Bundesgerichtshof Urteil, 30. Jan. 2013 - XII ZR 158/10

bei uns veröffentlicht am30.01.2013
vorgehend
Amtsgericht Frankfurt (Oder), 2 F 28/09, 10.11.2009
Brandenburgisches Oberlandesgericht, 10 UF 173/09, 09.11.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 158/10 Verkündet am:
30. Januar 2013
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Aufwendungen des gesteigert unterhaltspflichtigen Elternteils für eine zusätzliche Altersversorgung
und eine Zusatzkrankenversicherung sind unterhaltsrechtlich nicht
berücksichtigungsfähig, wenn der Mindestunterhalt für ein minderjähriges Kind andernfalls
nicht aufgebracht werden kann.
BGH, Urteil vom 30. Januar 2013 - XII ZR 158/10 - OLG Brandenburg
AG Frankfurt/Oder
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
Weber-Monecke, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 9. November 2010 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um Kindesunterhalt.
2
Die am 11. Januar 2006 geborene Klägerin ist die Tochter des Beklagten. Sie lebt bei ihrer Mutter.
3
Der Beklagte ist erwerbstätig; er bewohnt seit dem 17. Mai 2010 mit seiner Lebensgefährtin eine gemeinsame Wohnung.
4
Die Klägerin hat den Beklagten im Wege der Stufenklage auf Zahlung von Unterhalt für die Zeit ab November 2009 in Anspruch genommen. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hält sich mit Rücksicht auf die ihm entstehenden berufsbedingten Aufwendungen sowie wegen seiner Leistungen für eine zusätzliche Altersversorgung sowie eine Zahnbehandlungskosten betreffende zusätzliche Krankenversicherung nicht für leistungsfähig.
5
Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von monatlichem Unterhalt in Höhe von 130 € ab November 2009 verurteilt. Dagegen hat der Beklagte Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin beantragt, das Urteil mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass der Unterhalt bis einschließlich September 2010 an das Jobcenter Frankfurt/Oder gezahlt werde. Das Berufungsgericht hat der Berufung teilweise stattgegeben und den Beklagten verurteilt, für November und Dezember 2009 monatlich 104 €, für Januar bis Mai 2010 monatlich 111 € und ab September 2010 monatlich 130 €, zahlbar bis einschließlich September 2010 an das Jobcenter und im Übrigen an die Klägerin, zu zahlen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Beklagten , mit der er sein Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

7
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
8
Auf Seiten der Klägerin bestehe jedenfalls ein Unterhaltsbedarf in Höhe des Mindestunterhalts von monatlich 281 € bis Dezember 2009 und von monatlich 317 € ab Januar 2010. Nach bedarfsdeckender Anrechnung des hälftigen Kindergeldes verbleibe ein ungedeckter Bedarf von monatlich 199 € in den Monaten November und Dezember 2009 und von monatlich 225 € ab Januar 2010. Der Beklagte sei allerdings nur eingeschränkt leistungsfähig. Ausweislich der vorgelegten Lohnbescheinigungen habe er 2009 ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 1.041 € erzielt. Für 2010 sei von einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von 1.048 € auszugehen. Berufsbedingte Aufwendungen (Fahrtkosten zur Arbeitsstelle) seien mit monatlich 37 € in Abzug zu bringen. Eine (fiktive) Steuererstattung sei nicht zu berücksichtigen. Eine solche könne in nennenswertem Umfang nur auf der Berücksichtigung beschränkt abzugsfähiger Sonderausgaben/Vorsorgeaufwendungen beruhen. Da solche unterhaltsrechtlich aber nicht anzuerkennen seien, erscheine es unbillig, dem Beklagten fiktiv eine ohnehin nur geringfügige Steuererstattung zuzurechnen.
9
Aufwendungen für eine zusätzliche Altersversorgung seien nicht vom Einkommen des Beklagten in Abzug zu bringen. Eine - wie hier - bestehende gesteigerte Unterhaltspflicht erlege Eltern vor allem auf, das Existenzminimum des Kindes sicherzustellen. Die besonderen Anforderungen, die insoweit an den Unterhaltsschuldner gestellt würden, beträfen nicht nur die Pflicht zur gesteigerten Ausnutzung der Arbeitskraft. Vielmehr ergäben sich hieraus auch Auswirkungen auf die Frage, welche finanziellen Belastungen des Unterhaltsschuldners bei der Prüfung seiner Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen seien. Insoweit sei es geboten, der Sicherung des Mindestunterhalts des minderjährigen Kindes Vorrang vor dem Interesse des Unterhaltsschuldners einzuräumen, zusätzliche Altersvorsorge zu betreiben. Soweit der Mindestunterhalt des Kindes nicht sichergestellt sei, sei dieses regelmäßig auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen. Demgegenüber habe der zeitweise Verzicht auf eine zusätzliche Altersvorsorge nicht zwingend zur Folge, dass der Unterhaltsschuldner seinerseits im Alter sozialleistungsbedürftig werde. Seine Einbuße bestehe darin, dass er seinen Lebensstandard im Alter nicht unbedingt aufrechterhalten könne. Im Hinblick darauf sei eine zusätzliche Altersversorgung nicht berücksichtigungsfähig , solange der Unterhaltspflichtige nicht in der Lage sei, den Mindestunterhalt für sein minderjähriges Kind zu zahlen. Dasselbe gelte hinsichtlich der privaten Zusatzkrankenversicherung. Auch insoweit müssten die Interessen des Unterhaltsschuldners hinter denjenigen des Kindes zurückstehen.
10
Danach errechne sich ein bereinigtes Einkommen des Beklagten von 1.004 € (1.041 € abzüglich 37 €) für 2009 und von 1.011 € (1.048 € abzüglich 37 €) ab Januar 2010. Dieses Einkommen sei für den Kindesunterhalt einzusetzen , soweit es den notwendigen Selbstbehalt des Beklagten übersteige, der grundsätzlich 900 € betrage. Für die Zeit ab 17. Mai 2010 sei allerdings von einem reduzierten Selbstbehalt auszugehen, da der Beklagte seitdem mit seiner Lebensgefährtin zusammenlebe. Die hierdurch eintretende Haushaltsersparnis sei mit 25 % anzusetzen, wobei auf jeden Partner 12,5 % entfielen. Von einer hinreichenden Leistungsfähigkeit der Lebensgefährtin sei auszugehen. Unter Berücksichtigung eines Selbstbehalts von zunächst 900 € und ab Juni 2010 von 788 € (900 € abzüglich 12,5 %) errechne sich der ausgeurteilte Unterhalt. Für die Zeit bis zur mündlichen Verhandlung sei der Unterhalt nach § 33 Abs. 2 SGB II auf das Jobcenter als Leistungsträger übergegangen. Deshalb sei der rückständige Unterhalt entsprechend dem Klagebegehren bis September 2010 an dieses und der laufende Unterhalt ab Oktober 2010 an die Klägerin zu zahlen.

