Bundesgerichtshof Urteil, 14. Juni 2016 - XI ZR 242/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:140616UXIZR242.15.0
bei uns veröffentlicht am14.06.2016
vorgehend
Landgericht Marburg, 1 O 360/04, 19.06.2008
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 15 U 122/08, 13.05.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
XI ZR 242/15
Verkündet am:
14. Juni 2016
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Der Bürge verliert das Recht, sich gegenüber dem Gläubiger auf den Ablauf der ursprünglichen
Regelverjährung der Hauptforderung zu berufen, wenn aufgrund eines
gegen den Hauptschuldner ergangenen rechtskräftigen Urteils gegen diesen eine
neue 30-jährige Verjährungsfrist in Lauf gesetzt wird, und sich der Hauptschuldner
erfolglos auf die Einrede der Verjährung berufen hatte (Klarstellung BGH, Urteil vom
12. März 1980 - VIII ZR 115/79, BGHZ 76, 222).
BGH, Urteil vom 14. Juni 2016 - XI ZR 242/15 - OLG Frankfurt/Main
LG Marburg
ECLI:DE:BGH:2016:140616UXIZR242.15.0

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Joeres und Dr. Matthias sowie die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Dauber

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Grundurteil des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. Mai 2015 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus zwei selbstschuldnerischen Höchstbetragsbürgschaften in Anspruch.
2
Mit Verträgen vom 30. September 1992 und 23. März 1993 gewährte eine Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden: Klägerin) der früheren Ehefrau des Beklagten S. und Frau H. (im Folgenden: Hauptschuldnerin) zwei grundschuldgesicherte Darlehen in Höhe von 650.000 DM und 850.000 DM für den Ankauf und die Sanierung einer Wohnanlage. In gleicher Höhe übernahm der Beklagte der Klägerin gegenüber am 26. Oktober 1992 und am 20. Juli 1993 zwei unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaften zur Sicherung aller Ansprüche aus der Geschäftsverbindung der Klägerin zu den Darlehensnehmerinnen. Am 9. Mai 1995 wurde die frühere Ehefrau des Beklagten aus der Haftung für beide Darlehen entlassen. Mit Ein- willigung des Beklagten vom 13. Januar 1997 wurde die Tilgung der Darlehen in der Zeit vom 10. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 1998 und ohne seine Zustimmung auch darüber hinaus ausgesetzt. Die Hauptschuldnerin unterzeichnete am 16. Januar 1997 zwei Fortsetzungsvereinbarungen unter den Geschäftsnummern der ursprünglichen Darlehensverträge. Nach Zahlungseinstellung durch die Hauptschuldnerin und Anordnung der Zwangsverwaltung über die Immobilie kündigte die Klägerin am 29. Juni 2001 die Geschäftsverbindung zur Hauptschuldnerin und stellte die Hauptforderung in Höhe von 1.431.759,61 DM zzgl. Zinsen und Kosten fällig. Ab Februar 2002 verhandelte sie mit der Hauptschuldnerin über eine vergleichsweise Lösung. Am 4. Juni 2004 nahm sie den Beklagten aus den Bürgschaften in Anspruch. Am 13. Oktober 2004 erhob sie Bürgschaftsklage, die dem Beklagten am 5. November 2004 zugestellt wurde. Am 19. Juni 2007 teilte die Klägerin dem Landgericht mit, dass die "langwierigen außergerichtlichen Verhandlungen" zwischen den Beteiligten gescheitert seien. Am 2. März 2007 erwirkte sie die Anordnung der Zwangsversteigerung der Immobilie und am 27. Dezember 2007 den Erlass eines Mahnbescheids gegen die Hauptschuldnerin. Nach Überleitung in das streitige Verfahren ist die Hauptschuldnerin mit Urteil vom 13. März 2009 vom Landgericht Frankfurt am Main in dem Verfahren 2-20 O 152/08 rechtskräftig zur Zahlung von 714.010,84 € aus den streitgegenständlichen Darlehensverträgen an die Klägerin verurteilt worden. Die Hauptschuldnerin hatte sich in diesem Verfahren auf die Verjährung des Zahlungsanspruches berufen. Das Landgericht Frankfurt am Main hat ihren diesbezüglichen Vortrag jedoch für nicht hinreichend substantiiert erachtet. Von einer Berufung gegen das landgerichtliche Urteil hat die Hauptschuldnerin abgesehen.
3
Der Beklagte hat verschiedene Einwendungen gegen die Bürgschaften und die Hauptforderung erhoben und sich unter anderem auf die Verjährung der Hauptforderung berufen. Die gegen ihn zuletzt auf Zahlung von 697.481,42 € nebst Zinsen gerichtete Klage ist in beiden Vorinstanzen zunächst erfolglos geblieben. Mit Urteil vom 26. Januar 2010 (XI ZR 12/09, juris) hat der erkennende Senat das Urteil des Berufungsgerichts vom 11. Dezember 2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, um unter anderem Feststellungen zur Dauer der Verhandlungen zwischen der Hauptschuldnerin und der Beklagten zu treffen. Dabei war dem Senat nicht mitgeteilt worden, dass die Klägerin am 13. März 2009 vor dem Landgericht Frankfurt am Main in dem Verfahren 2-20 O 152/08 ein Urteil über die Hauptforderung in Höhe von 714.010,84 € gegen die Hauptschuldnerin erstritten hatte, das nach dem Vermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 20. Juli 2009 rechtskräftig ist.
4
Mit Grundurteil vom 13. Mai 2015 hat das Berufungsgericht die Ansprüche der Klägerin aus den Bürgschaften dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Der Beklagte verfolgt mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision seinen Klagabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
7
Die Berufung der Klägerin sei zulässig und zumindest insoweit begründet , als das Landgericht eine Bürgenhaftung des Beklagten bereits dem Grunde nach verneint habe. Die vom Beklagten gegen seine Bürgschaftsverpflichtung als solche vorgebrachten Einwände griffen nicht durch. Vielmehr sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass sich der Beklagte auch für die Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin verbürgt habe. Eine Beschränkung seiner Bürgenstellung auf die Verbindlichkeiten seiner früheren Ehefrau habe er nicht nachweisen können. Eine Schuldumschaffung habe ebenfalls nicht stattgefunden.
8
Der Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf die Verjährung der Hauptforderung berufen. Zwar sei ihm dies nicht nach Treu und Glauben verwehrt, und es bleibe auch zweifelhaft, ob die Verjährung zwischen dem 1. Januar 2002 und dem Tag des Eingangs des gegen die Hauptschuldnerin gerichteten Mahnbescheidsantrages der Klägerin bei Gericht am 10. Dezember 2007 ausreichend lange durch ernsthafte Verhandlungen zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin gehemmt gewesen sei. Zum einen sei schon fraglich, ob diese Verhandlungen tatsächlich bereits am 19. Februar 2002 begonnen hätten. Zum anderen erscheine zweifelhaft, ob die von der Klägerin behaupteten einvernehmlichen Verhandlungspausen zum Nachteil des Beklagten als Bürgen wirken könnten. Hinzu komme, dass auch die Übertragbarkeit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Wirkung einer Verjährungshemmung durch Verhandlungen zwischen Gläubiger und Hauptschuldner zugunsten des Bürgen (Senatsurteil vom 14. Juli 2009 - XI ZR 18/08, BGHZ 182, 76 Rn. 19 ff.) auf derartige Verhandlungspausen fraglich sei. Jedoch komme es hierauf nicht an, da die Hauptschuldnerin trotz der von ihr im Parallelprozess erhobenen Verjährungseinrede rechtskräftig verurteilt und ihr damit diese Einrede aberkannt worden sei.
9
Entscheidend sei deshalb die Frage, ob und inwieweit sich ein Bürge, der nach § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen könne, noch mit Erfolg auf eine Einrede berufen könne, die dem Hauptschuldner selbst nach einem rechtskräftigen Urteil nicht mehr zustehe. Dass ein zwischen Gläubiger und Hauptschuldner ergangenes Urteil nach § 325 Abs. 1 ZPO nur zwischen diesen Parteien Rechtskraftwirkung entfalte, ändere materiell-rechtlich nichts daran, dass die dem Bürgen im Hinblick auf die verbürgte Schuld zustehenden Einreden nach § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich identisch mit den Einreden seien, die der Hauptschuldner gegenüber dem Gläubiger erheben könne. Dies entspreche dem Grundkonzept der Bürgschaft , wonach der Gläubiger vom Bürgen nur dasjenige erhalten solle, was er vom Hauptschuldner nach dem jeweiligen Stand der besicherten Hauptforderung noch beanspruchen könne.
10
Deshalb sei es konsequent, dem Bürgen gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB die Einrede zuzugestehen, dem Gläubiger sei die Forderung im Prozess gegen den Hauptschuldner aberkannt worden, obwohl es insoweit an einer Rechtskrafterstreckung des zwischen Gläubiger und Hauptschuldner ergangenen Urteils im Sinne von § 325 Abs. 1 ZPO fehle. Ebenso konsequent sei es aber, auch bei der Beantwortung der Frage, ob der Bürge eine Einrede noch erheben könne, die dem Hauptschuldner selbst im Verhältnis zum Gläubiger nicht mehr zustehe, auf den Sinn und Zweck des § 768 Abs. 2 BGB abzustellen.
11
Die rechtskräftige Verurteilung der Hauptschuldnerin stünde daher nur dann der Erhebung der Einrede der Verjährung der Hauptschuld durch den Beklagten nicht entgegen, wenn es zu dieser Verurteilung aufgrund eines Verhaltens der Hauptschuldnerin gekommen wäre, das bei wertender Betrachtung wie ein Einredeverzicht im Sinne von § 768 Abs. 2 BGB zu behandeln sei. Ein solches Verhalten der Hauptschuldnerin sei aber nicht feststellbar. Weder sei die Hauptschuldnerin im Prozess mit der Klägerin säumig geblieben noch habe sie es unterlassen, die Verjährungseinrede zu erheben. Auch sei den Feststellungen des Landgerichts Frankfurt am Main im Verfahren 2-20 O 152/08 kein An- haltspunkt dafür zu entnehmen, dass sich die Hauptschuldnerin, die verschiedene Einwände gegen die Darlehensrückzahlungsansprüche der Klägerin erhoben habe, nur zum Schein gegen die Klage verteidigt hätte.
12
Ein wie ein Einredeverzicht nach § 768 Abs. 2 BGB zu wertendes Verhalten könne auch nicht dem Einwand des Beklagten entnommen werden, die Hauptschuldnerin habe sich im Prozess mit der Klägerin "schlecht" verteidigt. Allein die Wertung des Landgerichts Frankfurt am Main, es habe "an substantiiertem Vortrag" der Hauptschuldnerin zur Beendigung der Verjährungshemmung gefehlt, genüge dafür ohne näheren Tatsachenvortrag des Beklagten zu etwaigen Versäumnissen der Hauptschuldnerin bei ihrer Prozessführung gegen die Klägerin nicht.

II.

