsverhältnissen vgl. Harbauer/Stahl, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 2 ARB 2000 Rn. 165). Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus dem Klägervortrag nicht, dass er seinen schuldrechtli- chen Anspruch aus den erworbenen Anleihen als erloschen betrachtet und Entschädigungsansprüche aus einem enteignungsgleichen Eingriff geltend macht. Nach der im Klageentwurf und im Begleitschreiben an den Versicherer geäußerten Auffassung besteht der schuldrechtliche Anspruch fort, weil der Greek Bondholder Act wegen Verstoßes gegen den ordre public nicht angewendet werden dürfe und überdies die für die Durchführung des Umtauschs erforderliche Quote nicht erreicht worden sei. Die beabsichtigte Verfolgung vertragsrechtlicher Ansprüche ist nicht deshalb zu verneinen, weil der Kläger inseinem Entwurf der Klageschrift bereits in großem Umfang zu auf den Greek Bondholder Act gestützten Einwendungen der Hellenischen Republik Stellung nimmt und im Hinblick hierauf sowohl dieses Gesetz als auch den Umtausch der Anleihen einer rechtlichen Bewertung unterzieht.
20
3. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Anspruch nicht durch § 3 (3) d) der ARB des Versicherers ausgeschlossen ist.
21
a) Wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, ist der Begriff "Enteignungsangelegenheiten" aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers so zu verstehen, dass er nur Enteignungen erfasst, die - anders als im Streitfall - einen Grundstücksbezug aufweisen (a.A. LG Düsseldorf r+s 2013, 550, 551 f. und LG Hannover r+s 2015, 135).
22
aa) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht (Se- natsurteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85; st. Rspr.). Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Dieser Grundsatz erfährt jedoch eine Ausnahme, wenn die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet. In diesen Fällen ist anzunehmen , dass auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen. Ein von der Rechtssprache abweichendes Verständnis kann allerdings dann in Betracht kommen, wenn das allgemeine Sprachverständnis von der Rechtssprache in einem Randbereich deutlich abweicht oder wenn der Sinnzusammenhang der Versicherungsbedingungen etwas anderes ergibt (Senatsurteile vom 21. Mai 2003 - IV ZR 327/02, r+s 2003, 362 unter 2 a; vom 8. Dezember 1999 - IV ZR 40/99, VersR 2000, 311 unter II 4 b aa).
23
bb) (1) Ausgangspunkt der Auslegung ist der Klauselwortlaut (Senatsurteil vom 11. Dezember 2002 - IV ZR 226/01, BGHZ 153, 182,186). Der verwendete Begriff "Enteignung" verweist zwar auf rechtliche Kategorien. Der zusätzliche, in hohem Maße interpretationsbedürftige und interpretationsfähige Ausdruck "Angelegenheiten" führt aber dazu, dass ein fest umrissener Begriff der Rechtssprache nicht anzunehmen ist (vgl. Senatsurteil vom 21. Mai 2003 - IV ZR 327/02, r+s 2003, 362 unter 2 b aa zum Ausdruck "Bereich").
24
(2) Demgemäß kommt es für die Auslegung auf die Verständnismöglichkeiten und auch auf die Interessen des durchschnittlichen Versicherungsnehmers an. Bei Risikoausschlüssen geht das Interesse des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass eine Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 269/14, VersR 2016, 41 Rn. 38 und vom 8. Mai 2013 - IV ZR 233/11, VersR 2013, 853 Rn. 41; Senatsbeschluss vom 11. September 2013 - IV ZR 259/12, VersR 2013, 1395 Rn. 12; jeweils m.w.N.).
25
(3) Die Ausschlussklausel verfolgt den - für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren - Zweck, die erfahrungsgemäß besonders kostenträchtigen und im Kostenrisiko schwer überschaubaren Streitigkeiten von der Versicherung auszunehmen, von denen nur ein regional begrenzter Kreis von Rechtsinhabern betroffen ist (vgl. Harbauer/ Maier, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 3 ARB 2000 Rn. 161; OLG Karlsruhe r+s 1999, 70, 72 zu § 4 (1) r) ARB 1984), weil sich die aufgezählten hoheitlichen Maßnahmen oder Planungen nachteilig auf Grundstücke oder Rechte an Grundstücken auswirken (vgl. Looschelders in Looschelders/Paffenholz, ARB § 3 ARB 2010 Rn. 156; Obarowski in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 37 Rn. 338). Das nur dieser Minderheit drohende hohe Kostenrisiko soll nicht der Risikogemeinschaft aller Versicherten aufgebürdet werden (vgl. Harbauer/Maier aaO Rn. 147).
26
(4) Die gewählte Ausdrucksweise und Systematik sprechen ebenfalls für diese Begrenzung des Anwendungsbereiches der Ausschlussklausel. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erkennt, dass die in § 3 der ARB vom Versicherungsschutz ausgenommenen Risiken zu Gruppen zusammengefasst sind. Die Zusammenfassung wird bei § 3 (3)
d) der ARB neben der Aufzählung unter einem gemeinsamen Buchsta- ben durch die sprachliche Verknüpfung mit dem Begriff "Angelegenheiten" vorgenommen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird davon ausgehen, dass die Angelegenheiten wegen einer allen Elementen der jeweiligen Aufzählung innewohnenden Gemeinsamkeit zusammengefasst wurden. Als die Aufzählung in § 3 (3) d) der ARB verbindende Gemeinsamkeit wird er den Grundstücksbezug ausmachen, der bei Planfeststellungs -, Flurbereinigungs- und im Baugesetzbuch geregelten Angelegenheiten gegeben ist. Anders als die Revision meint, wird er nicht annehmen, dass die Zusammenfassung auf dem Enteignungscharakter beruht, weil Enteignungen mit im Baugesetzbuch geregelten Angelegenheiten nicht typischerweise verbunden sind.
27
(5) Das Geltendmachen von Zahlungsansprüchen im Zusammenhang mit einem gesetzlich angeordneten Umtausch von Inhaberschuldverschreibungen eines Staates ist deshalb bei der gebotenen engen Auslegung von Risikoausschlussklauseln nicht als Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Enteignungsangelegenheiten im Sinne des § 3 (3) d) der ARB des Versicherers anzusehen (so zu wortgleichen Bedingungen LG Bonn r+s 2015, 232; Cornelius-Winkler, jurisPR-VersR 2/2014 Anm. 6; Schimikowski, r+s 2013, 552; a.A. LG Hannover r+s 2015, 135 zu § 4 (1) r) ARB 1975/2002; LG Düsseldorf r+s 2013, 550, 551; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 3 ARB 2010 Rn. 72; Obarowski in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 37 Rn. 344a).
28
b) Unabhängig hiervon könnte die in Rede stehende Ausschlussklausel im Streitfall selbst dann nicht zum Zuge kommen, wenn man ihr Eingreifen grundsätzlich auch außerhalb der Enteignung von Grundstücken für möglich hielte.
29
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird die Regelung bei der gebotenen engen Auslegung nämlich jedenfalls so verstehen, dass eine Enteignungsangelegenheit nur dann vorliegt, wenn er sich unmittelbar gegen eine enteignende oder enteignungsgleiche Maßnahme zur Wehr setzen will, wie z.B. durch Feststellungs- oder Anfechtungsklagen vor den Verwaltungsgerichten, oder wenn er Ansprüche (etwa auf Entschädigung ) geltend machen will, die erst auf dieser hoheitlichen Maßnahme beruhen, nicht aber, wenn er einen Anspruch verfolgen und durchsetzen will, der bereits unabhängig von der enteignenden Maßnahme entstanden ist und durchgesetzt werden soll und dem eine hoheitliche Maßnahme lediglich im Wege einer Einwendung entgegengehalten wird. Er wird nicht annehmen, dass sich das Vorliegen einer Enteignungsangelegenheit nach den Einwendungen bestimmt, mit denen der Gegner sich gegenüber dem Anspruch, den der Versicherungsnehmer im Aktivprozess zu verfolgen beabsichtigt, verteidigt.
30
Dementsprechend ist auch nach der neueren Senatsrechtsprechung für die Bestimmung der Angelegenheit, in der der Versicherungsnehmer seine rechtlichen Interessen verfolgen will, nur der Tatsachenvortrag entscheidend, mit dem er seinen Anspruch begründet. Darauf, welche Einwendungen der Gegner dem entgegenhält, kommt es für die Bestimmung des Versicherungsfalles nicht an (Senatsurteil vom 25. Februar 2015 - IV ZR 214/14, VersR 2015, 485 Rn. 14 ff.). Anderenfalls hätte es der am Rechtsschutzversicherungsvertrag nicht beteiligte Dritte als Außenstehender in der Hand, durch die Wahl seiner Verteidigung dem Versicherungsnehmer den Rechtsschutz zu entziehen (Senat aaO Rn. 16).
31
Im Streitfall verlangt der Kläger, wie ausgeführt, eine Zahlung aus den 2010 erworbenen Anleihen und begründet diesen Zahlungsanspruch nicht damit, eine Entschädigung wegen der Enteignung im Hinblick auf diese Wertpapiere zu verfolgen. Gegenstand seines Begehrens, für das er Deckung begehrt, ist danach gerade nicht die hoheitliche Maßnahme, die dem Anspruch als Einwendung entgegengehalten wird, hier der Greek Bondholder Act, auf den sich die Hellenische Republik beruft, um den Erfüllungsanspruch aus der ursprünglich begebenen Anleihe nicht erfüllen zu müssen.
32
III. Schließlich scheitert der Klageanspruch nicht an einer fehlenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage.
33
1. Nach § 18 (1) b) der ARB ist ein derartiger Einwand dem Versicherungsnehmer unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Das ist hier nicht geschehen; die Beklagte hat ihre Leistungsablehnung in ihren Schreiben vom 13. Januar 2014 und vom 28. Januar 2014 ausschließlich darauf gestützt, dass es sich um eine Enteignungsangelegenheit im Sinne der Ausschlussklausel handele. Wird der Einwand fehlender Erfolgsaussicht nicht in der gebotenen Form und Frist erhoben, so hat dies den Verlust dieses Ablehnungsrechts zur Folge (Senatsurteil vom 19. März 2003 - IV ZR 139/01, VersR 2003, 638 unter 2 a aa, juris Rn. 13).
34
2. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. März 2016 (VI ZR 516/14), mit dem eine Schadensersatzklage gegen die Hellenische Republik für unzulässig erachtet wurde, ändert daran für den Streitfall nichts.
35
a) Insoweit kann es dahinstehen, ob hierin eine auch den Streitfall erfassende Umgestaltung der Rechtslage erblickt werden kann - was zweifelhaft sein könnte, weil dort nicht über vertragliche Ansprüche entschieden wurde - und ob eine eventuelle Umgestaltung durch eine höchstrichterliche Entscheidung auch die nachträgliche Erhebung des Einwands rechtfertigen kann (vgl. dazu LG Bonn r+s 2015, 232, 233 juris Rn. 46). Ebenso kann offen bleiben, ob ein hierauf gestützter Einwand gegebenenfalls auch noch im Revisionsverfahren vorgebracht werden kann (vgl. zu einer ähnlichen Problematik Senatsurteil vom 20. Februar 2013 - IV ZR 17/12, juris Rn. 26).
36
b) Denn selbst wenn man beides zugunsten der Beklagten unterstellt , so hätte sie jedenfalls nach Bekanntwerden des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 8. März 2016 den Einwand nunmehr unverzüglich in der gebotenen Form erheben müssen.
37
Insoweit fehlt es zum einen an der erforderlichen Form, weil der Einwand dem Kläger entgegen § 18 (1) b) der ARB nicht schriftlich und mit dem nach § 128 Satz 2 VVG sowie auch § 18 (2) der ARB zwingend vorgeschriebenen Hinweis auf ein Gutachterverfahren mitgeteilt wurde, weshalb das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers nach § 128 Satz 3 VVG weiterhin als anerkannt gilt.
38
Letztlich kommt es aber auch hierauf nicht an, weshalb sich ein Hinweis des Senats nach § 139 ZPO auf die fehlende Form erübrigte, weil der Einwand - worauf der Senat in der Revisionsverhandlung hingewiesen hat - zum anderen nicht mehr unverzüglich erfolgte. Unverzüglich bedeutet, dass die Ablehnung innerhalb des Zeitraums erfolgen muss und auch nur erfolgen kann, den der Versicherer bei sachgerechter, nicht schuldhaft verzögerter Prüfung für seine Entschließung benötigt (Senatsurteil vom 19. März 2003 - IV ZR 139/01, VersR 2003, 638 unter 2 a aa, juris Rn. 13). Insoweit wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum regelmäßig eine Frist von zwei bis drei Wochen angenommen (OLG Frankfurt NJW-RR 1997, 1386, 1387; OLG Köln r+s 1991, 419, 420; 1988, 334, 335; Harbauer/Bauer, ARB 8. Aufl. Vor § 18 ARB 2000 Rn. 8). Diese Frist ist auch im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls nicht länger zu bemessen, da es nicht um die vollständige erstmalige Prüfung der Erfolgsaussichten nach Geltendmachung des Versicherungsfalles ging, sondern allenfalls um die isolierte Prüfung der einzelnen Frage, ob durch ein höchstrichterliches Urteil eine maßgebliche Umgestaltung der Rechtslage herbeigeführt wurde.
39
Zu dem in Rede stehenden Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. März 2016 ist noch am selben Tage eine Pressemitteilung veröffentlicht worden. Seit dem 13. April 2016 war es in vollem Wortlaut bei juris abrufbar. Am 22. bzw. 23. April 2016 ist es in einschlägigen juristischen Fachzeitschriften veröffentlicht worden (ZIP 2016, 789; WM 2016, 734).

Spätestens zu diesem Zeitpunkt wäre eine Prüfung durch die Beklagte veranlasst gewesen. Danach war der Einwand fehlender Erfolgsaussicht unter Berufung auf dieses Urteil in der Revisionsverhandlung vom 22. Juni 2016 verspätet.
Mayen Felsch Lehmann
Dr. Brockmöller Dr. Bußmann
Vorinstanzen:
LG München II, Entscheidung vom 03.07.2014- 10 O 1009/14 Ver -
OLG München, Entscheidung vom 17.04.2015 - 25 U 2925/14 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2016 - IV ZR 245/15

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2016 - IV ZR 245/15

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Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 128 Gutachterverfahren


Für den Fall, dass der Versicherer seine Leistungspflicht verneint, weil die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete oder mutwillig sei, hat der Versicherungsvertrag ein Gutachterverfahren oder ein anderes
Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2016 - IV ZR 245/15 zitiert 4 §§.