II.

11
Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
12
Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor die- sem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).
13
1. Das Berufungsgericht hat den Bedarf der Klägerin zutreffend in Höhe des Mindestunterhalts (§ 1612 a BGB) mit monatlich 281 € bis Dezember 2009 und mit monatlich 317 € ab Januar 2010 angesetzt und hierauf gemäß § 1612 b Abs. 1 Nr. 1 BGB das hälftige Kindergeld angerechnet. Es verbleibt mithin ein ungedeckter Bedarf von monatlich 199 € für November und Dezember 2009 und von monatlich 225 € ab Januar 2010.
14
2. Die Ermittlung des Einkommens des Beklagten begegnet ebenfalls keinen Bedenken und wird auch von der Revision nicht beanstandet. Dass das Berufungsgericht von der Zurechnung eines fiktiven Steuererstattungsbetrages abgesehen hat, ist für den Beklagten günstig, steht mit der Rechtsprechung des Senats aber auch in Einklang. Danach mindern Aufwendungen des Unterhaltspflichtigen , die unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigungsfähig sind, sein unterhaltsrelevantes Einkommen nicht, andererseits bleibt auch die aufgrund der Aufwendungen erzielte Steuerersparnis außer Betracht, weil sie ohne die Aufwendungen nicht einträte (Senatsurteile vom 19. Februar 2003 - XII ZR 19/01 - FamRZ 2003, 741, 743; vom 1. Oktober 1986 - IVb ZR 68/85 - FamRZ 1987, 36, 37 und vom 15. Oktober 1986 - IVb ZR 79/85 - FamRZ 1987, 46, 48). Da die Aufwendungen für die zusätzliche Altersvorsorge des Beklagten unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennen sind (s. unter 3), hat demgemäß auch eine darauf beruhende (hier: fiktive) Steuererstattung außer Ansatz zu bleiben.
15
3. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Leistungen des Beklagten für eine zusätzliche Altersversorgung nicht als abzugsfähig anerkannt.
16
a) Grundsätzlich bestehen allerdings keine Bedenken, Aufwendungen für eine zusätzliche Altersversorgung unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen. Denn durch die aus dem Erwerbseinkommen abzuführenden Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung kann eine angemessene Altersversorgung nicht mehr erreicht werden. Der Senat hat deshalb beim Ehegatten- und Kindesunterhalt grundsätzlich Aufwendungen bis zu 4 % des Gesamtbruttoeinkommens des Vorjahres als angemessene zusätzliche Altersversorgung angesehen (Senatsurteil BGHZ 163, 84 = FamRZ 2005, 1817, 1821).
17
b) Ob dem Unterhaltspflichtigen allerdings auch dann zuzubilligen ist, zusätzlichen Vorsorgeaufwand zu betreiben, wenn er einem minderjährigen Kind gesteigert unterhaltspflichtig ist und dessen Mindestunterhalt nicht aufbringen kann, hat der Senat bisher nicht entschieden. Die Frage ist, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, unter Berücksichtigung der besonderen gesetzlichen Wertungen zu beantworten.
18
Nach § 1603 Abs. 1 BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Eltern, die sich in dieser Lage befinden, sind gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden (sogenannte gesteigerte Unterhaltspflicht). Dies beruht auf ihrer besonderen Verantwortung für den angemessenen, nicht nur den notwendigen Unterhalt ihrer Kinder (Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 2 Rn. 366). Für die Eltern besteht deshalb eine besondere Verpflichtung zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft. Wenn der Unterhaltspflichtige eine mögliche und ihm zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese bei gutem Willen ausüben könnte, können deswegen nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden (Senatsurteile BGHZ 189, 284 = FamRZ 2011, 1041 Rn. 29 und vom 3. Dezember 2008 - XII ZR 182/06 - FamRZ 2009, 314 Rn. 20).
19
Die besonderen Anforderungen, die an gesteigert unterhaltspflichtige Eltern gestellt werden, betreffen aber nicht nur die Ausnutzung der Arbeitskraft, sondern auch einen eventuellen Verzicht, der ihnen im Ausgabenbereich zuzumuten ist. Ob eine Verpflichtung unterhaltsrechtlich als abzugsfähig anzuerkennen ist, muss deshalb im Einzelfall unter umfassender Interessenabwägung beurteilt werden. Dabei kommt es insbesondere auf den Zweck der Verbindlichkeit , den Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Kenntnis des Unterhaltspflichtigen von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld und andere Umstände an (Senatsurteile vom 18. März 1992 - XII ZR 1/91 - FamRZ 1992, 797, 798 und vom 9. Mai 1984 - IVb ZR 74/82 - FamRZ 1984, 657, 658).
20
c) Bei der gebotenen Abwägung fällt in erster Linie ins Gewicht, dass es wesentliche Aufgabe des barunterhaltspflichtigen Elternteils ist, das Existenzminimum seines minderjährigen Kindes sicherzustellen. Diesem ist - im Gegensatz zu Erwachsenen - wegen seines Alters von vornherein die Möglichkeit verschlossen, durch eigene Anstrengungen zur Deckung seines notwendigen Lebensbedarfs beizutragen (Senatsurteil vom 15. November 1995 - XII ZR 231/94 - FamRZ 1996, 345, 346 f. mwN). Demgegenüber kommt der zusätzlichen Altersversorgung des Unterhaltspflichtigen keine vergleichbare Dringlichkeit zu. Dass der Beklagte im Alter sein Existenzminimum nicht wird decken können, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, ohne dass die Revision dies angreift. Der 1967 geborene Beklagte hat im Übrigen in der Vergangenheit bereits zusätzlich für sein Alter vorgesorgt und kann diese Vorsorge auch fortsetzen, wenn die gesteigerte Unterhaltspflicht nicht mehr besteht. Da er eine kapitalbildende Lebensversicherung abgeschlossen hat, begegnet es grundsätzlich keinen Schwierigkeiten, diese für einige Zeit ruhend zu stellen.
Gegenteiliges ist jedenfalls nicht festgestellt worden. Bei dieser Sachlage kann eine zusätzliche Altersversorgung des gesteigert unterhaltspflichtigen Elternteils , der zur Zahlung des Mindestunterhalts für sein minderjähriges Kind nicht in der Lage ist, nicht anerkannt werden, weil die Interessen des Kindes gewichtiger sind als diejenigen des Elternteils (ebenso OLG Düsseldorf FamRZ 2006, 1685, 1686; Wendl/Klinkhammer aaO § 2 Rn. 383; Botur in Büte/Poppen/ Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1603 Rn. 50; Büttner/Niepmann/Schwamb Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 11. Aufl. Rn. 1029; anders für den Fall einer vom Arbeitgeber mitfinanzierten betrieblichen Altersversorgung: KG KGR 2009, 299).
21
d) Soweit die Revision demgegenüber einen Vorrang der zusätzlichen Altersversorgung geltend macht und ihre Auffassung auf § 851 c ZPO stützt, steht diese Bestimmung der vorstehenden Würdigung nicht entgegen. Nach § 851 c Abs. 2 Satz 1 ZPO kann der Schuldner nach seinem Lebensalter gestaffelt jährlich einen bestimmten Betrag auf der Grundlage eines nach § 851 c Abs. 1 ZPO abgeschlossenen privaten Altersrentenvertrages pfändungsfrei ansammeln. Ein weitergehender Schutz, der auch das Einkommen des Schuldners erfasst, das zum Aufbau der privaten Altersversorgung eingesetzt wird, und nicht nur das angesparte Vermögen, ist der Regelung aber nicht zu entnehmen. Zwar könnte der Wortlaut des § 851 c Abs. 2 ZPO, nach dem der Schuldner unabhängig von seinem Lebensalter einen bestimmten Betrag pro Jahr "unpfändbar ansammeln" kann, dafür sprechen, dass auch die Einkünfte des Schuldners, die dieser einsetzt, um eine geschützte Altersvorsorge im Sinne des § 851 c Abs. 1 ZPO aufzubauen, pfändungsfrei bleiben müssen. Nach der Entstehungsgeschichte des § 851 c ZPO kommt jedoch eine entsprechende Auslegung der Vorschrift nicht in Betracht (BGH Beschluss vom 12. Mai 2011 - IX ZB 181/10 - NJW-RR 2011, 1617, 1618 Rn. 7 f. unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 16/886, S. 7, 10).
22
4. Aus den zur zusätzlichen Altersversorgung angestellten Erwägungen ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, die private Krankenzusatzversicherung des Beklagten sei nicht berücksichtigungsfähig. Solange das Existenzminimum der Klägerin nicht gesichert ist, müssen Aufwendungen des gesteigert unterhaltspflichtigen Elternteils, die nicht zwingend erforderlich sind, zurückstehen. Dem Beklagten ist insoweit zuzumuten, sich mit den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu begnügen.
23
5. Das Berufungsgericht hat den notwendigen Selbstbehalt des Beklagten für die Zeit ab Juni 2010 herabgesetzt, weil er seit Mai 2010 mit seiner Lebensgefährtin eine gemeinsame Wohnung bewohnt. Die Berücksichtigung einer solchen - durch Synergieeffekte eintretenden - Haushaltsersparnis entspricht der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil vom 9. Januar 2008 - XII ZR 170/05 - FamRZ 2008, 594 Rn. 34 ff.) und wird auch von der Revision nicht angegriffen. Der Senat bemisst die Haushaltsersparnis der Höhe nach allerdings nicht mit 12,5 %, sondern nur mit 10 % (Senatsurteil BGHZ 186, 350 = FamRZ 2010, 1535 Rn. 44 f.). Dieser geringere Betrag wirkt sich auf den ausgeurteilten Unterhalt indessen nicht aus. Bei einem bereinigten Nettoeinkommen von 1.011 € kann der Betrag von 130 € monatlich jedenfalls ohne Beeinträchtigung des um die Haushaltsersparnis reduzierten Selbstbehalts aufgebracht werden.
24
6. Danach schuldet der Beklagte der Klägerin Unterhalt in der ausgeurteilten Höhe; sein notwendiger Selbstbehalt ist jeweils gewahrt. Der Unterhalt ist bis einschließlich September 2010 entsprechend dem Berufungsantrag der Klägerin an das Jobcenter zu zahlen, da der Anspruch insoweit nach § 33 Abs. 1 SGB II in der seit dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung auf den Sozialleistungsträger übergegangen ist. Die Voraussetzungen des Anspruchsübergangs (vgl. hierzu Senatsurteil vom 11. Januar 2012 - XII ZR 22/10 - FamRZ 2012, 956 Rn. 32 ff.) hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Auch dagegen erinnert die Revision nichts. Dose Weber-Monecke Günter Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
AG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 10.11.2009 - 5.2 F 28/09 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 09.11.2010 - 10 UF 173/09 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 30. Jan. 2013 - XII ZR 158/10

