Bundesgerichtshof Urteil, 02. Apr. 2014 - VIII ZR 19/13

bei uns veröffentlicht am02.04.2014
vorgehend
Amtsgericht Charlottenburg, 219 C 271/09, 16.03.2012
Landgericht Berlin, 65 S 200/12, 21.12.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 19/13 Verkündet am:
2. April 2014
Ring,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Zulässigkeit einer auf Ersatz künftigen Schadens gerichteten Feststellungsklage,
wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts zwar minimal über dem allgemeinen
Lebensrisiko liegt, jedoch aufgrund der Umstände des Einzelfalls als "sehr, sehr gering"
anzusehen ist.
BGH, Urteil vom 2. April 2014 - VIII ZR 19/13 - LG Berlin
AG Charlottenburg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. April 2014 durch den Richter Dr. Frellesen als Vorsitzenden, die Richterin
Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin vom 21. Dezember 2012 aufgehoben.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 16. März 2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen , dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
Die Kläger haben die Kosten der Rechtsmittelverfahren einschließlich der Kosten der Streithilfe zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Kläger wohnten mit ihren Eltern von 1998 bis 2008 in einer von der Beklagten gemieteten Wohnung in Berlin. Der Fußboden der Wohnung bestand bei Mietbeginn aus asbesthaltigen Vinylplatten (sog. Flexplatten).
2
Nachdem sich der nach Nutzungsbeginn von den Eltern der Kläger über den Flexplatten verlegte Teppich Mitte des Jahres 2005 im vorderen Teil des Flurs gelockert hatte, entfernte der Vater der Kläger in diesem Bereich den Teppich und bemerkte, dass die unter dem Teppich befindlichen Flexplatten teilweise gebrochen waren und offene Bruchkanten aufwíesen. Der Vater der Kläger informierte die Beklagte Ende Juli 2005 über diesen Umstand, worauf die Beklagte der Streithelferin zu 1 am 5. August 2005 den Auftrag erteilte, die beschädigten Flexplatten auszutauschen. Dies geschah am Vormittag des 15. August 2005 durch den Streithelfer zu 2, einen Mitarbeiter der Streithelferin zu 1. Zu dieser Zeit waren die Kläger in der Schule. Als sie am Nachmittag in die Wohnung zurückkehrten, hatte der Streithelfer zu 2 die Wohnung bereits verlassen. Mitte September 2005 verlegte der Vater der Kläger über den ausgetauschten Flexplatten einen neuen Teppich. Die Eltern der Kläger wurden erst im Juni 2006 durch einen an alle Mieter gerichteten Serienbrief darüber informiert , dass die Flexplatten asbesthaltiges Material enthielten.
3
Die Kläger behaupten, der Streithelfer zu 2 habe die Arbeiten am 15. August 2005 unter Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften unsachgemäß durchgeführt. Insbesondere sei die Baustelle ungereinigt verlassen worden. Der vorhandene Staub sei erst von der Mutter der Kläger am Nachmittag des 15. August 2005 zusammengekehrt worden, als die Kläger bereits wieder in der Wohnung anwesend gewesen seien. Es müsse damit gerechnet werden, dass die Kläger im Zeitraum Juli 2005 bis September 2005, insbesondere durch die Vorgänge im Juli/August 2005, Asbestfasern aufgenommen hätten, die in der Folge schwere Gesundheitsschäden (Tumore) verursachen könnten.
4
Die Kläger nehmen die Beklagte auf Feststellung in Anspruch, dass diese verpflichtet ist, den Klägern alle materiellen und immateriellen Schäden, die ihnen aus der Gesundheitsgefährdung, die durch den Asbestkontakt in den Mieträumen in der Wohnung bereits entstanden sind und/oder als Spätfolgen noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind.
5
Das Amtsgericht hat die Feststellungsklage als zulässig angesehen, jedoch mangels Begründetheit abgewiesen.Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und der Feststellungsklage stattgegeben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision hat Erfolg.

I.