13
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
14
Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich der Beklagte als Bürge auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung der Hauptschuldnerin zur Rückzahlung der verbürgten Verbindlichkeit nicht mehr gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Ablauf der ursprünglichen Regelverjährung der Hauptverbindlichkeit - der mangels Feststellungen des Berufungsgerichts revisionsrechtlich zugunsten des Beklagten zu unterstellen ist - berufen kann. Auch § 768 Abs. 2 BGB greift nicht zu seinen Gunsten ein, da ein einem Einredeverzicht nach § 768 Abs. 2 BGB vergleichbares Prozessverhalten der Hauptschuldnerin, das zu deren Verurteilung geführt hat, vom Beklagten nicht substantiiert dargelegt worden ist. Die Durchsetzung der Forderung der Klägerin gegen den Beklagten stellt sich auch nicht als unzulässige Rechtsausübung dar.
15
1. Der Beklagte kann sich auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung der Hauptschuldnerin zur Rückzahlung der verbürgten Verbindlichkeit nicht mehr gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den zu seinen Gunsten zu unterstellenden Ablauf der ursprünglichen Regelverjährung der Hauptverbindlichkeit berufen.
16
a) Gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Bürge gegenüber dem Gläubiger neben seinen eigenen Einreden aus dem Bürgschaftsverhältnis auch die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Er kann dies aber nur insoweit tun, wie diese Einreden dem Hauptschuldner selbst noch zustehen. Verliert der Hauptschuldner eine Einrede (etwa die Einrede der Stundung oder die der fehlenden Fälligkeit durch Zeitablauf), verliert sie auch der Bürge - mit Ausnahme der Fälle des § 768 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 12. März 1980 - VIII ZR 115/79, BGHZ 76, 222, 229; Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 768 Rn. 6; MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl., § 768 Rn. 4; BeckOK-BGB/Rohe, Stand: 1. Mai 2016, § 768 Rn. 6).
17
b) Für die Frage, ob dem Hauptschuldner eine Einrede im Sinne des § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB zusteht, kommt es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung an. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB („zustehenden Einreden“), zum anderen aus § 768 Abs. 2 BGB. Diese Vorschrift würde eines eigenständigen Regelungsgehalts entbehren, wenn es für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB nur darauf ankäme, ob dem Hauptschuldner die Einrede ursprünglich zugestanden hat.
18
c) Im vorliegenden Verfahren stand der Hauptschuldnerin zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im vorliegenden Prozess die Einrede der Verjährung nicht mehr zu. Dies folgt aus ihrer rechtskräftigen Verurtei- lung zur Rückzahlung von 714.010,84 € ausden mit der Klägerin geschlossenen Darlehensverträgen.
19
aa) Zwar erwächst eine Entscheidung über die Einreden einer Partei nicht in Rechtskraft (vgl. BGH, Urteile vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 3, vom 7. Juli 1993 - VIII ZR 103/92, BGHZ 123, 137, 140, vom 11. November 1994 - V ZR 46/93, WM 1995, 266 und vom 13. November 1998 - V ZR 29/98, WM 1999, 549, 550; MünchKommZPO/Gottwald, 4. Aufl., § 322 Rn. 108; PG/Völzmann-Stickelbrock, ZPO, 8. Aufl., § 322 Rn. 33; Baumbach /Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl., § 322 Rn. 19; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 37. Aufl., § 322 Rn. 30). Dennoch geht von einer solchen Entscheidung eine präjudizielle Wirkung insoweit aus, als für den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung in dem zugrunde liegenden Verfahren bindend festgestellt ist, dass der betreffenden Partei die Einrede nicht zusteht (vgl. PG/Völzmann-Stickelbrock, ZPO, 8. Aufl., § 322 Rn. 33; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 37. Aufl., § 322 Rn. 30). Ließe man ein anderes Ergebnis zu, könnte die Entscheidung in einem Folgeprozess der Sache nach auf das kontradiktorische Gegenteil des im Vorprozess zuerkannten Anspruchs gestützt werden. Dies wäre jedoch mit der Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils unvereinbar (BGH, Urteil vom 26. Juli 2005 - X ZR 109/03, WM 2006, 1124, 1125 f.; vgl. auch BGH, Urteile vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 4 f. und vom 13. November 1998 - V ZR 29/98, WM 1999, 549, 550).
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bb) Dementsprechend hat vorliegend die rechtskräftige Verurteilung der Hauptschuldnerin zur Folge, dass dieser die Einrede der Verjährung nicht mehr im Sinne des § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB „zusteht“ und sie daher auch der Beklagte als Bürge nicht mehr geltend machen kann (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 1988, 206, 207 zu § 770 Abs. 2 BGB; Staudinger/Horn, BGB, Neubearb. 2013, § 768 Rn. 26). Dafür, dass die Hauptschuldnerin bis zum Schluss der mündlichen Tatsachenverhandlung im vorliegenden Verfahren die Einrede der Verjährung erneut (etwa durch eine entsprechende Parteivereinbarung) erlangt hätte (vgl. BGH, Urteile 13. November 1998 - V ZR 29/98, WM 1999, 549, 550 und vom 26. Juli 2005 - X ZR 109/03, WM 2006, 1124, 1126), bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte; solche werden vom Beklagten auch nicht behauptet. Nach der rechtskräftigen Verurteilung der Hauptschuldnerin zur Zahlung der verbürgten Schuld ist lediglich eine neue, hier noch nicht abgelaufene 30-jährige Verjährungsfrist von Gesetzes wegen gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB angelaufen.
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cc) Entgegen der Auffassung der Revision ist dieses Ergebnis nicht Folge einer Rechtskrafterstreckung nach § 325 ZPO einer den Hauptschuldner verurteilenden Entscheidung zu Lasten des Bürgen. Dass eine rechtskräftige Entscheidung gegen den Hauptschuldner dem Bürgen die Möglichkeit nimmt, sich gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Einreden zu berufen, die dem Hauptschuldner bis zu dessen Verurteilung zugestanden haben, ergibt sich vielmehr aus der materiell-rechtlichen Vorschrift des § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach deren nicht auf einen früheren, sondern auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung bezogenen Wortlaut kann der Bürge nur die dem Hauptschuldner noch "zustehenden Einreden“ erheben.
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dd) Auch die akzessorische Natur der Bürgschaftsschuld steht dieser Auslegung nicht entgegen. Der Akzessorietätsgrundsatz gebietet es nicht, dass eine im Prozess des Gläubigers gegen den Hauptschuldner ergangene rechtskräftige Entscheidung bei der Anwendung des § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB dieselben Wirkungen entfaltet, wie bei der Anwendung des § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB.
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(1) Akzessorietät bedeutet die Abhängigkeit eines Sicherungsrechts vom Bestand des gesicherten Rechts (Erman/Herrmann, BGB, 14. Aufl., vor § 765 Rn. 3; Soergel/Gröschler, BGB, 13. Aufl., vor § 765 Rn. 12; Beckmann in Dauner -Lieb/Langen, BGB, 3. Aufl., vor §§ 765 ff Rn. 6). Dementsprechend setzt die Bürgschaft eine bestehende Verbindlichkeit voraus (Mugdan, Materialien, II 659; MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl., § 765 Rn. 61; Soergel/Gröschler, BGB, 13. Aufl., vor § 765 Rn. 12; Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 765 Rn. 28; PWW/Brödermann, BGB, 11. Aufl., vor §§ 765 ff. Rn. 10).
24
(2) Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB („der jeweilige Bestand“), der auf den materiell-rechtlichen Bestand der Hauptschuld Bezug nimmt, welcher durch die rechtskräftige Verurteilung des Hauptschuldners nicht beeinflusst wird (Soergel/Gröschler, BGB, 13. Aufl., § 765 Rn. 67). Sinn und Zweck der Übernahme der Bürgschaft ist, wie sich aus § 765 Abs. 1 BGB ergibt, die Sicherung der Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner, wenn deren anderweitige Erfüllung unterbleibt (Mugdan, Materialien, II S. 659; MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl., § 765 Rn. 1; Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., vor § 765 Rn. 2). Damit wäre es unvereinbar, wenn der Bürge für die Erfüllung der Forderung auch dann einzustehen hätte, wenn diese entweder nicht entstanden oder bereits erloschen wäre, denn dies liefe auf die Begründung einer neuen, nicht akzessorischen Forderung gegenüber dem Bürgen hinaus.
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(3) Erlischt die Hauptverbindlichkeit zum Beispiel durch Aufrechnung oder Erfüllung, erlischt daher auch die Verpflichtung des Bürgen (RGZ 122, 146, 148; Soergel/Gröschler, BGB, 13. Aufl., § 767 Rn. 5; Erman/Herrmann, BGB, 14. Aufl. § 767 Rn. 3; Bamberger/Roth/Rohe, BGB, 3. Aufl., § 765 Rn. 132; Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 765 Rn. 29). Spiegelbildlich dazu lebt im Fall des Wiederauflebens der Hauptverbindlichkeit auch die Verpflichtung des Bürgen wieder auf, so zum Beispiel, wenn der Gläubiger gemäß § 144 InsO eine empfangene anfechtbare Leistung dem Hauptschuldner zurückgewährt (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1973 - VIII ZR 82/72, WM 1973, 1354 zu § 39 KO; OLG Brandenburg, ZInsO 2004, 504, 506; OLG München, ZIP 2009, 1310, 1311; Staudinger/Horn, BGB, Neubearb. 2013, § 767 Rn. 15; MünchKommInsO /Kirchhof, 3. Aufl., § 144 Rn. 10c; Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 765 Rn. 29).
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(4) Einreden wie die der Verjährung berühren dagegen nicht den Bestand der Hauptschuld. § 768 Abs. 1 BGB enthält daher im engeren Sinne keine Regelung der Akzessorietät der Bürgschaft selbst, sondern eine Regelung zur Erweiterung dieser Akzessorietät (Soergel/Gröschler, BGB, 13. Aufl., § 768 Rn. 1; Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 768 Rn. 1). Dementsprechend wird die Regelung in § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB auch als „Ausdehnung“ (Erman/Herrmann, BGB, 14. Aufl., § 768 Rn. 1), „weitere Ausprägung“ (MünchKommBGB /Habersack, 6. Aufl., § 768 Rn. 1), „Folge“ (Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 768 Rn. 1), oder „Ausfluss“ (Soergel/Gröschler, BGB, 13. Aufl., § 768 Rn. 1) des Akzessorietätsgrundsatzes verstanden.
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(5) Welchen Inhalt § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB hat, kann danach dem Akzessorietätsgrundsatz selbst nicht entnommen werden, obwohl dieser für den Gesetzgeber bei der Normierung des Bürgschaftsrechts maßgebend war (vgl. Mugdan, Materialien, II 661). Der Akzessorietätsgrundsatz lässt keinen sicheren Schluss darauf zu, ob es im Rahmen des § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB darauf ankommt , ob der Hauptschuldner nur nach dem materiellen Recht eine Einrede hat (Gleichklang bei der materiellen Rechtslage), oder darauf, ob er diese Einrede auch durchsetzen kann (Gleichklang bei der Durchsetzbarkeit). Die Literatur spricht insoweit davon, dass die Schuld des Bürgen eine von der Durchsetzbarkeit der Hauptschuld abhängige Schuld ist (Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., vor § 765 Rn. 1; MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl., § 765 Rn. 61; Erman/Müller/Herrmann, BGB, 14. Aufl., vor § 765 Rn. 3; PWW/Brödermann, BGB, 11. Aufl., vor §§ 765 ff. Rn. 10).
28
(6) Die Revision kann sich infolge dessen nicht mit Erfolg auf das Urteil des Reichsgerichts vom 8. Oktober 1928 (RGZ 122, 146 ff.) berufen. Dort hat das Reichsgericht entschieden, dass dem Bürgen die durch die Aufrechnung des Hauptschuldners erlangte Einwendung gemäß § 767 Abs. 1 BGB auch dann erhalten bleibt, wenn dem Hauptschuldner seine auf die Aufrechnung ge- gründete Einwendung rechtskräftig aberkannt worden ist (aaO 148). Wie dargestellt , ergibt sich dieses Ergebnis jedoch unmittelbar aus § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB, ohne dass es des vom Reichsgericht in einem früheren Urteil (RGZ 56, 109 ff.) vorgenommenen Rückgriffs auf § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB bedarf.
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(7) Nicht im Widerspruch dazu steht, dass sich der Bürge auf die rechtskräftige Aberkennung der Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner berufen kann. Denn gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB kann er die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden, mithin auch geltend machen, dass dem Gläubiger seine Forderung gegen den Hauptschuldner rechtskräftig aberkannt worden ist (BGH, Urteile vom 17. Februar 1965 - VIII ZR 158/63, WM 1965, 579, 580 und vom 24. November 1969 - VIII ZR 78/68, WM 1970, 12; Soergel /Gröschler, BGB, 13. Aufl., § 765 Rn. 67).
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ee) Unabhängig davon geht von einem im Verfahren des Gläubigers gegen den Hauptschuldner ergangenen Urteil nicht nur eine präjudizielle Wirkung insoweit aus, als für den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung in dem zugrunde liegenden Verfahren bindend festgestellt ist, dass dem Hauptschuldner die ursprünglich bestehende Einrede der Verjährung nicht mehr zusteht. Vielmehr hat die rechtskräftige Verurteilung des Hauptschuldners auch zur Folge, dass zu dessen Lasten kraft Gesetzes gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB eine neue, 30-jährige Verjährungsfrist in Gang gesetzt wird. Eine Einrede im Sinne von § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB steht dem Hauptschuldner aus diesem Grund nicht mehr zu. Auch dieses Ergebnis ist nicht Folge einer Rechtskrafterstreckung nach § 325 ZPO. Es ergibt sich vielmehr aus dem Zusammenspiel der beiden materiell-rechtlichen Bestimmungen des § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB und des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB.
31
ff) Dass der Hauptschuldner nach seiner rechtskräftigen Verurteilung - außer im Fall des § 768 Abs. 2 BGB - dem Gläubiger nicht gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB die Einrede der Verjährung entgegenhalten kann, hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden (BGH, Urteil vom 12. März 1980 - VIII ZR 115/79, BGHZ 76, 222 ff.).
32
(1) In diesem Urteil hat der VIII. Zivilsenat, der damals für das Bürgschaftsrecht zuständig war, ausgeführt, dass eine rechtskräftige Verurteilung eine neue 30-jährige Verjährungszeit in Lauf setzt (§ 218 BGB aF), so dass der Hauptschuldnerin nunmehr keine Verjährungseinrede mehr zusteht, auf die sich der Bürge nach § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB berufen könnte (BGH, Urteil vom 12. März 1980 - VIII ZR 115/79, BGHZ 76, 222, 229 vorletzter Satz). Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, wäre die sich daran anschließende Prüfung einer analogen Anwendung des § 768 Abs. 2 BGB entbehrlich gewesen, wenn der VIII. Zivilsenat hätte zum Ausdruck bringen wollen, dass bereits die fehlende Rechtskraftwirkung nach § 325 Abs. 1 ZPO dazu führen würde, dass die Verurteilung des Hauptschuldners im Verhältnis zwischen Gläubiger und Bürge auch materiell-rechtlich gänzlich unbeachtlich sei.
33
(2) Der VIII. Zivilsenat hat in jener Entscheidung aber auch dem entgegengesetzte Formulierungen verwendet (BGH, Urteil vom 12. März 1980 - VIII ZR 115/79, BGHZ 76, 222, 230 f. und zweiter Leitsatz), die Eingang in die Kommentarliteratur gefunden haben (MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl., § 768 Rn. 11, Soergel/Gröschler, BGB, 13. Aufl., § 767 Rn. 22 und § 768 Rn. 9; jurisPK-BGB/Prütting, 7. Aufl., § 768 Rn. 10 und Jauernig/Stadler, BGB, 16. Aufl., § 768 Rn. 7). Diese Ausführungen standen aber im Zusammenhang mit der vom VIII. Zivilsenat vorgenommenen Prüfung, ob ein Handeln des dortigen Hauptschuldners vorlag, das einem Verzicht auf die Einrede der Verjährung (§ 768 Abs. 2 BGB) gleichstand. Sie können deshalb ungeachtet ihrer abstrakten Fassung nicht über die Fälle des § 768 Abs. 2 BGB hinaus verallgemeinert werden. Der erkennende Senat kann dies klarstellen, ohne gemäß § 132 GVG den Großen Senat für Zivilsachen anrufen zu müssen, denn er ist nach der Ge- schäftsverteilung des Bundesgerichtshofs seit dem 1. Januar 2001 allein für das Bürgschaftsrecht zuständig (vgl. Senatsurteile vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, BGHZ 151, 34, 39 und XI ZR 81/01, WM 2002, 1350, 1352).
34
2. Entgegen der Auffassung der Revision greift vorliegend auch nicht § 768 Abs. 2 BGB analog mit der Folge ein, dass sich der Beklagte auf die Verjährung der Hauptverbindlichkeit berufen könnte. Weder die behauptete "schlechte Prozessführung" der Hauptschuldnerin noch deren Nichteinlegung von Rechtsmitteln gegen die ihr ungünstige Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main in dem Verfahren 2-20 O 152/08 stellen nach den Umständen des Falles ein einem Einredeverzicht nach § 768 Abs. 2 BGB vergleichbares Prozessverhalten dar.
35
a) Zwar verliert der Bürge eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet (§ 768 Abs. 2 BGB), was auch für die Verjährungseinrede unabhängig davon gilt, ob die Verjährung im Zeitpunkt des Verzichts bereits eingetreten war oder nicht (Senatsurteile vom 18. September 2007 - XI ZR 447/06, WM 2007, 2230 Rn. 18 und vom 14. Juli 2009 - XI ZR 18/08, BGHZ 182, 76 Rn. 20). Ebenso trifft es zu, dass § 768 Abs. 2 BGB auf jedes Prozessverhalten des Hauptschuldners entsprechend anzuwenden ist, das einem rechtsgeschäftlichen Verzicht gleichkommt, wie etwa auf das Nichterheben der Verjährungseinrede (BGH, Urteil vom 12. März 1980 - VIII ZR 115/79, BGHZ 76, 222, 230; Soergel/Gröschler, BGB, 13. Aufl., § 768 Rn. 14), die Säumnis (BGH, Urteil vom 12. März 1980, aaO) oder ein Anerkenntnis (Senatsurteil vom 18. September 2007 - XI ZR 447/06, WM 2007, 2230 Rn. 18).
36
b) Damit ist es in der Regel nicht vergleichbar, wenn sich der Hauptschuldner im Prozess gegen den Gläubiger auf die Einrede der Verjährung beruft und er aufgrund einer streitigen Entscheidung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unterliegt. Ein solches Prozessverhalten des Hauptschuldners steht einem Einredeverzicht im Sinne von § 768 Abs. 2 BGB grundsätzlich nicht gleich (Schneider, MDR 1980, 799, 800; Geldmacher, NZM 2003, 502, 505; Herrmann, Verjährung, Verjährungsbeginn und Regress bei Bürgschaft und Gesamtschuld, 2012, S. 141).
37
Zum einen fehlt es in solchen Fällen bereits an einer Verfügung oder einem verfügungsgleichen Verhalten des Hauptschuldners über die Einrede (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 2009 - XI ZR 18/08, BGHZ 182, 76 Rn. 22), denn der Hauptschuldner verliert die Möglichkeit, die Einrede geltend zu machen, aufgrund seiner rechtskräftigen Verurteilung. Zum anderen entfällt in diesem Falle die Durchsetzbarkeit der Verjährungseinrede gegen den erklärten Willen des Hauptschuldners, woran es im Falle eines Verzichts, einer Säumnis, des Nichterhebens der Verjährungseinrede oder eines Anerkenntnisses ersichtlich fehlt. Damit fehlt es für eine analoge Anwendung des § 768 Abs. 2 BGB im Falle einer "schlechten Prozessführung" durch den Hauptschuldner im Prozess mit dem Gläubiger auch an einer diesen Tatbeständen immanenten vergleichbaren Interessenlage. Nur dann, wenn die Verjährungseinrede erhoben wird und bewusst Vortrag unterdrückt wird, der zu ihrer Begründung erforderlich ist, könnte von einem verzichtsähnlichen Verhalten ausgegangen werden (vgl. Senatsurteil aaO Rn. 24 aE zu Scheinverhandlungen). Die von dem Beklagten pauschal behauptete „schlechte“ Prozessführung ist hingegen nicht geeignet, eine analo- ge Anwendung von § 768 Abs. 2 ZPO zu rechtfertigen.
38
c) Auch der Umstand, dass die Hauptschuldnerin kein Rechtsmittel eingelegt hat, kann nur dann ein mit einem Einredeverzicht vergleichbares Prozessverhalten darstellen, wenn es wie ein Anerkenntnis oder ein Säumnis zu werten ist. Dazu hätte nach den allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast, wonach jede Partei die ihr günstigen Tatsachen vorzutragen und ggf. zu beweisen hat (BGH, Urteile vom 17. Februar 2004 - X ZR 108/02, WM 2005, 571, 573 und vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 217/06, juris Rn. 30), dem Be- klagten die Darlegung oblegen, dass die Nichteinlegung eines Rechtsmittels vorliegend auf eine verzichtsgleiche Motivation der Hauptschuldnerin zurückzuführen war. An einer solchen Darlegung fehlt es.
39
3. Der Klägerin ist die Durchsetzung ihrer Forderung gegenüber dem Beklagten auch nicht nach Treu und Glauben verwehrt. Der Beklagte hat es versäumt , substantiiert zu der von ihm behaupteten "schlechten Prozessführung" der Hauptschuldnerin und einem vorwerfbaren Verhalten der Klägerin in diesem Prozess vorzutragen und gegebenenfalls Beweis anzutreten.
40
a) Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung. Welche Anforderungen sich daraus im Einzelfall ergeben, ob insbesondere die Berufung auf eine erworbene Rechtsposition rechtsmissbräuchlich erscheint, kann regelmäßig nur durch eine umfassende Bewertung der gesamten Fallumstände, die dem Tatrichter obliegt, entschieden werden (BGH, Urteil vom 16. Februar 2005 - IV ZR 18/04, NJWRR 2005, 619, 620). Dabei ist zu beachten, dass nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung einer hierdurch erlangten Rechtsstellung führt. Treuwidriges Verhalten eines Vertragspartners kann zwar dazu führen, dass ihm die Ausübung eines ihm zustehenden Rechts zu versagen ist, wenn er sich dieses Recht gerade durch das treuwidrige Verhalten verschafft hat. Lässt sich ein solches zielgerichtet treuwidriges Verhalten nicht feststellen, so muss durch eine Abwägung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls entschieden werden, ob und wieweit einem Beteiligten die Ausübung einer Rechtsposition nach Treu und Glauben verwehrt sein soll (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 - IV ZR 140/08, NJW 2010, 289 Rn. 21 mwN).
41
b) Soweit es vorliegend um die Frage geht, ob sich der Bürge deshalb noch auf die Einrede der Verjährung berufen kann, weil die Hauptschuldnerin diese Einrede nur infolge ihrer "schlechten Prozessführung" verloren hat, folgt daraus, dass der Gläubiger nur dann an der Durchsetzung seiner Forderung gegen den Bürgen gehindert werden kann, wenn auch ihm ein Fehlverhalten im Prozess gegen den Hauptschuldner zum Nachteil des Bürgen, etwa ein mit dem Hauptschuldner abgestimmtes Vorgehen, nachgewiesen werden kann. Allein eine "schlechte Prozessführung" des Hauptschuldners ohne Zutun des Gläubigers vermag diesem gegenüber das Verdikt einer unzulässigen Rechtsausübung nicht zu begründen, da dieser in der Regel keinen Einfluss auf das Prozessverhalten des Hauptschuldners nehmen kann.
42
c) Umstände, die den Vorwurf einer unzulässigen Rechtsausübung des Gläubigers rechtfertigen würden, sind hier nicht vorgetragen. Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, hätte es dem Beklagten oblegen , Einsicht in die Akten des Prozesses zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin zu nehmen sowie substantiiert und unter Beweisantritt zu etwaigen Versäumnissen der Hauptschuldnerin bei ihrer Prozessführung und einem vorwerfbaren Verhalten der Klägerin vorzutragen. Dies hat der Beklagte trotz eines Hinweises des Berufungsgerichts versäumt.
43
4. Der Senat teilt die von der Revision unter Verweis auf Habersack (MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl., § 768 Rn. 11) geäußerte Befürchtung, dass dem Bürgen in eindeutigen Fällen eine einmal begründete Verjährungseinrede durch die Verurteilung des Hauptschuldners genommen werden könnte, nicht. Ein solches Ergebnis des Bürgschaftsprozesses ist lediglich die Folge der geltenden Rechtslage. Es stellt nur die andere Seite der umfassenden Berechtigung des Bürgen aus § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, neben den eigenen auch fremde Einreden erheben zu dürfen. Dass der Bürge das Risiko zu tragen hat, eine ursprünglich berechtigte Verjährungseinrede wieder zu verlieren, verletzt auch nicht den Grundsatz des Verbots der Fremddisposition. Dieser schützt den Bürgen nur davor, dass seine Haftung über den bei Bürgschaftsübernahme überschaubaren Umfang hinaus zu seinen Lasten erweitert wird (Senatsurteil vom 18. September 2007 - XI ZR 447/06, WM 2007, 2230 Rn. 18). Der Verlust einer ursprünglich gerechtfertigten Einrede durch die Gerichtsentscheidung im Prozess des Gläubigers gegen den Hauptschuldner erweitert die Haftung des Bürgen jedoch nicht über den bei Bürgschaftsübernahme für ihn überschaubaren , weil gesetzlich geregelten Umfang hinaus.
44
5. Aufgrund der sonstigen, von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts haftet der Beklagte dem Grunde nach gemäß § 765 Abs. 1 BGB aus den beiden selbstschuldnerischen Höchstbetragsbürgschaften in einer nunmehr vom Berufungsgericht zu ermittelnden Höhe.
Ellenberger Joeres Matthias Menges Dauber
Vorinstanzen:
LG Marburg, Entscheidung vom 19.06.2008 - 1 O 360/04 -
OLG Frankfurt in Kassel, Entscheidung vom 13.05.2015 - 15 U 122/08 -

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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

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(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate. (2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Sena

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 197 Dreißigjährige Verjährungsfrist


(1) In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist,1.Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen,2.Herausgabeansprüche
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Zivilprozessordnung - ZPO | § 325 Subjektive Rechtskraftwirkung


(1) Das rechtskräftige Urteil wirkt für und gegen die Parteien und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind oder den Besitz der in Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben, das

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 765 Vertragstypische Pflichten bei der Bürgschaft


(1) Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. (2) Die Bürgschaft kann auch für eine künftige oder eine bedingte Verbindlichkeit ü

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 768 Einreden des Bürgen


(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet. (2) Der Bürge verliert eine Einred

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 218 Unwirksamkeit des Rücktritts


(1) Der Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung ist unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. Dies gilt auch, wenn der Schuldner nach §

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 767 Umfang der Bürgschaftsschuld


(1) Für die Verpflichtung des Bürgen ist der jeweilige Bestand der Hauptverbindlichkeit maßgebend. Dies gilt insbesondere auch, wenn die Hauptverbindlichkeit durch Verschulden oder Verzug des Hauptschuldners geändert wird. Durch ein Rechtsgeschäft, d

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 770 Einreden der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit


(1) Der Bürge kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange dem Hauptschuldner das Recht zusteht, das seiner Verbindlichkeit zugrunde liegende Rechtsgeschäft anzufechten. (2) Die gleiche Befugnis hat der Bürge, solange sich der Gläubig

Insolvenzordnung - InsO | § 144 Ansprüche des Anfechtungsgegners


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(1) In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

1.
Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen,
2.
Herausgabeansprüche aus Eigentum, anderen dinglichen Rechten, den §§ 2018, 2130 und 2362 sowie die Ansprüche, die der Geltendmachung der Herausgabeansprüche dienen,
3.
rechtskräftig festgestellte Ansprüche,
4.
Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden,
5.
Ansprüche, die durch die im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind, und
6.
Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Zwangsvollstreckung.

(2) Soweit Ansprüche nach Absatz 1 Nr. 3 bis 5 künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben, tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist.

(1) Für die Verpflichtung des Bürgen ist der jeweilige Bestand der Hauptverbindlichkeit maßgebend. Dies gilt insbesondere auch, wenn die Hauptverbindlichkeit durch Verschulden oder Verzug des Hauptschuldners geändert wird. Durch ein Rechtsgeschäft, das der Hauptschuldner nach der Übernahme der Bürgschaft vornimmt, wird die Verpflichtung des Bürgen nicht erweitert.

(2) Der Bürge haftet für die dem Gläubiger von dem Hauptschuldner zu ersetzenden Kosten der Kündigung und der Rechtsverfolgung.

(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.

(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 12/09 Verkündet am:
26. Januar 2010
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers, den Richter
Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die Richter Dr. Ellenberger und
Dr. Matthias

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. Dezember 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus zwei selbstschuldnerischen Höchstbetragsbürgschaften in Anspruch.
2
Mit Verträgen vom 30. September 1992 und 23. März 1993 gewährte die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden: Klägerin) Frau S. , der früheren Ehefrau des Beklagten, und Frau H. (im Folgenden : Hauptschuldnerin) zwei grundschuldgesicherte Darlehen in Höhe von 650.000 DM und 850.000 DM für den Ankauf und die Sanierung einer Wohnan- lage. In gleicher Höhe übernahm der Beklagte der Klägerin gegenüber am 26. Oktober 1992 und am 20. Juli 1993 zwei unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaften zur Sicherung aller Ansprüche aus der Geschäftsverbindung der Klägerin zu den Darlehensnehmerinnen. Am 9. Mai 1995 wurde die frühere Ehefrau des Beklagten aus der Haftung für die Darlehen entlassen. Mit Einwilligung des Beklagten vom 13. Januar 1997 wurde die Tilgung der Darlehen in der Zeit vom 10. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 1998 und ohne seine Zustimmung auch darüber hinaus ausgesetzt. Die Hauptschuldnerin unterzeichnete am 16. Januar 1997 zwei Fortsetzungsverträge unter den Geschäftsnummern der ursprünglichen Darlehen. Nach Zahlungseinstellung durch die Hauptschuldnerin und Anordnung der Zwangsverwaltung über die Immobilie kündigte die Klägerin am 29. Juni 2001 die Geschäftsverbindung zur Hauptschuldnerin und stellte die Hauptforderung in Höhe von 1.431.759,61 DM zzgl. Zinsen und Kosten fällig. Ab Februar 2002 verhandelte sie mit der Hauptschuldnerin über eine vergleichsweise Lösung. Am 4. Juni 2004 nahm sie den Beklagten aus den Bürgschaften in Anspruch. Am 13. Oktober 2004 erhob sie Bürgschaftsklage, die dem Beklagten am 5. November 2004 zugestellt wurde. Am 19. Juni 2007 teilte die Klägerin dem Landgericht mit, dass die "langwierigen außergerichtlichen Verhandlungen" mit den Beteiligten gescheitert seien. Am 2. März 2007 erwirkte sie die Anordnung der Zwangsversteigerung der Immobilie und am 27. Dezember 2007 den Erlass eines Mahnbescheids gegen die Hauptschuldnerin.
3
Der Beklagte erhebt verschiedene Einwendungen gegen die Bürgschaften und die Hauptforderung. Unter anderem beruft er sich auf die Verjährung der Hauptforderung.
4
Die zuletzt auf Zahlung von 697.481,42 € nebst Zinsen gerichtete Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
7
Die Hauptforderung sei vorbehaltlich der Hemmung ihrer Verjährung gemäß § 203 BGB mit Ablauf des 31. Dezember 2004 verjährt. Eine mögliche Verjährungshemmung durch Verhandlungen zwischen Klägerin und Hauptschuldnerin entfalte gemäß § 768 Abs. 2 BGB keine Wirkung zu Lasten des Beklagten. Dessen Berufung auf die Verjährung der Hauptforderung sei nicht treuwidrig, da er die Hauptforderung in unverjährter Zeit weder anerkannt noch an den Vergleichsverhandlungen der Klägerin mit der Hauptschuldnerin teilgenommen habe. Die Tatsache, dass der Beklagte ab Mai 2005 mit der Klägerin über eine Gesamtlösung verhandelt habe, stehe dem nicht entgegen, denn die Hauptforderung sei zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt gewesen.

II.

