Bundesgerichtshof Urteil, 11. Apr. 2013 - IX ZR 94/10

bei uns veröffentlicht am11.04.2013
vorgehend
Landgericht Bremen, 4 O 966/08, 23.10.2009
Landgericht Bremen, 3 U 78/09, 12.04.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 94/10
Verkündet am:
11. April 2013
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der Berufungsanwalt darf dem Anraten, das Rechtsmittel zurückzunehmen, nicht
folgen, ohne dass sein Mandant über die Möglichkeiten der Prozessordnung, gegen
die vorläufige Auffassung des Gerichts sprechende tatsächliche und rechtliche
Gesichtspunkte in der Instanz oder durch ein Rechtsmittel zur Geltung zu
bringen, so aufgeklärt worden ist, dass er die wägbaren Prozessaussichten beurteilen
kann.

b) Der Rechtsanwalt muss seinen Mandanten angesichts einer empfohlenen Berufungsrücknahme
über die wägbaren Prozessaussichten auch dann uneingeschränkt
aufklären, wenn die Empfehlung auf dem mitgeteilten Beratungsergebnis
eines Kollegialgerichts beruht.
BGH, Urteil vom 11. April 2013 - IX ZR 94/10 - OLG Bremen
LG Bremen
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. April 2013 durch die Richter Vill, Raebel, Dr. Pape, Grupp und die
Richterin Möhring

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 12. April 2010 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der beklagte Rechtsanwalt vertrat den Kläger in einem Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Bremen. Die damalige Beklagte erwiderte mit Schriftsätzen vom 23. und 24. März 2005, die dem Beklagten noch am selben Tag zugefaxt wurden. Verhandlungstermin in der Berufungssache war auf den 1. April 2005 anberaumt worden. Am Tag davor rief die Berichterstatterin des Berufungssenats den Beklagten an und teilte ihm mit, das Rechtsmittel des Klägers habe nach Vorberatung des Senats aufgrund des Vortrags der seinerzeitigen Beklagten in den genannten Schriftsätzen keine Aussicht auf Erfolg. Eine Terminsverlegung lehnte das Oberlandesgericht ab. Der Beklagte nahm Rücksprache mit dem Kläger, den er auf das Kostenrisiko und die fehlende Zeit zur Überprüfung des von der beklagten Sparkasse vorgelegten Zahlenmaterials sowie die Auffassung des Oberlandesgerichts hinwies. Der Kläger erteilte daraufhin sein Einverständnis mit der Rücknahme der Berufung. Der Beklagte kündigte noch am 31. März 2005 die Berufungsrücknahme an, die am 1. April 2005 bei Gericht einging.
2
Der Kläger wirft dem Beklagten vor, sein Einverständnis mit der Berufungsrücknahme infolge ungenügender Aufklärung über die Prozesslage erhalten zu haben. Er verlangt deshalb von ihm 57.320,93 € als Ersatz seines Interesses an dem aufgegebenen Erstprozess nebst Zinsen. Die Klage ist in beiden Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen bisherigen Sachantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


3
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, weil die zur Prüfung der haftungsausfüllenden Kausalität notwendigen Feststellungen bisher nicht getroffen worden sind.

I.


