Bundesgerichtshof Urteil, 18. Dez. 2014 - VII ZR 60/14

bei uns veröffentlicht am18.12.2014
vorgehend
Landgericht Dresden, 4 O 3189/11, 31.07.2012
Oberlandesgericht Dresden, 16 U 1480/12, 14.02.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V I I Z R 6 0 / 1 4 Verkündet am:
18. Dezember 2014
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 133 B, 157 B; VOB/B § 2 Nr. 5
Die Anwendung der Grundsätze der Mehrvergütung bei verzögerter Vergabe
kommt auch bei einem Baukonzessionsvertrag in Betracht (Fortführung von BGH,
Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47).
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 - VII ZR 60/14 - OLG Dresden
LG Dresden
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Dezember 2014 durch die Richter Dr. Eick, Halfmeier, Dr. Kartzke,
Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterin Sacher

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Grundurteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 14. Februar 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin macht aus abgetretenem und hilfsweise aus eigenem Recht einen Anspruch wegen einer Bauzeitverschiebung auf der Grundlage eines nach öffentlicher Ausschreibung geschlossenen Baukonzessionsvertrags geltend.
2
Die Beklagte schrieb im März 2005 im Verhandlungsverfahren europaweit einen Investorenwettbewerb für Planung, Finanzierung, Errichtung und Betrieb eines Ersatzbaus für ein Fußballstadion aus. Die Ausschreibung sah keine Bauzeit vor. An der Ausschreibung beteiligte sich eine Bietergemeinschaft, aus der die Stadion D. Projektgesellschaft KG hervorging. Diese Bietergemeinschaft erstellte unter dem 29. Juni 2005 ein Angebot. Bestandteil des Angebots war ein Bauzeitplan, der eine Bauzeit von Januar 2006 bis April 2007 beinhaltete. Zudem wies das Angebot auf "Voraussetzungen" hin, von denen die Bietergemeinschaft ausgegangen sei. Eine dieser Voraussetzungen war die "Gültigkeit der VOB/B". Nach Aufforderung der Beklagten überreichte die Bietergemeinschaft unter dem 14. Oktober 2005 ein ergänzendes Angebot mit unverändertem Bauzeitplan. Die Angebote vom 29. Juni und 14. Oktober 2005 sollten den Zuschlag erhalten. Dazu kam es aber zunächst nicht, weil mehrere Vergaberügen von Konkurrenten erhoben wurden, deren Bearbeitung bis März 2007 dauerte.
3
Unter dem 27. März 2007 teilte die Bietergemeinschaft der Beklagten Folgendes mit: "Durch die massiven Verzögerungen war es uns nicht mehr möglich , unsere Nachunternehmer an die ursprünglichen Preisangebote zu binden. Wir werden daher nicht umhinkommen, zum Zeitpunkt der Beauftragung unseres Angebotes bezogen auf zeitliche wie vergütungsmäßige Auswirkungen unser Angebot auf der Grundlage von § 2 Nr. 5 VOB/B neu zu kalkulieren und Ihnen die Anpassungen mitzuteilen. Ausgangspunkt bleibt dabei selbstverständlich die Preisbasis des ursprünglichen Angebotes und im Übrigen der endverhandelte Baukonzessionsvertrag. Diese Preisanpassung auf der Grundlage von § 2 Nr. 5 VOB/B entspricht geltendem Recht und wurde von der Rechtsprechung mehrfach ausdrücklich im vorbezeichneten Sinne entschieden. … Wir sind bereit, unseren Beitrag für die kurzfristige Realisierung des Projekts dergestalt zu erbringen, dass die Überprüfung der durch die zeitliche Verzögerung entstandenen Ansprüche aus § 2 Nr. 5 VOB/B zunächst zurückgestellt wird und z.B. durch eine gemeinsame Begutachtung möglichst einvernehmlich geklärt wird."
4
Eine Preisanpassung wegen des Zeitablaufs lehnte die Beklagte ab.
5
Am 3. Mai 2007 erteilte die Beklagte der Bietergemeinschaft den Zuschlag "auf der Grundlage der Angebote vom 29. Juni und 14. Oktober 2005 sowie des endverhandelten Vertrages mit Stand vom 3. Mai 2007".
6
Der "endverhandelte Vertrag" (Baukonzessionsvertrag) enthielt unter III, § 1 Nummer 3 folgende Regelung: "Der Ersatzneubau ist spätestens 24 Monate nach Vorliegen einer vollziehbaren Baugenehmigung fertig zu stellen. Der Konzessionär verpflichtet sich, spätestens fünf Monate nach Rechtswirksamkeit des Vertrags einen genehmigungspflichtigen Bauantrag bei der zuständigen Stelle einzureichen."
7
Am 4. Mai 2007 unterzeichneten die Beklagte und die Stadion D. Projektgesellschaft KG den Baukonzessionsvertrag. Der Vertrag beinhaltete, dass die Stadion D. Projektgesellschaft KG einen Ersatzneubau für ein Fußballstadion errichtet und diesen dem im Stadion beheimateten Fußballverein als Hauptmieter für 30 Jahre zur Verfügung stellt. Die Höhe des Mietzinses wurde nach der Ligazugehörigkeit des Fußballvereins gestaffelt. Als Leistung der Beklagten sah der Vertrag einen einmaligen Baukostenzuschuss von 4,6 Mio. € und jährliche Betriebskostenzuschüsse vor, um den Refinanzierungsaufwand der Stadion D. Projektgesellschaft KG von knapp 41 Mio. € bei Annuitäten von 2,54 Mio. € zu sichern. Die von der Bietergemeinschaft geforderte Preisanpassung berücksichtigt der Vertrag nicht. Unmittelbar vor Unterzeichnung des Vertrags teilte die Bietergemeinschaft der Beklagten mit: "Der Baukonzessionsvertrag wird nunmehr zu Dokumentationszwecken unterzeichnet. Wie angekündigt werden hiermit vor Ver- tragsunterzeichnung Mehrkosten aufgrund der verzögerten Zuschlagserteilung dem Grunde nach entsprechend § 2 Nr. 5 VOB/B angemeldet."
8
Auf Intervention der Beklagten formulierte die Bietergemeinschaft das Schreiben wie folgt neu: "Der Baukonzessionsvertrag wird nunmehr durch die Konzessionsgesellschaft zu Dokumentationszwecken unterzeichnet. Wir bestätigen hiermit nochmals unsere Rechtsposition im Schreiben vom 27. März 2007, die von der Stadt zurück gewiesen wird."
9
Mit der Durchführung der Bauarbeiten beauftragte die Stadion D. Projektgesellschaft KG die Klägerin als Generalübernehmerin. Die wegen des verzögerten Zuschlags angemeldeten Ansprüche trat sie an die Klägerin ab.
10
Die Klägerin hat die Beklagte vor dem Landgericht auf Zahlung einer Mehrkostenvergütung nach § 2 Nr. 5 VOB/B von ca. 6,5 Mio. € in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil bereits dem Grunde nach kein Anspruch bestehe. Dagegen hat sich die Klägerin mit der Berufung gewandt und ihren Anspruch neu berechnet, indem sie die tatsächlich entstandenen Baukosten mit den Kosten verglichen hat, die sie bei Einhaltung der vereinbarten Bauzeit hätte tragen müssen. Aus dieser Berechnung hat sie einen Anspruch von knapp 3,2 Mio. € geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat die Parteien im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2013 darauf hingewiesen, dass es an einer Einigung der Vertragsparteien über die Höhe der Vergütung der Beklagten fehlen könne und deshalb eine Abrechnung des Bauprojekts nach § 632 Abs. 2 BGB in Betracht komme. Auf dieser Grundlage hat die Klägerin einen Restvergütungsanspruch von ca. 5,1 Mio. € ermittelt und diesen im Umfang des Berufungsantrags zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht. Die Beklagte ist dem nach Grund und Höhe entgegenge- treten, hat aber unstreitig gestellt, dass ein gegebenenfalls dem Grunde nach berechtigter Anspruch aus § 632 Abs. 2 BGB in irgendeiner Höhe bestehe. Vor diesem Hintergrund haben die Parteien sich mit einer Entscheidung des Berufungsgerichts im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
11
Das Berufungsgericht hat durch Grundurteil einen sich aus § 632 Abs. 2 BGB ergebenden Klageanspruch für gerechtfertigt erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision und begehrt die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