8
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Nach den bislang getroffenen Feststellungen hat das Berufungsgericht die Bürgschaftsforderung der Klägerin gegen den Beklagten aus § 765 Abs. 1 BGB zu Unrecht verneint.
9
1. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht zwar davon ausgegangen, dass die Hauptforderung durch die fristlose Kündigung der Klägerin vom 29. Juni 2001 fällig geworden ist, so dass die dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB, Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB für die Hauptforderung am 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat, und dass diese Frist am 31. Dezember 2004 abgelaufen wäre, wenn sie nicht vorher gehemmt worden wäre.
10
2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch gemeint, der Beklagte könne sich mit Erfolg auf die Verjährung der Hauptforderung mit Ablauf des 31. Dezember 2004 berufen, weil eine eventuelle Verjährungshemmung durch Verhandlungen zwischen Klägerin und Hauptschuldnerin gemäß § 768 Abs. 2 BGB keine Wirkung zu seinen Lasten entfalte.
11
Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden und eingehend begründet hat, ist eine Hemmung der Verjährung gemäß § 203 Satz 1 BGB, die dadurch eintritt, dass der Hauptschuldner mit dem Gläubiger ernsthaft über den Bestand der Hauptschuld verhandelt, auch gegenüber dem Bürgen wirksam, da dies vom Gesetzgeber erkennbar so gewollt ist und solche Verhandlungen einem Verjährungsverzicht durch den Hauptschuldner nicht vergleichbar sind (Senat, Urteil vom 14. Juli 2009 - XI ZR 18/08, WM 2009, 1597, Tz. 21 ff., vorgesehen für BGHZ).
12
Hier ist mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts gemäß dem Vortrag der Klägerin davon auszugehen, dass die im Februar 2002 begonnenen Verhandlungen der Klägerin mit der Hauptschuldnerin über eine vergleichsweise Lösung bis zur Mitteilung über das Scheitern durch den Schriftsatz vom 19. Juni 2007 angedauert haben und ernsthafter Natur waren. Danach war die Verjährung der Hauptforderung gemäß § 203 BGB in der Zeit von Februar 2002 bis Juni 2007 gehemmt, so dass vor Erlass des Mahnbescheids gegen die Hauptschuldnerin im Dezember 2007, durch den die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB erneut gehemmt worden ist, keine Verjährung der Hauptforderung eingetreten ist.

III.

13
Das Berufungsurteil ist nach alledem aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - weder im Hinblick auf die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede Feststellungen zur konkreten Dauer der Verhandlungen zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin noch gegebenenfalls zu Grund und Höhe der Klageforderung getroffen hat. Daher ist sie zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dies gibt der Klägerin Gelegenheit, dem - bislang nicht im Vordergrund des Rechtsstreits stehenden - Umstand Rechnung zu tragen, dass die Tilgung der verbürgten Darlehen nach Ablauf des Jahres 1998 ohne Zustimmung des Beklagten ausgesetzt worden ist (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 6. April 2000 - IX ZR 2/98, WM 2000, 1141, 1143).
Wiechers Joeres Mayen Ellenberger Matthias
Vorinstanzen:
LG Marburg, Entscheidung vom 19.06.2008 - 1 O 360/04 -
OLG Frankfurt in Kassel, Entscheidung vom 11.12.2008 - 15 U 122/08 -
19
4. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht hingegen angenommen, die Beklagte zu 2) könne sich auf die Verjährung der Hauptforderung berufen, obwohl die Verjährung durch die Verhandlungen zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin gehemmt worden sei, weil die Beklagte zu 2) durch die Hemmung der Verjährung ähnlich stark belastet werde wie durch einen Verzicht der Hauptschuldnerin auf die Einrede der Verjährung, durch den sie diese Einrede nach § 768 Abs. 2 BGB nicht verliere.

(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.

(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

(1) Das rechtskräftige Urteil wirkt für und gegen die Parteien und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind oder den Besitz der in Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben, dass eine der Parteien oder ihr Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer geworden ist.

(2) Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, gelten entsprechend.

(3) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Reallast, Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, so wirkt es im Falle einer Veräußerung des belasteten Grundstücks in Ansehung des Grundstücks gegen den Rechtsnachfolger auch dann, wenn dieser die Rechtshängigkeit nicht gekannt hat. Gegen den Ersteher eines im Wege der Zwangsversteigerung veräußerten Grundstücks wirkt das Urteil nur dann, wenn die Rechtshängigkeit spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet worden ist.

(4) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Schiffshypothek, so gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend.

(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.

(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

(1) Das rechtskräftige Urteil wirkt für und gegen die Parteien und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind oder den Besitz der in Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben, dass eine der Parteien oder ihr Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer geworden ist.

(2) Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, gelten entsprechend.

(3) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Reallast, Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, so wirkt es im Falle einer Veräußerung des belasteten Grundstücks in Ansehung des Grundstücks gegen den Rechtsnachfolger auch dann, wenn dieser die Rechtshängigkeit nicht gekannt hat. Gegen den Ersteher eines im Wege der Zwangsversteigerung veräußerten Grundstücks wirkt das Urteil nur dann, wenn die Rechtshängigkeit spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet worden ist.

(4) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Schiffshypothek, so gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend.

(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.

(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 109/03 Verkündet am:
26. Juli 2005
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine rechtskräftige Verurteilung zur Herausgabe kann Bindungswirkung in einem
Folgeprozeß entfalten, für den es als Vorfrage darauf ankommt, ob die zur
Herausgabe verurteilte Partei die Herausgabe verweigern darf. Das Herausgabeurteil
stellt für den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bindend
fest, daß der herausgabepflichtigen Partei kein gesetzliches oder vertragliches
Recht zur Verweigerung der Herausgabe zustand. Das gleiche gilt für den Zeitraum
zwischen Rechtshängigkeit der Herausgabeklage und Schluß der mündlichen
Verhandlung, in der über sie entschieden wurde, sofern in diesem Zeitraum
keine relevanten Änderungen eingetreten sind und geltend gemacht werden
(Fortentwicklung von BGH, Urt. v. 20. Februar 1998 - V ZR 319/96, NJW
1998, 1709; Urt. v. 9. Juli 1982 - V ZR 64/81, NJW 1983, 164; Urt. v. 20. Juni
1984 - IVa ZR 34/83, NJW 1985, 1553).
BGH, Urt. v. 26. Juli 2005 - X ZR 109/03 - OLG Köln
LG Aachen
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Scharen, Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den Richter
Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Unter Zurückweisung der Revision im übrigen wird das am 2. Juli 2003 verkündete Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage gegen die Beklagte in Höhe von 22.041,52 € nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 88,15 € nebst 4 % Zinsen seit dem 13. Mai 2000 zu zahlen.
Im übrigen wird der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz, weil ihm nach erfolglosen Reparaturversuchen über einen Zeitraum von rund eineinhalb Jahren sein Geländewagen Chevrolet Blazer nicht herausgegeben worden sei. Außerdem verlangt er Ersatz für Mängelbeseitigungskosten.
Nachdem die Beklagte 1997 und 1998 bereits mehrere Reparatur- und Wartungsarbeiten an dem Fahrzeug durchgeführt hatte, ließ es der Kläger am 31. März 1998 erneut zu der Beklagten schleppen, die sodann weitere Arbeiten vornahm und darüber am 20. und 22. Mai 1998 Rechnungen ausstellte. In der Folgezeit weigerte sich die Beklagte, das Fahrzeug an den Kläger herauszugeben , und berief sich auf ein Werkunternehmerpfandrecht wegen verschiedener Forderungen, die sich nach ihrer Auffassung auf 3.309,95 DM sowie 630,61 DM beliefen. Als Ergebnis eines im April 2001 in der Berufungsinstanz durch Vergleich beendeten Rechtsstreits (LG Aachen 6 S 269/99) hat der Kläger mehr als die Hälfte des Gesamtbetrags dieser Forderungen an die Beklagte gezahlt.
Das Landgericht Aachen hat den Beklagten im Verfahren 12 O 535/98 verurteilt, das Fahrzeug an den Kläger herauszugeben. Gegen dieses am 21. September 1999 verkündete Urteil wurden keine Rechtsmittel eingelegt. Das Gericht ging davon aus, daß der Beklagten gegen den Kläger wegen der ersten Forderung von 3.309,95 DM kein Werkunternehmerpfandrecht zugestanden habe. Denn das Fahrzeug sei nach den ihr zugrundeliegenden Arbeiten an den Kläger herausgegeben worden und es fehle an einem treuwidrigen
oder betrügerischen Verhalten des Klägers bezüglich eines von ihm vor Aushändigung des Fahrzeugs im Februar 1998 der Beklagten übergebenen Schecks, da die Nichteinlösung eines nicht verfrüht hingegebenen Schecks hierfür nicht ausreichend sei. Aus der restlichen Forderung von 630,61 DM beziehe sich ein Teilbetrag von 108,61 DM auf Abschleppkosten der K. GmbH, so daß es insoweit an einer Forderung der jetzigen Beklagten fehle. Wegen der restlichen 522,-- DM scheide ein Werkunternehmerpfandrecht jedenfalls nach Treu und Glauben aus. Denn der Kläger habe die mit der Beklagten vereinbarte Bedingung für die Herausgabe des Fahrzeugs durch Hinterlegung der Forderungsbeträge erfüllt. Nach Rechtskraft der Entscheidung 12 O 535/98 wurde das Fahrzeug im November 1999 an den Kläger herausgegeben.
Der Kläger verlangt Erstattung von monatlich 2.436,-- DM einschließlich Mehrwertsteuer für die behauptete Anmietung eines Astra Kombi von Mai 1998 bis November 1999, insgesamt also 46.284,-- DM. Er sei seit Juni 1998 ständig von einer baldigen Herausgabe des Fahrzeugs ausgegangen. Außerdem fordert der Kläger Erstattung der von ihm behaupteten Aufwendungen zur Instandsetzung und Wiederherstellung des vor April 1998 bestandenen Zustandes des Fahrzeugs, die sich aus zahlreichen Positionen zusammensetzen.
Das Landgericht hat die Klage nach umfangreicher Beweisaufnahme überwiegend abgewiesen. Gegen das Urteil des Landgerichts haben beide Parteien Berufung eingelegt. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte über den vom Landgericht zuerkannten Betrag in Höhe von 3.660,80 € zur Zahlung weiterer 21.120,39 € zu verurteilen.
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Klage auf die Berufung der Beklagten insgesamt abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat weitgehend Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht Ansprüche des Klägers wegen verspäteter Herausgabe seines Fahrzeugs durch die Beklagte abgelehnt.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, Schadensersatzansprüche des Klägers ergäben sich nicht aus den §§ 631 Abs. 1, 284, 286 Abs. 1 BGB a.F., weil sich die Beklagte mit ihrer Pflicht zur Herausgabe des Fahrzeugs nicht in Verzug befunden habe. Die Beklagte sei nicht zur Herausgabe verpflichtet gewesen , weil der Kläger die Forderungsbeträge für die von der Beklagten erbrachten Leistungen nicht entsprechend den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen hinterlegt habe. An dieser Beurteilung sieht sich das Berufungsgericht nicht durch die Rechtskraft des Urteils im Verfahren LG Aachen 12 O 535/98 gehindert, in dem die Beklagte zur Herausgabe des Fahrzeugs an den Kläger verurteilt worden ist. Denn die Entscheidung über Einreden gegen den Klageanspruch erwachse nicht in Rechtskraft. Die Rechtskraft eines Herausgabeurteils entfalte materiell-rechtliche Wirkungen lediglich für Ansprüche auf Herausgabe von Nutzungen und auf Schadensersatz nach den §§ 987, 989
BGB. Ansprüche des Klägers aus den §§ 990, 989 BGB schieden aus, weil die Beklagte - anders als vom Landgericht im Herausgabeprozeß angenommen - zum Besitz berechtigt gewesen sei.
Bei § 989 BGB sieht sich das Berufungsgericht zwar an das Herausgabeurteil des Landgerichts Aachen gebunden. Im Rahmen dieser Vorschrift dürfe also nicht mehr erneut überprüft werden, ob der Beklagten tatsächlich kein Recht zum Besitz zustand. Nach § 989 BGB könne der Ersatz des Vorenthaltungsschadens aber nicht verlangt werden.
2. Mit diesen Ausführungen verkennt das Berufungsgericht die Bindungswirkung des rechtskräftigen Herausgabeurteils im Verfahren LG Aachen 12 O 535/98.
Entsprechend den Feststellungen von Landgericht und Berufungsgericht kommt ein Verzug der Beklagten ab Anfang Oktober 1998 in Betracht. Denn ab diesem Zeitpunkt hatte der Kläger eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß er die Herausgabe seines Fahrzeugs verlangt (vgl. BGH, Urt. v. 10.03.1998 - X ZR 70/96, NJW 1998, 2132). Ein Verzug der Beklagten wäre zu diesem Zeitpunkt zwar nicht eingetreten, wenn dieser ein Zurückbehaltungsrecht, ein Werkunternehmerpfandrecht oder ein vertraglich vereinbartes Besitzrecht an dem Fahrzeug zugestanden hätte. Der Annahme eines solchen Besitzrechts steht aber für die Zeit ab Rechtshängigkeit der Herausgabeklage bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in jener Sache das Urteil des LG Aachen 12 O 535/98 entgegen. Die Klägerin hat weder geltend gemacht, daß sich für sie ein derartiges Recht erst aus nach Rechtshängigkeit eingetretenen Umständen ergeben hätte noch ist das dem Herausgabeurteil zu entnehmen. Mit
der Rechtskraft des Herausgabeurteils steht daher fest, daß der Beklagten ab Rechtshängigkeit der Herausgabeklage, dem 25. November 1998, bis zum 12. August 1999, der mündlichen Verhandlung im Herausgabeprozeß, kein Recht zum Besitz zustand (BGH, Urt. v. 20.02.1998 - V ZR 319/96, NJW 1998, 1709; Urt. v. 09.07.1982 - V ZR 64/81, NJW 1983, 164; Urt. v. 20.06.1984 - IVa ZR 34/83, NJW 1985, 1553). Eine andere zeitliche Abgrenzung der Bindungswirkung ist nur geboten, wenn sich der für ein Recht zur Verweigerung der Hauptsache relevante Sachverhalt zwischen Eintritt der Rechtshängigkeit und mündlicher Verhandlung ändert. Zwar behandeln die zitierten Urteile sachenrechtliche Ansprüche auf Herausgabe von Nutzungen gemäß § 987 BGB. Die dort getroffenen Aussagen zu den zeitlichen Grenzen der Rechtskraft des Herausgabeurteils gelten jedoch davon unabhängig allgemein und erfassen insbesondere alle vertraglichen Besitzrechte. Daher hätte das Berufungsgericht jedenfalls für den Zeitraum vom 25. November 1998 bis zum 12. August 1999 von einem Verzug der Beklagten mit der Herausgabe des klägerischen Fahrzeugs ausgehen müssen.
Der Herausgabeanspruch war im Vorprozeß ausgeurteilter Streitgegenstand und keine Einrede. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum die Rechtskraft des Herausgabeurteils im Folgeprozeß nur für Ansprüche auf Herausgabe von Nutzungen und auf Schadensersatz nach den §§ 987, 989 BGB Bedeutung haben soll. Der rechtskräftig zuerkannte Anspruch auf Herausgabe beinhaltet, daß dem Beklagten kein Recht zur Verweigerung der Herausgabe zustehen kann. Ließe man ein anderes Ergebnis zu, könnte die Entscheidung in einem Folgeprozeß der Sache nach auf eine Verweigerung der Herausgabepflicht und damit auf das kontradiktorische Gegenteil des im Vorprozeß zuerkannten Anspruchs gestützt werden. Das wäre mit der Rechtskraft des im Vorprozeß
ergangenen Urteils unvereinbar (BGHZ 123, 137; BGH, Urt. v. 13.11.1998 - V ZR 29/98, NJW-RR 1999, 376).
Alle rechtlichen Gesichtspunkte, die das Berufungsgericht zur Verneinung eines Verzugs der Beklagten heranzieht, stünden dem rechtskräftig festgestellten Herausgabeanspruch des Klägers entgegen. Sowohl das Werkunternehmerpfandrecht des § 647 BGB, dessen Vorliegen das Berufungsgericht dahinstehen läßt, wie auch ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB und eine Vereinbarung der Parteien würden die Beklagte zur Verweigerung der Herausgabe berechtigen, was mit der rechtskräftig festgestellten Pflicht zur Herausgabe unvereinbar wäre. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß sich dem Herausgabeurteil nicht entnehmen läßt, ob es auf einen vertraglichen oder gesetzlichen Herausgabeanspruch gestützt ist.
Die Rechtskraft des Herausgabeurteils schließt zwar nicht aus, daß die zur Herausgabe verurteilte Partei zu einem späteren Zeitpunkt ein Recht zur Verweigerung der Herausgabe erwirbt. Fehlen jedoch in diesem Zeitraum eingetretene , dafür relevante Änderungen, die geltend g emacht werden, stellt das Herausgabeurteil aber rechtskräftig fest, daß ihr ab Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs und bis zu dem für das Urteil maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt , dem Schluß der mündlichen Verhandlung am 12. August 1999, kein solches Recht zustand. Dafür, daß die Beklagte es danach erworben haben könnte, ergeben sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts keinerlei Anhaltspunkte; es wird von ihr auch nicht behauptet.
Keine Rechtskraftwirkung des Urteils im Vorprozeß besteht allerdings für die Zeit von Anfang Oktober 1998, dem ersten eindeutigen Herausgabeverlan-
gen, bis zur Rechtshängigkeit der Herausgabeklage am 25. November 1998. Das Berufungsgericht ist insoweit durch das Herausgabeurteil nicht gehindert, einen Verzug der Beklagten zu verneinen. Allerdings sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Anhaltspunkte ersichtlich, die für die Zeit vor und nach Rechtshängigkeit diesbezüglich eine unterschiedliche Bewertung nahelegen.
3. Auf dieser rechtlichen Grundlage ergibt sich für die einzelnen vom Kläger geltend gemachten Schadenspositionen folgendes:

a) Mietwagenkosten
Soweit die Beklagte die Herausgabe des Fahrzeugs unberechtigt verweigert hat, haftet sie gemäß §§ 631, 286 BGB a.F. für die Kosten der Anmietung eines mit dem klägerischen Fahrzeug gleichwertigen Ersatzwagens. Dieser Anspruch ist, anders als das Landgericht entschieden hat, nicht auf drei Monate beschränkt. Die Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs war dem Kläger schon deshalb nicht unter dem Aspekt der Schadensminderungspflicht zuzumuten, weil er jederzeit erwarten konnte, daß die Klägerin ihrer Herausgabepflicht nachkommen werde. Auf den Zeitwert des Fahrzeugs des Klägers kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Feststellungen zur ersatzfähigen Höhe der Mietwagenkosten hat das Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend nicht getroffen; dies wird nachzuholen sein.

b) TÜV-Prüfung und Abgasuntersuchung

Die Kosten der TÜV-Prüfung und Abgasuntersuchung sind nicht als Verzugsschaden ersatzfähig. Sie hat jeder Fahrzeugeigentümer regelmäßig zu tragen. Der Kläger kann sie nicht zusätzlich zu den Mietwagenkosten verlangen.

c) Batteriearbeiten, Ölwechsel, Kerzen, Klemmen, Abschleppkosten
Die Revision meint, die Beklagte hafte für diese Positionen unter dem Gesichtspunkt des Verzugs und der in § 287 Satz 2 BGB a.F. angeordneten Zufallshaftung. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist jedoch nicht ersichtlich, daß diese Arbeiten aufgrund des Verzugs der Beklagten erforderlich wurden. Selbst wenn man einen Eintritt des Verzugs bereits ab Anfang Oktober 1998 annehmen würde, hätte das Fahrzeug zuvor bereits seit dem 31. März 1998, also mindestens sechs Monate, auf dem Gelände der Beklagten gestanden. Damit können die Ursachen der fraglichen Arbeiten nicht sicher dem Zeitraum ab Eintritt des Verzugs zugeordnet werden. § 287 Satz 2 BGB a.F. ordnete eine Zufallshaftung nur für während des Verzugs eingetretene Schäden an. Frei von Rechtsfehlern hat das Berufungsgericht ferner berücksichtigt , daß Öl- und Kerzenwechsel auch bei regulärer Nutzung regelmäßig erforderlich werden. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu diesen Schadenspositionen sind daher im Ergebnis richtig, auch wenn sie unzutreffend an den Eintritt der Rechtshängigkeit statt an den Eintritt des Verzugs anknüpfen.
Die geltend gemachten Abschleppkosten sind, wie sich aus der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Rechnung (GA 45) ergibt, im Zusammenhang mit dem Transport des Fahrzeugs zur Durchführung der vorstehenden Arbeiten entstanden. Sie sind damit kein Folgeschaden der verzögerten Herausgabe.

d) Kabel, Scheinwerfereinsatz (Nebellampen)
Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, daß bei den Positionen "Kabel" und "Scheinwerfereinsatz" kein Zusammenhang mit der langen Standzeit des Fahrzeugs bei der Beklagten dargelegt sei, ist nicht zu beanstanden ; die tatsächlichen Feststellungen tragen insoweit keine Verzugshaftung der Beklagten.

e) Chromfelgen, Frontgrill, Dichtungen, Wischerblätter
Eine Haftung der Beklagten für diese Positionen lehnt das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ab.
Danach sei der Rost an Chromfelgen und Frontgrill auf eine schon vor dem Abstellen des Fahrzeugs bei der Beklagten bestehende Beschädigung zurückzuführen. Damit scheidet eine Verzugshaftung der Beklagten für diese Schäden aus. Die Revision verkennt erneut, daß es hier nicht um eine Zufallshaftung für während des Verzugs eingetretene Schäden geht.
Die Scheibenwischer hätten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch bei Benutzung des Fahrzeugs infolge normalen Verschleißes erneuert werden müssen; hinsichtlich der festgestellten Vermoosungen an den Dichtungen schließlich habe die Möglichkeit einer Reinigung mittels Hochdruckreiniger bestanden. Auf der Basis dieser sachverständigen Ausführungen hat das Berufungsgericht insoweit rechtsfehlerfrei eine Haftung der Beklagten verneint.

f) Hagelschaden

Hinsichtlich des Hagelschadens dürfte es zwar an einem Verschulden der Beklagten fehlen, weil sie nicht gehalten war, das Fahrzeug des Klägers in einer Garage abzustellen. Allerdings kommt hier eine Zufallshaftung gemäß § 287 BGB a.F. in Frage, falls der Hagelschaden während des Verzugs der Beklagten eingetreten sein sollte. Dazu wird das Berufungsgericht Feststellungen nachholen müssen.

g) Aufbereitung/Politur sowie Glühbirnen
Das Berufungsgericht lehnt einen Anspruch des Klägers auf Ersatz dieser Positionen ab, weil eine dem Zeitraum ab Rechtshängigkeit zuzuordnende Verschlechterung insoweit ebenfalls nicht feststellbar sei und Pflegearbeiten grundsätzlich auch bei regulärer Benutzung des Fahrzeugs durchgeführt werden müßten. Die Revision erhebt hiergegen keine substantiierten Einwände. Zwar kommt es wiederum nicht auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, sondern auf denjenigen des Verzugseintritts an. Die Ausführungen des Berufungsgerichts gelten dafür aber entsprechend und sind nicht zu beanstanden.