4
Den Mandatspflichten widerspricht die Annahme des Berufungsgerichts, der Rechtsanwalt dürfe der Anregung eines Kollegialgerichts zur Rechtsmittelrücknahme dann nicht folgen, wenn diese unvertretbar erscheine und der Rechtsweg noch nicht erschöpft sei. Ein solcher Rechtssatz findet sich in der Rechtsprechung einzelner Oberlandesgerichte im Zusammenhang mit der an- waltlichen Stellungnahme zu gerichtlichen Vergleichsvorschlägen (vgl. OLG Frankfurt, NJW 1988, 3269, 3270) oder - wie hier - der gerichtlichen Empfehlung , die Berufung zurückzunehmen (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 1. Juni 2001 - 6 U 6/01, bei juris Rn. 39, redaktioneller Leitsatz mit Anmerkung Borgmann abgedruckt in BRAK-Mitt. 2001, 290). Der Bundesgerichtshof hat einen solchen Grundsatz bisher weder aufgestellt noch gebilligt. Er widerspricht vielmehr verschiedenen Aussagen seiner Rechtsprechung, an denen festzuhalten ist. Den Berufungsanwalt trifft die Pflicht, eine vom Gericht im Verlauf der Instanz vertretene Rechtsansicht im Interesse seines Mandanten zu überprüfen, selbst wenn sie durch Nachweise von Rechtsprechung und Schrifttum belegt ist (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 179/07, WM 2009, 324 Rn. 13 f). Eine solche Rechtsansicht erscheint dann nicht unvertretbar, kann aber trotzdem von Haus aus unrichtig oder überholt sein. Kommt ein solcher Fehler des Gerichts in Betracht, muss der Prozessanwalt die Möglichkeiten der Verfahrensordnung nutzen, um die zu Gunsten seines Mandanten sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend zur Geltung zu bringen , wie die Umstände es zulassen. Der Schutz des Mandanten gebietet es, dass diese Tatsachen und Argumente bei der gerichtlichen Entscheidung berücksichtigt werden können (vgl. BGH, aaO Rn. 8). Unterbleibt eine solche Einwirkung auf das Gericht, weil der Mandant einer Rücknahme des Rechtsmittels zustimmt, so handelt der Prozessanwalt nur dann pflichtmäßig, wenn er zuvor den Mandanten zutreffend über die verbleibenden Möglichkeiten aufgeklärt hat, in der Instanz oder durch ein Rechtsmittel den Prozess zu einem günstigeren Ende zu bringen. Der Mandant muss gerade in einer solchen kritischen Lage die wägbaren Prozessaussichten beurteilen können.
5
Es entlastet den Rechtsanwalt in seiner Rechtsprüfung und Aufklärung des Mandanten auch nicht, dass ein mit drei Berufsrichtern besetztes Kollegial- gericht die Erfolgsaussicht des eingelegten Rechtsmittels nach einer Beratung verneint hat. Die aus der Notarhaftung bekannten Grundsätze zur Entschuldigung eines Verhaltens, welches ein Kollegialgericht als objektiv rechtmäßig erachtet hat, können auf die Anwaltshaftung schon im Ansatz nicht übertragen werden. Das ist gesicherte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 1985 - IX ZR 175/84, WM 1986, 199, 202 f unter II. 4.; vom 27. März 2003 - IX ZR 399/99, WM 2003, 1146, 1149 unter II. 2. b), von der abzurücken kein Anlass besteht.
6
Danach musste der Beklagte hier zunächst alles tun, um das rechtliche Gehör seiner Partei zu schützen. Die Schriftsätze der Gegenseite des Vorprozesses vom 23. und 24. März 2005 waren nach § 282 Abs. 2 ZPO verspätet. Die Tage vom 25. März (Karfreitag) bis zum 28. März (Ostermontag) fielen für die Terminsvorbereitung des Klägers und Überprüfung des vorgelegten Zahlenmaterials in seinen Grundlagen, auf die substantiiert eingegangen werden musste, aus. Der Beklagte hätte die Zeitnot dem Kläger nicht nur bedauernd mitteilen dürfen, sondern er hätte ihn darüber aufklären müssen, dass das Berufungsgericht in der Sache nicht entscheiden durfte, ohne ihm Gelegenheit zu geben, die Verspätung des gegnerischen Schriftsatzes zu rügen und sich inhaltlich mit ihm auseinanderzusetzen. Er hätte ihn belehren müssen, dass der Termin wahrgenommen und eine Vertagung oder ein Schriftsatznachlass beantragt werden könne. Auch hätte er ihm die insoweit bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten auseinandersetzen müssen. Diesem Pflichtengehalt ist der Beklagte unstreitig nicht gerecht geworden. Danach kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben.

II.


7
Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht festgestellt, wie sich der Kläger bei pflichtmäßigem Verhalten des Beklagten wegen der Weiterführung des Ausgangsrechtsstreits verhalten hätte und wie dieser Rechtsstreit richtigerweise hätte entschieden werden müssen (haftungsausfüllende Kausalität). Diese Umstände, für die jeweils der Kläger darlegungs- und beweisbelastet ist, bedürfen weiterer Klärung nach Zurückverweisung der Sache.
8
1. Anspruchsgrundlage im Vorprozess war die Zinsherabsetzungspflicht des § 6 Abs. 2 Satz 2 Verbraucherkreditgesetz (VerbrKrG). Den Formalanforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. b) VerbrKrG genügte der Vertragsinhalt nicht (vgl. zum Policendarlehen BGH, Urteil vom 18. Dezember 2001 - XI ZR 156/01, BGHZ 149, 302, 305 ff). Diese Vorschrift war nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG freilich nicht anzuwenden, wenn ein Grundpfandkredit mit üblichen Bedingungen gewährt worden ist. Das nahm der Kläger in Abrede. Das Zahlenwerk der Bundesbank, auf welches sich die beklagte Sparkasse in diesem Zusammenhang bezog, betraf Kredite mit 1 vom Hundert jährlicher Tilgung. Hier handelte es sich demgegenüber um ein Policendarlehen ohne laufende Tilgung. Diese Darlehenssituation - die sich als bloße Beleihung der Versicherungsleistung darstellte (vgl. Staudinger/Kessal-Wulf, 2012, BGB § 491 Rn. 61) - kann auch sonst zu veränderten Kreditkonditionen des Marktes geführt haben. Der Kläger hat dazu Beweis durch Sachverständigengutachten angetreten, obwohl die Beklagte die Beweislast für die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG trug. Diese Beweislast geht im Haftpflichtprozess auf den beklagten Rechtsanwalt über.
9
2. Die zweite Tat- und Rechtsfrage, die sich für das Endergebnis stellt, bezieht sich auf die Verbrauchereigenschaft des Klägers. Nach bisherigem Sachvortrag ging es um eine Baufinanzierung für sein Besitzunternehmen innerhalb einer steuerlichen Betriebsaufspaltung. Die steuerrechtliche Betrachtung ist aber für das Verbraucherkreditgesetz nicht entscheidend. Der Kläger beruft sich dazu mit Recht auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Oktober 2001 (XI ZR 63/01, BGHZ 149, 80, 86 unter II. 2. a; siehe dazu auch Staudinger/Kessal-Wulf, aaO Rn. 38). Bisher ist nicht festgestellt, dass der Kläger für sein Besitzunternehmen eine kaufmännische Organisation unterhielt.
Vill Raebel Pape
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Bremen, Entscheidung vom 23.10.2009 - 4 O 966/08 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 12.04.2010 - 3 U 78/09 -

