Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2013 - XII ZB 297/12

bei uns veröffentlicht am10.07.2013
vorgehend
Amtsgericht Hamburg-Wandsbek, 733 F 189/10, 12.01.2011
Hanseatisches Oberlandesgericht, 2 UF 39/11, 25.04.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
XII ZB 297/12 Verkündet am:
10. Juli 2013
Kirchgeßner,
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
a) Auch der betreuende Elternteil kann ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter
im Sinne von § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB sein, wenn der Kindesunterhalt
von ihm unter Wahrung seines angemessenen Selbstbehalts gezahlt
werden kann und ohne seine Beteiligung an der Barunterhaltspflicht ein erhebliches
finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern entstünde.
b) Kann auch der an sich barunterhaltspflichtige Elternteil bei Zahlung des vollen
Kindesunterhalts seinen angemessenen Selbstbehalt verteidigen, wird
eine vollständige oder anteilige Haftung des betreuenden Elternteils für die
Aufbringung des Barunterhalts nur in wenigen, besonderen Ausnahmefällen
in Betracht kommen (im Anschluss an Senatsurteil vom 20. März 2002
- XII ZR 216/00 - FamRZ 2002, 742).
BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - XII ZB 297/12 - OLG Hamburg
AG Hamburg-Wandsbek
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Juli 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin WeberMonecke
und die Richter Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 2. Familiensenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 25. April 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beteiligten streiten um Kindesunterhalt.
2
Der am 25. Juli 1997 geborene Antragsteller ist der nichtehelich geborene Sohn der Antragsgegnerin, in deren Haushalt er seit seiner Geburt zunächst lebte. Am 22. Mai 2010 zog der Antragsteller zu seinem Vater. Die Antragsgegnerin arbeitet vollschichtig als Sachbearbeiterin bei einer Versicherung und ist zudem als Rechtsanwältin zugelassen, ohne aus einer solchen Tätigkeit Einkünfte zu erzielen. Der verheiratete Kindesvater ist als Rechtsanwalt in einer größeren Kanzlei tätig.
3
Im vorliegenden Verfahren verlangt der Antragsteller von der Antragsgegnerin Zahlung eines monatlichen Kindesunterhalts in Höhe von 398 € für die Zeit ab Juni 2010. Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darum, ob sich der Kindesvater am Barunterhalt des Antragstellers beteiligen muss; dabei ist im Einzelnen auch streitig, in welcher Höhe die Antragsgegnerin und der Kindesvater unterhaltsrelevante Einkünfte erzielen. Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin antragsgemäß zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
4
Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin , mit der sie die vollständige Abweisung des Unterhaltsantrages weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

5
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

I.

6
Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt:
7
Die Antragsgegnerin habe in den Jahren 2010 und 2011 ausweislich der vorgelegten Gehaltsabrechnungen Nettoeinkünfte in Höhe von 2.726,01 € bzw. 2.633 € erzielt. Von diesen Einkünften seien neben den vermögenswirksamen Leistungen die monatlichen Kosten für die anwaltliche Berufshaftpflichtversicherung (8,16 €), für die Beiträge zur Anwaltskammer (14,58 €) sowie für die tägli- chen Fahrten zur Arbeit mit dem Alsterdampfer (41,90 €) abzuziehen. Die weiteren von der Antragsgegnerin geltend gemachten Abzugspositionen seien demgegenüber nicht zu berücksichtigen. Sie habe den von ihr behaupteten Mehrbedarf für eine Ernährungsdiät nicht konkret dargelegt; es möge zwar sein, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung besonders auf ihre Ernährung achten müsse ; dies führe aber nicht zwangsläufig zu Mehrkosten. Auch die von der Antragsgegnerin geltend gemachten Ratenzahlungen in Höhe von monatlich 200 € und 250 € auf zwei Kreditverträge mit Verwandten seien nicht zu berücksichtigen , weil schon nicht nachgewiesen sei, dass die Kreditaufnahmen für den Umzug und die Wohnungsausstattung notwendig gewesen seien. Es müsse deshalb nicht mehr darauf eingegangen werden, dass den vorliegenden Kontoauszügen der Eingang der von der Antragsgegnerin behaupteten Darlehenssummen nicht entnommen werden könne und zumindest einer der beiden Kreditverträge erst im April 2011 unterzeichnet worden sei, obwohl die Antragsgegnerin in diesem Verfahren die Bedienung dieser Kreditraten schon im November 2010 behauptet habe. Wegen der von der Antragsgegnerin geltend gemachten monatlichen Ratenzahlungen von weiteren 200 € zur Rückführung ihres Dispositionskredites habe sie weder schlüssig dargelegt noch nachgewiesen, dass der negative Saldo auf ihrem Girokonto auf den Kosten ihrer Zusatzausbildung beruhe. Es sei zudem davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin den Negativsaldo auf dem Girokonto schon mit einer angemessenen Lebensführung hätte zurückführen können, wenn man beispielhaft berücksichtige, welche erheblichen Beträge die Antragsgegnerin ausweislich ihrer Kontoauszüge zwischen 2006 bis 2011 für Besuche beim Friseur, in Parfümerien und in einem Teekontor ausgegeben habe. Der Vortrag der Antragsgegnerin zu ihrer angeblichen Teilerwerbsunfähigkeit sei insoweit unsubstantiiert, als "keinerlei Befunde und Therapien konkret vorgetragen" worden seien. Damit errechne sich für die Antragsgegnerin ein bereinigtes unterhaltsrechtlich relevantes Nettoeinkommen in Höhe von rund 2.650 € im Jahre 2010 bzw. 2.538 € im Jahre 2011.
8
Das monatliche Nettoeinkommen des Kindesvaters habe sich auf 6.825,75 € im Jahre 2010 und auf 6.921 € im Jahre 2011 belaufen. Mit Ausnahme der Zahlung einer Tantieme in Höhe von 12.000 € - die nach dem "InPrinzip" allerdings ausschließlich dem Einkommen des Jahres 2012 zuzurechnen sei - verfüge der Kindesvater nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme über kein weiteres Einkommen. Unter Berücksichtigung von verschiedenen Abzugspositionen belaufe sich das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des Kindesvaters auf rund 5.100 € und somit auf "deutlich weniger als das Doppelte" des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens der Antragsgegnerin. Die Barunterhaltspflicht des Betreuenden sei zudem auf eng umgrenzte Ausnahmefälle zu beschränken, wofür eine wertende Betrachtung der Gesamtumstände vorzunehmen sei. Die Antragsgegnerin befinde sich mit ihrem Einkommen im Bereich von "Stufe vier der Düsseldorfer Tabelle". Da lediglich eine Unterhaltspflicht bestehe, hätte eigentlich eine höhere Einstufung erfolgen müssen, die der Antragsteller aber nicht geltend gemacht habe. Der angemessene Selbstbehalt der Antragsgegnerin werde auch im Falle der Unterhaltsleistung nicht annähernd tangiert. Die Antragsgegnerin habe selbst angegeben , dass ihre Lebensführung auf einen vollständigen Verbrauch ihres Einkommens gerichtet sei. Es gehe somit lediglich um eine Verteilung des der Antragsgegnerin zur Verfügung stehenden Einkommens zwischen notwendigen Gütern, Luxusgütern und dem Unterhalt für ihren minderjährigen Sohn. Auch dem Kindesvater stehe ein erhebliches Nettoeinkommen zur Verfügung. Allerdings sei er durch die Betreuung des Antragstellers neben einer vollen Berufstätigkeit belastet. Er habe erhebliche finanzielle Belastungen im Zusammenhang mit der Finanzierung seines Hauses, die er zu einem Zeitpunkt eingegangen sei, als der Antragsteller noch nicht bei ihm gelebt habe. Weiter sei die Ehefrau des Kindesvaters zu 80 % schwerbehindert und beziehe lediglich Einkünfte aus einer Invalidenrente und einer geringfügigen Tätigkeit. Zwischen der Antragsgegnerin und dem Kindesvater bestehe somit zwar ein "deutliches fi- nanzielles Ungleichgewicht"; dieses beruhe aber nicht maßgeblich auf der Inanspruchnahme der Antragsgegnerin auf den Kindesunterhalt, welcher lediglich ein Sechstel des ihr zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens ausmache. Letztlich sei auch zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin und der Kindesvater niemals verheiratet gewesen seien, was der Annahme einer Verpflichtung zum Ausgleich der beiderseitigen Einkommensverhältnisse entgegenstehe.