h) Rechnung des Parteigutachters
Im Hinblick auf die Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils LG Aachen 12 O 535/98 steht fest, daß die Beklagte dem Kläger das Fahrzeug jedenfalls vom 25. November 1998 bis November 1999, also mindestens etwa ein Jahr, unberechtigt vorenthielt. Die Begutachtung des Fahrzeugs zur Feststellung eventueller Ansprüche gegen die Beklagte ist daher als angemessene
Rechtsverfolgung unter dem Aspekt des Verzugsschadens von der Beklagten zu ersetzen.

i) Nockenwelle
Die Kosten der Arbeiten an der Nockenwelle hält das Berufungsgericht schon deshalb nicht für ersatzfähig, weil sie von der vergleichsweisen Regelung im Verfahren AG Geilenkirchen 10 C 564/98 (LG Aachen 6 S 269/99) erfaßt würden. Die Revision greift diese Beurteilung nicht an. Sie läßt auch keinen Rechtsfehler erkennen.

j) Kosten der Arbeiten am Getriebe
Den Ersatz der Kosten der Getriebereparatur will das Berufungsgericht dem Kläger nicht zusprechen, weil er es versäumt habe, sich die Aussage des Zeugen R. zu eigen zu machen. Dieser hatte bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung bekundet, bei den früheren Arbeiten der Beklagten am Getriebe sei zwar das Getriebe, nicht jedoch auch der Ölkühler erneuert worden, so daß das Getriebe wieder habe kaputtgehen müssen. Danach war naheliegend , dem Kläger einen werkvertraglichen Anspruch auf Beseitigung des Getriebeschadens zuzubilligen. Dies hat das Berufungsgericht abgelehnt, weil der Kläger versäumt habe, sich die Aussage des Zeugen R. zu eigen zu machen. Insbesondere habe er im Rahmen eines Schriftsatzes vom 27. November 2002 ausführlich zur Beweisaufnahme Stellung genommen, ohne sich zum Inhalt der Aussage des Zeugen R. zu äußern.
Diese Würdigung ist verfehlt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist davon auszugehen, daß sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden Umstände, soweit sie ihre Rechtsposition zu stützen geeignet sind, hilfsweise zu eigen macht (BGH, Urt. v. 03.04.2001
- VI ZR 203/00, NJW 2001, 2177, 2178; Urt. v. 08.01.1991 - VI ZR 102/90, NJW 1991, 1541, 1542). Entgegen dem Berufungsgericht sind Gründe, die zu einer anderen Beurteilung führen, nicht ersichtlich. Darüber hinaus trifft die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht nicht zu, daß dann, wenn eine Partei zu einer ihr günstigen Zeugenaussage in einer ausführlichen Stellungnahme zum Beweisergebnis schweigt, die zitierte Rechtsprechung keine Anwendung findet. Sie gilt auch für solche Fälle.
Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe in einem Schriftsatz vom 27. November 2002 (richtig: 2001, Bl. 300 ff. der Akte) ausführlich zur Beweisaufnahme Stellung genommen, ist durch den Akteninhalt nicht gedeckt. Bl. 300 ff. der Akte enthalten einen Schriftsatz des Klägers, in dem ausschließlich zum Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Stellung genommen wird. Die fragliche Aussage des Zeugen R. findet sich auf Bl. 212 f.. Auf Bl. 267 ff. folgt dann die Stellungnahme der Beklagten zum Ergebnis der Beweisaufnahme. Damit fehlt bereits die tatsächliche Grundlage für die rechtliche Argumentation des Berufungsgerichts.
II. Im Ergebnis ist das Berufungsurteil somit aufzuheben hinsichtlich der Entscheidung über die Mietwagenkosten (20.374,50 €), des Hagelschadens (945,89 €), des Honorars des privaten Sachverständigen (88,15 €) sowie der Getriebearbeiten (632,98 €). Von diesen Positionen ist allein das Honorar des Sachverständigen zur Endentscheidung reif. Die Beklagte hat es dem Kläger zu
ersetzen. Im übrigen ist der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens überlassen bleibt.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Kirchhoff

(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.

(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

(1) Der Bürge kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange dem Hauptschuldner das Recht zusteht, das seiner Verbindlichkeit zugrunde liegende Rechtsgeschäft anzufechten.

(2) Die gleiche Befugnis hat der Bürge, solange sich der Gläubiger durch Aufrechnung gegen eine fällige Forderung des Hauptschuldners befriedigen kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 109/03 Verkündet am:
26. Juli 2005
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine rechtskräftige Verurteilung zur Herausgabe kann Bindungswirkung in einem
Folgeprozeß entfalten, für den es als Vorfrage darauf ankommt, ob die zur
Herausgabe verurteilte Partei die Herausgabe verweigern darf. Das Herausgabeurteil
stellt für den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bindend
fest, daß der herausgabepflichtigen Partei kein gesetzliches oder vertragliches
Recht zur Verweigerung der Herausgabe zustand. Das gleiche gilt für den Zeitraum
zwischen Rechtshängigkeit der Herausgabeklage und Schluß der mündlichen
Verhandlung, in der über sie entschieden wurde, sofern in diesem Zeitraum
keine relevanten Änderungen eingetreten sind und geltend gemacht werden
(Fortentwicklung von BGH, Urt. v. 20. Februar 1998 - V ZR 319/96, NJW
1998, 1709; Urt. v. 9. Juli 1982 - V ZR 64/81, NJW 1983, 164; Urt. v. 20. Juni
1984 - IVa ZR 34/83, NJW 1985, 1553).
BGH, Urt. v. 26. Juli 2005 - X ZR 109/03 - OLG Köln
LG Aachen
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Scharen, Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den Richter
Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Unter Zurückweisung der Revision im übrigen wird das am 2. Juli 2003 verkündete Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage gegen die Beklagte in Höhe von 22.041,52 € nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 88,15 € nebst 4 % Zinsen seit dem 13. Mai 2000 zu zahlen.
Im übrigen wird der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz, weil ihm nach erfolglosen Reparaturversuchen über einen Zeitraum von rund eineinhalb Jahren sein Geländewagen Chevrolet Blazer nicht herausgegeben worden sei. Außerdem verlangt er Ersatz für Mängelbeseitigungskosten.
Nachdem die Beklagte 1997 und 1998 bereits mehrere Reparatur- und Wartungsarbeiten an dem Fahrzeug durchgeführt hatte, ließ es der Kläger am 31. März 1998 erneut zu der Beklagten schleppen, die sodann weitere Arbeiten vornahm und darüber am 20. und 22. Mai 1998 Rechnungen ausstellte. In der Folgezeit weigerte sich die Beklagte, das Fahrzeug an den Kläger herauszugeben , und berief sich auf ein Werkunternehmerpfandrecht wegen verschiedener Forderungen, die sich nach ihrer Auffassung auf 3.309,95 DM sowie 630,61 DM beliefen. Als Ergebnis eines im April 2001 in der Berufungsinstanz durch Vergleich beendeten Rechtsstreits (LG Aachen 6 S 269/99) hat der Kläger mehr als die Hälfte des Gesamtbetrags dieser Forderungen an die Beklagte gezahlt.
Das Landgericht Aachen hat den Beklagten im Verfahren 12 O 535/98 verurteilt, das Fahrzeug an den Kläger herauszugeben. Gegen dieses am 21. September 1999 verkündete Urteil wurden keine Rechtsmittel eingelegt. Das Gericht ging davon aus, daß der Beklagten gegen den Kläger wegen der ersten Forderung von 3.309,95 DM kein Werkunternehmerpfandrecht zugestanden habe. Denn das Fahrzeug sei nach den ihr zugrundeliegenden Arbeiten an den Kläger herausgegeben worden und es fehle an einem treuwidrigen
oder betrügerischen Verhalten des Klägers bezüglich eines von ihm vor Aushändigung des Fahrzeugs im Februar 1998 der Beklagten übergebenen Schecks, da die Nichteinlösung eines nicht verfrüht hingegebenen Schecks hierfür nicht ausreichend sei. Aus der restlichen Forderung von 630,61 DM beziehe sich ein Teilbetrag von 108,61 DM auf Abschleppkosten der K. GmbH, so daß es insoweit an einer Forderung der jetzigen Beklagten fehle. Wegen der restlichen 522,-- DM scheide ein Werkunternehmerpfandrecht jedenfalls nach Treu und Glauben aus. Denn der Kläger habe die mit der Beklagten vereinbarte Bedingung für die Herausgabe des Fahrzeugs durch Hinterlegung der Forderungsbeträge erfüllt. Nach Rechtskraft der Entscheidung 12 O 535/98 wurde das Fahrzeug im November 1999 an den Kläger herausgegeben.
Der Kläger verlangt Erstattung von monatlich 2.436,-- DM einschließlich Mehrwertsteuer für die behauptete Anmietung eines Astra Kombi von Mai 1998 bis November 1999, insgesamt also 46.284,-- DM. Er sei seit Juni 1998 ständig von einer baldigen Herausgabe des Fahrzeugs ausgegangen. Außerdem fordert der Kläger Erstattung der von ihm behaupteten Aufwendungen zur Instandsetzung und Wiederherstellung des vor April 1998 bestandenen Zustandes des Fahrzeugs, die sich aus zahlreichen Positionen zusammensetzen.
Das Landgericht hat die Klage nach umfangreicher Beweisaufnahme überwiegend abgewiesen. Gegen das Urteil des Landgerichts haben beide Parteien Berufung eingelegt. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte über den vom Landgericht zuerkannten Betrag in Höhe von 3.660,80 € zur Zahlung weiterer 21.120,39 € zu verurteilen.
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Klage auf die Berufung der Beklagten insgesamt abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat weitgehend Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht Ansprüche des Klägers wegen verspäteter Herausgabe seines Fahrzeugs durch die Beklagte abgelehnt.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, Schadensersatzansprüche des Klägers ergäben sich nicht aus den §§ 631 Abs. 1, 284, 286 Abs. 1 BGB a.F., weil sich die Beklagte mit ihrer Pflicht zur Herausgabe des Fahrzeugs nicht in Verzug befunden habe. Die Beklagte sei nicht zur Herausgabe verpflichtet gewesen , weil der Kläger die Forderungsbeträge für die von der Beklagten erbrachten Leistungen nicht entsprechend den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen hinterlegt habe. An dieser Beurteilung sieht sich das Berufungsgericht nicht durch die Rechtskraft des Urteils im Verfahren LG Aachen 12 O 535/98 gehindert, in dem die Beklagte zur Herausgabe des Fahrzeugs an den Kläger verurteilt worden ist. Denn die Entscheidung über Einreden gegen den Klageanspruch erwachse nicht in Rechtskraft. Die Rechtskraft eines Herausgabeurteils entfalte materiell-rechtliche Wirkungen lediglich für Ansprüche auf Herausgabe von Nutzungen und auf Schadensersatz nach den §§ 987, 989
BGB. Ansprüche des Klägers aus den §§ 990, 989 BGB schieden aus, weil die Beklagte - anders als vom Landgericht im Herausgabeprozeß angenommen - zum Besitz berechtigt gewesen sei.
Bei § 989 BGB sieht sich das Berufungsgericht zwar an das Herausgabeurteil des Landgerichts Aachen gebunden. Im Rahmen dieser Vorschrift dürfe also nicht mehr erneut überprüft werden, ob der Beklagten tatsächlich kein Recht zum Besitz zustand. Nach § 989 BGB könne der Ersatz des Vorenthaltungsschadens aber nicht verlangt werden.
2. Mit diesen Ausführungen verkennt das Berufungsgericht die Bindungswirkung des rechtskräftigen Herausgabeurteils im Verfahren LG Aachen 12 O 535/98.
Entsprechend den Feststellungen von Landgericht und Berufungsgericht kommt ein Verzug der Beklagten ab Anfang Oktober 1998 in Betracht. Denn ab diesem Zeitpunkt hatte der Kläger eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß er die Herausgabe seines Fahrzeugs verlangt (vgl. BGH, Urt. v. 10.03.1998 - X ZR 70/96, NJW 1998, 2132). Ein Verzug der Beklagten wäre zu diesem Zeitpunkt zwar nicht eingetreten, wenn dieser ein Zurückbehaltungsrecht, ein Werkunternehmerpfandrecht oder ein vertraglich vereinbartes Besitzrecht an dem Fahrzeug zugestanden hätte. Der Annahme eines solchen Besitzrechts steht aber für die Zeit ab Rechtshängigkeit der Herausgabeklage bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in jener Sache das Urteil des LG Aachen 12 O 535/98 entgegen. Die Klägerin hat weder geltend gemacht, daß sich für sie ein derartiges Recht erst aus nach Rechtshängigkeit eingetretenen Umständen ergeben hätte noch ist das dem Herausgabeurteil zu entnehmen. Mit
der Rechtskraft des Herausgabeurteils steht daher fest, daß der Beklagten ab Rechtshängigkeit der Herausgabeklage, dem 25. November 1998, bis zum 12. August 1999, der mündlichen Verhandlung im Herausgabeprozeß, kein Recht zum Besitz zustand (BGH, Urt. v. 20.02.1998 - V ZR 319/96, NJW 1998, 1709; Urt. v. 09.07.1982 - V ZR 64/81, NJW 1983, 164; Urt. v. 20.06.1984 - IVa ZR 34/83, NJW 1985, 1553). Eine andere zeitliche Abgrenzung der Bindungswirkung ist nur geboten, wenn sich der für ein Recht zur Verweigerung der Hauptsache relevante Sachverhalt zwischen Eintritt der Rechtshängigkeit und mündlicher Verhandlung ändert. Zwar behandeln die zitierten Urteile sachenrechtliche Ansprüche auf Herausgabe von Nutzungen gemäß § 987 BGB. Die dort getroffenen Aussagen zu den zeitlichen Grenzen der Rechtskraft des Herausgabeurteils gelten jedoch davon unabhängig allgemein und erfassen insbesondere alle vertraglichen Besitzrechte. Daher hätte das Berufungsgericht jedenfalls für den Zeitraum vom 25. November 1998 bis zum 12. August 1999 von einem Verzug der Beklagten mit der Herausgabe des klägerischen Fahrzeugs ausgehen müssen.
Der Herausgabeanspruch war im Vorprozeß ausgeurteilter Streitgegenstand und keine Einrede. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum die Rechtskraft des Herausgabeurteils im Folgeprozeß nur für Ansprüche auf Herausgabe von Nutzungen und auf Schadensersatz nach den §§ 987, 989 BGB Bedeutung haben soll. Der rechtskräftig zuerkannte Anspruch auf Herausgabe beinhaltet, daß dem Beklagten kein Recht zur Verweigerung der Herausgabe zustehen kann. Ließe man ein anderes Ergebnis zu, könnte die Entscheidung in einem Folgeprozeß der Sache nach auf eine Verweigerung der Herausgabepflicht und damit auf das kontradiktorische Gegenteil des im Vorprozeß zuerkannten Anspruchs gestützt werden. Das wäre mit der Rechtskraft des im Vorprozeß
ergangenen Urteils unvereinbar (BGHZ 123, 137; BGH, Urt. v. 13.11.1998 - V ZR 29/98, NJW-RR 1999, 376).
Alle rechtlichen Gesichtspunkte, die das Berufungsgericht zur Verneinung eines Verzugs der Beklagten heranzieht, stünden dem rechtskräftig festgestellten Herausgabeanspruch des Klägers entgegen. Sowohl das Werkunternehmerpfandrecht des § 647 BGB, dessen Vorliegen das Berufungsgericht dahinstehen läßt, wie auch ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB und eine Vereinbarung der Parteien würden die Beklagte zur Verweigerung der Herausgabe berechtigen, was mit der rechtskräftig festgestellten Pflicht zur Herausgabe unvereinbar wäre. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß sich dem Herausgabeurteil nicht entnehmen läßt, ob es auf einen vertraglichen oder gesetzlichen Herausgabeanspruch gestützt ist.
Die Rechtskraft des Herausgabeurteils schließt zwar nicht aus, daß die zur Herausgabe verurteilte Partei zu einem späteren Zeitpunkt ein Recht zur Verweigerung der Herausgabe erwirbt. Fehlen jedoch in diesem Zeitraum eingetretene , dafür relevante Änderungen, die geltend g emacht werden, stellt das Herausgabeurteil aber rechtskräftig fest, daß ihr ab Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs und bis zu dem für das Urteil maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt , dem Schluß der mündlichen Verhandlung am 12. August 1999, kein solches Recht zustand. Dafür, daß die Beklagte es danach erworben haben könnte, ergeben sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts keinerlei Anhaltspunkte; es wird von ihr auch nicht behauptet.
Keine Rechtskraftwirkung des Urteils im Vorprozeß besteht allerdings für die Zeit von Anfang Oktober 1998, dem ersten eindeutigen Herausgabeverlan-
gen, bis zur Rechtshängigkeit der Herausgabeklage am 25. November 1998. Das Berufungsgericht ist insoweit durch das Herausgabeurteil nicht gehindert, einen Verzug der Beklagten zu verneinen. Allerdings sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Anhaltspunkte ersichtlich, die für die Zeit vor und nach Rechtshängigkeit diesbezüglich eine unterschiedliche Bewertung nahelegen.
3. Auf dieser rechtlichen Grundlage ergibt sich für die einzelnen vom Kläger geltend gemachten Schadenspositionen folgendes:

a) Mietwagenkosten
Soweit die Beklagte die Herausgabe des Fahrzeugs unberechtigt verweigert hat, haftet sie gemäß §§ 631, 286 BGB a.F. für die Kosten der Anmietung eines mit dem klägerischen Fahrzeug gleichwertigen Ersatzwagens. Dieser Anspruch ist, anders als das Landgericht entschieden hat, nicht auf drei Monate beschränkt. Die Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs war dem Kläger schon deshalb nicht unter dem Aspekt der Schadensminderungspflicht zuzumuten, weil er jederzeit erwarten konnte, daß die Klägerin ihrer Herausgabepflicht nachkommen werde. Auf den Zeitwert des Fahrzeugs des Klägers kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Feststellungen zur ersatzfähigen Höhe der Mietwagenkosten hat das Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend nicht getroffen; dies wird nachzuholen sein.

b) TÜV-Prüfung und Abgasuntersuchung

Die Kosten der TÜV-Prüfung und Abgasuntersuchung sind nicht als Verzugsschaden ersatzfähig. Sie hat jeder Fahrzeugeigentümer regelmäßig zu tragen. Der Kläger kann sie nicht zusätzlich zu den Mietwagenkosten verlangen.

c) Batteriearbeiten, Ölwechsel, Kerzen, Klemmen, Abschleppkosten
Die Revision meint, die Beklagte hafte für diese Positionen unter dem Gesichtspunkt des Verzugs und der in § 287 Satz 2 BGB a.F. angeordneten Zufallshaftung. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist jedoch nicht ersichtlich, daß diese Arbeiten aufgrund des Verzugs der Beklagten erforderlich wurden. Selbst wenn man einen Eintritt des Verzugs bereits ab Anfang Oktober 1998 annehmen würde, hätte das Fahrzeug zuvor bereits seit dem 31. März 1998, also mindestens sechs Monate, auf dem Gelände der Beklagten gestanden. Damit können die Ursachen der fraglichen Arbeiten nicht sicher dem Zeitraum ab Eintritt des Verzugs zugeordnet werden. § 287 Satz 2 BGB a.F. ordnete eine Zufallshaftung nur für während des Verzugs eingetretene Schäden an. Frei von Rechtsfehlern hat das Berufungsgericht ferner berücksichtigt , daß Öl- und Kerzenwechsel auch bei regulärer Nutzung regelmäßig erforderlich werden. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu diesen Schadenspositionen sind daher im Ergebnis richtig, auch wenn sie unzutreffend an den Eintritt der Rechtshängigkeit statt an den Eintritt des Verzugs anknüpfen.
Die geltend gemachten Abschleppkosten sind, wie sich aus der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Rechnung (GA 45) ergibt, im Zusammenhang mit dem Transport des Fahrzeugs zur Durchführung der vorstehenden Arbeiten entstanden. Sie sind damit kein Folgeschaden der verzögerten Herausgabe.

d) Kabel, Scheinwerfereinsatz (Nebellampen)
Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, daß bei den Positionen "Kabel" und "Scheinwerfereinsatz" kein Zusammenhang mit der langen Standzeit des Fahrzeugs bei der Beklagten dargelegt sei, ist nicht zu beanstanden ; die tatsächlichen Feststellungen tragen insoweit keine Verzugshaftung der Beklagten.

e) Chromfelgen, Frontgrill, Dichtungen, Wischerblätter
Eine Haftung der Beklagten für diese Positionen lehnt das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ab.
Danach sei der Rost an Chromfelgen und Frontgrill auf eine schon vor dem Abstellen des Fahrzeugs bei der Beklagten bestehende Beschädigung zurückzuführen. Damit scheidet eine Verzugshaftung der Beklagten für diese Schäden aus. Die Revision verkennt erneut, daß es hier nicht um eine Zufallshaftung für während des Verzugs eingetretene Schäden geht.
Die Scheibenwischer hätten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch bei Benutzung des Fahrzeugs infolge normalen Verschleißes erneuert werden müssen; hinsichtlich der festgestellten Vermoosungen an den Dichtungen schließlich habe die Möglichkeit einer Reinigung mittels Hochdruckreiniger bestanden. Auf der Basis dieser sachverständigen Ausführungen hat das Berufungsgericht insoweit rechtsfehlerfrei eine Haftung der Beklagten verneint.

f) Hagelschaden

Hinsichtlich des Hagelschadens dürfte es zwar an einem Verschulden der Beklagten fehlen, weil sie nicht gehalten war, das Fahrzeug des Klägers in einer Garage abzustellen. Allerdings kommt hier eine Zufallshaftung gemäß § 287 BGB a.F. in Frage, falls der Hagelschaden während des Verzugs der Beklagten eingetreten sein sollte. Dazu wird das Berufungsgericht Feststellungen nachholen müssen.