12
Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

13
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
14
Der Klägerin stehe aus abgetretenem Recht dem Grunde nach ein Anspruch zu, soweit ihre Bauleistung nach den Maßstäben einer üblichen Vergütung nicht abgegolten worden sei, §§ 631, 632 Abs. 2 BGB. Über die Vergütung hätten sich die Vertragsparteien am 3./4. Mai 2007 nicht geeinigt. Ein Angebot der Bietergemeinschaft habe nicht mehr vorgelegen. Diese habe klar, und zwar noch kurz vor Unterzeichnung des Baukonzessionsvertrages, zum Ausdruck gebracht, nicht länger an dem angebotenen Preis festhalten zu können. Es ha- be deshalb ein Dissens bestanden, der aber entgegen der Auslegungsregel des § 154 Abs. 1 BGB nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages führe, weil sich die Parteien trotz des offenen Vergütungspunktes erkennbar hätten vertraglich binden wollen. Die bestehende Vertragslücke sei unter Heranziehung von § 632 Abs. 2 BGB zu schließen. Dem stehe die Struktur des Baukonzessionsvertrages nicht entgegen.

II.

15
Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
16
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Baukonzessionsvertrag enthalte zur Vergütung einen Dissens, und die daraus folgende Vertragslücke sei unter Heranziehung von § 632 Abs. 2 BGB zu schließen, ist von Rechtsfehlern beeinflusst.
17
a) Die tatrichterliche Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen ist revisionsrechtlich nur dahingehend überprüfbar, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (BGH, Urteil vom 26. Juni 2014 - VII ZR 289/12, BauR 2014, 1773 Rn. 13 = NZBau 2014, 555). Das Berufungsurteil beruht auf der Außerachtlassung der Auslegungsregel des § 133 BGB, dass für das Verständnis von Willenserklärungen der Wille der Vertragsparteien maßgeblich ist. Die deshalb notwendige neue Auslegung des Baukonzessionsvertrags kann der Senat selbst vornehmen , da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind.
18
b) Die Vertragsparteien haben den Baukonzessionsvertrag auf der Grundlage des in den Angeboten der Bietergemeinschaft vom 29. Juni und 14. Oktober 2005 entwickelten Konzepts geschlossen. Abweichendes hat die Bietergemeinschaft nicht erklärt. Im Schreiben vom 27. März 2007 weist sie ausdrücklich darauf hin, dass sie ihren Anspruch auf Mehrkostenvergütung auf der "Preisbasis des ursprünglichen Angebotes und im Übrigen des endverhandelten Baukonzessionsvertrags" geltend macht. Hierauf nimmt die Bietergemeinschaft mit dem Schreiben vom 4. Mai 2007 Bezug. Es war daher der Wille der Bietergemeinschaft, den Baukonzessionsvertrag so zu schließen wie geschehen. Die Bietergemeinschaft hat allein die Rechtsauffassung vertreten, aus dem geschlossenen Vertrag in Verbindung mit § 2 Nr. 5 VOB/B ergebe sich der von ihr geltend gemachte Anspruch. Deshalb hat sie im Schreiben vom 27. März 2007 vorgeschlagen, den Baukonzessionsvertrag abzuschließen, um im Rahmen der Vertragsdurchführung die Berechtigung der Forderung zu prüfen. Mit diesem Willen der Bietergemeinschaft und mit dem Willen der Beklagten , dem Vergütungsanspruch die Angebote vom 29. Juni und 14. Oktober 2005 zugrunde zu legen, ist es unvereinbar, einen zur Unwirksamkeit der Vergütungsabrede führenden Dissens anzunehmen und die Vergütung nach § 632 Abs. 2 BGB zu bestimmen. Dieses Auslegungsergebnis wird durch die weitere Vertragsabwicklung bestätigt. Die aus der Bietergemeinschaft hervorgegangenen Gesellschaften führten das Bauvorhaben durch und berechneten parallel die Mehrkosten wegen einer Bauzeitverschiebung und klagten diese ein.
19
Soweit die Revisionserwiderung geltend macht, die Bietergemeinschaft habe mit dem Schreiben vom 4. Mai 2007 darauf hingewiesen, den Vertrag "nunmehr zu Dokumentationszwecken zu unterzeichnen", folgt daraus nichts anderes. Mit einer Dokumentation soll nach allgemeinem Sprachgebrauch eine Absicht bekundet und durch Dokumente bewiesen werden. Dementsprechend hat die Stadion D. Projektgesellschaft KG den Baukonzessionsvertrag mit dem gewollten Inhalt unterzeichnet.
20
c) Auf dieser Grundlage sind die Willenserklärungen der Vertragsparteien dahingehend auszulegen, dass der Baukonzessionsvertrag in der unterzeichneten Fassung dem Willen aller Beteiligten entsprach. Offen blieb allein die Rechtsfrage, ob sich aus dem Baukonzessionsvertrag ein Anspruch auf Mehrkostenvergütung aus § 2 Nr. 5 VOB/B wegen einer Bauzeitverschiebung ergibt.
21
Soweit das Landgericht ausgeführt hat, worauf die Revision Bezug nimmt, die Vertragsparteien hätten mit der Vertragsgestaltung den von der Bietergemeinschaft dem Grunde nach geltend gemachten Anspruch auf Mehrkostenvergütung ausgeschlossen, entspricht diese Auslegung ebenfalls nicht dem Willen der Vertragsparteien. Ebenso wie die Bietergemeinschaft war die Beklagte daran interessiert, den Baukonzessionsvertrag abzuschließen und die Frage der Berechtigung einer Mehrkostenvergütung im Zuge der Durchführung des Bauvorhabens zu klären. Dementsprechend hat die Beklagte an der Formulierung des Schreibens der Bietergemeinschaft vom 4. Mai 2007 mitgewirkt, um die politische Sprengkraft der ursprünglich beabsichtigten Formulierung ("Nach Ermittlung der Mehrkosten wird Ihnen die Höhe des Mehrkostenanspruchs mitgeteilt") zu vermeiden. Daraus folgt der übereinstimmende Wille der Parteien, mit dem Abschluss des Baukonzessionsvertrags den geltend gemachten Anspruch auf Mehrkostenvergütung nicht auszuschließen.
22
2. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Damit erhalten die Parteien Gelegenheit, über das Bestehen und den Umfang eines Anspruchs auf Mehrkostenvergütung wegen einer Bauzeitverschiebung mündlich zu verhandeln.