II.

9
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
1. Das Beschwerdegericht hat das unterhaltsrechtlich zu berücksichtigende Einkommen der Antragsgegnerin und daran anknüpfend auch den Unterhaltsbedarf des Antragstellers nicht rechtsfehlerfrei ermittelt.
11
a) Die Feststellungen des Beschwerdegerichts zu den von der Antragsgegnerin in den Jahren 2010 und 2011 bei der S.-Versicherung erzielten Nettoeinkünften werden von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen und lassen Fehler zum Nachteil der Antragsgegnerin nicht erkennen. Die weitergehende Beurteilung des Beschwerdegerichts, dass die Erzielung dieses Einkommens auch nicht teilweise auf einer überobligatorischen Erwerbstätigkeit beruht, kann dagegen mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.
12
aa) Überobligatorisch ist eine Tätigkeit dann, wenn für sie keine Erwerbsobliegenheit besteht und deshalb derjenige, der sie ausübt, unterhaltsrechtlich nicht daran gehindert ist, sie jederzeit zu beenden (Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 801). Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass auch beim Verwandtenunter- halt (§ 1601 BGB) das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nur eingeschränkt zu berücksichtigen ist, wenn es auf einer überobligatorischen Tätigkeit beruht und eine vollständige Heranziehung des Einkommens zu Unterhaltszwecken gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB verstieße (Senatsurteile BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn. 53 und vom 7. November 1990 - XII ZR 123/89 - FamRZ 1991, 182, 183 f.). Es ist ferner in Rechtsprechung und Literatur anerkannt , dass die Tätigkeit eines Unterhaltspflichtigen auch dann als ganz oder teilweise überobligatorisch bewertet werden kann, wenn die Ausübung der Erwerbstätigkeit mit an sich unzumutbaren gesundheitlichen Belastungen verbunden ist (vgl. OLG Hamm FamRZ 1994, 1034; AG Flensburg FamRZ 2008, 1626; MünchKommBGB/Maurer 6. Aufl. § 1578 Rn. 106; Reinken in BeckOK BGB [Stand: Mai 2013] § 1602 Rn. 43; jurisPK-BGB/Clausius [Stand: Juni 2013] § 1578 Rn. 9).
13
bb) Wer sich gegenüber seiner Erwerbsobliegenheit auf eine krankheitsbedingte Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit berufen will, muss grundsätzlich Art und Umfang der behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Leiden angeben, und er hat ferner darzulegen, inwieweit die behaupteten gesundheitlichen Störungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken (vgl. Senatsurteile vom 25. Oktober 2006 - XII ZR 190/03 - FamRZ 2007, 200, 201 f. und vom 27. Juni 2001 - XII ZR 135/99 - FamRZ 2001, 1291, 1292). Nach diesen Maßstäben hat das Beschwerdegericht die Anforderungen an die Substantiierung der von der Antragsgegnerin zu erwartenden Darlegungen überspannt.
14
Die Antragsgegnerin hat hierzu vorgetragen, dass sie im Anschluss an eine 1999 durchgeführte Darmkrebsoperation mit anschließender Chemotherapie an Störungen der Darmfunktion leide. Bedingt durch das Fehlen eines Teils des Darmes trete früher als gewöhnlich eine körperliche Erschöpfung ein, so dass die Antragsgegnerin häufigere und längere Erholungsphasen benötige. Im Frühjahr 2009 sei eine Depression mit der Folge von Schlafstörungen, Konzent- rationsstörungen, Energieverlust und Tagesmüdigkeit hinzugetreten, die auch nach dem Abklingen der akuten Phase weiterhin mit Antidepressiva medikamentös behandelt werden müsse. Mit Recht macht die Rechtsbeschwerde geltend , dass das von der Antragsgegnerin hierzu vorgelegte ärztliche Attest vom 18. April 2011 konkrete Diagnosen mit Angaben zur aktuellen Medikation, eine Darstellung der Krankheitsanamnese, sozialbiografische Daten sowie die therapeutische Beurteilung enthält, dass eine "Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit von einem Drittel" vorliege. Unter diesen Umständen konnte das Beschwerdegericht von der Erhebung des angebotenen Sachverständigenbeweises nicht unter Hinweis auf vermeintlich unzureichenden Vortrag zu Befunden und Therapien absehen. Inwieweit die tatsächliche nachhaltige Ausübung einer vollschichtigen Tätigkeit mit dem Vorbringen einer krankheitsbedingten Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit in Einklang gebracht werden kann, ist eine der Beweiswürdigung vorzubehaltende Frage.
15
cc) Eine Beweisaufnahme konnte auch nicht deshalb unterbleiben, weil das von der Antragsgegnerin erzielte Einkommen unabhängig von der angeblichen Unzumutbarkeit einer Vollzeittätigkeit vollständig für Unterhaltszwecke einzusetzen wäre.
16
Hierzu hat der Senat bereits ausgesprochen, dass eine vollständige Heranziehung von Einkommen aus einer - gemessen an § 1603 Abs. 1 BGB - überobligatorischen Erwerbstätigkeit regelmäßig nur dann angezeigt ist, wenn der Unterhaltspflichtige einer gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB unterliegt (Senatsurteil BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn. 54). Demnach ist auch das Einkommen aus einer nach dem Maßstab des § 1603 Abs. 1 BGB unzumutbaren Erwerbstätigkeit in vollem Umfang für den Kindesunterhalt einzusetzen, wenn anderenfalls der Mindestunterhalt nach § 1612 a Abs. 1 BGB gefährdet wäre, welcher der ersten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle entspricht. Soweit indessen - wie hier - die Eingruppierung des Unterhaltspflichtigen in eine höhere Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle in Rede steht, muss die Anrechenbarkeit des Einkommens bereits bei der Ermittlung des angemessenen Lebensbedarfs nach § 1610 Abs. 1 BGB berücksichtigt werden. Soweit hiernach die vollständige Berücksichtigung des überobligatorischen Einkommens nicht mit Treu und Glauben vereinbar wäre, ist schon der Bedarf nur aufgrund des reduzierten Einkommens zu bemessen (Senatsurteil BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn. 54).
17
In welchem Umfang ein Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit für den Unterhalt heranzuziehen ist, bestimmt der Tatrichter aufgrund einer umfassenden Würdigung der Einzelfallumstände, die insbesondere der Überobligationsmäßigkeit der Tätigkeit und den Besonderheiten des Unterhaltsverhältnisses angemessen Rechnung trägt. Dabei wird beim Unterhalt für minderjährige oder privilegiert volljährige Kinder eine (zumindest teilweise) Anrechnung überobligatorisch erzielten Einkommens des Pflichtigen eher in Betracht kommen als beim Unterhalt für Ehegatten oder sonstige Verwandte.
18
b) Auch die Behandlung der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Kreditverbindlichkeiten durch das Beschwerdegericht ist nicht in jeder Hinsicht frei von rechtlichen Bedenken.
19
aa) Es gilt der allgemeine Grundsatz, dass Ansprüchen Unterhaltsberechtigter kein allgemeiner Vorrang vor anderen Verbindlichkeiten des Unterhaltspflichtigen zukommt. Andererseits dürfen diese Verbindlichkeiten auch nicht ohne Rücksicht auf die Unterhaltsinteressen getilgt werden. Vielmehr bedarf es eines Ausgleichs der Belange von Unterhaltsgläubiger, Unterhaltsschuldner und Drittgläubiger. Ob eine Verbindlichkeit im Einzelfall zu berücksichtigen ist, kann danach nur im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung nach billigem Ermessen entschieden werden. Insoweit sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats insbesondere der Zweck der Verbindlichkeiten, der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Dringlichkeit der beiderseitigen Bedürfnisse, die Kenntnis des Unterhaltsschuldners von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld und seine Möglichkeiten von Bedeutung, die Leistungsfähigkeit ganz oder teilweise wiederherzustellen (grundlegend Senatsurteil vom 25. November 1981 - IVb ZR 611/80 - FamRZ 1982, 157, 158 f.; vgl. zuletzt Senatsurteile vom 30. Januar 2013 - XII ZR 158/10 - FamRZ 2013, 616 Rn. 19 und vom 17. September 2012 - XII ZR 17/11 - FamRZ 2013, 868 Rn. 29).
20
bb) Nicht zu beanstanden ist nach diesen Maßstäben allerdings die Annahme des Beschwerdegerichts, dass Ratenzahlungen auf die beiden von der Antragsgegnerin behaupteten Verwandtendarlehen nicht als Abzugsposition von ihrem Einkommen berücksichtigt werden können.
21
Die Notwendigkeit der Darlehensaufnahme lässt sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht mit der Finanzierung des - nach dem Auszug des Antragstellers erforderlich gewordenen - Umzugs in eine kleinere Wohnung begründen. Die von der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang konkret geltend gemachten Aufwendungen für die Umzugskosten (1.800 €), den Rückbau von Anschlüssen in der alten Wohnung (157 €), die Verlegung von Fußboden in der neuen Wohnung (3.033 €) und den Kauf eines neuen Kühlschranks (229 €) fallen insgesamt mit rund 5.200 € ins Gewicht, so dass die Antragsgegnerin schon nicht plausibel dargelegt hat, warum zur Finanzierung des Umzugs Darlehen in einer Gesamthöhe von 8.000 € aufgenommen werden mussten. Im Übrigen gilt der Grundsatz, dass in Kenntnis der Unterhaltsverpflichtung eingegangene Schulden des Unterhaltspflichtigen nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie unausweichlich notwendige und nicht durch anderweitige Mittel finanzierbare Anschaffungen oder Dienstleistungen betreffen (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 1993 - XII ZR 115/92 - FamRZ 1994, 824, 825). Jedenfalls soweit die Antragsgegnerin für die Verlegung von Eichenparkettfußboden in ihrer neuen Wohnung Kosten von mehr als 3.000 € geltend machen will, wird die unabweisbare Notwendigkeit eines derart hohen Aufwands für die Wohnungsausstattung kaum zu begründen sein. Ansonsten dürfte der Wohnungswechsel nur einen maßvollen Finanzierungsbedarf erzeugt haben, so dass die geringfügigen Raten auf einen entsprechenden Kredit angesichts der nicht beengten Einkommensverhältnisse der Antragsgegnerin noch zu den - aus dem Selbstbehalt und dem darüber hinaus verfügbaren Einkommen zu tragenden - Kosten der allgemeinen Lebensführung gerechnet werden könnten (vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember 2008 - XII ZR 182/06 - FamRZ 2009, 314 Rn. 30 f.).
22