7
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung (LG Berlin, ZMR 2013, 715) im Wesentlichen wie folgt begründet:
8
Die Feststellungsklage sei zulässig. Insbesondere sei das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben, da mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne, dass ein künftiger Schaden entstehen werde; Gewissheit über den Schadenseintritt müsse nicht bestehen. Ein Feststellungsinteresse bestehe nur dann nicht, wenn nach der allgemeinen Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eine gewisse, hinreichende Wahrscheinlichkeit für den künftigen Eintritt eines Schadens ausgeschlossen werden könne. Ein Schadenseintritt dürfe also weder ausgeschlossen noch unwahrscheinlich sein. Das Feststellungsinteresse bestehe darüber hinaus zum Zwecke der Hemmung der Verjährung von Ansprüchen.
9
Die Feststellungsklage sei auch begründet. Sollte ein Schaden entstehen , stünde den Klägern ein Anspruch gegen die Beklagte aus § 535 Abs. 1, § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 278 BGB zu. Der Streithelfer zu 2 habe vorgeschriebene Sicherheitsvorschriften beim Austausch der Flexplatten missachtet. Durch die vom Streithelfer zu 2 unterlassene Staubbindung beim Entfernen der Flexplatten sei die konkrete Gefahr begründet worden, dass ungebundene Asbestfasern in die Luft gelangten. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich Asbestfasern während der sechswöchigen Postsanierungsphase in der Lunge oder im Rippenfell der Kläger hätten festsetzen können, zumal die Kläger mit einem neu angeschafften Hund auf dem Boden getollt hätten. Auch müsse berücksichtigt werden, dass die gebrochenen Flexplatten zwischen dem Entfernen des Teppichs durch den Vater der Kläger Ende Juli 2005 bis zu deren Austausch am 15. August 2005 zehn Tage offen gelegen hätten.
10
Zwar habe der Sachverständige im Einzelnen erläutert, dass dasRisiko des Auftretens einer tödlichen Tumorerkrankung für die Kläger "sehr gering" sei. Folglich sei die Verwirklichung des Risikos, also eine asbestverursachte Erkrankung aufgrund der Exposition der Kläger, eher unwahrscheinlich. Allerdings sei das Risiko durch den Sachverständigen auch nicht ausgeschlossen worden; die sachverständigen Ergänzungen zu dem schriftlichen Gutachten hätten ergeben, dass aufgrund der Exposition der Kläger die Möglichkeit einer Erkrankung das allgemeine Lebensrisiko übersteige.
11
Nicht maßgeblich könne sein, ob die Kläger bei einer viele Jahre später auftretenden Tumorerkrankung eine Kausalität zwischen der Asbestexposition im Jahr 2005 und der Erkrankung würden nachweisen können.
12
Soweit die Beklagte geltend mache, es sei nicht nachweisbar, ob eine zu einer späteren Erkrankung führende Asbestfaser aus dem ab Juli 2005 beginnenden Zeitraum, als der Vater der Kläger den alten Teppich im Flur entfernt habe, oder aus dem Zeitraum der Arbeiten am 15. August 2005 oder danach stamme, sei dies unerheblich. Bereits ab Juli 2005 habe die Beklagte für eine Gefahrverwirklichung einzustehen, weil sie die Eltern der Kläger nicht auf die Verwendung asbesthaltiger Flexplatten und die damit in Zusammenhang stehenden Gefahren hingewiesen habe.

II.

13
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
14
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Feststellungsklage bereits unzulässig. Die Kläger haben unter den vom Berufungsgericht festgestellten Umständen nicht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung.
15
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass der Beklagten im Zusammenhang mit dem von ihr in Auftrag gegebenen Austausch der asbesthaltigen Vinylplatten eine über § 278 BGB zurechenbare Pflichtverletzung ihrer Streithelfer zu 1 und 2 zur Last fällt, da der Streithelfer zu 2 während der Arbeiten in der Wohnung vorgeschriebene Sicherheitsmaßnahmen unbeachtet gelassen hat. Auch ist die rechtliche Würdigung der Vorinstanzen , die Beklagte habe eine vertragliche Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) dadurch verletzt, dass sie die Eltern der Kläger nach der im Juli 2005 erfolgten Anzeige, es lägen Flexplatten mit offenen Bruchkanten frei, nicht umgehend über die von den Platten möglicherweise ausgehenden Gefahren informierte, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dies stellt auch die Revision nicht in Frage.
16
2. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist hingegen die Annahme des Berufungsgerichts , die Kläger hätten ein schützenswertes rechtliches Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO an der begehrten Feststellung.
17
Es kann dabei offen bleiben, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, die Zulässigkeit der Feststellungsklage setze eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür voraus, dass die Pflichtverletzung der Beklagten in Zukunft zu einem Gesundheitsschaden bei den Klägern führen werde.
18
Selbst wenn man für die Zulässigkeit der Feststellungsklage die bloße Möglichkeit eines durch die Pflichtverletzungen verursachten Schadenseintritts genügen lassen wollte (vgl. BGH, Urteile vom 16. Januar 2001- VI ZR 381/99, NJW 2001, 1431 unter II 2; vom 20. Januar 2001 - VI ZR 325/99, NJW 2001, 3414 unter II 3; Beschluss vom 9. Januar 2007 - VI ZR 133/06, NJW-RR 2007, 601 Rn. 5), ist die Zulässigkeit der Klage im Streitfall zu verneinen. Denn bei verständiger Würdigung besteht aus der Sicht der Kläger auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen und des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Sachverständigengutachtens kein Grund, mit einem Schaden "wenigstens zu rechnen" (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2007 - VI ZR 133/06, aaO mwN).
19
a) Das Berufungsgericht hat, gestützt auf die gutachterlichen Äußerungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen, ausgeführt, dass die Verwirklichung des Risikos, an einem durch die Pflichtverletzung der Beklagten verursachten Tumor zu erkranken, "eher unwahrscheinlich" sei. Dennoch sei die Feststellungsklage (zulässig und) begründet, weil der Sachverständige ein aufgrund der Asbest-Exposition bestehendes Risiko, das geringfügig über dem allgemeinen Lebensrisiko liege, nicht ausgeschlossen habe.
20
b) Dem kann, wie die Revision zu Recht rügt, nicht gefolgt werden. Der Sachverständige, Professor für Arbeits- und Sozialmedizin, hat ausgeführt, dass das Risiko der Kläger, in Zukunft an einem Tumor zu erkranken, der auf die der Beklagten zurechenbaren Pflichtverletzungen zurückzuführen ist, zwar minimal über dem allgemeinen Lebensrisiko liege, jedoch aufgrund der anzu- nehmenden Exposition der Kläger mit Asbestfasern, die im Niedrigdosisbereich liege, als "sehr, sehr gering" anzusehen sei; mit einer Tumorerkrankung sei "nicht zu rechnen".
21
Bei dieser Sachlage müssen die Kläger bei verständiger Würdigung nicht mit der Möglichkeit des zukünftigen Eintritts eines durch die Pflichtverletzung der Beklagten verursachten Schadens rechnen.
22
c) Soweit sich das Berufungsgericht zur Stützung seiner Auffassung auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28. April 2011 (8 AZR 769/09, NZA-RR 2012, 290) beruft, ist der dort entschiedene Sachverhalt mit dem hier zu entscheidenden Sachverhalt nicht vergleichbar. In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall war zwischen den Parteien unstreitig, dass der dort auf Feststellung der Schadensersatzpflicht klagende Geschädigte über ca. 100 Stunden während der Arbeitsverrichtung asbesthaltige Raumluft eingeatmet hat und dies zu Ablagerungen von Asbestfasern im Lungengewebe geführt hat; das Gebäude, in dem der Geschädigte Sanierungsarbeiten durchgeführt hatte, wurde geschlossen und die Arbeiten vom Gewerbeaufsichtsamt wegen Asbestbelastung eingestellt.