23
Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass nach den bisher getroffenen Feststellungen ein Anspruch der Klägerin in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B dem Grunde nach besteht.
24
a) Die Vertragsparteien haben die Geltung der VOB/B vereinbart. Die Bietergemeinschaft hat die Geltung der VOB/B zur Grundlage ihrer Angebote gemacht. Das hat die Beklagte akzeptiert. Weder aus dem Zuschlag noch aus dem Baukonzessionsvertrag, die auf die Angebote der Bietergemeinschaft Bezug nehmen, ergibt sich anderes.
25
b) Die Frage der Anpassung der Bauzeit und des Vergütungsanspruchs im Wege ergänzender Auslegung des Bauvertrags bei Zuschlagsverzögerung aufgrund eines Nachprüfungsverfahrens war bereits Gegenstand mehrerer Entscheidungen des Senats. Daraus ergeben sich folgende Grundsätze:
26
Ein Zuschlag in einem durch ein Nachprüfverfahren verzögerten öffentlichen Vergabeverfahren über Bauleistungen erfolgt auch dann zu den angebotenen Fristen, wenn diese nicht mehr eingehalten werden können. Das gilt jedenfalls , wenn der Zuschlag erfolgt, ohne dass er ausdrückliche Erklärungen zur Anpassung der vorgesehenen Regelungen zur Bauzeit oder zur hiervon abhängigen Vergütung enthält. Die im Rahmen des § 150 Abs. 2 BGB geltenden Grundsätze erfordern, dass der Empfänger eines Vertragsangebots, will er von dem Vertragswillen des Anbietenden abweichen, dies in der Annahmeerklärung klar und unzweideutig zum Ausdruck bringt. Fehlt es daran, kommt der Vertrag zu den Bedingungen des Angebots zustande (BGH, Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47 Rn. 34 f.; Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 213/08, BGHZ 186, 295 Rn. 19; Urteil vom 25. November 2010 - VII ZR 201/08, BauR 2011, 503 Rn. 14 = NZBau 2011, 97).
27
Der so zustande gekommene Bauvertrag ist, wenn die Parteien sich im Nachhinein nicht einigen, ergänzend dahin auszulegen, dass die Bauzeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der vertragliche Vergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B anzupassen sind (BGH, Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47 Rn. 44 ff.). Die Vermutung der Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung gilt bei einem Bauvertrag nicht unabhängig von der Leistungszeit, weil diese regelmäßig Einfluss auf die Vereinbarung der Höhe der Vergütung des Auftragnehmers hat (BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 213/08, BGHZ 186, 295 Rn. 25). Vereinbaren die Parteien nach dem Zuschlag neue Fristen und Termine, ohne sich zu den Folgen dieser Änderung zu einigen, verbleibt es deshalb bei der Anpassung des vertraglichen Vergütungsanspruchs in Anlehnung an § 2 Nr. 5 VOB/B (BGH, Urteil vom 26. November 2009 - VII ZR 131/08, BauR 2010, 455 Rn. 13 = NZBau 2010, 102).
28
c) aa) Die Beklagte hat mit dem Zuschlag vom 3. Mai 2007 die Angebote vom 29. Juni und 14. Oktober 2005 einschließlich des von der Bietergemeinschaft aufgestellten Bauzeitplans angenommen.
29
In dem Zuschlag wird an erster Stelle auf die Angebote der Bietergemeinschaft Bezug genommen. Damit war der in den Angeboten genannte Bauzeitplan Bestandteil des Zuschlags. Soweit in dem Zuschlag des Weiteren auf den "endverhandelten Vertrag mit Stand 3. Mai 2007" verwiesen wird, ergibt sich daraus im Ergebnis nichts anderes. Zwar enthielt der "endverhandelte Vertrag" in III, § 1, Nummer 3 eine vom Bauzeitplan abweichende Regelung. Dass diese vorrangig gelten sollte, ergibt sich aber mit der erforderlichen Klarheit und Unzweideutigkeit weder aus dem Zuschlag selbst noch aus den für die Bietergemeinschaft erkennbaren Umständen.
30
Der Zuschlag nennt die Angebote und den Baukonzessionsvertrag ohne Einschränkungen gleichberechtigt nebeneinander. Ein Vorrangverhältnis könnte sich aber aus dem Verhandlungsergebnis ergeben, wenn die Vertragsparteien ohne Streit über die Bauzeit und die Vergütung endverhandelt hätten. Das war aber nicht der Fall. Während die Bietergemeinschaft die Auffassung vertrat, Bauzeit und Vergütung seien anzupassen, meinte die Beklagte, nur die Bauzeit bedürfe einer Neuregelung. Dieser Streit der Parteien war, wie das Schreiben der Bietergemeinschaft vom 4. Mai 2007 zeigt, nicht geklärt. Die Vertragsparteien rangen vielmehr um eine pragmatische Lösung, die einen Baubeginn ermöglichte , jedoch die unterschiedlichen Rechtsauffassungen unberührt ließ. Wenn vor diesem Hintergrund die Angebote der Bietergemeinschaft und der Baukonzessionsvertrag, ohne ein Vorrangverhältnis zum Ausdruck zu bringen, nebeneinander genannt werden, ist das eine den unterschiedlichen Auffassungen der Vertragsparteien geschuldete Formulierung, die die Bietergemeinschaft nicht anders verstehen musste. Die Geltung der im Baukonzessionsvertrag vorgesehenen Bauzeit hätte den Zusammenhang von Bauzeit und Vergütung aufgehoben , der für die Bietergemeinschaft erkennbar von besonderer Bedeutung war.