cc) Soweit das Beschwerdegericht indessen meint, dass auch der (mittlerweile in einen Ratenkredit umgeschuldete) Dispositionskredit auf dem Girokonto der Antragsgegnerin unterhaltsrechtlich nicht beachtlich sei, weil die Antragsgegnerin nicht nachgewiesen habe, dass die Kontenüberziehung auf den von ihr behaupteten Kosten ihrer versicherungsrechtlichen Zusatzausbildung beruht, begegnet dies rechtlichen Bedenken. Auch wenn man - wovon das Beschwerdegericht ersichtlich ausgeht - annehmen wollte, dass die Überziehung des Girokontos der Antragsgegnerin im Wesentlichen durch unangepasstes Konsumverhalten in der Vergangenheit verursacht worden ist, spricht allein dies unter den hier obwaltenden Umständen noch nicht gegen die unterhaltsrechtliche Relevanz dieser Verbindlichkeiten.
23
Richtig ist dabei der Ausgangspunkt, dass Überziehungskredite oder sonstige Konsumkredite, die in Kenntnis der Unterhaltspflicht deswegen aufgenommen worden sind, weil der Unterhaltspflichtige mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zur Bestreitung seiner allgemeinen Lebenshaltungskosten nicht auskommt, unterhaltsrechtlich grundsätzlich nicht berücksichtigt werden können. Denn der Unterhaltsberechtigte muss es nicht hinnehmen, dass sein laufender Unterhalt reduziert werden soll, weil von dem Unterhaltspflichtigen in der Vergangenheit mehr konsumiert als verdient wurde (Erman/Hammermann BGB 13. Aufl. § 1603 Rn. 115).
24
Von gewichtiger Bedeutung für die Berücksichtigungsfähigkeit von Verbindlichkeiten ist auch in diesem Zusammenhang allerdings der Umstand, ob die Schulden zu einem Zeitpunkt entstanden sind, als der Unterhaltspflichtige mit seiner Inanspruchnahme (noch) nicht rechnen musste (vgl. auch Senatsurteil BGHZ 154, 247 = FamRZ 2003, 1179, 1181). Im vorliegenden Fall brauchte die Antragsgegnerin bis zum Auszug des seinerzeit 12-jährigen Antragstellers am 22. Mai 2010 noch nicht davon auszugehen, ihm gegenüber auf absehbare Zeit barunterhaltspflichtig zu werden. Es ist daher nicht ohne weiteres gerechtfertigt , der Antragsgegnerin die unterhaltsrechtliche Berücksichtigung angemessener Zins- und Tilgungsraten zur Rückführung ihres Dispositionskredites, der nach den vorgelegten Kontoauszügen Anfang Mai 2010 mit über 7.500 € valutierte, allein mit Blick auf eine mögliche Vermeidbarkeit der Kontenüberziehung zu versagen.
25
2. Unabhängig von den gegenüber der Einkommensermittlung aufseiten der Antragsgegnerin zu erhebenden Beanstandungen sind auch die weitergehenden Erwägungen des Beschwerdegerichts zu der Frage, ob sich der Kindesvater als anderer unterhaltspflichtiger Verwandter (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB) am Barunterhalt für den Antragsteller beteiligen muss, nicht in jeder Hinsicht frei von rechtlichen Bedenken.
26
a) Richtig ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts. Auch der betreuende Elternteil kommt als anderer unterhaltspflichtiger Verwandter in Betracht, wenn dieser in der Lage ist, unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen neben der Betreuung des Kindes auch dessen Barunterhalt ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Selbstbehaltes aufzubringen. Um die Regel der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB) dabei nicht ins Leere laufen zu lassen, setzt die anteilige oder vollständige Haftung des betreuenden Elternteils für den Barunterhalt des minderjährigen Kindes nach ständiger Rechtsprechung des Senats zusätzlich voraus, dass ohne die Beteiligung des betreuenden Elternteils am Barunterhalt ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern entstehen würde (vgl. zuletzt Senatsurteile BGHZ 189, 284 = FamRZ 2011, 1041 Rn. 41 f. und vom 31. Oktober 2007 - XII ZR 112/05 - FamRZ 2008, 137 Rn. 41 f.).
27
b) Nach diesen Maßstäben kann die Barunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils entfallen oder sich ermäßigen, wenn er zur Unterhaltszahlung nicht ohne Beeinträchtigung seines eigenen angemessenen Unterhalts in der Lage wäre. Kann der barunterhaltspflichtige Elternteil demgegenüber - wie es hier der Fall sein dürfte - auch bei Zahlung des vollen Kindesunterhalts seinen angemessenen Selbstbehalt noch verteidigen, wird eine vollständige oder anteilige Haftung des betreuenden Elternteils für die Aufbringung des Barunterhalts nur in wenigen, besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen (Senatsurteil vom 20. März 2002 - XII ZR 216/00 - FamRZ 2002, 742).
28
aa) Die Frage, wann ein solcher Ausnahmefall vorliegt, kann - wovon das Beschwerdegericht im Grundsatz zutreffend ausgeht - nicht in jedem Einzelfall schematisch durch die Gegenüberstellung der beiderseitigen, aufseiten des barunterhaltspflichtigen Elternteils gegebenenfalls auch fiktiven (vgl. MünchKommBGB /Born 6. Aufl. § 1603 Rn. 114; OLG Köln OLGR 2003, 340, 343; OLG Bamberg FamRZ 1995, 566 f.) Nettoeinkünfte beurteilt werden (vgl. Palandt /Brudermüller BGB 72. Aufl. § 1606 Rn. 16). Vielmehr ist die unterhaltsrechtliche Belastung der Elternteile im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsabwägung angemessen zu würdigen. Aufseiten des barunterhaltspflichtigen Elternteils kann daher insbesondere berücksichtigt werden, ob sein eigener Unterhalt in neuer Lebensgemeinschaft gesichert ist (vgl. FAKomm-FamR/Klein 4. Aufl. § 1603 BGB Rn. 41). Demgegenüber wird es aufseiten des betreuenden Elternteils vor allem darauf ankommen, inwieweit dieser aufgrund der individuellen Verhältnisse durch die Übernahme der Kindesbetreuung neben der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit belastet wird; im Rahmen der Gesamtbetrachtung kann daneben aber auch die Belastung des betreuenden Elternteils mit anderen - gegebenenfalls auch nachrangigen - Unterhaltspflichten von Bedeutung sein. Daneben ist zugunsten eines wirtschaftlich besser gestellten betreuenden Elternteils zu bedenken, dass das minderjährige Kind faktisch auch dessen gehobene Lebensverhältnisse teilt; ein dadurch erzeugter zusätzlicher Barbedarf des Kindes muss von vornherein allein durch den betreuenden Elternteil befriedigt werden (vgl. Gutdeutsch FamRZ 2006, 1724, 1727).
29
bb) Wenn der betreuende Elternteil etwa über das Dreifache der unterhaltsrelevanten Nettoeinkünfte des an sich barunterhaltspflichtigen Elternteils verfügt, nähert sich die Einkommensdifferenz einer Grenze, an der es unter gewöhnlichen Umständen der Billigkeit entsprechen kann, den betreuenden Elternteil auch den Barunterhalt für das Kind in voller Höhe aufbringen zu lassen (vgl. Wendl/Klinkhammer 8. Aufl. § 2 Rn. 434; Botur in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1603 BGB Rn. 99; vgl. zuletzt auch OLG Naumburg FamRZ 2013, 796; OLG Brandenburg JAmt 2012, 710, 711 f.; OLG Celle NJW 2009, 521, 523).
30
Unterhalb dieser Schwelle wird auch bei einer erheblichen Einkommensdifferenz eine vollständige Enthaftung des an sich barunterhaltspflichtigen Elternteils häufig ausscheiden; in welchem Umfang der nicht betreuende Elternteil in solchen Fällen bei der Aufbringung des Barunterhalts ausnahmsweise entlastet werden kann, hat vorrangig der Tatrichter unter Berücksichtigung der vorstehenden Gesichtspunkte in eigener Verantwortung zu prüfen. Der Senat hat grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken dagegen, im rechnerischen Ausgangspunkt auf den Verteilungsmaßstab der elterlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) zurückzugreifen. Wird allerdings bei der Quotenberechnung das vergleichbare Einkommen der Eltern dadurch bestimmt, dass von den unterhaltsrelevanten Einkünften beider Elternteile gleichermaßen der angemessene Selbstbehalt als Sockelbetrag abgezogen wird, müssen die auf diese Weise ermittelten Haftungsanteile in aller Regel zugunsten des betreuenden Elternteils wertend verändert werden, um der Gleichwertigkeitsregel des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB Geltung zu verschaffen (vgl. auch Erdrich in Scholz/Kleffmann/Motzer Praxishandbuch Familienrecht [Bearbeitungsstand: Januar 2013] Teil I Rn. 149). Denkbar erscheint es auch, dem betreuenden Elternteil bereits bei der Bestimmung des vergleichbaren Einkommens im Rahmen der Quotenberechnung einen höheren Sockelbetrag zu gewähren (vgl. etwa Gutdeutsch FamRZ 2006, 1724, 1727; Scholz FamRZ 2006, 1728, 1730). Auch bei erheblich günstigeren Einkommensverhältnissen des betreuenden Elternteils kann die Würdigung des Tatrichters somit zu dem Ergebnis führen, dass der nicht betreuende Elternteil im erhöhten Maße und gegebenenfalls auch allein zur Aufbringung des Barunterhalts heranzuziehen ist.
31
c) Das Beschwerdegericht hat insoweit zutreffend in seine Abwägungen einbezogen, dass der Kindesvater gegenüber seiner Ehefrau, die selbst nur über geringe Einkünfte verfügt, unterhaltspflichtig ist. Mit Recht wendet sich die Rechtsbeschwerde allerdings gegen die Ansicht des Beschwerdegerichts, wonach auch der Umstand, dass die Eltern des Kindes niemals verheiratet waren, einer Entlastung des an sich barunterhaltspflichtigen Elternteils entgegenstehen könnte. Bei der Frage, ob ohne eine Beteiligung des betreuenden Elternteils an der Aufbringung des Barunterhalts ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern entstehen würde, geht es in erster Linie um die gerechte Aufteilung der aus der elterlichen Verantwortung herrührenden Belastungen beider Elternteile. Sie ist deshalb unabhängig davon zu beantworten, ob es sich um Eltern eines nichtehelich geborenen Kindes oder um getrennt lebende bzw. geschiedene Eltern handelt.
32
3. Die angefochtene Entscheidung kann somit keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, zumal das Beschwerdegericht selbst davon ausgeht, dass seine Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen des Kindesvaters hinsichtlich der unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Abzugspositionen noch nicht vollständig sind.
33
Der Senat macht von der Möglichkeit des § 74 Abs. 6 Satz 3 FamFG Gebrauch. Dose Weber-Monecke Schilling Günter Botur
Vorinstanzen:
AG Hamburg-Wandsbek, Entscheidung vom 12.01.2011 - 733 F 189/10 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 25.04.2012 - 2 UF 39/11 -