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Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

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Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2019 - IV ZR 59/18

bei uns veröffentlicht am 10.04.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL IV ZR 59/18 Verkündet am: 10. April 2019 Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2017 - XI ZR 247/16

bei uns veröffentlicht am 19.12.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 247/16 Verkündet am: 19. Dezember 2017 Herrwerth Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2017:191217UXIZR247.16.0 D

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 327/02 Verkündet am:
21. Mai 2003
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
AVB f. Rechtsschutzvers. (ARB 75) § 4 Abs. 1 c
Das Geltendmachen von Ansprüchen aus § 45 BörsG ist nicht als Wahrnehmung
rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften
anzusehen.
BGH, Urteil vom 21. Mai 2003 - IV ZR 327/02 - LG Hannover
AG Hannover
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting und Seiffert und die
Richterinnen Ambrosius und Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Mai 2003

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 19. August 2002 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 21. Januar 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit Dezember 1999 eine Rechtsschutzversicherung, die Verkehrsrechtsschutz und Familienrechtsschutz umfaßt. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Rechtsschutzversicherung (ARB 1975/2000, künftig : AVB) zugrunde, die - soweit hier von Interesse - mit den ARB 75

übereinstimmen. Der Kläger begehrt Rechtsschutz für eine inzwischen in erster Instanz beim Landgericht Frankfurt am Main anhängige Klage auf Schadensersatz gegen die Deutsche Telekom AG. Er hat im Rahmen des dritten Börsenganges der Deutschen Telekom AG im Juli 2000 500 Aktien erworben. Er stützt seinen Schadensersatzanspruch in erster Linie auf § 45 BörsG in der Fassung des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes vom 24. März 1998 (BGBl. I 529). Er behauptet, der im Mai 2000 veröffentlichte Börsenzulassungsprospekt sei unrichtig gewesen, weil in der Bilanz der Deutschen Telekom AG der Immobilienbesitz erheblich zu hoch bewertet worden sei.
Die Beklagte hat die erbetene Kostenzusage abgelehnt, weil sich der Versicherungsschutz nach § 4 Abs. 1c AVB nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften beziehe. Erstmals im Deckungsprozeß stützt sie ihre Ablehnung auch auf fehlende Erfolgsaussicht der Klage gegen die Deutsche Telekom AG.
Der Kläger verlangt unter Abzug einer Selbstbeteiligung die Erstattung von verauslagten Prozeßkosten in Höhe von 300 DM. Die Beklagte hat Widerklage erhoben mit dem Antrag festzustellen, daß sie nicht verpflichtet sei, den Kläger von den weiteren Kosten freizustellen, die diesem bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Deutsche Telekom AG wegen des Wertverlustes der von ihm im Juli 2000 erworbenen Aktien der Deutschen Telekom AG entstehen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen, das Landgericht hat gegenteilig entschieden (NVersZ 2002, 578). Mit der

zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg. Die Beklagte hat dem Kläger für die auf Zahlung von 28.949,02 DM/14.801,40 gegen die Deutsche Telekom AG bedingungsgemäß Rechtsschutz zu gewähren. Der Anspruch ist entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht durch § 4 Abs. 1c AVB ausgeschlossen.
1. Der Versicherungsschutz umfaßt nach § 25 Abs. 2a i.V. mit § 14 Abs. 1 AVB die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen. Unter gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen sind Rechtsnormen zu verstehen, die unabhängig vom Willen der beteiligten Parteien an die Verwirklichung eines dem Anspruch zugrunde liegenden Schadenereignisses Rechtsfolgen knüpfen (vgl. zu § 1 Nr. 1 AHB Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 - IV ZR 40/99 - VersR 2000, 311 unter II 3a). Bei § 45 BörsG handelt es sich um eine solche auf die Leistung von Schadensersatz gerichtete gesetzliche Haftpflichtbestimmung, und zwar sowohl nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers wie nach allgemeiner Ansicht in Rechtslehre und Rechtspraxis (vgl. Baumbach/Hopt, HGB 30. Aufl. BörsG § 45 Rdn. 10, 11; Groß, Kapitalmarktrecht §§ 45, 46 BörsG Rdn. 53, 54; Grundmann in Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. § 112 Rdn. 62; Sittmann, NJW 1998, 3761 ff.; Krämer/Baudisch, WM 1998,

1161, 1163; BGHZ 139, 225, 228 zu der bis 31. März 1998 geltenden Fassung; LG München I NJW 2002, 1807 f.).
Die Revisionserwiderung meint unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 17. Oktober 1984 (IVa ZR 78/83 - VersR 1985, 32), § 45 BörsG sei keine gesetzliche Haftpflichtbestimmung im Sinne der Versicherungsbedingungen , weil es sich bei der Vorschrift um gesetzlich geregelte Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo beim Eingehen eines körperschaftlichen Rechtsverhältnisses handele. Damit kann die Rechtsnatur von § 45 BörsG als auf Leistung von Schadensersatz gerichtete gesetzliche Haftpflichtbestimmung aber nicht in Frage gestellt werden. Es kann allenfalls darum gehen, ob ein darauf gestützter Anspruch vom Risikoausschluß der Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften nach § 4 Abs. 1c AVB erfaßt wird. Dementsprechend hat der Senat im Urteil vom 17. Oktober 1984 (aaO unter II 1) den Anspruch aus culpa in contrahendo auch bei der Reichweite des Risikoausschlusses für die Interessenwahrnehmung aus Spiel- und Wettverträgen nach § 4 Abs. 1g ARB 75 behandelt.
2. Der Anspruch auf Deckungsschutz ist nicht nach § 4 Abs. 1c AVB ausgeschlossen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines

Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Dieser Grundsatz erfährt je- doch eine Ausnahme, wenn die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet. In diesen Fällen ist anzunehmen, daß auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen. Ein von der Rechtssprache abweichendes Verständnis kann allerdings dann in Betracht kommen, wenn das allgemeine Sprachverständnis von der Rechtssprache in einem Randbereich deutlich abweicht oder wenn der Sinnzusammenhang der Versicherungsbedingungen etwas anderes ergibt (Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 aaO unter II 4 b aa).

b) aa) Die Formulierung "Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften" verweist zwar auf rechtliche Kategorien. Damit verbindet die Rechtssprache aber keinen fest umrissenen Begriff. Es ist schon zweifelhaft , ob das "Recht der Handelsgesellschaften" ein in seinen Konturen eindeutig festgelegter Begriff ist, der - soweit hier von Bedeutung - etwa nur das Aktiengesetz meint oder auch alle sonstigen Rechtsnormen, die dem Aktienrecht zugeordnet werden können. Der zusätzliche, in hohem Maße interpretationsbedürftige und interpretationsfähige Ausdruck "Bereich" führt jedenfalls dazu, daß ein fest umrissener Begriff der Rechtssprache nicht anzunehmen ist.
bb) Demgemäß kommt es für die Auslegung darauf an, was aus der Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers zum Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften gehört. Er erkennt, daß es dabei um eine an rechtlichen Maßstäben ausgerichtete Zuordnung geht, mit der gewisse Risiken vom Versicherungsschutz ausgenommen werden. We-

gen der Verweisung auf rechtliche Kriterien wird und darf er annehmen, daß die vom Versicherungsschutz ausgeschlossene Interessenwahrnehmung jedenfalls keine Tatbestände betrifft, die nach allgemeiner Rechtsauffassung nicht zum Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften , sondern zu einem anderen Rechtsbereich gehören.
So verhält es sich bei den Ansprüchen aus § 45 BörsG. Sie sind nach allgemeiner Rechtsauffassung nicht dem Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften zuzuordnen, sondern dem Bereich des Kapitalmarktrechts. Zwischen Gesellschaftsrecht und sonstigem Privatrecht gibt es zwar aufgrund von Zusammenhängen und gemeinsamer Grundlagen einen Überschneidungsbereich, in dem eine eindeutige Zuordnung von Problemen häufig nicht möglich sein wird. In der Rechtslehre und in der Rechtspraxis wird jedoch seit längerer Zeit eine klare Trennung zwischen Kapitalmarktrecht und Gesellschaftsrecht vorgenommen. Dabei wird das Börsen- und Wertpapierhandelsrecht eindeutig dem Kapitalmarktrecht zugeordnet (vgl. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht 4. Aufl. § 1 II 3; Pötsch, WM 1998, 949 ff.; Meixner, NJW 1998, 1896 ff.; Weber, NJW 2000, 2061 ff.). Assmann (in Handbuch des Kapitalanlagerechts § 1 Rdn. 71) und Weber (NJW 2000, 2061, 2065) bezeichnen das Emissionsrecht als Herzstück einer jeden kapitalmarktrechtlichen Regelung. Auch der Gesetzgeber hat dies so gesehen. Die Änderung des Börsengesetzes , auf der die ab 1. April 1998 geltende Fassung der §§ 45 ff. beruht, war Bestandteil des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes vom 24. März 1998. Die Änderungen der börsenrechtlichen Vorschriften sollten nach den Vorstellungen des Gesetzgebers dazu beitragen, den Aktienhandel zu fördern, den Emittenten den Börsenzugang zu erleichtern,

die Wettbewerbsposition der Börsen zu stärken und den Anlegerschutz zu verbessern (BT-Drucks. 13/8933 S. 55 ff.).
cc) Ein davon abweichendes Verständnis wird auch der juristisch nicht gebildete Versicherungsnehmer, der sich für den Erwerb von Wertpapieren als Kapitalanlage interessiert, nicht in Betracht ziehen. Aus seiner Sicht geht es in diesem Stadium erst um den Kauf von Aktien und nicht um die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus einer späteren Stellung als Aktionär. Daher wird er entgegen der Revisionserwiderung den Anspruch aus § 45 BörsG nicht etwa deshalb als zum Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften gehörig ansehen, weil er nach dem Erwerb der Aktie als Aktionär an einer Handelsgesellschaft beteiligt ist. Schon der Wortlaut des Gesetzes steht dem entgegen. Die §§ 45, 46 BörsG sprechen vom Erwerbspreis, dem Erwerb und dem Erwerbsgeschäft. Dem Gesetz ist auch ohne weiteres zu entnehmen, daß der haftungsbegründende Vorgang - der Erlaß und die Herausgabe des unrichtigen Prospekts - vor dem Zeitpunkt des Erwerbs liegt. Damit kommt klar zum Ausdruck, daß die Vorschriften nicht Ansprüche des Erwerbers als Aktionär, sondern als Teilnehmer am Kapitalmarkt betreffen. Er soll in seinem vor dem Erwerb gefaßten Vertrauen auf einen richtigen Prospekt geschützt werden, und zwar unabhängig davon, ob im Sinne der bürgerlich -rechtlichen culpa in contrahendo Vertragsverhandlungen stattgefunden oder ihm die Prospektverantwortlichen persönlich gegenübergetreten sind (vgl. BGHZ 123, 106, 109 und BGHZ 79, 337, 341 f., 348).
dd) Das Geltendmachen von Ansprüchen aus § 45 BörsG ist deshalb nicht als Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften anzusehen (vgl. Prölss in Prölss/

Martin, VVG 26. Aufl. § 4 ARB 75 Rdn. 4 und Harbauer, Rechtsschutz- versicherung 6. Aufl. § 4 ARB 75 Rdn. 23 a.E.), jedenfalls nicht bei der gebotenen engen Auslegung von Risikoausschlußklauseln (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98 - VersR 1999, 748 unter 2 a und zum Erwerbsrisiko bei der Baurisikoklausel des § 4 Abs. 1k ARB 75 das Senatsurteil vom 19. Februar 2003 - IV ZR 318/02 - VersR 2003, 454 unter II 1 und 2).
3. Auf fehlende Erfolgsaussicht kann sich die Beklagte für die Ablehnung nicht berufen. Dies ist ihr schon deshalb verwehrt, weil sie die darauf gestützte Ablehnung dem Kläger nicht unverzüglich mitgeteilt hat (vgl. Senatsurteil vom 19. März 2003 - IV ZR 139/01 - unter 2, zur Veröffentlichung bestimmt). Der Kläger hat der Beklagten zwar seinerzeit keinen Klageentwurf übermittelt. Die Beklagte hat aber nicht geltend gemacht , den Kläger gemäß § 15 Abs. 1a AVB um weitere Informationen gebeten zu haben. Mit denselben Gründen, mit denen die Beklagte jetzt die Erfolgsaussichten verneint, hätte sie es bereits vorgerichtlich unverzüglich tun können.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Ambrosius Dr. Kessal-Wulf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 226/01 Verkündet am:
11. Dezember 2002
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
_____________________
AHB § 1 Ziff. 1; WEG § 14 Nr. 4 Halbsatz 2
1. § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG ist ein Schadensersatzanspruch i.S. von § 1 Ziff. 1
AHB.
2. Der Risikoausschluß für "Schäden am Gemeinschafts-, Sonder- und Teileigentum"
nimmt nur den unmittelbaren Sachschaden, nicht jedoch Folgeschäden von
der Leistungspflicht aus.
BGH, Urteil vom 11. Dezember 2002 - IV ZR 226/01 - Hans. OLG Hamburg
LG Hamburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Dr. Schlichting, die Richterin Ambrosius
und die Richter Wendt und Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Dezember 2002

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 21. August 2001 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie verlangen von dem beklagten Haftpflichtversicherer Ersatz für bereits erbrachte sowie Freistellung von noch zu erbringenden Ausgleichszahlungen an einzelne Wohnungseigentümer wegen Beeinträchtigungen des jeweiligen Sondereigentums.
Dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag für Haus- und Grundbesitzer-Haftpflicht liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) sowie Besondere Bedingungen des Beklagten (BB) zugrunde. Unter Teil A "Haus- und

Grundbesitzer-Haftpflicht" der Besonderen Bedingungen ist in Ziff. 4 d zum Umfang des Versicherungsschutzes u.a. vereinbart: "Eingeschlossen sind - abweichend von § 4 Ziff. II 2 AHB in Verbindung mit § 7 Ziff. 1 AHB - .....
2) Ansprüche eines einzelnen Wohnungseigentümers gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer; ..... Ausgeschlossen bleiben Schäden am Gemeinschafts-, Sonder- und Teileigentum." Anläßlich einer Wohnungsrenovierung im Herbst 1998 wurde am gemeinschaftlichen Eigentum echter Hausschwamm festgestellt. Die betroffenen Gebäudeteile wurden saniert, wobei raumweise Zwischendekken entfernt, Balkone abgebrochen, Wandputz abgeschlagen, Teppichböden entfernt und Heizkörper demontiert werden mußten. Die Kosten der Wiederherstellung des Gemeinschaftseigentums sowie der Wohnungen der betroffenen Wohnungseigentümer trugen die Kläger gemeinschaftlich. Weiterhin ersetzten sie der Klägerin zu 20) einen Mietzinsausfall für die Zeit von Mitte November 1998 bis Juli 1999 in Höhe von 10.540 DM, der Klägerin zu 16) Mietzinszahlungen für eine von Oktober 1998 bis Ende April 1999 angemietete Ersatzwohnung in Höhe von 6.896,40 DM sowie der Klägerin zu 21) Transportkosten für zwischenzeitlich ausgelagerte Möbel in Höhe von 1.848,44 DM.

