Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2005 - XII ZR 155/04

bei uns veröffentlicht am20.07.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 155/04 Verkündet am:
20. Juli 2005
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Streitgegenstand eines Berufungsverfahrens bestimmt sich nach den Anträgen,
die gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Parteivortrags auszulegen sind.
BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 - XII ZR 155/04 - OLG Naumburg
LG Dessau
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren, in
dem den Parteien Schriftsätze bis zum 13. Juli 2005 nachgelassen waren, am
20. Juli 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick,
Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs und Dose

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 8. Juli 2004 insoweit ersatzlos aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen das am 13. Februar 2004 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dessau in Höhe von 19.673,48 € nebst Zinsen und Nebenforderungen als unzulässig verworfen wurde (Klagantrag zu 2). Die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde hat, soweit sie ohne Erfolg geblieben ist, die Klägerin zu tragen. Insoweit beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes für die Gerichtskosten 253.507 € und für die außergerichtlichen Kosten 273.180 € mit der Maßgabe, daß letztere im Verhältnis zum Beklagten nur in Höhe von 93 % anzusetzen sind. Die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen. Insoweit beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes 19.673 €. Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben. Der Wert des Berufungsverfahrens wird unter Abänderung des angefochtenen Urteils auf 253.507 € festgesetzt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Freistellung von verschiedenen während ihrer Ehe mit dem Beklagten entstandenen Verbindlichkeiten aus dem Betrieb einer Baumschule. Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, die Klägerin von dem Rückforderungsanspruch des Amtes für Landwirtschaft und Flurneuordnung A. (Klagantrag zu 2) freizustellen; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht im Umfang des schon in erster Instanz erfolgreichen Antrags mangels Beschwer als unzulässig und im übrigen als unbegründet abgewiesen. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Senat die Revision gegen das Berufungsurteil zugelassen, soweit sie sich gegen die Verwerfung der Berufung (Antrag zu 2) richtet. Im übrigen hat der Senat die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist - soweit sie der Senat zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen hat - begründet und führt in diesem Umfang zur ersatzlosen Aufhebung des Berufungsurteils. 1. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin bezüglich des Klagantrags zu 2 zu Unrecht verworfen, weil in diesem Umfang kein Berufungsverfahren anhängig war. Denn ein nach § 322 Abs. 1 ZPO der materiellen
Rechtskraft fähiges Urteil kann nicht über das prozessuale Begehren des Rechtsmittelklägers hinausgehen, das den Streitgegenstand bestimmt (BGH, Urteil vom 15. Juli 1997 - VI ZR 142/95 - NJW 1997, 3019, 3020). Der Streitgegenstand eines Berufungsverfahrens ergibt sich zunächst aus den in der Berufungsbegründung zwingend enthaltenen Berufungsanträgen (§§ 520 Abs. 3 Nr. 1, 528 ZPO). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf das Berufungsgericht bei der Ermittlung des prozessualen Begehrens aber nicht beim Wortlaut der Anträge verharren, sondern muß stets auch die Berufungsbegründung zur Auslegung des Klagebegehrens heranziehen (BGH, Urteil vom 11. Juni 1992 - I ZR 226/90 - NJW 1992, 2969, 2970). Dabei ist das Vorbringen einer Partei so auszulegen, wie es nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrem Interesse entspricht (BGH, Urteil vom 12. Juli 1995 - IV ZR 369/94 - NJW-RR 1995, 1469, 1470). 2. Zwar hatte die Klägerin sämtliche erstinstanzlichen Anträge mit ihrer Berufungsbegründung wiederholt und deswegen auch den Antrag auf Freistellung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung A. aufgeführt. Weil es aber fern liegt, daß eine Prozeßpartei im Berufungsverfahren Ansprüche weiterverfolgt, mit denen sie schon in erster Instanz obsiegt hatte, hätte es dem Berufungsgericht jedenfalls oblegen, die Klägerin gemäß § 139 ZPO auf diesen Umstand hinzuweisen, um eine eindeutige Bezeichnung des Streitgegenstandes zu erreichen. Hier bedurfte es allerdings wegen des klaren Inhalts der Berufungsbegründung nicht einmal eines solchen Hinweises. Denn die Klägerin hat in ihrer Berufungsbegründung im unmittelbaren Anschluß an die Berufungsanträge unter der Überschrift "Umfang der Anfechtung" selbst ausgeführt, daß sie hinsichtlich des Freistellungsanspruchs von Forderungen des Amtes für Landwirtschaft
und Flurneuordnung A. schon in erster Instanz obsiegt hatte. Weiter hat sie ausdrücklich erklärt: "Die diesbezügliche Entscheidung des Landgerichts wird mit der Berufung nicht gerügt". Damit stand der Umfang des Streitgegenstandes im Berufungsrechtszug trotz der mißverständlich formulierten Anträge eindeutig fest. Die Klägerin wollte jedenfalls keine Ansprüche weiter verfolgen, mit denen sie schon in erster Instanz obsiegt hatte. 3. Weil der schon in erster Instanz erfolgreiche Anspruch der Klägerin nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens war, durfte das Berufungsgericht darüber auch nicht entscheiden. Das angefochtene Urteil ist insoweit mit der Kostenfolge der §§ 91 Abs. 1 ZPO, 21 Abs. 1 GKG ersatzlos aufzuheben, was sich auch auf den Wert des Berufungsverfahrens auswirkt (zu den Kosten der überwiegend zurückgewiesenen Nichtzulassungsbeschwerde vgl. BGH Beschluß vom 17. Dezember 2003 - V ZR 343/02 - NJW 2004, 1048 f.). Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden, weil in diesem Umfang kein Berufungsverfahren anhängig war.
Hahne Sprick Wagenitz
Fuchs Dose