g) Aufbereitung/Politur sowie Glühbirnen
Das Berufungsgericht lehnt einen Anspruch des Klägers auf Ersatz dieser Positionen ab, weil eine dem Zeitraum ab Rechtshängigkeit zuzuordnende Verschlechterung insoweit ebenfalls nicht feststellbar sei und Pflegearbeiten grundsätzlich auch bei regulärer Benutzung des Fahrzeugs durchgeführt werden müßten. Die Revision erhebt hiergegen keine substantiierten Einwände. Zwar kommt es wiederum nicht auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, sondern auf denjenigen des Verzugseintritts an. Die Ausführungen des Berufungsgerichts gelten dafür aber entsprechend und sind nicht zu beanstanden.

h) Rechnung des Parteigutachters
Im Hinblick auf die Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils LG Aachen 12 O 535/98 steht fest, daß die Beklagte dem Kläger das Fahrzeug jedenfalls vom 25. November 1998 bis November 1999, also mindestens etwa ein Jahr, unberechtigt vorenthielt. Die Begutachtung des Fahrzeugs zur Feststellung eventueller Ansprüche gegen die Beklagte ist daher als angemessene
Rechtsverfolgung unter dem Aspekt des Verzugsschadens von der Beklagten zu ersetzen.

i) Nockenwelle
Die Kosten der Arbeiten an der Nockenwelle hält das Berufungsgericht schon deshalb nicht für ersatzfähig, weil sie von der vergleichsweisen Regelung im Verfahren AG Geilenkirchen 10 C 564/98 (LG Aachen 6 S 269/99) erfaßt würden. Die Revision greift diese Beurteilung nicht an. Sie läßt auch keinen Rechtsfehler erkennen.

j) Kosten der Arbeiten am Getriebe
Den Ersatz der Kosten der Getriebereparatur will das Berufungsgericht dem Kläger nicht zusprechen, weil er es versäumt habe, sich die Aussage des Zeugen R. zu eigen zu machen. Dieser hatte bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung bekundet, bei den früheren Arbeiten der Beklagten am Getriebe sei zwar das Getriebe, nicht jedoch auch der Ölkühler erneuert worden, so daß das Getriebe wieder habe kaputtgehen müssen. Danach war naheliegend , dem Kläger einen werkvertraglichen Anspruch auf Beseitigung des Getriebeschadens zuzubilligen. Dies hat das Berufungsgericht abgelehnt, weil der Kläger versäumt habe, sich die Aussage des Zeugen R. zu eigen zu machen. Insbesondere habe er im Rahmen eines Schriftsatzes vom 27. November 2002 ausführlich zur Beweisaufnahme Stellung genommen, ohne sich zum Inhalt der Aussage des Zeugen R. zu äußern.
Diese Würdigung ist verfehlt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist davon auszugehen, daß sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden Umstände, soweit sie ihre Rechtsposition zu stützen geeignet sind, hilfsweise zu eigen macht (BGH, Urt. v. 03.04.2001
- VI ZR 203/00, NJW 2001, 2177, 2178; Urt. v. 08.01.1991 - VI ZR 102/90, NJW 1991, 1541, 1542). Entgegen dem Berufungsgericht sind Gründe, die zu einer anderen Beurteilung führen, nicht ersichtlich. Darüber hinaus trifft die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht nicht zu, daß dann, wenn eine Partei zu einer ihr günstigen Zeugenaussage in einer ausführlichen Stellungnahme zum Beweisergebnis schweigt, die zitierte Rechtsprechung keine Anwendung findet. Sie gilt auch für solche Fälle.
Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe in einem Schriftsatz vom 27. November 2002 (richtig: 2001, Bl. 300 ff. der Akte) ausführlich zur Beweisaufnahme Stellung genommen, ist durch den Akteninhalt nicht gedeckt. Bl. 300 ff. der Akte enthalten einen Schriftsatz des Klägers, in dem ausschließlich zum Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Stellung genommen wird. Die fragliche Aussage des Zeugen R. findet sich auf Bl. 212 f.. Auf Bl. 267 ff. folgt dann die Stellungnahme der Beklagten zum Ergebnis der Beweisaufnahme. Damit fehlt bereits die tatsächliche Grundlage für die rechtliche Argumentation des Berufungsgerichts.
II. Im Ergebnis ist das Berufungsurteil somit aufzuheben hinsichtlich der Entscheidung über die Mietwagenkosten (20.374,50 €), des Hagelschadens (945,89 €), des Honorars des privaten Sachverständigen (88,15 €) sowie der Getriebearbeiten (632,98 €). Von diesen Positionen ist allein das Honorar des Sachverständigen zur Endentscheidung reif. Die Beklagte hat es dem Kläger zu
ersetzen. Im übrigen ist der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens überlassen bleibt.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Kirchhoff

(1) In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

1.
Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen,
2.
Herausgabeansprüche aus Eigentum, anderen dinglichen Rechten, den §§ 2018, 2130 und 2362 sowie die Ansprüche, die der Geltendmachung der Herausgabeansprüche dienen,
3.
rechtskräftig festgestellte Ansprüche,
4.
Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden,
5.
Ansprüche, die durch die im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind, und
6.
Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Zwangsvollstreckung.

(2) Soweit Ansprüche nach Absatz 1 Nr. 3 bis 5 künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben, tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist.

(1) Das rechtskräftige Urteil wirkt für und gegen die Parteien und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind oder den Besitz der in Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben, dass eine der Parteien oder ihr Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer geworden ist.

(2) Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, gelten entsprechend.

(3) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Reallast, Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, so wirkt es im Falle einer Veräußerung des belasteten Grundstücks in Ansehung des Grundstücks gegen den Rechtsnachfolger auch dann, wenn dieser die Rechtshängigkeit nicht gekannt hat. Gegen den Ersteher eines im Wege der Zwangsversteigerung veräußerten Grundstücks wirkt das Urteil nur dann, wenn die Rechtshängigkeit spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet worden ist.

(4) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Schiffshypothek, so gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend.

(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.

(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

(1) Für die Verpflichtung des Bürgen ist der jeweilige Bestand der Hauptverbindlichkeit maßgebend. Dies gilt insbesondere auch, wenn die Hauptverbindlichkeit durch Verschulden oder Verzug des Hauptschuldners geändert wird. Durch ein Rechtsgeschäft, das der Hauptschuldner nach der Übernahme der Bürgschaft vornimmt, wird die Verpflichtung des Bürgen nicht erweitert.

(2) Der Bürge haftet für die dem Gläubiger von dem Hauptschuldner zu ersetzenden Kosten der Kündigung und der Rechtsverfolgung.

(1) Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen.

(2) Die Bürgschaft kann auch für eine künftige oder eine bedingte Verbindlichkeit übernommen werden.

(1) Gewährt der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte zurück, so lebt seine Forderung wieder auf.

(2) Eine Gegenleistung ist aus der Insolvenzmasse zu erstatten, soweit sie in dieser noch unterscheidbar vorhanden ist oder soweit die Masse um ihren Wert bereichert ist. Darüber hinaus kann der Empfänger der anfechtbaren Leistung die Forderung auf Rückgewähr der Gegenleistung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen.

(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.

(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

(1) Für die Verpflichtung des Bürgen ist der jeweilige Bestand der Hauptverbindlichkeit maßgebend. Dies gilt insbesondere auch, wenn die Hauptverbindlichkeit durch Verschulden oder Verzug des Hauptschuldners geändert wird. Durch ein Rechtsgeschäft, das der Hauptschuldner nach der Übernahme der Bürgschaft vornimmt, wird die Verpflichtung des Bürgen nicht erweitert.

(2) Der Bürge haftet für die dem Gläubiger von dem Hauptschuldner zu ersetzenden Kosten der Kündigung und der Rechtsverfolgung.

(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.

(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

(1) In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

1.
Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen,
2.
Herausgabeansprüche aus Eigentum, anderen dinglichen Rechten, den §§ 2018, 2130 und 2362 sowie die Ansprüche, die der Geltendmachung der Herausgabeansprüche dienen,
3.
rechtskräftig festgestellte Ansprüche,
4.
Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden,
5.
Ansprüche, die durch die im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind, und
6.
Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Zwangsvollstreckung.

(2) Soweit Ansprüche nach Absatz 1 Nr. 3 bis 5 künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben, tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist.

(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.

(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

(1) Das rechtskräftige Urteil wirkt für und gegen die Parteien und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind oder den Besitz der in Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben, dass eine der Parteien oder ihr Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer geworden ist.

(2) Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, gelten entsprechend.

(3) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Reallast, Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, so wirkt es im Falle einer Veräußerung des belasteten Grundstücks in Ansehung des Grundstücks gegen den Rechtsnachfolger auch dann, wenn dieser die Rechtshängigkeit nicht gekannt hat. Gegen den Ersteher eines im Wege der Zwangsversteigerung veräußerten Grundstücks wirkt das Urteil nur dann, wenn die Rechtshängigkeit spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet worden ist.

(4) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Schiffshypothek, so gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend.

(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.

(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

(1) In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

1.
Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen,
2.
Herausgabeansprüche aus Eigentum, anderen dinglichen Rechten, den §§ 2018, 2130 und 2362 sowie die Ansprüche, die der Geltendmachung der Herausgabeansprüche dienen,
3.
rechtskräftig festgestellte Ansprüche,
4.
Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden,
5.
Ansprüche, die durch die im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind, und
6.
Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Zwangsvollstreckung.

(2) Soweit Ansprüche nach Absatz 1 Nr. 3 bis 5 künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben, tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist.

(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.

(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

(1) Der Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung ist unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. Dies gilt auch, wenn der Schuldner nach § 275 Absatz 1 bis 3, § 439 Absatz 4 oder § 635 Absatz 3 nicht zu leisten braucht und der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt wäre. § 216 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) § 214 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.

(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.

(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

(1) Das rechtskräftige Urteil wirkt für und gegen die Parteien und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind oder den Besitz der in Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben, dass eine der Parteien oder ihr Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer geworden ist.

(2) Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, gelten entsprechend.

(3) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Reallast, Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, so wirkt es im Falle einer Veräußerung des belasteten Grundstücks in Ansehung des Grundstücks gegen den Rechtsnachfolger auch dann, wenn dieser die Rechtshängigkeit nicht gekannt hat. Gegen den Ersteher eines im Wege der Zwangsversteigerung veräußerten Grundstücks wirkt das Urteil nur dann, wenn die Rechtshängigkeit spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet worden ist.

(4) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Schiffshypothek, so gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend.

(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.

(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 50/01 Verkündet am:
14. Mai 2002
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
_____________________
BGB §§ 138 Bb Abs. 1, 765
1. Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen
oder Mithaftenden sind die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf
seinem Grundbesitz ruhenden dinglichen Belastungen grundsätzlich
wertmindernd zu berücksichtigen.
2. Ein Interesse des Kreditgebers, sich durch einen an sich wirtschaftlich
sinnlosen Bürgschafts- oder Mithaftungsübernahmevertrag vor Vermögensverschiebungen
zwischen Eheleuten zu schützen, vermag die Sittenwidrigkeit
grundsätzlich nur bei einer ausdrücklichen Haftungsbeschränkung
zu vermeiden. Das gilt auch für eine vor dem 1. Januar 1999
übernommene Bürgschaft (Aufgabe von BGH WM 1998, 2327, 2329 f.).
BGH, Urteil vom 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01 - OLG Dresden
LG Leipzig
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 2) wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 21. Dezember 2000 in der berichtigten Fassung vom 24. April 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Bürgschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die klagende Sparkasse schloß am 13./14. April 1994 mit der R. Bau... GmbH (nachfolgend: R. GmbH), dem früheren Beklagten zu 1) und einem weiteren Gesellschafter der R. GmbH fünf Darlehensverträge, darunter einen Kontokorrentkreditvertrag über einen Höchstbetrag von 200.000 DM zu einem Zinssatz von 12,5% p.a.. Gleichzeitig übernahm die Beklagte zu 2) (nachfolgend: Beklagte), Ehefrau des früheren Beklagten zu 1), eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von 100.000 DM zur Sicherung für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten und befristeten Forderungen der Klägerin gegen die Darlehensnehmer. Zuvor hatte die B.bank GmbH eine Ausfallbürgschaft über 80% für die gewährten Kredite bestellt. Nachdem eine Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der R. GmbH am 31. Mai 1996 mangels Masse abgelehnt worden war, kündigte die Klägerin sämtliche Darlehensverträge fristlos.
In der Folgezeit zahlte die B.bank GmbH der Klägerin einen Betrag von 207.471,01 DM und ermächtigte sie zur gerichtlichen Geltendmachung der ihr als Ausfallbürgin zustehenden Forderungen gegen die Darlehensnehmer und die Beklagte als Mitbürgin. Nach Verwertung verschiedener Sicherheiten hat die Klägerin Zahlungsklage erhoben.
Die Beklagte, die den Bürgschaftsvertrag für sittenwidrig erachtet, hat u.a. vorgetragen: Ihr gehöre ein sanierungsbedürftiges Mehrfamilienhaus , das bei Übernahme der Bürgschaft mit einem mit rund 300.000 DM valutierenden Hypothekendarlehen wertausschöpfend belastet gewesen sei. Als teilzeitbeschäftigte Lehrerin und Mutter eines siebenjährigen Sohnes habe sie im März 1994 1.470 DM netto verdient so-
wie mit ihrer Immobilie Mieteinnahmen von 1.232,50 DM erzielt. Die monatliche Annuitätenrate für das Hypothekendarlehen habe 2.143 DM betragen.
Das Landgericht hat der Klage gegen den früheren Beklagten zu
1) teilweise und der gegen die Beklagte antragsgemäß in Höhe von 100.000 DM zuzüglich Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist weitgehend erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit zu ihrem Nachteil erkannt wurde.

I.


Das Berufungsgericht hat die Bürgschaftsübernahme der Beklagten für wirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt :
Der Bürgschaftsvertrag der Parteien verstoße entgegen der Ansicht der Beklagten nicht gegen die guten Sitten. Eine krasse finanzielle Überforderung bei Abgabe der Bürgschaftserklärung lasse sich nach
dem Vortrag der Beklagten nicht feststellen. Zwar seien die Mieteinkünfte aus ihrer Immobilie nur zu erzielen, wenn zugleich das auf ihr lastende Hypothekendarlehen ordnungsgemäû zurückgezahlt werde. Solange sie aber mit ihren gesamten Einnahmen und der Schuldentilgung eigenes Vermögen bilden könne, sei die Annahme einer krassen finanziellen Überforderung sachlich nicht gerechtfertigt.
Überdies komme nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs eine Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auch deswegen nicht in Betracht, weil das Interesse der Klägerin, sich vor Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, die Bürgschaft rechtfertige. Die vom XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs vertretene Gegenmeinung überzeuge nicht. Wie die Regeln über die Anfechtung von Rechtsgeschäften des Schuldners in der Zwangsvollstreckung und Insolvenz zeigten, seien Vermögensverschiebungen unter Eheleuten nicht nur eine abstrakte Möglichkeit, sondern eine von der Rechtsordnung wahrgenommene, ernsthaft bestehende Gefährdung der Gläubigerinteressen. Wenn ein Gläubiger nach den Grundsätzen der Privatautonomie diesem rechtlich anerkannten Interesse Rechnung trage und sich durch einen Bürgschaftsvertrag einen eigenständigen Zahlungsanspruch gegen den finanzschwachen Ehegatten des Hauptschuldners verschaffe, könne die Rechtsordnung diesem Handeln grundsätzlich nicht das Urteil der Sittenwidrigkeit entgegenhalten.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstöût der Bürgschaftsvertrag der Parteien nach dem streitigen Vorbringen der Beklagten , von dem für die Revisionsinstanz auszugehen ist, gegen die guten Sitten und ist infolgedessen nichtig.
1. Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge regelmäûig entscheidend vom Grad des Miûverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; Senatsurteile vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125 und vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224). Zwar reicht selbst der Umstand, daû der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft tragen kann, regelmäûig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten , daû er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kre-
ditgeber dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (st.Rspr., siehe Senatsurteile vom 13. November 2001 aaO S. 126 und vom 4. Dezember 2001 aaO).
2. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, war die Beklagte nach ihrem Vorbringen bei Übernahme der Bürgschaft voraussichtlich nicht in der Lage, die in den Kreditverträgen, welche Anlaû der Höchstbetragsbürgschaftserklärung über 100.000 DM waren, vereinbarten Zinsen aus eigenem pfändbaren Einkommen und/oder Vermögen dauerhaft allein zu tragen. Es spricht deshalb eine von der Klägerin zu widerlegende tatsächliche Vermutung dafür, daû sie die Bürgschaft nur aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen hat.

a) Nach ihren unwidersprochen gebliebenen Angaben verdiente die Beklagte bei Übernahme der Bürgschaft im März 1994 als teilzeitbeschäftigte Lehrerin lediglich 1.470 DM netto im Monat. Dieses Einkommen war unter Berücksichtigung ihrer Unterhaltspflicht gegenüber ihrem damals sieben Jahre alten Sohn unpfändbar (§ 850 c Abs. 1 ZPO). Ihren Einkünften aus der Vermietung eines Mehrfamilienhauses in Höhe von 1.232,50 DM monatlich standen nach ihrem streitigen Vorbringen Aufwendungen von 2.143 DM für Zinsen und Tilgung des angeblich mit rund 300.000 DM valutierenden Hypothekendarlehens gegenüber. Diese Aufwendungen waren, wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, notwendig , um die Mieteinnahmen erzielen zu können. Daû von den Aufwendungen weniger als 1.232,50 DM monatlich auf Zinsen entfielen, ist nicht festgestellt und angesichts der Höhe des Hypothekendarlehens auch nicht ersichtlich. Nach dem Vorbringen der Beklagten ist vielmehr
davon auszugehen, daû von ihren Mieteinnahmen nicht einmal ein Teil zur Bedienung der laufenden Zinsen aus der verbürgten Darlehenssumme von 100.000 DM zur Verfügung stand. Die Annahme des Berufungsgerichts , die Beklagte sei mit Hilfe ihres Arbeitseinkommens und ihrer Mieteinnahmen in der Lage, Vermögensbildung zu betreiben, entbehrt danach jeder Grundlage.

b) Auch über pfändbares Vermögen, das bei der Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen wäre, verfügt die Beklagte nach ihren Angaben nicht. Ihr Mehrfamilienhausgrundstück hat nach ihrem unter Beweis gestellten Vorbringen, dem das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, verfahrensfehlerhaft nicht nachgegangen ist, lediglich einen Verkehrswert von 300.000 DM und ist wertausschöpfend belastet. Diese Belastung ist bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Bürgen zu berücksichtigen. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei älteren Entscheidungen zwar die gegenteilige Ansicht vertreten (BGH, Urteile vom 7. März 1996 - IX ZR 43/95, WM 1996, 766, 768 und vom 13. November 1997 - IX ZR 289/96, WM 1998, 67, 69, insoweit in BGHZ 137, 153 ff. nicht abgedruckt). Diese Ansicht ist angesichts der jetzt auch vom IX. Zivilsenat geteilten Auffassung, daû sich die Wirksamkeit einer Bürgschaft nur nach der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen richtet (BGHZ 146, 37, 43 f.; BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 298/98, WM 2000, 410, 412), aber überholt. Nach dieser neuen Rechtsprechung ist es allein folgerichtig, das verbürgte Risiko nur um den im Einzelfall effektiv verfügbaren Sicherungswert des mitverhafteten dinglichen Vermögens zu mindern, also valutierende dingliche Belastungen vermögensmindernd zu berücksichti-
gen. Deren Nichtberücksichtigung widerspräche auch der banküblichen Praxis und würde insbesondere bei wertausschöpfenden dinglichen Belastungen dazu führen, daû ein Bürge als finanziell leistungsfähig behandelt werden müûte, obwohl er dies ersichtlich nicht ist (Nobbe /Kirchhof BKR 2001, 1, 9 f.). An der vorgenannten älteren Rechtsprechung des IX. Zivilsenats kann deshalb nicht festgehalten werden. Zu dieser Änderung der Rechtsprechung ist der erkennende Senat ohne Anrufung des Groûen Senats für Zivilsachen gemäû § 132 GVG in der Lage, da er nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs seit dem 1. Januar 2001 an Stelle des IX. Zivilsenats für Bürgschaftssachen zuständig ist.

c) Aus der maûgeblichen Sicht eines rational handelnden Kreditinstituts war bei Hereinnahme der Bürgschaft im März 1994 auch mit einer alsbaldigen wesentlichen und dauerhaften Verbesserung der Einkommens - und Vermögensverhältnisse der Beklagten nicht zu rechnen. Angesichts des Alters des von ihr betreuten Sohnes von sieben Jahren erschien eine ganztätige berufliche Tätigkeit der Beklagten in naher Zukunft vielmehr eher unwahrscheinlich. Daû sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse günstiger entwickelt hätten, als dies bei Übernahme der Bürgschaft zu erwarten war, ist weder substantiiert vorgetragen noch festgestellt, so daû sich die von der Revisionserwiderung erörterte Streitfrage, ob auch die finanzielle Situation des Bürgen bei Eintritt des Bürgschaftsfalles bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit Berücksichtigung finden muû, nicht stellt.
3. Anders als das Berufungsgericht unter Berufung auf die Rechtsprechung des vormals für das Bürgschaftsrecht zuständigen IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs angenommen hat, ändert auch ein Interesse des Gläubigers, sich vor Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, an der Sittenwidrigkeit einer den bürgenden Ehegatten finanziell kraû überfordernden Bürgschaft nichts. Überdies hat das Berufungsgericht übersehen, daû eine Klage gegen einen kraû finanziell überforderten bürgenden Ehegatten auch nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats - als derzeit unbegründet - abzuweisen ist, wenn eine Vermögensverschiebung - wie hier - nicht stattgefunden hat (BGHZ 128, 230, 235 f.; 134, 325, 328 ff.; BGH, Urteil vom 25. November 1999 - IX ZR 40/98, WM 2000, 23, 25).