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(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Ref

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1603 Leistungsfähigkeit


(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. (2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren min

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 33 Übergang von Ansprüchen


(1) Haben Personen, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen Anderen, der nicht Leistungsträger ist, geht der Anspruch bis zur Höhe der geleisteten Aufwen
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Tenor Dem Antragsgegner wird gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.

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(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.

(1) Haben Personen, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen Anderen, der nicht Leistungsträger ist, geht der Anspruch bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen nach diesem Buch über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des Anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären. Satz 1 gilt auch, soweit Kinder unter Berücksichtigung von Kindergeld nach § 11 Absatz 1 Satz 4 keine Leistungen empfangen haben und bei rechtzeitiger Leistung des Anderen keine oder geringere Leistungen an die Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft erbracht worden wären. Der Übergang wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann. Unterhaltsansprüche nach bürgerlichem Recht gehen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf die Träger der Leistungen nach diesem Buch über.

(2) Ein Unterhaltsanspruch nach bürgerlichem Recht geht nicht über, wenn die unterhaltsberechtigte Person

1.
mit der oder dem Verpflichteten in einer Bedarfsgemeinschaft lebt,
2.
mit der oder dem Verpflichteten verwandt ist und den Unterhaltsanspruch nicht geltend macht; dies gilt nicht für Unterhaltsansprüche
a)
minderjähriger Leistungsberechtigter,
b)
Leistungsberechtigter, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und die Erstausbildung noch nicht abgeschlossen haben,
gegen ihre Eltern,
3.
in einem Kindschaftsverhältnis zur oder zum Verpflichteten steht und
a)
schwanger ist oder
b)
ihr leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreut.
Der Übergang ist auch ausgeschlossen, soweit der Unterhaltsanspruch durch laufende Zahlung erfüllt wird. Der Anspruch geht nur über, soweit das Einkommen und Vermögen der unterhaltsverpflichteten Person das nach den §§ 11 bis 12 zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen übersteigt.

(3) Für die Vergangenheit können die Träger der Leistungen nach diesem Buch außer unter den Voraussetzungen des bürgerlichen Rechts nur von der Zeit an den Anspruch geltend machen, zu welcher sie der oder dem Verpflichteten die Erbringung der Leistung schriftlich mitgeteilt haben. Wenn die Leistung voraussichtlich auf längere Zeit erbracht werden muss, können die Träger der Leistungen nach diesem Buch bis zur Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen auch auf künftige Leistungen klagen.