III.

23
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da keine weiteren tatsächlichen Feststellungen zu treffen sind, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Zurückweisung der Berufung der Kläger mit der Maßgabe, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
Dr. Frellesen Dr. Hessel Dr. Achilles
Dr. Schneider Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 16.03.2012 - 219 C 271/09 -
LG Berlin, Entscheidung vom 21.12.2012 - 65 S 200/12 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 02. Apr. 2014 - VIII ZR 19/13

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 02. Apr. 2014 - VIII ZR 19/13

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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

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(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

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(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen
Bundesgerichtshof Urteil, 02. Apr. 2014 - VIII ZR 19/13 zitiert 8 §§.

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 28. Apr. 2011 - 8 AZR 769/09

bei uns veröffentlicht am 28.04.2011

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 10. Juli 2009 - 9 Sa 348/08 - aufgehoben.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 02. Apr. 2014 - VIII ZR 19/13.

Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 12. Sept. 2014 - I-16 U 230/13

bei uns veröffentlicht am 12.09.2014

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(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Er hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen.

(2) Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 10. Juli 2009 - 9 Sa 348/08 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Stadt (im Folgenden: Beklagte) verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche künftigen Schäden zu ersetzen, die er aufgrund einer vom 1. Februar bis zum 5. Mai 1995 durchgeführten Bearbeitung asbestbelasteter Bauteile erleiden sollte.

2

Der Kläger ist seit dem 1. Februar 1992 bei der Beklagten als Angestellter tätig. Von 1994 bis Mai 1995 war er bei dem Sozialamt der Beklagten in der Abteilung Obdachlosenhilfe beschäftigt und als Betreuer für Asylbewerber, Asylanten und Flüchtlinge im Asylbewerberheim A in D eingesetzt. Dieses Gebäude war bis Januar 1990 als Kindereinrichtung genutzt worden. Zum 1. Februar 1990 war diese Nutzung wegen der möglichen Freisetzung von Asbestfasern in einer die Gesundheit gefährdenden Konzentration eingestellt worden. Die Asbestkontamination der Innenwände des Gebäudes infolge der Verwendung des Baustoffes Sokalit war dem Bürgermeister der beklagten Stadt aufgrund eines Schreibens des Hochbauamtes vom 11. November 1991 bekannt.

3

Die Beklagte beabsichtigte, Anfang des Jahres 1995 das Gebäude des Asylbewerberheims grundlegend zu sanieren. Der Kläger führte mit drei weiteren Angestellten der Beklagten, drei Zivildienstleistenden sowie 12 bis 15 Asylbewerbern auf Weisung des Abteilungsleiters des Sozialamtes S sowie des Heimleiters Sch in der Zeit vom 1. Februar bis zum 5. Mai 1995 dort folgende Sanierungsarbeiten durch:

        

-       

Demontage der Rippenheizkörper,

        

-       

Abspachteln der aufgeblühten Wandoberflächen,

        

-       

Entfernen vorhandener Tapetenreste,

        

-       

Aufbringen der Klebemasse,

        

-       

Anbringen von Gipskartonplatten auf den Wänden,

        

-       

Verspachteln der Fugen zum Aufbringen eines Farbanstrichs.

4

Insgesamt leisteten die eingesetzten Personen etwa 800 Arbeitsstunden. Eine besondere Aufklärung über die Art und Weise der durchzuführenden Tätigkeiten sowie die Anweisung zum Tragen von Schutzbekleidung und Atemschutzgeräten erfolgte nicht.

5

Anfang Mai 1995 wies ein Mitarbeiter eines Bauunternehmens, der Folgearbeiten abstimmen sollte, den Kläger darauf hin, dass bei den Sanierungsarbeiten asbesthaltiger Staub freigesetzt werde und derartige Arbeiten nur von spezialisierten Unternehmen ausgeführt werden dürften. Der Kläger leitete diese Information an den zuständigen Abteilungsleiter S weiter. Dieser erklärte, das Vorhandensein asbesthaltigen Materials sei allgemein bekannt und drängte auf die Fortsetzung der Arbeiten.