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 675 Entgeltliche Geschäftsbesorgung


(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichte

Zivilprozessordnung - ZPO | § 516 Zurücknahme der Berufung


(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen. (2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 282 Rechtzeitigkeit des Vorbringens


(1) Jede Partei hat in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfä
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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 491 Verbraucherdarlehensvertrag


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(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, auch die Vorschriften des § 671 Abs. 2 entsprechende Anwendung.

(2) Wer einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, ist, unbeschadet der sich aus einem Vertragsverhältnis, einer unerlaubten Handlung oder einer sonstigen gesetzlichen Bestimmung ergebenden Verantwortlichkeit, zum Ersatz des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet.

(3) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, die Anmeldung oder Registrierung des anderen Teils zur Teilnahme an Gewinnspielen zu bewirken, die von einem Dritten durchgeführt werden, bedarf der Textform.

(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.

(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.

(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.

13
Unabhängig cc) von den an eine sorgfältige Berufungserwiderung zu stellenden Anforderungen war die Beklagte außerdem verpflichtet, auf den Hinweis des Berufungsgerichts im Ausgangsprozess zu reagieren und dabei die der Rechtsauffassung des Gerichts entgegenstehende Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu zitieren. In der mündlichen Verhandlung über die Berufung der Mieter wies das Berufungsgericht darauf hin, dass seiner Ansicht nach eine stillschweigende Abänderung der im schriftlichen Mietvertrag getroffenen Vereinbarungen über die Nebenkosten nicht in Betracht komme. Es bezog sich dabei auf eine „herrschende Meinung“ und zitierte zwei landgerichtliche Urteile aus den Jahren 1982 und 1989 sowie eine Kommentierung aus dem Jahre 1979 (Sternel, Mietrecht 2. Aufl. 1979 II 72; LG Darmstadt WuM 1989, 582; LG Wuppertal WuM 1982 Heft 11). Bei ordnungsgemäßer Vorbereitung der mündlichen Verhandlung wäre die Beklagte in der Lage gewesen, auf anderslautende jüngere Rechtsprechung und Literatur hinzuweisen. Konnte sie dies nicht, hätte sie Schriftsatznachlass beantragen, sich in das Problem einarbeiten (vgl. BGH, Urt. v. 22. September 2005 - IX ZR 23/04, WM 2005, 2197, 2198 m.w.N.) und im nachgelassenen Schriftsatz auf den aktuellen Meinungsstand sowie insbesondere die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. Mai 2000 hinweisen können. Gemäß § 139 Abs. 5 ZPO soll das Gericht dann, wenn einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich ist, eine Frist bestimmen, in der die Partei die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann. Einen Antrag auf Schriftsatznachlass hat die Beklagte jedoch nicht gestellt.

(1) Jede Partei hat in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht.

(2) Anträge sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, sind vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag.

(3) Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, hat der Beklagte gleichzeitig und vor seiner Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen. Ist ihm vor der mündlichen Verhandlung eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt, so hat er die Rügen schon innerhalb der Frist geltend zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 156/01 Verkündet am:
18. Dezember 2001
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
_____________________
VerbrKrG § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b Fassung: 27. April 1993
Bei einem Verbraucherkredit, dessen Fälligkeit von der Auszahlung eines
Bausparvertrages oder einer Kapitallebensversicherung abhängt, durch die
der Kredit ganz oder teilweise getilgt werden soll, muß die vom Verbraucher
zu unterzeichnende Vertragserklärung den Gesamtbetrag aller von
ihm zu erbringenden Leistungen angeben.
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2001 - XI ZR 156/01 - OLG Dresden
LG Leipzig
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe, die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Joeres und die Richterin
Mayen