(4) Die Träger der Leistungen nach diesem Buch können den auf sie übergegangenen Anspruch im Einvernehmen mit der Empfängerin oder dem Empfänger der Leistungen auf diese oder diesen zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen und sich den geltend gemachten Anspruch abtreten lassen. Kosten, mit denen die Leistungsempfängerin oder der Leistungsempfänger dadurch selbst belastet wird, sind zu übernehmen. Über die Ansprüche nach Absatz 1 Satz 4 ist im Zivilrechtsweg zu entscheiden.

(5) Die §§ 115 und 116 des Zehnten Buches gehen der Regelung des Absatzes 1 vor.

(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde.

(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.

(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

10
aa) Verfahren im Sinne des Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG ist nicht nur das Verfahren bis zum Abschluss einer Instanz. Vielmehr bezeichnet der Begriff die gesamte, bei Einlegung entsprechender Rechtsmittel auch mehrere Instanzen umfassende gerichtliche Tätigkeit in einer Sache (BGH Beschluss vom 1. März 2010 - II ZB 1/10 - FamRZ 2010, 639 Rn. 8). Zwar könnte der Wortlaut des Art. 111 Abs. 2 FGG-RG, der auf das Vorhandensein einer Endentscheidung verweist, zu der Fehldeutung verleiten, gerichtliches Verfahren im Sinne des Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG sei das Verfahren innerhalb eines Rechts- zugs, nicht das gerichtliche Verfahren über den Instanzenzug hinweg, weil nach der Legaldefinition in § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG die Endentscheidung als instanzbeendende Entscheidung konzipiert sei. Dass der Gesetzgeber das Verfahren jedoch instanzübergreifend verstanden hat, ergibt sich eindeutig sowohl aus der Entstehungsgeschichte der Gesetzesvorschrift als auch aus deren Sinn und Zweck, während die Regelung in Art. 111 Abs. 2 FGG-RG nur der Klarstellung in Bestandsverfahren wie Betreuung oder Vormundschaft dienen sollte (BGH Beschluss vom 1. März 2010 - II ZB 1/10 - FamRZ 2010, 639 Rn. 9 ff. mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 19/01 Verkündet am:
19. Februar 2003
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Zur Auslegung einer Unterhaltsvereinbarung getrennt lebender Ehegatten über
Trennungs- und Kindesunterhalt.

b) Zur Relevanz von Investitionszulagen und steuerlichen (Sonder-)
Abschreibungen für das der Unterhaltsbemessung zugrunde zu legende Einkommen
eines Selbständigen (hier: Gartenbaubetrieb).
BGH, Urteil vom 19. Februar 2003 - XII ZR 19/01 - OLG Dresden
AG Meißen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Februar 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden vom 14. Dezember 2000 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen den Beklagten für sich Trennungsunterhalt und in Prozeßstandschaft Kindesunterhalt geltend. Die Parteien, die am 18. November 1982 geheiratet haben, leben seit dem 20. März 1996 getrennt. Aus ihrer Ehe sind die Kinder Albert, geboren am 9. März 1983, Moritz, geboren am 7. September 1989, Auguste, geboren am 14. Dezember 1990 und Lorenz, geboren am 24. März 1996, hervorgegangen. Die Kinder leben mit Ausnahme von Albert, der seit spätestens 1. März 1998
beim Beklagten wohnt, bei ihrer Mutter. Die Klägerin ist im wesentlichen ohne Einkünfte. Der Beklagte betreibt eine Baumschule. Mit Schreiben ihrer Anwältin vom 14. Oktober 1996 machte die Klägerin nach umfangreicher Vorkorrespondenz über den vom Beklagten zu zahlenden Unterhalt dem Beklagten den Vorschlag, sich dahingehend zu einigen, daß von einem monatlichen Nettoeinkommen des Beklagten von 7.000 DM ausgegangen werde, woraus sich - nach Abzug des hälftigen Kindergeldes - im einzelnen aufgeführte Ansprüche auf Unterhalt für die vier Kinder in Höhe von insgesamt 2.265 DM und ein Trennungsunterhalt in Höhe von 1.403,33 DM ergeben würden. Der Beklagte ließ durch seine Anwälte mit Schreiben vom 30. Oktober 1996 antworten, er gehe davon aus, daß eine Grundlage für die Fortsetzung der Ehe gegeben sei. Nur in Anbetracht dessen und zur Vermeidung weiterer Eskalationen stimme er der vorgeschlagenen Zahlung zu. Die ab November 1996 zu veranlassenden Zahlungen erfolgten nur vergleichsweise und ohne Anerkenntnis eines Rechtsgrundes. Aufgrund seiner Zahlungsbereitschaft halte er es nicht für erforderlich, auf das weiter geltend gemachte Auskunftsverlangen über sein Einkommen einzugehen. In der Folgezeit zahlte der Beklagte an die Klägerin die obengenannten Beträge in voller Höhe bis Dezember 1997. Dann reduzierte er sie und zahlte für die drei bei der Klägerin befindlichen Kinder bis jedenfalls Juli 2000 zwischen 199 DM und 270 DM je Kind. Auf die Klage der Klägerin, die der Ansicht ist, die Parteien hätten sich auf die im Schreiben vom 14. Oktober 1996 genannten Unterhaltsbeträge geeinigt, verurteilte das Amtsgericht den Beklagten nach Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Einnahmen des Beklagten und zur Auswertung der von diesem vorgelegten Jahresabschlüsse zur Zahlung von monatlichen Unterhaltsbeträgen zwischen 149 DM und 267 DM für die drei bei der Klägerin befindlichen Kinder. Im übrigen wies es die
Klage ab. Eine Einigung über den Unterhalt sei zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Aufgrund der Privatentnahmen des Beklagten aus seinem Unternehmen sei von einem monatlichen Einkommen des Beklagten in Höhe von 2.181 DM nach Abzug seiner Vorsorgeaufwendungen auszugehen. Der Beklagte habe ursprünglich einen höheren Unterhalt als geschuldet gezahlt. Ehegattenunterhalt schulde er jedenfalls seit Dezember 1997 nicht mehr. Die Klägerin legte gegen dieses Urteil Berufung im wesentlichen mit dem Ziel ein, daß der Beklagte zur Zahlung von Trennungs- und Kindesunterhalt in Höhe der im Schreiben vom 14. Oktober 1996 genannten Beträge verurteilt werde. Der Beklagte legte seinerseits Anschlußberufung mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung ein. Das Oberlandesgericht änderte auf die Anschlußberufung des Beklagten das amtsgerichtliche Urteil dahingehend ab, daß der Beklagte ab August 2000 für die Kinder je 23 DM bzw. 19 DM monatlich Unterhalt zu zahlen hat. Die weitergehende Anschlußberufung des Beklagten und die Berufung der Klägerin wies es zurück. Gegen dieses Urteil richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie ihr zweitinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Die Parteien, die seit 23. Mai 2002 rechtskräftig geschieden sind, haben hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Trennungsunterhalts den Rechtsstreit in der Hauptsache für die Zeit ab 24. Mai 2002 übereinstimmend für erledigt erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