Die Kläger verlangen für diese Zahlungen Ersatz. Außerdem begehren sie Freistellung von weiteren Mietausfallkosten, die die Klägerin zu 20) für die Monate August und September 1999 in Höhe von 2.480 DM ihnen gegenüber geltend macht. Der Beklagte lehnt Leistungen ab, weil insoweit kein Versicherungsschutz bestehe.
In beiden Vorinstanzen hatte die Klage hinsichtlich dieser Positionen Erfolg; weitere, von den Klägern erfolglos geltend gemachte Ersatzansprüche sind nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hält den Beklagten im ausgeurteilten Umfang für bedingungsgemäß leistungspflichtig. Bei dem allein in Betracht kommenden Anspruch der Wohnungseigentümer gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aus § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG handele es sich um einen von der Haftpflichtversicherung gedeckten echten Schadensersatzanspruch. Seine verschuldensunabhängige Ausgestaltung und die ihm zugrunde liegenden aufopferungsähnlichen Grundgedanken änderten daran nichts.

Die Mietausfall-, Mietzinszusatz- und Möbeltransportkosten stellten sogenannte unechte Vermögensschäden dar, die zwar im Vermögen des Geschädigten einträten, jedoch adäquat kausal auf einen Sachschaden zurückzuführen seien. Derartige Folgeschäden seien von der Ausschlußklausel in Teil A Ziff. 4 d BB nicht erfaßt. Diese schließe ausdrücklich nur Schäden am Eigentum aus, d.h. an körperlichen Sachen. Folgeschäden würden nicht erwähnt. Die Klausel sei daher aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers so zu verstehen, daß der Ausschluß nur auf den unmittelbaren Sachschaden beschränkt sei.
Das hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.
II. 1. Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es nicht schon an einem den Klägern zuzurechnenden Schadenereignis im Sinne von § 1 Ziff. 1 AHB.
Die Klausel knüpft die Gewährung von Versicherungsschutz zunächst an den Eintritt eines Ereignisses, das einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat. Versicherungsschutz setzt weiter voraus, daß der Versicherungsnehmer für diese Folge - also etwa den Sachschaden - aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Gesetzliche Haftpflichtbestimmungen sind dabei solche, die unabhängig vom Willen der beteiligten Parteien an die Verwirklichung eines unter § 1 Ziff. 1 der Bedingungen fallenden Ereignisses Rechtsfolgen knüpfen (std.

Rspr. des BGH, siehe nur Urteil vom 8. Dezember 1999 - IV ZR 40/99 - VersR 2000, 311 unter II 3 a).
Die Kläger begehren Versicherungsschutz für die Inanspruchnahme durch Wohnungseigentümer, die auf § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG gestützt ist. Unterstellt man, daß diese Vorschrift eine gesetzliche Haftpflichtbestimmung darstellt, die die Gemeinschaft zum Schadensersatz verpflichtet (siehe dazu nachfolgend unter 3.), kann es sich bei dem Schadenereignis nur um ein solches handeln, das ebendiesen Anspruch auszulösen geeignet ist. Damit scheidet der Schwammbefall von vornherein aus, denn für dessen Folgen haben die Kläger aufgrund des § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG dem jeweiligen Wohnungseigentümer keinen Schadensersatz zu leisten. Gleiches gilt für das Duldungsverlangen an sich.
Als Schadenereignis kommt vielmehr allein der Eingriff in die im jeweiligen Sondereigentum der betroffenen Wohnungseigentümer stehenden Gebäudeteile (Putz, Teppichböden, Heizkörper, Balkonbelag, vgl. dazu allgemein Pick in Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl. § 5 Rdn. 27 m.w.N.) in Betracht. Diese Eingriffe waren zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich. Deshalb sind die Wohnungseigentümer gemäß § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG zum Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verpflichtet. Diese Eingriffe sind den Klägern auch haftungsrechtlich zuzurechnen. Daran ändert nichts, daß sie bewußt vorgenommen worden sind. Auch ein vom Versicherungsnehmer gewollt herbeigeführtes Ereignis kann ein Schadenereignis sein. Versicherungsschutz besteht allerdings dann

nicht, wenn dies vorsätzlich und widerrechtlich geschehen ist (vgl. § 152 VVG und § 4 I Ziff. 1 AHB). Das war hier jedoch nicht der Fall. Denn die betroffenen Wohnungseigentümer waren gemäß § 14 Nr. 4 Halbsatz 1 WEG zur Duldung der - mithin rechtmäßigen - Eingriffe verpflichtet.
2. Zutreffend geht das Berufungsgericht auch davon aus, daß § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG eine gesetzliche Haftpflichtbestimmung mit privatrechtlichem Inhalt ist. Die an die Eingriffe in das Sondereigentum geknüpfte Rechtsfolge ist vom Willen der Beteiligten unabhängig. Denn die Kläger haften ohne weiteres für die daraus entstehenden Schäden.
3. Der Anspruch aus § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG ist auch ein Anspruch auf Schadensersatz im Sinne von § 1 Ziff. 1 AHB. Dies ergibt die Auslegung der Klausel.

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung , aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGHZ 123, 83, 85; Senatsurteil vom 25. September 2002 aaO unter 2 a). Verbindet allerdings die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff, ist anzunehmen, daß darunter auch die Versicherungsbedingungen nichts anderes verstehen wollen (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 aaO unter II 4 b aa m.w.N.).


b) Ausgangspunkt der Auslegung ist der Klauselwortlaut. Danach setzt Versicherungsschutz unter anderem voraus, daß der Versicherungsnehmer von einem Dritten "auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird". Den Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse führt der Ausdruck Schadensersatz nicht eindeutig in den Bereich der Rechtssprache, weil es dort keinen, in seinen Konturen eindeutig festgelegten Schadensersatzbegriff gibt; in der Umgangssprache umschreibt der Ausdruck Schadensersatz allgemein den Ausgleich eines erlittenen Nachteils (Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 aaO unter II 4 b bb). Dementsprechend kann der Versicherungsnehmer unabhängig davon, wie die einschlägige gesetzliche Haftpflichtbestimmung diese Rechtsfolge beschreibt, nach § 1 Ziff. 1 AHB Versicherungsschutz jedenfalls dann erwarten, wenn der Anspruch auf Ausgleich des eingetretenen Schadens im Wege der Wiederherstellung des Zustands vor dem Schadenereignis gerichtet ist (Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 aaO unter II 4 b cc). Deshalb besteht etwa Versicherungsschutz für einen Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB, der dieselbe wiederherstellende Wirkung hat wie ein auf Naturalrestitution gerichteter Schadensersatzanspruch (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 aaO unter II 4 b cc und 5). Gleiches gilt für einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1999 - V ZR 377/98 - VersR 1999, 1139 unter II 2).

c) Nach diesen Grundsätzen sind auch die gegen die Kläger geltend gemachten Ansprüche solche auf Schadensersatz im Sinne von § 1 Ziff. 1 AHB. § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG sieht als Rechtsfolge die Pflicht vor, den durch den Eingriff entstandenen Schaden zu ersetzen. Darauf

finden die allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff. BGB über Art, Inhalt und Umfang der Schadensersatzleistung uneingeschränkte Anwendung (BayObLG NJW-RR 1994, 1104,1105; KG ZMR 2000, 335 m.w.N.). Zu ersetzen sind danach die Vermögenseinbußen durch zusätzliche Mietzinszahlungen und Möbeltransportkosten, sowie der entgangene Mietzins (§ 249 Abs. 1, 252 BGB).
Daß der Anspruch aus § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG verschuldensunabhängig ausgestaltet ist und - wie die Regelung zum Notstand in § 904 Satz 2 BGB, der er nachgebildet ist - einen aufopferungsentschädigenden Charakter hat, weil der Geschädigte den Eingriff in sein Eigentum dulden muß (vgl. BayObLGZ 1987, 50; KG aaO; Pick, aaO § 14 WEG Rdn. 60; Lüke in Weitnauer, WEG, 8. Aufl. § 14 Rdn. 8), steht der Einordnung als Anspruch auf Schadensersatz im Sinne des § 1 Ziff. 1 AHB nicht entgegen. Den Bedingungen ist nicht zu entnehmen, daß der Versicherungsschutz auf Schadensersatzansprüche beschränkt sein soll, die ein widerrechtliches und dem Versicherungsnehmer vorwerfbares Verhalten voraussetzen. Dementsprechend ist in der Literatur seit langem einhellig anerkannt, daß Schadensersatzansprüche im Sinne von § 1 Ziff. 1 AHB grundsätzlich auch solche sein können, die - wie etwa die Ansprüche aus §§ 228 Satz 2, 904 Satz 2 BGB - Ersatz für von Dritten zu duldende Beeinträchtigungen gewähren (vgl. Voit in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 1 AHB Rdn. 7; Späte, AHB § 4 Rdn. 205; Littbarski, AHB § 4 Rdn. 369; BK-Baumann, VVG § 149 Rdn. 53; Bruck/Möller/Johannsen, VVG 8. Aufl. Band IV Anm. G 58; Wussow, AHB 8. Aufl. § 1 70 u. 76; Sieg, VersR 1984, 1105, 1107).

III. Entgegen der Auffassung der Revision greift auch der Lei- stungsausschluß in Teil A Ziff. 4 d Satz 2 BB zugunsten des Beklagten nicht ein. Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ist die Klausel so zu verstehen, daß nur unmittelbare Sachschäden, nicht jedoch Folgeschäden von der Leistungspflicht ausgenommen sind.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Risikoausschlußklauseln eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, daß er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne daß die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (Senatsurteile vom 25. September 2002 aaO unter 2 a und vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98 - VersR 1999, 748 unter 2 a, jeweils m.w.N.). Hiervon ausgehend hat der Bundesgerichtshof etwa § 4 I Ziff. 6 b AHB, wonach sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche wegen Schäden bezieht, die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen entstanden sind, so ausgelegt, daß damit nur der unmittelbare Sachschaden von der Leistungspflicht des Versicherers ausgeschlossen ist (BGHZ 88, 228, 231; Senatsurteil vom 17. März 1999 aaO; vgl. auch BGHZ 23, 349, 352 ff.).
2. Zum gleichen Ergebnis führt die Auslegung der Klausel in Teil A Ziff. 4 d Satz 2 BB, soweit danach Schäden einzelner Wohnungseigentümer am Sonder- und Teileigentum ausgeschlossen bleiben.

Die Klausel nennt nach ihrem Wortlaut nur Schäden "am" Eigen- tum, sei es Gemeinschafts-, Sonder- oder Teileigentum. Folgeschäden werden nicht erwähnt. Damit ist aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse nur der unmittelbare Sachschaden von dem Ausschluß erfasst. Es kann dahinstehen , ob es sich bei den verwendeten Ausdrücken um fest umrissene Rechtsbegriffe handelt und ob sie deshalb im Sinne der Rechtssprache zu verstehen sind (vgl. dazu Senat, Urteil vom 8. Dezember 1999 aaO unter II 4 b aa m.w.N. und vorstehend unter III 3 a). Denn sowohl in der Rechtssprache als auch im allgemeinen Sprachgebrauch werden unmittelbare Schäden am verletzten Recht oder Rechtsgut selbst und mittelbare Schäden als Einbußen am sonstigen Vermögen (Vermögensfolgeschäden , unechte Vermögensschäden) unterschieden (vgl. MünchKommBGB-Oetker, 4. Aufl. § 249 Rdn. 94 f.; Staudinger/Schiemann , BGB 13. Bearb. 1998 vor § 249 Rdn. 43 f.; Palandt/Heinrichs, BGB 62. Aufl. vor § 249 Rdn. 15). Dabei wird der Eigentumsbegriff im allgemeinen Sprachgebrauch wie auch im bürgerlichen Recht auf Sachen , also bewegliche oder unbewegliche körperliche Gegenstände, bezogen (vgl. MünchKommBGB/Holch, 4. Aufl. § 90 Rdn. 7 sowie MünchKommBGB /Säcker, 3. Aufl. § 903 Rdn. 1; Palandt/Bassenge, aaO § 903 BGB Rdn. 2). Nur Beeinträchtigungen der Sachsubstanz selbst sind daher , auch aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, als Schäden "am" Eigentum anzusehen.
Danach erfaßt die Ausschlußklausel in Teil A Ziff. 4 d Satz 2 BB Aufwendungen zur Behebung von Schäden an den betroffenen Gebäudebestandteilen. Die streitbefangenen Aufwendungen sind jedoch erst

infolge der Beschädigungen der Sachsubstanz eingetreten. Für derartige mittelbare (Vermögens-) Schäden gilt der Risikoausschluß nach der gebotenen engen Auslegung nicht.
Terno Dr. Schlichting Ambrosius
Wendt Felsch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 327/02 Verkündet am:
21. Mai 2003
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
AVB f. Rechtsschutzvers. (ARB 75) § 4 Abs. 1 c
Das Geltendmachen von Ansprüchen aus § 45 BörsG ist nicht als Wahrnehmung
rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften
anzusehen.
BGH, Urteil vom 21. Mai 2003 - IV ZR 327/02 - LG Hannover
AG Hannover
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting und Seiffert und die
Richterinnen Ambrosius und Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Mai 2003