6

Einer der beteiligten Zivildienstleistenden schaltete daraufhin das staatliche Gewerbeaufsichtsamt D ein. Dieses stellte fest, dass durch das Abkratzen und Abschaben der verbauten Sokalitverkleidungen eine extreme Exposition von Asbestfasern aus dem lockeren Faserverband bewirkt worden sei. Materialproben der Sokalitplatten ergaben einen Fasergehalt von bis zu 40 % Chrysotilasbest. Das Gewerbeaufsichtsamt verfügte am 5. Mai 1995 die sofortige Einstellung der Arbeiten und die Versiegelung des Gebäudes.

7

Anlässlich einer Erkrankung des Klägers im Jahre 2006 vermutete der behandelnde Arzt das Vorhandensein von Krebserregern als Auslöser. Dieser Verdacht, der sich letztlich nicht bestätigte, veranlasste den Kläger, sich näher mit der Problematik auseinanderzusetzen, ob die damaligen Sanierungsarbeiten, während derer er Asbestfasern eingeatmet hatte, für ihn das Risiko einer Krebserkrankung erhöht haben oder in Zukunft zum Ausbruch einer Krebserkrankung führen könnten.

8

Mit Anwaltsschreiben vom 6. September 2006 ließ der Kläger die Beklagte auffordern, ihre uneingeschränkte Schadensersatzpflicht dem Grunde nach für alle materiellen und immateriellen Schäden, die ihm aufgrund der in der Zeit vom 1. Februar bis 5. Mai 1995 geleisteten Sanierungsarbeiten im Asylbewerberheim D, A, entstanden sind und noch entstehen werden, anzuerkennen. Die Beklagte lehnte eine Haftung unter Hinweis auf den Haftungsausschluss nach § 104 Abs. 1 SGB VII mit Schreiben vom 20. Dezember 2006 ab.

9

Der Kläger meint, die die Sanierung anordnenden leitenden Mitarbeiter der Beklagten hätten seine gesundheitliche Schädigung zumindest billigend in Kauf genommen. Da die eingeatmeten Staubfasern dauerhaft in seinem Körper verblieben, sei durch die Sanierungsarbeiten das Risiko einer zukünftigen Erkrankung an Asbestose sowie der Ausbildung von Brustfell- und Lungentumoren begründet worden. Ein das Risiko einer Krebserkrankung ausschließender staubanalytischer Grenzwert bezüglich der Anzahl der Asbestkörperchen pro Kubikzentimeter Lungengewebe könne wissenschaftlich nicht definiert werden. Bereits eine einzige Asbestfaser im Lungengewebe könne ausreichen, den Krebs zu erzeugen.

10

Der Kläger ist der Ansicht, das Einatmen gesundheitsgefährdender, insbesondere krebserregender Stoffe aus asbesthaltigen Materialien für die Dauer von etwa drei Monaten stelle unabhängig von einem darauf beruhenden tatsächlichen Ausbruch einer Krebserkrankung bzw. Begünstigung einer anderweitigen Krankheit eine Gesundheitsverletzung iSd. § 823 Abs. 1 BGB dar. Bei dem eingeatmeten Chrysotilasbest handele es sich um einen körperfremden Giftstoff. Die Asbestfasern hakten sich im Lungengewebe ein. Bereits dies stelle einen vom normalen und gesunden Organzustand abweichenden Zustand dar. Körpereigene Zellen - sogenannte Fresszellen - versuchten die Fasern zu entfernen und würden hierbei überstrapaziert und zerstört. Hierdurch komme es zu einer schnellen Zellvermehrung, wodurch die Wahrscheinlichkeit von Zellmutationen und damit die Entstehung von Krebszellen erheblich gesteigert werde. Da es nach wissenschaftlichen Erkenntnissen durchschnittlich 34,5 Jahre dauere, bis nach einer Asbestbelastung ein Tumor entstehe, wäre ihm zum Zeitpunkt eines eventuellen Erkrankungsausbruches eine Beweisführung zu den Umständen seines Arbeitseinsatzes und zur Intensität der Asbestbelastung nicht mehr oder nur noch unter äußerst erschwerten Bedingungen möglich. Daher gebiete die verfassungsrechtlich geschützte Rechtsschutzgarantie eine Feststellung der Schadensersatzpflicht bereits ohne konkrete Anzeichen einer asbestbedingten Krebserkrankung.

11

Letztlich meint der Kläger, es lägen auch die Voraussetzungen einer körperlichen Misshandlung iSv. § 223 StGB vor.

12

Der Kläger hat in der Revisionsinstanz beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, welche er aufgrund der nach Weisung der Beklagten im Zeitraum vom 1. Februar bis 5. Mai 1995 an asbestfaserhaltigen Bauteilen im damaligen Asylbewerberheim in D, A, ausgeführten Arbeiten erleidet, unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 100 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie behauptet, die die Sanierungsarbeiten anordnenden Mitarbeiter S und Sch hätten mit der Anordnung ihre Befugnisse überschritten. Zwar habe dem Abteilungsleiter S die Dienstaufsicht und der konkrete Einsatz der Mitarbeiter des Sozialamtes oblegen, die Anordnung der Durchführung von Sanierungsarbeiten habe aber nicht zu seinem Aufgabenbereich gehört. Wegen der Befugnisüberschreitung seien auch arbeitsrechtliche Schritte gegen die handelnden Mitarbeiter ergriffen worden.