Das Oberlandesgericht hat ausgeführt: Durch die Schreiben vom 14./30. Oktober 1996 sei zwischen den Parteien ein bedingter Vergleich (§ 779 BGB) über die Höhe des zu leistenden Unterhalts zustande gekommen. Der Vergleich habe unter der auflösenden Bedingung gestanden, daß der Beklagte seine Hoffnung auf Fortsetzung der Ehe aufgebe. Da die Bedingung somit eingetreten sei, liege kein wirksamer Vergleich vor, und es existiere auch keine Einigung der Parteien über ein durchschnittliches Einkommen des Beklagten von 7.000 DM als Bemessungsgrundlage. Tatsächlich belaufe sich das bereinigte monatliche Nettoeinkommen des Beklagten nach Abzug der anzurechnenden Vorsorgeaufwendungen auf 1.460 DM. Bei einem Selbstbehalt des Beklagten von 1.370 DM stehe für die Unterhaltsleistungen des Beklagten lediglich ein monatlicher Betrag von 90 DM zur Verfügung, der entsprechend einer Mangelfallberechnung unter seinen vier Kindern aufzuteilen sei.

II.

Diese Beurteilung des Oberlandesgerichts hält den Angriffen der Revision nicht stand. Zwar ist die Auslegung individueller Vereinbarungen grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dessen Auslegung bindet aber das Revisionsgericht u.a. dann nicht, wenn sie unter Verletzung der gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) und der zu ihnen entwickelten allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätze vorgenommen worden ist (st.Rspr., vgl. nur BGHR ZPO § 550 Vertragsauslegung 4). Dies ist hier der Fall. Zu den anerkannten Auslegungsregeln, deren Beachtung das Revisionsgericht nachzuprüfen hat, gehört auch der Grundsatz einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung (vgl. BGHZ 115, 1, 5; 131, 136, 138). Gegen diesen Grundsatz hat das Oberlandesgericht verstoßen. Zwar geht das Berufungsgericht zu Recht davon aus, daß ein außergerichtlicher Unterhaltsvergleich dem Grunde nach zwischen den Parteien zustande gekommen ist: Die Klägerin hat dem Beklagten im Schreiben vom 14. Oktober 1996 ein Angebot zum Abschluß eines Unterhaltsvergleichs gemacht , das dieser mit Schreiben vom 30. Oktober 1996 ohne Änderung angenommen hat. Eine Einschränkung der Annahme ergibt sich nicht daraus, daß der Beklagte erklärte, die von der Klägerin geforderten Zahlungen erfolgten nur vergleichsweise und ohne Anerkennung eines Rechtsgrundes. Vielmehr bedeutet der Hinweis, die Zahlungen würden vergleichsweise vorgenommen, daß eben ein Vergleich geschlossen worden ist. Dem Hinweis auf das fehlende Anerkenntnis eines Rechtsgrundes kommt lediglich die Bedeutung zu, daß der Beklagte mit Abschluß des Vergleichs nicht anerkennen wollte, daß die Klägerin schon vor Abschluß des Vergleichs einen entsprechenden Unterhaltsanspruch
hatte. Rechtsgrund der Zahlungen des Beklagten ist der von den Parteien abgeschlossene Vergleich. Entgegen der Meinung des Oberlandesgerichts kann jedoch der Vergleich der Parteien nicht dahingehend ausgelegt werden, er stehe unter der auflösenden Bedingung, daß der Beklagte seine Hoffnung auf Fortsetzung der Ehe aufgebe. Richtig ist zwar, daß der Beklagte im Schreiben vom 30. Oktober 1996 sinngemäß erklärt hat, er stimme der von der Klägerin vorgeschlagenen Zahlung nur zu, weil er davon ausgehe, daß es eine Grundlage für die Fortsetzung der Ehe gebe und diese nicht zerrüttet sei. Doch mußte die Klägerin diese Erklärung schon ihrem Wortlaut nach im Gegensatz zur Meinung des Oberlandesgerichts nicht so verstehen, daß der Beklagte die fortlaufende Zahlung des Unterhalts von seinen subjektiven Vorstellungen über den Fortbestand der Ehe abhängig mache. Gegen die vom Oberlandesgericht vertretene Auslegung sprechen Sinn und Zweck einer Unterhaltsvereinbarung, die darin bestehen, eine verläßliche Befriedung einer unterhaltsrechtlichen Auseinandersetzung herbeizuführen. Eine Unterhaltsvereinbarung, deren Erfüllung und Weiterbestand vom bloßen Willen oder von der Enttäuschung einer bloßen Hoffnung des Unterhaltspflichtigen abhängig ist, erfüllt ihren Zweck nicht. Sie begünstigt einseitig den Unterhaltsverpflichteten, der es in der Hand hätte, seiner Unterhaltsverpflichtung in Zukunft nachzukommen oder hiervon Abstand zu nehmen. Unter diesen Umständen war das Schreiben des Beklagten vom 30. Oktober 1996 von der Klägerin so zu verstehen, daß der Beklagte das Vergleichsangebot der Klägerin uneingeschränkt annehme, wobei er lediglich als Motiv seiner Vergleichsbereitschaft seine Hoffnung auf Fortsetzung der Ehe kundtat. Dies gilt umsomehr, als der Beklagte in dem genannten Schreiben erklärte, auf das Auskunftsverlangen der Klägerin über sein Einkommen nicht mehr eingehen zu müssen und die Angelegenheit zumindest vorerst bis zum Ablauf des Tren-
nungsjahres für erledigt betrachte. Auch daraus konnte die Klägerin schließen, daß der Beklagte ihr Vergleichsangebot uneingeschränkt angenommen habe. Da somit zwischen den Parteien auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts eine wirksame Unterhaltsvereinbarung bestand, hätte es - wie schon das Familiengericht - die Einwände des Beklagten dahin auffassen müssen, daß dieser unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Anpassung seiner im Vergleich festgelegten Unterhaltszahlungen wegen einer Verminderung seines Einkommens begehrt. Das Berufungsgericht hat jedoch - von seinem Standpunkt aus konsequent - die Voraussetzungen einer Anpassung nicht geprüft. Dies führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht. Der Senat kann in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden. Vielmehr ist es Sache des Tatrichters zu überprüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Verhältnis sich das im Jahre 1996 unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des Beklagten in den Folgejahren vermindert hat. Dabei wird das Berufungsgericht, gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe, auch zu überprüfen haben, ob der Beklagte sein Einkommen durch eine entsprechende Bilanzpolitik, wie der Änderung der Abschreibungsmethoden oder durch erhöhte Rückstellungen, steuerlich vermindert hat, was unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennen wäre.