31
bb) Die Lücke des mit dem Zuschlag geschlossenen Vertrags haben die Vertragsparteien hinsichtlich der Bauzeit durch die Zeichnung des Baukonzessionsvertrags geschlossen. Da der Baukonzessionsvertrag aber keine Regelung zu einer Mehrkostenvergütung enthält, ist diese Vertragslücke in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B zu schließen. Daran ändert nichts der Umstand, dass es der Beklagten darauf ankam, ihre eigene finanzielle Beteiligung so gering wie möglich zu halten. Jedem Auftraggeber ist daran gelegen , den kalkulierten Kostenrahmen nicht zu überschreiten. Das rechtfertigt aber nicht, durch Änderungen der Bauzeit, die der Auftragnehmer nicht zu ver- treten hat, das vermutete Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung einseitig zu Lasten des Auftragnehmers zu verschieben.
32
d) Die Eigenart des hier maßgeblichen Baukonzessionsvertrags steht einer Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B nicht entgegen.
33
Eine Baukonzession ist nach § 22 VOB/A (vgl. auch § 32 VOB/A a.F.) ein Vertrag über die Durchführung eines Bauauftrags, bei dem die Gegenleistung für die Bauarbeiten statt in einem Entgelt in dem befristeten Recht auf Nutzung der baulichen Anlage, gegebenenfalls zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht. Besteht das Entgelt ausschließlich in dem Recht, die bauliche Anlage zu nutzen, und ist der Konzessionär frei in der Gestaltung des Nutzungsrechts, kann möglicherweise eine Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B ausgeschlossen sein, wenn durch die Einräumung des Nutzungsrechts das wirtschaftliche Risiko vollständig auf den Konzessionär verlagert wird (vgl. Merkens /Ganske in Kapellmann/Messerschmidt, VOB Teile A und B, 4. Aufl., § 22 VOB/A Rn. 42, 47). Das kann dahingestellt bleiben. Denn die Vertragsparteien haben neben der Übertragung des Nutzungsrechts einen einmaligen Baukostenzuschuss und jährliche Betriebskostenzuschüsse vorgesehen. Zudem wurde die Stadion D. Projektgesellschaft KG in der Nutzungspreisgestaltung eingeschränkt. Diese Vertragsgestaltung beruhte auf dem von der Beklagten verfolgten Zweck, dem örtlichen Fußballklub zu festgelegten Bedingungen die Nutzung des Stadions zu ermöglichen. Zugleich sollte es der Stadion D. Projektgesellschaft KG ermöglicht werden, ihren Refinanzierungsaufwand zu sichern. Damit haben die Vertragsparteien mit der Erteilung der Konzession das wirtschaftliche Risiko nicht (vollständig) auf die Stadion D. Projektgesellschaft KG verlagert. Die Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B, der das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung sichern will, ist also gerechtfertigt.
34
e) Für die Ermittlung der Höhe der zu zahlenden Mehrvergütung sind diejenigen Mehrkosten maßgeblich, die ursächlich auf die Verschiebung der Bauzeit zurückzuführen sind. Sie ergeben sich aus der Differenz zwischen den Kosten , die tatsächlich angefallen sind, und den Kosten, die bei Erbringung der Bauleistung in dem angebotenen Zeitraum hätten aufgewendet werden müssen (BGH, Urteil vom 10. September 2009 - VII ZR 152/08, BauR 2009, 1901 Rn. 42 = NZBau 2009, 771; Urteil vom 8. März 2012 - VII ZR 202/09, BauR 2012, 939 Rn. 16 = NZBau 2012, 287). Diese Grundsätze sind unter Berücksichtigung etwaiger Besonderheiten des Baukonzessionsvertrags anzuwenden.
Eick Halfmeier Kartzke Jurgeleit Sacher
Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 31.07.2012 - 4 O 3189/11 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 14.02.2014 - 16 U 1480/12 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 18. Dez. 2014 - VII ZR 60/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 18. Dez. 2014 - VII ZR 60/14