14

Die Beklagte bestreitet, dass die anordnenden Mitarbeiter vorsätzlich gehandelt haben. So habe insbesondere auch niemand den Eintritt eines Gesundheitsschadens bei dem Kläger billigend in Kauf genommen. Daher stünde einem Schadensersatzanspruch des Klägers bereits der Haftungsausschluss des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII entgegen. Außerdem lägen keine begründeten Anhaltspunkte dafür vor, dass bei dem Kläger als Folge des Umstandes, dass er asbesthaltiger Luft ausgesetzt gewesen sei, ein Gesundheitsschaden eingetreten sei. Auch habe der Kläger keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen den behaupteten Gesundheitsschäden und den im Jahre 1995 durchgeführten Sanierungsarbeiten dargelegt.

15

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

17

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Voraussetzung für den deliktischen Anspruch sei, dass der Kläger darlege und beweise, dass ein Personenschaden (Gesundheitsschaden) durch ein schuldhaft pflichtverletzendes Handeln der Beklagten bzw. einer für diese betrieblich tätigen Person zumindest fahrlässig verursacht worden sei. Der Kläger habe zwar ein zumindest fahrlässiges Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten dargelegt, welches diese sich nach § 831 BGB zurechnen lassen müsse. Dieses könnte auch zu einer Gesundheitsverletzung bei ihm führen. Für eine solche Gesundheitsverletzung im Sinne einer Störung der physischen, psychischen oder mentalen Befindlichkeit mit Krankheitscharakter gebe es jedoch keine begründeten Anhaltspunkte. Es fehle an einem medizinischen Untersuchungsergebnis, aus dem auf eine physische oder psychische Krankheit des Klägers geschlossen werden könne. Die Ansicht des Klägers, dass jeder, der über eine gewisse Zeit asbesthaltige Raumluft einatme, unweigerlich eine Gesundheitsverletzung erleide, überzeuge nicht. Allein die subjektive Vermutung bzw. Befürchtung des Klägers, bei ihm hätten sich Asbestfasern im Lungengewebe verhakt, genüge nicht, um auf das Vorliegen eines Gesundheitsschadens bei ihm schließen zu können. Die Feststellung, ob der Straftatbestand des § 223 StGB erfüllt sei, falle nicht in die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen.

18

II. Die Revision des Klägers ist zulässig.

19

Sie ist gemäß § 74 Abs. 1 ArbGG frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.

20

1. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist dem Kläger am 20. August 2009 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 18. September 2009, eingegangen an demselben Tag, hat der Kläger unter Beifügung der erforderlichen Anlagen die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Revisionsverfahren nebst der Beiordnung von Rechtsanwalt H beantragt. Mit Beschluss des Senats vom 21. Oktober 2009, dem Kläger am 2. November 2009 zugestellt, ist dem Kläger für das Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt H beigeordnet worden.

21

Die Revisionsschrift des Klägers vom 10. November 2009 ist am 11. November 2009 eingegangen. Sie enthält den Antrag, ihm gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

22

2. Dem Kläger war die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO zu gewähren. Er war ohne sein Verschulden verhindert, die einmonatige Revisionsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG(Notfrist, § 548 ZPO) und die zweimonatige (§ 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) Frist zur Begründung der Revision einzuhalten. Als unverschuldete Verhinderung ist die Bedürftigkeit der Partei anzusehen, wenn diese innerhalb der Rechtsmittelfrist einen vollständigen Prozesskostenhilfeantrag stellt (vgl. BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 106/09 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 17).

23

III. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Ob dem Kläger der geltend gemachte Feststellungsanspruch zusteht, konnte der Senat aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen allerdings nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden.

24

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das nach § 256 ZPO für Feststellungsklagen erforderliche Feststellungsinteresse gegeben.

25

a) Das besondere Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens und auch noch in der Revisionsinstanz gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen (BAG 19. August 2004 - 8 AZR 349/03 - AP SGB VII § 104 Nr. 4).

26

Dieses besondere Feststellungsinteresse ist bei einer Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden grundsätzlich dann gegeben, wenn Schadensfolgen in der Zukunft möglich sind, auch wenn ihre Art, ihr Umfang und sogar ihr Eintritt noch ungewiss sind. Es muss allerdings eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt bestehen (BAG 19. August 2004 - 8 AZR 249/03 - mwN, AP SGB VII § 104 Nr. 4).

27

Das bedeutet, dass ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung iSd. § 256 Abs. 1 ZPO wegen eines erst künftig aus einem Rechtsverhältnis erwachsenden Schadens angenommen werden kann, wenn nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge der Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich ist(BGH 15. Oktober 1992 - IX ZR 43/92 - mwN, NJW 1993, 648).

28

b) Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen ist ein Feststellungsinteresse des Klägers gegeben. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, dass eine Gesundheitsverletzung des Klägers derzeit nicht vorliegt, stehen dem nicht entgegen.

29

aa) Ausweislich der Feststellungen des Arbeitsgerichts im Tatbestand, auf welche im Berufungsurteil ausdrücklich verwiesen wird, ist unstreitig, dass der Kläger bei seiner Beteiligung an den Sanierungsarbeiten Asbestfasern eingeatmet hat, dass das Einatmen asbesthaltiger Raumluft für die Dauer von ca. 100 Stunden zu Ablagerungen von Asbestfasern im Lungengewebe führt und dass hierdurch die Risiken einer chronischen Entzündung in der Lunge und der Ausbildung von Krebszellen erhöht werden. Weiterhin ist ausweislich der Feststellungen unstreitig, dass ein staubanalytischer Grenzwert für die Anzahl der eine Asbesterkrankung auslösenden Asbestpartikel nicht definiert werden kann, dass aber das Risiko einer solchen Erkrankung mit der Intensität und der Dauer der Einatmung asbesthaltiger Luft ansteigt.