a) Wie der erkennende Senat bereits in seinem Vorlagebeschluû vom 29. Juni 1999 an den Groûen Senat für Zivilsachen (XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558) ausgeführt hat, rechtfertigt allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen, ein unbeschränktes Mithaftungsbegehren nicht. Ohne besondere, vom Kreditgeber darzulegende und notfalls zu beweisende Anhaltspunkte kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daû eine kraû überfordernde Bürgschaft oder Mithaftungsübernahme inhaltlich von vornherein nur eine erhebliche Vermögensverlagerung zwischen Hauptschuldner und Sicherungsgeber verhindern soll. Eine solche Vereinbarung, die der Personalsicherheit einen ganz besonderen Sinn verleiht, ist keineswegs üblich oder den auûerhalb der Vertragsurkunde liegenden Umständen zu entnehmen. Wer unter Berufung auf den wirklichen Willen verständiger Vertragsparteien eine solche einschränkende Auslegung der Bürgschaft
oder Mithaftungsabrede vornimmt, setzt sich daher über allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze hinweg und verstöût überdies gegen das Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion formularmäûiger Bürgschafts - oder Mithaftungsverträge. Nimmt der Kreditgeber den Betroffenen - wie hier - in Anspruch, ohne auch nur ansatzweise zu behaupten, daû und in welchem Umfang eine im Verhältnis zur Kreditsumme erhebliche Vermögensverschiebung stattgefunden hat, so zeigt auch dieses im Rahmen der Vertragsauslegung zu berücksichtigende nachvertragliche Verhalten (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 16. Oktober 1997 - IX ZR 164/96, WM 1997, 2305, 2306 m.w.Nachw.), daû die Annahme einer stillschweigend getroffenen Haftungsbeschränkung nicht gerechtfertigt ist.

b) Diese Auffassung wird inzwischen im Grundsatz auch vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs geteilt. Er sieht sich jedoch daran gehindert, die von ihm für die Zukunft anerkannten Grundsätze auch auf Bürgschaftsverträge aus der Zeit vor dem 1. Januar 1999 anzuwenden (Urteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2329 f.), weil für die Kreditinstitute nicht hinreichend klar gewesen sei, inwieweit sie ihr Interesse an einem möglichst wirksamen Schutz vor Vermögensverschiebungen über die bloûe Hereinnahme einer Bürgschaft hinaus durch geeignete vertragliche Regelungen absichern muûten. Dieser differenzierenden Betrachtungsweise vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschlieûen.
Dabei kann offenbleiben, ob und inwieweit das Vertrauen einer Prozeûpartei in den Fortbestand höchstrichterlicher Rechtsprechung
überhaupt schutzwürdig ist (siehe dazu Schimansky WM 2001, 1889 ff. m.w.Nachw.). Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es hier nicht entscheidend an, weil sich bei einem vernünftigen Gläubiger kein für einen etwaigen Dispositionsschutz unerläûliches Vertrauen bilden konnte. Der Gesichtspunkt der Verhinderung von Vermögensverschiebungen des Hauptschuldners als ein die Sittenwidrigkeit vermeidendes Moment ist erstmals als Reaktion auf die Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1993 (BVerfGE 89, 214, 229 ff.) und 5. August 1994 (BVerfG NJW 1994, 2749) vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs berücksichtigt worden (vgl. BGHZ 128, 230, 234 f.; 132, 328, 331; 134, 325, 327 f.). Er hat dabei ausdrücklich der abweichenden Rechtsprechung des XI. Zivilsenats (BGHZ 120, 272, 278 f. und Urteil vom 22. Januar 1991 - XI ZR 111/90, WM 1991, 313, 315) widersprochen. Der XI. Zivilsenat hat auch in der Folgezeit stets daran festgehalten , daû allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen , ein wirtschaftlich sinnloses Mithaftungsbegehren des Kreditgebers grundsätzlich nicht rechtfertigt (BGHZ 134, 42, 49; 135, 66, 69; Vorlagebeschluû vom 29. Juni 1999 - XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558). Von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Berücksichtigungsfähigkeit des Schutzinteresses des Gläubigers vor Vermögensverschiebungen ohne eine ausdrückliche Beschränkung von Bürgschaften auf diesen Zweck konnte daher keine Rede sein (Vorlagebeschluû des erkennenden Senats vom 29. Juni 1999 - XI ZR 10/98, aaO S. 1558 f.; siehe auch Schimansky aaO S. 1892).

III.



Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil insbesondere tatrichterliche Feststellungen zum Wert des Mehrfamilienhauses der Beklagten , der Valutierung des Hypothekendarlehens und zu den monatlichen Zins- und Tilgungslasten der Beklagten bei Abschluû des Bürg-
schaftsvertrages fehlen. Zur weiteren Sachaufklärung war die Sache deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 81/01 Verkündet am:
14. Mai 2002
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Ein Interesse des Kreditgebers, sich durch einen an sich wirtschaftlich sinnlosen
Bürgschafts- oder Mithaftungsübernahmevertrag vor Vermögensverschiebungen
zwischen Eheleuten zu schützen, vermag die Sittenwidrigkeit
grundsätzlich nur bei einer ausdrücklichen Haftungsbeschränkung zu vermeiden.
Das gilt auch für eine vor dem 1. Januar 1999 übernommene Bürgschaft
(Aufgabe von BGH WM 1998, 2327, 2329 f.).
BGH, Urteil vom 14. Mai 2002 - XI ZR 81/01 - OLG Dresden
LG Dresden
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und
die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Müller und Dr. Wassermann

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Januar 2001 aufgehoben und das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 24. April 1998 abgeändert.
Die Klage wird uneingeschränkt abgewiesen.
Die Anschlußrevision der Klägerin wird nicht angenommen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Bürgschaft. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Vertrag vom 25. Juli 1995 verbürgte sich die Beklagte - Mutter von zwei Kindern und von Beruf Architektin - gegenüber der klagenden Sparkasse bis zum Höchstbetrag von 9,86 Millionen DM. Hauptschuldnerin war die K. GmbH & Co. KG. Deren einziger Kommanditist und alleiniger Gesellschafter der Komplementärin war der Ehemann der Beklagten.
Die Beklagte war früher kaufmännische Angestellte bei der Hauptschuldnerin und bezog von Januar bis mindestens Ende August 1995 als Geschäftsführerin der K. GmbH ein monatliches Bruttogehalt von 6.500 DM. Bei Abgabe der Bürgschaftserklärung war sie Miteigentümerin eines mit Grundschulden in Höhe von 800.000 DM belasteten Grundstücks zu ein halb und zusammen mit ihrem Ehemann Mitinhaberin eines Bankguthabens über rund 20.000 DM. Außerdem besaß sie eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von ca. 8.000 DM.
Am 1. September 1996 wurde über das Vermögen der KG das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Im selben Monat kündigte die Klägerin daraufhin die ausgereichten Geschäftskredite über insgesamt 18.276.968,55 DM fristlos und nahm die Beklagte aus dem Bürgschaftsvertrag in Anspruch. Mit der vorliegenden Klage macht sie einen Teilbetrag von 500.000 DM geltend. Die Beklagte hält dem entgegen, die Bürgschaft überfordere ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit kraß und sei daher sittenwidrig.
Das Landgericht hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Die Berufungen beider Parteien sind erfolglos geblieben. Mit der Revision der Beklagten und der unselbständigen Anschluûrevision der Klägerin verfolgen die Parteien ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur uneingeschränkten Abweisung der Klage.
1. Das Berufungsgericht hat den Bürgschaftsvertrag für wirksam erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die Bürgschaft der Beklagten verstoûe nicht gegen die guten Sitten. Allerdings sei sie durch die Haftung bis zum Höchstbetrag von 9,86 Millionen DM von Anfang an finanziell in krasser Weise überfordert worden. Mit der Teilinhaberschaft an dem Bankguthaben über rund 20.000 DM und ihrer Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von ca. 8.000 DM habe ihr Gesamtvermögen nicht mehr als rund 18.000 DM betragen. Der Miteigentumsanteil der Beklagten an einem Grundstück ändere daran nichts, da er wertausschöpfend belastet gewesen sei. Das monatliche Bruttoeinkommen von 6.500 DM als Geschäftsführerin der K. GmbH habe nicht einmal zur vertragsgemäûen Zahlung der laufenden Zinsen der verbürgten Verbindlichkeiten ausgereicht. Die bei einer kras-
sen finanziellen Überforderung bestehende tatsächliche Vermutung, daû die Beklagte die Bürgschaft nur aus persönlicher Verbundenheit zu ihrem Ehemann, dem wirtschaftlichen Eigentümer der Hauptschuldnerin, übernommen habe, habe die Klägerin nicht entkräftet.
Gleichwohl sei der Bürgschaftsvertrag bei Würdigung aller Umstände nicht als sittenwidrig einzustufen. Da die Klägerin die Beklagte weder überrumpelt noch Aufklärungspflichten verletzt habe, rechtfertige das Interesse des Gläubigers, sich vor Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, auch die Hereinnahme einer im übrigen wirtschaftlich sinnlosen Personalsicherheit. Daû sich die Hauptschuldnerin schon seit mehreren Jahren in der Gesamtvollstreckung befinde, ändere nichts, weil weiterhin die - wenngleich vorläufig nicht naheliegende - Gefahr bestehe, daû der Ehemann der Beklagten als weiterer Bürge der Klägerin Vermögensverlagerungen vornehme. Da es dazu bislang nicht gekommen sei, sei die Klägerin jedoch an der Durchsetzung ihrer Ansprüche aus dem Bürgschaftsvertrag gegen die Beklagte rechtlich gehindert , so daû das Landgericht die Klage zu Recht als derzeit unbegründet abgewiesen habe.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
Die von der Beklagten übernommene Höchstbetragsbürgschaft verstöût in besonders auffälliger Weise gegen die guten Sitten und ist infolgedessen nichtig. Mit seiner gegenteiligen Auffassung hat das Berufungsgericht verkannt, daû ein Interesse des Kreditgebers, sich vor
etwaigen Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, die Sittenwidrigkeit in aller Regel nur dann vermeiden kann, wenn dieser beschränkte Zweck durch eindeutige Erklärungen zum Inhalt der den unterlegenen Vertragsteil sonst kraû überfordernden Bürgschaft oder Mithaftungsabrede gemacht worden ist.

a) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Ansicht des Berufungsgerichts , die Beklagte werde durch die Übernahme einer Höchstbetragsbürgschaft von 9,86 Millionen DM finanziell kraû überfordert.
aa) Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs liegt eine solche Überforderung des Bürgen oder Mitverpflichteten bei nicht ganz geringen Bankschulden grundsätzlich vor, wenn er voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens und Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalls dauerhaft tragen kann. In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ohne Hinzutreten weiterer Umstände - widerleglich zu vermuten, daû der dem Hauptschuldner persönlich nahestehende Bürge oder Mithaftende die für ihn ruinöse Personalsicherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kreditgeber dies in sittlich anstöûiger Weise ausgenutzt hat (BGHZ 136, 346, 351; 146, 37, 42; BGH, Urteile vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 411; vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 126 und vom 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224).

bb) Die Beklagte war nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts bei Abgabe der Bürgschaftserklärung im Juli 1995 ersichtlich nicht einmal annähernd in der Lage, die laufenden Zinsen für die verbürgte Hauptschuld über 9,86 Millionen DM aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens und Vermögens zu tragen. Ihr Gehalt als Geschäftsführerin der K. GmbH von monatlich 6.500 DM brutto reichte dazu bei weitem nicht aus. Eigenes verwertbares Vermögen war nur in Höhe von rund 18.000 DM vorhanden. Das wertausschöpfend belastete Grundeigentum der Beklagten hat das Berufungsgericht zu Recht nicht berücksichtigt (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tage - XI ZR 50/01).
cc) Die danach bestehende Vermutung, daû sich die Beklagte bei Übernahme der ruinösen Bürgschaft von ihrer emotionalen Bindung an ihren Ehemann, den wirtschaftlichen Alleineigentümer der Hauptschuldnerin , hat leiten lassen, hat das Berufungsgericht zu Recht nicht als entkräftet angesehen. Daû die Beklagte zunächst bei der Hauptschuldnerin angestellt, geschäftlich nicht unerfahren war und als Vertreterin ihres Ehemannes an Gesprächen zur Sanierung der Hauptschuldnerin teilgenommen hat, fällt entgegen der Ansicht der Klägerin als Beweisanzeichen nicht entscheidend ins Gewicht. Auch erfahrene und geschäftsgewandte Personen können aus emotionaler Verbundenheit zu ihrem Ehegatten Verbindlichkeiten eingehen, die sie finanziell kraû überfordern (BGH, Urteile vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 413 und vom 13. November 2001 - XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 127).

b) Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht aber, soweit es unter Berufung auf die Rechtsprechung des vormals für das Bürgschaftsrecht zuständigen IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ein Interesse der kreditgebenden Bank, sich vor Vermögensverschiebungen zwischen Eheleuten zu schützen, angenommen und mit Rücksicht darauf die Sittenwidrigkeit der die Beklagte kraû überfordernden Bürgschaft verneint hat.
aa) Wie der erkennende Senat bereits in seinem Vorlagebeschluû vom 29. Juni 1999 an den Groûen Senat für Zivilsachen (XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558) ausgeführt hat, rechtfertigt allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen, ein unbeschränktes Mithaftungsbegehren nicht. Ohne besondere, vom Kreditgeber im einzelnen darzulegende und notfalls zu beweisende Anhaltspunkte kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daû eine kraû überfordernde Bürgschafts- oder Mithaftungsübernahme inhaltlich von vornherein nur eine erhebliche Vermögensverlagerung zwischen Hauptschuldner und Sicherungsgeber verhindern soll. Eine solche Vereinbarung, die der Personalsicherheit einen ganz besonderen Sinn verleiht, ist keineswegs üblich oder den auûerhalb der Vertragsurkunde liegenden Umständen zu entnehmen. Wer unter Berufung auf den wirklichen Willen verständiger Vertragsparteien eine solche einschränkende Auslegung der Bürgschaft oder Mithaftungsabrede vornimmt, setzt sich daher über allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze hinweg und verstöût überdies gegen das Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion formularmäûiger Bürgschafts - oder Mithaftungsverträge. Nimmt der Kreditgeber den Betroffenen - wie hier - in Anspruch, ohne auch nur ansatzweise zu behaupten,
daû und in welchem Umfang eine im Verhältnis zur Kreditsumme erhebliche Vermögensverschiebung stattgefunden hat, so zeigt auch dieses im Rahmen der Vertragsauslegung zu berücksichtigende nachvertragliche Verhalten (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 16. Oktober 1997 - IX ZR 164/96, WM 1997, 2305, 2306 m.w.Nachw.), daû die Annahme einer stillschweigend getroffenen Haftungsbegrenzung nicht gerechtfertigt ist.
bb) Diese Auffassung wird inzwischen im Grundsatz auch vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs geteilt. Er sieht sich jedoch daran gehindert, die von ihm für die Zukunft anerkannten Grundsätze auch auf Bürgschaftsverträge aus der Zeit vor dem 1. Januar 1999 anzuwenden (BGH, Urteil, vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327, 2329 f.), weil für die Kreditinstitute nicht hinreichend klar gewesen sei, inwieweit sie ihr Interesse an einem möglichst wirksamen Schutz vor Vermögensverschiebungen über die bloûe Hereinnahme einer Bürgschaft hinaus durch geeignete vertragliche Regelungen absichern muûten. Dieser differenzierenden Betrachtungsweise vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschlieûen.
Dabei kann offenbleiben, ob und inwieweit das Vertrauen einer Prozeûpartei in den Fortbestand höchstrichterlicher Rechtsprechung überhaupt schutzwürdig ist (siehe dazu Schimansky WM 2001, 1889 ff. m.w.Nachw.). Auf die Beantwortung dieser Frage kommt es hier nicht entscheidend an, weil sich bei einem vernünftigen Gläubiger kein für einen etwaigen Dispositionsschutz unerläûliches Vertrauen bilden konnte. Der Gesichtspunkt der Verhinderung von Vermögensverschiebungen des Hauptschuldners als ein die Sittenwidrigkeit vermeidendes Moment ist
erstmals als Reaktion auf die Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1993 (BVerfGE 89, 214, 229 ff.) und 5. August 1994 (BVerfG NJW 1994, 2749 f.) vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs berücksichtigt worden (vgl. BGHZ 128, 230, 234 f.; 132, 328, 331; 134, 325, 327 f.). Er hat dabei ausdrücklich der abweichenden Rechtsprechung des XI. Zivilsenats (BGHZ 120, 272, 278 f. und Urteil vom 22. Januar 1991 - XI ZR 111/90, WM 1991, 313, 315) widersprochen. Der XI. Zivilsenat hat auch in der Folgezeit stets daran festgehalten , daû allein das Ziel, etwaigen Vermögensverschiebungen vorzubeugen , ein wirtschaftlich sinnloses Mithaftungsbegehren des Kreditgebers grundsätzlich nicht rechtfertigt (BGHZ 134, 42, 49; 135, 66, 69; Vorlagebeschluû vom 29. Juni 1999 - XI ZR 10/98, WM 1999, 1556, 1558). Von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Berücksichtigungsfähigkeit des Interesses des Gläubigers, sich vor Vermögensverschiebungen zu schützen, ohne eine ausdrückliche Beschränkung von Bürgschaften auf diesen Zweck konnte daher keine Rede sein (Vorlagebeschluû des erkennenden Senats vom 29. Juni 1999 - XI ZR 10/98, aaO S. 1558 f.; siehe auch Schimansky aaO S. 1892).
Die Beurteilung der Sittenwidrigkeit der von der Beklagten im Juli 1995 übernommenen Bürgschaft hat danach nach denselben Kriterien zu erfolgen wie die eines nach dem 1. Januar 1999 abgeschlossenen Bürgschaftsvertrages. An der abweichenden Rechtsprechung des IX. Zivilsenats kann deshalb nicht festgehalten werden. Zu dieser Änderung der Rechtsprechung ist der erkennende Senat ohne Anrufung des Groûen Senats für Zivilsachen gemäû § 132 GVG in der Lage, da er nach dem
Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs seit dem 1. Januar 2001 an Stelle des IX. Zivilsenats für Bürgschaftssachen zuständig ist.

c) Auf die Revision der Beklagten war das Berufungsurteil daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.) und die Klage uneingeschränkt abzuweisen.

II.


Die Annahme der unselbständigen Anschluûrevision der Klägerin war abzulehnen. Sie hat weder Aussicht auf Erfolg noch grundsätzliche Bedeutung (§ 554 b ZPO a.F.). Prozeûrechtliche Bedenken gegen die Ablehnung der Annahme der Anschluûrevision durch Urteil nach mündlicher Verhandlung bestehen nicht (Senatsurteile vom 29. September 1992 - XI ZR 265/91, NJW 1992, 3225, 3227 und vom 14. März 2000 - XI ZR 14/99, WM 2000, 1057, 1058). Die Entscheidung muû nicht in einem vorgeschalteten Beschluûverfahren getroffen werden.
Nobbe Siol Bungeroth
Müller Wassermann

(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.

(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

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Entgegen der Ansicht der Revision fällt auch der Verzicht des Hauptschuldners auf künftige Einreden unter § 768 Abs. 2 BGB. Nichts spricht dafür, den Verzicht auf künftige Einreden aus dem Anwendungsbereich des § 768 Abs. 2 BGB herauszunehmen. Ob im Zeitpunkt eines rechtsgeschäftlichen Verjährungsverzichts des Hauptschuldners die Hauptschuld bereits verjährt ist oder nicht, ist nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung unerheblich. Nach § 768 Abs. 2 BGB kann der Hauptschuldner die Haftung des Bürgen nicht durch den Verzicht auf Einreden verschärfen. Die Vorschrift ist Ausdruck des Verbots der Fremddisposition, das für den Bürgschaftsvertrag vertragswesentlich ist. Die Haftung des Bürgen darf nach diesem Grundsatz nicht über den bei Bürgschaftsübernahme überschaubaren Umfang hinaus zu seinen Lasten erweitert werden (vgl. dazu BGHZ 130, 19, 32 f.; 137, 153, 158; 153, 293, 297). Dazu gehört, dass der Bürge entsprechend der akzessorischen Natur der Bürgschaft alle dem Hauptschuldner nach dem ursprünglich verbürgten Hauptschuldvertrag gebührenden Einreden geltend machen kann, ohne dass ihm ein vom Hauptschuldner nach der Bürgschaftsübernahme erklärter Einredeverzicht zum Nachteil gereichen kann (Staudinger/Horn, BGB Bearb. 1997 § 768 Rdn. 1, 3). Nach Sinn und Zweck dieser Regelung ist es dem Bürgen gegenüber deshalb auch unwirksam, wenn der Hauptschuldner durch sein Handeln eine neue oder längere Verjährungsfrist eröffnet, indem er etwa im Prozess mit dem Gläubiger die Verjährungseinrede nicht erhebt und deshalb rechtskräftig verurteilt wird (vgl. BGHZ 76, 222, 229 f.; Staudinger/Horn BGB Bearb. 1997 § 768 Rdn. 4; MünchKommBGB/Habersack 4. Aufl. § 768 Rdn. 11) oder die Hauptschuld anerkennt (OLG Düsseldorf MDR 1975, 1019; MünchKommBGB/Habersack 4. Aufl. § 767 Rdn. 12, § 768 Rdn. 8; Schmitz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. § 91 Rdn. 65; a.A. OLG München WM 2006, 684, 687). Dabei ist es unerheblich , ob diese den Bürgen benachteiligenden Handlungen vor oder nach Ablauf der Verjährungsfrist vorgenommen werden. Gleiches gilt für einen ausdrücklich erklärten Verjährungsverzicht, der unter Geltung des § 202 BGB n.F. - wie ausgeführt - auch schon vor Eintritt der Verjährung wirksam erklärt werden kann.
19
4. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht hingegen angenommen, die Beklagte zu 2) könne sich auf die Verjährung der Hauptforderung berufen, obwohl die Verjährung durch die Verhandlungen zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin gehemmt worden sei, weil die Beklagte zu 2) durch die Hemmung der Verjährung ähnlich stark belastet werde wie durch einen Verzicht der Hauptschuldnerin auf die Einrede der Verjährung, durch den sie diese Einrede nach § 768 Abs. 2 BGB nicht verliere.