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2005 - XII ZR 155/04

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2005 - XII ZR 155/04

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über
Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2005 - XII ZR 155/04 zitiert 6 §§.

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(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist. (2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, da

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Referenzen

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 343/02
vom
17. Dezember 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GKG § 11 Abs. 1, Kostenverzeichnis Nr. 1955
BRAGO §§ 14, 61a

a) Wird die Nichtzulassungsbeschwerde zum Teil zurückgewiesen, ergeht insoweit
eine Kostenentscheidung zum Nachteil der beschwerdeführenden Partei.

b) Der Wert des Beschwerdegegenstands bemißt sich für die Gerichtskosten nach
dem erfolglosen Teil der Beschwerde, für die außergerichtlichen Kosten nach der
Beschwerde insgesamt, beschränkt auf die Quote, die dem erfolglosen Teil entspricht.
BGH, Beschl. v. 17. Dezember 2003 - V ZR 343/02 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 17. Dezember 2003 durch
die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Gaier und die Richterin Dr. Stresemann

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 12. September 2002 zugelassen, soweit die Klägerin ihren auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Verzugszinsen gerichteten Hilfsantrag weiterverfolgt.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, soweit es ohne Erfolg geblieben ist. Insoweit beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes für die Gerichtskosten 5.185,03 die außergerichtlichen Kosten 35.000 diese im Verhältnis zum Beklagten nur in Höhe von 15 % anzusetzen sind.

Gründe:


1. Die Beschwerde ist nur teilweise begründet, nämlich soweit die Klägerin weiterhin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Verzugszinsen auf den Kaufpreis in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 9. Juni 1998 seit dem 4. Juli 2000 bis
zum 31. Dezember 2001 erstrebt. Insoweit ist die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 2. Alternative ZPO) zuzulassen. Soweit die Klägerin ihren auf die Feststellung, daß die Beklagte zum Ersatz des weiteren Verzugsschadens ab dem 1. Januar 2002 verpflichtet ist, gerichteten Antrag weiter verfolgen will, ist die Beschwerde nicht begründet. Insoweit wirft die Sache keine entscheidungserheblichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO); eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) erforderlich. In diesem Umfang ist die Beschwerde deshalb zurückzuweisen.
2. Über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat, soweit das Rechtsmittel erfolglos geblieben ist, bereits jetzt zu entscheiden. Denn insoweit ist das Beschwerdeverfahren abgeschlossen und bildet mit der Beschwerde im übrigen, die nach § 544 Abs. 6 ZPO als Revisionsverfahren fortgesetzt wird, keine Einheit mehr. Hierin unterscheidet sich das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von dem früheren Annahmeverfahren, bei dem die (teilweise) Nichtannahme und die Entscheidung über den angenommenen Teil dasselbe Rechtsmittel, die eingelegte Revision, zum Gegenstand hatten. Soweit der Senat eine Kostenentscheidung zu treffen hat, mithin zum erfolglosen Teil der Beschwerde, ergeht diese nach § 97 ZPO zu Lasten der Klägerin. Durch die Aufteilung des ursprünglich einheitlichen Rechtsmittelgegenstands auf zwei gesonderte Rechtsmittelverfahren werden allerdings die Vorteile der Gebührendegression bei höherem Streitwert beschnitten. Der Senat trägt dem bei der Abgrenzung der Kostenmasse, die Gegenstand der Kostenentscheidung ist, wie folgt Rechnung:

a) Die Klägerin muß die Gerichtskosten nach dem Wert des erfolglosen Teils ihrer Beschwerde (5.185,03 Nach Nr. 1955 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (§ 11 Abs. 1 GKG) wird in dem Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eine doppelte Gebühr nach dem Wert des Streitgegenstands erhoben, soweit die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird. Bereits der Wortlaut der Vorschrift spricht dafür, daß dies nicht nur bei einer vollständigen, sondern auch bei einer teilweisen Zurückweisung oder Verwerfung der Beschwerde gilt. Anders ist die in dem Wort "soweit" zum Ausdruck kommende Einschränkung nicht zu verstehen. Für dieses Ergebnis spricht auch der Umstand, daß bei einem Erfolg der Beschwerde keine gesonderten Gerichtsgebühren anfallen, sondern die Gebührenvorschriften für das Revisionsverfahren anzuwenden sind. Nach der beschränkten Zulassung der Revision können die Gebühren jedoch nur nach dem Wert des Streitgegenstands erhoben werden, der für das Revisionsverfahren gilt. Das ist - vorbehaltlich späterer Änderungen durch eine Reduzierung des Revisionsantrags oder durch die Einlegung einer Anschlußrevision - der Wert des zugelassenen Teils. Deshalb ist für die teilweise Zurückweisung oder Verwerfung der Beschwerde eine doppelte Gebühr nach dem Wert des zurückgewiesenen oder verworfenen Teils zu erheben.

b) Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten muß die Klägerin in Höhe von 15 %, berechnet nach dem gesamten Wert des Beschwerdeverfahrens (35.000
Die Prozeßbevollmächtigten der Parteien erhalten nach § 61a Abs. 1 Nr. 2 BRAGO in dem Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde die in
§ 31 BRAGO bestimmten Gebühren, nämlich die Prozeßgebühr, Verhandlungsgebühr , Beweisgebühr und Erörterungsgebühr. Regelmäßig - so auch hier - entsteht nur eine Prozeßgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO, weil das Revisionsgericht über die Nichtzulassungsbeschwerde ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Gebührenrechtlich sind das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde und das im Fall ihres Erfolgs als Revisionsverfahren fortgesetzte Verfahren (§ 544 Abs. 6 Satz 1 ZPO) nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BRAGO zwei verschiedene Rechtszüge. Der Rechtsanwalt kann also in diesem Fall nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BRAGO die Gebühren des § 31 BRAGO zweimal fordern. Allerdings wird die Prozeßgebühr in dem Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde auf die Prozeßgebühr angerechnet, die der Rechtsanwalt in dem nachfolgenden Revisionsverfahren erhält (§ 61a Abs. 4 BRAGO); wird die Revision auf die Beschwerde nur teilweise zugelassen, ist auch nur teilweise anzurechnen (Schneider, MDR 2003, 491, 492). Das berührt jedoch nicht den Grundsatz, daß der Rechtsanwalt die Prozeßgebühr zweimal fordern kann; er wird lediglich im Ergebnis wirtschaftlich so gestellt, als stünde ihm nur eine Prozeßgebühr zu. Haben das Beschwerdeverfahren und das nachfolgende Revisionsverfahren denselben Gegenstandswert, reicht deshalb die Kostenentscheidung des Revisionsverfahrens aus, weil sie die Grundlage für die dem Rechtsanwalt zustehende Prozeßgebühr bildet. Wenn jedoch - wie hier - wegen der beschränkten Zulassung der Revision unterschiedliche Gegenstandswerte anzusetzen sind, erfaßt die Kostenentscheidung des Revisionsverfahrens nicht die Gebühren für den erfolglosen Teil der Beschwerde. Sie berechnen sich
nach dem gesamten Wert des Beschwerdegegenstands, sind jedoch nur in Höhe des erfolglosen Teils des Beschwerdeverfahrens (hier: ca. 15 %) anzusetzen. Das trägt dem degressiven Anstieg der von der Höhe des Gegenstandswerts abhängigen Gebühren Rechnung. Dagegen bliebe dieser Umstand unberücksichtigt, wenn man die außergerichtlichen Kosten, berechnet nach dem Wert des erfolglosen Teils des Verfahrens, als erstattungsfähig ansähe.
Tropf Klein Lemke Gaier Stresemann