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Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

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(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sac

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 632 Vergütung


(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. (2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige V

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 150 Verspätete und abändernde Annahme


(1) Die verspätete Annahme eines Antrags gilt als neuer Antrag. (2) Eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag.
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(1) Die verspätete Annahme eines Antrags gilt als neuer Antrag. (2) Eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 154 Offener Einigungsmangel; fehlende Beurkundung


(1) Solange nicht die Parteien sich über alle Punkte eines Vertrags geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll, ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen. Die Verständigung über einzel

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Referenzen

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) Ein Kostenanschlag ist im Zweifel nicht zu vergüten.

(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) Ein Kostenanschlag ist im Zweifel nicht zu vergüten.

(1) Solange nicht die Parteien sich über alle Punkte eines Vertrags geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll, ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen. Die Verständigung über einzelne Punkte ist auch dann nicht bindend, wenn eine Aufzeichnung stattgefunden hat.

(2) Ist eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrags verabredet worden, so ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen, bis die Beurkundung erfolgt ist.

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) Ein Kostenanschlag ist im Zweifel nicht zu vergüten.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 12. September 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde, mit der sich die Sparkasse H. für einen Betrag von 904.915,79 € betreffend angebliche Ansprüche der Beklagten gegen die Klägerin aus zwei Nachtragsforderungen (NA 01 und NA 02) verbürgt hat. Wegen der Herausgabe der Bürgschaftsurkunde begehrt die Klägerin zusätzlich im Wege der Zwischenfeststellungsklage die Feststellung, dass der Beklagten aus den Angeboten NA 01 und NA 02 kein Honorar zusteht.