(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.

(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

18
Entgegen der Ansicht der Revision fällt auch der Verzicht des Hauptschuldners auf künftige Einreden unter § 768 Abs. 2 BGB. Nichts spricht dafür, den Verzicht auf künftige Einreden aus dem Anwendungsbereich des § 768 Abs. 2 BGB herauszunehmen. Ob im Zeitpunkt eines rechtsgeschäftlichen Verjährungsverzichts des Hauptschuldners die Hauptschuld bereits verjährt ist oder nicht, ist nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung unerheblich. Nach § 768 Abs. 2 BGB kann der Hauptschuldner die Haftung des Bürgen nicht durch den Verzicht auf Einreden verschärfen. Die Vorschrift ist Ausdruck des Verbots der Fremddisposition, das für den Bürgschaftsvertrag vertragswesentlich ist. Die Haftung des Bürgen darf nach diesem Grundsatz nicht über den bei Bürgschaftsübernahme überschaubaren Umfang hinaus zu seinen Lasten erweitert werden (vgl. dazu BGHZ 130, 19, 32 f.; 137, 153, 158; 153, 293, 297). Dazu gehört, dass der Bürge entsprechend der akzessorischen Natur der Bürgschaft alle dem Hauptschuldner nach dem ursprünglich verbürgten Hauptschuldvertrag gebührenden Einreden geltend machen kann, ohne dass ihm ein vom Hauptschuldner nach der Bürgschaftsübernahme erklärter Einredeverzicht zum Nachteil gereichen kann (Staudinger/Horn, BGB Bearb. 1997 § 768 Rdn. 1, 3). Nach Sinn und Zweck dieser Regelung ist es dem Bürgen gegenüber deshalb auch unwirksam, wenn der Hauptschuldner durch sein Handeln eine neue oder längere Verjährungsfrist eröffnet, indem er etwa im Prozess mit dem Gläubiger die Verjährungseinrede nicht erhebt und deshalb rechtskräftig verurteilt wird (vgl. BGHZ 76, 222, 229 f.; Staudinger/Horn BGB Bearb. 1997 § 768 Rdn. 4; MünchKommBGB/Habersack 4. Aufl. § 768 Rdn. 11) oder die Hauptschuld anerkennt (OLG Düsseldorf MDR 1975, 1019; MünchKommBGB/Habersack 4. Aufl. § 767 Rdn. 12, § 768 Rdn. 8; Schmitz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. § 91 Rdn. 65; a.A. OLG München WM 2006, 684, 687). Dabei ist es unerheblich , ob diese den Bürgen benachteiligenden Handlungen vor oder nach Ablauf der Verjährungsfrist vorgenommen werden. Gleiches gilt für einen ausdrücklich erklärten Verjährungsverzicht, der unter Geltung des § 202 BGB n.F. - wie ausgeführt - auch schon vor Eintritt der Verjährung wirksam erklärt werden kann.

(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.

(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

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4. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht hingegen angenommen, die Beklagte zu 2) könne sich auf die Verjährung der Hauptforderung berufen, obwohl die Verjährung durch die Verhandlungen zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin gehemmt worden sei, weil die Beklagte zu 2) durch die Hemmung der Verjährung ähnlich stark belastet werde wie durch einen Verzicht der Hauptschuldnerin auf die Einrede der Verjährung, durch den sie diese Einrede nach § 768 Abs. 2 BGB nicht verliere.

(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.

(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

Die Vorschriften des § 767 Abs. 1, 3 gelten entsprechend, wenn in den Fällen des § 726 Abs. 1, der §§ 727 bis 729, 738, 742, 744, des § 745 Abs. 2 und des § 749 der Schuldner den bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel als bewiesen angenommenen Eintritt der Voraussetzung für die Erteilung der Vollstreckungsklausel bestreitet, unbeschadet der Befugnis des Schuldners, in diesen Fällen Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel nach § 732 zu erheben.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 108/02 Verkündet am:
17. Februar 2004
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB (Fassung: bis 31.12.2001) § 324 Abs. 1; ZPO § 286 G

a) Zur sekundären Darlegungslast des Schuldners für die Ersparnis von Aufwendungen
als Voraussetzung der Anrechnungspflicht gemäß § 324 Abs. 1
Satz 2 BGB a.F. (Fortführung des Senatsurteils vom 17.7.2001
- X ZR 29/99, NJW 2002, 57).

b) Zur Frage der Zumutbarkeit der Offenlegung der Kalkulation durch den
Schuldner im Rahmen der sekundären Darlegungslast nach § 324 Abs. 1
Satz 2 BGB a.F.
BGH, Urt. v. 17. Februar 2004 - X ZR 108/02 - OLG Jena
LG Mühlhausen
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 17. Februar 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 27. März 2002 verkündete Urteil des 2. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin macht Forderungen aus Serviceverträgen geltend, die die Abrechnung von Heizungs-, Warm- und Kaltwasserkosten in Mietobjekten der Beklagten in L. seit 1999 betreffen. Die Beklagte hatte liegenschaftsbe-
zogene, zeitlich befristete Abrechnungsverträge geschlossen, in denen als ihr Vertragspartner teils eine S. GmbH, teils eine L. & S. Meßtechnik GmbH und teils eine L. & G. Meßtechnik GmbH genannt ist. Die vertraglich geschuldeten Leistungen erbrachte im Jahr 1998 die L. & S. Meßtechnik GmbH, Rechnungsstellung erfolgte durch die seinerzeit noch als R. Energieservice GmbH firmierende Klägerin. Nachdem es zu Meinungsverschiedenheiten über die Vertragsabwicklung gekommen war, erklärte die Beklagte am 28. Dezember 1998, sie betrachte die Vertragsbeziehung als beendet.
Die Klägerin hat behauptet, bei der S. GmbH, der L. & S. Meßtechnik GmbH, die seit Oktober 1998 als S. Messtechnik (Deutschland ) GmbH firmiert habe, und der L. & G. Messtechnik GmbH handle es sich um ein und dieselbe Rechtsperson, deren sämtliche Geschäftsanteile sie im September 1998 erworben habe und die im Mai 2000 mit ihr verschmolzen worden sei, weshalb ihr sämtliche Rechte aus den Verträgen mit der Beklagten zuständen. Zudem habe die Beklagte zugestimmt, daß sie - die Klägerin - in alle Abrechnungsverträge eintrete. Auch habe die S. Messtechnik GmbH ihr alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche aus den Verträgen abgetreten. Der vereinbarte Werklohn sei bis zum jeweiligen Ablauf der zeitlich befristeten Verträge geschuldet; die Beklagte befinde sich im Annahmeverzug. Wegen möglicherweise ersparter Aufwendungen verlange sie nur 30 % des Werklohns. Unter Einschluß eines Rechnungsbetrags von 94,83 DM aus der Nachmontage eines Geräts hat die Klägerin ihre Forderung auf 207.099,12 DM beziffert und diesen Betrag klageweise nebst Zinsen geltend gemacht. Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten und sich darauf berufen, daß ihr Vertragspartner die S. Messtechnik GmbH gewesen sei, die
nunmehr als L. & G. Beteiligungs GmbH firmiere. Eine Befristung der Verträge sei nicht wirksam vereinbart worden. Zudem habe sie die Verträge, nachdem ihr ursprünglicher Vertragspartner nur noch eine substanzlose Hülle gewesen sei, wirksam außerordentlich gekündigt.
Das Landgericht hat angenommen, daß die Klägerin auf Grund der Verschmelzung zwar Vertragspartner der Beklagten geworden sei, die Beklagte die Verträge aber wirksam außerordentlich gekündigt habe. Es hat der Klage in Höhe von 62.583,17 DM (Abrechnungsjahr 1999 sowie Rechnung über 94,83 DM) nebst Zinsen stattgegeben. Die Parteien haben wechselseitig Berufung eingelegt, wobei die Klägerin die Klageforderung weiterverfolgt hat, soweit sie in erster Instanz ohne Erfolg geblieben ist, und im Weg der Anschlußberufung ihre Zinsforderung erweitert hat, und die Beklagte - die die Verurteilung in Höhe von 94,83 DM nicht angegriffen hat - im übrigen Klageabweisung begehrt hat. Die Berufung der Beklagten hatte dahin Erfolg, daß nur die Verurteilung in Höhe von 48,49 Euro (entsprechend 94,83 DM) nebst Zinsen Bestand hatte und die Klage im übrigen abgewiesen worden ist; die Berufung und die Anschlußberufung der Klägerin sind erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge aus der Berufungsinstanz weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


I. Die nach dem Tenor des angefochtenen Urteils in vollem Umfang zugelassene und auch im übrigen zulässige Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist.
Anders als in dem von der Beklagten angeführten Urteil des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 5. November 2003 (VIII ZR 320/02) lassen die Gründe der angefochtenen Entscheidung hier eine Eingrenzung der Revisionszulassung nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen; dies setzte nämlich voraus, daß eine entsprechende Einschränkung ausdrücklich und unzweideutig ausgesprochen worden ist (vgl. BGHZ 88, 191, 193; BGH, Beschl. v. 16.6.1993 - I ZB 14/91, NJW 1993, 2942, insoweit nicht in BGHZ 123, 30 abgedruckt; Sen.Beschl. v. 20.11.2001 - X ZB 3/00, Mitt. 2002, 176, 177). Hieran fehlt es vorliegend schon deshalb, weil das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, die Rechtssache habe zumindest in Hinblick auf die Darlegungslast des Gläubigers bei § 324 BGB a.F. grundsätzliche Bedeutung.
II. 1. Das Berufungsgericht hat Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der L. & S. GmbH sowie der L. & G. GmbH in fünf Fällen als erwiesen angesehen. Gegen diese ihr günstige Annahme wendet sich die Revision nicht.
2. a) aa) In allen übrigen Fällen hat das Berufungsgericht das Bestehen von Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht als erwiesen erachtet. Das betreffe zunächst alle mit der S. Messtechnik GmbH geschlossenen Verträge. Diese sei nämlich später in einer L. & G. Beteiligungs GmbH aufgegangen; darauf, wer die Leistungen tatsächlich erbracht habe, komme es nicht entscheidend an. Auch eine rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagten
hiervon keine Mitteilung gemacht worden sei. Eine schlüssige Genehmigung durch die Beklagte sei nicht erfolgt. Die Beklagte habe eine Vertragsübernahme auch nicht zugestanden. Schließlich habe die Klägerin auch eine Forderungsabtretung durch die S. Messtechnik GmbH nicht schlüssig vorgetragen.
bb) Das greift die Revision ohne Erfolg an.
(1) Sie meint, die Klägerin habe ihre Aktivlegitimation hinsichtlich aller Abrechnungsverträge nachgewiesen. Das Berufungsgericht habe in seiner Entscheidung die Beweisanforderungen nach § 286 ZPO überspannt. Diese Verfahrensrüge ist schon deshalb unbeachtlich, weil sie nicht näher ausgeführt wurde (§ 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).
(2) Die Revision macht insoweit weiter als übergangen geltend, die Beklagte habe in ihrem Schreiben vom 28. Dezember 1999 selbst ausgeführt, daß zwischen ihr und der S. Meßtechnik GmbH, "später L. & S. Meßtechnik GmbH", Verträge abgeschlossen worden seien. Damit habe sie zugestanden, daß die L. & S. GmbH die mit der S. Messtechnik GmbH geschlossenen Verträge im allseitigen Einvernehmen fortgeführt habe bzw. nur eine Umfirmierung stattgefunden habe. Außerdem habe die Beklagte in einem weiteren Schreiben vom 22. September 1999 ausgeführt, sie sei nicht damit einverstanden, daß die seinerzeit mit der "Firma L. & S. Meßtechnik GmbH" geschlossenen Verträge nunmehr durch die Klägerin zu erfüllen seien; die Anlage zu diesem Schreiben nenne jedoch auch die mit der S. Messtechnik geschlossenen Verträge.
Auch dieser Verfahrensrüge muß der Erfolg versagt bleiben. Zunächst ist der Revisionsvortrag schon insoweit unzutreffend, als das vorprozessuale Schreiben der Beklagten nicht eine "L. & S. Meßtechnik GmbH", sondern eine "L. und S. Meßtechnik Deutschland GmbH" nennt, mithin eine andere Firmenbezeichnung als die des Unternehmens, bei dem sich die Klägerin nach den nicht angegriffenen tatbestandlichen Feststellungen im Berufungsurteil auf eine Rechtsnachfolge berufen hat. Zudem hat die Beklagte in diesem Schreiben ausdrücklich erklärt, sie teile die Rechtsauffassung der Klägerin hinsichtlich der Rechtsnachfolge der "Fa. R. Energieservice GmbH & Co. KG" nicht. Unter diesen Umständen war die Annahme, aus diesem Schreiben könne Erhebliches über die Rechtsnachfolge der Klägerin in mit der S. GmbH abgeschlossene Verträge abgeleitet werden, fernliegend. Im übrigen hat sich das Berufungsgericht mit diesem Schreiben auseinandergesetzt (BU 12/13). Auch in dem Schreiben vom 22. September 1999 ist nur von mit der "L. & S. Meßtechnik (Deutschland) GmbH" geschlossenen und nicht, wie die Revision geltend macht, von mit einer "L. & S. Meßtechnik GmbH" geschlossenen Verträgen die Rede; im übrigen hat die Beklagte hier die Zustimmung zu einer Vertragsübernahme durch die seinerzeit noch anders firmierende Klägerin abgelehnt. Auch insoweit ist die Annahme, hieraus könne Erhebliches über die Rechtsnachfolge geschlossen werden, fernliegend.
(3) Mit dem von der Revision weiter angesprochenen Gesichtspunkt, daß die L. & G. Messtechnik GmbH das operative Geschäft geführt habe, hat sich das Berufungsgericht in rechtlich jedenfalls vertretbarer Weise dahin auseinandergesetzt , daß die tatsächliche Leistungserbringung und die Weiterverwendung von Vertrags- und Kommissionsnummern kein ausreichendes Indiz seien (BU 11 Mitte). Insoweit versucht die Revision lediglich, ein ihr genehmes
Ergebnis an die Stelle des vom Berufungsgericht gefundenen zu setzen, ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen. Damit kann sie im Revisionsverfahren nicht gehört werden.
(4) Die Revision macht weiter geltend, das Berufungsgericht habe zu Unrecht auch eine Vertragsübernahme nach § 415 BGB und eine konkludente Genehmigung durch die Beklagte verneint. Auch insoweit setzt sie jedoch in revisionsrechtlich unzulässiger Weise ihre Bewertung des Sachverhalts an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts, ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen.

b) aa) Das Berufungsgericht, das es hat dahinstehen lassen, ob hinsichtlich der fünf von der Klägerin übernommenen Verträgen Unmöglichkeit vorlag und ob sich die Beklagte berechtigterweise von ihnen losgesagt hat, hat Ansprüche der Klägerin aus § 324 Abs. 1 Satz 1 BGB in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung (nachfolgend: a.F.) als nicht schlüssig dargetan angesehen , da die Klägerin lediglich pauschal 30 % der rechnerisch geschuldeten Leistungen geltend gemacht habe. Es hat dabei auf die von der Rechtsprechung zu § 649 BGB entwickelten Grundsätze zurückgegriffen. Ihrer danach gesteigerten Darlegungslast habe die Klägerin mit der pauschalen Geltendmachung von 30 % des Vertragsentgelts nicht genügt.
bb) Das rügt die Revision im Ergebnis mit Recht. Wie der Senat bereits wiederholt entschieden hat, trifft die Darlegungs- und Beweislast für die Ersparnis von Aufwendungen als Voraussetzung der Anrechnungspflicht gemäß § 324 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. grundsätzlich den Gläubiger, d.h. im Sinn der Formulierung des Gesetzes den "anderen Teil", hier mithin die Beklagte (Sen.Urt. v. 26.6.1990 - X ZR 19/89, NJW 1991, 166, 167 m.w.N.; Sen.Urt. v. 17.7.2001
- X ZR 29/99, NJW 2002, 57, m.w.N.; vgl. zu § 326 BGB a.F. Sen.Urt. v. 17.7.2001 - X ZR 71/99, NJW 2001, 3535, 3537). Dies entspricht, wie der Senat ausgeführt hat, den allgemeinen Grundsätzen der Verteilung der Darlegungslast , nach denen jede Partei die ihr günstigen Tatsachen darzulegen hat, sowie der Systematik der gesetzlichen Regelung, nach der die Anrechnung als Einrede ausgestaltet ist. Auch angesichts des weitgehend übereinstimmenden Wortlauts der Regelungen in den §§ 324 und 649 BGB und des Umstands, daß die Anrechnungsfaktoren im Rahmen des § 324 BGB in der Sphäre der nach dieser Systematik nicht darlegungsbelasteten Partei entstehen, besteht im Rahmen dieser Regelung kein hinreichender Anlaß, von diesen allgemeinen Grundsätzen abzugehen. Von daher ist die Darlegung der Aufwendungsersparnis anders als bei § 649 BGB keine Voraussetzung für die Geltendmachung des Anspruchs.
Auf der anderen Seite hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in solchen Fällen, in denen der Darlegungspflichtige außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs steht, der Gegner aber alle wesentlichen Tatsachen kennt, dessen einfaches Bestreiten nicht ausreichen lassen, sofern ihm nähere Angaben zumutbar sind (vgl. z.B. BGHZ 86, 23, 29; BGHZ 140, 156, 158). Das gilt - wie es das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend gesehen hat - auch dann, wenn wie hier der selbst nicht Darlegungspflichtige ihm an sich mögliche nähere Angaben, die für die Bestimmung der Höhe des Anspruchs wesentlich sind, in für ihn zumutbarer Weise machen kann. Unterläßt er dies ohne hinreichenden Grund, kann nach den Grundsätzen der sogenannten sekundären Darlegungslast sein bestrittener Vortrag als unzureichend behandelt werden. Nach diesen Grundsätzen kann er gehalten sein, Angaben über innerbetriebliche und deshalb dem Gegner unzugängliche Vorgänge zu
machen, wenn er hierzu unschwer in der Lage ist und die Fallumstände eine entsprechende Beweisführungserleichterung nahelegen (vgl. BGHZ 120, 320, 327 f. - Tariflohnunterschreitung; BGH, Urt. v. 27.1.1994 - I ZR 236/91, GRUR 1995, 693, 697 - Indizienkette; Sen.Urt. v. 30.9.2003 - X ZR 114/00, BGHReport 2004, 335 - blasenfreie Gummibahn II). Der Verweisung des darlegungspflichtigen Gegners auf einen Auskunftsanspruch, wie sie der Senat in früheren Entscheidungen in Betracht gezogen hat, bedarf es auf dieser Grundlage nicht (vgl. die Sen.Urt. v. 17.7.2001 - X ZR 29/99 und X ZR 71/99 - jeweils aaO m.w.N.).

c) Damit beruht die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe ihrer Darlegungspflicht nicht genügt, zunächst auf einer nicht tragfähigen rechtlichen Grundlage. Sie erweist sich nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen aber auch nicht auf der aufgezeigten Rechtsgrundlage als zutreffend. Das Berufungsgericht hat nämlich die Offenlegung einer überschlägigen Kalkulation durch die Klägerin als ohne weiteres zumutbar angesehen, weil diese selbst eine Kalkulation benötigt habe. Damit hat das Berufungsgericht die Zumutbarkeit nur floskelhaft erörtert und letztlich mit dem Argument der Notwendigkeit einer Kalkulation für die Klägerin von einer Zumutbarkeitsprüfung insgesamt abgesehen. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht deshalb eine Prüfung der Zumutbarkeit der Offenlegung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nachzuholen haben. Allerdings wird allein der Umstand, daß die Klägerin gehalten sein kann, ihre Kalkulation offenzulegen, der Zumutbarkeit weiterer Substantiierung nicht ohne weiteres entgegenstehen.
III. Feststellungen dazu, in welchem Umfang die Klägerin im Weg der Abtretung Ansprüche gegen die Beklagte erworben hat, sind dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen.
IV. Dies führt, da die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine Aufteilung des in der Hauptsache eingeklagten Betrags auf die fünf Verträge , für die das Berufungsgericht die Klageforderung an sich dem Grunde nach als berechtigt angesehen hat, und die anderen Verträge zulassen, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insgesamt, soweit zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dieses wird sich bei seiner erneuten Befassung mit der Sache zunächst mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob der Klageforderung hinsichtlich dieser fünf Verträge andere Gesichtspunkte entgegenstehen, die es
bisher von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig offenlassen konnte, und erforderlichenfalls weiter zu klären haben, wie eine nach § 324 Abs. 1 BGB a.F. geschuldete Forderung zu bemessen ist.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 18/04 Verkündet am:
16. Februar 2005
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
_____________________
Ob der Versicherer ausnahmsweise rechtsmißbräuchlich handelt, wenn er sich auf
den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG beruft, hat der Tatrichter aufgrund einer
umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Diese Entscheidung
kann das Revisionsgericht nur darauf hin überprüfen, ob sie auf einer
tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt
und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder
von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht.
BGH, Urteil vom 16. Februar 2005 - IV ZR 18/04 - OLG Celle
LG Hannover
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2005

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 18. Dezember 2003 wird auf Kosten des Beklagten zu 2), der auch die im Revisionsverfahren entstandenen Kosten des Streithelfers trägt, zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger erhebt gegen den Beklagten zu 2), einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, Leistungsansprüche wegen des Diebstahls seiner Yacht "……….." (……………………………..).
Er hatte die 1998 zum Preise von 346.240 DM erworb ene Yacht unter Vermittlung der E. der ehemaligen , Beklagten z u 1), mit Vertrag vom 3. Mai 2000 beim Beklagten zu 2) mit einer Versicherungssumme von 295.000 DM bei einer Selbstbeteiligung von 2.000 DM kaskoversichert. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kaskoversicherung von Wassersportfahrzeugen (AVB Wassersportfahrzeuge 1993)

zugrunde. Auf der ersten Seite des Versicherungsscheins sind oben rechts allein die frühere Beklagte zu 1) und darunter die Büroanschrift des betreuenden Versicherungsmaklers genannt. Im unteren Teil des Deckblatts befindet sich vor der Unterschrift des Versicherers der folgende Text:
"In Vollmacht des Versicherers

V.