30

bb) Damit steht zwar nicht fest, dass beim Kläger durch die Asbestbelastung bereits eine Gesundheitsschädigung eingetreten ist. Allerdings besteht nach der allgemeinen Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eine gewisse, dh. hinreichende Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer solchen. Dies folgt zum einen daraus, dass nach § 1 iVm. Anlage 1 Nr. 4103, 4104 und 4105 der Berufskrankheitenverordnung vom 31. Oktober 1997 durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen als Berufskrankheiten anerkannt sind und somit auch der Verordnungsgeber davon ausgeht, dass Asbestbelastungen Erkrankungen hervorrufen können. Zum anderen ist auch die Schließung der Kindereinrichtung und die durch das Gewerbeaufsichtsamt angeordnete Einstellung der Arbeiten an dem fraglichen Gebäude in D, A, wegen Asbestbelastung ein Anhaltspunkt für das erhebliche Gesundheitsrisiko von dort zu verrichtenden Arbeiten unter Asbeststaubbelastung. Letztlich war die Tätigkeit des Klägers im Asylbewerberheim vom 1. Februar bis 5. Mai 1995 auch nicht von solch kurzer Dauer, dass eine Gesundheitsschädigung nach allgemeiner Lebenserfahrung als unwahrscheinlich anzusehen wäre.

31

2. Ob eine Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen eines Verstoßes der Beklagten gegen ihre arbeitsvertraglichen Schutzpflichten (§ 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 618 Abs. 1 BGB) wegen des Haftungsausschlusses nach § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO unbegründet ist, kann der Senat aufgrund der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.

32

a) Entgegen der Auffassung der Parteien ist hinsichtlich eines Haftungsausschlusses § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht anwendbar. Diese Bestimmung ist erst zum 1. Januar 1997 in Kraft getreten. Für vor diesem Zeitpunkt liegendes Unfallgeschehen kann sich ein Haftungsausschluss deshalb nur aus §§ 636 ff. RVO in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung (im Folgenden nur: RVO) ergeben.

33

b) Gemäß § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO ist der Unternehmer den in seinem Unternehmen tätigen Versicherten zum Ersatz des durch einen Arbeitsunfall erlittenen Personenschadens nach anderen gesetzlichen Vorschriften nur dann verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat oder wenn der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist.

34

aa) Die beklagte Stadt ist Unternehmer (vgl. BGH 22. Februar 1989 - III ZR 234/88 - VersR 1990, 404; OLG Dresden 14. Oktober 1998 - 6 U 1485/98 - NJW-RR 1999, 902; LG Fulda 9. April 1987 - 2 O 389/86 - NJW-RR 1987, 1438). Der Kläger ist ein im Unternehmen der Beklagten tätiger Versicherter iSd. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO.

35

bb) Ob ein Arbeitsunfall anzuerkennen ist, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO gelten Berufskrankheiten als Arbeitsunfälle. Berufskrankheiten sind allerdings nur solche Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet hat. Nach § 1 iVm. Anlage 1 Nr. 4103, 4104 und 4105 der Berufskrankheitenverordnung vom 31. Oktober 1997 sind als Berufskrankheiten ua. anerkannt:

        

- Nr. 4103

Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen der Pleura,

        

- Nr. 4104

Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs

                          

-       

in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose),

                          

-       

in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder

                          

-       

bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren (25 x 106 [(Fasern/m3) x Jahre]),

        

- Nr. 4105

durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells und des Bauchfells oder des Perikards.

36

Die vom Kläger dargelegten befürchteten asbeststaubbedingten Erkrankungen entsprechen den Erkrankungen der Nr. 4103 bis 4105 der Anlage 1 zu § 1 der Berufskrankheitenverordnung und sind somit Berufskrankheiten iSv. § 551 Abs. 1 RVO.

37

cc) Der Ausschluss der Haftung entfällt lediglich im Falle einer vorsätzlichen Herbeiführung des Arbeitsunfalls durch den Unternehmer (§ 636 Abs. 1 Satz 1 RVO).

38

Die Beklagte als Gebietskörperschaft kann als juristische Person des öffentlichen Rechts Arbeitsunfälle nicht selbst verursachen. Eine solche Verursachung kann nur durch die für sie handelnden Personen erfolgen. Als solche kommen für eine juristische Person deren Organe, gesetzlichen Vertreter sowie Verrichtungs- und Erfüllungsgehilfen in Betracht.