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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 74 Entscheidung über die Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1603 Leistungsfähigkeit


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Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.
Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2013 - XII ZB 297/12 zitiert 7 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 74 Entscheidung über die Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1603 Leistungsfähigkeit


(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. (2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren min

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1601 Unterhaltsverpflichtete


Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1610 Maß des Unterhalts


(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). (2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf,

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1606 Rangverhältnisse mehrerer Pflichtiger


(1) Die Abkömmlinge sind vor den Verwandten der aufsteigenden Linie unterhaltspflichtig. (2) Unter den Abkömmlingen und unter den Verwandten der aufsteigenden Linie haften die näheren vor den entfernteren. (3) Mehrere gleich nahe Verwandte ha

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2013 - XII ZB 297/12 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2013 - XII ZB 297/12 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 20. März 2002 - XII ZR 216/00

bei uns veröffentlicht am 20.03.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 216/00 Verkündet am: 20. März 2002 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Jan. 2013 - XII ZR 158/10

bei uns veröffentlicht am 30.01.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 158/10 Verkündet am: 30. Januar 2013 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nei

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Juni 2001 - XII ZR 135/99

bei uns veröffentlicht am 27.06.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 135/99 Verkündet am: 27. Juni 2001 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGB

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Dez. 2008 - XII ZR 182/06

bei uns veröffentlicht am 03.12.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 182/06 Verkündet am: 3. Dezember 2008 Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2013 - XII ZB 297/12.

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2013 - XII ZB 298/12

bei uns veröffentlicht am 10.07.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS XII ZB 298/12 Verkündet am: 10. Juli 2013 Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Mai 2019 - XII ZB 613/16

bei uns veröffentlicht am 22.05.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS XII ZB 613/16 Verkündet am: 22. Mai 2019 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: n

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Nov. 2016 - XII ZB 227/15

bei uns veröffentlicht am 09.11.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS XII ZB 227/15 Verkündet am: 9. November 2016 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Feb. 2015 - XII ZB 181/14

bei uns veröffentlicht am 11.02.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS XII ZB181/14 Verkündet am: 11. Februar 2015 Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.

(1) Die Abkömmlinge sind vor den Verwandten der aufsteigenden Linie unterhaltspflichtig.

(2) Unter den Abkömmlingen und unter den Verwandten der aufsteigenden Linie haften die näheren vor den entfernteren.

(3) Mehrere gleich nahe Verwandte haften anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Der Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes.

(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.

Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 135/99 Verkündet am:
27. Juni 2001
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Eine im Zeitpunkt der Scheidung nur latent vorhandene Erkrankung kann jedenfalls
dann keinen Unterhaltsanspruch nach § 1572 Nr. 1 BGB begründen, wenn
sie nicht in nahem zeitlichen Zusammenhang mit der Scheidung ausgebrochen ist
und zur Erwerbsunfähigkeit des Unterhaltsberechtigten geführt hat.

b) Zum Unterhaltsanspruch nach § 1572 Nr. 4 BGB.
BGH, Urteil vom 27. Juni 2001 - XII ZR 135/99 - OLG Karlsruhe
AG Ettlingen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die
Richter Gerber, Sprick, Weber-Monecke und Fuchs

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 19. März 1999 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt. Die 1975 geschlossene Ehe der Parteien, die beide 1956 geboren sind, ist seit dem 28. November 1991 rechtskräftig geschieden. Die elterliche Sorge für die aus der Ehe hervorgegangenen Söhne Manuel, geboren am 2. November 1975, und Benjamin, geboren am 29. Oktober 1977, wurde dem Beklagten übertragen. Dieser ist wieder verheiratet. Aus der neuen Ehe hat er drei Kinder. Außerdem versorgte er ein schwerbehindertes Pflegekind.
Die Klägerin war bis zu der Trennung der Parteien im Dezember 1990 nicht oder nur vorübergehend erwerbstätig. Ab Februar 1991 war sie im Umfang von 20 Wochenstunden und ab November 1991 von 30 Wochenstunden als Krankenpflegehelferin tätig. Eine im April 1992 begonnene Ausbildung zur Kinderkrankenschwester brach sie im Oktober 1993 wegen gesundheitlicher Beschwerden ab. In der Folgezeit bezog sie nacheinander Krankengeld, Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe. Seit dem 1. Juli 1997 erhielt die Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die bis zum 30. Juni 1999 befristet war. Der Beklagte ist Krankenpfleger. Neben der Tätigkeit in seinem erlernten Beruf geht er, wie bereits vor der Scheidung, einer geringfügigen Zusatzbeschäftigung (Auslieferung von Medikamenten) nach. Außerdem erhielt er für das schon während der Ehe mit der Klägerin betreute Pflegekind Pflegegeld sowie Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz. Die Klägerin nimmt den Beklagten mit der Behauptung, arbeitsunfähig erkrankt zu sein, für die Zeit ab Dezember 1994 auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Anspruch. Sie verlangt bis einschließlich Juli 1995 - unter Berücksichtigung vom Beklagten geleisteter Unterhaltszahlungen - insgesamt 6.821,70 DM sowie ab August 1995 monatlich 1.393,82 DM, jeweils zuzüglich Zinsen. Der Beklagte hat die Erkrankung der Klägerin bestritten und geltend gemacht, sie lebe mit einem neuen Partner in einer eheähnlichen Verbindung. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Unterhaltsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht. 1. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in FamRZ 2000, 233 veröffentlicht ist, hat einen vertraglichen Anspruch der Klägerin auf Unterhalt mit der Begründung verneint, daß sie das Zustandekommen einer Unterhaltsvereinbarung nicht substantiiert dargelegt habe. Dagegen bestehen aus Rechtsgründen keine Bedenken. Auch die Revision erhebt insoweit keine Einwendungen. 2. a) Die Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs nach § 1572 Nr. 1 BGB hat das Berufungsgericht - in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht - nicht als erfüllt angesehen, weil nicht davon ausgegangen werden könne, daß von der Klägerin vom Zeitpunkt der Scheidung am 28. November 1991 an wegen Krankheit eine Erwerbstätigkeit nicht mehr habe erwartet werden können. Hierzu hat es im wesentlichen ausgeführt: Es könne zwar nicht ausgeschlossen werden, daß eine krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem Jahre 1994, als die Erkrankung der Klägerin als sogenanntes Sjoegren-Syndrom diagnostiziert worden sei, vorgelegen habe. Vor Oktober 1993, als sie die Ausbildung zur Kinderkrankenschwester abgebrochen habe, könne eine Erwerbsunfähigkeit aber jedenfalls nicht festgestellt werden. Die Klägerin habe selbst nicht geltend gemacht, ihre damals schon bestehende Krankheit habe sie bis dahin an einer Erwerbstätigkeit gehindert. Das werde durch ihre berufliche Entwicklung bestätigt. Die seit Februar 1991 ausgeübte Halbtagsbeschäftigung habe die Klägerin im November 1991 auf 30 Wochenstunden ausgeweitet. Im April 1992 habe s ie ihre - nicht durch Krankheit veranlaßte - Umschulung begonnen. Es sei zwar anerkannt, daß der erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen dem Einsatzzeitpunkt und der Krankheit auch dann noch bestehen
könne, wenn diese erst nach jenem Zeitpunkt ausgebrochen sei. Das gelte aber nur bei enger zeitlicher Abfolge, an der es bei einem zeitlichen Abstand von etwa 23 Monaten (vom 28. November 1991 bis Oktober 1993) fehle. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung und den Angriffen der Revision stand.
b) Die Revision beanstandet die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe nicht geltend gemacht, schon vor Oktober 1993 sei eine Erwerbstätigkeit von ihr nicht zu erwarten gewesen. Die Klägerin habe durch Antrag auf Einholung eines fachärztlichen Gutachtens den Beweis dafür angetreten , daß wegen ihrer rheumatischen Erkrankung, die 1994 als SjoegrenSyndrom diagnostiziert worden sei, schon im Zeitpunkt der Scheidung, jedenfalls in nahem Zusammenhang mit ihr, eine Erwerbstätigkeit von ihr nicht habe erwartet werden können. Den Beweisantrag, der in Verbindung mit dem weiteren Vorbringen des betreffenden Schriftsatzes nicht anders verstanden werden könne, habe das Berufungsgericht übergangen. Diese Rüge bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht brauchte dem Beweisantrag nicht nachzugehen, da das Vorbringen der Klägerin nicht hinreichend substantiiert ist. Ein geschiedener Ehegatte kann nach § 1572 BGB Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm von dem jeweiligen Einsatzzeitpunkt an wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Der Unterhalt begehrende Ehegatte muß, um die Voraussetzungen der genannten Vorschrift darzutun, im einzelnen die Krankheiten, an denen er leidet, angeben und vortragen, inwiefern sich diese auf seine Erwerbsfähigkeit auswirken. Er
darf sich nicht generell auf eine Erwerbsunfähigkeit i.S. des § 1572 BGB berufen , sondern von ihm ist, insbesondere im Hinblick darauf, daß nur eine teilweise Erwerbsunfähigkeit vorliegen kann, zu verlangen, daß er Art und Umfang der gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Leiden darlegt. Darüber hinaus bezieht sich die Darlegungslast auf das Bestehen des Anspruchs zu dem maßgebenden Einsatzzeitpunkt (Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts 4. Aufl. Kap. IV Rdn. 214; Griesche in FamGb § 1572 Rdn. 6; vgl. auch Senatsurteil vom 16. Dezember 1987 - IVb ZR 102/86 - FamRZ 1988, 265, 266 unter I 3). Den vorgenannten Anforderungen genügt das Vorbringen der Klägerin nicht, soweit sie einen Unterhaltsanspruch nach § 1572 Nr. 1 BGB (Einsatzzeitpunkt der Scheidung) geltend macht. Die Klägerin hat in dem von der Revision in Bezug genommenen Schriftsatz ausgeführt, zur Zeit der Trennung im Dezember 1990 sei es ihr gesundheitlich sehr schlecht gegangen, eine Kur im Herbst 1990 habe nichts geändert; bereits damals habe sie an der rheumatischen Krankheit gelitten, die Gelenkerkrankung habe sich schon etwa 20 Jahre zuvor gezeigt; Anfang 1997 habe sie sich zur stationären Behandlung in einer Klinik für Rheumakranke befunden. Sie sei deshalb nicht nur wegen einer Allergie , sondern auch wegen ihrer rheumatischen Erkrankung nicht mehr arbeitsfähig gewesen; dies gelte auch weiterhin. Der bloße Hinweis auf eine seit längerem vorliegende rheumatische Erkrankung läßt indessen weder erkennen, welche konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestanden noch inwieweit sich diese auf die Erwerbsfähigkeit der Klägerin ausgewirkt haben. Entsprechende Ausführungen wären im vorliegenden Fall auch mit Rücksicht darauf, daß die Klägerin im Februar 1991 eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und diese ab November 1991, also etwa
zur Zeit der Scheidung, erweitert hat, erforderlich gewesen. Abgesehen davon läßt das Vorbringen der Klägerin aber auch nicht eindeutig erkennen, auf welchen Zeitpunkt sich ihre Behauptung, nicht mehr erwerbsfähig gewesen zu sein, bezieht. Es bleibt unklar, ob dies bereits durchgehend für die Zeit nach der Trennung oder erst für einen späteren, längere Zeit nach der Scheidung liegenden Zeitpunkt geltend gemacht wird. Letzteres kommt vor allem auch deshalb in Betracht, weil die Klägerin in dem betreffenden Schriftsatz ebenfalls vorgetragen hat, sie leide seit Juni 1993 an einer allergischen Lungenerkrankung , deretwegen sie nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten dürfe. Deshalb läßt sich ihr Vorbringen auch nicht hinreichend dem Einsatzzeitpunkt der Scheidung zuordnen.
c) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Unterhaltstatbestand des § 1572 Nr. 1 BGB liege nicht vor, ist nach den somit verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen auch rechtlich nicht zu beanstanden. Von einer krankheitsbedingten - vollen oder teilweisen - Erwerbsunfähigkeit unmittelbar vom Zeitpunkt der Scheidung an kann schon nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht ausgegangen werden. Damit scheidet auch die Möglichkeit aus, den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit deshalb noch dem Zeitpunkt der Scheidung zuzurechnen, weil sich ein zu dieser Zeit bereits vorhandenes, die Erwerbsfähigkeit minderndes Leiden verschlimmert und schließlich zur vollständigen Erwerbsunfähigkeit geführt hätte (vgl. Senatsurteil vom 25. März 1987 - IVb ZR 32/86 - FamRZ 1987, 684, 685). Für die Entstehung eines Unterhaltsanspruchs nach § 1572 BGB wird es zwar ferner als ausreichend erachtet, wenn eine Krankheit zu einem der Einsatzzeitpunkte nur latent vorhanden war und in nahem zeitlichen Zusammenhang damit ausgebrochen ist und zur Erwerbsunfähigkeit geführt hat (MünchKomm/Maurer BGB