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 19. August 2002 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 21. Januar 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit Dezember 1999 eine Rechtsschutzversicherung, die Verkehrsrechtsschutz und Familienrechtsschutz umfaßt. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Rechtsschutzversicherung (ARB 1975/2000, künftig : AVB) zugrunde, die - soweit hier von Interesse - mit den ARB 75

übereinstimmen. Der Kläger begehrt Rechtsschutz für eine inzwischen in erster Instanz beim Landgericht Frankfurt am Main anhängige Klage auf Schadensersatz gegen die Deutsche Telekom AG. Er hat im Rahmen des dritten Börsenganges der Deutschen Telekom AG im Juli 2000 500 Aktien erworben. Er stützt seinen Schadensersatzanspruch in erster Linie auf § 45 BörsG in der Fassung des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes vom 24. März 1998 (BGBl. I 529). Er behauptet, der im Mai 2000 veröffentlichte Börsenzulassungsprospekt sei unrichtig gewesen, weil in der Bilanz der Deutschen Telekom AG der Immobilienbesitz erheblich zu hoch bewertet worden sei.
Die Beklagte hat die erbetene Kostenzusage abgelehnt, weil sich der Versicherungsschutz nach § 4 Abs. 1c AVB nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften beziehe. Erstmals im Deckungsprozeß stützt sie ihre Ablehnung auch auf fehlende Erfolgsaussicht der Klage gegen die Deutsche Telekom AG.
Der Kläger verlangt unter Abzug einer Selbstbeteiligung die Erstattung von verauslagten Prozeßkosten in Höhe von 300 DM. Die Beklagte hat Widerklage erhoben mit dem Antrag festzustellen, daß sie nicht verpflichtet sei, den Kläger von den weiteren Kosten freizustellen, die diesem bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Deutsche Telekom AG wegen des Wertverlustes der von ihm im Juli 2000 erworbenen Aktien der Deutschen Telekom AG entstehen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen, das Landgericht hat gegenteilig entschieden (NVersZ 2002, 578). Mit der

zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg. Die Beklagte hat dem Kläger für die auf Zahlung von 28.949,02 DM/14.801,40 gegen die Deutsche Telekom AG bedingungsgemäß Rechtsschutz zu gewähren. Der Anspruch ist entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht durch § 4 Abs. 1c AVB ausgeschlossen.
1. Der Versicherungsschutz umfaßt nach § 25 Abs. 2a i.V. mit § 14 Abs. 1 AVB die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen. Unter gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen sind Rechtsnormen zu verstehen, die unabhängig vom Willen der beteiligten Parteien an die Verwirklichung eines dem Anspruch zugrunde liegenden Schadenereignisses Rechtsfolgen knüpfen (vgl. zu § 1 Nr. 1 AHB Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 - IV ZR 40/99 - VersR 2000, 311 unter II 3a). Bei § 45 BörsG handelt es sich um eine solche auf die Leistung von Schadensersatz gerichtete gesetzliche Haftpflichtbestimmung, und zwar sowohl nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers wie nach allgemeiner Ansicht in Rechtslehre und Rechtspraxis (vgl. Baumbach/Hopt, HGB 30. Aufl. BörsG § 45 Rdn. 10, 11; Groß, Kapitalmarktrecht §§ 45, 46 BörsG Rdn. 53, 54; Grundmann in Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. § 112 Rdn. 62; Sittmann, NJW 1998, 3761 ff.; Krämer/Baudisch, WM 1998,

1161, 1163; BGHZ 139, 225, 228 zu der bis 31. März 1998 geltenden Fassung; LG München I NJW 2002, 1807 f.).
Die Revisionserwiderung meint unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 17. Oktober 1984 (IVa ZR 78/83 - VersR 1985, 32), § 45 BörsG sei keine gesetzliche Haftpflichtbestimmung im Sinne der Versicherungsbedingungen , weil es sich bei der Vorschrift um gesetzlich geregelte Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo beim Eingehen eines körperschaftlichen Rechtsverhältnisses handele. Damit kann die Rechtsnatur von § 45 BörsG als auf Leistung von Schadensersatz gerichtete gesetzliche Haftpflichtbestimmung aber nicht in Frage gestellt werden. Es kann allenfalls darum gehen, ob ein darauf gestützter Anspruch vom Risikoausschluß der Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften nach § 4 Abs. 1c AVB erfaßt wird. Dementsprechend hat der Senat im Urteil vom 17. Oktober 1984 (aaO unter II 1) den Anspruch aus culpa in contrahendo auch bei der Reichweite des Risikoausschlusses für die Interessenwahrnehmung aus Spiel- und Wettverträgen nach § 4 Abs. 1g ARB 75 behandelt.
2. Der Anspruch auf Deckungsschutz ist nicht nach § 4 Abs. 1c AVB ausgeschlossen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines

Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Dieser Grundsatz erfährt je- doch eine Ausnahme, wenn die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet. In diesen Fällen ist anzunehmen, daß auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen. Ein von der Rechtssprache abweichendes Verständnis kann allerdings dann in Betracht kommen, wenn das allgemeine Sprachverständnis von der Rechtssprache in einem Randbereich deutlich abweicht oder wenn der Sinnzusammenhang der Versicherungsbedingungen etwas anderes ergibt (Senatsurteil vom 8. Dezember 1999 aaO unter II 4 b aa).

b) aa) Die Formulierung "Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften" verweist zwar auf rechtliche Kategorien. Damit verbindet die Rechtssprache aber keinen fest umrissenen Begriff. Es ist schon zweifelhaft , ob das "Recht der Handelsgesellschaften" ein in seinen Konturen eindeutig festgelegter Begriff ist, der - soweit hier von Bedeutung - etwa nur das Aktiengesetz meint oder auch alle sonstigen Rechtsnormen, die dem Aktienrecht zugeordnet werden können. Der zusätzliche, in hohem Maße interpretationsbedürftige und interpretationsfähige Ausdruck "Bereich" führt jedenfalls dazu, daß ein fest umrissener Begriff der Rechtssprache nicht anzunehmen ist.
bb) Demgemäß kommt es für die Auslegung darauf an, was aus der Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers zum Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften gehört. Er erkennt, daß es dabei um eine an rechtlichen Maßstäben ausgerichtete Zuordnung geht, mit der gewisse Risiken vom Versicherungsschutz ausgenommen werden. We-

gen der Verweisung auf rechtliche Kriterien wird und darf er annehmen, daß die vom Versicherungsschutz ausgeschlossene Interessenwahrnehmung jedenfalls keine Tatbestände betrifft, die nach allgemeiner Rechtsauffassung nicht zum Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften , sondern zu einem anderen Rechtsbereich gehören.
So verhält es sich bei den Ansprüchen aus § 45 BörsG. Sie sind nach allgemeiner Rechtsauffassung nicht dem Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften zuzuordnen, sondern dem Bereich des Kapitalmarktrechts. Zwischen Gesellschaftsrecht und sonstigem Privatrecht gibt es zwar aufgrund von Zusammenhängen und gemeinsamer Grundlagen einen Überschneidungsbereich, in dem eine eindeutige Zuordnung von Problemen häufig nicht möglich sein wird. In der Rechtslehre und in der Rechtspraxis wird jedoch seit längerer Zeit eine klare Trennung zwischen Kapitalmarktrecht und Gesellschaftsrecht vorgenommen. Dabei wird das Börsen- und Wertpapierhandelsrecht eindeutig dem Kapitalmarktrecht zugeordnet (vgl. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht 4. Aufl. § 1 II 3; Pötsch, WM 1998, 949 ff.; Meixner, NJW 1998, 1896 ff.; Weber, NJW 2000, 2061 ff.). Assmann (in Handbuch des Kapitalanlagerechts § 1 Rdn. 71) und Weber (NJW 2000, 2061, 2065) bezeichnen das Emissionsrecht als Herzstück einer jeden kapitalmarktrechtlichen Regelung. Auch der Gesetzgeber hat dies so gesehen. Die Änderung des Börsengesetzes , auf der die ab 1. April 1998 geltende Fassung der §§ 45 ff. beruht, war Bestandteil des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes vom 24. März 1998. Die Änderungen der börsenrechtlichen Vorschriften sollten nach den Vorstellungen des Gesetzgebers dazu beitragen, den Aktienhandel zu fördern, den Emittenten den Börsenzugang zu erleichtern,

die Wettbewerbsposition der Börsen zu stärken und den Anlegerschutz zu verbessern (BT-Drucks. 13/8933 S. 55 ff.).
cc) Ein davon abweichendes Verständnis wird auch der juristisch nicht gebildete Versicherungsnehmer, der sich für den Erwerb von Wertpapieren als Kapitalanlage interessiert, nicht in Betracht ziehen. Aus seiner Sicht geht es in diesem Stadium erst um den Kauf von Aktien und nicht um die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus einer späteren Stellung als Aktionär. Daher wird er entgegen der Revisionserwiderung den Anspruch aus § 45 BörsG nicht etwa deshalb als zum Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften gehörig ansehen, weil er nach dem Erwerb der Aktie als Aktionär an einer Handelsgesellschaft beteiligt ist. Schon der Wortlaut des Gesetzes steht dem entgegen. Die §§ 45, 46 BörsG sprechen vom Erwerbspreis, dem Erwerb und dem Erwerbsgeschäft. Dem Gesetz ist auch ohne weiteres zu entnehmen, daß der haftungsbegründende Vorgang - der Erlaß und die Herausgabe des unrichtigen Prospekts - vor dem Zeitpunkt des Erwerbs liegt. Damit kommt klar zum Ausdruck, daß die Vorschriften nicht Ansprüche des Erwerbers als Aktionär, sondern als Teilnehmer am Kapitalmarkt betreffen. Er soll in seinem vor dem Erwerb gefaßten Vertrauen auf einen richtigen Prospekt geschützt werden, und zwar unabhängig davon, ob im Sinne der bürgerlich -rechtlichen culpa in contrahendo Vertragsverhandlungen stattgefunden oder ihm die Prospektverantwortlichen persönlich gegenübergetreten sind (vgl. BGHZ 123, 106, 109 und BGHZ 79, 337, 341 f., 348).
dd) Das Geltendmachen von Ansprüchen aus § 45 BörsG ist deshalb nicht als Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften anzusehen (vgl. Prölss in Prölss/

Martin, VVG 26. Aufl. § 4 ARB 75 Rdn. 4 und Harbauer, Rechtsschutz- versicherung 6. Aufl. § 4 ARB 75 Rdn. 23 a.E.), jedenfalls nicht bei der gebotenen engen Auslegung von Risikoausschlußklauseln (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98 - VersR 1999, 748 unter 2 a und zum Erwerbsrisiko bei der Baurisikoklausel des § 4 Abs. 1k ARB 75 das Senatsurteil vom 19. Februar 2003 - IV ZR 318/02 - VersR 2003, 454 unter II 1 und 2).
3. Auf fehlende Erfolgsaussicht kann sich die Beklagte für die Ablehnung nicht berufen. Dies ist ihr schon deshalb verwehrt, weil sie die darauf gestützte Ablehnung dem Kläger nicht unverzüglich mitgeteilt hat (vgl. Senatsurteil vom 19. März 2003 - IV ZR 139/01 - unter 2, zur Veröffentlichung bestimmt). Der Kläger hat der Beklagten zwar seinerzeit keinen Klageentwurf übermittelt. Die Beklagte hat aber nicht geltend gemacht , den Kläger gemäß § 15 Abs. 1a AVB um weitere Informationen gebeten zu haben. Mit denselben Gründen, mit denen die Beklagte jetzt die Erfolgsaussichten verneint, hätte sie es bereits vorgerichtlich unverzüglich tun können.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Ambrosius Dr. Kessal-Wulf
38
Bei einem anderen Verständnis der Klausel käme der Aufzählung dreier Vollstreckungstitel im Klammerzusatz anstelle einer vermeintlich verbraucherfreundlichen Erläuterung des Begriffes "vollstreckbarer Titel" in Wahrheit die Funktion eines Ausschlusses der Ausfallversicherungsleistung in Fällen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners zu. Das Versicherteninteresse bei Risikoausschlussklauseln geht in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck einer Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherte braucht nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass eine Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht. (Senatsurteile vom 8. Mai 2013 - IV ZR 233/11, r+s 2013, 382 Rn. 41; vom 23. November 1994 - IV ZR 48/94, VersR 1995, 162 unter 3 b; vom 27. Juni 2012 - IV ZR 212/10, VersR 2012, 1253 Rn. 20). Dem könnte die hier in Rede stehende Aufzählung, die keinerlei Hinweis darauf gibt, dass mit ihr eine weit reichende Einschränkung des Leistungsversprechens verbunden sein soll bei einem abweichenden Verständnis, nicht genügen.
41
Das Versicherteninteresse geht bei Risikoausschlussklauseln in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck einer Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherte braucht nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht. Deshalb sind Risikoausschlussklauseln nach ständiger Rechtsprechung des Senats eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (Senatsurteile vom 23. November 1994 - IV ZR 48/94, VersR 1995, 162 unter 3 b; vom 27. Juni 2012 - IV ZR 212/10, VersR 2012, 1253 Rn. 20).
12
a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung , aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (Senatsurteile vom 11. Dezember 2002 - IV ZR 226/01, BGHZ 153, 182, 185 f.; vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85; jeweils m.w.N.). Das Interesse des Versicherungsnehmers geht bei Risikoausschlussklauseln in der Regel dahin, diese eng und nicht weiter auszulegen , als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeut- licht (siehe nur Senatsurteil vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98, r+s 1999, 192 unter 2 a und ständig). Der Versicherungsnehmer, dem die Entstehungsgeschichte einer Klausel in der Regel nicht bekannt ist, wird zunächst von ihrem Wortlaut ausgehen. Bezugsfertig ist ein Wohngebäude nach dem normalen Sprachgebrauch, wenn es so weit fertiggestellt ist, dass es bestimmungsgemäß von Menschen bezogen und auf Dauer bewohnt werden kann (vgl. dazu auch Wälder, r+s 2012, 5, 7). Mit dem Wortteil "fertig" ist dabei die bauliche Fertigstellung besonders angesprochen. Der Wortlaut des § 6 Nr. 3 a VGB 2003, welcher den Versicherungsschutz einschränkt, "solange das versicherte Gebäude noch nicht bezugsfertig oder wegen Umbauarbeiten für seinen Zweck nicht mehr benutzbar ist", verdeutlicht dem Versicherungsnehmer mit dieser Gegenüberstellung , dass mit der ersten Variante (Bezugsfertigkeit) lediglich die bis zur Neuerrichtung des Gebäudes ausstehende Nutzbarkeit angesprochen ist, während nachfolgende Einschränkungen der zweckentsprechenden Nutzung den Versicherungsschutz lediglich unter den Voraussetzungen der zweiten Variante (Umbauarbeiten) entfallen lassensollen (vgl. dazu auch Martin SVR, 3. Aufl. F IV Rn. 18 und 19 zur gleichlautenden Klausel des § 9 Nr. 3 a VGB 88; Wälder aaO S. 8; OLG Hamm VersR 1989, 365).
14
c) Allerdings hat die frühere Senatsrechtsprechung zu § 14 Abs. 3 ARB 75 (vgl. Senatsurteil vom 14. März 1984 - IVa ZR 24/82, VersR 1984, 530 unter I 3; zustimmend: OLG Koblenz, VersR 2013, 99, 100; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 4 ARB 2008/II Rn. 55; Maier in Harbauer, ARB 8. Aufl. § 4 ARB 2000 Rn. 53), die dem Berufungsgericht offenbar vor Augen gestanden hat, für die Festlegung des Versicherungsfalles auch bei einem Aktivprozess des Versicherungsnehmers nicht nur auf die seinem Anspruchsgegner vorgeworfenen Verstöße, sondern auch auf solche Verstöße abgestellt, die dem Versicherungsnehmer seinerseits vom Gegner angelastet und seinem geltend gemachten Anspruch entgegengehalten werden und gegen die er sich verteidigt. Unerheblich sei es, so hat der Senat damals ausgeführt, ob der Versicherungsnehmer im zugrunde liegenden Konflikt eigene Ansprüche erhebe oder sich gegen fremde Ansprüche zur Wehr setze und welche der Konfliktparteien den maßgeblichen Verstoß begangen haben solle. Für die Bestimmung des Versicherungsfalles in der Rechtsschutzversicherung sei es gleichgültig, ob der Versicherungsnehmer angreifen oder sich verteidigen wolle und ob er in der Rolle eines Klägers, Widerklägers, Beklagten oder außergerichtlich streite.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 139/01 Verkündet am:
19. März 2003
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
AVB f. Rechtsschutzvers. (ARB 75) §§ 14 Abs. 1, 17