39

Die Regelungen des Unfallversicherungsrechts bezwecken zum einen den Schutz des Arbeitnehmers. Diesem steht bei einem Arbeitsunfall stets ein leistungsfähiger Schuldner gegenüber. Er ist in der Lage, schnell und wirksam die zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit und der wirtschaftlichen Sicherung des Arbeitnehmers erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Ansprüche des Arbeitnehmers werden ohne Verzögerung durch langwierige Streitigkeiten über Verschulden und Mitverschulden und ohne Prozessrisiko von Amts wegen festgestellt. Zum anderen dient der Haftungsausschluss nach §§ 636 ff. RVO auch dem Arbeitgeber. Dieser soll von der zivilrechtlichen Schadensersatzpflicht freigestellt werden, weil allein die Arbeitgeber die Aufwendungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu tragen haben. Durch die Haftungsersetzung wird das Risiko von Arbeitsunfällen für den Arbeitgeber kalkulierbar. Weiterhin soll der Haftungsausschluss sicherstellen, dass gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer um die Haftung aus Arbeitsunfällen nicht den Betriebsfrieden gefährden. Wenn der Haftungsausschluss auch nicht schlechthin den Frieden zwischen den Arbeitsvertragsparteien garantieren kann, so ist er doch geeignet, Anlässe zu Konflikten im Betrieb einzuschränken. Dass der Haftungsausschluss Schadensersatzansprüche aus vorsätzlicher Verletzung des Arbeitnehmers nicht erfasst, rechtfertigt sich aus der Rücksicht auf den Unrechtsgehalt der Tat (vgl. BVerfG 7. November 1972 - 1 BvL 4/71, 1 BvL 17/71, 1 BvL 10/72, 1 BvR 355/71 - BVerfGE 34, 118 = AP RVO § 636 Nr. 6).

40

Dem Arbeitnehmer ist ein Ausschluss von den Schadensersatzansprüchen nicht mehr zuzumuten, wenn er durch ein vorsätzliches Verhalten des Unternehmers, also durch ein besonders zu missbilligendes Verhalten, geschädigt worden ist. Eine Privilegierung des Unternehmers muss deshalb gegenüber dem geschädigten Arbeitnehmer in einem solchen Falle ausscheiden.

41

dd) Der Unternehmer hat nach § 278 Satz 1 BGB allerdings das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, derer er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten gegenüber dem Arbeitnehmer bedient(Erfüllungsgehilfen), in gleichem Umfange zu vertreten, wie eigenes Verschulden.

42

Dies widerspricht nicht dem Sinn und Zweck der Haftungsprivilegierung des § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO. Der Grund dafür, dass nach § 278 Satz 1 BGB der Schuldner, der sich bei der Erbringung seiner Leistung der Hilfe eines Dritten bedient, für dessen Verschulden einzustehen hat, liegt darin, dass der Geschäftskreis des Schuldners und damit sein eigener Risikobereich durch die Einschaltung einer solchen Hilfsperson eine Erweiterung erfährt(BGH 8. Februar 1974 - V ZR 21/72 - BGHZ 62, 119). § 278 BGB will den Gläubiger vor möglichen haftungsausschließenden Folgen einer arbeitsteiligen Wirtschaft schützen. Der Schuldner soll sich der Haftung für Leistungsstörungen nicht dadurch entziehen können, dass er Gehilfen einsetzt (BGH 27. Juni 1985 - VII ZR 23/84 - BGHZ 95, 128). Für die Haftung des Schuldners nach § 278 Satz 1 BGB ist es insbesondere nicht von Bedeutung, ob er bei der Auswahl, Anleitung, Unterweisung oder Beaufsichtigung des Dritten die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt oder gelassen hat. Er muss das Risiko eines fehlerhaften Verhaltens seines Erfüllungsgehilfen deshalb tragen, weil dieser objektiv eine Aufgabe übernimmt, die im Verhältnis zum Gläubiger dem Schuldner selbst obliegt (BGH 8. Februar 1974 - V ZR 21/72 - aaO). Dieser, das gesamte Vertragsrecht beherrschende Grundsatz erfährt durch § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO nur insoweit eine Einschränkung, als der Unternehmer nicht für die fahrlässige Verursachung eines Arbeitsunfalls durch ihn selbst oder durch seinen Erfüllungsgehilfen haftet. Ist allerdings der Arbeitsunfall des Versicherten (dh. des Arbeitnehmers) durch ein vorsätzliches Verhalten, also ein besonders zu missbilligendes Verhalten eines Erfüllungsgehilfen verursacht worden, gebieten Sinn und Zweck des § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO nicht, zugunsten des Unternehmers, der nicht in persona tätig geworden ist, weil er dies nicht wollte oder nicht konnte(zB bei einer juristischen Person als Unternehmer), die Haftungszurechnungsnorm des § 278 Satz 1 BGB nicht anzuwenden. Eine solche, im Übrigen auch durch den Gesetzeswortlaut nicht gebotene Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 278 Satz 1 BGB wäre dem geschädigten Arbeitnehmer auch aufgrund des Unrechtsgehalts der Tat nicht zumutbar.

43

Auch der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seiner Entscheidung vom 8. Dezember 1970 (- 1 AZR 81/70 - AP RVO § 636 Nr. 4 = EzA BGB § 611 Gefahrgeneigte Arbeit Nr. 6) keine Bedenken gegen eine Anwendbarkeit des § 278 BGB im Rahmen des § 636 RVO bei der Verursachung eines Arbeitsunfalls durch einen Erfüllungsgehilfen erkennen lassen(ebenso: LAG Rheinland-Pfalz 8. September 2004 - 10 Sa 263/04 -; LAG Schleswig-Holstein 2. Juni 2009 - 5 Sa 41/09 - LAGE § 104 SGB VII Nr. 2 zu §§ 104 f. SGB VII).

44

ee) Die Beklagte bediente sich zur Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Kläger ua. des Abteilungsleiters S. Diesem oblag die Dienstaufsicht und der konkrete Einsatz der Mitarbeiter des Sozialamtes. Damit war er Vorgesetzter des Klägers. Ob er sich im konkreten Streitfalle bei der Anweisung des Arbeitseinsatzes des Klägers innerhalb der ihm zustehenden Befugnisse gehalten hat, ist für seinen Status als Erfüllungsgehilfe der Beklagten ohne Belang. Die Stellung als Erfüllungsgehilfe erlischt nämlich nicht dadurch, dass der durch den Arbeitgeber mit gegenüber dem Arbeitnehmer unbeschränkter Weisungsbefugnis ausgestattete Vorgesetzte die ihm im Innenverhältnis eingeräumten Befugnisse überschreitet. Eine solche Überschreitung wird im Regelfalle immer vorliegen, wenn der Vorgesetzte Weisungen erteilt, durch welche der Arbeitnehmer Schäden erleidet, da nicht anzunehmen ist, dass solche Weisungen sich im Rahmen der dem Vorgesetzten vom Arbeitgeber eingeräumten Befugnisse halten.

45

ff) Nach § 278 BGB hat die Beklagte das Verschulden des Abteilungsleiters wie eigenes zu vertreten.

46

Der Arbeitgeber haftet dem geschädigten Arbeitnehmer gegenüber gemäß § 278 Satz 1 BGB für schuldhaft begangene Rechtsverletzungen, die für ihn als Erfüllungsgehilfen eingesetzte Mitarbeiter oder Vorgesetzte begehen(allgemeine Meinung; vgl. BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - BAGE 124, 295 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7). Dabei ist es jedoch erforderlich, dass die schuldhafte Handlung des als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers handelnden Mitarbeiters in einem engen sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die der Arbeitgeber ihm als Erfüllungsgehilfen zugewiesen hat. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Erfüllungsgehilfe gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers konkretisiert bzw. wenn er ihm gegenüber Weisungsbefugnis besitzt (BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - aaO).

47

Die Beklagte hatte die sich aus § 618 Abs. 1 BGB ergebende arbeitsvertragliche Verpflichtung, die unter ihrer Anordnung vom Kläger vorzunehmenden Dienstleistungen so zu regeln, dass dieser gegen Gefahren für Leben und Gesundheit so weit geschützt war, als es die Natur der Dienstleistung gestattete. Daraus ergab sich für die Beklagte die Pflicht, den Kläger nicht mit Tätigkeiten zu beauftragen, bei denen er mit Asbestfasern in Kontakt kam, so dass für ihn die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bestand. Da die Beklagte den Arbeitseinsatz des Klägers durch dessen Abteilungsleiter S, der auch die Dienstaufsicht über den Kläger besaß, anordnen ließ, hat sie sich dessen Verschulden zurechnen zu lassen, wenn dieser den Kläger zu arbeitsvertraglich unzulässigen Arbeiten mit asbesthaltigen Materialien angewiesen hat.

48

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war dem Abteilungsleiter S das Vorhandensein asbesthaltigen Materials im Asylbewerberheim bekannt. Dennoch drängte er auf die Fortsetzung der Sanierungsarbeiten durch den Kläger. Deshalb steht fest, dass der Abteilungsleiter den Kläger vorsätzlich mit Tätigkeiten betraut hat, bei denen er mit gesundheitsgefährdenden Materialien in Berührung kam.

49

Damit ist aber noch nicht zwingend davon auszugehen, dass der Abteilungsleiter als Erfüllungsgehilfe der Beklagten und damit letztlich die Beklagte einen möglicherweise noch eintretenden Arbeitsunfall in Form eines Gesundheitsschadens des Klägers aufgrund der Asbestbelastung vorsätzlich iSd. § 636 Abs. 1 Satz 1 RVO verschuldet hat.

50

Allein der Verstoß gegen zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzpflichten indiziert keinen Vorsatz bezüglich der Herbeiführung eines Arbeitsunfalls iSd. § 636 Abs. 1 RVO. Ein solcher ist nur dann vorsätzlich herbeigeführt, wenn dieser gewollt war (dolus directus) oder sein Eintritt billigend in Kauf genommen wurde (dolus eventualis, vgl. BAG 31. Oktober 1991 - 8 AZR 637/90 - EzB RVO §§ 636, 637 Nr. 5). Der Vorsatz des Schädigers muss nämlich nicht nur die Verletzungshandlung, sondern auch den Verletzungserfolg umfassen. Demnach verbietet es sich, die vorsätzliche Pflichtverletzung mit einer ungewollten Unfallfolge mit einem gewollten Arbeitsunfall gleichzubehandeln (vgl. BAG 19. Februar 2009 - 8 AZR 188/08 - AP SGB VII § 105 Nr. 4 = EzA SGB VII § 105 Nr. 5). Diese Rechtsprechung zu §§ 636, 637 RVO ist auch entsprechend auf die Haftungsfreistellung nach §§ 104, 105 SGB VII erstreckt worden(vgl. BAG 19. August 2004 - 8 AZR 349/03 - AP SGB VII § 104 Nr. 4 = EzA SGB VII § 104 Nr. 2; 19. Februar 2009 - 8 AZR 188/08 - aaO).

51

gg) Ob eine vorsätzliche Herbeiführung eines möglichen Arbeitsunfalls des Klägers in Form einer Gesundheitsschädigung aufgrund der angeordneten Arbeiten unter Asbestbelastung durch den Abteilungsleiter des Klägers im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung vorgelegen hat, kann der Senat nicht feststellen. Dies ist Aufgabe des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz. Aus diesem Grunde war die Sache gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Dieses wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Schulz    

        

    Wroblewski    

                 

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.