2

Aufgrund Vertrages von September 2008 beauftragte die Klägerin die Beklagte mit der Erbringung von Leistungen der "technischen Ausrüstung" für eine Baumaßnahme. § 10 des Vertrages enthielt folgende Regelung:

"Macht einer der Vertragspartner Leistungsverweigerungs- oder Zurückbehaltungsrechte geltend, so ist er verpflichtet, denjenigen Betrag zu beziffern, wegen dessen er das Recht geltend machen will. Der andere Vertragspartner ist in diesem Fall berechtigt, die Geltendmachung des Leistungsverweigerungs- oder Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung in Höhe des bezifferten Betrages abzuwenden. Sicherheit kann insbesondere durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft geleistet werden."

3

Mit Schreiben vom 18. September 2009 bezifferte die Beklagte gegenüber der Klägerin einen zusätzlichen Vergütungsanspruch aus den Nachträgen NA 01 und NA 02 in Höhe von insgesamt 904.915,79 €. Mit weiterem Schreiben vom 2. Oktober 2009 verlangte die Beklagte für die Nachtragsforderungen Sicherheitsleistung durch Stellung einer Bürgschaft. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2009 stellte die Klägerin die Berechtigung der Nachtragsforderungen in Frage und teilte mit, "ohne jegliches Präjudiz nur zur Abwendung eines Zurückbehaltungsrechtes" für die Nachtragsforderung eine entsprechende Bürgschaft vorzubereiten. Wörtlich heißt es in dem Schreiben:

"Unbeschadet der Tatsache, dass wir kurzfristig eine Bürgschaft über insgesamt brutto 904.915,79 € zur Verfügung stellen werden, bedarf es einer sehr viel substantiierteren und vertiefteren Darlegung der anspruchsbegründenden Tatsachen."

4

Die Klägerin übergab an die Beklagte eine selbstschuldnerische Bürgschaft der Sparkasse H. vom 13. Oktober 2009 über einen Betrag von 904.915,79 €.

5

In der Folgezeit kündigten beide Parteien das Vertragsverhältnis.

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Die Beklagte hat über die in den Nachträgen NA 01 und NA 02 geltend gemachten Forderungen keine Rechnung erstellt.

7

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

9

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

10

Der Klägerin stehe aus der Sicherungsabrede der Parteien kein Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaft zu. Nach dem Willen der Parteien habe die weitere Auftragsausführung nicht durch die unterschiedlichen Auffassungen über den Bestand der Nachtragsforderung behindert werden sollen. Mit diesem Zweck sei es nicht vereinbar, wenn die Klägerin die Bürgschaft sofort nach Hingabe mit der Begründung hätte zurückfordern können, die Nachtragsforderungen seien nicht begründet bzw. nicht prüffähig dargelegt. Dementsprechend beinhalte die Sicherungsabrede ein Stillhalteabkommen, dass die Beklagte bis zur Klärung in einem der Auftragserfüllung nachfolgenden Verfahren die Nachtragsforderung gegenüber der Klägerin nicht durchsetze. Danach sei der Sicherungszweck bereits deshalb nicht entfallen, weil zwischen den Parteien bisher nicht rechtsverbindlich in einem gesonderten, der Auftragserfüllung nachfolgenden Verfahren geklärt sei, ob die Nachtragsforderungen der Beklagten bestünden. Nach wie vor sei der Bestand der Nachtragsforderungen streitig. Deshalb sei auch die Zwischenfeststellungsklage unbegründet, da es an der Vorgreiflichkeit eines festzustellenden Rechtsverhältnisses fehle.

11

Zudem bestehe kein Anspruch aus der Sicherungsvereinbarung, da die Klägerin ihrer Darlegungslast hinsichtlich des Wegfalls der zu sichernden Nachtragsforderungen nicht genügt habe. Für die Darlegungs- und Beweislast sei auf die insoweit vergleichbare Interessenlage für den Fall der Rückforderung von Voraus- oder Abschlagszahlungen zurückzugreifen. Danach habe der Auftraggeber unter zumutbarer Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden Quellen darzulegen, dass seinen Vorauszahlungen ein entsprechender Vergütungsanspruch des Architekten nicht gegenüberstehe. Auch aus diesem Grund sei zusätzlich die Zwischenfeststellungsklage unbegründet.

II.

12

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Auffassungen des Berufungsgerichts zur Auslegung der Sicherungsabrede und zur Verteilung der Darlegungslast sind von Rechtsfehlern beeinflusst.

13

1. Die Auslegung der Vereinbarung über die Leistung einer Sicherheit und deren Rückgabe obliegt dem Tatrichter. Eine revisionsrechtliche Überprüfung findet nur dahin statt, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (BGH, Urteil vom 12. September 2013 - VII ZR 227/11, BauR 2013, 2017 Rn. 11 m.w.N. = NZBau 2013, 695). Das Berufungsurteil beruht auf derartigen Auslegungsfehlern.