a) Unter einem den Versicherungsfall nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 auslösenden
Schadenereignis ist nur ein solches zu verstehen, für das derjenige, der auf
Schadensersatz in Anspruch genommen wird, in haftungsrechtlich zurechenbarer
Weise verantwortlich sein soll.

b) Der Versicherer verliert das Recht, die Leistung wegen fehlender Erfolgsaussicht
oder Mutwilligkeit abzulehnen, wenn er dies dem Versicherungsnehmer
entgegen § 17 Abs. 1 Satz 2 ARB 75 nicht unverzüglich schriftlich mitteilt. Er
kann sich dieses Recht auch dann nicht wirksam vorbehalten, wenn er die Leistung
aus anderen Gründen ablehnt (Aufgabe von BGH VersR 1986, 132).
BGH, Urteil vom 19. März 2003 - IV ZR 139/01 - OLG Celle
LG Hannover
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert und Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 19. März 2003

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. März 2001 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit dem 1. Dezember 1983 eine Rechtsschutzversicherung, die Familien- und Verkehrs-Rechtsschutz umfaßt. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 75) zugrunde.
Der Kläger begehrt Rechtsschutz für eine Klage auf Schadensersatz gegen den Zigarettenhersteller R. . Seit 1964 raucht der Kläger, und zwar ausschließlich Zigaretten der von der Firma R. hergestellten Marke "E. ". Im Jahr 1993 erlitt er einen Herzinfarkt. Danach mußte er mehrere operative Eingriffe vornehmen lassen, unter anderem eine Bypass-Operation im März 1999.

Mit der beabsichtigten Klage gegen die Firma R. sollen An- sprüche aus § 823 BGB und nach dem Produkthaftungsgesetz geltend gemacht werden. Der Kläger lastet der Firma R. an, keine Warnhinweise auf ihren Produkten angebracht zu haben, obwohl ihr aufgrund von Forschungsergebnissen eines amerikanischen Tabakkonzerns aus dem Jahr 1983 seit 1984 bekannt gewesen sei, daß beim Rauchen der suchterregende Wirkstoff Acetaldehyd freigesetzt werde. Außerdem seien dem Zigarettentabak seit 1984 Ammoniak und andere Zusatzstoffe beigemischt worden, um dadurch die Suchterzeugung zu verstärken und eine Suchtverhaftung auszulösen. Ohne diese Beimischung und bei rechtzeitigem Hinweis auf die suchterregende Wirkung von Acetaldehyd wäre es ihm - dem Kläger - gelungen, sich das Rauchen rechtzeitig abzugewöhnen. Dann wäre es nicht zu der erst 1989/1990 aufgetretenen kardiovaskulären Erkrankung und dem späteren Herzinfarkt gekommen.
Die Beklagte hat die erbetene Kostenzusage für die erste Instanz im beabsichtigten Schadensersatzprozeß gegen die Firma R. abgelehnt , weil das den Versicherungsfall im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 darstellende Schadenereignis schon vor Beginn des Rechtsschutzversicherungsvertrages eingetreten sei. Die Beklagte sieht als Schadenereignis die Nikotinsucht des Klägers an, die bereits seit 1975 bestanden habe. Zu den Erfolgsaussichten der Klage gegen die Firma R. hat sie in den vorgerichtlichen Ablehnungsschreiben vom 2. August und 10. September 1999 Bedenken und Zweifel geäußert, die abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten jedoch im zuletzt genannten Schreiben ausdrücklich offengelassen. Im Deckungsprozeß hat sie ihre Ablehnung in der Berufungsinstanz auch auf fehlende Erfolgsaussicht gestützt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht (VersR 2002, 91) hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat keinen Erfolg. Die Beklagte hat dem Kläger im beantragten Umfang Rechtsschutz zu gewähren.
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß der Versicherungsfall erst während der Dauer des Versicherungsschutzes eingetreten ist, der gemäß § 5 ARB 75 hier am 1. Dezember 1983 begonnen hat.

a) Der Familien- und Verkehrs-Rechtsschutz umfaßt nach § 26 Abs. 3 a ARB 75 die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen im Rahmen des § 14 Abs. 1 ARB 75. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 gilt bei Schadensersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen als Versicherungsfall der Eintritt des dem Anspruch zugrunde liegenden Schadenereignisses. Als ein dem Anspruch zugrunde liegendes Schadenereignis kann bei der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach dem Wortlaut und dem Sinn der Bestimmung von vornherein nur ein Ereignis in Betracht kommen, das geeignet ist, den Anspruch rechtlich zu begründen. Auf eigenes Verhalten des Versicherungsnehmers und in seiner Person liegende Umstände, die für den Schaden mitur-

sächlich waren, kann der Anspruch gegen den Schädiger nicht gestützt werden. Sie sind kein dem geltend gemachten Anspruch zugrunde liegendes Schadenereignis und damit kein Versicherungsfall im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 ARB 75. Der verständige Versicherungsnehmer wird deshalb unter dem Schadenereignis nur ein solches verstehen, für das der Schadensersatzpflichtige, gegen den er Ansprüche erhebt, in haftungsrechtlich zurechenbarer Weise verantwortlich ist (vgl. zu § 4 (1) a ARB 94 Senatsurteil vom 25. September 2002 - IV ZR 248/01 - VersR 2002, 1503 unter 2 b bb).
Demgemäß kommt es für den Eintritt des Versicherungsfalls darauf an, mit welchem Tatsachenvortrag der Versicherungsnehmer den Schadensersatzanspruch begründet. Als frühest möglicher Zeitpunkt kommt das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht , aus dem der Anspruch hergeleitet wird. Ob der Tatsachenvortrag des Versicherungsnehmers schlüssig und beweisbar ist, ist für den Eintritt des Versicherungsfalls nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 unerheblich. Diese Frage ist nur für die Erfolgsaussicht im Sinne von §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 17 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 von Bedeutung.

b) Der Versicherungsfall ist hier nicht vor dem 1. Dezember 1983 und damit in versicherter Zeit eingetreten. Der Kläger lastet der Firma R. als schadenursächliches Verhalten an, sie habe ab 1984 Warnhinweise auf die ihr bekannte suchterregende Wirkung von Acetaldehyd pflichtwidrig unterlassen und dem Zigarettentabak bewußt suchtsteigernde Stoffe beigemischt. Mit einem früheren pflichtwidrigen Verhalten der Firma R. begründet er die beabsichtigte Klage nicht. Deshalb kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht darauf an, ob der Kläger

schon seit 1975 nikotinsüchtig war. Dies ist gegebenenfalls im Schadensersatzprozeß gegen die Firma R. zu klären und rechtlich zu würdigen. Ebenso bedarf es keiner Stellungnahme dazu, ob bei § 14 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 das Kausalereignis oder das Folgeereignis maßgebend und welcher sinnfällige objektive Vorgang hier als Folgeereignis anzusehen ist. Es wäre jedenfalls nach Vertragsbeginn eingetreten.
2. Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß die Beklagte sich nicht mehr darauf berufen kann, die beabsichtigte Klage biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das ist ihr verwehrt, weil sie dem Kläger diesen Ablehnungsgrund entgegen § 17 Abs. 1 Satz 2 ARB 75 nicht unverzüglich schriftlich mitgeteilt hat.

a) Die Auslegung dieser Bestimmung ergibt nach den Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers (vgl. dazu BGHZ 123, 83, 85), daß sich der Versicherer bei Verletzung der Mitteilungspflicht im Deckungsprozeß nicht mehr auf die fehlende Erfolgsaussicht berufen kann. Dies entspricht auch der ganz überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (OLG Düsseldorf VersR 2001, 233 unter II 2, OLG Hamm VersR 1999, 1362 unter II 2, OLG Köln r+s 1991, 419, 420 f., jeweils mit Hinweisen auf frühere Rechtsprechung; OLG Frankfurt VersR 1984, 857 unter II; a.A. OLG Karlsruhe VersR 1999, 613 unter I 1 b).
aa) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 kann der Versicherer seine Leistungspflicht verneinen, wenn er der Auffassung ist, die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg oder erscheine mutwillig. Macht er von

seinem Ablehnungsrecht Gebrauch, hat der dies nach Satz 2 der Be- stimmung dem Versicherungsnehmer unter Angabe der Gründe unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Schon dieser Zusammenhang zwischen Satz 1 und Satz 2 legt es nahe, daß die Ablehnung innerhalb des Zeitraums erfolgen muß und auch nur erfolgen kann, den der Versicherer bei sachgerechter, nicht schuldhaft verzögerter Prüfung für seine Entschließung benötigt. Die Prüfungspflicht des Versicherers beginnt, sobald der Versicherungsnehmer seine Obliegenheit nach § 15 Abs. 1 a ARB 75 erfüllt hat, den Versicherer unverzüglich vollständig und wahrheitsgemäß über sämtliche Umstände des Versicherungsfalles zu unterrichten sowie Beweismittel und Unterlagen anzugeben und auf Verlangen zur Verfügung zu stellen (Prölss in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 17 ARB 75 Rdn. 5). Bei Verletzung dieser Obliegenheit hat sich der Versicherer Leistungsfreiheit nach Maßgabe von § 15 Abs. 2 ARB 75 ausbedungen (vgl. dazu Harbauer, Rechtsschutzversicherung 6. Aufl. § 15 ARB 75 Rdn. 79 ). Beim Blick auf den Anspruchsverlust bei Verletzung der Obliegenheit zur unverzüglichen vollständigen und wahrheitsgemäßen Unterrichtung des Versicherers drängt es sich auf, daß der Versicherer seinerseits nicht nur gehalten ist, die Leistungsablehnung wegen fehlender Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit dem Versicherungsnehmer unverzüglich mitzuteilen, sondern auch die Prüfung der Erfolgsaussicht unverzüglich vorzunehmen, und daß ein Verstoß dagegen auf seiten des Versicherers den Verlust dieses Ablehnungsrechts zur Folge hat. Denn der verständige Versicherungsnehmer kann nicht davon ausgehen, daß ihm selbst mit der Sanktion des Leistungsverlustes verknüpfte unverzüglich zu erfüllende Aufklärungsobliegenheiten aufgegeben werden, der Versicherer aber seine Entschließung über das Vorliegen von Ablehnungsgründen beliebig - und ohne gleichzeitigen Verlust des Ablehnungsrechts - hinausschie-

ben kann. Was insoweit für den Versicherungsnehmer gilt, muß in entsprechender Weise für den Versicherer gelten.
bb) Die Regelungen in § 17 Abs. 2 und 3 ARB 75 bestätigen dieses Auslegungsergebnis.
Gegen diese Ablehnung kann der Versicherungsnehmer, anders als bei sonstigen Ablehnungsgründen, nicht nur mit der Deckungsklage vorgehen. Er hat vielmehr nach § 17 Abs. 2 ARB 75 - allerdings erst nach einer Leistungsablehnung gemäß Abs. 1 - das Recht, auf Kosten des Versicherers einen sogenannten Stichentscheid des für ihn tätigen oder noch zu beauftragenden Rechtsanwalts herbeizuführen. Dessen Entscheidung ist für beide Teile bindend, sofern sie nicht offenbar von der wirklichen Sach- oder Rechtslage erheblich abweicht. Damit wird dem Versicherungsnehmer ein schnelles, einfaches und für ihn nicht mit Kosten verbundenes Verfahren an die Hand gegeben, die Notwendigkeit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen (vgl. § 1 Abs. 1 ARB 75) verbindlich klären zu lassen. Eine solche rasche Klärung ist insbesondere dann geboten, wenn bei einer Verzögerung der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Nachteile drohen. Diesem Zweck des Verfahrens nach § 17 Abs. 1 ARB 75 widerspräche es, wenn der Versicherer sich trotz schuldhaft verzögerter Prüfung der Erfolgsaussicht und der Mitteilung der Leistungsablehnung noch auf diesen Ablehnungsgrund berufen könnte.
Mit § 17 Abs. 3 ARB 75 hat sich der Versicherer schließlich ausbedungen , dem Versicherungsnehmer zur Beschleunigung des Verfahrens nach Absatz 2 eine Frist dafür zu setzen, den mit dem Stichent-

scheid beauftragten Rechtsanwalt vollständig zu unterrichten. Die Versäumung der Frist führt nach Absatz 3 Satz 2 zum Entfallen des Versicherungsschutzes. Wiederum wird also mit der Androhung des Leistungsverlustes darauf hingewirkt, eine schnelle abschließende Entscheidung herbeizuführen. Das muß nach dem Gesamtzusammenhang dann aber auch für die vom Versicherer zu treffende Entscheidung nach Absatz 1 gelten. Trifft sie der Versicherer nicht ohne schuldhaftes Zögern , verliert er das Ablehnungsrecht.
cc) Der bei nicht unverzüglicher Prüfung und schriftlicher Ablehnung eintretende Verlust des Ablehnungsrechts wegen fehlender Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit hat zur Folge, daß der Versicherer sich die spätere Berufung auf diese Ablehnungsgründe auch dann nicht wirksam vorbehalten kann, wenn er die Leistung aus anderen Gründen ablehnt. An der im Senatsurteil vom 16. Oktober 1985 (IVa ZR 49/84 - VersR 1986, 132 unter 1) vertretenen gegenteiligen Ansicht wird nicht festgehalten.