III.

Für die erneute Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf folgendes hin:
1. Das Berufungsgericht ist bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlich re- levanten Einkommens des Beklagten ab 1997 davon ausgegangen, daß dem Beklagten aus dem Handel mit Gartenzubehör keine Einkünfte mehr zustünden. Denn diese Geschäftstätigkeit habe er einer GmbH überlassen, an der er nicht beteiligt sei und deren Geschäftsführer sein ehemaliger Angestellter L. sei. Die Klägerin hat jedoch vorgetragen, der Beklagte habe entgegen seinen Behauptungen den Handel mit Gartenzubehör nicht Ende 1996 eingestellt. Vielmehr führe er diesen Handel - für die GmbH - selbst fort und verkaufe die zugekauften Pflanzen in eigener Person, während L. in seiner Arbeitszeit auf den Anpflanzungen des Beklagten arbeite. Für die Richtigkeit ihrer Behauptung hat die Klägerin zum Beweis die Einvernahme des Zeugen L. angeboten. Dieses Beweisangebot hätte das Oberlandesgericht nicht übergehen dürfen. Ihm ist nunmehr nachzugehen. Denn sollte sich der Vortrag der Klägerin als wahr herausstellen, wären dem Beklagten auch die etwaigen Gewinne der GmbH zuzuordnen, über deren Höhe sich der Beklagte dann auch äußern müßte. 2. Nicht zu beanstanden ist hingegen, daß das Berufungsgericht bei Ermittlung der anrechenbaren Einkünfte des Beklagten aus Land- und Forstwirtschaft die Bewertung der vom Beklagten erworbenen, zum Umlaufvermögen gehörenden, mehrjährigen Kulturen im Einklang mit den steuerlichen Bestimmungen vorgenommen hat (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG; Erlaß des Bundesministeriums der Finanzen vom 21. März 1997, BStBl. 1997 I, 369). An den vom Beklagten im Rahmen seiner Jahresabschlüsse ermittelten Beträgen müssen unter unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten keine Änderungen vorgenommen werden. Zwar hat der Senat bereits entschieden, daß das steuerrechtlich relevante Einkommen und das unterhaltspflichtige Einkommen nicht identisch sind und daß dem durch das steuerliche Rechtsinstitut der Abschreibung pauschal berücksichtigten Verschleiß von Gegenständen des Anlagevermögens oft keine
tatsächliche Wertminderung in Höhe des steuerlich anerkennungsfähigen Betrages entspricht (vgl. Urteile vom 23. April 1980 - IVb ZR 510/80 - FamRZ 1980, 770, vom 16. Januar 1985 - IVb ZR 59/83 - FamRZ 1985, 387, 359 und vom 22. Oktober 1997 - XII ZR 278/95 - FamRZ 1998, 357, 359). Dies gilt auch, wenn es sich, wie hier bei den mehrjährigen Kulturen des Beklagten, um eine Bewertung des Umlaufvermögens unter den Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. Dennoch können die steuerlichen Werte, die sich aus den Jahresabschlüssen bzw. der Einnahme-/Überschußrechnung ergeben, auch unterhaltsrechtlich anzusetzen sein, sofern es dadurch nicht zu Verfälschungen der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten kommt. Das Vorliegen solcher Verfälschungen ist hier im Ergebnis zu verneinen. Bedenken begegnet allerdings die Auffassung des Oberlandesgerichts, die in den Abschlüssen vorgenommene Bewertung entspreche tatsächlich der eingetretenen Wertminderung. Dies erscheint, worauf die Revision hinweist, angesichts des Umfangs der Absetzungen vom Anschaffungswert der Wirtschaftsgüter (Verminderung des Zukaufs sofort um 20 %; Verminderung des Rests bei Ziergehölzen um weitere 50 % unter Berücksichtigung der ha-Fläche) nicht wahrscheinlich. Jedenfalls existiert - im Gegensatz zur Meinung des Oberlandesgerichts - kein entsprechender Erfahrungssatz. Dennoch mußte das Berufungsgericht das von der Klägerin beantragte (gartenbauliche) Sachverständigengutachten darüber, daß die vorgenommenen Bewertungsabschläge die tatsächliche Wertminderung übertreffen, nicht erholen. Vielmehr konnte das Oberlandesgericht den Ausführungen des Sachverständigen folgen, wonach sich bei ordnungsgemäßer Erlöserfassung eine etwaige erhöhte Absetzung ausgleicht, so daß die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit bei der hier vorliegenden Berücksichtigung mehrerer Jahre richtig widergegeben ist (vgl. auch Strohal, Unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen bei Selbständigen, 2. Aufl. Rdn. 236).
Daß der Beklagte, auch soweit er seinen Kunden keine Rechnungen erteilt, alle Einnahmen verbucht, hat die Klägerin nicht bestritten. 3. Das Oberlandesgericht hat eine vom Beklagten im Jahre 1996 steuerrechtlich korrekt vorgenommene Sonderabschreibung in Höhe von 58.922 DM dem im Jahr 1996 zu versteuernden Einkommen des Beklagten in Höhe von 10.846 DM hinzugerechnet. Aus dem so ermittelten Betrag von 69.768 DM hat es eine dann vom Beklagten zu zahlende Steuer in Höhe von insgesamt 14.837 DM (Einkommensteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ) ermittelt und diese von dem um die Sonderabschreibung erhöhten Gewinn von 82.505 DM in Abzug gebracht, so daß es für 1996 von einem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen von 67.668 DM ausgegangen ist. Dies stößt auf Bedenken. Richtig ist zwar, daß wegen der Sonderabschreibung eine Korrektur des steuerrechtlich ermittelten Gewinns zu erfolgen hat, weil die Sonderabschreibung dem tatsächlichen Wertverzehr nicht entspricht. Hiergegen hat auch der Beklagte keine Einwendungen erhoben. Zu Unrecht hat das Oberlandesgericht jedoch den korrigierten Gewinn für 1996 um den Steuerbetrag vermindert, den der Beklagte zu entrichten gehabt hätte, wenn es nicht zur Sonderabschreibung gekommen wäre. Allerdings hat der Senat bereits entschieden, daß Aufwendungen eines Unterhaltspflichtigen, die dieser im Rahmen eines sogenannten Bauherrenmodells oder für Bewirtung und Repräsentation tätigt, einerseits sein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen nicht mindern, andererseits aber die aufgrund der Aufwendungen erzielte Steuerersparnis das Einkommen auch nicht erhöht (vgl. Senatsurteile vom 1. Oktober 1986 - IVb ZR 68/85 - FamRZ 1987, 36, 37 und vom 15. Oktober 1986 - IVb ZR 79/85 - FamRZ 1987, 46, 48). Der Grund für die Nichtberücksichtigung der Steuerersparnis beim Einkommen des Unterhaltspflichtigen liegt darin, daß der Unterhaltsberechtigte lediglich