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a) Noch richtig geht das Berufungsgericht davon aus, dass es mit dem Zweck der von den Parteien getroffenen Sicherungsabrede nicht vereinbar wäre, wenn die Klägerin die Bürgschaft sofort nach Hingabe mit der Begründung hätte zurückfordern können, die Nachtragsforderungen seien nicht begründet bzw. nicht prüffähig dargelegt. Diesen Ansatz stellt auch die Revision nicht in Frage, sondern weist ausdrücklich darauf hin, dass eine Klärung der strittigen Nachtragsforderungen erst nach Eintritt der Abrechnungsreife erfolgen könne. Unstreitig ist Abrechnungsreife eingetreten, da beide Parteien den Vertrag gekündigt haben.

15

b) Soweit das Berufungsgericht jedoch meint, aus der Sicherungsvereinbarung der Parteien ableiten zu können, die Klägerin könne nach Eintritt der Abrechnungsreife nicht unmittelbar auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde klagen, sondern müsse zunächst in einem gesonderten Verfahren die Berechtigung der Nachtragsforderungen der Beklagten klären lassen, verstößt es gegen den Grundsatz der beiderseits interessengerechten Auslegung. Die von dem Berufungsgericht aus der Sicherungsabrede abgeleitete Notwendigkeit der Einleitung zweier Klageverfahren verdoppelt die Kosten und liegt deshalb weder im Interesse der Klägerin noch der Beklagten. Es ist daher nicht nachvollziehbar und wird vom Berufungsgericht nicht näher begründet, warum es dem Interesse und dem Willen der Parteien entsprechen sollte, eine solche Verfahrensweise zu vereinbaren.

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c) Der Senat kann, da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, die Auslegung selbst vornehmen. Sie führt dazu, dass es der Klägerin nach Eintritt der Abrechnungsreife möglich ist, unmittelbar auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde zu klagen, und im Rahmen der Herausgabeklage zu prüfen ist, ob die von der Beklagten geltend gemachten Forderungen berechtigt sind.

17

Die Sicherungsvereinbarung der Parteien diente einerseits dem Zweck, der Beklagten eine Sicherung für die von ihr geltend gemachten, aber bestrittenen Forderungen zu gewähren. Andererseits ermöglichte sie der Klägerin, ein Leistungsverweigerungs- oder Zurückbehaltungsrecht der Beklagten entsprechend § 10 des Vertrags abzuwehren und damit das Bauvorhaben ungestört fortzuführen. Letzterer Zweck ist entfallen, seitdem der Vertrag von beiden Parteien gekündigt worden ist. Mit der beidseitigen Kündigung ist zudem Abrechnungsreife für die Arbeiten der Beklagten eingetreten, so dass die Berechtigung der von der Beklagten geltend gemachten Forderungen geprüft werden kann. Soweit die Parteien in diesem Zusammenhang von einem "nachfolgenden Verfahren" ausgegangen sind, könnte dies ein von der Beklagten eingeleitetes Klageverfahren auf Zahlung der geschuldeten Vergütung, eine negative Feststellungsklage der Klägerin oder auch - wie hier - eine Klage der Klägerin auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde sein. In allen Verfahren ist zu prüfen, ob und inwieweit die von der Beklagten geltend gemachten Vergütungen berechtigt sind. Ob die Interessenlage der Parteien es gebietet, über die Frage des Bestehens von Vergütungsforderungen der Beklagten eine rechtskräftige Entscheidung herbeizuführen, kann dahingestellt bleiben, da die Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO beiden Parteien dies auch im Rahmen einer Klage auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde ermöglicht.

18

2. Das Berufungsgericht hat zudem im Rahmen der Prüfung des Herausgabeanspruchs rechtsfehlerhaft angenommen, die Klägerin trage grundsätzlich die Darlegungslast dafür, dass der Beklagten kein Vergütungsanspruch zustehe.

19

a) Die Darlegungslast richtet sich grundsätzlich nach der Beweislast. Für die Beweislast gilt: Jede Partei, die eine Rechtsfolge begehrt, trifft die Beweislast für rechtsbegründende Tatsachen; die Gegenpartei trägt die Beweislast für rechtshindernde, rechtshemmende und rechtsvernichtende Tatsachen. Ob eine Tatsache rechtsbegründend oder rechtshindernd ist, ergibt sich aus dem materiellen Recht (BGH, Urteil vom 14. Januar 1991 - II ZR 190/89, BGHZ 113, 222, 225; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 286 Rn. 62, 65; MünchKommZPO/Prütting, 4. Aufl., § 286 Rn. 112, 113). Dieser Ansatz führt zur Sicherungsvereinbarung der Parteien als Anspruchsgrundlage für den Herausgabeanspruch, deren anspruchsbegründende Voraussetzungen durch Auslegung zu ermitteln sind.