b) Die Beklagte hat die Leistung wegen fehlender Erfolgsaussicht erst im hier zu entscheidenden Deckungsprozeß und damit nicht unverzüglich abgelehnt. Die Auslegung des Berufungsgerichts, die Schreiben der Beklagten vom 2. August und 10. September 1999 enthielten keine Ablehnung wegen fehlender Erfolgsaussicht, ist richtig. Die Prüfungspflicht der Beklagten begann mit Zugang des Schreibens des für den Kläger tätigen Rechtsanwalts Dr. O. vom 19. Juli 1999. Dem Schreiben waren der Entwurf der Klageschrift und Kopien sämtlicher darin erwähnter Unterlagen beigefügt. Die Beklagte hat mit Recht nicht geltend

gemacht, der Kläger habe damit seine Obliegenheit nach § 15 Abs. 1 a ARB 75 nicht erfüllt gehabt.

Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 516/14 Verkündet am:
8. März 2016
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Zum Grundsatz der Staatenimmunität bei einer Umschuldung von Staatsanleihen
aufgrund des Erlasses eines die Umschuldung ermöglichenden Gesetzes
und der Allgemeinverbindlicherklärung einer entsprechenden Mehrheitsentscheidung
der Gläubiger.
BGH, Urteil vom 8. März 2016 - VI ZR 516/14 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
ECLI:DE:BGH:2016:080316UVIZR516.14.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2016 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Stöhr und Offenloch und die Richterinnen Dr. Oehler und Dr. Roloff
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. September 2014 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsrechtszugs tragen der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 zu 95 % und die Klägerin zu 3 zu 5 %.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Kläger machen gegen die Republik Griechenland Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der Entnahme griechischer Schuldverschreibungen aus ihren Wertpapierdepots geltend.
2
Die Kläger zu 1 und 2 erwarben in den Jahren 2010 und 2011 über die D. Bank, mit Sitz in Deutschland, von der Beklagten begebene ISIN GR Anlei- hen über einen Nennbetrag von 110.000 € und einen Nennbetrag von 50.000 €, die Klägerin zu 3 Anleihen über einen Nennbetrag von 8.000 €. In den Anlei- hebedingungen, in denen keine Umschuldungsklauseln (sog. Collective Action Clauses) enthalten waren, wurde bestimmt, dass diese Anleihen griechischem Recht unterfallen und es sich um dematerialisierte Wertpapiere handelt, die als Wertrechte ausgegeben werden und im Girosystem der griechischen Zentralbank registriert sind. Das Girosystem der griechischen Zentralbank basiert auf Konten im Namen der jeweiligen Systemteilnehmer, die daran nur mit Zulassung durch die griechische Zentralbank teilnehmen können. Nach Art. 6 Abs. 4 des griechischen Gesetzes 2198/1994 wird eine Anleihe durch Gutschrift auf dem bei der Zentralbank geführten Konto des Teilnehmers übertragen.
3
Da weder die D. Bank noch die Kläger Teilnehmer des Girosystems der griechischen Zentralbank waren, erwarb die D. Bank die Anleihen im Auftrag der Kläger auf dem Sekundärmarkt. Den Anleihekäufen lagen die Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der D. Bank zugrunde. Dort heißt es zu Nr. 12 "Anschaffungen im Ausland":
4
"(3) Gutschrift in Wertpapierrechnung
5
Die Bank wird sich nach pflichtgemäßen Ermessen unter Wahrung der Interessen des Kunden das Eigentum an den Wertpapieren oder eine andere im Lagerland übliche, gleichwertige Rechtsstellung verschaffen und diese Rechtsstellung treuhänderisch für den Kunden halten. Hierüber erstellt sie dem Kunden Gutschrift in Wertpapierrechnung (WR) unter Angabe des Lagerlandes, in dem sich die Wertpapiere befinden."
6
Auf den den Klägern erteilten Abrechnungen zu den getätigten Anleihekäufen findet sich unter "Verwahrart" der Hinweis "Wertpapierrechnung Griechenland". Zum Jahresende 2011 erteilte die D. Bank den Klägern einen Jahresdepotauszug , in dem es u.a. heißt: "Verwahrung: Wertpapierrechnung Griechenland (...). Ist keine Verwahrungsart angegeben, so befinden sich die Wertpapiere in Girosammelverwahrung."
7
Im Zuge der Restrukturierung des griechischen Staatshaushaltes wurde durch das griechische Gesetz 4050/2012 vom 23. Februar 2012 geregelt, dass Anleihebedingungen nachträglich durch Mehrheitsentscheidungen der Anleihegläubiger geändert und dann durch Beschluss des Ministerrates der Republik Griechenland für allgemeinverbindlich erklärt werden können. Nach dem Gesetz bewirkt der Ministerratsbeschluss, dass die überstimmte Minderheit der Anlagegläubiger an den Mehrheitsbeschluss gebunden ist. Mit Schreiben vom 29. Februar 2012 informierte die D. Bank die Kläger über ein an die Anleihegläubiger gerichtetes Angebot der Republik Griechenland, die Anleihen gegen andere Anleihen mit einem um 53,5 % verringerten Nennwert und mit längerer Laufzeit umzutauschen. Anders als die Kläger stimmten die Gläubigerversammlungen dem Angebot mehrheitlich zu. Durch Ministerratsbeschluss vom 9. März 2012 wurden diese Mehrheitsentscheidungen allgemeinverbindlich. Sodann wurden die alten Anleihen eingezogen und die neuen Anleihen in das Girosystem der griechischen Zentralbank eingebucht. Daraufhin ersetzte die D. Bank die griechischen Anleihen der Kläger im Wege einer Umbuchung durch die um 53,5 % abgewerteten Titel anderer Stückelung und Laufzeit.
8
Die Kläger verlangen den Schaden ersetzt, der ihnen durch den Umtausch der Anleihen entstanden sei. Sie stützen die Klage darauf, dass die Beklagte deren Ausbuchung gegen ihren Willen durch Anweisung an die depotführende Bank veranlasst und dadurch Eigentum und Besitz der Kläger an den Schuldverschreibungen verletzt habe. Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Berufung der Kläger hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

9
Nach Auffassung des Berufungsgerichts (OLG Frankfurt, Urteil vom 18. September 2014 - 16 U 41/14, juris) steht der Grundsatz der Staatenimmunität (§ 20 Abs. 2 GVG, Art. 25 GG) der Klage entgegen, weil sich die von den Klägern zur Grundlage ihrer Ansprüche geltend gemachte Handlung als staatlicher Hoheitsakt darstelle. Zwar stütze sich die Klage im Kern auf den Vorwurf einer Besitzentziehung, jedoch sei der Vortrag der Kläger insoweit nicht sachenrechtlich vertieft belegt. Vielmehr werde zu deren Begründung zum einen auf die Ausbuchung der ursprünglichen Anleihen im Depot der Kläger abgestellt , zum anderen werde der Erlass des Gesetzes 4050/2012 angeführt, mit dem das Verfahren für die Änderung der Anleihebedingungen neu festgesetzt worden sei. Zudem seien die Abstimmung der hierzu berufenen Versammlung der Anleihegläubiger und der Beschluss des Ministerrates vom 9. März 2012, mit dem die Entscheidung der Gläubigermehrheit allgemeinverbindlich wurde, im Zusammenhang zu bewerten. Die Teilakte seien insgesamt im Rahmen des Ziels der griechischen Regierung zu würdigen, die von ihr gegebenen Staatsanleihen im Wert zu berichtigen, um ihre Kreditlast zu verringern. Auch wenn die Gläubigerversammlung dazwischengeschaltet worden sei und diese durch Mehrheitsbeschluss das Umtauschangebot angenommen habe, sei hier nachträglich durch Erlass des Gesetzes 4050/2012 ein Verfahren eingeführt worden, welches auf die Position der Anleihegläubiger eingewirkt habe. Diese nachträgliche Änderung der Positionen der Anleihegläubiger durch Gesetz stelle sich als hoheitliche Maßnahme dar, zumal die Minderheitsgläubiger und die schuldrechtlich an den Anleihen Berechtigten durch den die Allgemeinverbindlichkeit feststellenden Ministerratsbeschluss zum Umtausch ihrer Rechtsposition ver- pflichtet worden seien. Beides sei typischerweise nur durch eine Maßnahme im Subordinationsverhältnis möglich, nicht aber im Zivilrecht.
10
Unabhängig davon sei ein Gerichtsstand in Deutschland nicht gegeben. Eine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO a.F. scheide aus, da die Kläger sich nicht auf die Begebung eines Vertrages durch die Beklagte stützten. Auch die Voraussetzungen des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO a.F. lägen nicht vor.

II.