verlangen kann, so gestellt zu werden, als ob die Aufwendung nicht vorgenom- men worden wäre; die Steuerersparnis bleibt also außer Betracht, weil sie ohne die genannten Aufwendungen, die sich der Unterhaltsberechtigte nicht entgegenhalten lassen muß, nicht eingetreten wäre. Diese Rechtsprechung ist auf die Fälle der vorliegenden Art, in denen es um steuerrechtliche Sonderabschreibungen auf betriebsnotwendiges Anlagevermögen geht, nicht übertragbar. Denn der Unterhaltsberechtigte hat sich in diesen Fällen sehr wohl die Aufwendungen für das genannte Wirtschaftsgut entgegenhalten zu lassen; er kann lediglich verlangen, daß dies nicht sofort in vollem Umfang, sondern entsprechend dem tatsächlichen Wertverzehr des Wirtschaftsguts erfolgt. Dies aber bedeutet, daß im Falle einer steuerrechtlich korrekt vorgenommenen Sonderabschreibung das betreffende Wirtschaftsgut im Jahre der Anschaffung und in der Folgezeit zu unterhaltsrechtlichen Zwecken fiktiv linear abzuschreiben ist. Die zur linearen Abschreibung von der Finanzverwaltung herausgegebenen AfA-Tabellen geben nämlich regelmäßig den tatsächlichen Wertverzehr wieder. Dies gilt insbesondere für die vom Bundesministerium der Finanzen neu erstellte AfA-Tabelle für die allgemein verwendbaren Anlagegütern ("AV") vom 15. Dezember 2000 (BStBl. I 2000, 1533), die die maßgebliche Nutzungsdauer der Wirtschaftsgüter im Vergleich zu früher weitgehend verlängert hat (vgl. Hommel BB 2001, 247, 249). Die in diesen Tabellen für die einzelnen Anlagegüter angegebene betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer beruht auf Erfahrungen der steuerlichen Betriebsprüfung (vgl. Bundesministerium der Finanzen Schreiben vom 6. Dezember 2001, BB 2002, 621). Es erscheint unbedenklich , diese Erfahrungswerte auch im Rahmen der Berechnung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens zu übernehmen (vgl. auch Laws FamRZ 2000, 588). Die AfA-Tabellen haben somit die Vermutung der Richtigkeit für sich; sie binden jedoch - wie im Steuerrecht (vgl. Schmidt/Drenseck EStG 21. Aufl. § 7 Rdn. 84 m.N.) - die Gerichte nicht und sind unbeachtlich, sofern sie
erkennbar nicht auf Erfahrungswissen beruhen, also offensichtlich unzutreffend sind. In diesen Fällen hat das Gericht die Nutzungsdauer zu schätzen oder durch Erholung eines Sachverständigengutachtens zu ermitteln. Für den vorliegenden Fall folgt daraus, daß sich der steuerliche Gewinn des Beklagten für 1996 lediglich um den Betrag der Sonderabschreibung - vermindert um den Betrag der linearen Abschreibung - erhöht. Hingegen verbleibt es bei der vom Beklagten tatsächlich gezahlten Steuer als Abzugsposten, die sich beim Beklagten im Jahre 1996 nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts jedoch auf Null beläuft. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb dem Unterhaltsberechtigten die dem Unterhaltsverpflichteten durch die Sonderabschreibung gewährte Steuervergünstigung nicht zugute kommen soll (vgl. Blaese FamRZ 1994, 216). Die Berechnung und Absetzung der Einkommensteuer, die der Unterhaltspflichtige bei Vornahme einer linearen Abschreibung hätte zahlen müssen, ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, daß es sich bei der aus einer Sonderabschreibung ergebenden Steuervergünstigung - bei gleichbleibendem Tarif - lediglich um eine zinslose Steuerstundung handelt. Vielmehr entspricht es der Rechtsprechung des Senats, daß Steuern regelmäßig in der Höhe angerechnet werden, in der sie im Prüfungszeitraum real angefallen sind (vgl. Senatsurteil vom 14. Februar 1990 - XII ZR 51/89 - FamRZ 1990, 981, 983). Dies gilt jedenfalls in bezug auf Sonderabschreibungen dann, wenn sich, wie im vorliegenden Fall, die Sonderabschreibung in den Folgejahren wegen des geringen zu versteuernden Einkommens des Unterhaltspflichtigen voraussichtlich nicht steuererhöhend auswirkt, sondern die Steuervergünstigung dem Steuerpflichtigen im wesentlichen endgültig verbleibt (zur Wirkung von Sonderabschreibungen auf die Steuerschuld in den Folgejahren vgl. Tipke/ Lang Steuerrecht 17. Aufl. § 19 Rdn. 28).
4. Entgegen den Ausführungen des Oberlandesgerichts sind die vom Beklagten bezogenen Investitionszulagen unterhaltsrechtlich nicht völlig irrelevant. Nach § 9 Investitionszulagengesetz gehören diese Zulagen nicht zu den steuerpflichtigen Einkünften und mindern auch nicht die steuerlichen Anschaffungs - und Herstellungskosten. Dies bedeutet, daß sie vom Steuerpflichtigen erfolgsneutral zu verbuchen sind und die AfA auf das mit der Zulage angeschaffte Wirtschaftsgut den Gewinn vermindert. Die Zulage würde damit mittelbar auch die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen herabsetzen , wenn sie völlig unberücksichtigt bliebe. Dies widerspräche Sinn und Zweck der Zulage. Ihre einkommensmindernde Wirkung ist deshalb durch die Nichtberücksichtigung der entsprechenden AfA auszugleichen. Damit wird die Gewährung der Investitionszulage zu Zwecken des Unterhaltsrechts auf die Dauer der Abschreibung des mit ihr angeschafften Wirtschaftsguts verteilt. 5. Hinsichtlich der Absetzbarkeit von Beiträgen zur Altersvorsorge hat der Tatrichter zu entscheiden, inwieweit gezahlte Beiträge angemessen sind und deshalb berücksichtigt werden können. Bei einem Selbständigen wie hier dem Beklagten, der Beiträge in eine gesetzliche Alterskasse bezahlt, wird die Berücksichtigung zusätzlicher Beiträge regelmäßig nicht angemessen sein, wenn er mangels Leistungsfähigkeit nicht in der Lage ist, das Existenzminimum der ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Ehefrau und der Kinder abzudecken. 6. Soweit das Oberlandesgericht im weiteren Verfahren zu dem Ergebnis gelangen sollte, daß wegen einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Beklagten ein Mangelfall vorliege, wird es bei der Berechnung der einzelnen Unterhaltsbeträge die Ausführungen im Senatsurteil vom 22. Januar 2003 (- XII ZR 2/00 - zur Veröffentlichung bestimmt) zu beachten haben.
7. Das Berufungsgericht wird weiter zu prüfen haben, ob dem Beklagten bei einer etwaigen, voraussichtlich auf unbestimmte Zeit fortdauernden Unfähigkeit , das Existenzminimum seiner Kinder sicherzustellen, aufgrund seiner erweiterten Unterhaltspflicht gegenüber den minderjährigen Kindern nach § 1603 Abs. 2 BGB anzusinnen ist, seine Baumschule aufzugeben und eine höhere Einkünfte versprechende anderweitige Erwerbstätigkeit aufzunehmen (vgl. Senatsurteil vom 22. Oktober 1997 - XII ZR 278/95 - FamRZ 1998, 357, 359).
Hahne Sprick Weber-Monecke
Wagenitz Ahlt