4. Aufl. § 1572 Rdn. 11; Griesche aaO § 1572 Rdn. 12; OLG Stuttgart FamRZ 1983, 501, 503; OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 104, 106; das bloße Vorliegen einer latenten Erkrankung erachten demgegenüber als ausreichend: Erman/ Dieckmann BGB 10. Aufl. § 1572 Rdn. 6; Soergel/Häberle BGB 12. Aufl. § 1572 Rdn. 6; Rolland 1. EheRG 2. Aufl. § 1572 Rdn. 5; Gernhuber /Coester-Waltjen Familienrecht 4. Aufl. § 30 IV 2, Fußn. 9; a.A. für den Fall, daß im Einsatzzeitpunkt selbst noch keine Erwerbsunfähigkeit vorlag: Staudinger /Verschraegen BGB 12. Aufl. § 1572 Rdn. 22). Ob dieser Auffassung zu folgen ist oder ob damit die Anforderungen an die Einsatzzeitpunkte untergraben werden, bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner Entscheidung. Denn es fehlt an dem nach Auffassung des Senats jedenfalls erforderlichen nahen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Scheidung und dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit. Letztere kann im Hinblick auf fehlenden substantiierten Sachvortrag der Klägerin nicht vor dem aus gesundheitlichen Gründen erfolgten Abbruch der Ausbildung zur Kinderkrankenschwester im Oktober 1993 angesetzt werden, so daß seit der Scheidung ca. 23 Monate verstrichen waren. Unter diesen Umständen kann der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nicht mehr dem Zeitpunkt der Scheidung zugerechnet werden. Eine großzügigere Betrachtungsweise würde der gesetzgeberischen Intention zuwiderlaufen, schicksalsbedingte Ereignisse, die sich nach der Scheidung im Leben eines der geschiedenen Ehegatten einstellen, grundsätzlich nicht zu Lasten des anderen Ehegatten gehen zu lassen, weshalb Erkrankungen, die nach der Scheidung auftreten und ohne unmittelbaren Zusammenhang mit der Ehe stehen, nicht zu einem Unterhaltsanspruch nach § 1572 BGB führen sollten (BT-Drucks. 7/650 S. 124). 3. a) Das Berufungsgericht hat auch einen Unterhaltsanspruch nach § 1572 Nr. 4 BGB verneint und insofern zur Begründung ausgeführt: Der
Wegfall der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach § 1573 BGB als Einsatzzeitpunkt für einen Unterhaltsanspruch nach § 1572 BGB komme der Klägerin nicht zugute, weil ein Anspruch nach § 1573 BGB im Oktober 1993, als ihre Erwerbsfähigkeit erstmals durch Krankheit beeinträchtigt gewesen sei, nicht bestanden habe. Die Klägerin habe nämlich im Zeitpunkt der Scheidung und noch danach aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit Einkünfte erzielt, die ihren vollen Unterhalt im Sinne des § 1578 BGB gedeckt hätten. Zum Zeitpunkt der Scheidung habe sie als Krankenpflegehelferin monatlich rund 1.700 DM netto verdient; nach Abzug des sogenannten Erwerbstätigenbonus , der mit 10 % bemessen werde, seien monatlich 1.530 DM verblieben. Hinzuzurechnen seien Zinseinkünfte von monatlich mindestens 275 DM, die die Klägerin aus der Anlage eines Teils des ihr am 20. November 1991, also kurz vor der Scheidung, zugeflossenen Zugewinnausgleichs von 150.000 DM habe erzielen können. Damit habe ihr mehr zur Verfügung gestanden , als den ehelichen Lebensverhältnissen entsprochen habe. Diese seien allein durch die Einkünfte des Beklagten aus Erwerbstätigkeit und beider Parteien aus Vermögen bestimmt gewesen. Das Einkommen der Klägerin habe die ehelichen Lebensverhältnisse dagegen nicht geprägt, weil sie eine Erwerbstätigkeit erst nach der Trennung in Erfüllung der Obliegenheit aufgenommen habe, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen. Daß die Tätigkeit schon in der Ehe angelegt gewesen sei und deshalb auch ohne die Trennung erfolgt wäre, habe die Klägerin selbst nicht geltend gemacht. Der Beklagte habe nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Amtsgerichts monatlich 2.556 DM verdient. Hinzuzurechnen seien die Einkünfte aus seiner Nebentätigkeit von monatlich 470 DM sowie der durch die Kosten der Pflege nicht verbrauchte Teil des für das Pflegekind gezahlten Pflegegeldes mit monatlich 785 DM. Von dem Gesamteinkommen von 3.811 DM verblieben nach Abzug des Erwerbstätigen-
bonus (381 DM) monatlich 3.430 DM. Unter Einbeziehung des (nach Abzug des Finanzierungsaufwandes verbleibenden) Mietwertes des ehemals gemeinsamen Hauses, den das Amtsgericht auf 600 DM monatlich geschätzt habe, ergäben sich Gesamteinkünfte von monatlich 4.030 DM. Der Unterhalt für die zur Zeit der Scheidung 13 und 15 Jahre alten Kinder sei nach der Düsseldorfer Tabelle mit insgesamt 1.210 DM abzusetzen, so daß für beide Parteien 2.820 DM zur Verfügung gestanden hätten. Hiervon seien auf die Klägerin 1.410 DM entfallen.
b) Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken , soweit sie die Ausgestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien sowie die davon abhängige Frage betreffen, ob die Klägerin ihren hieran ausgerichteten Unterhaltsbedarf durch eigene Einkünfte decken konnte. Der Senat hat nach Erlaß des angefochtenen Urteils entschieden, daß jedenfalls in den Fällen, in denen der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Scheidung Einkommen erzielt oder erzielen könnte, welches gleichsam als Surrogat des wirtschaftlichen Wertes seiner bisherigen Haushaltstätigkeit angesehen werden kann, dieses Einkommen nach der sogenannten Differenzmethode in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen ist. Dabei ist an die Überlegung angeknüpft worden, daß die während der Ehe erbrachte Familienarbeit den ehelichen Lebensstandard geprägt und auch wirtschaftlich verbessert hat und als eine der Erwerbstätigkeit gleichwertige Leistung anzusehen ist. Der in dieser Weise von beiden Ehegatten erreichte Lebensstandard soll ihnen nach Auffassung des Senats auch nach der Scheidung zu gleichen Teilen zustehen. Nimmt der haushaltsführende Ehegatte nach der Scheidung eine Erwerbstätigkeit auf oder erweitert sie über den bisherigen Umfang hinaus, so kann sie als Surrogat für seine bisherige Familienarbeit angesehen werden.
Der Wert seiner Haushaltsleistungen spiegelt sich dann in dem erzielten oder erzielbaren Einkommen wider, von Ausnahmen einer ungewöhnlichen, vom Normalverlauf erheblich abweichenden Karriereentwicklung abgesehen. Aus dieser Sicht hat der Senat es für gerechtfertigt gehalten, das Ersatzeinkommen in die Bedarfsbemessung einzubeziehen und in die Differenzrechnung einzustellen. Damit wird gewährleistet, daß - ebenso wie früher die Familienarbeit beiden Ehegatten zu gleichen Teilen zugute kam - nunmehr das beiderseitige Einkommen zwischen ihnen nach dem Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe aufgeteilt wird (Senatsurteil vom 13. Juni 2001 - XII ZR 343/99 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Ausgehend hiervon erweist sich die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe aus ihrer Erwerbstätigkeit Einkünfte erzielt, die ihren vollen Unterhalt nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse gedeckt hätten, nicht als zutreffend. Das von der Klägerin erzielte Einkommen ist als Surrogat für ihre bisherige Familienarbeit anzusehen und bei der Bedarfsermittlung nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse ebenfalls zu berücksichtigen. Diese waren deshalb, ausgehend von der vom Berufungsgericht angestellten Berechnung , durch ein Gesamteinkommen von 4.350 DM (2.820 DM + 1.530 DM) geprägt. Der Bedarf der Klägerin würde sich danach auf monatlich 2.175 DM belaufen. Nach Abzug ihres vom Berufungsgericht mit insgesamt 1.805 DM (1.530 DM + 275 DM) angesetzten Einkommens würde ein offener Bedarf von monatlich 370 DM verbleiben. Da nach den bisherigen Feststellungen somit nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Klägerin die Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs nach § 1573 BGB erfüllte, als sie krankheitsbedingt erwerbsunfähig wurde, kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Der Senat ist
nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu befinden, da die hierfür erforderlichen Feststellungen, insbesondere zu der weiteren Entwicklung der ehelichen Lebensverhältnisse nach der Scheidung, zur Leistungsfähigkeit des Beklagten sowie zu dem von ihm geltend gemachten Ausschluß eines Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Nr. 7 BGB, aus der Sicht des Berufungsgerichts folgerichtig , bisher nicht getroffen worden sind. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. 4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
a) Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, daß es der Klägerin nach der Scheidung oblegen hätte, ihre Teilzeitbeschäftigung auf eine Ganztagstätigkeit auszudehnen, und hat ihr deshalb neben dem tatsächlich erzielten Einkommen monatlich weitere 425 DM fiktiv zugerechnet. Falls das Berufungsgericht in dem weiteren Verfahren zu dem Ergebnis gelangen sollte, daß dieser Beurteilung zu folgen ist, kommt ein Unterhaltsanspruch nach § 1573 Abs. 1 BGB nicht in Betracht. Vorliegen können jedoch die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB, denn auch tatsächlich nicht erzielte, aber erzielbare Einkünfte sind nach der geänderten Rechtsprechung des Senats grundsätzlich als die ehelichen Lebensverhältnisse prägend anzusehen und bestimmen mithin den Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten.
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, daß es der Klägerin im Umfang ihres Erwerbseinkommens gelungen sei, ihren Unterhalt im Sinne des § 1573 Abs. 4 BGB nachhaltig zu sichern. Diese in tatrichterlicher Verantwortung erfolgte Beurteilung, der die nach der Rechtsprechung des Senats maßgebenden Kriterien zugrunde gelegt worden sind (vgl. Senatsurteil vom
9. Oktober 1985 - IVb ZR 56/84 - FamRZ 1985, 1234, 1235), ist rechtlich nicht zu beanstanden.
c) Bestand bei Beginn des Anschlußunterhalts nach § 1572 Nr. 4 BGB aufgrund eines weggefallenen früheren Anspruchsgrundes (§ 1573 Abs. 1, 2 BGB) aber nur ein Anspruch auf einen Teil des vollen Bedarfs, so entsteht auch der Anspruch auf Anschlußunterhalt nur als solcher auf Teilunterhalt. Eine andere Auslegung des Wortlauts des § 1572 BGB, insbesondere des Wortes "soweit", stünde im Widerspruch zu dem Zweck der Einsatzzeitpunkte, die zu den Schutzvorschriften zugunsten des Unterhaltspflichtigen gehören (Erman /Dieckmann aaO § 1572 Rdn. 8; Gerhardt Handbuch des Fachanwalts Familienrecht 3. Aufl. 6. Kap. Rdn. 350; Göppinger/Bäumel Unterhaltsrecht 7. Aufl. Rdn. 1013; Johannsen/Henrich/Büttner Eherecht 3. Aufl. § 1572 Rdn. 4; MünchKomm/ Maurer aaO § 1572 Rdn. 16; Palandt/Brudermüller BGB 60. Aufl. § 1572 Rdn. 11; Rolland aaO § 1571 Rdn. 15; Wendl/Pauling Unterhaltsrecht 5. Aufl. § 4 Rdn. 50, jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ). Maßgebend für die Bemessung des Teilanschlußunterhalts ist die Quote des nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse ungedeckten Bedarfs des Unterhaltsberechtigten in dem Zeitpunkt, in dem sein Unterhalt im übrigen nachhaltig gesichert war. Der hier in Betracht kommende Anspruch auf Anschlußunterhalt nach § 1572 Nr. 4 BGB setzt weiterhin voraus, daß der Tatbestand eines Unterhaltsanspruches nach § 1573 BGB bis zum Einsatzzeitpunkt durchgehend erfüllt war (Johannsen/Henrich/Büttner aaO; Gerhardt aaO; Wendl/Pauling aaO; Palandt/Brudermüller aaO). Auch letzteres läßt sich bisher nicht beurteilen, da zu der Einkommensentwicklung der Klägerin nach Aufnahme der Ausbildung sowie zu dem hierfür erforderlichen zeitlichen Einsatz keine Feststellungen getroffen worden sind.

Blumenröhr Gerber Sprick Weber-Monecke Fuchs

(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.

(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt).

(2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung.

19
Die besonderen Anforderungen, die an gesteigert unterhaltspflichtige Eltern gestellt werden, betreffen aber nicht nur die Ausnutzung der Arbeitskraft, sondern auch einen eventuellen Verzicht, der ihnen im Ausgabenbereich zuzumuten ist. Ob eine Verpflichtung unterhaltsrechtlich als abzugsfähig anzuerkennen ist, muss deshalb im Einzelfall unter umfassender Interessenabwägung beurteilt werden. Dabei kommt es insbesondere auf den Zweck der Verbindlichkeit , den Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Kenntnis des Unterhaltspflichtigen von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld und andere Umstände an (Senatsurteile vom 18. März 1992 - XII ZR 1/91 - FamRZ 1992, 797, 798 und vom 9. Mai 1984 - IVb ZR 74/82 - FamRZ 1984, 657, 658).
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4. Soweit das Berufungsgericht eine Berücksichtigung der Kreditverpflichtung des Beklagten abgelehnt hat, hält dies im Ergebnis der revisionsrechtlichen Prüfung stand. Allerdings kann die Begründung des Oberlandesgerichts nicht überzeugen. Denn der aufgenommene Kredit beläuft sich ohnehin nur auf knapp 900 € und die monatliche Rate beträgt lediglich 35 €. Wenn das Oberlandesgericht meint, den Beklagten treffe aus unterhaltsrechtlicher Sicht eine Obliegenheit, eine kostengünstigere gebrauchte Küche anzuschaffen, hätte es folgerichtig Kreditraten für deren Kosten berücksichtigen müssen.

(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.

(1) Die Abkömmlinge sind vor den Verwandten der aufsteigenden Linie unterhaltspflichtig.

(2) Unter den Abkömmlingen und unter den Verwandten der aufsteigenden Linie haften die näheren vor den entfernteren.

(3) Mehrere gleich nahe Verwandte haften anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Der Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 216/00 Verkündet am:
20. März 2002
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zum Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes gegen den nicht betreuenden
Elternteil, dessen eigener angemessener Unterhalt in einer neuen Ehe gesichert ist.
BGH, Urteil vom 20. März 2002 - XII ZR 216/00 - OLG Düsseldorf
AG Moers
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. März 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Weber-Monecke, Fuchs und Dr. Ahlt

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 29. Juni 2000 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die am 15. Februar 1985 geborene Klägerin stammt aus der 1990 geschiedenen Ehe der Beklagten mit dem Kindesvater, in dessen Haushalt sie seit Juni 1999 lebt. Ihr rund drei Jahre jüngerer Bruder lebt seit der Scheidung bei der Beklagten. Beide Eltern sind wieder verheiratet. Die Beklagte erzielt aus einer Teilzeitbeschäftigung ein monatliches Einkommen von zumindest 580 DM und seit dem 1. September 1999 von 630 DM. Ihr Ehemann verdient ausweislich einer Verdienstbescheinigung für Dezember 1999 monatlich netto 3.631,08 DM und hat für 1999 eine Steuerrückzahlung in Höhe von 1.528,60 DM erhalten.
Der Vater der Klägerin, aus dessen neuer Ehe ein Kind hervorgegangen ist, erzielt ein Nettoeinkommen von mindestens rund 7.450 DM. Ob seine Ehefrau aus ihrer Erwerbstätigkeit Einkommen erzielt, ist streitig. Die Klägerin verlangt rückständigen Kindesunterhalt für die Monate Juni bis August 1999 sowie laufenden Kindesunterhalt seit September 1999. Ihre Klage blieb im ersten Rechtszug ohne Erfolg. Auf ihre Berufung hat das Oberlandesgericht die Beklagte verurteilt, an sie für Juni 1999 eine Unterhaltsrente von 377 DM, für Juli bis Dezember 1999 von monatlich 385 DM und seit dem 1. Januar 2000 von monatlich 375 DM zu zahlen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat der Klägerin, die unstreitig außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 BGB), den jeweiligen Mindestunterhalt nach der sogenannten Düsseldorfer Tabelle (Stand 1. Juli 1998 = FamRZ 1998, 534 ff., Stand 1. Juli 1999 = FamRZ 1999, 766 ff.) abzüglich des hälftigen Kindergeldes zugesprochen und dazu ausgeführt, die Barunterhaltspflicht der Beklagten sei nicht gemäß § 1603 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Dies hält den Angriffen der Revision stand.
1. Die Beklagte kann die der Klägerin zugesprochenen Unterhaltsbeträge aus ihrem Verdienst von 580 bzw. 630 DM monatlich - auch nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen - zahlen, ohne ihren eigenen angemessenen Unterhalt zu gefährden. Dieser ist nämlich nach den zutreffenden Feststellungen des Berufungsgerichts durch ihre hälftige Beteiligung an dem von ihrem Ehemann und ihr erzielten Gesamteinkommen gesichert. Entgegen der Auffassung der Revision ist ihr Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann bei der Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit nicht erst im Rahmen einer erweiterten Leistungspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 23. Januar 1980 - IV ZR 2/78 - FamRZ 1980, 555 f.), sondern auch schon bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Rahmen des § 1603 Abs. 1 BGB (vgl. Senatsurteil vom 31. März 1982 - IVb ZR 667/80 - FamRZ 1982, 590, 591). Der Umstand der Wiederverheiratung des barunterhaltspflichtigen Elternteils ist nämlich unterhaltsrechtlich beachtlich. So wie die Wiederheirat dazu führen kann, daû sich das ersteheliche Kind eine Schmälerung seines Unterhaltsanspruchs als Folge des Hinzutritts weiterer minderjähriger Kinder aus der neuen Ehe des Barunterhaltspflichtigen entgegenhalten lassen muû, kann sich die Wiederverheiratung auch, wie im vorliegenden Fall, zum Vorteil des erstehelichen Kindes auswirken. Da das Gesetz in § 1603 BGB auf die tatsächlichen Verhältnisse des Unterhaltsverpflichteten abstellt und seine Unterhaltspflicht danach bemiût, ob und inwieweit er imstande ist, den begehrten Unterhalt ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts zu gewähren , ist hier die Sicherstellung des eigenen Unterhalts der Beklagten in der neuen Ehe zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 18. Oktober 2000 - XII ZR 191/98 - FamRZ 2001, 1065, 1067 f.).
Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts betrug das gemeinsame bereinigte Nettoeinkommen der Beklagten und ihres Ehemannes bis Ende August 1999 4.105,54 DM und danach 4.155,54 DM. Hiervon stand beiden Ehegatten je die Hälfte = 2.052,77 DM bzw. 2.077,77 DM zu, da im Rahmen des Familienunterhalts nach § 1360 BGB ein Erwerbstätigenbonus zugunsten des allein oder mehr verdienenden Ehegatten entgegen der von der Revision in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung nicht in Betracht kommt. Unter Berücksichtigung der der Klägerin zugesprochenen Unterhaltszahlungen von 377 DM, 385 DM bzw. 375 DM verbleiben der Beklagten somit für Juni 1999 1.675,77 DM, für Juli und August 1999 1.667,77 DM, seit September 1999 1.692,77 DM und seit Januar 2000 1.702,77 DM zur Deckung ihres eigenen Bedarfs. 2. Entgegen der Auffassung der Revision ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daû das Berufungsgericht den der Beklagten gegenüber der Klägerin zustehenden angemessenen Eigenbedarf mit diesen ihr verbleibenden Beträgen als gedeckt angesehen hat, auch wenn der angemessene Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen, insbesondere gegenüber volljährigen Kindern, nach Anmerkung 5 der Düsseldorfer Tabelle 1998 und 1999 in der Regel mit monatlich mindestens 1.800 DM bemessen wird. Wie auch die Revision nicht verkennt, obliegt die Bestimmung des angemessenen Selbstbehalts dem Tatrichter und kann vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden. Hier hat das Berufungsgericht den angemessenen Selbstbehalt der Beklagten mit Rücksicht auf die Ersparnis durch die gemeinsame Haushaltsführung mit ihrem neuen Ehemann geringer bemessen. Dies erscheint sachgerecht und ist nicht zu beanstanden (vgl. Senatsurteil vom 19. November 1997
- XII ZR 1/96 - FamRZ 1998, 286, 288; Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 5. Aufl. § 2 Rdn. 428). 3. Nach alledem hat das Berufungsgericht mangels Gefährdung des angemessenen Unterhalts der Beklagten zu Recht eine gesteigerte Unterhaltspflicht der Beklagten nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB dahinstehen lassen und brauchte infolgedessen auch nicht zu prüfen, ob eine solche gesteigerte Unterhaltspflicht hier nach § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB entfällt, weil der das Kind betreuende Vater als anderer unterhaltspflichtiger Verwandter im Sinne dieser Vorschrift in Betracht kommt. Zwar kann der das Kind betreuende Elternteil in besonderen Ausnahmefällen selbst dann, wenn bei Inanspruchnahme des anderen Elternteils dessen angemessener Selbstbehalt nicht gefährdet würde, dazu verpflichtet sein, zusätzlich zu seiner Betreuungsleistung zum Barunterhalt des Kindes beizutragen , nämlich dann, wenn andernfalls ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern aufträte (vgl. Senatsurteile vom 7. November 1990 - XII ZR 123/89 - FamRZ 1991, 182, 183 und vom 19. November 1997 aaO; Johannsen/Henrich/Graba, Eherecht 3. Aufl. § 1603 Rdn. 19; Wendl/Scholz aaO § 2 Rdn. 289). Diese Voraussetzungen sind hier indes weder vom Berufungsgericht festgestellt noch von der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten (vgl. Senatsurteil vom 28. Januar 1981 - IVb ZR 573/80 - FamRZ 1981, 347, 349) hinreichend dargetan worden. Angesichts der von der Klägerin im einzelnen dargelegten Belastungen ihres Vaters infolge der Barunterhaltspflicht für zwei Kinder und die durch Fremdvermietung nicht gedeckten Lasten des Familienheims sind - unabhängig von der Frage, ob der Vater auch seiner neuen Ehefrau gegenüber unterhaltspflichtig ist - keine hinreichenden Anhaltspunkte
dafür ersichtlich, daû der für seinen eigenen angemessenen Unterhalt verbleibende Betrag denjenigen, den die Beklagte - nach Abzug des Mindestunterhalts
für die Klägerin - in ihrer neuen Ehe zur Verfügung hat, so deutlich übersteigt, daû eine Abweichung von der Regel des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB geboten ist.
Hahne Sprick Frau RiBGH Weber-Monecke ist im Urlaub und verhindert zu unterschreiben. Hahne Fuchs Ahlt

(1) Die Abkömmlinge sind vor den Verwandten der aufsteigenden Linie unterhaltspflichtig.

(2) Unter den Abkömmlingen und unter den Verwandten der aufsteigenden Linie haften die näheren vor den entfernteren.

(3) Mehrere gleich nahe Verwandte haften anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Der Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.