11
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Die Klage ist schon deswegen unzulässig, weil die deutsche Gerichtsbarkeit nicht eröffnet ist. Ihr steht der von Amts wegen zu prüfende (BVerfG, Beschluss vom 13. Dezember 1977 - 2 BvM 1/76, BVerfGE 46, 342, 359) Grundsatz der Staatenimmunität entgegen (§ 20 Abs. 2 GVG, Art. 25 GG). Die Frage, ob die Gerichtsbarkeit nach den Grundsätzen der Staatenimmunität eröffnet ist und sich das nationale Gericht mit einer Klage gegen einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union befassen darf, ist vor der Ermittlung der internationalen Zuständigkeit zu prüfen.
12
1. Soweit im Völkerrecht in einem allgemeinen Sinne von Staatenimmunität die Rede ist, bezieht sich diese auf den völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsatz, dass ein Staat nicht fremdstaatlicher nationaler Gerichtsbarkeit unterworfen ist. Allerdings hat das Recht der allgemeinen Staatenimmunität , nicht zuletzt wegen des zunehmend kommerziellen grenzüberschreitenden Tätigwerdens staatlicher Stellen, einen Wandel von einem absoluten zu einem nur mehr relativen Recht durchlaufen. Es ist keine allgemeine Regel des Völkerrechts mehr, dass ein Staat Immunität auch für nicht-hoheitliches Han- deln ("acta iure gestionis") genießt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 1963 - 2 BvM 1/62, BVerfGE 16, 27, 33 ff.). Staatenimmunität besteht aber nach dem als Bundesrecht im Sinne von Art. 25 GG geltenden allgemeinen Völkergewohnheitsrecht auch heute noch weitgehend uneingeschränkt für solche Akte, die hoheitliches Handeln eines Staates darstellen ("acta iure imperii"), soweit der ausländische Staat auf sie nicht verzichtet. Andernfalls könnte die rechtliche Prüfung durch die Gerichte eine Beurteilung des hoheitlichen Handelns erfordern , was mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus folgenden Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen , nicht vereinbar wäre (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03, BVerfGE 117, 141, 152 f.; vom 17. März 2014 - 2 BvR 736/13, NJW 2014, 1723 Rn. 19 f.; Senatsurteil vom 26. September 1978 - VI ZR 267/76, NJW 1979, 1101).
13
Eine Vorlage zur Frage der Staatenimmunität an den Gerichtshof der Europäischen Union (zukünftig: Gerichtshof) kommt schon deswegen nicht in Betracht , weil es nicht um Fragen der Auslegung europäischen Rechts geht.
14
a) Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nicht nach deren Motiv oder Zweck; sie kann auch nicht danach vorgenommen werden, ob die Betätigung in erkennbarem Zusammenhang mit hoheitlichen Aufgaben des Staates steht. Dies folgt daraus, dass die Tätigkeit eines Staates, wenn auch nicht insgesamt, aber doch zum weitaus größten Teil hoheitlichen Zwecken und Aufgaben dient und mit ihnen in einem erkennbaren Zusammenhang steht. Maßgebend für die Unterscheidung ist vielmehr die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt und damit öffentlich-rechtlich oder wie eine Privatperson, also privatrechtlich, tätig geworden ist (BVerfG, Beschluss vom 30. April 1963 - 2 BvM 1/62, BVerfGE 16, 27, 61 f.; BAG, Beschluss vom 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12, BAGE 144, 244 Rn. 15 mwN; Urteil vom 10. April 2013 - 5 AZR 78/12, NJW 2013, 2461 Rn. 15; vgl. auch Senatsurteil vom 26. September 1978 - VI ZR 267/76, NJW 1979, 1101 f.).
15
b) Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist die Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht des entscheidenden Gerichts zu beurteilen (BVerfG, Beschlüsse vom 30. April 1963 - 2 BvM 1/62, BVerfGE 16, 27, 62; vom 17. März 2014 - 2 BvR 736/13, NJW 2014, 1723 Rn. 21; Senatsurteil vom 26. September 1978 - VI ZR 267/76, NJW 1979, 1101; BAG, Beschluss vom 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12, BAGE 144, 244 Rn. 15 mwN). Die Heranziehung nationaler Regelungen zur Unterscheidung hoheitlichen staatlichen Handelns von nicht-hoheitlichem staatlichem Handeln findet erst dort ihre Grenze, wo der unter den Staaten allgemein anerkannte Bereich hoheitlicher Tätigkeit berührt ist. Das betrifft etwa die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege (vgl. BVerfGE 16, 27, 63; 46, 342, 394). Insoweit kann es ausnahmsweise geboten sein, eine nach nationalem Recht als privatrechtlich einzuordnende Tätigkeit eines ausländischen Staates gleichwohl als der Staatenimmunität unterfallenden actus iure imperii zu qualifizieren, wenn dieser zum Kernbereich völkerrechtlich anerkannter Staatsgewalt zu rechnen ist (vgl. BVerfGE 16, 27, 63 f.; 46, 342, 394).
16
2. Nach den dargelegten Grundsätzen steht der Klage der Grundsatz der Staatenimmunität entgegen.
17
a) Die Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen stellt zwar nach ganz überwiegender Ansicht ein nicht-hoheitliches Handeln dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2006 - 2 BvM 9/03, BVerfGE 117, 141, 153; OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253, 1255; vgl. auch EuGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, ZIP 2015, 1250 Rn. 53). Nach der oben dargestellten Rechtsprechung kommt es für die Frage der Immunität aber nicht auf die Rechtsnatur des Grundverhältnisses an, sondern auf die Natur der staatlichen Handlung, also die Rechtsnatur der Maßnahme , über deren Berechtigung die Parteien streiten. Demgemäß hat das Bundesverfassungsgericht in einem Fall, dem eine Lohnzahlungsklage gegen den griechischen Staat zugrunde lag, der den Nettolohn eines bei ihm in Deutschland beschäftigten Staatsbürgers wegen der Einführung einer Quellensteuer in Höhe von 5% des Bruttolohnes gekürzt hatte, die Immunität mit der Begründung bejaht, Gegenstand des Rechtsstreits sei die hoheitlich zu beurteilende Besteuerung mit der ausländischen Quellensteuer durch den beklagten Staat, nicht die unterbliebene vollständige Auszahlung eines im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis vom beklagten Staat als Arbeitgeber geschuldeten (Brutto -)Gehalts (Beschluss vom 17. März 2014 - 2 BvR 736/13, NJW 2014, 1723 Rn. 22). Auch hier geht es nicht um die Rechtsnatur der Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen, sondern um die Rechtsnatur der Maßnahmen der Beklagten, die letztlich zur Ausbuchung der Schuldverschreibungen aus dem bei der D-Bank geführten Wertpapierdepot der Kläger führten (vgl. auch OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253, 1255; OLG München, Urteil vom 16. Oktober 2014 - 8 U 1308/14, n.v.; LG Konstanz, IPRspr 2013, Nr. 172, 369, 372; LG Osnabrück , Urteil vom 15. Mai 2015 - 7 O 2995/13, RIW 2016, 76, 77).
18
b) Aus dem Vorbringen der Kläger ergibt sich, dass sie sich nicht gegen die zunächst für die Umbuchung ihrer Anteile erforderliche Entscheidung der Mehrheit der am Girosystem der griechischen Zentralbank zugelassenen Gläubiger wenden, das Angebot der Republik Griechenland anzunehmen, die Anleihen gegen andere Anleihen mit einem um 53,5 % verringerten Nennwert und mit längerer Laufzeit umzutauschen. Ihr Angriff richtet sich vielmehr gegen die "von der Beklagten veranlasste" Entnahme der Schuldverschreibungen aus ihren Wertpapierdepots. Nach ihrem Vortrag werden Besitz- und Eigentumsansprüche an dem Papier geltend gemacht, nicht Rechte aus dem Papier. Die Kläger stützen sich nicht auf Ansprüche aus den erworbenen Schuldverschreibungen oder auf Ersatzansprüche wegen deren Nichterfüllung, sondern auf die "Nichterfüllung von Besitz- und Eigentumsansprüchen", die ihre Grundlage im Zwangsumtausch der Anleihen findet. Unter diesen Umständen ist kein potentiell haftungsbegründendes, nicht hoheitliches Verhalten der Beklagten ersichtlich , auf das die Klage zumindest mittelbar gestützt wäre.
19
aa) Da die ursprünglichen Anleihebedingungen keine Umschuldungsklauseln (sog. Collective Action Clauses) enthielten, besteht das maßgebliche, potentiell haftungsbegründende Verhalten der Beklagten im Erlass des Gesetzes 4050/2012 vom 23. Februar 2012 und dem Beschluss des Ministerrats vom 9. März 2012, aufgrund derer die Mehrheitsentscheidung der Gläubiger allgemeinverbindlich wurde. Der anschließende Umtausch der von den Klägern gehaltenen und griechischem Recht unterliegenden Anleihen ist nur eine Folge der sich aus dem Gesetz vom 23. Februar 2012 in Verbindung mit der Entscheidung der Gläubigermehrheit und dem Beschluss vom 9. März 2012 ergebenden Rechtslage.
20
(1) Der Erlass des Gesetzes ist nach den oben dargestellten Grundsätzen unzweifelhaft hoheitlicher Natur. Die Beklagte hat vorliegend das eigene, die Grundlage der Schuldverschreibungen bildende Recht (rückwirkend) geändert. Gerade die damit verbundene Überprüfung der Rechtmäßigkeit hoheitlicher Maßnahmen will der Grundsatz der Staatenimmunität verhindern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. März 2014 - 2 BvR 736/13, NJW 2014, 1723 Rn. 28; OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253, 1257 und 1258; OLG Hamm, Urteil vom 11. Dezember 2014 - 5 U 60/14, juris Rn. 65 a.E.; OLG München, Urteil vom 16. Oktober 2014 - 8 U 1308/14, n.v.; OLG Frankfurt, Urteil vom 18. September 2014 - 16 U 32/14, juris Rn. 34; OLG Nürnberg, Beschluss vom 13. Februar 2015 - 4 U 2450/14, n.v.; LG Konstanz, IPRspr 2013, Nr. 172, 369, 370, 371 und 372; LG Osnabrück, Urteil vom 15. Mai 2015 - 7 O 2995/13, RIW 2016, 76, 77 ff.; im Rahmen der Begründetheit auch LG Frankfurt, Urteile vom 30. März 2015 - 2-01 S 108/14, 204/14 und 280/14, n.v.), da dies mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus folgenden Prinzip der Nichteinmischung in die Ausübung hoheitlicher Befugnisse ausländischer Staaten nicht vereinbar wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. März 2014 - 2 BvR 736/13, NJW 2014, 1723 Rn. 28; BAG, Urteile vom 23. November 2000 - 2 AZR 490/99, NZA 2001, 683, 685; vom 10. April 2013 - 5 AZR 78/12, NJW 2013, 2461 Rn. 14; Beschluss vom 14. Februar 2013 - 3 AZB 5/12, BAGE 144, 244 Rn. 14 mwN; OLG München, NJW 1975, 2144 f.; Schack Internationales Zivilverfahrensrecht, 6. Aufl., Rn. 175; v. Arnauld, Völkerrecht, 2. Aufl., Rn. 320).
21
(2) Hoheitlicher Natur sind auch Allgemeinverbindlichkeitserklärungen, bei denen es sich nach der insoweit maßgeblichen Sicht des deutschen Rechts um Rechtsetzungsakte eigener Art und um "staatliche Hoheitsakte" handelt (so für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen gemäß § 5 Abs. 1 TVG - jedenfalls im Verhältnis zu den nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern - BVerfG, Beschlüsse vom 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74, BVerfGE 44, 322, 340 ff., insbes. 344; vom 15. Juli 1980 – 1 BvR 24/74, 1 BvR 439/79, BVerfGE 55, 7, 20; BVerwG, Urteil vom 3. November 1988 - 7 C 115/86, BVerwGE 80, 355, 357; BAG, Urteil vom 28. März 1990 - 4 AZR 536/89, NZA 1990, 781; vgl. auch EuGH, Urteil vom 3. Dezember 1987 - Rs. 136/86, Slg. 1987, 4789 Rn. 22 - BNIC/Aubert). Unabhängig davon, ob man bei der Allge- meinverbindlichkeit der Entscheidung der Gläubigerversammlung für die nicht am Girosystem der griechischen Zentralbank Beteiligten und dem Umtauschangebot nicht zustimmenden Gläubigern auf die Anordnung in dem Gesetz 4050/2012 vom 23. Februar 2012 oder auf den Beschluss des Ministerrats vom 9. März 2012 oder auf beide abstellt, handelt es sich um eine hoheitliche Maßnahme.
22
bb) Dass die Beklagte die hoheitlich geschaffene Möglichkeit der Änderung der Anleihebedingungen im Wege von Collective Action Clauses an eine Mehrheitsentscheidung der Gläubiger geknüpft hat, führt entgegen der Ansicht der Revision nicht dazu, dass der Austausch der Anleihen als rein fiskalisches Handeln zu beurteilen ist (so aber LG Frankfurt, Urteile vom 30. März 2015 - 2-01 S 108/14, 204/14 und 280/14, n.v.; vgl. auch EuGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, ZIP 2015, 1250 Rn. 56 f.). Denn Wirkung gegenüber den Gläubigern, die wie die Kläger der Änderung der Anleihebedingungen nicht zugestimmt hatten, entfaltete diese erst durch das Gesetz 4050/2012 vom 23. Februar 2012 und den Beschluss vom 9. März 2012. Ohne diese hoheitlichen Maßnahmen wäre die Mehrheitsentscheidung der Gläubiger für die überstimmte Minderheit privatrechtlich wirkungslos geblieben. In einer rein zivilrechtlichen Beziehung unter Privatrechtssubjekten ist eine solche einseitige Abänderung von Vertragsbedingungen ohne gesetzliche Grundlage nicht möglich. Entgegen der von der Revision angeführten Auffassung der Europäischen Kommission in ihrer Stellungnahme vom 19. August 2013 in der Rechtssache C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13 haben das Gesetz 4050/2012 vom 23. Februar 2012 und der Beschluss vom 9. März 2012 mithin nicht nur eine akzessorische Funktion; sie haben vielmehr die Rechtsbeziehung zwischen den von der Allgemeinverbindlichkeit betroffenen Personen und dem griechischen Staat in entscheidender Weise verändert.
23
cc) Ein rein fiskalisches Handeln ergibt sich auch nicht wegen der tatsächlich erfolgten Ausbuchung der Wertpapiere durch die griechische Zentralbank. Denn die tatsächlich erfolgte Ausbuchung war nur die Umsetzung der gegenüber der Minderheit wirkenden hoheitlichen Maßnahmen, nachdem die Mehrheitsentscheidungen der Gläubigerversammlungen allgemeinverbindlich wurden (ebenso - jeweils versicherungsrechtliche Deckungsklagen betreffend - LG Düsseldorf, NJW-RR 2013, 1445, 1446; LG Hannover, r+s 2015, 135). Die Ausbuchung der dematerialisierten Wertpapiere kann nicht isoliert von den hoheitlichen Maßnahmen beurteilt werden, die zu ihrer Rechtfertigung geschaffen wurden (OLG Schleswig, ZIP 2015, 1253, 1257; vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 9. Dezember 2014, C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, juris Rn. 61 ff., insbes. 65).
24
dd) Der Einordnung als hoheitliche Maßnahme steht das zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (ABl. L 324, S. 79, EuZustVO) ergangene Urteil der 1. Kammer des Gerichtshofs vom 11. Juni 2015 (- C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, ZIP 2015, 1250) nicht entgegen. Dieses befasst sich mit der Zustellung von Klagen, mithin mit der Möglichkeit, einen Sachverhalt überhaupt zur gerichtlichen Überprüfung zu bringen und die Klärung komplexer juristischer Fragen zu ermöglichen. Demgemäß hat der Gerichtshof in seinem Urteil auf die Besonderheiten des unionsrechtlichen Zustellungsrechts abgestellt, insbesondere auf das mit der Verordnung verfolgte Ziel der Schnelligkeit der Zustellung gerichtlicher Schriftstücke und die damit verbundene Beschränkung auf eine erste Prüfung der vorliegenden Informationen. Immunitätsfragen stellen sich auf dieser Stufe noch nicht, sondern erst auf der Stufe der Gerichtsbarkeit, die der Zustellung nachgelagert ist (vgl. Knöfel, RIW 2015, 503, 504; Mankowski, EWiR 2015, 495, 496).
25
c) Der Anwendung des Grundsatzes der Staatenimmunität steht schließlich nicht entgegen, dass Staatenimmunität in der Literatur mitunter versagt wird, wenn ein Staat die Abwicklung eines privatrechtlich geschlossenen Vertrages stört (vgl. Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, S. 106; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Rn. 584; Kau in Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 6. Aufl., Abschnitt III Rn. 91; M. J. Müller, Staatsbankrott und private Gläubiger, 2015, S. 190 ff. und RIW 2016, 80 f.; SeidlHohenveldern , Festschrift Beitzke, 1979, S. 1081, 1091; v. Schönfeld, NJW 1986, 2980, 2984; Szodruch, Staateninsolvenz und private Gläubiger, 2008, S. 379 f.; vgl. auch Thole, WM 2012, 1793, 1794). Denn hier geht es um die Frage , ob der griechische Gesetzgeber - als Herr über das Vertragsstatut - berechtigt ist, mit Wirkung auch gegenüber ausländischen Gläubigern, die beim Erwerb der Anleihen in die Geltung seiner Zivilrechtsordnung eingewilligt haben, neue Vorschriften in seine Rechtsordnung einzufügen, welche frühergeltende Normen ersetzen oder ergänzen (vgl. Sandrock, RIW 2012, 429, 440 f.). Gerade dadurch ist aber der Grundsatz der Staatenimmunität unmittelbar berührt. Galke Stöhr Offenloch Oehler Roloff
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 06.02.2014 - 2-21 O 332/12 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 18.09.2014 - 16 U 41/14 -

Für den Fall, dass der Versicherer seine Leistungspflicht verneint, weil die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete oder mutwillig sei, hat der Versicherungsvertrag ein Gutachterverfahren oder ein anderes Verfahren mit vergleichbaren Garantien für die Unparteilichkeit vorzusehen, in dem Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien über die Erfolgsaussichten oder die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung entschieden werden. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer bei Verneinung seiner Leistungspflicht hierauf hinzuweisen. Sieht der Versicherungsvertrag kein derartiges Verfahren vor oder unterlässt der Versicherer den Hinweis, gilt das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers im Einzelfall als anerkannt.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 139/01 Verkündet am:
19. März 2003
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
AVB f. Rechtsschutzvers. (ARB 75) §§ 14 Abs. 1, 17

a) Unter einem den Versicherungsfall nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 auslösenden
Schadenereignis ist nur ein solches zu verstehen, für das derjenige, der auf
Schadensersatz in Anspruch genommen wird, in haftungsrechtlich zurechenbarer
Weise verantwortlich sein soll.

b) Der Versicherer verliert das Recht, die Leistung wegen fehlender Erfolgsaussicht
oder Mutwilligkeit abzulehnen, wenn er dies dem Versicherungsnehmer
entgegen § 17 Abs. 1 Satz 2 ARB 75 nicht unverzüglich schriftlich mitteilt. Er
kann sich dieses Recht auch dann nicht wirksam vorbehalten, wenn er die Leistung
aus anderen Gründen ablehnt (Aufgabe von BGH VersR 1986, 132).
BGH, Urteil vom 19. März 2003 - IV ZR 139/01 - OLG Celle
LG Hannover
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert und Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 19. März 2003

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. März 2001 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit dem 1. Dezember 1983 eine Rechtsschutzversicherung, die Familien- und Verkehrs-Rechtsschutz umfaßt. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 75) zugrunde.
Der Kläger begehrt Rechtsschutz für eine Klage auf Schadensersatz gegen den Zigarettenhersteller R. . Seit 1964 raucht der Kläger, und zwar ausschließlich Zigaretten der von der Firma R. hergestellten Marke "E. ". Im Jahr 1993 erlitt er einen Herzinfarkt. Danach mußte er mehrere operative Eingriffe vornehmen lassen, unter anderem eine Bypass-Operation im März 1999.