E.

" Am 27. März 2001 wurde die Yacht durch Personal de s Sportboothafens (………) B. B. /Italien von einem Landliegeplatz im Hafengelände zu Wasser gelassen. Am darauf folgenden Tag sollte das Boot zu dem vom Kläger gemieteten Liegeplatz gebracht werden. Während die beiden Sicherheitsschlüssel für die Zugangstür zum Salon der Yacht außerhalb des Bootes verwahrt wurden, verblieben die Zündschlüssel (in jeweils zweifacher Ausfertigung) für die beiden Motoren in einer unverschlossenen, abgedeckten Ablage unterhalb des Fahrstandes an Bord. Ebenso blieben drei Bordnetzschlüssel für die drei Hauptschalter der elektrischen Anlage in den Schalterschlössern stecken.
In der Nacht vom 27. auf den 28. März 2001 wurde d ie Yacht von unbekannten Tätern entwendet. Der Kläger meldete den Schadensfall der Beklagten zu 1), die im Einverständnis und mit Vollmacht des Beklagten zu 2) zunächst auch die Verhandlungen über die Schadensregulierung führte. Der Kläger wurde dabei von dem Streithelfer anwaltlich vertreten. Auf dessen erste schriftliche Aufforderung zur Auszahlung der

Versicherungssumme erwiderte die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 23. Juli 2001, nach Rücksprache mit dem "führenden Versicherer", dem (namentlich genannten) Beklagten zu 2), müsse sie mitteilen, man könne der Zahlungsaufforderung derzeit nicht nachkommen. Auf die zweite, ebenfalls an die Beklagte zu 1) gerichtete Zahlungsaufforderung des Streithelfers vom 25. Oktober 2001 meldete sich Rechtsanwalt Dr. F. aus F. . Unter dem Betreff "V. /Fr. " teilte er dem Streithelfer mit S chreiben vom 8. November 2001 mit, daß er "die Interessen des Kasko-Versicherers" anwaltlich wahrnehme, und kündigte eine weitere Rücksprache an.
Mit einem an RechtsanwaltDr. F. gerichtet en Schreiben vom 20. November 2001 kündigte der Streithelfer die Erhebung einer Klage gegen die Beklagte zu 1) an, die er sodann - eingehend am 29. November 2001 - bei Gericht einreichte. Die auf Feststellung der Leistungspflicht aus der Kaskoversicherung gerichtete Klage wurde der Beklagten zu 1) am 17. Dezember 2001 zugestellt.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2001 wandte sich Re chtsanwalt Dr. F. unter dem Betreff "V. /Fr. " an den Streithelfer und teilte ihm unter Bezugnahme auf seine beiden vorangegangenen Schreiben mit, nach Rücksprache mit "dem Kaskoversicherer" lehne dieser den erhobenen Anspruch ab und werde keine Leistung erbringen, weil der Versicherungsfall auf grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers zurückzuführen sei. Das Schreiben schließt mit den Worten: "Wie Ihnen selbstverständlich bekannt ist, wird der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Anspruch auf Leistung nicht innerhalb von sechs Mo-

naten gerichtlich geltend gemacht wird (§ 12 Abs. 3 VVG)." In dem vom Kläger zunächst gegen die Beklagte zu 1 ) geführten Rechtsstreit rügte diese mit Schriftsatz vom 25. Juni 2002 ihre fehlende Passivlegitimation. Mit Schriftsatz vom 16. Juli 2002 stellte der Streithelfer für den Kläger daraufhin den Antrag, daß die Klage sich im weiteren gegen den Beklagten zu 2) richten solle. Dieser hält sich schon wegen Versäumung der Frist des § 12 Abs. 3 VVG für leistungsfrei und ist weiter der Auffassung, die erhobene Klage auf Feststellung der Leistungspflicht sei unzulässig, weil der Kläger Leistungsklage hätte erheben können. Im übrigen entfalle die Leistungspflicht auch deshalb, weil der Kläger sämtliche Motoren- und Netzschlüssel an Bord gelassen und damit den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe.
Der Kläger meint, der Beklagte zu 2) könne sich an gesichts der besonderen Umstände des Falles nicht auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG berufen, sondern müsse sich die fristgemäße Erhebung der Klage gegen die Beklagte zu 1) zurechnen lassen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Beru fungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt der Beklagte zu 2) weiterhin die Klagabweisung.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht führt aus:
1. Der Antrag auf Feststellung, der Beklagte zu 2) sei verpflichtet, dem Kläger den um den vereinbarten Selbstbehalt verminderten Schaden aus dem Diebstahl der Motoryacht vom 27./28. März 2001 zu ersetzen , sei zulässig. Das Feststellungsinteresse entfalle nicht dadurch, daß der Kläger - wie mit einem im Berufungsverfahren hilfsweise gestellten Antrag geschehen - auch Leistungsklage habe erheben können. Denn von dem Beklagten zu 2), einem großen Versicherungsunternehmen, könne erwartet werden, daß er seiner Verpflichtung zum Schadensersatz aus einem rechtskräftigen Feststellungsurteil freiwillig nachkomme, ohne daß es zusätzlich eines auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedürfe.
2. Anders als das Landgericht ist das Berufungsger icht weiter der Auffassung, der Beklagte zu 2) könne sich nicht auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG berufen, denn das stelle sich hier als rechtsmißbräuchlich dar.
Die Besonderheit des Falles liege - anders als in dem vom Oberlandesgericht Saarbrücken entschiedenen Fall (VersR 1997, 435) - darin, daß die Klage gegen die nicht passiv legitimierte Beklagte zu 1) im Zeitpunkt der vom Beklagten zu 2) unter Fristsetzung nach § 12 Abs. 3 VVG erklärten Leistungsablehnung bereits erhoben gewesen sei. Dabei müsse sich der Beklagte zu 2) das Wissen der mit der Schadensregulierung beauftragten Beklagten zu 1) um die Klagerhebung zurechnen lassen. Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, der das Versicherungs-

verhältnis in besonderem Maße präge, sei der Beklagte zu 2) wegen des Wissens um die fehlerhafte Klagerhebung und angesichts der gesamten Umstände des Falles gegenüber der Beklagten zu 1) verpflichtet gewesen , im Leistungsablehnungsschreiben ausdrücklich klarzustellen, daß nur er der zuständige Versicherer sei. Durch einen solchen Hinweis wäre der Kläger in die Lage versetzt worden, den erforderlichen Parteiwechsel im bereits laufenden Rechtsstreit noch innerhalb der Sechsmonatsfrist herbeizuführen. Demgegenüber verstoße es gegen Treu und Glauben, wenn der Beklagte zu 2), der sich zudem von demselben Prozeßbevollmächtigten habe vertreten lassen wie die Beklagte zu 1), zunächst den Ablauf der Sechsmonatsfrist abgewartet habe, um sich sodann erstmals nach dem Parteiwechsel im laufenden Rechtsstreit darauf zu berufen.
Der Zweck des § 12 Abs. 3 VVG, eine Verzögerung de r Klärung zweifelhafter Ansprüche im Interesse zeitnaher Sachaufklärung zu verhindern und dem Versicherer die Übersicht über den Stand seines Vermögens zu wahren, sei bereits erfüllt gewesen, als das Leistungsablehnungsschreiben vom 21. Dezember 2001 abgefaßt worden sei. Denn schon zu diesem Zeitpunkt sei für den Beklagten zu 2) ersichtlich gewesen , daß der Kläger seine Ansprüche gerichtlich durchsetzen und sich mit der außergerichtlichen Ablehnung nicht zufrieden geben wolle.
Der Kläger sei in den dem Rechtsstreit vorangegang enen Regulierungsverhandlungen auch nicht mit solcher Deutlichkeit auf die Person des zuständigen Versicherers hingewiesen worden, daß er nicht schutzwürdig erscheine. Im Versicherungsschein sei mehrfach von einem "führenden Versicherer" die Rede, obwohl keine Mehrzahl von Versicherern am Vertrag beteiligt gewesen sei. Daß insbesondere die Beklagte zu 1)

nicht Mitversicherer, sondern lediglich Versicherungsagentin oder -maklerin gewesen sei, komme im Versicherungsvertrag trotz des Hinweises, sie handle "in Vollmacht des Versicherers", nur schwer verständlich zum Ausdruck, zumal sie selbst mit dem Zusatz "Wassersport-Versicherungen" firmiere und in Ziffer 15 der Besonderen Bedingungen zur Wassersport-Kasko-Versicherung eine Halbierung der Selbstbeteiligung für den Fall in Aussicht gestellt werde, daß das Wasserfahrzeug fünf Jahre bei der Beklagten zu 1 schadensfrei versichert sei.
Schließlich habe auch der Rechtsanwalt des Beklagt en zu 2) in der vorgerichtlichen Korrespondenz abgesehen von der Verwendung des Kurzrubrums "V. /Fr. " nicht ausdrücklich klargestellt, daß allein der Beklagte zu 2) Versicherer sei.
3. Der Beklagte zu 2) sei auch nicht nach § 61 VVG von der Leistung frei. Zwar liege es nahe, den - nach Auffassung des Berufungsgerichts vom Kläger persönlich zu verantwortenden - Verbleib von Motorund Bordnetzschlüsseln an Bord der Yacht als grob fahrlässig anzusehen , doch habe der Beklagte zu 2) nicht nachgewiesen, daß die Yacht unter Zuhilfenahme der Schlüssel gestohlen worden sei. Es könne vielmehr nicht ausgeschlossen werden, daß die Yacht mit Hilfe eines anderen Bootes auf See geschleppt worden sei.
Der Verbleib der Schlüssel an Bord stelle schließl ich auch keine Gefahrerhöhung im Sinne der §§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG dar, weil es an der Dauerhaftigkeit des veränderten Zustandes fehle.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in allen Punk ten stand.
1. Der vom Kläger vorrangig verfolgte Feststellung santrag ist hier zulässig, obwohl der Kläger sein Klageziel auch mit einer bezifferten Leistungsklage hätte verfolgen können, wie der in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellte Antrag zeigt. Zwar fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse , wenn ein Kläger dasselbe Ziel mit einer Leistungsklage erreichen kann, jedoch besteht keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Vielmehr bleibt die Feststellungsklage dann zulässig, wenn ihre Durchführung unter dem Gesichtspunkt der Prozeßwirtschaftlichkeit eine sinnvolle und sachgemäße Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte erwarten läßt (BGH, Urteile vom 4. Dezember 1986 - III ZR 205/85 - BGHR ZPO § 256 Abs. 1 Feststellungsinteresse 2; vom 5. Februar 1987 - III ZR 16/86 - BGHR ZPO § 256 Abs. 1 Feststellungsinteresse 4, jeweils m.w.N.; vom 21. Februar 1996 - IV ZR 297/94 - NJW-RR 1996, 641 unter I). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die beklagte Partei die Erwartung rechtfertigt, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne daß es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedarf (BGH, Urteil vom 28. September 1999 - VI ZR 195/98 - VersR 1999, 1555 unter II 1 b, cc; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Juni 1994 - V ZR 34/92 - NJW-RR 1994, 1272 unter II 2 b). Das hat der Bundesgerichtshof bereits mehrfach angenommen, wenn es sich bei der beklagten Partei um eine Bank (BGH, Urteile vom 30. April 1991 - XI ZR 223/90 - NJW 1991, 1889 unter 1; vom 30. Mai 1995 - XI ZR 78/94 - NJW 1995, 2219 unter A II 1 - insofern in BGHZ 130, 59, 63 nicht abgedruckt -; vom 5. Dezember 1995 - XI ZR 70/95 - NJW 1996, 918 unter II 1), eine Behörde (BGH, Urteil vom 9. Juni 1983

- III ZR 74/82 - NJW 1984, 1118 unter 3 c) oder - wie hier - um ein großes Versicherungsunternehmen (BGH, Urteil vom 28. September 1999 aaO unter II 1 b, cc) handelt. Umstände, die die genannte Erwartung vorliegend erschüttern könnten, zeigt die Revision nicht auf.
2. Die Annahme des Tatrichters, der Beklagte zu 2) dürfe sich im vorliegenden Fall nach Treu und Glauben nicht auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG berufen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu un d Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung (Palandt/Heinrichs, BGB 64. Aufl. § 242 Rdn. 38 m.w.N.). Welche Anforderungen sich daraus im Einzelfall ergeben, ob insbesondere die Berufung auf eine erworbene Rechtsposition rechtsmißbräuchlich erscheint, kann regelmäßig nur mit Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden werden. Diese Bewertung vorzunehmen ist Sache des Tatrichters und demgemäß in der Revisionsinstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (vgl. dazu BGHZ 122, 308, 314; 146, 217, 223; BGH, Urteile vom 6. Dezember 1988 - XI ZR 19/88 - NJW-RR 1989, 818 unter 3; vom 13. März 1996 - VIII ZR 99/94 - NJW-RR 1996, 949 unter II 3; vom 8. Mai 2003 - VII ZR 216/02 - NJW 2003, 2448 unter III 2).

b) Solche Rechtsfehler deckt die Revision nicht au f.

Daß eine Berufung auf die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG dem Versicherer im Einzelfall nach § 242 BGB versagt sein kann, ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1966 - II ZR 66/64 - VersR 1966, 723 unter V; weitere Rechtsprechungsnachweise bei Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 12 Rdn. 52 und 59, ferner bei Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 12 Rdn. 87).
Dem Zusammenhang der Urteilsgründe des Berufungsur teils kann sicher entnommen werden, daß das Berufungsgericht es dem Beklagten zu 2) nicht allein deshalb verwehrt hat, sich auf den Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG zu berufen, weil die Leistungsablehnung hier zu einem Zeitpunkt erfolgte, in welchem die Beklagte zu 2) bereits zurechenbare Kenntnis davon hatte, daß der Kläger irrtümlich Klage gegen die Beklagte zu 1) eingereicht hatte, obwohl diese nicht Versicherer war. Vielmehr hat der Tatrichter auf der Grundlage einer zutreffenden Auslegung des § 12 Abs. 3 VVG erkennbar nicht nur auf den zeitlichen Ablauf, sondern auch auf die Gestaltung des Versicherungsscheins, den Inhalt der Versicherungsbedingungen , die Firmenbezeichnung der Beklagten zu 1), die im Rahmen der Schadensregulierung geführte Korrespondenz und das Prozeßverhalten der Beteiligten abgestellt. Daß daneben wesentliche Gesichtspunkte übersehen oder von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen worden wäre, wird von der Revision nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich.

c) Die Revision bemüht sich unter Hinweis auf mehr ere tatrichterliche Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte lediglich darum, eine ihr günstigere, abweichende Bewertung der vom Berufungsgericht umfassend gewürdigten Fallumstände herbeizuführen. Damit kann sie kei-

nen Erfolg haben. Das Berufungsurteil steht insbesondere nicht in Divergenz zur Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 10. Januar 1996 (VersR 1997, 435). Zwar hatte das Oberlandesgericht es dort abgelehnt, dem Versicherer die Geltendmachung der Leistungsfreiheit nach § 12 Abs. 3 VVG zu versagen und zur Begründung ausgeführt , es reiche zur Wahrung der Frist nicht aus, wenn der Versicherer irgendwie davon Kenntnis erhalte, daß der Versicherungsnehmer einen anderen Versicherer verklagt habe. Den Entscheidungsgründen ist jedoch zu entnehmen, daß es sich auch dort um eine von den besonderen Umständen des Falles getragene Einzelfallentscheidung handelt, die einer Verallgemeinerung nicht fähig ist.

d) So liegt der Fall auch hier. Soweit sich das Be rufungsgericht mit der Zulassung der Revision eine allgemeine Klärung der Frage erwartet hat, ob den Versicherer nach bereits erfolgter Klage des Versicherungsnehmers gegen einen falschen Versicherer im Rahmen des § 12 Abs. 3 VVG stets eine gesonderte Hinweispflicht treffe, verkennt diese Fragestellung die revisionsrechtlichen Grenzen der Überprüfung einer nach § 242 BGB getroffenen Einzelfallentscheidung. Ein Zulassungsgrund im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO war deshalb hier nicht gegeben.
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte zu 2) habe den ihm im Rahmen des § 61 VVG obliegenden Nachweis dafür, daß die an Bord befindlichen Schlüssel für die Motoren und das elektrische Bordnetz mitursächlich für den Diebstahl geworden sind (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. Juli 1986 - IVa ZR 22/85 - VersR 1986, 962 unter II), nicht geführt. Die Gegenrüge, mit welcher der Kläger beanstandet, das Berufungsgericht habe zu Un-

recht angenommen, er selbst - und nicht das mit der Verlegung der Yacht beauftragte Hafenpersonal (das keine Repräsentantenstellung eingenommen habe) - sei dafür verantwortlich, daß Schlüssel an Bord geblieben seien, kann deshalb auf sich beruhen.
Soweit die Revision geltend macht, es sei hier sch on nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon auszugehen, daß das Belassen der genannten Schlüssel an Bord mitursächlich für den Diebstahl geworden sei, kann sie damit nicht durchdringen. Voraussetzung für jede Anwendung eines Anscheinsbeweises ist, daß ein typischer Geschehensablauf vorliegt, und keine Umstände gegeben sind, welche es als ernsthaft möglich erscheinen lassen, daß das Geschehen im konkreten Fall anders abgelaufen ist als von einer Anscheinsregel als typisch vorausgesetzt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 3. Juli 1990 - VI ZR 239/89 - NJW 1991, 230 unter II 2 und 3). An beidem fehlt es hier. Der Diebstahl einer großen Motoryacht zählt nicht zu denjenigen Lebensvorgängen, die nach einem durch Regelmäßigkeit, Üblichkeit und Häufigkeit geprägten Muster abzulaufen pflegen (vgl. dazu Greger in Zöller, ZPO 25. Aufl. vor § 284 Rdn. 29). Hinzu kommt, daß vorliegend gewichtige Umstände dafür sprechen , daß das Boot des Klägers zumindest nicht mit eigener Motorkraft das im Winter versandete Hafenbecken verlassen konnte und stattdessen aus dem Hafen geschleppt werden mußte, weil es im Motorbetrieb zu großen Tiefgang hatte. Soweit die Revision geltend macht, der Kläger habe diesen Vortrag in der Berufungsinstanz nicht aufrechterhalten, trifft das nicht zu. Dazu, ob die Yacht später auf See mit eigener Motorkraft Fahrt aufnahm oder weiterhin geschleppt wurde, ist nichts bekannt. Auch hierzu scheidet ein Anscheinsbeweis wegen der Besonderheiten des Einzelfalles aus.

4. Auch eine Leistungsfreiheit der Beklagten zu 2) wegen Gefahrerhöhung (§§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG) hat das Berufungsgericht mit rechtlich zutreffender Begründung abgelehnt. Soweit die Revision geltend macht, die vom Berufungsgericht vermißte Dauerhaftigkeit des Zustandes erhöhter Gefahrverwirklichung ergebe sich daraus, daß die Motor - und Netzschlüssel ständig, das heißt nicht nur am Tage vor dem Diebstahl, sondern auch während der Winterliegezeit der Yacht an Land und auch bereits davor an Bord verwahrt worden seien, findet dies in den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Stütze. Eine Verfahrensrüge ist insoweit nicht erhoben.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke

(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.

(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

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Entgegen der Ansicht der Revision fällt auch der Verzicht des Hauptschuldners auf künftige Einreden unter § 768 Abs. 2 BGB. Nichts spricht dafür, den Verzicht auf künftige Einreden aus dem Anwendungsbereich des § 768 Abs. 2 BGB herauszunehmen. Ob im Zeitpunkt eines rechtsgeschäftlichen Verjährungsverzichts des Hauptschuldners die Hauptschuld bereits verjährt ist oder nicht, ist nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung unerheblich. Nach § 768 Abs. 2 BGB kann der Hauptschuldner die Haftung des Bürgen nicht durch den Verzicht auf Einreden verschärfen. Die Vorschrift ist Ausdruck des Verbots der Fremddisposition, das für den Bürgschaftsvertrag vertragswesentlich ist. Die Haftung des Bürgen darf nach diesem Grundsatz nicht über den bei Bürgschaftsübernahme überschaubaren Umfang hinaus zu seinen Lasten erweitert werden (vgl. dazu BGHZ 130, 19, 32 f.; 137, 153, 158; 153, 293, 297). Dazu gehört, dass der Bürge entsprechend der akzessorischen Natur der Bürgschaft alle dem Hauptschuldner nach dem ursprünglich verbürgten Hauptschuldvertrag gebührenden Einreden geltend machen kann, ohne dass ihm ein vom Hauptschuldner nach der Bürgschaftsübernahme erklärter Einredeverzicht zum Nachteil gereichen kann (Staudinger/Horn, BGB Bearb. 1997 § 768 Rdn. 1, 3). Nach Sinn und Zweck dieser Regelung ist es dem Bürgen gegenüber deshalb auch unwirksam, wenn der Hauptschuldner durch sein Handeln eine neue oder längere Verjährungsfrist eröffnet, indem er etwa im Prozess mit dem Gläubiger die Verjährungseinrede nicht erhebt und deshalb rechtskräftig verurteilt wird (vgl. BGHZ 76, 222, 229 f.; Staudinger/Horn BGB Bearb. 1997 § 768 Rdn. 4; MünchKommBGB/Habersack 4. Aufl. § 768 Rdn. 11) oder die Hauptschuld anerkennt (OLG Düsseldorf MDR 1975, 1019; MünchKommBGB/Habersack 4. Aufl. § 767 Rdn. 12, § 768 Rdn. 8; Schmitz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. § 91 Rdn. 65; a.A. OLG München WM 2006, 684, 687). Dabei ist es unerheblich , ob diese den Bürgen benachteiligenden Handlungen vor oder nach Ablauf der Verjährungsfrist vorgenommen werden. Gleiches gilt für einen ausdrücklich erklärten Verjährungsverzicht, der unter Geltung des § 202 BGB n.F. - wie ausgeführt - auch schon vor Eintritt der Verjährung wirksam erklärt werden kann.

(1) Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen.

(2) Die Bürgschaft kann auch für eine künftige oder eine bedingte Verbindlichkeit übernommen werden.