20

b) Zum Inhalt der Sicherungsabrede hat das Berufungsgericht - unangegriffen - festgestellt, dass die von der Beklagten geltend gemachten Honorarforderungen vollständig streitig waren, die Bürgschaft ohne Präjudiz gestellt wurde und allein den Zweck hatte, die Streitigkeiten der Parteien auf einen späteren, nach Erbringung der Leistungen liegenden Zeitpunkt zu verschieben. Anspruchsbegründend für die Rückgabe der Sicherheit ist deshalb allein, dass der spätere Zeitpunkt im Sinne von Abrechnungsreife eingetreten ist. Anspruchshindernd ist dagegen das Bestehen eines Honoraranspruchs, den die Bürgschaft sichert. Dessen Voraussetzungen muss die Beklagte beweisen und deshalb darlegen. Für eine sekundäre oder ergänzende Darlegungslast der Klägerin besteht keine Notwendigkeit.

21

c) Soweit das Berufungsgericht die Rechtsprechung des Senats zur Verteilung der Darlegungslast im Rahmen der Rückforderung überhöhter Vorauszahlungen an Architekten (BGH, Urteil vom 22. November 2007 - VII ZR 130/06, BauR 2008, 540, 542 = NZBau 2008, 256) heranzieht, ist das nicht gerechtfertigt. Im Rahmen der Rückforderung überhöhter Vorauszahlungen an Architekten hat der Senat entschieden, dass der Auftraggeber, wenn der Architekt keine Abrechnung vornimmt, die Klage auf Zahlung des Überschusses mit einer eigenen Abrechnung begründen könne. Habe der Auftraggeber ausreichend vorgetragen, müsse der Architekt darlegen und beweisen, dass er berechtigt sei, die Voraus- und Abschlagszahlungen endgültig zu behalten.

22

Der dieser Rechtsprechung zugrunde liegende Fall ist mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Bei Abschlags- und Vorschusszahlungen werden im Regelfall Leistungen vom Auftragnehmer erbracht, so dass in jedem Fall eine berechtigte Honorarforderung besteht und es ausschließlich darauf ankommt, inwieweit eine Überzahlung vorliegt. In dem Fall ist es gerechtfertigt, wenn der Auftraggeber auf Rückzahlung eines Teils des Vorschusses klagt, ihm die Darlegungslast aufzubürden, soweit ihm dies aufgrund seiner eigenen Erkenntnis möglich ist. Hier ist dagegen die Frage zu klären, ob die Beklagte überhaupt eine Leistung erbracht hat, die gesondert zu vergüten ist.

23

3. Die Klageabweisung des Berufungsgerichtes kann daher keinen Bestand haben. Da das Berufungsgericht keine Feststellungen zu der Berechtigung der von der Beklagten beanspruchten Nachtragsforderungen getroffen hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben, und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Eick                   Safari Chabestari                       Halfmeier

         Kartzke                                 Jurgeleit

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) Ein Kostenanschlag ist im Zweifel nicht zu vergüten.

(1) Die verspätete Annahme eines Antrags gilt als neuer Antrag.

(2) Eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag.

25
d) Zugleich mit der Bauzeit ist jedoch auch der vertragliche Vergütungsanspruch anzupassen. Die Vermutung der Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung gilt bei einem Bauvertrag nicht unabhängig von der vereinbarten Leistungszeit, weil diese regelmäßig Einfluss auf die Vereinbarung der Höhe der Vergütung des Auftragnehmers hat (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2008 - X ZR 129/06, NZBau 2008, 505 = ZfBR 2008, 614). Deshalb hat die durch ein verzögertes Vergabeverfahren bedingte Änderung der Leistungszeit auch zur Folge, dass die Parteien sich über eine Anpassung der Vergütung verständigen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, aaO, Tz. 49). Zu einer solchen Einigung ist es hier nicht gekommen. Damit existiert eine zu füllende Regelungslücke. Diese ist dahin zu schließen, dass der vertragliche Vergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B anzupassen ist. Diese Vorschrift haben die Parteien mit der Einbeziehung der VOB/B als angemessene Regel bei einer durch den Auftraggeber veranlassten Änderung der Grundlagen des Preises vereinbart. Ihre Grundsätze führen auch im Falle der Verschiebung der Bauzeit aufgrund eines verzögerten Vergabeverfahrens im Rahmen der berechtigten Interessen der Parteien zu angemessenen Lösungen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, aaO, Tz. 49-58).
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Nach einem solchen Vertragsschluss kann es bei der vereinbarten Ausführungszeit nicht verbleiben. Sie ist aus tatsächlichen Gründen bereits gegenstandslos. Ein ersatzloser Wegfall entspricht jedoch nicht dem Willen der Parteien. Das Verhalten der Parteien ist dahin auszulegen, dass sie den Vertrag zwar bereits bindend schließen, über neue, dem eingetretenen Zeitablauf Rechnung tragende Fristen oder Termine und ihre Folgen auf die Vergütung jedoch noch eine Einigung herbeiführen wollen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, aaO, Tz. 44, 49). Das ist hier teilweise geschehen, indem der Baubeginn einvernehmlich auf den 1. April 2006 festgelegt wurde. Zu den Folgen dieser Änderung auf die Vergütung haben die Parteien dagegen keine Einigung getroffen. Die durch diese fehlende Einigung entstandene Lücke des Vertrages ist durch ergänzende Vertragsauslegung dahin zu schließen, dass der vertragliche Vergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B anzupassen ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2009 - VII ZR 11/08, aaO, Tz. 44, 46, 49).