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 23. März 2001 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger verlangen von der Beklagten die Unterlassung der Einziehung sicherungshalber abgetretener Lohn- und Gehaltsforderungen.
Mit Vertrag vom 13./20. Dezember 1996 nahmen die Kläger bei der beklagten Genossenschaftsbank ein Darlehen in Höhe von 42.000 DM auf zur Finanzierung eines Fondsanteils an einem geschlossenen Immobilien -Fonds. Die Rückzahlung des Kredits, dessen jährliche Verzinsung mit 10% für die gesamte Vertragslaufzeit festgeschrieben war, sollte bei monatlichen Zahlungen in Höhe von 487 DM bis spätestens 1. Januar
2004 "durch die Beleihung einer Lebensversicherung, die Zuteilung eines Bausparvertrages und/oder die Fälligkeit von sonstigen Guthabenbeträgen" erfolgen; Sondertilgungen waren jederzeit möglich. Gleichzeitig unterzeichneten die Kläger eine Zusatzvereinbarung, die die Fälligkeit des Kredites bei vorzeitiger Auszahlung des Bausparvertrages oder der Lebensversicherung vorsah, sowie nacheinander Abtretungen von Ansprüchen aus einer Lebensversicherung, aus zwei Bausparverträgen und von Lohn- und Gehaltsansprüchen. Die Darlehenstilgung wurde, abgesehen von den in den monatlichen Raten von 487 DM enthaltenen Tilgungsanteilen , im Gegenzug bis zum vertraglich vorgesehenen Laufzeitende ausgesetzt, wobei der Beklagten u.a. bei Verzug der Kreditnehmer mit zwei aufeinanderfolgenden Bausparraten oder Lebensversicherungsprämien ein Recht zum Widerruf der Tilgungsaussetzung zustand. Die Beklagte zahlte die Kreditvaluta vereinbarungsgemäß an den Fonds aus.
Nachdem die Kläger die Zahlung der monatlichen Raten von 487 DM eingestellt hatten und keine Leistungen mehr auf die Bausparverträge und die Lebensversicherung erbrachten, widerrief die Beklagte mit Schreiben vom 9. Dezember 1999 die Tilgungsaussetzung und verlangte von den Klägern die Zahlung einer monatlichen Leistungsrate von 1.033,30 DM. Mit Schreiben vom 24. März 2000 kündigte sie das Kreditverhältnis mit Wirkung zum 17. April 2000 und stellte den Kapitalsaldo zur Zahlung fällig für den Fall, daß die Kläger die bestehenden Rückstände nicht ausgleichen würden. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist begann sie damit, die Einziehung der abgetretenen Forderungen zu betreiben.
Das Landgericht hat die auf Unterlassung der Einziehung aller abgetretenen Forderungen gerichtete Klage wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Nach teilweiser Rücknahme der hiergegen gerichteten Berufung verfolgen die Kläger nur noch den Anspruch auf Unterlassung der Einziehung der Lohn- und Gehaltsforderungen. Diesem Antrag hat das Berufungsgericht stattgegeben (OLG Dresden WM 2001, 1854). Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der - zugelassenen - Revision.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.

I.


Das Berufungsgericht hat die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts bejaht und zur Begründung seiner Entscheidung in der Sache im wesentlichen ausgeführt:
Die Beklagte sei zur Einziehung der Lohn- und Gehaltsforderungen nicht berechtigt, weil sich die Kläger mit der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag mit Rücksicht auf ein ihnen zustehendes Zurückbehaltungsrecht nicht in Verzug befunden hätten. Das Zurückbehaltungsrecht folge daraus, daû den Klägern wegen fehlender Angabe des zu leistenden Gesamtbetrags im Kreditvertrag ein Anspruch
auf Neuberechnung unter Berücksichtigung eines auf 4% verminderten Zinssatzes zustehe (§§ 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b a.F., 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG, § 246 BGB). § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b VerbrKrG a.F. finde auch auf einen Festkredit mit Tilgungsaussetzung Anwendung. Bei wirtschaftlicher Betrachtung liege auch in Fällen, in denen ein Kreditnehmer zunächst nur Teilleistungen auf Zinsen und Kosten zu erbringen habe, während die eigentliche Tilgung erst bei Endfälligkeit des Darlehens aus einem parallel zum Darlehensvertrag angesparten Bauspar- oder Lebensversicherungsvertrag erfolgen solle, eine Tilgung in Teilzahlungen vor. Für den Verbraucher mache es keinen Unterschied, ob er die zur Tilgung erforderlichen Leistungen in monatlichen Tilgungsraten an den Kreditgeber oder in Form von monatlichen Beiträgen an einen Dritten aufbringe. Auch wenn bei einer vereinbarten Endtilgung aus einer Lebensversicherung Ungewiûheit über die Höhe der Versicherungsprämien und einer möglichen Überschuûbeteiligung bestehe, lasse sich der Gesamtbetrag unter Zugrundelegung des Nennbetrags des Kredits berechnen. Soweit die Laufzeit des Darlehensvertrages im Hinblick auf die Zuteilungsreife eines parallel anzusparenden Bausparguthabens nicht feststehe , handele es sich um einen Fall veränderlicher Bedingungen, für den Satz 2 des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b VerbrKrG a.F. eine Angabepflicht vorsehe. Die fehlende Endgültigkeit der Gesamtbetragsangabe bei Krediten mit veränderlichen Bedingungen habe der Gesetzgeber im Interesse eines effektiven und umfassenden Verbraucherschutzes hingenommen. Der Befürchtung, der Verbraucher werde durch die Angabe eines fiktiven Gesamtbetrags eher irregeführt, denn zuverlässig informiert , werde durch den erforderlichen Hinweis auf die der Angabe zugrunde liegenden Konditionen sowie deren Veränderlichkeit hinreichend
Rechnung getragen. Insbesondere wenn die Unsicherheit des Gesamtbetrags wie hier aus der Abhängigkeit der Fälligkeit des Kredits von der Zuteilungsreife eines Bausparvertrages folge, sei die Angabe der Gesamtbelastung auf der Grundlage des feststehenden Zinssatzes und des spätest möglichen Laufzeitendes naheliegend und der Beklagten zumutbar.

II.


Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung stand.
1. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daû auf den geschlossenen Kreditvertrag das Verbraucherkreditgesetz Anwendung findet.
Auch seine Annahme, das Fehlen der nach § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 g VerbrKrG a.F. erforderlichen Angaben über die zu bestellenden Sicherheiten habe die Wirksamkeit des Kreditvertrages unberührt gelassen , begegnet keinen Bedenken. Rechtsfolge eines Verstoûes gegen § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 g VerbrKrG a.F. ist nach § 6 Abs. 2 Satz 6 VerbrKrG lediglich, daû die nicht angegebenen Sicherheiten nicht gefordert werden können. Die Streitfrage, ob gleichwohl geleistete Sicherheiten vom Kreditgeber gemäû § 812 BGB zurückzugewähren sind (so MünchKomm/ Ulmer 3. Aufl. § 6 VerbrKrG Rdn. 28; Bülow, VerbrKrG 4. Aufl. § 6 Rdn. 53) oder ob § 6 Abs. 2 Satz 6 VerbrKrG lediglich ein Recht begründet , die Bestellung von nicht im Kreditvertrag angegebenen Sicherheiten
zu verweigern (so Soergel/Häuser, BGB 12. Aufl. § 6 VerbrKrG Rdn. 22 f.), bedarf hier keiner Entscheidung.
2. Die Klage ist jedenfalls deshalb begründet, weil der Kreditvertrag keine Angabe des Gesamtbetrags aller von den Klägern zu entrichtenden Teilzahlungen enthält, daher gegen § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b VerbrKrG a.F. verstöût, die Kläger deshalb gemäû § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG nur die gesetzlichen Zinsen schulden, die Neuberechnung der vereinbarten Teilleistungen verlangen (§ 6 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG) und bis zu deren Vornahme weitere Leistungen verweigern können (§ 273 BGB).

a) Das Berufungsgericht ist der zutreffenden Ansicht, daû die Beklagte den Gesamtbetrag gemäû § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b VerbrKrG a.F. im Kreditvertrag hätte angeben müssen.
aa) Nach herrschender Meinung im Schrifttum besteht die Pflicht zur Angabe des Gesamtbetrags im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b VerbrKrG a.F. auch bei endfälligen Krediten mit Tilgungsaussetzung, die bei Fälligkeit mittels in der Zwischenzeit angesparter Bausparverträge oder Lebensversicherungen abgelöst werden sollen (Peters in: Schimansky /Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 81 Rdn. 80; ders., WM 1994, 1405, 1406 ff.; Göûmann in: Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis Rdn. 3/435; Wagner-Wieduwilt in: Bruchner/Ott/WagnerWieduwilt , VerbrKrG 2. Aufl. § 4 Rdn. 31, 42 f., 74 f.; Bülow, VerbrKrG 4. Aufl. § 4 Rdn. 71 f.; v. Rottenburg in: v. Westphalen/Emmerich/ v. Rottenburg, VerbrKrG 2. Aufl. § 4 Rdn. 66, 79 f.; MünchKomm/Ulmer
aaO § 4 VerbrKrG Rdn. 34; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB 13. Bearb. § 4 VerbrKrG Rdn. 40; Erman/Rebmann, BGB 10. Aufl. § 4 VerbrKrG Rdn. 11 a).
Ein kleiner Teil des Schrifttums vertritt demgegenüber unter Hinweis auf die gesetzgeberischen Vorstellungen bei der Neufassung der Vorschrift die Ansicht, in diesen Fällen bestehe keine Pflicht zur Angabe des Gesamtbetrags, da ein solcher Betrag mangels feststehender Bedingungen noch nicht angegeben werden könne (Drescher, Verbraucherkreditgesetz und Bankenpraxis Rdn. 92 ff.; Steppeler, VerbrKrG 2. Aufl. S. 106, 108).
bb) Der erkennende Senat schlieût sich der herrschenden Meinung an. Auch endfällige Festkredite mit (teilweisem) Tilgungsersatz unterfallen der Angabepflicht des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b VerbrKrG a.F.
(1) Nach dem Wortlaut des Satzes 1 dieser Vorschrift ist der Gesamtbetrag der vom Verbraucher zu entrichtenden Teilzahlungen für alle Kredite anzugeben, bei denen die für die Berechnung des Gesamtbetrags maûgeblichen Eckdaten (Tilgungsleistung, Zinsen, Kosten etc.) für die gesamte Laufzeit der Höhe nach feststehen. Nach Satz 2 ist aber auch bei Krediten mit veränderlichen Bedingungen, die in Teilzahlungen getilgt werden, ein Gesamtbetrag anzugeben, und zwar auf der Grundlage der bei Abschluû des Vertrages maûgeblichen Kreditbedingungen. Der Angabe eines Gesamtbetrags bedarf es lediglich nicht bei End- und Zwischenfinanzierungen im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG und
- gemäû § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b Satz 3 VerbrKrG a.F. - bei Krediten, bei denen die Inanspruchnahme bis zu einer Höchstgrenze freigestellt ist. § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b VerbrKrG a.F. enthält insofern ein geschlossenes System von Angabepflichten: Alle Kreditverträge, die nicht dem Grundtatbestand des Satzes 1 oder dem Ausnahmetatbestand des Satzes 3 sowie der Regelung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG unterfallen, unterliegen der modifizierten Angabepflicht des Satzes 2 (Staudinger/ Kessal-Wulf aaO Rdn. 42), sofern dessen tatbestandliche Voraussetzungen vorliegen.
(2) Dies hat für endfällige Festkredite, bei denen - wie hier - eine enge Verbindung zwischen dem Kreditvertrag und einem Ansparvertrag etwa in der Weise hergestellt wird, daû eine Tilgungsaussetzung gegen Abtretung der Ansprüche aus einem Ansparvertrag (Lebensversicherung, Bausparvertrag o.ä.) vereinbart wird, zur Folge, daû sie der Angabepflicht des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b VerbrKrG a.F. unterfallen. Sie erfüllen keinen der genannten Ausnahmetatbestände und weisen die in § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b VerbrKrG a.F. für die Angabepflicht vorgesehenen Tatbestandsmerkmale auf. Sofern alle Konditionen feststehen, folgt die Angabepflicht aus Satz 1 (vgl. v. Rottenburg aaO Rdn. 66; Bülow aaO Rdn. 71). Soweit der Darlehensvertrag veränderliche Bedingungen enthält - hier die Laufzeit des Darlehens im Hinblick auf die noch unbekannten Zuteilungszeitpunkte der parallel anzusparenden Bausparguthaben - ergibt sich die Angabepflicht entsprechend Satz 2 (v. Rottenburg aaO Rdn. 69; Erman/Rebmann aaO Rdn. 11 a; MünchKomm/Ulmer aaO Rdn. 35).
(3) Dem kann nicht entgegengehalten werden, Festkredite mit Tilgungsaussetzung sähen die gemäû § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b Satz 2 VerbrKrG a.F. erforderliche Rückzahlung in Teilbeträgen nicht vor. Dies entbindet den Kreditgeber nicht von der Angabe des Gesamtbetrags (a.A. Bülow aaO Rdn. 74), wenn der Festkredit mit einem Bausparvertrag , einer Lebensversicherung oder einem sonstigen Ansparvertrag derart verbunden wird, daû die Tilgung des Kredits für die Laufzeit ausgesetzt wird und dafür parallel Zahlungen auf einen der genannten Ansparverträge geleistet werden. Aus der maûgeblichen Sicht des Kreditnehmers , dessen Information § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 VerbrKrG a.F. dient, um ihm eine sachgerechte Entscheidung über die Kreditaufnahme und einen Vergleich mit anderen Angeboten zu ermöglichen, ist es nur von nachrangiger Bedeutung, ob er Tilgungsraten direkt an den Kreditgeber oder zunächst Zahlungen an eine Versicherung oder Bausparkasse erbringt, wenn nur von vornherein feststeht, daû diese Zahlungen zur Rückzahlung des Kredits verwendet werden (Peters: in Schimansky/ Bunte/Lwowski aaO Rdn. 80; ders. WM 1994, 1405, 1406; v. Rottenburg aaO Rdn. 80; Wagner-Wieduwilt aaO Rdn. 74).
Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 3. April 1990 (BGHZ 111, 117, 121) zur Frage des Effektivzinsvergleiches eines Ratenkredits gegenüber einem mit einer Kapitallebensversicherung verbundenen Festkredit entschieden, daû auf die Sicht des Kreditnehmers abgestellt werden müsse. Aus dessen Sicht bestehe wirtschaftlich kein Unterschied zwischen einem marktüblichen Ratenkredit und einem Kredit mit Kapitallebensversicherung. In beiden Fällen habe der Darlehensnehmer als Ausgleich für die Nettokreditsumme in der vereinbarten Lauf-
zeit monatliche Leistungen zu erbringen. Daû diese Leistungen in einem Fall Zinsen und Tilgung beinhalteten, im anderen Zinsen und Prämien, mit denen ein Guthaben "angespart" werde, sei aus Sicht des Kreditnehmers von nachrangiger Bedeutung. Sein Interesse konzentriere sich darauf, welche Gesamtlast er jeweils zu tragen habe. Diese Ausführungen gelten hier entsprechend.
(4) Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daû der Kreditvertrag monatliche Raten vorsieht, die wie bei einem Annuitätendarlehen nicht nur Zahlungen auf die laufenden Zinsen, sondern auch kontinuierlich steigende Tilgungsanteile enthalten. Von der ersten monatlichen Rate über 487 DM entfiel ausgehend von einem Darlehensbetrag von 42.000 DM und dem vereinbarten Zinssatz von 10% nur ein Betrag von 350 DM auf Zinsen, der Rest führte zu einer teilweisen Tilgung des Darlehens. Es kann danach keinem Zweifel unterliegen, daû es sich hier um einen teilweise in Teilzahlungen zu tilgenden Kredit im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b Satz 2 VerbrKrG a.F. handelt. Wollte man dies mit Rücksicht auf die teilweise Tilgungsaussetzung und die durch die Ungewiûheit der Zuteilungsreife des Bausparvertrages bedingte Unsicherheit über die Laufzeit des Kredits anders sehen, hätte es die kreditgebende Bank in der Hand, sich durch eine besonders unübersichtliche Gestaltung der Kreditkonditionen der Pflicht zur Angabe des Gesamtbetrags zu entziehen. Das kann insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umgehungsverbots des § 18 Satz 2 VerbrKrG nicht hingenommen werden (vgl. MünchKomm/Ulmer aaO Rdn. 34).
(5) Der Umstand, daû der Gesamtbetrag wegen der Ungewiûheit über die Laufzeit des Kreditvertrages nicht endgültig angegeben werden kann, ändert an dieser Beurteilung nichts. Diese Unsicherheit hat der Gesetzgeber gesehen und in § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b Satz 2 VerbrKrG a.F. im Interesse eines umfassenden Verbraucherschutzes hingenommen. Der Hinweis der Revision, die Bundesregierung habe sich seinerzeit dem Vorschlag des Bundesrates angeschlossen, der für Kredite wie den vorliegenden keine Pflicht zur Angabe des Gesamtbetrags vorsah, trifft zwar zu. § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b VerbrKrG a.F. sollte danach nur aus dem jetzigen Satz 1 bestehen. Dieser Entwurf ist aber nicht Gesetz geworden. Abweichend von der Vorstellung der Bundesregierung wollte der Gesetzgeber der sich verstärkenden Tendenz zu variablen Konditionen Rechnung tragen und hat mit Blick auf etwaige Umgehungsversuche auch solche Kredite in die Pflicht zur Angabe des Gesamtbetrags einbezogen , bei denen einzelne Bedingungen veränderlich gestaltet sind (Peters WM 1994, 1405, 1406; v. Rottenburg aaO Rdn. 68; WagnerWieduwilt aaO Rdn. 46 ff.). Zu diesem Zweck ist er über den Novellierungsvorschlag von Bundesrat und Bundesregierung hinaus gegangen und hat mit Satz 2 der Vorschrift auch Verträge mit veränderlichen Bedingungen einer - allerdings modifizierten - Angabepflicht unterworfen (vgl. Bericht des BT-Rechtsausschusses vom 3. März 1993, BT-Drucks. 12/4526, abgedr. in ZIP 1993, 477 ff.). Soweit ursprünglich beabsichtigt gewesen sein mag, die Angabepflicht aus Satz 2 auf Kreditverträge mit variabler Verzinsung zu beschränken (vgl. hierzu WagnerWieduwilt aaO), hat dies in dem Gesetzestext keinerlei Niederschlag gefunden. Satz 2 spricht vielmehr allgemein und ohne Einschränkungen von "veränderlichen Bedingungen". Er ist daher auch anzuwenden, wenn
- wie hier - veränderliche Laufzeiten vereinbart werden (v. Rottenburg aaO Rdn. 69; Erman/Rebmann aaO Rdn. 11 a; Staudinger/Kessal-Wulf aaO Rdn. 42).
(6) Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften (90/88/EWG) vom 22. Februar 1990 zur Änderung der Richtlinie 87/102/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Verbraucherkredit (Änderungsrichtlinie zur Verbraucherkreditrichtlinie ), auf die die Novelle 1993 zum Verbraucherkreditgesetz zurückzuführen ist. Soweit die Änderungsrichtlinie in Art. 1 Nr. 4 die Angabe eines Gesamtbetrags vorsieht, wenn dies möglich ist, ist die Entscheidung , wann die Angabe als möglich erachtet wird, in das Ermessen des nationalen Gesetzgebers gestellt. Dieser hat hier sein Ermessen in der dargestellten Weise ausgeübt. Im übrigen wird durch die Richtlinie ohnedies nur ein Mindestschutz statuiert. Dem nationalen Gesetzgeber wird in Art. 15 der Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (Verbraucherkreditrichtlinie) die Möglichkeit eines über die Richtlinie hinaus gehenden Verbraucherschutzes ausdrücklich eröffnet.

b) Die danach gemäû § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b Satz 2 VerbrKrG a.F. erforderliche Angabe des Gesamtbetrags fehlt im Kreditvertrag. Dies hat, da die Darlehensvaluta vereinbarungsgemäû ausgezahlt wurde , nach § 6 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG zur Folge, daû sich der im Kreditvertrag vereinbarte Zinssatz von 10% auf den gesetzlichen Zinssatz von
4% ermäûigt. Die Kläger können deshalb gemäû § 6 Abs. 2 Satz 4 VerbrKrG unter Berücksichtigung der verminderten Zinsen eine Neuberechnung der monatlichen Leistungsraten und gemäû § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Rückzahlung überzahlter Zinsen verlangen (Senatsurteil vom 23. Oktober 2001 - XI ZR 63/01, WM 2001, 2379, 2381 f.). Da die Beklagte die Neuberechnung der Leistungsraten abgelehnt hat, haben die Kläger die Zahlung weiterer Raten zu Recht verweigert (§ 273 Abs. 1 BGB). Die Beklagte ist deshalb zur Einziehung der ihr zur Sicherheit abgetretenen Lohn- und Gehaltsansprüche nicht befugt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1995 - VI ZR 409/94, NJW-RR 1995, 1369 m.w.Nachw.).

III.


Die Revision war somit zurückzuweisen.
Nobbe Siol Bungeroth
Joeres Mayen

(1) Die Vorschriften dieses Kapitels gelten für Verbraucherdarlehensverträge, soweit nichts anderes bestimmt ist. Verbraucherdarlehensverträge sind Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge und Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge.

(2) Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge sind entgeltliche Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer. Keine Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge sind Verträge,

1.
bei denen der Nettodarlehensbetrag (Artikel 247 § 3 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche) weniger als 200 Euro beträgt,
2.
bei denen sich die Haftung des Darlehensnehmers auf eine dem Darlehensgeber zum Pfand übergebene Sache beschränkt,
3.
bei denen der Darlehensnehmer das Darlehen binnen drei Monaten zurückzuzahlen hat und nur geringe Kosten vereinbart sind,
4.
die von Arbeitgebern mit ihren Arbeitnehmern als Nebenleistung zum Arbeitsvertrag zu einem niedrigeren als dem marktüblichen effektiven Jahreszins (§ 6 der Preisangabenverordnung) abgeschlossen werden und anderen Personen nicht angeboten werden,
5.
die nur mit einem begrenzten Personenkreis auf Grund von Rechtsvorschriften in öffentlichem Interesse abgeschlossen werden, wenn im Vertrag für den Darlehensnehmer günstigere als marktübliche Bedingungen und höchstens der marktübliche Sollzinssatz vereinbart sind,
6.
bei denen es sich um Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge oder Immobilienverzehrkreditverträge gemäß Absatz 3 handelt.

(3) Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge sind entgeltliche Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer, die

1.
durch ein Grundpfandrecht oder eine Reallast besichert sind oder
2.
für den Erwerb oder die Erhaltung des Eigentumsrechts an Grundstücken, an bestehenden oder zu errichtenden Gebäuden oder für den Erwerb oder die Erhaltung von grundstücksgleichen Rechten bestimmt sind.
Keine Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge sind Verträge gemäß Absatz 2 Satz 2 Nummer 4. Auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge gemäß Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 ist nur § 491a Absatz 4 anwendbar. Keine Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge sind Immobilienverzehrkreditverträge, bei denen der Kreditgeber
1.
pauschale oder regelmäßige Zahlungen leistet oder andere Formen der Kreditauszahlung vornimmt und im Gegenzug nur einen Betrag aus dem künftigen Erlös des Verkaufs einer Wohnimmobilie erhält oder ein Recht an einer Wohnimmobilie erwirbt und
2.
erst nach dem Tod des Verbrauchers eine Rückzahlung fordert, außer der Verbraucher verstößt gegen die Vertragsbestimmungen, was dem Kreditgeber erlaubt, den Vertrag zu kündigen.

(4) § 358 Abs. 2 und 4 sowie die §§ 491a bis 495 und 505a bis 505e sind nicht auf Darlehensverträge anzuwenden, die in ein nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung errichtetes gerichtliches Protokoll aufgenommen oder durch einen gerichtlichen Beschluss über das Zustandekommen und den Inhalt eines zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichs festgestellt sind, wenn in das Protokoll oder den Beschluss der Sollzinssatz, die bei Abschluss des Vertrags in Rechnung gestellten Kosten des Darlehens sowie die Voraussetzungen aufgenommen worden sind, unter denen der Sollzinssatz oder die Kosten angepasst werden können.