Mit der beabsichtigten Klage gegen die Firma R. sollen An- sprüche aus § 823 BGB und nach dem Produkthaftungsgesetz geltend gemacht werden. Der Kläger lastet der Firma R. an, keine Warnhinweise auf ihren Produkten angebracht zu haben, obwohl ihr aufgrund von Forschungsergebnissen eines amerikanischen Tabakkonzerns aus dem Jahr 1983 seit 1984 bekannt gewesen sei, daß beim Rauchen der suchterregende Wirkstoff Acetaldehyd freigesetzt werde. Außerdem seien dem Zigarettentabak seit 1984 Ammoniak und andere Zusatzstoffe beigemischt worden, um dadurch die Suchterzeugung zu verstärken und eine Suchtverhaftung auszulösen. Ohne diese Beimischung und bei rechtzeitigem Hinweis auf die suchterregende Wirkung von Acetaldehyd wäre es ihm - dem Kläger - gelungen, sich das Rauchen rechtzeitig abzugewöhnen. Dann wäre es nicht zu der erst 1989/1990 aufgetretenen kardiovaskulären Erkrankung und dem späteren Herzinfarkt gekommen.
Die Beklagte hat die erbetene Kostenzusage für die erste Instanz im beabsichtigten Schadensersatzprozeß gegen die Firma R. abgelehnt , weil das den Versicherungsfall im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 darstellende Schadenereignis schon vor Beginn des Rechtsschutzversicherungsvertrages eingetreten sei. Die Beklagte sieht als Schadenereignis die Nikotinsucht des Klägers an, die bereits seit 1975 bestanden habe. Zu den Erfolgsaussichten der Klage gegen die Firma R. hat sie in den vorgerichtlichen Ablehnungsschreiben vom 2. August und 10. September 1999 Bedenken und Zweifel geäußert, die abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten jedoch im zuletzt genannten Schreiben ausdrücklich offengelassen. Im Deckungsprozeß hat sie ihre Ablehnung in der Berufungsinstanz auch auf fehlende Erfolgsaussicht gestützt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht (VersR 2002, 91) hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat keinen Erfolg. Die Beklagte hat dem Kläger im beantragten Umfang Rechtsschutz zu gewähren.
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß der Versicherungsfall erst während der Dauer des Versicherungsschutzes eingetreten ist, der gemäß § 5 ARB 75 hier am 1. Dezember 1983 begonnen hat.

a) Der Familien- und Verkehrs-Rechtsschutz umfaßt nach § 26 Abs. 3 a ARB 75 die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen im Rahmen des § 14 Abs. 1 ARB 75. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 gilt bei Schadensersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen als Versicherungsfall der Eintritt des dem Anspruch zugrunde liegenden Schadenereignisses. Als ein dem Anspruch zugrunde liegendes Schadenereignis kann bei der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach dem Wortlaut und dem Sinn der Bestimmung von vornherein nur ein Ereignis in Betracht kommen, das geeignet ist, den Anspruch rechtlich zu begründen. Auf eigenes Verhalten des Versicherungsnehmers und in seiner Person liegende Umstände, die für den Schaden mitur-

sächlich waren, kann der Anspruch gegen den Schädiger nicht gestützt werden. Sie sind kein dem geltend gemachten Anspruch zugrunde liegendes Schadenereignis und damit kein Versicherungsfall im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 ARB 75. Der verständige Versicherungsnehmer wird deshalb unter dem Schadenereignis nur ein solches verstehen, für das der Schadensersatzpflichtige, gegen den er Ansprüche erhebt, in haftungsrechtlich zurechenbarer Weise verantwortlich ist (vgl. zu § 4 (1) a ARB 94 Senatsurteil vom 25. September 2002 - IV ZR 248/01 - VersR 2002, 1503 unter 2 b bb).
Demgemäß kommt es für den Eintritt des Versicherungsfalls darauf an, mit welchem Tatsachenvortrag der Versicherungsnehmer den Schadensersatzanspruch begründet. Als frühest möglicher Zeitpunkt kommt das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht , aus dem der Anspruch hergeleitet wird. Ob der Tatsachenvortrag des Versicherungsnehmers schlüssig und beweisbar ist, ist für den Eintritt des Versicherungsfalls nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 unerheblich. Diese Frage ist nur für die Erfolgsaussicht im Sinne von §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 17 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 von Bedeutung.

b) Der Versicherungsfall ist hier nicht vor dem 1. Dezember 1983 und damit in versicherter Zeit eingetreten. Der Kläger lastet der Firma R. als schadenursächliches Verhalten an, sie habe ab 1984 Warnhinweise auf die ihr bekannte suchterregende Wirkung von Acetaldehyd pflichtwidrig unterlassen und dem Zigarettentabak bewußt suchtsteigernde Stoffe beigemischt. Mit einem früheren pflichtwidrigen Verhalten der Firma R. begründet er die beabsichtigte Klage nicht. Deshalb kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht darauf an, ob der Kläger

schon seit 1975 nikotinsüchtig war. Dies ist gegebenenfalls im Schadensersatzprozeß gegen die Firma R. zu klären und rechtlich zu würdigen. Ebenso bedarf es keiner Stellungnahme dazu, ob bei § 14 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 das Kausalereignis oder das Folgeereignis maßgebend und welcher sinnfällige objektive Vorgang hier als Folgeereignis anzusehen ist. Es wäre jedenfalls nach Vertragsbeginn eingetreten.
2. Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß die Beklagte sich nicht mehr darauf berufen kann, die beabsichtigte Klage biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das ist ihr verwehrt, weil sie dem Kläger diesen Ablehnungsgrund entgegen § 17 Abs. 1 Satz 2 ARB 75 nicht unverzüglich schriftlich mitgeteilt hat.

a) Die Auslegung dieser Bestimmung ergibt nach den Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers (vgl. dazu BGHZ 123, 83, 85), daß sich der Versicherer bei Verletzung der Mitteilungspflicht im Deckungsprozeß nicht mehr auf die fehlende Erfolgsaussicht berufen kann. Dies entspricht auch der ganz überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (OLG Düsseldorf VersR 2001, 233 unter II 2, OLG Hamm VersR 1999, 1362 unter II 2, OLG Köln r+s 1991, 419, 420 f., jeweils mit Hinweisen auf frühere Rechtsprechung; OLG Frankfurt VersR 1984, 857 unter II; a.A. OLG Karlsruhe VersR 1999, 613 unter I 1 b).
aa) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 ARB 75 kann der Versicherer seine Leistungspflicht verneinen, wenn er der Auffassung ist, die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg oder erscheine mutwillig. Macht er von

seinem Ablehnungsrecht Gebrauch, hat der dies nach Satz 2 der Be- stimmung dem Versicherungsnehmer unter Angabe der Gründe unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Schon dieser Zusammenhang zwischen Satz 1 und Satz 2 legt es nahe, daß die Ablehnung innerhalb des Zeitraums erfolgen muß und auch nur erfolgen kann, den der Versicherer bei sachgerechter, nicht schuldhaft verzögerter Prüfung für seine Entschließung benötigt. Die Prüfungspflicht des Versicherers beginnt, sobald der Versicherungsnehmer seine Obliegenheit nach § 15 Abs. 1 a ARB 75 erfüllt hat, den Versicherer unverzüglich vollständig und wahrheitsgemäß über sämtliche Umstände des Versicherungsfalles zu unterrichten sowie Beweismittel und Unterlagen anzugeben und auf Verlangen zur Verfügung zu stellen (Prölss in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 17 ARB 75 Rdn. 5). Bei Verletzung dieser Obliegenheit hat sich der Versicherer Leistungsfreiheit nach Maßgabe von § 15 Abs. 2 ARB 75 ausbedungen (vgl. dazu Harbauer, Rechtsschutzversicherung 6. Aufl. § 15 ARB 75 Rdn. 79 ). Beim Blick auf den Anspruchsverlust bei Verletzung der Obliegenheit zur unverzüglichen vollständigen und wahrheitsgemäßen Unterrichtung des Versicherers drängt es sich auf, daß der Versicherer seinerseits nicht nur gehalten ist, die Leistungsablehnung wegen fehlender Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit dem Versicherungsnehmer unverzüglich mitzuteilen, sondern auch die Prüfung der Erfolgsaussicht unverzüglich vorzunehmen, und daß ein Verstoß dagegen auf seiten des Versicherers den Verlust dieses Ablehnungsrechts zur Folge hat. Denn der verständige Versicherungsnehmer kann nicht davon ausgehen, daß ihm selbst mit der Sanktion des Leistungsverlustes verknüpfte unverzüglich zu erfüllende Aufklärungsobliegenheiten aufgegeben werden, der Versicherer aber seine Entschließung über das Vorliegen von Ablehnungsgründen beliebig - und ohne gleichzeitigen Verlust des Ablehnungsrechts - hinausschie-

ben kann. Was insoweit für den Versicherungsnehmer gilt, muß in entsprechender Weise für den Versicherer gelten.
bb) Die Regelungen in § 17 Abs. 2 und 3 ARB 75 bestätigen dieses Auslegungsergebnis.
Gegen diese Ablehnung kann der Versicherungsnehmer, anders als bei sonstigen Ablehnungsgründen, nicht nur mit der Deckungsklage vorgehen. Er hat vielmehr nach § 17 Abs. 2 ARB 75 - allerdings erst nach einer Leistungsablehnung gemäß Abs. 1 - das Recht, auf Kosten des Versicherers einen sogenannten Stichentscheid des für ihn tätigen oder noch zu beauftragenden Rechtsanwalts herbeizuführen. Dessen Entscheidung ist für beide Teile bindend, sofern sie nicht offenbar von der wirklichen Sach- oder Rechtslage erheblich abweicht. Damit wird dem Versicherungsnehmer ein schnelles, einfaches und für ihn nicht mit Kosten verbundenes Verfahren an die Hand gegeben, die Notwendigkeit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen (vgl. § 1 Abs. 1 ARB 75) verbindlich klären zu lassen. Eine solche rasche Klärung ist insbesondere dann geboten, wenn bei einer Verzögerung der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Nachteile drohen. Diesem Zweck des Verfahrens nach § 17 Abs. 1 ARB 75 widerspräche es, wenn der Versicherer sich trotz schuldhaft verzögerter Prüfung der Erfolgsaussicht und der Mitteilung der Leistungsablehnung noch auf diesen Ablehnungsgrund berufen könnte.
Mit § 17 Abs. 3 ARB 75 hat sich der Versicherer schließlich ausbedungen , dem Versicherungsnehmer zur Beschleunigung des Verfahrens nach Absatz 2 eine Frist dafür zu setzen, den mit dem Stichent-

scheid beauftragten Rechtsanwalt vollständig zu unterrichten. Die Versäumung der Frist führt nach Absatz 3 Satz 2 zum Entfallen des Versicherungsschutzes. Wiederum wird also mit der Androhung des Leistungsverlustes darauf hingewirkt, eine schnelle abschließende Entscheidung herbeizuführen. Das muß nach dem Gesamtzusammenhang dann aber auch für die vom Versicherer zu treffende Entscheidung nach Absatz 1 gelten. Trifft sie der Versicherer nicht ohne schuldhaftes Zögern , verliert er das Ablehnungsrecht.
cc) Der bei nicht unverzüglicher Prüfung und schriftlicher Ablehnung eintretende Verlust des Ablehnungsrechts wegen fehlender Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit hat zur Folge, daß der Versicherer sich die spätere Berufung auf diese Ablehnungsgründe auch dann nicht wirksam vorbehalten kann, wenn er die Leistung aus anderen Gründen ablehnt. An der im Senatsurteil vom 16. Oktober 1985 (IVa ZR 49/84 - VersR 1986, 132 unter 1) vertretenen gegenteiligen Ansicht wird nicht festgehalten.

b) Die Beklagte hat die Leistung wegen fehlender Erfolgsaussicht erst im hier zu entscheidenden Deckungsprozeß und damit nicht unverzüglich abgelehnt. Die Auslegung des Berufungsgerichts, die Schreiben der Beklagten vom 2. August und 10. September 1999 enthielten keine Ablehnung wegen fehlender Erfolgsaussicht, ist richtig. Die Prüfungspflicht der Beklagten begann mit Zugang des Schreibens des für den Kläger tätigen Rechtsanwalts Dr. O. vom 19. Juli 1999. Dem Schreiben waren der Entwurf der Klageschrift und Kopien sämtlicher darin erwähnter Unterlagen beigefügt. Die Beklagte hat mit Recht nicht geltend

gemacht, der Kläger habe damit seine Obliegenheit nach § 15 Abs. 1 a ARB 75 nicht erfüllt gehabt.

Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch