Bundessozialgericht Urteil, 10. Mai 2011 - B 4 AS 11/10 R

bei uns veröffentlicht am10.05.2011

Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 3. Dezember 2009 werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Übernahme der Kosten für Schulbedarf der drei Kläger im Schuljahr 2006/2007 als Leistung nach dem SGB II oder SGB XII.

2

Die Kläger zu 1 und 2 besuchten im benannten Schuljahr die Grund- bzw Sekundarschule. Der Kläger zu 3 wurde im Schuljahr 2006/2007 eingeschult. Der Beklagte bewilligte ihnen und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Mutter sowie weiteren Geschwistern durch Bescheid vom 27.6.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.7. bis 31.12.2006. Auf den Antrag der Kläger vom 30.6.2006 lehnte der Beklagte die Übernahme von Aufwendungen für Schulbedarf (ua Arbeitsmittel, Arbeitsmaterialien, Schulbücher, Turnzeug, Schultüte und Einschulungsfeier) der drei Kläger durch Bescheid vom 5.7.2006 ab. Den Widerspruch hiergegen wies er durch Widerspruchsbescheid vom 9.8.2006 zurück.

3

Im vorläufigen Rechtsschutz verpflichtete das SG Magdeburg den Beklagten, den Klägern 198,65 Euro darlehensweise zur Bestreitung des geltend gemachten Bedarfs zu gewähren. Der Beklagte führte diese Anordnung durch Bescheid vom 15.9.2006 aus und bestimmte eine Tilgungsverpflichtung aufgeteilt in zwei Monatsraten ab Oktober 2006.

4

Im Klageverfahren verurteilte das SG den Beklagten, die darlehensweise gewährten Leistungen als Beihilfe zu zahlen. Einer Rückzahlungsverpflichtung stehe entgegen, dass es sich um Bildungsbedarf handele, was Verfassungsrang habe und daher das Ermessen des Grundsicherungsträgers im Hinblick auf die Rückzahlungsverpflichtung auf Null reduziert sei. Allerdings sei die Klage unbegründet, soweit Bedarfe für die Einschulungsfeier, die Schultüte und das Turnzeug geltend gemacht würden (Urteil vom 22.5.2007).

5

Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG Sachsen-Anhalt das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass den Klägern kein rückzahlungsfreies Darlehen nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II zustehe. Die Tilgung sei dort zwingend vorgeschrieben und Gründe für einen Erlass der Rückzahlungsverpflichtung seien nicht gegeben. Ebenso wenig folge ein Anspruch auf die Übernahme der geltend gemachten Aufwendungen aus § 23 Abs 3 SGB II. Bei den dort benannten "Sonderbedarfen" handele es sich nicht um schulisch bedingte Aufwendungen. Dieses gelte auch für Leistungen für Mehrbedarfe nach § 21 SGB II. Ein Anspruch gegen den - vom LSG beigeladenen - Sozialhilfeträger aus § 73 SGB XII scheitere bereits daran, dass es sich hier weder um eine atypische Bedarfslage handele, noch es an einer Anspruchsgrundlage im SGB II mangele, denn die darlehensweise Gewährung von Leistungen zur Deckung der Schulbedarfe sei möglich und hier auch erfolgt(§ 23 Abs 1 Satz 1 SGB II). Hinweise auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 SGB XII, also einer Behinderung oder drohenden Behinderung seien nicht vorhanden. Aus der UN-Kinderrechtskonvention könne kein Individualleistungsanspruch abgeleitet werden (Urteil vom 3.12.2009).

6

Die Kläger haben die vom LSG zugelassene Revision zum BSG eingelegt. Sie rügen eine Verletzung von §§ 11, 20 SGB II und 73 SGB XII. Durch die Regelleistung seien keine "Schulbedarfe" von Kindern und Jugendlichen gedeckt. Die Abteilung 10 (Bildung) der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe sei bei der Bemessung des Regelsatzes außer Betracht geblieben. Dennoch seien Lernmittel ein unabweisbarer Bedarf - sie seien Grundvoraussetzung für die Wahrnehmung des Rechts auf Bildung und Teilnahme am Schulunterricht. In der Abteilung 9 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur) seien zwar Bestandteile für Bücher, Broschüren und Schreibwaren sowie Sportartikel enthalten. Der hierfür angesetzte Betrag reiche jedoch nicht aus, um den "Schulbedarf" zu decken und müsse zudem auch für den Freizeitbedarf eines Kindes insoweit genutzt werden. Ein Ansparen sei den Klägern nicht möglich gewesen. Schulbedarf stelle zudem auch einen atypischen Bedarf dar, denn nur 11,2 % der Bevölkerung besuchten eine Schule, sodass im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung insoweit nicht von einem Regelbedarf ausgegangen werden könne. Dieser atypische Bedarf rechtfertige auch den Einsatz öffentlicher Mittel, sodass zumindest § 73 SGB XII eine Anspruchsgrundlage für die Deckung des geltend gemachten Bedarfs sei. Folge man dem nicht, so müsse wenigstens die Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen der Kinder in Höhe des Schulbedarfs außer Betracht bleiben.

7

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 3. Dezember 2009 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. Mai 2007 zurückzuweisen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

9

Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend. Ergänzend weist er darauf hin, dass das Kindergeld den individuellen Bedarf eines jeden Kindes decke und keine Anrechnung von Einkommen bei minderjährigen Kindern erfolge.

10

Der Beigeladene schließt sich dem Antrag des Beklagten an.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässigen Revisionen sind unbegründet.

12

Zu Recht hat das LSG einen Anspruch der Kläger auf Übernahme der Aufwendungen für Schulbedarfe für das Schuljahr 2006/2007 als Zuschussleistung nach dem SGB II verneint. Der Senat schließt sich der Entscheidung des 14. Senats des BSG vom 19.8.2010 (B 14 AS 47/09 R - SozR 4-3500 § 73 Nr 2) an und nimmt, um Wiederholungen zu vermeiden, auf deren Begründung ausdrücklich und vollständig Bezug (3.). Auch über die in dieser Entscheidung abgehandelten Anspruchsgrundlagen der §§ 21, 23 Abs 3 und 24a SGB II, § 73 SGB XII und einem Anspruch direkt aus der Verfassung auf Grundlage der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09 - BVerfGE 125, 175 ff) hinaus ist keine Rechtsgrundlage für die von den Klägern begehrte Leistung vorhanden. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die begehrte Leistung als rückzahlungsfreies Darlehen nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II(4.). Der Schulbedarf ist auch nicht vom Kindergeld als zur Bedarfsdeckung bei den Klägern dienendes Einkommen vorab in Abzug zu bringen (5.).

13

1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig(vgl Urteile des Senats vom 18.1.2011, ua - B 4 AS 99/10 R). Nach § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

14

Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II bestehen, weil der Gesetzgeber sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt(BSG Urteile vom 18.1.2011, ua - B 4 AS 99/10 R).

15

2. Streitgegenstände sind die Ansprüche der Kläger auf Übernahme des geltend gemachten Schulbedarfs über die der Beklagte mit dem Bescheid vom 5.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.8.2006 allein entschieden hat. Dabei handelt es sich um eigenständige abtrennbare Streitgegenstände, die isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen geltend gemacht werden können (vgl BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1, jeweils RdNr 13; s auch BSG Urteil vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2 ). Die Ansprüche stünden allein den Klägern zu. Zwar bilden die Kläger mit ihren Geschwistern und ihrer Mutter eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II, Leistungen für Schulbedarfe sind jedoch individuell nur ihnen zuzuordnen, vergleichbar denen für Klassenfahrt(vgl BSG Urteil vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2; s jedoch zur mangelnden Abtrennbarkeit bei Mehrbedarfsleistungen nach § 21 SGB II, die hier jedoch nicht in Betracht kommen: BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 44/09 R; BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 9).

16

3. Unter Bezugnahme auf die Einzelheiten der Begründung der Entscheidung des 14. Senats vom 19.8.2010 (B 14 AS 47/09 R - SozR 4-3500 § 73 Nr 2) weist der erkennende Senat darauf hin, dass er mit dem 7b. Senat (Urteil vom 7.11.2006 - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1) und dem 14. Senat des BSG (Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 15) davon ausgeht, dass eine abweichende Festsetzung der pauschalierten Regelleistung nach § 20 SGB II durch die Gerichte - etwa in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII - grundsätzlich nicht möglich ist. Für die von den Klägern begehrten Kosten für Schulbedarf fehlte es im streitigen Zeitraum im System der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auch sonst an einer Anspruchsgrundlage. Schulbücher waren weder als Mehrbedarfe in § 21 SGB II gesondert normiert, noch als Sonderbedarfe nach § 23 Abs 3 SGB II vorgesehen. § 23 Abs 3 Nr 3 SGB II enthält lediglich eine ausdrückliche Regelung für eine Kostenpflicht bei mehrtägigen Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen. Diese Abgeschlossenheit des Systems des SGB II hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) nochmals betont. In das Gesetz wurde § 3 Abs 3 Satz 1 Halbs 2 und Satz 2 SGB II eingefügt. Hiernach decken die nach dem SGB II vorgesehenen Leistungen den Bedarf der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen. Eine davon abweichende Festlegung der Bedarfe ist ausgeschlossen (vgl hierzu auch BSG Urteil vom 28.10.2009 - SozR 4-4200 § 7 Nr 15 RdNr 17).

17

Zutreffend ist auch eine Verurteilung des Beigeladenen auf Grundlage von § 73 SGB XII unterblieben. Der hier geltend gemachte Schulbedarf war Teil des existenziellen Bedarfs der Kläger, der auch im Jahre 2006 durch das SGB II und ggf die Regelleistung in § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB II hätte gedeckt werden müssen. Zwar normiert das SGB II keine ausreichende Leistung bzw keinen gesetzlichen Anspruch für den Schulbedarf. Gleichwohl ist ein Anspruch auf Leistungen für Schulbedarf jedoch auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gegeben. Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 9.2.2010 (aaO), in dem es die Regelungen über die Regelleistung nach dem SGB II für unvereinbar mit Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG erklärt hat, zugleich klargestellt, dass eine rückwirkende Leistungsgewährung nicht notwendig ist (vgl insbesondere RdNr 217). Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 9.2.2010 (aaO) lediglich gefordert, dass für unabweisbare, laufende, nicht nur einmalige, besondere Bedarfe ein zusätzlicher verfassungsrechtlicher Anspruch auf Leistungsgewährung besteht. Der erkennende Senat hat diesen oder einen derartigen Anspruch auch für bereits abgelaufene Zeiträume während eines noch laufenden Rechtsstreits bejaht (BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7; vgl auch BVerfG Beschluss vom 24.3.2010 - 1 BvR 395/09). Dieser verfassungsrechtliche Anspruch greift hier jedoch schon deshalb nicht ein, weil es sich bei dem von den Klägern geltend gemachten Erstattungsansprüchen wegen Schulbedarfs nicht um einen solchen besonderen Bedarf handelt. Vielmehr geht es um einen Anspruch, der vom BVerfG (aaO, RdNr 192, siehe oben unter 3.) dem grundgesetzlich geschützten Existenzminimum zugerechnet wurde. Für solche "typischen" Bedarfe ist der neue verfassungsrechtliche Anspruch ersichtlich nicht gedacht. Eine rückwirkende Anwendung des § 24a SGB II kommt ebenfalls nicht in Betracht.

18

4. Zutreffend hat das LSG auch einen Anspruch der Kläger auf ein rückzahlungsfreies Darlehen zur Deckung des geltend gemachten Schulbedarfs verneint. Nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II kann die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis, soweit im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann, den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung erbringen und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. Das Darlehen wird durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10 vom Hundert der an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen jeweils zu zahlenden Regelleistung getilgt (§ 23 Abs 1 Satz 3 SGB II). Weitergehende Leistungen sind ausgeschlossen (§ 23 Abs 1 Satz 4 SGB II). Die Regelung des § 23 Abs 1 SGB II sieht mithin eine Tilgung des Darlehens zwingend vor. Der Gewährung einer von vornherein rückzahlungsfreien Darlehensleistung fehlt es im SGB II an einer Rechtsgrundlage.

19

Soweit das LSG an dieser Stelle den Erlass der Darlehenstilgung iS des § 44 SGB II prüft, ist ein derartiger Erlassanspruch nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Zwar kann ggf durch einen Erlass nach § 44 SGB II - möglichen, wie oben dargelegten verfassungswidrigen - Bedarfsunterdeckungen durch die Darlehenstilgung entgegengewirkt werden(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1). Der Erlass kann jedoch regelmäßig erst nachträglich erfolgen, denn würde er mit der Darlehensgewährung verbunden, würde er diese damit ad absurdum führen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1). Der Erlass iS des § 44 SGB II, der im Ermessen des Trägers von Leistungen nach dem SGB II steht, wenn die Einziehung der Ansprüche unbillig wäre, setzt zudem eine Verwaltungsentscheidung des Trägers hierüber voraus, woran es vorliegend bisher mangelt. Der Bescheid vom 15.9.2006, mit dem der Beklagte nicht nur den Beschluss des SG Magdeburg ausgeführt, sondern auch eine selbstständige Verfügung im Hinblick auf die Tilgung des Darlehens getroffen hat, ist bindend geworden.

20

Die Rückzahlungsfreiheit des Darlehens kann auch nicht auf einen aus § 44 SGB II zu ziehenden Schutzgedanken gegründet werden(vgl hierzu BSG Urteil vom 31.10.1991 - 7 RAr 60/89 - SozR 1300 § 45 Nr 10). Eine solche Anknüpfung wäre im Ergebnis eine Umgehung der vom Gesetzgeber ausgeschlossenen Erhöhung der Regelsätze [Es wird auf die Ausführungen unter Nr 3. verwiesen.] sowie der zwingend vorgesehen Tilgung des Darlehens. Im Hinblick auf die auch vom BVerfG anerkannten Spielräume, die die pauschalierte Regelleistung belässt, und die von ihm befundenen Einspar- und Ansparmöglichkeiten gefährdet eine Tilgung aus der Grundsicherungsleistung auch nicht per se die Existenz. Daher sind in erster Linie die sich aus § 23 Abs 1 Satz 3 SGB II folgenden Spielräume bei der Entscheidung über die Tilgungsmodalitäten vom Grundsicherungsträger zu nutzen und ist bei der Bestimmung der Höhe der Tilgungsraten darauf abzustellen, dass durch die Tilgung des Darlehens der Zweck der SGB II-Leistungen die Existenzsicherung nicht gefährdet wird. Der Heranziehung eines Schutzgedankens aus § 44 SGB II, wie er etwa von der Rechtsprechung § 76 SGB IV im Hinblick auf die Durchsetzung von Forderungen der Sozialversicherungsträger gegen Versicherte(vgl BSG Urteil 10.6.1980 - 4 RJ 115/79 - BSGE 50, 144 = SozR 2200 § 1301 Nr 13)entnommen worden ist, bedarf es im SGB II mithin nicht. Insoweit trägt das Gesetz selbst - mit der Möglichkeit, die Höhe der Tilgungsraten individuell zu bestimmen sowie den gesetzlichen Vorgaben des Erlasses nach § 44 SGB II - dem Schutz des Leistungsempfängers vor existenzgefährdenden Belastungen bereits Rechnung.

21

5. Eine Berücksichtigung des Schulbedarfs bei der Höhe des Betrags des Kindergeldes, das zur Bedarfsdeckung der leistungsberechtigten Kinder nach § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II einzusetzen ist, führt hier ebenfalls nicht zum Erfolg der Revisionen.

22

Ein derartiges Begehren hat eine Minderung des Einkommens bei der Berechnung der Regelleistung - hier Sozialgeld der Kläger - und damit die Gewährung einer höheren Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts zum Ziel. Der Anspruch auf höheres Sozialgeld ist jedoch nicht Streitgegenstand des Verfahrens. Die Kläger haben mit der Klage, die diesem Revisionsverfahren zu Grunde liegt, nur den auf eine Leistung für Schulbedarfe begrenzten Bescheid vom 5.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.8.2006 angefochten. Es wird insoweit auf die Ausführungen zu 2. verwiesen. Über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch den Bescheid vom 27.6.2006 ist hier nicht zu befinden.

23

Die Kläger könnten mit ihrem Begehren jedoch auch materiell-rechtlich nicht durchdringen. Nach § 11 Abs 1 SGB II ist das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Kindergeld soll gemäß § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II vorrangig zur Sicherung des Lebensunterhalts des Kindes verwendet werden. Daher nimmt das Kindergeld ebenso wie das sonstige Einkommen und Vermögen des minderjährigen Kindes nicht an der Einkommensverteilung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II teil (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 55/07 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 4; Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 39/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 23). Das Kindergeld soll dem jeweiligen Kind in der Bedarfsgemeinschaft umfassend zur Verfügung stehen, soweit sein Bedarf nicht anderweitig gedeckt ist und solange das Kind in der Bedarfsgemeinschaft lebt. Das Kindergeld dient dort der Existenzsicherung des Kindes, wie die Kläger selbst zutreffend ausführen, also auch zur Deckung des Schulbedarfs. Soll es diesen Zweck nicht verfehlen, darf nicht zugleich, bevor es zur Bedarfsdeckung eingesetzt wird, ein Teil herausgerechnet werden.

24

Auch mit der Auffassung, das Kindergeld sei in Höhe des Schulbedarfs als zweckbestimmte Einnahme anzusehen und daher nicht als Einkommen bei der Berechnung des Sozialgeldes zu berücksichtigen, vermögen die Kläger nicht durchzudringen. Das Kindergeld ist aufgrund seiner Bindung zur Bedarfsdeckung beim Kind zwar eine an die Person gebundene Leistung, die allerdings dem selben Zweck wie die SGB II-Leistung dient, nämlich der Sicherung des Lebensunterhalts (s zur Zweckidentität BSG Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 67/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 28). Deshalb ist das Kindergeld auch nicht ganz oder teilweise von der Einkommensberücksichtigung als zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 SGB II auszunehmen.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Urteil, 10. Mai 2011 - B 4 AS 11/10 R

Urteilsbesprechungen zu Bundessozialgericht Urteil, 10. Mai 2011 - B 4 AS 11/10 R

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Tenor Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. August 2014 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2012 wird aufgehoben und der Be

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 19. Okt. 2016 - L 4 AS 22/15

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Bundessozialgericht Urteil, 12. Dez. 2013 - B 4 AS 6/13 R

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Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Leistungen zur Durchführung einer Jugendweihe

Referenzen

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

Leistungen können auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden.

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

Leistungen können auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

Leistungen können auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden.

Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind

1.
natürliche und juristische Personen,
2.
nichtrechtsfähige Personenvereinigungen,
3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt,
4.
gemeinsame Entscheidungsgremien von Leistungserbringern und Krankenkassen oder Pflegekassen.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1. bis 25.9.2008.

2

Die Kläger bezogen im Zeitraum vom 1.3. bis 31.8.2008 existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II. In einem Schreiben vom 4.7.2008 wies der Beklagte die Kläger darauf hin, dass der Leistungsbezug am 31.8.2008 ende und - da Leistungen nur auf Antrag gewährt werden könnten - ein Fortzahlungsantrag rechtzeitig vor dem Ablauf des Bewilligungsabschnitts gestellt werden müsse. Ein Antragsformular fügte er bei.

3

Der Fortzahlungsantrag der Kläger ging am 26.9.2008 bei dem Beklagten ein. Darauf bewilligte er den Klägern ab diesem Tag SGB II-Leistungen bis zum 28.2.2009. Der Widerspruch der Kläger, mit dem sie Leistungen bereits ab dem 1.9.2008 begehren, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18.2.2009).

4

SG Gelsenkirchen und LSG Nordrhein-Westfalen haben die Entscheidung des Beklagten bestätigt (Urteile des SG vom 11.12.2009 und des LSG vom 11.5.2010). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, dass die Kläger keinen Anspruch auf Leistungen im Zeitraum vor der Antragstellung hätten, denn Alg II bzw Sozialgeld werde nach dem Wortlaut des § 37 SGB II nur auf Antrag gewährt. Insoweit komme es nicht darauf an, ob es sich um einen Erst- oder einen Fortzahlungsantrag handele. § 37 SGB II differenziere nach der Gesetzesbegründung insoweit nicht. Verfahrensrechtlich bleibe ein einmal gestellter Antrag nur so lange bestehen, bis er beschieden worden sei, sodass für den nächsten Bewilligungsabschnitt auch ein neuer Antrag erforderlich werde. Diese Rechtsanwendung werde durch die Rechtsprechung des BSG bestätigt, wonach Folgezeiträume nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Rechtsstreits über einen vorhergehenden Bewilligungsabschnitt sein könnten. Die Rechtsprechung des BSG zum SGB III (Alhi) hinsichtlich der Fortwirkung der Antragstellung über den Bewilligungsabschnitt hinaus könne nicht auf das SGB II übertragen werden. Der Antrag habe im SGB III materiell-rechtliche Wirkung gehabt, was im SGB II nicht der Fall sei. Habe der Antrag im SGB II jedoch nur verfahrensrechtliche Funktion, verliere er seine Wirkung mit der Beendigung des Verwaltungsverfahrens. Ebenso sei die Entbehrlichkeit eines Folgeantrags, wie der 8. Senat des BSG sie für das Recht der Grundsicherung im Alter und wegen Erwerbsminderung angenommen habe, nicht auf das SGB II übertragbar. Dort sei von einem geringen Anpassungs- oder Änderungsbedarf nach Ablauf des Bewilligungszeitraums auszugehen. Insoweit unterscheide sich die Situation im SGB II - allein schon aufgrund der Einbeziehung der gesamten Bedarfsgemeinschaft - grundlegend. Sie führe zu einem schnellen und häufigen Wechsel des Bedarfs. Eine Antragstellung der Kläger vor dem 1.9.2008 sei nicht nachgewiesen und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, da hier keine gesetzliche Frist versäumt worden sei. Auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kämen die Kläger nicht zu dem Leistungsanspruch im streitigen Zeitraum, denn eine Nebenpflichtverletzung des Beklagten sei weder geltend gemacht, noch liege sie vor.

5

Die Kläger haben die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und rügen eine Verletzung von § 37 SGB II. Nach dem Wortlaut des § 37 SGB II sei eine erneute Antragstellung nicht erforderlich. Systematisch sei das SGB II auf Dauerleistungen angelegt, die nicht durch den Ablauf eines Bewilligungsabschnitts unterbrochen würden. Sinn und Zweck der Leistungsbewilligung in Abschnitten sei die daraus erwachsende Möglichkeit, den Einfluss des Leistungsträgers auf die Vermittlung des Hilfebedürftigen zu stärken. Dazu bedürfe es der regelhaften Unterbrechung in Bewilligungszeiträume jedoch nicht. Den praktischen Schwierigkeiten könne mit den Vorschriften zur mangelnden Mitwirkung nach §§ 60 ff SGB I Rechnung getragen werden.

6

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 11. Dezember 2009 und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 2010 aufzuheben sowie den Bescheid vom 29. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2009 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe auch für den Zeitraum vom 1. September bis 25. September 2008 zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet.

10

Die Entscheidung des LSG ist nicht zu beanstanden. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1. bis 25.9.2008. Es mangelt insoweit an einem Leistungsantrag nach § 37 Abs 1 SGB II für den streitigen Zeitraum. Es war vorliegend auch nicht auf das Antragserfordernis zu verzichten, weil eine Fortzahlung von Leistungen im direkten Anschluss an einen vorhergehenden Bewilligungszeitraum begehrt wird (3.). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG ist der Zugang eines Antrags bei dem Beklagten für den Leistungsabschnitt ab dem 1.9.2008 nicht vor dem 26.9.2008 nachgewiesen (4.). Den Klägern ist insoweit auch weder eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X einzuräumen (5.), noch steht ihnen ein Anspruch auf Leistungen aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu (6.).

11

1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Es steht insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112), die mit Wirkung vom 1.1.2011 kraft Gesetzes als (teil-)rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gesellschaft sui generis entstanden ist (Luik, jurisPR-SozR 24/2010 Anm 1). Die gemeinsame Einrichtung ist im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenzuweisung Trägerin von Rechten und Pflichten und nimmt die Aufgaben der Träger wahr, indem sie insbesondere Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide erlässt (§ 44b Abs 1 Satz 1 und 2 SGB II). Gemäß § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II tritt die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft (ARGE). Nach dieser Vorschrift tritt bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung iS von §§ 99, 168 Satz 1 SGG dar (vgl BSG Urteil vom 9.12.1987 - 10 RKg 5/85 = BSGE 62, 269 , 270 f = SozR 1200 § 48 Nr 14; BSG Urteil vom 18.7.2007 - B 12 P 4/06 R = BSGE 99, 15, 16 = SozR 4-3300 § 55 Nr 1; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl 2008, § 168 RdNr 2c). Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

12

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010 (BGBl I 1112) bestehen nicht. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat die "Leistungserbringung aus einer Hand" mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art 91e GG) vom 21.7.2010 (BGBl I 944) in zulässiger Weise verfassungsrechtlich verankert (Henneke in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Aufl 2011, Art 91e, RdNr 43; Volkmann in: v Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, 6. Aufl 2010, Art 91e GG, RdNr 3 f; unklar Hermes in Dreier, Grundgesetzkommentar, 5. Aufl 2010, Art 91e RdNr 26 ff). Der Gesetzgeber hat sich bei der einfach-gesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt (vgl Henneke, aaO, RdNr 46 ff; Volkmann, aaO, RdNr 6 f).

13

2. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 29.9.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.2.2009, mit dem der Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 26.9.2008 bis 28.2.2009 bewilligt hat. Die Kläger haben diesen Bescheid hinsichtlich des Leistungsbeginns angefochten und machen einen Anspruch auf Alg II und Sozialgeld auch für den Zeitraum vom 1.9.2008 an, dem ersten Tag nach dem Ende der Bewilligung durch den Bescheid vom 10.4.2008, bis zum 25.9.2008 zutreffend im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend.

14

3. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, den Klägern im streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren. Es fehlt insoweit bereits an einem Antrag.

15

Nach § 37 Abs 1 SGB II werden Leistungen auf Antrag und zudem nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht(§ 37 Abs 2 Satz 1 SGB II). Die gesetzlich geregelte einzige Ausnahme hiervon besteht, wenn die Anspruchsvoraussetzungen an einem Tag eintreten, an dem der zuständige Träger von Leistungen nach dem SGB II nicht geöffnet hat. Dann wirkt ein unverzüglich gestellter Antrag auf diesen Tag zurück (§ 37 Abs 2 Satz 2 SGB II). Das Antragserfordernis gilt auch nicht nur für das erstmalige Begehren der Leistungsgewährung, sondern ebenso im Fortzahlungsfalle (s auch: LSG Baden-Württemberg Urteil vom 26.3.2010 - L 12 AS 1857/09, Revision anhängig beim BSG unter B 14 AS 55/10 R; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 13.3.2009 - L 14 B 2368/08 AS PKH, ZFSH/SGB 2009, 221; SG Reutlingen Urteil vom 17.3.2008 - S 12 AS 2203/06; so wohl auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 18.9.2008 - L 9 B 39/08 AS, RdNr 17; aA SG Reutlingen Urteil vom 13.12.2007 - S 3 AS 3000/07). Dieses folgt aus Wortlaut, Gesetzesbegründung, systematischem Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der Regelung.

16

Aus dem Wortlaut des § 37 SGB II lässt sich eine unterschiedliche Behandlung von Erst- und Fortzahlungsanträgen nicht entnehmen. Die Regelung stellt allgemein auf das Erfordernis der Antragstellung als Voraussetzung für den Leistungsbeginn ab. In der Begründung zum Gesetzentwurf wird betont, dass der Antrag auf Leistungen konstitutive Wirkung habe, sodass Leistungen erst ab Antragstellung zustünden (BT-Drucks 15/1516, S 62). Ein Hinweis darauf, dass insoweit zwischen dem erstmaligen Leistungsbegehren und einem Anspruch auf die Fortzahlung zu differenzieren sei, findet sich nicht.

17

Das Antragserfordernis im Fortzahlungsfall wird vielmehr durch Überlegungen zur Systematik des Verhältnisses von Alg II-/Sozialgeldanspruch und Antrag bestätigt. Die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II erfolgt für in der Regel 6 Monate (§ 41 Abs 1 Satz 4 SGB II) und kann auf einen Zeitraum bis zu einem Jahr ausgedehnt werden. Die Befristung erfolgt zum einen, um die Grundsicherungsleistungen wegen des Ziels der Eingliederung in den Arbeitsmarkt von vornherein nur auf den hierfür unerlässlichen Zeitraum zu begrenzen (vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15). Es handelt sich insoweit - wie auch bei der Alhi (vgl hierzu BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 9/06 R, SozR 4-4300 § 428 Nr 3) - nicht um eine rentenähnliche Dauerleistung. Zum anderen können durch die Befristung Änderungen der Verhältnisse - insbesondere bedingt durch wechselnde Einkommensverhältnisse und Veränderungen in der Bedarfsgemeinschaft - verfahrensrechtlich und verwaltungstechnisch leichter bearbeitet und erfasst werden (vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15; vgl hierzu auch Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 41 RdNr 2 ). In diesen Zweck der Befristung der Leistungen fügt es sich systematisch zwingend ein, die Leistungsgewährung von der Antragstellung abhängig zu machen (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15). Insoweit gibt es jedoch keinen Unterschied zwischen der Situation der Erstantragstellung und der beanspruchten Folgebewilligung. Ebenso wie eine Leistungspflicht des SGB II-Leistungsträgers nicht vor einem Kontakt - es reicht ein formloser Antrag - zwischen dem Leistungsberechtigten und ihm entsteht, entfällt sie ohne Antrag vollständig, wenn keine Fortzahlung von Alg II oder Sozialgeld begehrt wird. Eine nachrangige weitere Leistungsverpflichtung des Grundsicherungsträgers entsteht - anders als nach dem BSHG/SGB XII -, selbst wenn weiter Hilfebedürftigkeit gegeben ist, nicht. Zwar kann Hilfebedürftigkeit als Leistungsvoraussetzung über den Bewilligungszeitraum hinaus und unabhängig von der Antragstellung vorliegen (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15). Anders als im Sozialhilferecht ist der Zeitpunkt des Leistungsbeginns im SGB II jedoch nicht von der Kenntnis der Hilfebedürftigkeit abhängig, sondern bedarf des konstitutiven Akts des Antrags. Mit diesem konstitutiven Akt wird das Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt - ab diesem Zeitpunkt hat der Leistungsträger die Verpflichtung, das Bestehen des Leistungsanspruchs zu prüfen und zu bescheiden (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15; s auch BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38). Der Antrag hat insoweit Türöffnerfunktion. Die konstitutive Wirkung des Antrags im SGB II und die nur formal befristete Leistungsgewährung sind auch die entscheidenden Gesichtspunkte, warum die Rechtsprechung des 8. Senat das BSG für das Recht der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, bei dem die Leistung ebenfalls von einem Antrag abhängig ist (§ 41 SGB XII), nicht in die Grundsicherung für Arbeitsuchende übertragen werden kann.

18

Der 8. Senat des BSG hat einen Fortzahlungsantrag im Recht der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ua deswegen nicht für erforderlich befunden (BSG Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 13/08 R, BSGE 104, 207 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1),weil nur der Erstantrag materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung für die Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung sei. Mit der ersten Antragstellung sei diese Anspruchsvoraussetzung erfüllt und danach gehe der Gesetzgeber von weitgehend gleichbleibenden Verhältnissen aus, sodass sich insoweit ein Fortzahlungsantrag erübrige. Der einjährige Bewilligungszeitraum des § 6 Satz 1 GSiG sei davon getragen, dass die Rentenanpassungen jährlich erfolgten und eine Mitwirkungspflicht des Hilfeempfängers nur bei der Meldung von Veränderungen seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse bestehe(BT-Drucks 14/4595, S 30, 71). Zudem seien dem Leistungsträger die gesundheitlichen und Einkommensverhältnisse auch bekannt. Anders als im SGB II hat er im Zweifel ohnehin von Amts wegen (Kenntnis von Hilfebedürftigkeit) zu prüfen, ob ein Anspruch auf die nachrangige Sozialhilfeleistung besteht. Die rechtliche Ausgangslage, wie oben dargelegt, ist damit im SGB II eine grundlegend andere. Insoweit verfängt auch nicht die Argumentation, ein einmal gestellter Antrag auf Alg II/Sozialgeld entfalte für den nächsten Bewilligungszeitraum weitere Wirkung, weil er als zeitlich unbefristeter Antrag durch die nur befristete Leistungsgewährung noch nicht verbraucht sei.

19

Hat ein Antrag verfahrensrechtliche, hier konstitutive Bedeutung, so hängt von der Antragstellung zwar der Zeitpunkt des Leistungsbeginns ab. Der Antrag erschöpft sich jedoch zugleich auch mit seiner Bescheidung. Die Verwaltung ist mit der Bescheidung - im Sinne der Funktion des Antrags - tätig geworden und hat ab dem Zeitpunkt der Antragstellung das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen geprüft, Leistungen bewilligt oder abgelehnt (vgl BSG Urteil vom 28.10.2010 - B 14 AS 56/08 R, SozR 4-4200 § 37 Nr 1). Der Antrag ist bereits aus diesem Grunde auch nicht insoweit unverbraucht geblieben. Zwar ist der Antrag so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt (Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl BSG Urteil vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R, SozR 4-4200 § 37 Nr 2; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R , SozR 4-4200 § 7 Nr 13 mwN; vgl zum Klageantrag BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 11). Als beantragt sind dementsprechend alle Leistungen anzusehen, die nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommen (vgl Link in Eicher/Spellbrink aaO; Striebinger in Gagel, SGB II, Stand Dezember 2009, § 37 RdNr 34). Unter Berücksichtigung des § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II umfasst dieses im Regelfall jedoch nur Leistungen bis zu einem Zeitraum von sechs Monaten. Selbst nach § 41 Abs 1 Satz 5 SGB II, der den Bewilligungszeitraum auf bis zu zwölf Monate bei Berechtigten verlängert, bei denen eine Veränderung der Verhältnisse nicht zu erwarten ist, ist jedoch eine Begrenzung vorgesehen. Der Gesetzgeber geht mithin davon aus, dass außer in Ausnahmefällen der Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung sowohl dem Grunde, als auch der Höhe nach einem so vielfältigen Wandel unterliegt, dass es geboten ist, die Leistungen immer nur für einen begrenzten Zeitraum zu gewähren und alsdann - auf Veranlassung des Hilfebedürftigen - einer erneuten Prüfung zu unterziehen.

20

Hieraus folgt auch, dass die Rechtsprechung des BSG zum Anspruch auf Fortzahlung der Alhi ohne Fortzahlungsantrag nicht ins SGB II übernommen werden kann. Zum Recht der Alhi hat das BSG mehrfach entschieden, dass Arbeitslosmeldung und Antrag auf Alhi nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums nicht seine Wirkung verlören (vgl Urteil vom 29.1.2001 - B 7 AL 16/00 R, BSGE 87, 262 = SozR 3-4300 § 196 Nr 1; BSG Urteil vom 29.11.1990 - 7 RAr 6/90, BSGE 68, 42 = SozR 3-4100 § 139a Nr 1; BSG Urteil vom 12.12.1985 - 7 RAr 75/84, SozR 4100 § 134 Nr 29; zustimmend der 11. Senat des BSG Urteil vom 29.6.2000 - B 11 AL 99/99 R , SozR 3-4100 § 152 Nr 10), weil es sich bei Alg und Alhi im Falle ununterbrochener Arbeitslosigkeit mit Fortbestand der übrigen Anspruchsvoraussetzungen grundsätzlich um einen einheitlichen und fortwährenden Anspruch handele (BSG Urteil vom 12.12.1985 - 7 RAr 75/84, SozR 4100 § 134 Nr 29). Die Bewilligung erfolge zwar nur für einen begrenzten Zeitraum (damals noch § 139a Abs 1 AFG, später § 190 Abs 3 Satz 1 SGB III) und danach sei das weitere Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen einer erneuten Überprüfung zu unterziehen (zu § 139a Abs 2 AFG: BSG Urteil vom 29.11.1990 - 7 RAr 6/90, BSGE 68, 42 = SozR 3-4100 § 139a Nr 1; später § 190 Abs 3 Satz 2 SGB III). Eines neuen Antrags bedurfte es dazu jedoch - anders als im SGB II - nicht, denn die materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung der Antragstellung/Arbeitslosmeldung war bereits erfüllt und der einheitliche Anspruch auf Alg/Alhi - sofern die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen weiterhin gegeben waren - wurden durch den Ablauf des Bewilligungsabschnitts nicht berührt.

21

Schließlich belegen auch Sinn und Zweck des § 37 Abs 1 SGB II das Antragserfordernis für eine Fortzahlung von Leistungen im Anschluss an einen vorhergehenden Bewilligungszeitraum. Durch eine Antragstellung bringt der Leistungsberechtigte zum Ausdruck, dass sich aus seiner Sicht die tatsächliche und rechtliche Lage nicht grundlegend geändert habe und er weiterhin Leistungen zur Existenzsicherung benötige. Er fordert damit die Verwaltung im Sinne der konstitutiven Wirkung dieses Begehrens auf zu überprüfen, ob und ggf in welchem Umfang für den nächsten Bewilligungsabschnitt Leistungen zu gewähren sind. Soweit die Kläger geltend machen, dass dem Leistungsträger bei Fortwirkung des Erstantrags im Falle der Überzahlung die Instrumentarien insbesondere der Aufhebung wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nach § 48 SGB X zur Verfügung stünden, vermag der Senat hierin kein Argument gegen das Erfordernis eines Fortzahlungsantrags zu erkennen. Vielmehr soll die Anwendung dieser Vorschrift mit Rücksicht auf die sich im Grundsicherungsbereich häufig ändernden Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse begrenzt werden. Nur aufgrund der Begrenzung der Bewilligungszeiträume mit dem Erfordernis eines Fortzahlungsantrags können Änderungsverfügungen selbst und deren Frequenz für den Leistungsträger und den Leistungsempfänger überschaubar bleiben (vgl hierzu BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15).

22

4. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist der Fortzahlungsantrag im vorliegenden Fall am 26.9.2008 bei dem Beklagten eingegangen; die Kläger haben die Feststellungen des LSG nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen. Es ist daher nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II von diesem Datum als Leistungsbeginn auszugehen.

23

5. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X ist den Klägern nicht zu gewähren. Nach § 27 Abs 1 SGB X ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Überwiegend wird in der Rechtsprechung der Instanzgerichte die Auffassung vertreten, dass es sich bei § 37 SGB II nicht um eine gesetzliche Frist handele(s nur LSG Baden-Württemberg Urteil vom 26.11.2008 - L 2 AS 6052/07; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 17.4.2008 - L 9 AS 69/07; Hessisches LSG Urteil vom 18.12.2009 - L 7 AS 413/09, anhängig beim BSG unter B 4 AS 29/10 R). Dem folgt der Senat, denn § 37 SGB II setzt keine Frist fest, sondern regelt lediglich das Verhältnis zwischen Leistungsbeginn und Antragstellung. Die Antragstellung selbst ist nicht an eine Frist gebunden und der Ausschluss der Leistungsgewährung vor dem Tag der Antragstellung stellt keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist dar (vgl hierzu auch Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 40 RdNr 106b).

24

6. Die Kläger können die Leistungen für den streitigen Zeitraum auch nicht über einen sozial-rechtlichen Herstellungsanspruch erhalten. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat zur Voraussetzung (vgl ua BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 63/06 R, SozR 4-1200 § 14 Nr 10), dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 SGB I), verletzt hat. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (vgl zum Lohnsteuerklassenwechsel BSG Urteil vom 1.4.2004 - B 7 AL 52/03 R, BSGE 92, 267 , 279 = SozR 4-4300 § 137 Nr 1 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Im vorliegenden Fall mangelt es bereits an einer Pflichtverletzung des Beklagten. Zwar kann es eine sich aus dem speziellen Sozialrechtsverhältnis des SGB II ergebende Pflicht des Grundsicherungsträgers sein, den Hilfebedürftigen vor dem Ablauf des letzten Bewilligungszeitraums über das Erfordernis eines Fortzahlungsantrags zu beraten (s hierzu Entscheidung des Senats vom selben Tag B 4 AS 29/10 R). Gleichwohl besteht hier kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Der Beklagte ist seiner Verpflichtung zur Unterrichtung der Kläger - wie er in den Fachlichen Hinweisen der BA unter Ziffer 37.11a dargelegt worden ist - nachgekommen. Die Kläger haben von dem Beklagten - nach den Feststellungen des LSG - mit Schreiben vom 4.7.2008 einen Hinweis auf das Ende des Bewilligungszeitraumes erhalten, ihnen wurde ein Fortzahlungsantragsformular übersandt und sie wurden auf das Erfordernis der Antragstellung für die Weiterbewilligung (vor Ablauf des Bewilligungszeitraumes) hingewiesen. Die Kläger haben die Feststellungen des LSG insoweit nicht angegriffen. Der Beklagte hat damit alles objektiv Erforderliche zur Beratung der Kläger getan.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Nimmt im Gebiet eines kommunalen Trägers nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 mehr als eine Arbeitsgemeinschaft nach § 44b in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung die Aufgaben nach diesem Buch wahr, kann insoweit abweichend von § 44b Absatz 1 Satz 1 mehr als eine gemeinsame Einrichtung gebildet werden.

(2) Bei Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform tritt der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt auch für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Die Träger teilen sich alle Tatsachen mit, die zur Vorbereitung eines Wechsels der Organisationsform erforderlich sind. Sie sollen sich auch die zu diesem Zweck erforderlichen Sozialdaten in automatisierter und standardisierter Form übermitteln.

(1) Zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende bilden die Träger im Gebiet jedes kommunalen Trägers nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 eine gemeinsame Einrichtung. Die gemeinsame Einrichtung nimmt die Aufgaben der Träger nach diesem Buch wahr; die Trägerschaft nach § 6 sowie nach den §§ 6a und 6b bleibt unberührt. Die gemeinsame Einrichtung ist befugt, Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide zu erlassen. Die Aufgaben werden von Beamtinnen und Beamten sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wahrgenommen, denen entsprechende Tätigkeiten zugewiesen worden sind.

(2) Die Träger bestimmen den Standort sowie die nähere Ausgestaltung und Organisation der gemeinsamen Einrichtung durch Vereinbarung. Die Ausgestaltung und Organisation der gemeinsamen Einrichtung sollen die Besonderheiten der beteiligten Träger, des regionalen Arbeitsmarktes und der regionalen Wirtschaftsstruktur berücksichtigen. Die Träger können die Zusammenlegung mehrerer gemeinsamer Einrichtungen zu einer gemeinsamen Einrichtung vereinbaren.

(3) Den Trägern obliegt die Verantwortung für die rechtmäßige und zweckmäßige Erbringung ihrer Leistungen. Sie haben in ihrem Aufgabenbereich nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder 2 gegenüber der gemeinsamen Einrichtung ein Weisungsrecht; dies gilt nicht im Zuständigkeitsbereich der Trägerversammlung nach § 44c. Die Träger sind berechtigt, von der gemeinsamen Einrichtung die Erteilung von Auskunft und Rechenschaftslegung über die Leistungserbringung zu fordern, die Wahrnehmung der Aufgaben in der gemeinsamen Einrichtung zu prüfen und die gemeinsame Einrichtung an ihre Auffassung zu binden. Vor Ausübung ihres Weisungsrechts in Angelegenheiten grundsätzlicher Bedeutung befassen die Träger den Kooperationsausschuss nach § 18b. Der Kooperationsausschuss kann innerhalb von zwei Wochen nach Anrufung eine Empfehlung abgeben.

(4) Die gemeinsame Einrichtung kann einzelne Aufgaben auch durch die Träger wahrnehmen lassen. Im Übrigen gelten die §§ 88 bis 92 des Zehnten Buches für die gemeinsamen Einrichtungen im Aufgabenbereich dieses Buches entsprechend.

(5) Die Bundesagentur stellt der gemeinsamen Einrichtung Angebote an Dienstleistungen zur Verfügung.

(6) Die Träger teilen der gemeinsamen Einrichtung alle Tatsachen und Feststellungen mit, von denen sie Kenntnis erhalten und die für die Leistungen erforderlich sind.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1. bis 25.9.2008.

2

Die Kläger bezogen im Zeitraum vom 1.3. bis 31.8.2008 existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II. In einem Schreiben vom 4.7.2008 wies der Beklagte die Kläger darauf hin, dass der Leistungsbezug am 31.8.2008 ende und - da Leistungen nur auf Antrag gewährt werden könnten - ein Fortzahlungsantrag rechtzeitig vor dem Ablauf des Bewilligungsabschnitts gestellt werden müsse. Ein Antragsformular fügte er bei.

3

Der Fortzahlungsantrag der Kläger ging am 26.9.2008 bei dem Beklagten ein. Darauf bewilligte er den Klägern ab diesem Tag SGB II-Leistungen bis zum 28.2.2009. Der Widerspruch der Kläger, mit dem sie Leistungen bereits ab dem 1.9.2008 begehren, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18.2.2009).

4

SG Gelsenkirchen und LSG Nordrhein-Westfalen haben die Entscheidung des Beklagten bestätigt (Urteile des SG vom 11.12.2009 und des LSG vom 11.5.2010). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, dass die Kläger keinen Anspruch auf Leistungen im Zeitraum vor der Antragstellung hätten, denn Alg II bzw Sozialgeld werde nach dem Wortlaut des § 37 SGB II nur auf Antrag gewährt. Insoweit komme es nicht darauf an, ob es sich um einen Erst- oder einen Fortzahlungsantrag handele. § 37 SGB II differenziere nach der Gesetzesbegründung insoweit nicht. Verfahrensrechtlich bleibe ein einmal gestellter Antrag nur so lange bestehen, bis er beschieden worden sei, sodass für den nächsten Bewilligungsabschnitt auch ein neuer Antrag erforderlich werde. Diese Rechtsanwendung werde durch die Rechtsprechung des BSG bestätigt, wonach Folgezeiträume nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Rechtsstreits über einen vorhergehenden Bewilligungsabschnitt sein könnten. Die Rechtsprechung des BSG zum SGB III (Alhi) hinsichtlich der Fortwirkung der Antragstellung über den Bewilligungsabschnitt hinaus könne nicht auf das SGB II übertragen werden. Der Antrag habe im SGB III materiell-rechtliche Wirkung gehabt, was im SGB II nicht der Fall sei. Habe der Antrag im SGB II jedoch nur verfahrensrechtliche Funktion, verliere er seine Wirkung mit der Beendigung des Verwaltungsverfahrens. Ebenso sei die Entbehrlichkeit eines Folgeantrags, wie der 8. Senat des BSG sie für das Recht der Grundsicherung im Alter und wegen Erwerbsminderung angenommen habe, nicht auf das SGB II übertragbar. Dort sei von einem geringen Anpassungs- oder Änderungsbedarf nach Ablauf des Bewilligungszeitraums auszugehen. Insoweit unterscheide sich die Situation im SGB II - allein schon aufgrund der Einbeziehung der gesamten Bedarfsgemeinschaft - grundlegend. Sie führe zu einem schnellen und häufigen Wechsel des Bedarfs. Eine Antragstellung der Kläger vor dem 1.9.2008 sei nicht nachgewiesen und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, da hier keine gesetzliche Frist versäumt worden sei. Auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kämen die Kläger nicht zu dem Leistungsanspruch im streitigen Zeitraum, denn eine Nebenpflichtverletzung des Beklagten sei weder geltend gemacht, noch liege sie vor.

5

Die Kläger haben die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und rügen eine Verletzung von § 37 SGB II. Nach dem Wortlaut des § 37 SGB II sei eine erneute Antragstellung nicht erforderlich. Systematisch sei das SGB II auf Dauerleistungen angelegt, die nicht durch den Ablauf eines Bewilligungsabschnitts unterbrochen würden. Sinn und Zweck der Leistungsbewilligung in Abschnitten sei die daraus erwachsende Möglichkeit, den Einfluss des Leistungsträgers auf die Vermittlung des Hilfebedürftigen zu stärken. Dazu bedürfe es der regelhaften Unterbrechung in Bewilligungszeiträume jedoch nicht. Den praktischen Schwierigkeiten könne mit den Vorschriften zur mangelnden Mitwirkung nach §§ 60 ff SGB I Rechnung getragen werden.

6

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 11. Dezember 2009 und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 2010 aufzuheben sowie den Bescheid vom 29. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2009 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe auch für den Zeitraum vom 1. September bis 25. September 2008 zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet.

10

Die Entscheidung des LSG ist nicht zu beanstanden. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1. bis 25.9.2008. Es mangelt insoweit an einem Leistungsantrag nach § 37 Abs 1 SGB II für den streitigen Zeitraum. Es war vorliegend auch nicht auf das Antragserfordernis zu verzichten, weil eine Fortzahlung von Leistungen im direkten Anschluss an einen vorhergehenden Bewilligungszeitraum begehrt wird (3.). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG ist der Zugang eines Antrags bei dem Beklagten für den Leistungsabschnitt ab dem 1.9.2008 nicht vor dem 26.9.2008 nachgewiesen (4.). Den Klägern ist insoweit auch weder eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X einzuräumen (5.), noch steht ihnen ein Anspruch auf Leistungen aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu (6.).

11

1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Es steht insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112), die mit Wirkung vom 1.1.2011 kraft Gesetzes als (teil-)rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gesellschaft sui generis entstanden ist (Luik, jurisPR-SozR 24/2010 Anm 1). Die gemeinsame Einrichtung ist im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenzuweisung Trägerin von Rechten und Pflichten und nimmt die Aufgaben der Träger wahr, indem sie insbesondere Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide erlässt (§ 44b Abs 1 Satz 1 und 2 SGB II). Gemäß § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II tritt die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft (ARGE). Nach dieser Vorschrift tritt bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung iS von §§ 99, 168 Satz 1 SGG dar (vgl BSG Urteil vom 9.12.1987 - 10 RKg 5/85 = BSGE 62, 269 , 270 f = SozR 1200 § 48 Nr 14; BSG Urteil vom 18.7.2007 - B 12 P 4/06 R = BSGE 99, 15, 16 = SozR 4-3300 § 55 Nr 1; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl 2008, § 168 RdNr 2c). Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

12

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010 (BGBl I 1112) bestehen nicht. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat die "Leistungserbringung aus einer Hand" mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art 91e GG) vom 21.7.2010 (BGBl I 944) in zulässiger Weise verfassungsrechtlich verankert (Henneke in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Aufl 2011, Art 91e, RdNr 43; Volkmann in: v Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, 6. Aufl 2010, Art 91e GG, RdNr 3 f; unklar Hermes in Dreier, Grundgesetzkommentar, 5. Aufl 2010, Art 91e RdNr 26 ff). Der Gesetzgeber hat sich bei der einfach-gesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt (vgl Henneke, aaO, RdNr 46 ff; Volkmann, aaO, RdNr 6 f).

13

2. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 29.9.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.2.2009, mit dem der Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 26.9.2008 bis 28.2.2009 bewilligt hat. Die Kläger haben diesen Bescheid hinsichtlich des Leistungsbeginns angefochten und machen einen Anspruch auf Alg II und Sozialgeld auch für den Zeitraum vom 1.9.2008 an, dem ersten Tag nach dem Ende der Bewilligung durch den Bescheid vom 10.4.2008, bis zum 25.9.2008 zutreffend im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend.

14

3. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, den Klägern im streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren. Es fehlt insoweit bereits an einem Antrag.

15

Nach § 37 Abs 1 SGB II werden Leistungen auf Antrag und zudem nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht(§ 37 Abs 2 Satz 1 SGB II). Die gesetzlich geregelte einzige Ausnahme hiervon besteht, wenn die Anspruchsvoraussetzungen an einem Tag eintreten, an dem der zuständige Träger von Leistungen nach dem SGB II nicht geöffnet hat. Dann wirkt ein unverzüglich gestellter Antrag auf diesen Tag zurück (§ 37 Abs 2 Satz 2 SGB II). Das Antragserfordernis gilt auch nicht nur für das erstmalige Begehren der Leistungsgewährung, sondern ebenso im Fortzahlungsfalle (s auch: LSG Baden-Württemberg Urteil vom 26.3.2010 - L 12 AS 1857/09, Revision anhängig beim BSG unter B 14 AS 55/10 R; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 13.3.2009 - L 14 B 2368/08 AS PKH, ZFSH/SGB 2009, 221; SG Reutlingen Urteil vom 17.3.2008 - S 12 AS 2203/06; so wohl auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 18.9.2008 - L 9 B 39/08 AS, RdNr 17; aA SG Reutlingen Urteil vom 13.12.2007 - S 3 AS 3000/07). Dieses folgt aus Wortlaut, Gesetzesbegründung, systematischem Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der Regelung.

16

Aus dem Wortlaut des § 37 SGB II lässt sich eine unterschiedliche Behandlung von Erst- und Fortzahlungsanträgen nicht entnehmen. Die Regelung stellt allgemein auf das Erfordernis der Antragstellung als Voraussetzung für den Leistungsbeginn ab. In der Begründung zum Gesetzentwurf wird betont, dass der Antrag auf Leistungen konstitutive Wirkung habe, sodass Leistungen erst ab Antragstellung zustünden (BT-Drucks 15/1516, S 62). Ein Hinweis darauf, dass insoweit zwischen dem erstmaligen Leistungsbegehren und einem Anspruch auf die Fortzahlung zu differenzieren sei, findet sich nicht.

17

Das Antragserfordernis im Fortzahlungsfall wird vielmehr durch Überlegungen zur Systematik des Verhältnisses von Alg II-/Sozialgeldanspruch und Antrag bestätigt. Die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II erfolgt für in der Regel 6 Monate (§ 41 Abs 1 Satz 4 SGB II) und kann auf einen Zeitraum bis zu einem Jahr ausgedehnt werden. Die Befristung erfolgt zum einen, um die Grundsicherungsleistungen wegen des Ziels der Eingliederung in den Arbeitsmarkt von vornherein nur auf den hierfür unerlässlichen Zeitraum zu begrenzen (vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15). Es handelt sich insoweit - wie auch bei der Alhi (vgl hierzu BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 9/06 R, SozR 4-4300 § 428 Nr 3) - nicht um eine rentenähnliche Dauerleistung. Zum anderen können durch die Befristung Änderungen der Verhältnisse - insbesondere bedingt durch wechselnde Einkommensverhältnisse und Veränderungen in der Bedarfsgemeinschaft - verfahrensrechtlich und verwaltungstechnisch leichter bearbeitet und erfasst werden (vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15; vgl hierzu auch Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 41 RdNr 2 ). In diesen Zweck der Befristung der Leistungen fügt es sich systematisch zwingend ein, die Leistungsgewährung von der Antragstellung abhängig zu machen (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15). Insoweit gibt es jedoch keinen Unterschied zwischen der Situation der Erstantragstellung und der beanspruchten Folgebewilligung. Ebenso wie eine Leistungspflicht des SGB II-Leistungsträgers nicht vor einem Kontakt - es reicht ein formloser Antrag - zwischen dem Leistungsberechtigten und ihm entsteht, entfällt sie ohne Antrag vollständig, wenn keine Fortzahlung von Alg II oder Sozialgeld begehrt wird. Eine nachrangige weitere Leistungsverpflichtung des Grundsicherungsträgers entsteht - anders als nach dem BSHG/SGB XII -, selbst wenn weiter Hilfebedürftigkeit gegeben ist, nicht. Zwar kann Hilfebedürftigkeit als Leistungsvoraussetzung über den Bewilligungszeitraum hinaus und unabhängig von der Antragstellung vorliegen (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15). Anders als im Sozialhilferecht ist der Zeitpunkt des Leistungsbeginns im SGB II jedoch nicht von der Kenntnis der Hilfebedürftigkeit abhängig, sondern bedarf des konstitutiven Akts des Antrags. Mit diesem konstitutiven Akt wird das Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt - ab diesem Zeitpunkt hat der Leistungsträger die Verpflichtung, das Bestehen des Leistungsanspruchs zu prüfen und zu bescheiden (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15; s auch BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38). Der Antrag hat insoweit Türöffnerfunktion. Die konstitutive Wirkung des Antrags im SGB II und die nur formal befristete Leistungsgewährung sind auch die entscheidenden Gesichtspunkte, warum die Rechtsprechung des 8. Senat das BSG für das Recht der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, bei dem die Leistung ebenfalls von einem Antrag abhängig ist (§ 41 SGB XII), nicht in die Grundsicherung für Arbeitsuchende übertragen werden kann.

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Der 8. Senat des BSG hat einen Fortzahlungsantrag im Recht der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ua deswegen nicht für erforderlich befunden (BSG Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 13/08 R, BSGE 104, 207 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1),weil nur der Erstantrag materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung für die Grundsicherungsleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung sei. Mit der ersten Antragstellung sei diese Anspruchsvoraussetzung erfüllt und danach gehe der Gesetzgeber von weitgehend gleichbleibenden Verhältnissen aus, sodass sich insoweit ein Fortzahlungsantrag erübrige. Der einjährige Bewilligungszeitraum des § 6 Satz 1 GSiG sei davon getragen, dass die Rentenanpassungen jährlich erfolgten und eine Mitwirkungspflicht des Hilfeempfängers nur bei der Meldung von Veränderungen seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse bestehe(BT-Drucks 14/4595, S 30, 71). Zudem seien dem Leistungsträger die gesundheitlichen und Einkommensverhältnisse auch bekannt. Anders als im SGB II hat er im Zweifel ohnehin von Amts wegen (Kenntnis von Hilfebedürftigkeit) zu prüfen, ob ein Anspruch auf die nachrangige Sozialhilfeleistung besteht. Die rechtliche Ausgangslage, wie oben dargelegt, ist damit im SGB II eine grundlegend andere. Insoweit verfängt auch nicht die Argumentation, ein einmal gestellter Antrag auf Alg II/Sozialgeld entfalte für den nächsten Bewilligungszeitraum weitere Wirkung, weil er als zeitlich unbefristeter Antrag durch die nur befristete Leistungsgewährung noch nicht verbraucht sei.

19

Hat ein Antrag verfahrensrechtliche, hier konstitutive Bedeutung, so hängt von der Antragstellung zwar der Zeitpunkt des Leistungsbeginns ab. Der Antrag erschöpft sich jedoch zugleich auch mit seiner Bescheidung. Die Verwaltung ist mit der Bescheidung - im Sinne der Funktion des Antrags - tätig geworden und hat ab dem Zeitpunkt der Antragstellung das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen geprüft, Leistungen bewilligt oder abgelehnt (vgl BSG Urteil vom 28.10.2010 - B 14 AS 56/08 R, SozR 4-4200 § 37 Nr 1). Der Antrag ist bereits aus diesem Grunde auch nicht insoweit unverbraucht geblieben. Zwar ist der Antrag so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt (Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl BSG Urteil vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R, SozR 4-4200 § 37 Nr 2; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R , SozR 4-4200 § 7 Nr 13 mwN; vgl zum Klageantrag BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 11). Als beantragt sind dementsprechend alle Leistungen anzusehen, die nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommen (vgl Link in Eicher/Spellbrink aaO; Striebinger in Gagel, SGB II, Stand Dezember 2009, § 37 RdNr 34). Unter Berücksichtigung des § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II umfasst dieses im Regelfall jedoch nur Leistungen bis zu einem Zeitraum von sechs Monaten. Selbst nach § 41 Abs 1 Satz 5 SGB II, der den Bewilligungszeitraum auf bis zu zwölf Monate bei Berechtigten verlängert, bei denen eine Veränderung der Verhältnisse nicht zu erwarten ist, ist jedoch eine Begrenzung vorgesehen. Der Gesetzgeber geht mithin davon aus, dass außer in Ausnahmefällen der Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung sowohl dem Grunde, als auch der Höhe nach einem so vielfältigen Wandel unterliegt, dass es geboten ist, die Leistungen immer nur für einen begrenzten Zeitraum zu gewähren und alsdann - auf Veranlassung des Hilfebedürftigen - einer erneuten Prüfung zu unterziehen.

20

Hieraus folgt auch, dass die Rechtsprechung des BSG zum Anspruch auf Fortzahlung der Alhi ohne Fortzahlungsantrag nicht ins SGB II übernommen werden kann. Zum Recht der Alhi hat das BSG mehrfach entschieden, dass Arbeitslosmeldung und Antrag auf Alhi nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums nicht seine Wirkung verlören (vgl Urteil vom 29.1.2001 - B 7 AL 16/00 R, BSGE 87, 262 = SozR 3-4300 § 196 Nr 1; BSG Urteil vom 29.11.1990 - 7 RAr 6/90, BSGE 68, 42 = SozR 3-4100 § 139a Nr 1; BSG Urteil vom 12.12.1985 - 7 RAr 75/84, SozR 4100 § 134 Nr 29; zustimmend der 11. Senat des BSG Urteil vom 29.6.2000 - B 11 AL 99/99 R , SozR 3-4100 § 152 Nr 10), weil es sich bei Alg und Alhi im Falle ununterbrochener Arbeitslosigkeit mit Fortbestand der übrigen Anspruchsvoraussetzungen grundsätzlich um einen einheitlichen und fortwährenden Anspruch handele (BSG Urteil vom 12.12.1985 - 7 RAr 75/84, SozR 4100 § 134 Nr 29). Die Bewilligung erfolge zwar nur für einen begrenzten Zeitraum (damals noch § 139a Abs 1 AFG, später § 190 Abs 3 Satz 1 SGB III) und danach sei das weitere Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen einer erneuten Überprüfung zu unterziehen (zu § 139a Abs 2 AFG: BSG Urteil vom 29.11.1990 - 7 RAr 6/90, BSGE 68, 42 = SozR 3-4100 § 139a Nr 1; später § 190 Abs 3 Satz 2 SGB III). Eines neuen Antrags bedurfte es dazu jedoch - anders als im SGB II - nicht, denn die materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung der Antragstellung/Arbeitslosmeldung war bereits erfüllt und der einheitliche Anspruch auf Alg/Alhi - sofern die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen weiterhin gegeben waren - wurden durch den Ablauf des Bewilligungsabschnitts nicht berührt.

21

Schließlich belegen auch Sinn und Zweck des § 37 Abs 1 SGB II das Antragserfordernis für eine Fortzahlung von Leistungen im Anschluss an einen vorhergehenden Bewilligungszeitraum. Durch eine Antragstellung bringt der Leistungsberechtigte zum Ausdruck, dass sich aus seiner Sicht die tatsächliche und rechtliche Lage nicht grundlegend geändert habe und er weiterhin Leistungen zur Existenzsicherung benötige. Er fordert damit die Verwaltung im Sinne der konstitutiven Wirkung dieses Begehrens auf zu überprüfen, ob und ggf in welchem Umfang für den nächsten Bewilligungsabschnitt Leistungen zu gewähren sind. Soweit die Kläger geltend machen, dass dem Leistungsträger bei Fortwirkung des Erstantrags im Falle der Überzahlung die Instrumentarien insbesondere der Aufhebung wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nach § 48 SGB X zur Verfügung stünden, vermag der Senat hierin kein Argument gegen das Erfordernis eines Fortzahlungsantrags zu erkennen. Vielmehr soll die Anwendung dieser Vorschrift mit Rücksicht auf die sich im Grundsicherungsbereich häufig ändernden Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse begrenzt werden. Nur aufgrund der Begrenzung der Bewilligungszeiträume mit dem Erfordernis eines Fortzahlungsantrags können Änderungsverfügungen selbst und deren Frequenz für den Leistungsträger und den Leistungsempfänger überschaubar bleiben (vgl hierzu BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15).

22

4. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist der Fortzahlungsantrag im vorliegenden Fall am 26.9.2008 bei dem Beklagten eingegangen; die Kläger haben die Feststellungen des LSG nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen. Es ist daher nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II von diesem Datum als Leistungsbeginn auszugehen.

23

5. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X ist den Klägern nicht zu gewähren. Nach § 27 Abs 1 SGB X ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Überwiegend wird in der Rechtsprechung der Instanzgerichte die Auffassung vertreten, dass es sich bei § 37 SGB II nicht um eine gesetzliche Frist handele(s nur LSG Baden-Württemberg Urteil vom 26.11.2008 - L 2 AS 6052/07; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 17.4.2008 - L 9 AS 69/07; Hessisches LSG Urteil vom 18.12.2009 - L 7 AS 413/09, anhängig beim BSG unter B 4 AS 29/10 R). Dem folgt der Senat, denn § 37 SGB II setzt keine Frist fest, sondern regelt lediglich das Verhältnis zwischen Leistungsbeginn und Antragstellung. Die Antragstellung selbst ist nicht an eine Frist gebunden und der Ausschluss der Leistungsgewährung vor dem Tag der Antragstellung stellt keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist dar (vgl hierzu auch Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 40 RdNr 106b).

24

6. Die Kläger können die Leistungen für den streitigen Zeitraum auch nicht über einen sozial-rechtlichen Herstellungsanspruch erhalten. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat zur Voraussetzung (vgl ua BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 63/06 R, SozR 4-1200 § 14 Nr 10), dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 SGB I), verletzt hat. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (vgl zum Lohnsteuerklassenwechsel BSG Urteil vom 1.4.2004 - B 7 AL 52/03 R, BSGE 92, 267 , 279 = SozR 4-4300 § 137 Nr 1 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Im vorliegenden Fall mangelt es bereits an einer Pflichtverletzung des Beklagten. Zwar kann es eine sich aus dem speziellen Sozialrechtsverhältnis des SGB II ergebende Pflicht des Grundsicherungsträgers sein, den Hilfebedürftigen vor dem Ablauf des letzten Bewilligungszeitraums über das Erfordernis eines Fortzahlungsantrags zu beraten (s hierzu Entscheidung des Senats vom selben Tag B 4 AS 29/10 R). Gleichwohl besteht hier kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Der Beklagte ist seiner Verpflichtung zur Unterrichtung der Kläger - wie er in den Fachlichen Hinweisen der BA unter Ziffer 37.11a dargelegt worden ist - nachgekommen. Die Kläger haben von dem Beklagten - nach den Feststellungen des LSG - mit Schreiben vom 4.7.2008 einen Hinweis auf das Ende des Bewilligungszeitraumes erhalten, ihnen wurde ein Fortzahlungsantragsformular übersandt und sie wurden auf das Erfordernis der Antragstellung für die Weiterbewilligung (vor Ablauf des Bewilligungszeitraumes) hingewiesen. Die Kläger haben die Feststellungen des LSG insoweit nicht angegriffen. Der Beklagte hat damit alles objektiv Erforderliche zur Beratung der Kläger getan.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für einen mehrtägigen Aufenthalt in einem Schullandheim sowie für den eintägigen Besuch eines Musicals.

2

Die 1988 geborene Klägerin lebt zusammen mit ihrer Mutter, deren Ehemann und einer Halbschwester. Sie bezog seit dem 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); für die Zeit vom 1.5.2005 bis 31.10.2005 aufgrund bestandskräftigen Bescheides vom 22.4.2005. Seit dem 12.9.2005 besuchte sie eine Hauptschule in D Am 25.8.2006 beantragte der Stiefvater die Erstattung der Kosten für einen Schullandheimaufenthalt in C vom 23.9. bis 2.10.2005 in Höhe von 271 Euro sowie der Kosten für den Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 in Höhe von 32,40 Euro. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 30.8.2006 die Übernahme der Kosten ab, weil der Antrag vor Antritt der Fahrten gestellt werden müsse. Außerdem seien die Kosten bereits beglichen, sodass der Bedarf aus eigenen Mitteln habe gedeckt werden können. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.9.2006 wies die Beklagte den Widerspruch hiergegen zurück.

3

Das Sozialgericht Stuttgart hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 23.10.2007 abgewiesen. Die Kosten für den Schullandheimaufenthalt seien zwar grundsätzlich nach § 23 Abs 3 SGB II erstattungsfähig. Eine Bedarfsdeckung für die Vergangenheit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bundessozialhilfegesetz jedoch nicht zulässig. Dieser Grundsatz gelte auch für das SGB II. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die eintägige Klassenfahrt bestehe schon nach dem Wortlaut des § 23 Abs 3 SGB II nicht. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 26.11.2008 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der mehrtägigen Klassenfahrt scheitere daran, dass diese Leistung nicht rechtzeitig beantragt worden sei. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende würden nach § 37 Abs 1 SGB II nach Antragstellung erbracht. Leistungen für die Zeit vor Antragstellung könnten nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II nicht erbracht werden. Auch die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch lägen nicht vor. Die Beklagte habe im maßgeblichen Bewilligungszeitraum keine Anhaltspunkte für einen Sonderbedarf der Klägerin gehabt. Allein die Kenntnis vom Schulbesuch habe noch keine konkrete Beratungspflicht ausgelöst. Für eine Erstattung der Kosten für die eintägige Klassenfahrt fehle es bereits an einer Anspruchsgrundlage. § 23 Abs 3 Nr 3 SGB II erfasse ausdrücklich nur mehrtägige Klassenfahrten.

4

Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasse alle Leistungen nach dem zweiten Abschnitt des SGB II. Leistungen nach § 23 SGB II müssten daher nicht gesondert beantragt werden. Da aus dem Erstantrag für die Beklagte auch erkennbar gewesen sei, dass die Klägerin noch die Schule besucht habe, und deshalb entsprechend ihrem Jahrgang eine mehrtägige Klassenfahrt in Betracht kommen könnte, habe eine entsprechende Beratungspflicht der Beklagten bestanden. Der Bedarf sei auch nicht durch eigene Mittel gedeckt worden. Vielmehr seien Schulden durch eine Kontoüberziehung entstanden. Zwar seien nach dem Wortlaut des § 23 SGB II Kosten für eine eintägige Klassenfahrt nicht erstattungsfähig, es sei jedoch zu beachten, dass frühere Sozialleistungen auch eintägige Klassenfahrten umfasst hätten. Bei der Klassenfahrt zu dem Musical habe es sich um Bildungsausgaben gehandelt, die in der Regelleistung nicht berücksichtigt seien.

5

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.10.2007 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26.11.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 30.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.9.2006 zu verurteilen, ihr die Kosten für den Schullandheimaufenthalt in C vom 23.9. bis 2.10.2005 in Höhe von 271 Euro sowie für den eintägigen Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 in Höhe von 32,40 Euro zu erstatten.

6

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

7

Sie hält die angegriffenen Urteile für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet, § 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), soweit sie die Erstattung von Kosten für den Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 begehrt. Im Übrigen ist die Revision im Sinne der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet, § 170 Abs 2 Satz 2 SGG.

9

1. Streitig sind allein die Ansprüche der Klägerin auf Leistungen für Klassenfahrten nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II. Dabei handelt es sich um eigenständige abtrennbare Streitgegenstände, die isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen geltend gemacht werden können (vgl BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1, jeweils RdNr 13). Der Anspruch steht allein der Klägerin zu. Zwar bildet sie mit ihrer Schwester, ihrer Mutter und deren Ehemann eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II, Leistungen für Klassenfahrten stehen aber individuell nur ihr allein zu.

10

2. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm § 23 SGB II(idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014). Gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig sind (Nr 3) sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Ausschlussgründe nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II liegen nicht vor.

11

3. Das LSG hat zu Recht einen Anspruch nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II hinsichtlich des eintägigen Besuchs eines Musicals verneint, weil es am Tatbestandsmerkmal der Mehrtägigkeit fehlt. Anspruch auf Leistungen für Klassenfahrten besteht nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II nur, sofern sie mehrtägig sind. Das ist nur dann der Fall, wenn sie einen Zeitraum von mehr als einem Tag umfassen (vgl Lang/Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 23 RdNr 110). Kosten eintägiger Klassenfahrten sind hingegen durch die Regelleistung gedeckt (vgl Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 23 RdNr 36).

12

Die Klägerin kann die Leistung auch nicht als "Härteleistung" auf der Grundlage von Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 Grundgesetz beanspruchen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 9.2.2010 einen solchen zusätzlichen Anspruch nur bei einem unabweisbarem, laufendem, nicht nur einmaligen und besonderen Bedarf zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums bejaht (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor.

13

4. Ob ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für die mehrtägige Fahrt nach C nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3, § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) besteht, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

14

a) Entgegen der Auffassung des LSG scheitert ein Anspruch nicht bereits an einer fehlenden Antragstellung nach § 37 SGB II. Zwar hat die Klägerin ihren Bedarf nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II zu einem Zeitpunkt zur Kenntnis der Beklagten gebracht, als die Klassenfahrten bereits durchgeführt worden waren. Der Antrag auf Leistungen für Klassenfahrten war aber bereits von dem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst.

15

Gemäß § 37 Abs 1 SGB II werden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Antrag erbracht. § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II schließt eine Leistungserbringung für Zeiten vor der Antragstellung aus. Die Vorschrift gilt uneingeschränkt für alle Leistungen der Grundsicherung (vgl Link in Eicher/Spellbrink, aaO, § 37 RdNr 2). Sie statuiert ein konstitutives Antragserfordernis, sodass Leistungen erst ab Antragstellung zustehen (vgl BT-Drucks 15/1516 S 62; Urteile des Senats vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23 und vom 7.5.2009 - B 14 AS 13/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Antrag nach dem SGB II ist eine einseitige empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die - soweit sich nicht aus sozialrechtlichen Bestimmungen Anderweitiges ergibt - die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung finden (BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 56/08 R - RdNr 14, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Antragsteller bringt zum Ausdruck, dass Leistungen vom Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende begehrt werden. Welche Leistungen ein Antrag umfasst, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der Antrag so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt (Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl Urteil des Senats vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; vgl zum Klageantrag BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 11). Als beantragt sind dementsprechend alle Leistungen anzusehen, die nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommen (vgl Link in Eicher/Spellbrink aaO; Striebinger in Gagel, SGB II, Stand Dezember 2009, § 37 RdNr 34). Das sind bei einem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts regelmäßig alle im 1. und 2. Unterabschnitt des 2. Abschnitts des 3. Kapitels SGB II genannten Leistungen (vgl auch die Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zum Umfang des Antrags <37.4>). Mit dem Antrag wird ein Hilfebedarf geltend gemacht, der alle Leistungen umfasst, die der Sicherung des Lebensunterhalts in Form des Arbeitslosengeld II dienen. Bei den in § 23 Abs 3 SGB II vorgesehenen Leistungen handelt es sich zwar um einmalige Sonderbedarfe(vgl BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2 RdNr 11; Urteile vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen und vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das Erfordernis einer besonderen Bedarfslage ändert aber nichts an der Zuordnung dieser Leistungen zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Auch ihre prozessuale Behandlung als eigenständiger Streitgegenstand führt nicht dazu, dass die Leistung gesondert beantragt werden müsste. Ein solches Erfordernis lässt sich § 37 SGB II nicht entnehmen. Die Vorschrift enthält keine Antragsbestimmungen für einzelne Leistungen, sondern fordert lediglich unspezifisch einen Antrag.

16

b) Da über den Bewilligungszeitraum, in dem der Schullandheimaufenthalt stattfand, bereits bestandskräftig entschieden worden war, war über den Anspruch nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 SGB X zu entscheiden. Das LSG wird zunächst im Einzelnen zu ermitteln haben, welche Bedarfe iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II tatsächlich bestanden haben. Ein Bedarf ist nicht bereits deshalb zu verneinen, weil die Klägerin auch ohne die begehrte Leistung tatsächlich teilgenommen hat.

17

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für einen mehrtägigen Aufenthalt in einem Schullandheim sowie für den eintägigen Besuch eines Musicals.

2

Die 1988 geborene Klägerin lebt zusammen mit ihrer Mutter, deren Ehemann und einer Halbschwester. Sie bezog seit dem 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); für die Zeit vom 1.5.2005 bis 31.10.2005 aufgrund bestandskräftigen Bescheides vom 22.4.2005. Seit dem 12.9.2005 besuchte sie eine Hauptschule in D Am 25.8.2006 beantragte der Stiefvater die Erstattung der Kosten für einen Schullandheimaufenthalt in C vom 23.9. bis 2.10.2005 in Höhe von 271 Euro sowie der Kosten für den Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 in Höhe von 32,40 Euro. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 30.8.2006 die Übernahme der Kosten ab, weil der Antrag vor Antritt der Fahrten gestellt werden müsse. Außerdem seien die Kosten bereits beglichen, sodass der Bedarf aus eigenen Mitteln habe gedeckt werden können. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.9.2006 wies die Beklagte den Widerspruch hiergegen zurück.

3

Das Sozialgericht Stuttgart hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 23.10.2007 abgewiesen. Die Kosten für den Schullandheimaufenthalt seien zwar grundsätzlich nach § 23 Abs 3 SGB II erstattungsfähig. Eine Bedarfsdeckung für die Vergangenheit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bundessozialhilfegesetz jedoch nicht zulässig. Dieser Grundsatz gelte auch für das SGB II. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die eintägige Klassenfahrt bestehe schon nach dem Wortlaut des § 23 Abs 3 SGB II nicht. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 26.11.2008 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der mehrtägigen Klassenfahrt scheitere daran, dass diese Leistung nicht rechtzeitig beantragt worden sei. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende würden nach § 37 Abs 1 SGB II nach Antragstellung erbracht. Leistungen für die Zeit vor Antragstellung könnten nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II nicht erbracht werden. Auch die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch lägen nicht vor. Die Beklagte habe im maßgeblichen Bewilligungszeitraum keine Anhaltspunkte für einen Sonderbedarf der Klägerin gehabt. Allein die Kenntnis vom Schulbesuch habe noch keine konkrete Beratungspflicht ausgelöst. Für eine Erstattung der Kosten für die eintägige Klassenfahrt fehle es bereits an einer Anspruchsgrundlage. § 23 Abs 3 Nr 3 SGB II erfasse ausdrücklich nur mehrtägige Klassenfahrten.

4

Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasse alle Leistungen nach dem zweiten Abschnitt des SGB II. Leistungen nach § 23 SGB II müssten daher nicht gesondert beantragt werden. Da aus dem Erstantrag für die Beklagte auch erkennbar gewesen sei, dass die Klägerin noch die Schule besucht habe, und deshalb entsprechend ihrem Jahrgang eine mehrtägige Klassenfahrt in Betracht kommen könnte, habe eine entsprechende Beratungspflicht der Beklagten bestanden. Der Bedarf sei auch nicht durch eigene Mittel gedeckt worden. Vielmehr seien Schulden durch eine Kontoüberziehung entstanden. Zwar seien nach dem Wortlaut des § 23 SGB II Kosten für eine eintägige Klassenfahrt nicht erstattungsfähig, es sei jedoch zu beachten, dass frühere Sozialleistungen auch eintägige Klassenfahrten umfasst hätten. Bei der Klassenfahrt zu dem Musical habe es sich um Bildungsausgaben gehandelt, die in der Regelleistung nicht berücksichtigt seien.

5

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.10.2007 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26.11.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 30.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.9.2006 zu verurteilen, ihr die Kosten für den Schullandheimaufenthalt in C vom 23.9. bis 2.10.2005 in Höhe von 271 Euro sowie für den eintägigen Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 in Höhe von 32,40 Euro zu erstatten.

6

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

7

Sie hält die angegriffenen Urteile für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet, § 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), soweit sie die Erstattung von Kosten für den Besuch des Musicals "Mamma Mia" am 3.5.2006 begehrt. Im Übrigen ist die Revision im Sinne der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet, § 170 Abs 2 Satz 2 SGG.

9

1. Streitig sind allein die Ansprüche der Klägerin auf Leistungen für Klassenfahrten nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II. Dabei handelt es sich um eigenständige abtrennbare Streitgegenstände, die isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen geltend gemacht werden können (vgl BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1, jeweils RdNr 13). Der Anspruch steht allein der Klägerin zu. Zwar bildet sie mit ihrer Schwester, ihrer Mutter und deren Ehemann eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II, Leistungen für Klassenfahrten stehen aber individuell nur ihr allein zu.

10

2. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm § 23 SGB II(idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014). Gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig sind (Nr 3) sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Ausschlussgründe nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II liegen nicht vor.

11

3. Das LSG hat zu Recht einen Anspruch nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II hinsichtlich des eintägigen Besuchs eines Musicals verneint, weil es am Tatbestandsmerkmal der Mehrtägigkeit fehlt. Anspruch auf Leistungen für Klassenfahrten besteht nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II nur, sofern sie mehrtägig sind. Das ist nur dann der Fall, wenn sie einen Zeitraum von mehr als einem Tag umfassen (vgl Lang/Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 23 RdNr 110). Kosten eintägiger Klassenfahrten sind hingegen durch die Regelleistung gedeckt (vgl Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 23 RdNr 36).

12

Die Klägerin kann die Leistung auch nicht als "Härteleistung" auf der Grundlage von Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 Grundgesetz beanspruchen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 9.2.2010 einen solchen zusätzlichen Anspruch nur bei einem unabweisbarem, laufendem, nicht nur einmaligen und besonderen Bedarf zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums bejaht (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor.

13

4. Ob ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für die mehrtägige Fahrt nach C nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3, § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) besteht, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

14

a) Entgegen der Auffassung des LSG scheitert ein Anspruch nicht bereits an einer fehlenden Antragstellung nach § 37 SGB II. Zwar hat die Klägerin ihren Bedarf nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II zu einem Zeitpunkt zur Kenntnis der Beklagten gebracht, als die Klassenfahrten bereits durchgeführt worden waren. Der Antrag auf Leistungen für Klassenfahrten war aber bereits von dem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst.

15

Gemäß § 37 Abs 1 SGB II werden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Antrag erbracht. § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II schließt eine Leistungserbringung für Zeiten vor der Antragstellung aus. Die Vorschrift gilt uneingeschränkt für alle Leistungen der Grundsicherung (vgl Link in Eicher/Spellbrink, aaO, § 37 RdNr 2). Sie statuiert ein konstitutives Antragserfordernis, sodass Leistungen erst ab Antragstellung zustehen (vgl BT-Drucks 15/1516 S 62; Urteile des Senats vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23 und vom 7.5.2009 - B 14 AS 13/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Antrag nach dem SGB II ist eine einseitige empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die - soweit sich nicht aus sozialrechtlichen Bestimmungen Anderweitiges ergibt - die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung finden (BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 56/08 R - RdNr 14, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Antragsteller bringt zum Ausdruck, dass Leistungen vom Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende begehrt werden. Welche Leistungen ein Antrag umfasst, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der Antrag so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt (Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl Urteil des Senats vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; vgl zum Klageantrag BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 11). Als beantragt sind dementsprechend alle Leistungen anzusehen, die nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommen (vgl Link in Eicher/Spellbrink aaO; Striebinger in Gagel, SGB II, Stand Dezember 2009, § 37 RdNr 34). Das sind bei einem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts regelmäßig alle im 1. und 2. Unterabschnitt des 2. Abschnitts des 3. Kapitels SGB II genannten Leistungen (vgl auch die Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zum Umfang des Antrags <37.4>). Mit dem Antrag wird ein Hilfebedarf geltend gemacht, der alle Leistungen umfasst, die der Sicherung des Lebensunterhalts in Form des Arbeitslosengeld II dienen. Bei den in § 23 Abs 3 SGB II vorgesehenen Leistungen handelt es sich zwar um einmalige Sonderbedarfe(vgl BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2 RdNr 11; Urteile vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen und vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das Erfordernis einer besonderen Bedarfslage ändert aber nichts an der Zuordnung dieser Leistungen zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Auch ihre prozessuale Behandlung als eigenständiger Streitgegenstand führt nicht dazu, dass die Leistung gesondert beantragt werden müsste. Ein solches Erfordernis lässt sich § 37 SGB II nicht entnehmen. Die Vorschrift enthält keine Antragsbestimmungen für einzelne Leistungen, sondern fordert lediglich unspezifisch einen Antrag.

16

b) Da über den Bewilligungszeitraum, in dem der Schullandheimaufenthalt stattfand, bereits bestandskräftig entschieden worden war, war über den Anspruch nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 SGB X zu entscheiden. Das LSG wird zunächst im Einzelnen zu ermitteln haben, welche Bedarfe iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II tatsächlich bestanden haben. Ein Bedarf ist nicht bereits deshalb zu verneinen, weil die Klägerin auch ohne die begehrte Leistung tatsächlich teilgenommen hat.

17

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Mai 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten für die Zeit vom 1.4.2007 bis zum 30.9.2007 einen monatlichen behinderungsbedingten Mehrbedarf nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

2

Der 1975 geborene Kläger ist rechtsseitig unterschenkelamputiert und mit einer computergesteuerten Beinprothese ("C-leg-Prothese") versorgt. Die Versorgungsverwaltung stellte zu seinen Gunsten mit Bescheid vom 23.11.2005 einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) fest. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe gewährte ihm auf Grundlage des § 54 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in Verbindung mit § 55 Abs 2 Nr 6 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) eine Betreuung im Rahmen des "Ambulant Betreuten Wohnens" für die Zeit ab 21.2.2006 zunächst befristet bis zum 28.02.2007 (Bescheid vom 18.9.2006) und sodann bis zum August 2009.

3

Der Kläger bezog in der Zeit vom 11.12.2006 bis zum 31.1.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und dabei unter anderem einen "Mehrbedarf zum Lebensunterhalt für behinderte Hilfebedürftige (35 % der maßgebenden Regelleistung)" in Höhe von 121 Euro monatlich (Bescheid vom 22.12.2006), anschließend bezog er Krankengeld.

4

Auf seinen Fortzahlungsantrag vom 23.3.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1.4.2007 bis zum 30.9.2007, ohne dabei einen behinderungsbedingten Mehrbedarf zu berücksichtigen (Bescheid vom 12.4.2007; Widerspruchsbescheid vom 9.5.2007). Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Detmold, mit der er zuletzt noch geltend machte, ihm stehe wie einem nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ein Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung in Höhe von 17 Prozent der Regelleistung zu. Bedingt durch eine von der Prothese herrührende Materialbelastung bestehe bei ihm ein erhöhter Verschleiß von Hosen, Socken und Schuhen. Der sog Stumpfsocken müsse alle zwei Tage bei Kochwäsche gewaschen werden, wodurch zusätzliche Aufwendungen für die Wäsche entstünden. Daneben fielen erhebliche zusätzliche Stromkosten an, da der Akku für das C-leg in der Nacht aufgeladen werden müsse. Zudem würden wegen der bestehenden Schmerzen vom behandelnden Arzt Akupunkturmaßnahmen, Massagen sowie Lichttherapie angewandt, die er - der Kläger - selbst zahlen müsse.

5

Das SG hat die Stadt Bielefeld als Trägerin der Leistungen nach dem SGB XII zum Verfahren beigeladen und die Klage abgewiesen (Urteil vom 27.11.2008). Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 28.5.2009). Zur Begründung hat es ausgeführt, Streitgegenstand des Verfahrens sei allein, ob der Kläger von der Beklagten für den Zeitraum vom 1.4.2007 bis zum 30.9.2007 mit Erfolg einen Mehrbedarf aufgrund seiner Schwerbehinderung beanspruchen kann. Der Kläger sei berechtigt gemäß § 7 SGB II und dabei insbesondere erwerbsfähig gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2, § 8 Abs 1 SGB II, weil seine Erwerbsfähigkeit so lange fingiert und als bestehend vorausgesetzt werde, bis gegebenenfalls die Einigungsstelle die Erwerbsfähigkeit des Arbeitsuchenden kläre(§ 44a Abs 1 Satz 3, § 45 SGB II). § 21 Abs 4 Satz 1 SGB II stütze das Begehren des Klägers nicht, denn im streitigen Zeitraum seien an ihn keine Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX bzw sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB XII erbracht worden. Die vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe nach § 55 Abs 2 Nr 6 SGB IX gewährten Hilfen für ein selbstbestimmtes Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten seien keine "sonstigen Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben" gemäß § 21 Abs 4 Satz 1 Fall 2 SGB II. Ein Anspruch des Klägers ergebe sich ferner nicht aus einer analogen oder erweiternden Anwendung des § 21 Abs 4 SGB II oder des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II und schließlich nicht aus § 30 oder § 73 SGB XII.

6

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er macht geltend, die vom LSG vorgenommene Auslegung des § 21 Abs 4 SGB II verletze Art 3 Grundgesetz (GG). Eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung ergebe sich vor allem gegenüber erwerbsfähigen, nicht behinderten Hilfebedürftigen, die in der Lage seien (ggf durch eine nur geringfügige) Tätigkeit im Rahmen der Freibeträge ihren Lebensstandard zu erhöhen, während der behinderte erwerbsfähige Hilfebedürftige von solchen Hinzuverdiensten die notwendigen Ausgaben für den behinderungsbedingten Mehrbedarf zu bestreiten habe.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Mai 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 27.11.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. April 2007 bis zum 30. September 2007 zusätzlich zu den bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II einen monatlichen behinderungsbedingten Mehrbedarf in Höhe von 17/100 der Regelleistung zu gewähren.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

10

Die Beigeladene hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen.

11

Die Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet, § 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

13

1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 12.4.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.5.2007. Der Streitgegenstand des Verfahrens wird durch diesen Bescheid auf den Zeitraum vom 1.4.2007 bis 30.9.2007 begrenzt. Der Kläger hat den Streitgegenstand zudem zulässigerweise insoweit beschränkt, als Kosten der Unterkunft nicht in Streit stehen. Darüber hinaus lassen sich - entgegen der Auffassung des LSG - die weiteren Regelungen der Beklagten zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht in rechtlich zulässiger Weise in weitere Streitgegenstände aufspalten (vgl etwa BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, jeweils RdNr 11; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 11). Das LSG wird die erforderlichen Feststellungen zur Höhe deshalb auch bezogen auf die dem Kläger gewährte Regelleistung nachzuholen haben.

14

2. Der Kläger ist nach den Feststellungen des LSG Berechtigter iS des § 7 Abs 1 SGB II idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004 (BGBl I 2014); insbesondere ist er trotz seiner behinderungsbedingten Einschränkungen erwerbsfähig iS des § 8 Abs 1 SGB II. Ob er damit neben einem Anspruch auf Regelleistung, der dem Grunde nach nicht zweifelhaft ist, auch Anspruch auf einen Mehrbedarf hat, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Bei seiner Prüfung insoweit ist das LSG zwar zutreffend davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf Mehrbedarf gemäß § 21 Abs 4 SGB II(dazu unter 3.) bzw einer entsprechenden Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II(dazu unter 4.) nicht besteht. Andere Anspruchsgrundlagen nach dem SGB II gegen den beklagten Grundsicherungsträger scheiden aus (dazu unter 5.); der geltend gemachte Mehrbedarf könnte aber gegenüber der Beigeladenen in § 73 SGB XII begründet sein(dazu unter 6.).

15

3. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Mehrbedarf des Klägers scheidet § 21 Abs 4 SGB II aus, wovon das LSG zutreffend ausgegangen ist. Nach § 21 Abs 4 Satz 1 SGB II(hier in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB XII erbracht werden, einen Mehrbedarf von 35 vH der nach § 20 maßgebenden Regelleistung. Die vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe bewilligte Hilfe zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten hat als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ihre Rechtsgrundlage in § 55 Abs 2 Nr 6 SGB IX iVm § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII und gehört damit nicht zu den in § 21 Abs 4 Satz 1 SGB II ausdrücklich genannten Leistungen nach § 33 SGB IX und § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB XII. Es handelt sich auch nicht um eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben. Bei Hilfen nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 55 Abs 2 Nr 6 SGB IX geht es um die wohnbezogene Betreuung des behinderten Menschen, die - wie vorliegend - auch ambulant erfolgen kann. Die Leistungen, die gemäß § 55 Abs 1 SGB IX nachrangig ua gegenüber den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben der §§ 33 bis 43 SGB IX(Kapitel 5) sind, zielen der Sache nach darauf ab, den behinderten Menschen so weit wie möglich zu befähigen, alle wichtigen Alltagsverrichtungen in seinem Wohnbereich selbstständig vornehmen zu können, sich im Wohnumfeld zu orientieren oder zumindest dies alles mit sporadischer Unterstützung Dritter zu erreichen (Luthe in jurisPK-SGB IX, Stand September 2010, § 55 RdNr 44). Solche Hilfen, die nicht als berufsbezogene, das Arbeitsleben betreffende Eingliederungsmaßnahmen erbracht werden, stellen keine sonstigen Hilfen iS des § 21 Abs 4 Satz 1 SGB II dar(ebenso O. Loose in GK-SGB II, Stand Juli 2010, § 21 RdNr 27.1; Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 21 RdNr 22). Zudem setzt der Mehrbedarf für erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige wegen der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die Teilnahme an einer regelförmigen Maßnahme voraus (vgl Bundessozialgericht Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 9), woran es vorliegend fehlt. Schließlich kann der Kläger einen Anspruch auf den Mehrbedarf auch nicht daraus herleiten, dass ihm im vorangehenden Bewilligungsabschnitt ein derartiger Anspruch nach § 21 Abs 4 SGB II zugebilligt worden war(vgl BSG aaO RdNr 16).

16

4. Zutreffend hat das LSG ferner entschieden, dass ein Anspruch auf Mehrbedarf nicht auf Grundlage einer (entsprechenden) Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II besteht(eingefügt mit Wirkung vom 1.8.2006 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706). Nach den Feststellungen des LSG ist der Kläger erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, sodass § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II unmittelbar keine Anwendung findet. Eine entsprechende Anwendung scheidet aus, denn im Hinblick auf den Personenkreis der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen fehlt es für die analoge Anwendung an einer planwidrigen Regelungslücke. Es entsprach von vornherein dem gesetzgeberischen Anliegen, erwerbsfähigen Hilfebedürftigen einen Mehrbedarf allein wegen ihrer Schwerbehinderteneigenschaft und der Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht zugänglich zu machen. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige anders als nicht erwerbsfähige Empfänger von Sozialgeld keinen Anspruch auf Leistungen wegen eines Mehrbedarfs haben, wenn sie Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" sind (Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 42/08 R - BSGE 105, 201 = SozR 4-4200 § 8 Nr 1, jeweils RdNr 23 ff). Die Anknüpfung an die Erwerbsfähigkeit eines Hilfebedürftigen ist hinreichendes Differenzierungskriterium im Hinblick auf die Gewährung des in Rede stehenden Mehrbedarfs. Insbesondere eine gleichheitswidrige Schlechterstellung gegenüber erwerbsfähigen, nicht behinderten Hilfebedürftigen liegt nicht vor, wie der Senat bereits ausgeführt hat. Zwar bestehen für erwerbsfähige, gehbehinderte Hilfebedürftige zusätzliche Eingliederungs- und Vermittlungshemmnisse, deren Beseitigung entsprechende Kosten auslösen kann. Behinderungsbedingte Nachteile auf dem Arbeitsmarkt, die zugleich den Zugang zu umfassenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX eröffnen, werden aber - für den Fall, dass solche Leistungen tatsächlich in Anspruch genommen werden - im Wesentlichen durch den (höheren) Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB II abgedeckt. Dementsprechend entfällt der Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II(bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII) auch für voll erwerbsgeminderte Hilfebedürftige, soweit sie (ausnahmsweise) Leistungen zur Eingliederungshilfe nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB XII in Anspruch nehmen und damit ebenfalls einen Mehrbedarf entsprechend § 21 Abs 4 SGB II erhalten(vgl § 28 Satz 3 Nr 4 2. Halbs SGB II). Die Abgrenzung der Fallkonstellationen ausgehend von der gesetzgeberischen Grundvorstellung, es bestehe kein Grund für die Gewährung eines Mehrbedarf für den Fall, dass die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dauerhaft möglich erscheint, erweist sich damit als folgerichtig und sachgerecht.

17

5. Andere Anspruchsgrundlagen gegen den beklagten Grundsicherungsträger scheiden aus. Der Senat geht im Anschluss an die Rechtsprechung des 7b. Senat des BSG (BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; vgl auch das Urteil des erkennenden Senats vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - Schülermonatskarte - SozR 4-4200 § 7 Nr 15)davon aus, dass die Regelungen des SGB II in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung keine Erhöhung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts über die gesetzliche Pauschale hinaus zulassen (zuletzt Urteil vom 19.8.2010 zu Kosten eines Hygienemehrbedarfs bei AIDS - B 14 AS 13/10 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 14, und Urteil vom 28.10.2009 zu Mehrkosten einer Schülermonatskarte - B 14 AS 44/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 15). Insbesondere scheidet § 23 Abs 1 SGB II als Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers schon deshalb aus, weil es sich bei den vom Kläger geltend gemachten zusätzlichen Bedarfen um wiederkehrende Bedarfe handelt, die einer darlehensweisen Gewährung nicht zugänglich sind(vgl BSG Urteil vom 19.8.2010, aaO, unter Hinweis auf SozR 4-4200 § 7 Nr 15 ). Der Senat geht schließlich davon aus, dass der vom Bundesverfassungsgericht geforderte verfassungsrechtliche Anspruch bei unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfen (vgl BVerfGE 125, 175, 252 ff = juris RdNr 204 ff) nur dann eingreift, wenn nicht bereits auf Grund einfachgesetzlicher Regelungen eine Leistungsgewährung möglich ist (BSG Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 23; im Einzelnen sogleich).

18

6. Nicht abschließend entscheiden kann der Senat die Frage, ob dem Kläger gegen die Beigeladene ein Anspruch aus § 73 SGB XII zusteht. Hiernach können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Voraussetzung eines Anspruchs nach § 73 SGB XII ist nach der Rechtsprechung des 7b. Senats, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, eine besondere Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist. Zugleich muss auch der Bereich der Grundrechtsausübung tangiert sein (vgl BSGE 97, 242, 250 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1 RdNr 22 f; BSG Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 19 f).

19

Ein Anspruch gegen die Beigeladene aus § 73 SGB XII scheidet - anders als die Vorinstanzen meinen - nicht schon deshalb aus, weil der Bereich der Grundrechtsausübung nicht tangiert wäre. Es kann hinsichtlich der geltend gemachten Bedarfe nicht ohne weitere Prüfung davon ausgegangen werden, dass es sich um hinzunehmende Bagatellbedürfnisse oder Bedürfnisse ohne Grundrechtsbezug handelt (hierzu Urteil des Senats vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 15 RdNr 21). Vielmehr könnte durch eine nicht ausreichende Versorgung des Stumpfes und einen nicht ausreichenden Ausgleich seiner Behinderung das Recht des Klägers auf Leben (Gesundheit) und körperliche Unversehrtheit gemäß Art 2 Abs 2 GG berührt sein (zur Bedeutung dieses Grundrechts im Sozialrecht vgl insbesondere BVerfGE 115, 25 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5). Ob ein entsprechender atypischer Bedarf beim Kläger besteht, der den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigt, wird nach Zurückverweisung des Rechtsstreits im Einzelnen zu prüfen sein.

20

a) Dabei ist den Vorinstanzen allerdings dahin zuzustimmen, dass die Kosten, die durch die Versorgung mit dem C-leg entstehen, relevante Bedarfe nach § 73 SGB XII nicht auslösen können. Diese Kosten sind vollständig von der gesetzlichen Krankenversicherung, deren Mitglied der Kläger nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ist, zu tragen. Die Energieversorgung im Zusammenhang mit dem Betrieb des Hilfsmittels gehört dabei zum Leistungsumfang nach § 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch(; vgl BSGE 80, 93 = SozR 3-2500 § 33 Nr 24). Diese Energiekosten sind - anders als die Batterien für Hörgeräte - nicht nach § 34 Abs 4 SGB V iVm § 2 der Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung von der Leistungspflicht der Krankenkasse(vom 13.12.1989, BGBl I 2237, zuletzt geändert durch Art 1 Erste ÄndVO vom 17.1.1995, BGBl I 44) ausgeschlossen. Damit scheidet ein Anspruch nach § 73 SGB XII aus, denn die Kosten bleiben nicht ungedeckt.

21

Ähnliches gilt, soweit der Kläger Kosten für ärztliche Behandlungen (insbesondere mittels Akupunktur) geltend macht: Der Anspruch auf die medizinisch notwendige Krankenbehandlung wird für gesetzlich versicherte Hilfeempfänger durch die Krankenbehandlung nach § 27 Abs 1 SGB V gedeckt. Soweit die ärztliche Behandlung bei gesetzlich krankenversicherten Hilfeempfängern nicht innerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift stattgefunden hat und eine Übernahme als Leistung der Krankenversicherung wegen fehlenden Nachweises eines therapeutischen Nutzen ausscheidet, löst sie einen relevanten Bedarf nach § 73 SGB XII nicht aus. Hinsichtlich der therapeutischen Notwendigkeit einer bestimmten Krankenbehandlung und den Anforderungen an ihren Nachweis gelten für Leistungsempfänger nach dem SGB II keine anderen Voraussetzungen als für die übrigen Versicherten nach dem SGB V, die Versicherungsschutz insbesondere auf Grund abhängiger Beschäftigung erlangen. Im Hinblick auf die Akupunkturbehandlung hat der Gemeinsame Bundesausschuss (vgl § 91 SGB V)mit Beschluss vom 18.4./19.9.2006 (BAnz Nr 214 vom 15.11.2006, 6952) die Körperakupunktur mit Nadeln ohne elektrische Stimulation bei chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule oder mindestens eines Kniegelenks mit Wirkung vom 1.1.2007 als Methode der vertragsärztlichen Versorgung anerkannt. Die Frage, ob die Kosten für eine entsprechend durchgeführte Behandlung übernommen werden, muss der Kläger damit gegenüber seiner Krankenkasse klären. Gesetzliche oder auf Gesetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen können nur innerhalb des Leistungssystems nach dem SGB V daraufhin zu prüfen sein, ob sie im Rahmen des GG Art 2 Abs 1 gerechtfertigt sind (dazu BVerfGE 115, 25 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5). Ob wegen ihrer eingeschränkten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit anderes für Hilfebedürftige nach dem SGB II gelten muss, wenn Leistungen nicht auf Grund des fehlenden Nachweises eines therapeutischen Nutzens, sondern wegen ihrem geringen Abgabepreis von der Versorgung nach dem SGB V ausgenommen sind, kann offen bleiben. Ein solcher Fall liegt nach den bisherigen Feststellungen des LSG nicht vor.

22

b) Die übrigen vom Kläger geltend gemachten Kosten weisen der Art nach eine Nähe zu den Fällen eines notwendigen Hygienemehrbedarfs bei schwerer Erkrankung auf (dazu BSG Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Kläger macht in erster Linie erhöhte Aufwendungen für alle zwei Tage notwendig werdende 90-Grad-Wäsche der Stumpfsocken geltend. Wenn durch mangelnde Sauberkeit des Stumpfsockens tatsächlich gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten wären, was das LSG bislang nicht festgestellt hat, weist dieser geltend gemachte Bedarf eine sachliche Nähe zu den sog Hilfen zur Gesundheit gemäß §§ 47 ff SGB XII auf, kann aber im System des SGB V nicht befriedigt werden.

23

Fraglich ist insoweit aber, ob in diesem Fall Kosten anfallen, die einen Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Stehen hier nur Bagatellbeträge in Rede, so kann eine Verurteilung nach § 73 SGB XII nach der bisherigen Rechtsprechung scheitern, weil dann trotz vorliegender Grundrechtsbetroffenheit die entsprechenden Kosten selbst zu tragen wären. Welche Kosten für den Kläger bezogen auf den geltend gemachten Bedarf insoweit tatsächlich anfallen und ob es sich sowohl hinsichtlich der Kosten für die Wäsche als auch für die Bekleidung um Mehrkosten handelt, die nicht bereits durch die Regelleistung abgedeckt sind, wird das LSG im Einzelnen zu überprüfen haben und abschließend zu entscheiden haben, ob solche Mehrkosten den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Der Senat hat insoweit ausgeführt, jedenfalls bei regelmäßig monatlich anfallenden Kosten in Höhe von rund 20 Euro scheitere ein Klagebegehren nicht bereits an einer in § 73 SGB XII unter dem Gesichtspunkt der Rechtfertigung des Mitteleinsatzes enthaltenen "Bagatellgrenze"(BSG aaO RdNr 20).

24

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Liegen die Ergebnisse einer bundesweiten neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vor, wird die Höhe der Regelbedarfe in einem Bundesgesetz neu ermittelt.

(2) Bei der Ermittlung der bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen nach § 27a Absatz 2 sind Stand und Entwicklung von Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen. Grundlage hierfür sind die durch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe nachgewiesenen tatsächlichen Verbrauchsausgaben unterer Einkommensgruppen.

(3) Für die Ermittlung der Regelbedarfsstufen beauftragt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Statistische Bundesamt mit Sonderauswertungen, die auf der Grundlage einer neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vorzunehmen sind. Sonderauswertungen zu den Verbrauchsausgaben von Haushalten unterer Einkommensgruppen sind zumindest für Haushalte (Referenzhaushalte) vorzunehmen, in denen nur eine erwachsene Person lebt (Einpersonenhaushalte), sowie für Haushalte, in denen Paare mit einem Kind leben (Familienhaushalte). Dabei ist festzulegen, welche Haushalte, die Leistungen nach diesem Buch und dem Zweiten Buch beziehen, nicht als Referenzhaushalte zu berücksichtigen sind. Für die Bestimmung des Anteils der Referenzhaushalte an den jeweiligen Haushalten der Sonderauswertungen ist ein für statistische Zwecke hinreichend großer Stichprobenumfang zu gewährleisten.

(4) Die in Sonderauswertungen nach Absatz 3 ausgewiesenen Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte sind für die Ermittlung der Regelbedarfsstufen als regelbedarfsrelevant zu berücksichtigen, soweit sie zur Sicherung des Existenzminimums notwendig sind und eine einfache Lebensweise ermöglichen, wie sie einkommensschwache Haushalte aufweisen, die ihren Lebensunterhalt nicht ausschließlich aus Leistungen nach diesem oder dem Zweiten Buch bestreiten. Nicht als regelbedarfsrelevant zu berücksichtigen sind Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte, wenn sie bei Leistungsberechtigten nach diesem Buch oder dem Zweiten Buch

1.
durch bundes- oder landesgesetzliche Leistungsansprüche, die der Finanzierung einzelner Verbrauchspositionen der Sonderauswertungen dienen, abgedeckt sind und diese Leistungsansprüche kein anrechenbares Einkommen nach § 82 oder § 11 des Zweiten Buches darstellen oder
2.
nicht anfallen, weil bundesweit in einheitlicher Höhe Vergünstigungen gelten.

(5) Die Summen der sich nach Absatz 4 ergebenden regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte sind Grundlage für die Prüfung der Regelbedarfsstufen, insbesondere für die Altersabgrenzungen bei Kindern und Jugendlichen. Die nach Satz 1 für die Ermittlung der Regelbedarfsstufen zugrunde zu legenden Summen der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben aus den Sonderauswertungen sind jeweils mit der sich nach § 28a Absatz 2 ergebenden Veränderungsrate entsprechend fortzuschreiben. Die sich durch die Fortschreibung nach Satz 2 ergebenden Summenbeträge sind jeweils bis unter 0,50 Euro abzurunden sowie von 0,50 Euro an aufzurunden und ergeben die Regelbedarfsstufen (Anlage).

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Leistungen zur Eingliederung in Arbeit können erbracht werden, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Eingliederung erforderlich sind. Bei den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sind zu berücksichtigen

1.
die Eignung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die individuelle Lebenssituation der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, insbesondere ihre familiäre Situation,
3.
die voraussichtliche Dauer der Hilfebedürftigkeit der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und
4.
die Dauerhaftigkeit der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten.
Vorrangig sollen Leistungen erbracht werden, die die unmittelbare Aufnahme einer Ausbildung oder Erwerbstätigkeit ermöglichen, es sei denn, eine andere Leistung ist für die dauerhafte Eingliederung erforderlich. Von der Erforderlichkeit für die dauerhafte Eingliederung ist insbesondere auszugehen, wenn leistungsberechtigte Personen ohne Berufsabschluss Leistungen zur Unterstützung der Aufnahme einer Ausbildung nach diesem Buch, dem Dritten Buch oder auf anderer rechtlicher Grundlage erhalten oder an einer nach § 16 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 in Verbindung mit § 81 des Dritten Buches zu fördernden beruflichen Weiterbildung teilnehmen oder voraussichtlich teilnehmen werden. Die Verpflichtung zur vorrangigen Aufnahme einer Ausbildung oder Erwerbstätigkeit gilt nicht im Verhältnis zur Förderung von Existenzgründungen mit einem Einstiegsgeld für eine selbständige Erwerbstätigkeit nach § 16b.

(2) Bei der Beantragung von Leistungen nach diesem Buch sollen unverzüglich Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem Ersten Abschnitt des Dritten Kapitels erbracht werden.

(3) Bei der Erbringung von Leistungen nach dem Ersten Abschnitt des Dritten Kapitels sind die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten.

(4) Die Agentur für Arbeit hat darauf hinzuwirken, dass erwerbsfähige teilnahmeberechtigte Leistungsberechtigte, die

1.
nicht über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügen, vorrangig an einem Integrationskurs nach § 43 des Aufenthaltsgesetzes teilnehmen, oder
2.
darüber hinaus notwendige berufsbezogene Sprachkenntnisse benötigen, vorrangig an der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes teilnehmen.
Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 ist die Teilnahme am Integrationskurs nach § 43 des Aufenthaltsgesetzes oder an der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a des Aufenthaltsgesetzes in der Regel für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich. Für die Teilnahmeberechtigung, die Verpflichtung zur Teilnahme und die Zugangsvoraussetzungen gelten die §§ 44, 44a und 45a des Aufenthaltsgesetzes sowie des § 9 Absatz 1 Satz 1 des Bundesvertriebenengesetzes in Verbindung mit der Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler und der Verordnung über die berufsbezogene Deutschsprachförderung.

(5) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dürfen nur erbracht werden, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann. Die nach diesem Buch vorgesehenen Leistungen decken den Bedarf der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen.

Leistungen können auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31.5.2006.

2

Die 1967 geborene Klägerin bezog zunächst Arbeitslosengeld (bis 25.7.2004), anschließend Krankengeld (bis 20.8.2004) und bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Bei ihr ist ein GdB von 60 anerkannt. Darüber hinaus ist sie erheblich gehbehindert (Merkzeichen "G"). Seit dem 1.7.2007 bezieht sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Bund.

3

Die Beklagte bewilligte ihr auf Antrag Leistungen nach dem SGB II und zwar für den Zeitraum vom 1.1. bis 1.6.2005 in Höhe von 819,53 Euro (Regelleistung: 345 Euro, Leistungen für Unterkunft und Heizung: 314,53 Euro sowie befristeter Zuschlag: 160 Euro). Für den Monat Juli 2005 reduzierte die Beklagte den befristeten Zuschlag auf 146,66 Euro und danach bis zum 30.11.2005 auf 80 Euro (Bescheide vom 23.11.2004 und 19.4.2005). Für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 gewährte die Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts alsdann ohne befristeten Zuschlag (Bescheid vom 18.11.2005). In ihren Widersprüchen gegen diese Bescheide machte die Klägerin ua geltend, dass ihr wegen der Schwerbehinderung in Verbindung mit der erheblichen Gehbehinderung höhere Leistungen zustünden. Die Beklagte wies die Widersprüche mit der Begründung zurück, für das Begehren der Klägerin fehle es an einer Anspruchsgrundlage (Widerspruchsbescheid vom 15.12.2005).

4

Im Klageverfahren ist die Klägerin im Wesentlichen erfolglos geblieben (Urteil des SG Düsseldorf vom 4.9.2008). Die Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem SG lediglich verpflichtet, der Klägerin unter Beachtung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB II für den gesamten streitigen Zeitraum weitere Leistungen in Höhe von 7,52 Euro zu erbringen. Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückgewiesen (Urteil vom 12.3.2009). Es hat zur Begründung ausgeführt, für das nur noch streitige Begehren der Klägerin auf höhere Leistungen wegen eines Mehrbedarfs auf Grund der Schwer- und erheblichen Gehbehinderung fehle es an einer Anspruchsgrundlage. Die Klägerin erfülle weder die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs 4 SGB II, noch des Abs 5 dieser Vorschrift. Auch § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II scheide als Anspruchsgrundlage aus. Soweit wegen der Schwer- und erheblichen Gehbehinderung ein unabweisbarer Bedarf iS des § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II gegeben sei, handele es sich um einen regelmäßigen Bedarf, der nach dem Sinn und Zweck der Norm nicht durch ein Darlehen gedeckt werden könne. Die Klägerin könne sich ebenso wenig auf § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II berufen. Sie erfülle die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift nicht, denn sie sei im streitigen Zeitraum nicht erwerbsunfähig iS des § 8 Abs 1 SGB II gewesen. Eine analoge Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II komme nicht in Betracht. Eine planwidrige Lücke sei nicht zu erkennen. Die Leistung für Mehrbedarf sei nach der gesetzgeberischen Intention erwerbsunfähigen Leistungsempfängern unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit Leistungsempfängern nach dem SGB XII vorbehalten. Eine unmittelbare Anwendung des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII scheide bereits deswegen aus, weil erwerbsfähige Hilfebedürftige keine Leistungen nach § 30 SGB XII beziehen könnten, denn § 5 Abs 2 SGB II schließe das Nebeneinander von Leistungen aus beiden Systemen für den Fall aus, dass Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII im Streit stünden. § 73 SGB XII könne auch nicht zur Anwendung kommen. Der hier geltend gemacht Bedarf entspringe keiner atypischen Bedarfslage, die einer der in den Kapiteln 5 bis 9 des SGB XII benannten entspreche. Der Ausschluss von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen von diesen Mehrbedarfsleistungen im Gegensatz zu Erwerbsunfähigen verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungssatz des Art 3 Abs 1 GG. Eine Ungleichbehandlung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gegenüber den erwerbsunfähigen Leistungsbeziehern mit Anspruch auf Leistungen nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Der erwerbsfähige Hilfebedürftige sei auf Grund seiner Möglichkeit des Hinzuverdienstes zum einen in der Lage seinen erhöhten Bedarf selbst zu decken, zum anderen aber auch, soziale Kontakte von sich aus aufrecht zu erhalten. Da es zudem Ziel des SGB II sei, die dortigen Leistungsbezieher in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sei eine vorübergehende Differenzierung zusätzlich zu rechtfertigen.

5

Mit ihrer Revision gegen dieses Urteil macht die Klägerin geltend, dass in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden eine Differenzierung zwischen Erwerbsunfähigen und Erwerbsfähigen nicht gerechtfertigt sei, da sie als schwer- und erheblich gehbehinderte Leistungsbezieherin ebenso wie ein SGB XII-Leistungsberechtigter auf absehbare Zeit nicht in der Lage sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie habe daher keine Möglichkeiten der Kompensation des Mehrbedarfs durch Erzielung von Erwerbseinkommen.

6

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 12.3.2009 und des SG Düsseldorf vom 4.9.2008 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 23.11.2004, 19.4.2005 und 18.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2005 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31.5.2006 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung von Leistungen für Mehrbedarf in Höhe von 59 Euro monatlich zu gewähren.

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Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des LSG.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet.

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Auf Grund der Feststellungen des LSG vermochte der Senat nicht abschließend zu entscheiden, ob die Klägerin im streitigen Zeitraum Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung hat. Zwar hat das LSG zutreffend auf einfachgesetzlicher Grundlage entschieden, dass der Klägerin im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31.5.2006 kein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zusteht. Für erwerbsfähige Leistungsberechtigte mangelt es im SGB II an einer Anspruchsgrundlage für eine derartige Leistung wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung. Eine analoge Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II bzw für den Zeitpunkt vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII auf den Kreis der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen scheidet wegen des Fehlens einer planwidrigen Lücke insoweit ebenfalls aus. Erwerbsfähige Hilfebedürftige sind gleichfalls von Leistungen für einen Mehrbedarf wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung nach den Vorschriften des SGB XII ausgeschlossen; insoweit können sie sich weder direkt auf § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII noch auf § 73 SGB XII berufen. Der Senat konnte auf Grund der Feststellungen des LSG jedoch nicht entscheiden, ob die Klägerin einen Anspruch auf höhere Leistungen aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG hat.

11

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide vom 23.11.2004, 19.4.2005 und 18.11.2005, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2005, mit denen die Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31.5.2006 bewilligt hat. Der erkennende Senat folgt dem LSG insoweit, als dieses durch seine Eingrenzung des Streitgegenstandes auf Leistungen für Mehrbedarf zum Ausdruck bringt, dass zumindest Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht im Streit stehen (zur Eigenständig- und Abtrennbarkeit der Kosten der Unterkunft als Streitgegenstand vgl BSG 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Die weiteren Regelungen der Beklagten in diesen Bescheiden betreffend die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können nicht rechtlich zulässig in unterschiedliche Streitgegenstände aufgespalten werden (vgl zum befristeten Zuschlag BSG vom 31.10.2007 - B 14 AS 30/07 R, SozR 4-4200 § 24 Nr 2; kein Bestandteil der Regelleistung hingegen Anspruch auf Erstausstattung nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II: BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R , BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2 und 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R SozR 4-4200 § 23 Nr 4) . Dieses gilt auch für eine Leistung für Mehrbedarf, die nach der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist (vgl BSG 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R, SozR 4-1500 § 71 Nr 2; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 19 RdNr 9) . Der Streit um einen Anspruch auf eine Leistung nach § 21 SGB II stellt keinen eigenständigen und von der Höhe der Regelleistung abtrennbaren Streitgegenstand dar(BSG vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R , BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5) . Die Höhe der weiteren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist somit unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu überprüfen (vgl zum Mehrbedarf wegen Alleinerziehung: BSG vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R , aaO) .

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2. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin ist die Beklagte weiterhin beteiligtenfähig nach § 70 Nr 2 SGG(vgl hierzu BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1) . Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat zwar § 44b SGB II als mit Art 28 und Art 83 GG unvereinbar erklärt (Urteil vom 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04 = BVerfGE 119, 331 ). Die gemäß § 44b SGB II gebildeten Arbeitsgemeinschaften können jedoch für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2010 (BVerfG, aaO) auf der bisherigen Rechtsgrundlage tätig werden (vgl zuletzt BSG 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R, SozR 4-4200 § 21 Nr 4).

13

3. Die Klägerin erfüllt im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 19 iVm § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II in der Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004 (BGBl I 2014). Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet, das 65. Lebensjahr noch nicht, ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG erwerbsfähig und hilfebedürftig. Ferner hat sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

14

4. Die Klägerin hat auf einfachgesetzlicher Grundlage keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wegen eines Mehrbedarfs auf Grund der Schwer- und erheblichen Gehbehinderung im streitigen Zeitraum. Für einen derartigen Anspruch mangelt es an einer Anspruchsgrundlage im SGB II. Ebenso scheidet eine analoge Anwendung von § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII aus.

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Dem Anspruch auf Leistungen wegen Mehrbedarfs nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II steht zwar nicht grundsätzlich entgegen, dass die Vorschrift im streitigen Zeitraum noch nicht in Kraft getreten war. Sie hat erst auf Grund des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) zum 1.8.2006 Wirkung entfaltet. Der Senat schließt sich jedoch der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG an, der von der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Ergänzung des § 28 SGB II für die Zeit vor der Neuregelung durch analoge Anwendung der sozialhilferechtlichen Parallelregelung des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII ausgeht(s BSG vom 21.12.2009 - B 14 AS 42/08 R zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen unter Hinweis auf SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 43).

16

Allerdings scheitert eine Durchsetzung des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs unter Rückgriff auf eine entsprechende Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII gegen den SGB II-Träger im streitigen Zeitraum bereits daran, dass sie nach den Feststellungen des LSG im streitigen Zeitraum erwerbsfähig war.

17

Der Wortlaut des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII beschränkt den Kreis der Leistungsberechtigen insoweit eindeutig. Nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II erhalten nur nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, einen Mehrbedarf von 17 vom Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung, wenn sie Inhaber eines Ausweises nach § 69 Abs 5 des SGB IX mit dem Merkzeichen "G" sind. Die parallele Regelung des § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII gilt unter Beachtung von § 21 SGB XII ebenfalls nur für erwerbsunfähige Hilfebedürftige(s zum leistungsberechtigten Personenkreis für Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII: BSG vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 18/07 R, SozR 4-3500 § 18 Nr 1 ). Dass eine Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten auf erwerbsfähige Hilfebedürftige auch nicht auf dem Wege eines Analogieschlusses in Betracht kommt, hat der 14. Senat bereits am 21.12.2009 (B 14 AS 42/08 R, vgl Terminbericht vom 22.12.2009 - Nr 72/09) entschieden. Der erkennende Senat schließt sich dem an.

18

Insoweit mangelt es bereits an einer planwidrigen Lücke. Es entsprach von vornherein dem gesetzgeberischen Anliegen, erwerbsfähigen Hilfebedürftigen einen Mehrbedarf allein wegen ihrer Schwerbehinderteneigenschaft und der Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht zugänglich zu machen.

19

Dies folgt bereits aus der Rechtsentwicklung der Vorgängervorschrift des § 23 Abs 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), die angesichts der Entstehungsgeschichte des § 30 Abs 1 SGB XII für dessen Auslegung und für die Erforschung der Absichten des historischen Gesetzgebers bezüglich der Mehrbedarfe im SGB II wesentliche Bedeutung hat. Entstehungsgeschichtlicher Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für die Gewährung des Mehrbedarfs war nicht die Schwerbehinderung und der Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G", sondern gerade die Erwerbsunfähigkeit des Hilfebedürftigen (vgl die insoweit ausführlichen Darlegungen in BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 5/08 R, SozR 4-3500 § 30 Nr 1) . Die Schwerbehinderung und die Zuerkennung des Merkzeichens "G" wurde erst durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996 (BGBl I 1088) als eine zusätzliche Voraussetzung für die Gewährung der Mehrbedarfsleistung nach § 23 Abs 1 Nr 2 BSHG eingefügt(s BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 5/08 R, aaO). Die gesetzgeberische Motivation lag wohl darin, den leistungsberechtigten Personenkreis unter gesundheitlichen Aspekten näher einzugrenzen (s BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 5/08 R, aaO; vgl auch BT-Drucks 13/2440). Deutlich wird zumindest, dass es dem Gesetzgeber nicht darum gegangen ist, die Zielrichtung des Mehrbedarfs insgesamt im Hinblick auf einen Schwerbehindertenmehrbedarf zu verändern, sondern den Empfängerkreis lediglich auf diejenigen Erwerbsunfähigen zu beschränken, die auch schwerbehindert und insbesondere gehbehindert sind. Die Erwerbsunfähigkeit sollte wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Anerkennung des Mehrbedarfs bleiben. Diese Bestimmungen des § 23 Abs 1 BSHG sind im Wesentlichen inhaltsgleich in das SGB XII übernommen worden, wobei ua mit der Absenkung der Prozentsätze der Neukonzeption der Regelsätze Rechnung getragen werden sollte(BT-Drucks 15/1514 S 60 zu § 31). Diese Gesichtspunkte belegen die Planmäßigkeit des Fehlens entsprechender Mehrbedarfsregelungen in § 21 SGB II. Gegen die Planwidrigkeit der Regelungslücke spricht schließlich auch, dass der Gesetzgeber die Änderungen durch das Fortentwicklungsgesetz auf § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II beschränkt hat, also den Kreis der Erwerbsunfähigen, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits Kritik am Fehlen einer entsprechenden Mehrbedarfsregelung in § 21 SGB II aufgekommen waren(vgl nur Hofmann in Münder, LPK-SGB II, 1. Aufl 2005, § 21 RdNr 3).

20

5. Zutreffend ist das LSG ferner davon ausgegangen, dass auch weder § 21 Abs 4 oder 5 SGB II, noch § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II als Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin in Betracht kommen.

21

Nach § 21 Abs 4 SGB II erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB XII erbracht werden, einen Mehrbedarf von 35 vom Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden. Nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des LSG bezog sie im streitigen Zeitraum keine Eingliederungsleistungen. Leistungen für Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB II können jedoch nur dann beansprucht werden, wenn tatsächlich Eingliederungsleistungen in dem dort benannten Sinne erbracht werden(vgl BSG vom 25.6.2008 - B 11b AS 19/07 R, BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1 RdNr 22) . Einen medizinisch begründeten Bedarf an kostenaufwändiger Ernährung, der nach § 21 Abs 5 SGB II zu einer Leistung für Mehraufwand führen könnte, hat das LSG ebenfalls - von der Klägerin nicht angegriffen - ausgeschlossen.

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§ 23 Abs 1 Satz 1 SGB II scheidet als Anspruchsgrundlage bereits deswegen aus, weil nach dieser Vorschrift keine dauerhaften, monatlich wiederkehrenden pauschalen Bedarfe gedeckt werden können(vgl bereits BSG vom 7.11.2006 BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1; s nun auch BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09, Umdruck, S 73) . Nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann, den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. Nach den Feststellungen des LSG und dem eigenen Vortrag der Klägerin begehrt sie keine Leistungen zur Deckung der Aufwendungen eines im Einzelnen unabweisbaren Bedarfs im Sinne des Gesetzes. Das Begehren der Klägerin ist nach der Fassung ihres Antrags, in Übereinstimmung mit ihrem Vortrag sowie den Feststellungen des LSG vielmehr auf einen nicht konkret benannten Ausgleich für die Schwer- und erhebliche Gehbehinderung gerichtet. Sie macht damit eine monatliche Erhöhung der Regelleistung durch einen pauschalen Satz, also eine monatlich wiederkehrende Leistung geltend. Ein derartiger Anspruch kann jedoch nicht auf § 23 SGB II gestützt werden.

23

Grundsätzlich hat der Hilfebedürftige seinen Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts durch die Regelleistungspauschale des § 20 SGB II zu decken. Kann ein notwendiger Bedarf durch die Regelleistung tatsächlich nicht gedeckt werden, soll der Hilfebedürftige zunächst den "Ansparbetrag" einsetzen. Dieses folgt aus dem Hinweis auf § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II. Er soll also vorrangig versuchen, aus Mitteln der Regelleistung eine Bedarfsdeckung zu erreichen. Nur wenn ihm dieses nicht gelingt, kann § 23 Abs 1 SGB II im Einzelfall eingreifen(vgl hierzu Gesetzentwurf zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch, BR-Drucks 559/03, S 196; s auch Lang/Blüggel in Eicher/Spellbrink SGB II, 2. Aufl, § 23 RdNr 20) . Dass keine Dauerbedarfe durch die Leistung nach § 23 Abs 1 SGB II gedeckt werden sollen, folgt insoweit unmittelbar aus dem Wortlaut. Aber auch der Hinweis auf den Ansparbetrag und die Art der Leistungsgewährung durch Darlehen, das zudem nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB II zwingend zu tilgen ist, belegen die Beschränkung auf einmalige oder kurzfristige Spitzen im Bedarf. Eine monatliche Darlehensgewährung (s zur Verteilung der Zuzahlung zu Leistungen der GKV bis zur Belastungsgrenze nach § 62 SGB V über ein Jahr BSG vom 22.4.2008 - B 1 KR 10/07 R, BSGE 100, 221 = SozR 4-2500 § 62 Nr 6) würde die Tilgungssumme bei monatlicher Darlehensgewährung Monat für Monat erhöhen und bei längerem Leistungsbezug eine kaum überschaubare Dimension annehmen. Zur Deckung eines dauerhaften besonderen Bedarfs ist die Gewährung eines Darlehens ungeeignet (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09).

24

Eine andere Anspruchsgrundlage auf einfachgesetzlicher Ebene des SGB II findet sich nicht. Das Leistungssystem des SGB II ist ein in sich abgeschlossenes, das über die nach diesem Gesetz vorgesehenen Leistungen hinaus keine weiteren auf Grundlage des SGB II vorsieht. Diesen Grundsatz hat der Gesetzgeber durch die Einfügung des Satzes 4 in § 23 Abs 1 SGB II sowie Ergänzung des Satzes 1 und Anfügung eines Satzes 2 in § 3 Abs 3 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) nochmals ausdrücklich unterstrichen. Danach sind weitere Leistungen - über die Darlehensleistung hinaus - bzw eine abweichende Festlegung der Bedarfe ausgeschlossen.

25

6. Eine Ausnahme hiervon kann sich zwar aus § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II iVm Vorschriften des SGB XII ergeben (zum Umgangsrecht BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; zu Pflegeleistungen BSG vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 18/07 R, SozR 4-3500 § 18 Nr 1; s auch Knickrehm NZS 2007, 128 ). Voraussetzung insoweit ist jedoch nach § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II, dass es sich bei der begehrten Leistung nicht um eine solche nach dem 3. Kapitel des SGB XII, also keine Leistung aus dem Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt handelt. Soweit die Klägerin mithin ihren Anspruch aus § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII ableitet, ist ihr auch dieser Weg verschlossen, denn ebenso wie im SGB II (s oben unter 1.) sind auch im SGB XII die Mehrbedarfsleistungen Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (3. Kapitel des SGB XII) .

26

Ebenso scheidet der trotz § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II zwar grundsätzlich mögliche Rückgriff auf § 73 SGB XII als Anspruchsgrundlage aus. Zwar kann, wenn eine atypische Bedarfslage gegeben ist, Hilfe in dieser besonderen Lebenslage nach § 73 SGB XII neben der Regelleistung des § 20 SGB II auch erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gewährt werden(so bereits BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; vgl auch Knickrehm, Sozialrecht aktuell 2006, 159, 162; aA Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/Asylbewerberleistungsgesetz, § 73 SGB XII RdNr 11, Stand Februar 2006; vgl auch O'Sullivan, SGb 2005, 369, 371 f). Allerdings darf die Norm nicht zur allgemeinen Auffangregelung für Leistungsempfänger des SGB II mutieren. Erforderlich ist daher nicht nur das Vorliegen einer besonderen Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist(vgl hierzu BSG vom 25.6.2008 - B 11b AS 19/07 R, BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1 RdNr 22) und dadurch eine Aufgabe von besonderem Gewicht darstellt . Eine derartige Bedarfslage darf ferner nach dem Regelkonzept von SGB II und SGB XII nicht ausschließlich durch eine Erhöhung der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII oder eine ausdrücklich im 3. Kapitel des SGB XII vorgesehene Hilfe zu decken sein. Anderenfalls würde § 73 SGB XII nicht nur zur Auffangregelung werden, sondern auch zur Umgehung sowohl des § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II, als auch der Regelungen des SGB XII eingesetzt werden können. So liegt der Fall hier.

27

7. Der Senat konnte jedoch nicht abschließend darüber entscheiden, ob der Klägerin im streitigen Zeitraum ggf ein Anspruch aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG iS der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09) zusteht. Es mangelt an hinreichenden Tatsachenfeststellungen des LSG, um das Vorliegen der Voraussetzungen eines derartigen Leistungsanspruchs beurteilen zu können.

28

Das BVerfG hat entschieden, dass ua § 20 Abs 2 1. Halbsatz und Abs 3 Satz 1 SGB II iVm § 20 Abs 1 SGB II in den unterschiedlichen Fassungen seit dem Inkrafttreten des SGB II am 1.1.2005 mit Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG unvereinbar sind. Bis zur Neuregelung, die der Gesetzgeber bis spätestens zum 31.12.2010 zu treffen hat, sind diese Vorschriften jedoch weiter anwendbar. Die dem Gesetzgeber aufgegebene Neuregelung muss darüber hinaus einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs für die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten vorsehen, der bisher nicht von den Leistungen nach §§ 20 ff SGB II erfasst wird, jedoch zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zwingend zu decken ist. Bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber hat das BVerfG im Tenor der Entscheidung ausdrücklich angeordnet, dass dieser Anspruch nach Maßgabe seiner Urteilsgründe unmittelbar aus Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG zu Lasten des Bundes geltend gemacht werden kann.

29

In den Urteilsgründen hat das BVerfG ausgeführt, eine Leistung, die geeignet sei, einen unabweisbaren, laufenden und nur einmaligen, besonderen Bedarf zu decken, sei deswegen zwingend in das SGB II aufzunehmen und bis zur Neuregelung direkt aus der Verfassung abzuleiten, weil die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der die Regelleistung beruhe, allein den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen widerspiegele, nicht aber einen darüber hinausgehenden, besonderen Bedarf aufgrund atypischer Bedarfslagen ( BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09, Umdruck S 71 ). Grundsätzlich sei die Gewährung der Regelleistung als feste Pauschale iS einer typisierenden Regelung auch im Bereich der Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums zulässig. Es sei dem Hilfebedürftigen zuzumuten, über die Verwendung des Festbetrags im Einzelnen selbst zu bestimmen und dabei sein individuelles Verbrauchsverhalten so zu gestalten, dass er mit dem Festbetrag auskomme. Vor allem habe er bei besonderem Bedarf zuerst auf das Ansparpotential zurückzugreifen, das in der Regelleistung enthalten sei. Die pauschalierte Regelleistung, festgelegt nach dem Statistikmodell, decke jedoch bereits von ihrer Konzeption her nur durchschnittliche Bedarfe ab. Ein in Sonderfällen auftretender Bedarf nicht erfasster Art oder atypischen Umfangs werde von der Statistik nicht aussagekräftig ausgewiesen (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09, S 72).

30

Allerdings verlange Art 1 Abs 1 GG, der die Menschenwürde jedes einzelnen Individuums ohne Ausnahme schütze, dass das Existenzminimum in jedem Einzelfall sichergestellt werde. Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG gebiete, auch einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf zu decken, wenn dies im Einzelfall für ein menschenwürdiges Existenzminimum erforderlich sei, was das bisherige Regelungskonzept des SGB II nicht gewährleiste. Deshalb bedürfe es neben den in §§ 20 ff SGB II vorgegebenen Leistungen noch eines zusätzlichen Anspruchs auf Leistungen bei unabweisbarem, laufendem, nicht nur einmaligem und besonderem Bedarf, der zwingend zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums erforderlich sei(BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09, Umdruck S 71).

31

Ob ein derartiger Bedarf im konkreten Fall vorliegt, wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu ermitteln haben. Eine Ermittlungspflicht dieser Art besteht grundsätzlich nur unter zwei Bedingungen. Zum Einen müssen in dem betreffenden Verfahren Anhaltspunkte für das Vorliegen einer atypischen Bedarfslage gegeben sein. Das folgt bereits daraus, dass das BVerfG den "Härtefall" sehr stark begrenzt hat. Es weist darauf hin, dass angesichts der Beschränkung des Anspruchs auf Fälle, in denen das Existenzminimum gefährdet sei, der zusätzliche Anspruch angesichts seiner engen und strikten Voraussetzungen nur in seltenen Fällen entstehen dürfte. Vor diesem Hintergrund muss aber die Bedarfslage klar hervortreten und sind Ermittlungen ins Blaue hinein nicht erforderlich. Zum zweiten muss es sich um ein laufendes, noch nicht abgeschlossenes Verfahren handeln.

32

Im vorliegenden Fall sind Anhaltspunkte dafür gegeben, dass eine atypische Bedarfslage vorliegen könnte. Die Klägerin hat hier einen besonderen Bedarf behauptet, ihn allerdings aus Rechtsgründen nicht konkretisiert. Das musste sie bisher auch nicht, denn außer über die beiden hier aus anderen Gründen nicht in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen des § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II und § 73 SGB XII ist der Mehrbedarf wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung nach dem Konzept des SGB II durch eine Pauschale abzugelten. Insoweit bedarf es auch im Falle des erwerbsunfähigen Hilfebedürftigen keines Nachweises eines konkreten Bedarfs, sondern nur des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II. Andererseits ist in der Situation der Klägerin nicht auszuschließen, dass wegen der Schwer- und erheblichen Gehbehinderung ein besonderer Bedarf gegeben ist - dieser ist gleichsam als Minus in dem auf die Gewährung der Pauschale gerichteten Begehren der Klägerin enthalten - der hier aus einfachgesetzlichen Gründen nicht durch die Pauschale gedeckt werden kann, sodass es sich nicht um Ermittlungen "ins Blaue" hinein handelt.

33

Das LSG wird, wenn es seine Feststellungen zum Vorliegen eines konkreten Bedarfs wegen der Schwer- und erheblichen Gehbehinderung abgeschlossen hat, diesen ggf nach Maßgabe der Entscheidung des BVerfG daraufhin zu bewerten haben, ob es sich um einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf handelt, dessen Deckung zur Sicherung des Existenzminimums zwingend erforderlich ist. Es wird dabei zu beachten haben, dass nach der Entscheidung des BVerfG ein solcher Bedarf nur dann vorliegt, wenn er so erheblich ist, dass die Gesamtsumme der dem Hilfebedürftigen gewährten Leistungen - einschließlich der Leistungen Dritter und unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Hilfebedürftigen - das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleistet ( BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09, Umdruck S 73).

34

Der Prüfung des aus dem Verfassungsrecht herzuleitenden Anspruchs steht nicht entgegen, dass die Beteiligten über Leistungen für den Zeitraum 1.1.2005 bis 31.5.2006 streiten. Das BVerfG hat zur Anwendung des Anspruchs im Tenor der Entscheidung angeordnet, "dass dieser Anspruch nach Maßgabe der Urteilsgründe unmittelbar aus Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG zu Lasten des Bundes geltend gemacht werden kann". In den Gründen hat das BVerfG hierzu ausgeführt, dass Leistungsberechtigte, bei denen ein besonderer Bedarf vorliege, auch vor der Neuregelung die erforderliche Sach- und Geldleistung erhalten müssten. Ansonsten läge eine Verletzung von Art 1 Abs 1 GG vor, die auch nicht vorübergehend hingenommen werden könne. Vor diesem Hintergrund versteht der Senat die weiteren Ausführungen, wonach die verfassungswidrige Lücke für die Zeit ab Verkündung des Urteils durch eine entsprechende Anordnung des BVerfG zu schließen sei, dahin, dass in laufenden und noch nicht abgeschlossenen Verfahren - wie vorliegend - eine "Härteleistung" auf Grund von Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG zu gewähren sein kann. Hierfür spricht zudem, dass das BVerfG im Übrigen eine "rückwirkende Neufestsetzung" von Leistungen ausschließen wollte. Wäre der verfassungsrechtliche Anspruch hingegen erst für Leistungszeiträume ab dem 9.2.2010 zu berücksichtigen, stellte sich die Frage nach einer verfassungskonformen Auslegung des § 23 SGB II und des § 73 SGB XII.

35

8. Sollte das LSG zu dem Ergebnis gelangen, die Klägerin habe keinen Anspruch aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG, wird es ferner zu beachten haben, dass die Ungleichbehandlung von erwerbsfähigen und erwerbsunfähigen Hilfebedürftigen, die dazu führt, dass - wie oben dargelegt - die Klägerin auch keinen Anspruch auf eine pauschalierte Leistung für Mehrbedarf hat, nicht gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt.

36

Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet es, verschiedene Gruppen von Normadressaten ungleich zu behandeln, wenn zwischen ihnen nicht Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG vom 7.10.1980 - 1 BvL 50/79, 1 BvL 89/79, 1 BvR 240/79, BVerfGE 55, 72, 88; BVerfG vom 11.5.2005 - 1 BvR 368/97, 1 BvR 1304/98, 1 BvR 2300/98, 1 BvR 2144/00, BVerfGE 112, 368, 401; BVerfG vom 11.7.2006 - 1 BvR 293/05, BVerfGE 116, 229, 238). Soweit die Gewährung von Sozialleistungen bedürftigkeitsabhängig ist, hat der Gesetzgeber dabei grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfG vom 2.2.1999 - 1 BvL 8/97, BVerfGE 100, 195, 205; BSG vom 3.12.2002 - B 2 U 12/02 R, BSGE 90, 172, 178 = SozR 3-5910 § 76 Nr 4). Der Gestaltungsspielraum wird jedoch um so enger, je mehr sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (BVerfG vom 26.1.1993 - 1 BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92, BVerfGE 88, 87, 96) oder je mehr es sich um ein personenbezogenes Merkmal handelt, an dem die Differenzierung ansetzt. Insoweit kommt es auf die Verhältnismäßigkeit zwischen Ungleichbehandlung und rechtfertigendem Grund an (BVerfG vom 6.7.2004 - 1 BvL 4/97, BVerfGE 111, 160, 171), wobei eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen ist, wenn die Betroffenen nicht in der Lage sind, durch ihr eigenes Verhalten die Verwirklichung des Merkmals zu beeinflussen, nach dem unterschieden wird (vgl auch Spellbrink in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 39 RdNr 135). Ob die zur Prüfung gestellte Regelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, hängt dann davon ab, ob für die getroffene Differenzierung Gründe von solchem Gewicht bestanden, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen konnten (BVerfG vom 6.7.2004 - 1 BvL 4/97, BVerfGE 111, 160).

37

Gemessen an diesem Maßstab hat der Gesetzgeber hier seine Gestaltungsgrenze nicht überschritten. Zwar kann das Differenzierungsmerkmal der "Erwerbsunfähigkeit" bzw "Erwerbsfähigkeit" kaum durch die betroffene Person selbst beeinflusst werden. Die getroffene Differenzierung zwischen den maßgeblichen Vergleichsgruppen der erwerbsfähigen Arbeitslosengeld II-Berechtigten und den nicht erwerbsfähigen Sozialgeldberechtigten/Leistungsempfängern nach dem 3. und 4. Kapitel des SGB XII im Hinblick auf die Gewährung des Mehrbedarfs wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung wird jedoch durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt.

38

Zutreffend hat das LSG darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber einen Lebenssachverhalt, der zu einer unterschiedlichen Behandlung von erwerbsfähigen und erwerbsunfähigen Hilfebedürftigen führen kann, soweit es die Gewährung einer Leistung für Mehrbedarf wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung betrifft, bereits selbst beseitigt hat. Behinderte Sozialgeldempfänger/SGB XII-Leistungsempfänger nach dem 3. und 4. Kapitel des SGB XII (erwerbsunfähige Hilfebedürftige) und erwerbsfähige Hilfsbedürftige erhalten beide, sofern sie Leistungen zur Eingliederung nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB XII beziehen, eine Mehrbedarfsleistung in Höhe von 35 % der für sie maßgeblichen Regelleistung(§ 21 Abs 3 SGB II bzw § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2/§ 30 Abs 4 SGB XII) . In diesem Fall ist die Gewährung einer zusätzlichen Leistung für Mehrbedarf wegen Schwer- und erheblicher Gehbehinderung, auf die der erwerbsfähige Hilfebedürftige ohnehin keinen Anspruch hat, auch für erwerbsunfähige Leistungsbezieher ausgeschlossen (§ 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 Satz 2 SGB II und § 30 Abs 4 Satz 3 SGB XII). Diese zuvor beschriebene Angleichungsregelung macht deutlich, dass die für erwerbsfähige Hilfebedürftige gegebene Möglichkeit der Integration in den Arbeitsmarkt, also die Chance auf eine Erwerbstätigkeit und damit die Beseitigung der Hilfebedürftigkeit durch Erzielung von Erwerbseinkommen, ein tragender Grund für die Differenzierung ist. Wenn erwerbsunfähigen Hilfebedürftigen über Eingliederungsleistungen (§ 54 SGB XII) die Möglichkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit eröffnet werden kann, so sind auch sie von der Leistung für Mehrbedarf bei Schwer- und erheblicher Gehbehinderung ausgeschlossen.

39

Die Anknüpfung der Differenzierung an die Möglichkeit der Arbeitsmarktintegration ist auch folgerichtig - soweit es das System des SGB II betrifft. Das SGB II ist von seiner Grundkonzeption her ein erwerbszentriertes Grundsicherungssystems. Es ist darauf ausgerichtet, den erwerbsfähigen (iS des § 8 SGB II) Hilfebedürftigen in den Arbeitsmarkt einzugliedern, ihn von den Leistungen des SGB II unabhängig zu machen oder zumindest den Leistungsanteil an seiner Lebensunterhaltssicherung zu verringern (§ 1 Abs 1 SGB II). Um dieses Ziel zu erreichen, werden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen jedoch im Rahmen des Grundsatzes des Forderns gegenüber erwerbsunfähigen Personen auch größere Selbsthilfeverpflichtungen auferlegt, weil sie noch in der Lage sind, ihre Arbeitskraft zur Bestreitung des Lebensunterhalts einzusetzen (vgl § 2 Abs 1, Abs 2 Satz 2 SGB II). Andererseits erfahren sie Förderung mit Zielrichtung auf ihre Eingliederung in Arbeit (§ 14 Abs 1 Satz 1 SGB II). Sie können anders als erwerbsunfähige Sozialgeldempfänger Eingliederungsleistungen nach §§ 16 ff SGB II erhalten, die zu eben dieser Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit beitragen sollen(§ 3 Abs 1 Satz 1 SGB II). Soweit die Schwer- und/oder Gehbehinderung sie mithin in ihrer beruflichen Integrationschance beeinträchtigt, besteht ein Ausgleichsanspruch hierfür durch Eingliederungsleistungen (zB Leistungen zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben gemäß § 16 Abs 1 SGB II iVm §§ 97 ff SGB III). Erwerbsunfähige Hilfebedürftige erhalten hingegen nur unter den engen Bedingungen des § 7 Abs 2 Satz 2 SGB II Eingliederungsleistungen nach dem SGB II(vgl Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/ Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2009, § 7 RdNr 13, § 16 RdNr 3; die Gewährung von Eingliederungsleistungen nach § 16 SGB II an Sozialgeldempfänger offen lassend, BSG vom 25.6.2008 - B 11b AS 19/07 R, BSGE 101, 79, 81 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1) und nur dann, wenn die Leistungen auf die Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit der Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft oder die Beseitigung oder Verminderung der Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ausgerichtet sind. Zwar können erwerbsunfähige und gehbehinderte Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft unter Umständen Eingliederungsleistungen nach § 54 ff SGB XII erhalten. Zumindest soweit ihr Bedarf wegen der Schwer- und Gehbehinderung bereits durch die Leistung für Mehrbedarf nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II gedeckt ist, kommen daneben Eingliederungsleistungen jedoch nicht mehr in Betracht(vgl BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 5/08 R SozR 4-3500 § 30 Nr 1). Fahrtkosten als Hauptkostenfaktor eines erheblich gehbehinderten Hilfebedürftigen fallen für beide Personengruppen nicht an, jedenfalls soweit sie durch die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs entstehen. § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX sieht eine Befreiung von der Beteiligung an den Kosten einer Wertmarke für Leistungsempfänger nach dem SGB II und dem 3. sowie 4. Kapitel des SGB XII vor, wenn sie anerkannt erheblich gehbehindert sind (vgl hierzu ausführlich BSG vom 17.7.2008 - B 9/9a SB 11/06 R, SozR 4-3250 § 145 Nr 1 ). Somit verbleibt allenfalls ein "schmaler Grat" eines Leistungsausschlusses für erwerbsfähige Hilfebedürftige gegenüber erwerbsunfähigen Hilfebedürftigen, der sich auf einen nicht näher definierbaren "privaten Bereich" bezieht. Diese Differenzierung ist jedoch durch die oben benannte "Erwerbszentriertheit" und den Grundsatz des Forderns des SGB II zu rechtfertigen.

40

Soweit die Klägerin geltend macht, sie als schwer- und erheblich gehbehinderte Hilfebedürftige habe wegen ihrer gesundheitlichen Einschränkungen keine Chance auf einen Hinzuverdienst gehabt, so vermag sie damit die obige Argumentation nicht zu entkräften. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob der erwerbsfähige Hilfebedürftige durch einen "Hinzuverdienst" in die Lage versetzt werden kann, die behinderungsbedingte Einschränkung auszugleichen, sondern darauf, dass es nach dem Grundkonzept des SGB II Aufgabe des Trägers ist, für eine Integration des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zu sorgen und ggf bestehende Hindernisse auszugleichen.

41

9. Andere Gründe, die zu einer Erhöhung der Regelleistung um den von der Klägerin geforderten Betrag führen könnten, sind nicht ersichtlich.

42

Soweit die Klägerin eine geschlechtsspezifisch höhere Leistung begehrt, schließt sich der erkennende Senat der Rechtsauffassung des 14. Senats in der Entscheidung vom 27.2.2008 (B 14/7b AS 32/06 R, BSGE 100, 83 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6) an. Dort hat der 14. Senat ausgeführt, dass nicht zu erkennen sei, dass die für Frauen und Männer in gleicher Höhe festgesetzte Regelleistung von 345 Euro eine mittelbare Diskriminierung von Frauen beinhalte.

43

Der Senat hat im Anschluss an die ständige Rechtsprechung des BSG auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und deren Ersetzung durch Leistungen nach dem SGB II (vgl nur BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 9/06 R, SozR 4-4300 § 428 Nr 3).

44

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Alle verwertbaren Vermögensgegenstände sind vorbehaltlich des Satzes 2 als Vermögen zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind

1.
angemessener Hausrat; für die Beurteilung der Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs von Bürgergeld maßgebend,
2.
ein angemessenes Kraftfahrzeug für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person; die Angemessenheit wird vermutet, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt,
3.
für die Altersvorsorge bestimmte Versicherungsverträge; zudem andere Formen der Altersvorsorge, wenn sie nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge gefördert werden,
4.
weitere Vermögensgegenstände, die unabhängig von der Anlageform als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnet werden; hierbei ist für jedes angefangene Jahr einer hauptberuflich selbständigen Tätigkeit, in dem keine Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung, an eine öffentlich-rechtliche Versicherungseinrichtung oder an eine Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe entrichtet wurden, höchstens der Betrag nicht zu berücksichtigen, der sich ergibt, wenn der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltende Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung nach § 158 des Sechsten Buches mit dem zuletzt festgestellten endgültigen Durchschnittsentgelt gemäß Anlage 1 des Sechsten Buches multipliziert und anschließend auf den nächsten durch 500 teilbaren Betrag aufgerundet wird,
5.
ein selbst genutztes Hausgrundstück mit einer Wohnfläche von bis zu 140 Quadratmetern oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung von bis zu 130 Quadratmetern; bewohnen mehr als vier Personen das Hausgrundstück beziehungsweise die Eigentumswohnung, erhöht sich die maßgebende Wohnfläche um jeweils 20 Quadratmeter für jede weitere Person; höhere Wohnflächen sind anzuerkennen, sofern die Berücksichtigung als Vermögen eine besondere Härte bedeuten würde,
6.
Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks oder einer Eigentumswohnung von angemessener Größe bestimmt ist, und das Hausgrundstück oder die Eigentumswohnung Menschen mit Behinderungen oder pflegebedürftigen Menschen zu Wohnzwecken dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde sowie
7.
Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung für die betroffene Person eine besondere Härte bedeuten würde.

(2) Von dem zu berücksichtigenden Vermögen ist für jede Person in der Bedarfsgemeinschaft ein Betrag in Höhe von 15 000 Euro abzusetzen. Übersteigt das Vermögen einer Person in der Bedarfsgemeinschaft den Betrag nach Satz 1, sind nicht ausgeschöpfte Freibeträge der anderen Personen in der Bedarfsgemeinschaft auf diese Person zu übertragen.

(3) Für die Berücksichtigung von Vermögen gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit wird Vermögen nur berücksichtigt, wenn es erheblich ist. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind.

(4) Vermögen ist im Sinne von Absatz 3 Satz 2 erheblich, wenn es in der Summe 40 000 Euro für die leistungsberechtigte Person sowie 15 000 Euro für jede weitere mit dieser in Bedarfsgemeinschaft lebende Person übersteigt; Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Bei der Berechnung des erheblichen Vermögens ist ein selbst genutztes Hausgrundstück oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung abweichend von Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 nicht zu berücksichtigen. Es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Liegt erhebliches Vermögen vor, sind während der Karenzzeit Beträge nach Satz 1 an Stelle der Freibeträge nach Absatz 2 abzusetzen. Der Erklärung ist eine Selbstauskunft beizufügen; Nachweise zum vorhandenen Vermögen sind nur auf Aufforderung des Jobcenters vorzulegen.

(5) Das Vermögen ist mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs.

(6) Ist Bürgergeld unter Berücksichtigung des Einkommens nur für einen Monat zu erbringen, gilt keine Karenzzeit. Es wird vermutet, dass kein zu berücksichtigendes Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Absatz 4 Satz 4 gilt entsprechend.

Die Träger von Leistungen nach diesem Buch dürfen Ansprüche erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

(1) Einnahmen sind rechtzeitig und vollständig zu erheben.

(2) Der Versicherungsträger darf Ansprüche nur

1.
stunden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für die Anspruchsgegner verbunden wäre und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet wird,
2.
niederschlagen, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Anspruchs stehen,
3.
erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beiträge erstattet oder angerechnet werden.
Die Stundung soll gegen angemessene Verzinsung und in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Im Falle des Satzes 1 Nummer 2 dürfen Beitragsansprüche auch niedergeschlagen werden, wenn der Arbeitgeber mehr als sechs Monate meldepflichtige Beschäftigte nicht mehr gemeldet hat und die Ansprüche die von den Spitzenverbänden der Sozialversicherung und der Bundesagentur für Arbeit gemeinsam und einheitlich festgelegten Beträge nicht überschreiten; die Grenzbeträge sollen auch an eine vorherige Vollstreckungsmaßnahme gebunden werden, wenn die Kosten der Maßnahme in einem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zur Höhe der Forderung stehen. Die Vereinbarung nach Satz 3 bedarf der Genehmigung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Kommt eine Vereinbarung nach Satz 3 nicht innerhalb einer vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales festgesetzten Frist zustande, bestimmt dieses nach Anhörung der Beteiligten die Beträge durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates.

(3) Für Ansprüche auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag trifft die Entscheidung nach Absatz 2 die zuständige Einzugsstelle. Hat die Einzugsstelle einem Schuldner für länger als zwei Monate Beitragsansprüche gestundet, deren Höhe die Bezugsgröße übersteigt, ist sie verpflichtet, bei der nächsten Monatsabrechnung die zuständigen Träger der Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit über die Höhe der auf sie entfallenden Beitragsansprüche und über den Zeitraum, für den die Beitragsansprüche gestundet sind, zu unterrichten. Die Einzugsstelle darf

1.
eine weitere Stundung der Beitragsansprüche sowie
2.
die Niederschlagung von Beitragsansprüchen, deren Höhe insgesamt die Bezugsgröße übersteigt, und
3.
den Erlass von Beitragsansprüchen, deren Höhe insgesamt den Betrag von einem Sechstel der Bezugsgröße übersteigt,
nur im Einvernehmen mit den beteiligten Trägern der Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit vornehmen.

(4) Die Einzugsstelle kann einen Vergleich über rückständige Beitragsansprüche schließen, wenn dies für die Einzugsstelle, die beteiligten Träger der Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit wirtschaftlich und zweckmäßig ist. Die Einzugsstelle darf den Vergleich über rückständige Beitragsansprüche, deren Höhe die Bezugsgröße insgesamt übersteigt, nur im Einvernehmen mit den beteiligten Trägern der Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit schließen. Der Träger der Unfallversicherung kann einen Vergleich über rückständige Beitragsansprüche schließen, wenn dies wirtschaftlich und zweckmäßig ist. Für die Träger der Rentenversicherung gilt Satz 3, soweit es sich nicht um Ansprüche aus dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag handelt.

(5) Die Bundesagentur für Arbeit kann einen Vergleich abschließen, wenn dies wirtschaftlich und zweckmäßig ist.

Die Träger von Leistungen nach diesem Buch dürfen Ansprüche erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

Tatbestand

1

Streitig ist der Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 7.2.2006 bis 31.5.2006.

2

Die Kläger sind verheiratet und bewohnen gemeinsam eine 60,95 m2 große Mietwohnung, für die sie eine Nettokaltmiete von 290,44 Euro, Nebenkosten von 68,64 Euro und eine Heizkostenpauschale von 66,87 Euro monatlich zu entrichten haben. Der Kläger zu 2 bezog bis 30.3.2006 Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von 19,60 Euro kalendertäglich. Im Februar 2006 erzielte er ein Nebeneinkommen von 165 Euro und von März bis Mai 2006 in Höhe von 100 Euro. Die Klägerin zu 1 erhielt bis 28.2.2006 kalendertäglich 23,55 Euro Alg und ab dem 1.3.2006 bis zum 31.8.2006 Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III in Höhe von monatlich 1197,52 Euro für die Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit.

3

Am 7.2.2006 beantragten die Kläger die Gewährung von Arbeitslosengeld II (Alg II) bei der Beklagten. Sie gaben ua an, Beiträge für Kfz-Haftpflichtversicherungen des Klägers zu 2 in Höhe von 84,60 Euro und der Klägerin zu 1 in Höhe von 79,10 Euro vierteljährlich zu zahlen. 33,56 Euro wandte die Klägerin zu 1 ab dem 1.3.2006 für Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung, 255,41 Euro für die freiwillige Kranken- und 31,24 Euro monatlich für die soziale Pflegeversicherung auf. Mit der selbstständigen Erwerbstätigkeit erwirtschafte sie lediglich Verluste.

4

Durch Bescheid vom 12.4.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung der beantragten Leistungen mit der Begründung ab, die Kläger seien nicht hilfebedürftig. Sie könnten ihren Bedarf aus ihrem Einkommen decken. Als Bedarf legte die Beklagte eine Regelleistung (Ost) von jeweils 298 Euro zu Grunde. Die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung berücksichtigte sie in tatsächlicher Höhe minus eines Betrags von 11,76 Euro (1. Person 8,18 Euro und 2. Person 3,58 Euro) für die Warmwasserbereitung. Insgesamt bemaß sie den Bedarf mit 1010,19 Euro (596 Euro Regelleistung plus 414,19 Euro Leistungen für Unterkunft und Heizung). Dem sei das Einkommen der Kläger im Monat Februar 2006 aus Alg und Nebeneinkommen sowie im März 2006 aus Alg, Nebeneinkommen und Überbrückungsgeld und ab April 2006 schließlich aus Nebeneinkommen und Überbrückungsgeld gegenüberzustellen. Auch unter Absetzung der Freibeträge (100 Euro Grundfreibetrag und Freibetrag nach § 30 SGB II auf das Nebeneinkommen im Februar 2006; 100 Euro Grundfreibetrag auf das Nebeneinkommen und Versicherungspauschale von 30 Euro auf das Überbrückungsgeld ab März 2006; zusätzlich Abzug der Kfz-Versicherungsbeiträge ab April 2006 vom Überbrückungsgeld) übersteige das Einkommen der Kläger ihren Bedarf iS des SGB II. Den Widerspruch der Kläger wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 15.6.2006 zurück.

5

Ab August 2006 hat die Beklagte der Klägerin zu 1 einen Zuschuss zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung nach § 26 SGB II in Höhe von monatlich 28,76 Euro gewährt und nach Auslaufen des Leistungszeitraums für das Überbrückungsgeld am 31.8.2006 haben die Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 1036,19 Euro erhalten.

6

Das SG Dresden hat die Klage auf Grundsicherungsleistungen durch Gerichtsbescheid vom 5.3.2008 abgewiesen. Das Sächsische LSG hat die Berufung der Kläger hiergegen zurückgewiesen (Urteil vom 2.2.2009). Zwar betrage der Abzug für die Bereitung von Warmwasser unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung lediglich 10,74 Euro (2 x 5,37 Euro), sodass sich insgesamt ein Bedarf der Bedarfsgemeinschaft von 1012 Euro ergebe. Ansonsten seien die Berechnungen der Beklagten jedoch zutreffend. Das Überbrückungsgeld sei vollständig - unter Abzug der Versicherungspauschale - als Einkommen bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu berücksichtigen. Ebenso wie der Existenzgründungszuschuss nach § 421l SGB III habe auch das Überbrückungsgeld unterhaltssichernde Funktion und diene daher demselben Zweck wie die Existenzsicherungsleistung nach dem SGB II. Dieses folge bereits aus dem Wortlaut des § 57 Abs 1 SGB III. Soweit das Überbrückungsgeld nach § 57 Abs 1 SGB III auch für die soziale Sicherung in der Zeit der Existenzgründung vorgesehen sei, folge hieraus nicht, dass die im Überbrückungsgeld enthaltenen pauschalierten Sozialversicherungsbeiträge als zweckbestimmte Einnahmen iS des § 11 Abs 3 Buchst a SGB II von der Einkommensberücksichtigung auszunehmen seien. Zum einen sei der Leistungsempfänger nicht verpflichtet, sich sozialzuversichern. Zudem sei er als Aufstocker im SGB II zugleich in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung pflichtversichert, sodass er auch den für soziale Sicherung vorgesehenen Teil des Überbrückungsgeldes von vornherein nicht für die Beitragsentrichtung einsetzen müsse. Er sei dann insofern doppelt begünstigt. Zudem werde dem Bezieher von Überbrückungsgeld, der keine aufstockenden Leistungen nach dem SGB II erhalte, ein Zuschuss zu den freiwilligen Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 26 SGB II gewährt, wenn ihm nur wegen dieser Beiträge Hilfebedürftigkeit drohe. Auch im Hinblick auf den Beitrag zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung sei eine Zweckbestimmung iS des § 11 Abs 3 Buchst a SGB II nicht gegeben. Dieser Beitrag sei nach § 11 Abs 2 SGB II als Freibetrag vom Einkommen abzusetzen, im vorliegenden Fall seien derartige Beiträge jedoch nicht entrichtet worden.

7

Die Kläger haben die vom BSG zugelassene Revision eingelegt. Zur Begründung führen sie aus, nach dem Wortlaut des § 57 Abs 1 SGB III diene das Überbrückungsgeld eindeutig nicht allein der Lebensunterhaltssicherung, sondern teilweise auch der sozialen Sicherung in der Zeit der Existenzgründung. Zumindest letzterer Teil sei eine zweckbestimmte Einnahme, die nicht als Einkommen im Rahmen der Berechnung des Leistungsanspruchs nach dem SGB II berücksichtigt werden dürfe. Das Überbrückungsgeld sei auch nicht mit dem Existenzgründungszuschuss nach § 421l SGB III zu vergleichen. Es handele sich um unterschiedliche Leistungen, die nebeneinander im SGB III vorgesehen und unterschiedlich ausgestaltet gewesen seien. § 421l SGB III enthalte - anders als § 57 Abs 1 SGB III - keinen Hinweis auf eine zumindest teilweise Zweckbestimmung der Leistung, sodass die Überlegungen des 14. Senats in dem Urteil vom 6.12.2007 insoweit nicht zum Tragen kämen.

8

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sächsischen LSG vom 2.2.2009 und den Gerichtsbescheid des SG Dresden vom 5.3.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12.4.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.6.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen im Zeitraum vom 7.2.2006 bis 31.5.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

9

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist unbegründet.

12

Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 7.2. bis 31.5.2006 versagt. Das Einkommen der Kläger übersteigt im gesamten streitigen Zeitraum deren grundsicherungsrechtlichen Bedarf. Von März bis Mai 2006 hat die Beklagte zutreffend das der Klägerin zu 1 gewährte Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III als Einkommen bei der Berechnung von Regelleistung und Leistungen für Unterkunft und Heizung berücksichtigt. Es ist auch nicht ein Teil der Leistung nach § 57 Abs 1 SGB III für "soziale Sicherung" pauschaliert oder in Höhe der tatsächlich entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung als zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II von der Einkommensberücksichtigung auszunehmen. Auch dieser Leistungsanteil "soziale Sicherung" dient demselben Zweck wie Leistungen nach dem SGB II. Alg II-Leistungsbezieher sind "kostenlos" in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung abgesichert. Zudem sind im SGB II Instrumente zur Kompensation von Aufwendungen für eine darüber hinausgehende dem Grunde und der Höhe nach angemessene soziale Sicherung ausdrücklich vorgesehen. Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für Selbstständige sind als dem Grunde nach angemessen iS des § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II vom Einkommen vor dessen Berücksichtigung bei der Berechnung des Alg II abzusetzen.

13

1. Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 12.4.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.6.2006, mit dem diese die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 7.2.2006 abgelehnt hat. Grundsätzlich erstreckt sich bei einer vollständigen Versagung von Leistungen der streitige Leistungszeitraum zwar bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl BSG Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 28/06 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 8; vom 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 R, BSGE 98, 243 = SozR 4-4200 § 12 Nr 4). Da die Beklagte jedoch über den Anspruch der Kläger durch Bescheid vom 25.10.2006 für den Zeitraum ab dem 1.9.2006 erneut entschieden hat (vgl BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 59/06 R) und die Kläger im Berufungsverfahren den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid nur im Hinblick auf die abgelehnte Leistungsgewährung bis zum 31.5.2006 angegriffen haben, ist der streitige Zeitraum hier vom 7.2. bis 31.5.2006 begrenzt. Eine weitere Eingrenzung des Streitgegenstandes haben die Kläger nicht vorgenommen, sodass der geltend gemachte Anspruch auf Alg II im streitigen Zeitraum unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu überprüfen ist.

14

2. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllten die Kläger im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 2 und 4 SGB II. Gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), erwerbsfähig sind (Nr 2) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Sie waren jedoch nicht hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II, weil sie ihren Lebensunterhalt ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln aus dem zu berücksichtigenden Einkommen sichern konnten, insbesondere durch Sozialleistungen eines anderen Trägers.

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a) Für den Monat Februar 2006 hat das LSG einen Leistungsanspruch der Kläger zutreffend abgelehnt. Zwar ist das LSG rechenfehlerhaft von einem Bedarf der Kläger in Höhe von 1012 Euro ausgegangen. Es hat die Regelleistung nach § 20 Abs 3 iVm § 20 Abs 2 Halbs 2 SGB II in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) mit 2 x 298 Euro angesetzt. Die Kosten für Unterkunft und Heizung (435,94 Euro brutto warm) minus des Abzugs für die Warmwasserbereitung (2 x 5,37 Euro; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 32/06 R, BSGE 100, 83 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6) betragen insgesamt 425,20 Euro. Für jeden Kläger ergibt sich daher ein monatlicher Bedarf - unter Beachtung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB II - in Höhe von 511 Euro, mithin ein Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft von 1022 Euro. Umgerechnet auf den im Februar 2006 nur 22-tägigen Leistungsanspruch (Antragstellung am 7.2.2006) folgt hieraus ein Gesamtbedarf von 862 Euro. Das Einkommen der Kläger überschreitet im Februar 2006 diesen Bedarf. Der Kläger zu 2 bezog vom 7.2. bis 28.2.2006 Alg in Höhe von 19,60 Euro (22 x 19,60 Euro = 431,20 Euro) und die Klägerin zu 1 von 23,55 Euro jeweils kalendertäglich (22 x 23,55 Euro = 518,10 Euro). Zudem erzielte der Kläger zu 2 Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 165 Euro, das bei der Leistungsberechnung nach Abzug des Grundfreibetrags von 100 Euro und des Freibetrags bei Erwerbstätigkeit nach § 30 SGB II mit 38,13 Euro zu berücksichtigen ist. Insgesamt verfügten sie damit über ein ihren Bedarf übersteigendes, berücksichtigungsfähiges Einkommen von 987,43 Euro.

16

b) Auch in den Monaten März bis Mai 2006 überstieg trotz des Wegfalls des Alg der Klägerin zu 1 ab 1.3.2006 und des Klägers zu 2 ab 31.3.2006 das Einkommen der Kläger deren grundsicherungsrechtlichen Bedarf. Das der Klägerin zu 1 gewährte Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III in Höhe von monatlich 1197,52 Euro hat diesen Wegfall kompensiert. Im Gegensatz zur Auffassung der Kläger ist das Überbrückungsgeld auch der Leistungsberechnung als Einkommen zu Grunde zu legen.

17

Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG. Das Überbrückungsgeld nach § 57 SGB II unterfällt keiner der in § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II benannten Ausnahmen. Es ist auch nicht als zweckbestimmte Leistung iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II von der Einkommensberücksichtigung auszunehmen.

18

Nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen, … einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Das Überbrückungsgeld dient dem gleichen Zweck wie die Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (im Ergebnis ebenso: LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 13.2.2008 - L 32 B 59/08 AS ER; Hessisches LSG Beschluss vom 24.4.2007 - L 9 AS 284/06 ER, RdNr 42; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 21.3.2007 - L 1 AS 19/06, RdNr 25; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 23.12.2005 - L 2 B 84/05 AS ER, RdNr 22; SG Berlin Beschluss vom 28.7.2008 - S 159 AS 21256/08 ER, RdNr 22; SG Lüneburg vom 14.3.2008 - S 30 AS 308/08 ER; Brühl in LPK SGB II, 3. Aufl 2009, § 11 RdNr 67; Hengelhaupt jurisPR-SozR 18/2008, Anm 1; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 39; aA hinsichtlich des Anteils für "soziale Sicherung" wohl Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand VIII/08, § 11 RdNr 266b; zT Ausführungen schon bezogen auf den Gründungszuschuss nach §§ 57, 58 SGB III, der die Leistungen "Überbrückungsgeld" und "Existenzgründungszuschuss" in einer Leistung zusammengefasst hat).

19

Sinn des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II ist es zu verhindern, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch Berücksichtigung als Einkommen im Rahmen des SGB II verfehlt wird, sowie dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden( vgl BSG Urteil vom 5.9.2007 - B 11b AS 15/06 R, BSGE 99, 47, 57 = SozR 4-4200 § 11 Nr 5; BSG Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 62/06 R und - B 14/7b AS 20/07 R zur Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung). Die Zweckbestimmung kann sich aus einer öffentlich-rechtlichen Norm ergeben (vgl BSG Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 16/06 R, BSGE 99, 240, 248 = SozR 4-4200 § 11 Nr 8), jedoch können auch zweckbestimmte Einkünfte auf privatrechtlicher Grundlage darunter fallen (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 47/08 R, BSGE 102, 295). Dient die zweckbestimmte Einnahme dem gleichen Zweck wie die Leistung nach dem SGB II, ist sie von vornherein nicht nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II als Einkommen von der Berücksichtigung bei der Leistungsberechnung auszunehmen. So liegt der Fall hier.

20

Aus dem Wortlaut des § 57 Abs 1 SGB III ergibt sich, dass die Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts bestimmt ist. Nach § 57 Abs 1 SGB III in der Fassung des 2. Gesetzes zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze vom 21.7.1999 (BGBl I 1648) haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf Überbrückungsgeld. Es liegt Zweckidentität mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vor. Auch das Alg II dient der Sicherung des Lebensunterhalts von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann (BT-Drucks 15/1516 S 56; vgl BSG Urteil vom 29.3.2007 - B 7b AS 12/06 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 3 RdNr 17). Das Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III unterscheidet sich damit nicht von dem Existenzgründungszuschuss nach § 421l SGB III, für den der 14. Senat des BSG bereits Zweckidentität angenommen hat ( BSG Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 16/06 R, BSGE 99, 240, 248 = SozR 4-4200 § 11 Nr 8). Der erkennende Senat schließt sich den dortigen Ausführungen an.

21

Das Überbrückungsgeld des § 57 SGB III ist auch nicht deswegen im Hinblick auf seine Zweckbestimmung anders zu beurteilen als der Existenzgründungszuschuss des § 421l SGB III, weil in § 57 Abs 1 SGB III zugleich auch die Funktion der "sozialen Sicherung" genannt wird. Die Benennung eines Verwendungszwecks in einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift alleine führt nicht dazu, eine Leistung nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II von der Einkommensberücksichtigung nach dem SGB II auszunehmen, denn auch der Leistungsanteil "soziale Sicherung" des Überbrückungsgeldes findet sein Pendant in der Grundsicherungsleistung. Insoweit liegt ebenfalls Zweckidentität der Leistungen vor.

22

Die soziale Absicherung von Alg II-Empfängern ist eine Annex-Leistung zu der Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts. Alg II-Bezieher sind in der gesetzlichen Kranken- und Renten- sowie der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert, soweit sie nicht ausnahmsweise auf Grund vorhergehender Befreiungstatbestände hiervon ausgenommen sind (vgl § 26 Abs 1 und 2 SGB II in der hier anzuwendenden Fassung des 4. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2954). Das Alg II umfasst neben der Regelleistung die Beiträge zu den zuvor benannten Versicherungszweigen (BT-Drucks 15/1516, S 55). Die soziale Absicherung im SGB II erfolgt mithin durch die vom Grundsicherungsträger gezahlten Pflichtbeiträge und dient damit demselben Zweck wie die von dem Übergangsgeldbezieher gezahlten freiwilligen Beiträge.

23

Für gleichwohl gezahlte freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung sieht das SGB II - auch für Übergangsgeldempfänger - zudem eine Kompensationsmöglichkeit vor. § 26 Abs 3 SGB II(in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) ermöglicht einen Zuschuss des Grundsicherungsträgers zu diesen freiwilligen Beiträgen, wenn Hilfebedürftigkeit allein durch diese Aufwendungen entsteht. Diese am 1.8.2006 in Kraft getretene Regelung ist auch der Klägerin zu 1 zu Gute gekommen, allerdings noch nicht für den hier streitigen Zeitraum. Bis zum 1.8.2006 und heute - soweit Hilfebedürftigkeit nicht nur durch die Beitragszahlung eintritt - sind, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, die freiwilligen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung während des Alg II-Bezugs vom Leistungsempfänger selbst zu tragen. Die Zahlung freiwilliger Beiträge während des Alg II-Bezugs ist nicht zur Existenzsicherung erforderlich, sodass es systemwidrig wäre, sie gleichwohl von der Berücksichtigung des zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzenden Einkommens als zweckbestimmten Einnahmeanteil auszunehmen. Insoweit ist ein Gleichklang mit der spiegelbildlichen Vorschrift des § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II herzustellen. Auf Grund der während des Leistungsbezugs bestehenden Pflichtversicherung handelt es sich bei den freiwilligen Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung nicht um angemessene Beiträge iS des § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II; sie könnten also auch nicht vom Einkommen vor dessen Berücksichtigung in Abzug gebracht werden.

24

Grundsätzlich gilt für die Beiträge zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung nichts anderes. Mit dem Alg II-Bezug tritt nach § 3 Satz 1 Nr 3 Buchst a SGB VI Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ein. Die Kompensationsmöglichkeiten des § 26 Abs 1 SGB II sind jedoch im Hinblick auf die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung deutlich eingeschränkter als bei den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung. Inwieweit hieraus eine andere Behandlung als die der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung zu folgen hat (vgl den Sachverhalt des Urteils des 14. Senats des BSG vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 16/06 R - BSGE 99, 240, 247 = SozR 4-4200 § 11 Nr 8), konnte der Senat hier jedoch dahinstehen lassen. Die Klägerin zu 1 hat nach den Feststellungen des LSG keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet.

25

Für die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gilt etwas anderes. Die grundsätzliche Unbestimmtheit im Hinblick auf den Verwendungszweck der "sozialen Sicherung", wie sie der 14. Senat zum Existenzgründungszuschuss ausführlich dargelegt hat, betrifft zwar den gesamten Teil "soziale Sicherung" der Leistung "Überbrückungsgeld", einschließlich seines Einsatzes zur Sicherung als Selbstständiger in der Arbeitslosenversicherung ( BSG Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 16/06 R - BSGE 99, 240, 247 = SozR 4-4200 § 11 Nr 8). Daher ist auch insoweit nicht von einer zweckbestimmten Einnahme auszugehen, selbst dann nicht, wenn tatsächlich freiwillig Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet werden. Da andererseits Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung mit dem Alg II-Bezug nicht eintritt und durch die Entrichtung von freiwilligen Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung ein zeitnaher Anspruch auf eine andere Sozialleistung aufgebaut werden kann, handelt es sich bei freiwilligen Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung um dem Grunde nach angemessene Beiträge iS des § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II, die vom Einkommen vor dessen Berücksichtigung abgesetzt werden können.

26

Nach § 28a Abs 1 Nr 2 SGB III können Personen auf Antrag ein Versicherungspflichtverhältnis begründen, die eine selbstständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben. Diese Regelung kann dazu beitragen - sofern der Hilfebedürftige von ihr Gebrauch machen kann und Gebrauch macht - das zentrale Ziel des SGB II zu erreichen, die Hilfebedürftigkeit zu überwinden. Durch die Gewährung des Überbrückungsgeldes wird der Alg-Anspruch aufgezehrt und bei erneutem Eintritt von Arbeitslosigkeit verbleibt - ohne Pflichtversicherung als Selbstständiger - danach nur der Leistungsanspruch nach dem SGB II. Mit der Versicherung nach § 28a SGB III kann der Selbstständige - setzt er etwa die Beitragszahlung nach dem Auslaufen des Überbrückungsgeldanspruchs fort - jedoch nach zwölfmonatiger Beitragszahlung einen erneuten Alg-Anspruch erwerben. Auch wenn es sich insoweit nicht um eine gesetzliche Verpflichtung zur Versicherung handelt, so gebieten doch gerade die §§ 3 und 5 SGB II mit ihrer Forderung nach Beendigung der Hilfebedürftigkeit - auch durch Inanspruchnahme anderer Sozialleistungen - hier die Angemessenheit der Beitragszahlung iS des § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II anzunehmen.

27

c) Die Kläger haben jedoch selbst dann, wenn der von der Klägerin zu 1 nach den Feststellungen des LSG geleistete Beitrag zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von 33,56 Euro vom Überbrückungsgeld abzusetzen wäre keinen Anspruch auf Alg II im Zeitraum vom 1.3. bis 31.5.2006.

28

Hinsichtlich der Bedarfsberechnung wird auf die obigen Ausführungen zum Monat Februar 2006 verwiesen. Auf der Einkommensseite waren im März 2006 das Alg des Klägers zu 2 in Höhe von 30 x 19,60 Euro = 588 Euro und das Überbrückungsgeld der Klägerin zu 1 in Höhe von 1197,52 Euro zu Grunde zu legen. Das Nebeneinkommen des Klägers zu 2 in Höhe von 100 Euro bleibt berücksichtigungsfrei - ihm ist der Grundfreibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II entgegenzusetzen. Das Überbrückungsgeld ist zudem um die Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro zu bereinigen. Hieraus folgt ein Einkommen der Bedarfsgemeinschaft von 1755,52 Euro. Zieht man hiervon weiter die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung von 33,56 Euro und - im Gegensatz zum Vorgehen der Beklagten - auch die Beiträge zur Kfz-Versicherung der Klägerin zu 1 von monatlich 26,37 Euro ab, steht dem Bedarf von 1022 Euro im Monat März 2006 ein Einkommen von 1695,59 Euro gegenüber.

29

In den Monaten April und Mai 2006 war zwar das Alg des Klägers zu 2 entfallen und sein Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 100 Euro hatte auch in diesem Zeitraum unberücksichtigt zu bleiben. Von dem Überbrückungsgeld der Klägerin zu 1 in Höhe von 1197,52 Euro sind wiederum 30 Euro für Versicherungen und die Kfz-Haftpflichtprämie in Abzug zu bringen. Es verbleiben alsdann 1141,15 Euro Einkommen. Bereinigt um die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von 33,56 Euro ergibt sich mit 1107,59 Euro immer noch ein den Bedarf der Kläger übersteigendes Einkommen.

30

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.