(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.

20
aa) Nach § 1603 Abs. 1 BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Eltern, die sich in dieser Lage befinden, sind gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden (sog. gesteigerte Unterhaltspflicht). Darin liegt eine Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht. Aus diesen Vorschriften und aus Art. 6 Abs. 2 GG folgt auch die Verpflichtung der Eltern zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft. Wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese bei gutem Willen ausüben könnte, können deswegen nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden. Trotz der nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern muss die Anrechnung fiktiver Einkünfte aber stets die Grenze des Zumutbaren beachten. Übersteigt die Gesamtbelastung des Unterhaltsschuldners diese Grenze, ist die Beschränkung seiner Dispositionsfreiheit als Folge der Unterhaltsansprüche des Bedürftigen nicht mehr Bestandteil der verfassungsgemäßen Ordnung und kann vor dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG nicht bestehen (BVerfG FamRZ 2007, 273 f., 2006, 469 f. und 2003, 661 f.).
7
a) Nach § 851c Abs. 2 Satz 1 ZPO kann der Schuldner nach seinem Lebensalter gestaffelt jährlich einen bestimmten Betrag auf der Grundlage eines nach § 851c Abs. 1 ZPO abgeschlossenen privaten Altersrentenvertrags pfändungsfrei ansammeln. Gemäß § 851c Abs. 2 Satz 2 ZPO beträgt der pfändungsfreie Jahresbetrag vom 54. bis zum vollendeten 59. Lebensjahr 8.000 €. Vom Schutz dieser Vorschriften umfasst wird nur der jährlich angesparte Betrag. Ein weitergehender Schutz, der auch das Einkommen des Schuldners erfasst , das zum Aufbau der privaten Altersversorgung eingesetzt wird, ist der Regelung nicht zu entnehmen (vgl. auch LG Bonn ZVI 2009, 214, 215; LG Bonn, Beschluss vom 4. März 2009 - 6 T 221/08; LAG Niedersachsen, Urteil vom 19. August 2010 - 4 Sa 970/09, juris Rn. 35 ff; Tavakoli, NJW 2008, 3259 ff).
34
cc) Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach eine Herabsetzung des notwendigen Selbstbehalts bis auf den notwendigen Lebensbedarf nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen in Betracht kommt, wenn der Unterhaltspflichtige in einer neuen Lebensgemeinschaft wohnt, dadurch Kosten für die Wohnung oder die allgemeine Lebensführung erspart und sich deswegen auch sozialhilferechtlich auf einen - im Rahmen seiner Bedarfsgemeinschaft - geringeren Bedarf verweisen lassen muss.

(1) Haben Personen, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen Anderen, der nicht Leistungsträger ist, geht der Anspruch bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen nach diesem Buch über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des Anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären. Satz 1 gilt auch, soweit Kinder unter Berücksichtigung von Kindergeld nach § 11 Absatz 1 Satz 4 keine Leistungen empfangen haben und bei rechtzeitiger Leistung des Anderen keine oder geringere Leistungen an die Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft erbracht worden wären. Der Übergang wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann. Unterhaltsansprüche nach bürgerlichem Recht gehen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf die Träger der Leistungen nach diesem Buch über.

(2) Ein Unterhaltsanspruch nach bürgerlichem Recht geht nicht über, wenn die unterhaltsberechtigte Person

1.
mit der oder dem Verpflichteten in einer Bedarfsgemeinschaft lebt,
2.
mit der oder dem Verpflichteten verwandt ist und den Unterhaltsanspruch nicht geltend macht; dies gilt nicht für Unterhaltsansprüche
a)
minderjähriger Leistungsberechtigter,
b)
Leistungsberechtigter, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und die Erstausbildung noch nicht abgeschlossen haben,
gegen ihre Eltern,
3.
in einem Kindschaftsverhältnis zur oder zum Verpflichteten steht und
a)
schwanger ist oder
b)
ihr leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreut.
Der Übergang ist auch ausgeschlossen, soweit der Unterhaltsanspruch durch laufende Zahlung erfüllt wird. Der Anspruch geht nur über, soweit das Einkommen und Vermögen der unterhaltsverpflichteten Person das nach den §§ 11 bis 12 zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen übersteigt.

(3) Für die Vergangenheit können die Träger der Leistungen nach diesem Buch außer unter den Voraussetzungen des bürgerlichen Rechts nur von der Zeit an den Anspruch geltend machen, zu welcher sie der oder dem Verpflichteten die Erbringung der Leistung schriftlich mitgeteilt haben. Wenn die Leistung voraussichtlich auf längere Zeit erbracht werden muss, können die Träger der Leistungen nach diesem Buch bis zur Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen auch auf künftige Leistungen klagen.

(4) Die Träger der Leistungen nach diesem Buch können den auf sie übergegangenen Anspruch im Einvernehmen mit der Empfängerin oder dem Empfänger der Leistungen auf diese oder diesen zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen und sich den geltend gemachten Anspruch abtreten lassen. Kosten, mit denen die Leistungsempfängerin oder der Leistungsempfänger dadurch selbst belastet wird, sind zu übernehmen. Über die Ansprüche nach Absatz 1 Satz 4 ist im Zivilrechtsweg zu entscheiden.

(5) Die §§ 115 und 116 des Zehnten Buches gehen der Regelung des Absatzes 1 vor.