Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 14. Juni 2014 - 1 BvR 725/14

bei uns veröffentlicht am14.06.2014

Tenor

1. Die Beschlüsse des Amtsgerichts München vom 19. September 2013 - 561 F 8157/13 - und des Oberlandesgerichts München vom 21. Januar 2014 - 26 UF 1513/13 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes und werden aufgehoben.

2. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

3. Der Freistaat Bayern hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

4. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die im Wege der einstweiligen Anordnung erfolgte Entziehung von Teilbereichen des Sorgerechts für ihren im November 2012 geborenen Sohn.

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1. a) Die Beschwerdeführerin ist bulgarische Staatsangehörige und lebte mit ihrem damaligen ebenfalls bulgarischen Lebensgefährten und der gemeinsamen heute 15-jährigen Tochter in Bulgarien. 2011 zog sie nach Deutschland, wo ihr Lebensgefährte eine Arbeitsstelle gefunden hatte. Die Tochter zog später nach. In Deutschland kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Eltern. Die Beschwerdeführerin lernte den Vater des hier betroffenen Kindes kennen und wurde von diesem schwanger. Die Beschwerdeführerin, ihre Tochter wie auch die Väter der beiden Kinder lebten fortan in wechselnden und ungesicherten Wohnverhältnissen. Als das hier betroffene Kind geboren wurde, verfügte die Beschwerdeführerin über keine Unterkunft. Dessen Vater wohnte in wechselnden Unterkünften seiner Arbeitgeber. Unmittelbar nach seiner Geburt wurde das Kind in der Kinderschutzstelle des städtischen Waisenhauses untergebracht. Aufgrund der unklaren Wohnsituation stimmte die Beschwerdeführerin der Unterbringung zu, bis sie eine neue Wohnung gefunden haben würde. Das Kind lebt nunmehr seit Mitte November 2012 in dem Waisenhaus. Die anschließende Wohnungssuche der Beschwerdeführerin gestaltete sich schwierig. Ende Juli 2013 zog sie in ein Frauenobdach.

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b) Mit Schreiben vom 23. Juli 2013 regte das Jugendamt an, der Mutter für ihren Sohn das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge sowie das Recht, Hilfen zu Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII zu beantragen, zu entziehen. Die auf die Unterbringung des Kindes im Waisenhaus folgende Zeit sei von wiederkehrender Obdachlosigkeit der Eltern, wenig geklärten familiären Verhältnissen und partnerschaftlichen Verstrickungen geprägt. Die zunächst zweimal täglich vereinbarten Besuchstermine der Eltern im Waisenhaus seien von diesen zunehmend nicht oder nur sehr unzuverlässig eingehalten worden, so dass die Besuchssequenzen sukzessive auf zweimal wöchentlich reduziert worden seien. Bei dem Kindsvater sei häufig Alkoholgeruch festzustellen gewesen. Die Eltern seien nicht in der Lage, die Bedürfnisse des Kindes zu erkennen. Der Beschwerdeführerin sei es nach mehreren Interventionen besser gelungen, kindgerecht mit dem Kind zu sprechen und sich angemessen mit diesem zu beschäftigen. Ohne direkte Einflussnahme durch pädagogische Fachkräfte wirke sie jedoch hilflos und überfordert. Bei dem Jungen lägen nunmehr aufgrund der Lebensbedingungen in der Schutzstelle (häufiger Wechsel von Betreuungspersonen, zu viele andere Kinder, häufig unruhige Situationen) sowie der unregelmäßigen und unzuverlässigen Besuchskontakte viele Stressfaktoren vor. Der Junge sei in der weiteren Entwicklung des Sozialverhaltens massiv gefährdet, er benötige für eine gesunde Entwicklung dringend ein stabiles, verlässliches Umfeld mit möglichst wenig Bezugspersonen und Einzelzuwendung. Dieses könnten die Eltern aufgrund ihrer Lebensumstände nicht bieten.

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2. a) Der vom Amtsgericht bestellte Verfahrensbeistand erstattete am 16. August 2013 Bericht und beschrieb den Jungen als "freundliches und ausgeglichenes Baby", das nach Mitteilung der Ärzte altersgemäß entwickelt sei. Die Gruppenleiterin im Waisenhaus sei für das Kind eine wichtige Bezugsperson. Beim Umgangskontakt mit den Eltern habe der Junge viel geschrien. Da die Eltern sehr unzuverlässig seien, könne der Umgang nur begleitet stattfinden. Die Psychologin des Waisenhauses habe hierzu ergänzt, dass mittlerweile eine Entfremdung eingetreten sei. Der sichere Hafen für das Kind seien die Gruppenleiterin des Waisenhauses sowie die Mitarbeiterinnen der Wohngruppe.

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b) Die mittlerweile anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin wandte sich gegen die Anregung des Jugendamts. Sie habe sich ständig um eine Wohnung bemüht. Das Wohnungsamt, an das sie das Jugendamt verwiesen habe, habe ihr mitgeteilt, dass für bulgarische Staatsangehörige keine Wohnplätze zur Verfügung stünden. Auf dem freien Wohnungsmarkt und ohne finanzielle Unterstützung hätte sie so schnell keine Wohnung finden können. Sie lebe von beiden Vätern getrennt. Um sich finanziell absichern zu können und eine Wohnung zu finden, gehe sie einer Beschäftigung als Reinigungskraft nach. Allein deshalb hätten zahlreiche Besuchstermine abgesagt werden müssen.

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c) Das Amtsgericht hörte die Beteiligten am 19. September 2013 an. In diesem Termin übergab das Jugendamt zwei Berichte des Kinderzentrums vom 29. Januar und 1. März 2013. Die Mutter war bei der Untersuchung ihres Kindes nicht eingebunden gewesen. Im Bericht vom Januar 2013 wird ausgeführt, für die Entwicklung des damals drei Monate alten Kindes werde es für dringend indiziert erachtet, dass bald eine kontinuierliche, stabile und enge Beziehung im Rahmen zum Beispiel einer Pflege- oder Adoptivfamilie geschaffen werde, insbesondere weil es die leiblichen Eltern nicht schafften, sich adäquat um den Jungen zu kümmern. Die Notwendigkeit einer festen Bezugsperson wurde auch im Bericht vom März 2013 betont. Aus psychologischer Sicht könne keinesfalls abgewartet werden, ob die Eltern verschiedenen Auflagen nachkämen, sondern es sei dringend die Vermittlung in eine Bereitschaftspflegefamilie anzuraten.

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d) Mit einstweiliger Anordnung vom 19. September 2013 entzog das Amtsgericht der Beschwerdeführerin vorläufig die elterliche Sorge.

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3. a) Mit ihrer Beschwerde widersprach die Mutter vor allem den tatsächlichen Einschätzungen des Gerichts und bekundete ihre Bereitschaft, öffentliche Hilfen und eine Erziehungsberatung in Anspruch zu nehmen sowie das Kind regelmäßig ärztlich untersuchen zu lassen. Mit weiterem Schriftsatz gab sie bekannt, seit dem 1. Januar 2014 eine private Einzimmerwohnung von ca. 40 qm angemietet zu haben; in dieser Wohnung lebt sie derzeit mit ihrer Tochter. Zudem regte die Beschwerdeführerin an, im Falle der auch vorübergehenden Aufrechterhaltung der Trennung den Umgang zu regeln. Sie habe stets Kooperationsbereitschaft gezeigt und übersehe nicht, dass eine Rückführung nur behutsam vorgenommen werden könne.

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b) Der Verfahrensbeistand berichtete mit Schreiben vom 6. November 2013 gegenüber dem Oberlandesgericht, dass der Junge augenscheinlich altersgerecht entwickelt sei. Aus Sicht des Verfahrensbeistands könnten die Grundbedürfnisse des Kindes bei der Mutter jedoch nicht erfüllt werden, das Kind solle mehrere Jahre in eine geeignete Pflegefamilie verbracht werden.

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c) Das Jugendamt berichtete dem Oberlandesgericht mit Schreiben vom 14. November 2013 von den Umgangskontakten der Mutter und der Halbschwester, die eine große Belastung darstellten. Das Kind selbst wirke seit drei Monaten fröhlich und agil, habe aber Einschlafprobleme. Die anfänglich hohe Irritierbarkeit habe sich in den letzten Monaten aufgrund des strukturierten Rahmens der Schutzstelle etwas gemildert.

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Im Termin am 21. Januar 2014 erklärte das Jugendamt dann, mit dem Waisenhaus vereinbart zu haben, dass insbesondere der Umgang mit der Kindsmutter so unterstützt und erweitert werde, dass auch eine Rückführung des Kindes als mögliche Option vorbereitet werde. Daher sollten insbesondere die Umgangszeiten des Kindes mit der Mutter ausgedehnt werden. Das Kind solle aber bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens im Waisenhaus bleiben. Die Kindseltern bestätigten ihre Trennung. Der Kindsvater erklärte, den Jungen nicht aufnehmen zu können, sprach sich nunmehr aber anders als früher für eine Rückführung zur Mutter aus.

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d) Mit Beschluss vom 21. Januar 2014 änderte das Oberlandesgericht den Beschluss des Amtsgerichts dahingehend ab, dass nur die Sorgerechtsbereiche Aufenthaltsbestimmungsrecht, Recht zur Zuführung zur ärztlichen Behandlung und Recht zur Beantragung von Jugendhilfemaßnahmen entzogen wurden. Im Übrigen wurde die Beschwerde zurückgewiesen.

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4. Die Beschwerdeführerin rügt mit ihrer Verfassungsbeschwerde eine Verletzung ihres Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.

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5. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

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6. Das Bundesverfassungsgericht hat der Bayerischen Staatsregierung, dem Stadtjugendamt München und dem Verfahrensbeistand des Kindes Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Das Stadtjugendamt hat sich den gerichtlichen Entscheidungen angeschlossen.

II.

16

Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Elternrechts der Beschwerdeführerin angezeigt ist, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Diese Entscheidung kann von der Kammer getroffen werden, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde danach offensichtlich begründet ist, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Die Beschwerdeführerin wird durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrem Elternrecht aus Art. 6 Absatz 2 Satz 1 GG verletzt.

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1. a) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts, ohne die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>). Eine Trennung des Kindes von seinen Eltern stellt den stärksten Eingriff in dieses Recht dar und unterliegt strenger verfassungsgerichtlicher Überprüfung. Dabei kann sich die verfassungsgerichtliche Kontrolle wegen des besonderen Eingriffsgewichts auch auf einzelne Auslegungsfehler sowie auf deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts erstrecken (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 - 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 26; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 - 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 25). Die Trennung ist allein zu dem Zweck zulässig, das Kind vor nachhaltigen Gefährdungen zu schützen (b) und darf nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (c). Entsprechendes gilt, wenn wie hier einem Elternteil das Sorgerecht für sein bereits von ihm getrenntes Kind entzogen und damit die Aufrechterhaltung der Trennung des Kindes von ihm gesichert wird. Dabei greift der starke Schutz des Elterngrundrechts auch dann ein, wenn ein Elternteil die Trennung von seinem Kind zunächst freiwillig herbeigeführt hatte und es nunmehr um die Aufrechterhaltung dieses Zustands geht (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 11. November 1988 - 1 BvR 585/88 -, juris, Rn. 29).

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b) Ein Kind darf von seinen Eltern gegen deren Willen nur dann getrennt werden, wenn die Eltern versagen oder wenn das Kind aus anderen Gründen zu verwahrlosen droht. Dabei berechtigen nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramts, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 60, 79 <91>). Es gehört nicht zur Ausübung des Wächteramts, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten des Kindes zu sorgen. Um eine Trennung des Kindes von den Eltern zu rechtfertigen, muss das elterliche Fehlverhalten vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie oder einer Rückführung in die Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>). Ihren einfachrechtlichen Ausdruck hat diese Anforderung in § 1666 Abs. 1 BGB gefunden. Die Annahme einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes setzt voraus, dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder eine Gefahr gegenwärtig in einem solchen Maße besteht, dass sich bei ihrer weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 - 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 28; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 - 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 18; BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2004 - XII ZB 166/03 -, juris, Rn. 11).

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Begehren Eltern - wie hier - die Rückführung ihres bereits fremduntergebrachten Kindes, kann eine solche Gefahr für das Kind gerade aus der Rückführung resultieren. In einem solchen Fall ist es verfassungsrechtlich geboten, bei der Kindeswohlprüfung nach § 1666 BGB die Tragweite einer Trennung des Kindes von seiner bisherigen Bezugsperson einzubeziehen und die Erziehungsfähigkeit der Ursprungsfamilie auch im Hinblick auf ihre Eignung zu berücksichtigen, die negativen Folgen einer eventuellen Traumatisierung der Kinder gering zu halten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2000 - 1 BvR 2006/98 -, FamRZ 2000, S. 1489). Das Kindeswohl gebietet es, die neuen gewachsenen Bindungen des Kindes zu seinen Pflegepersonen zu berücksichtigen und das Kind aus seiner neuen Obhut nur herauszunehmen, wenn die körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen des Kindes als Folge der Trennung von seinen bisherigen Bezugspersonen unter Berücksichtigung der Grundrechtsposition des Kindes noch hinnehmbar sind (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 2882/13 -, juris, Rn. 31). Allerdings macht es einen Unterschied, ob das Kind bei Pflegeeltern, oder aber - wie hier - in einem Waisenhaus untergebracht ist. Lebt ein Kind in einem Waisenhaus, entstehen zum einen an die dortigen Bezugspersonen regelmäßig geringere Bindungen als an Pflegeeltern. Zum anderen wird das Kind nicht langfristig in dem Waisenhaus leben, so dass ein Wechsel der Betreuungspersonen und des Betreuungsumfelds ohnehin bevorsteht (vgl. BVerfGE 72, 122 <141>). Bei dieser Sachlage kommt dem Bindungsabbruch grundsätzlich geringere Bedeutung zu als bei der Rückführung aus einer Pflegefamilie.

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c) Die Trennung des Kindes von seinen Eltern darf nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen und aufrechterhalten werden (vgl. BVerfGE 60, 79 <89>). In Übereinstimmung mit diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen erklärt § 1666a Abs. 1 Satz 1 BGB Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, nur dann für zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes schlagen sich insbesondere in einer Verpflichtung nieder, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen ein Zueinanderfinden von Kind und Eltern gelingen kann. Stets ist zu fragen, ob sich die Kindeswohlgefahren durch eine behutsame, insbesondere zeitlich gestreckte, Rückkehr ausräumen lassen. Sind die Eltern nicht ohne Weiteres in der Lage, den erzieherischen Herausforderungen gerecht zu werden, vor die sie im Fall der - sei es auch zeitlich gestreckten - Rückkehr eines über längere Zeit fremduntergebrachten Kindes gestellt sind, sind sie hierbei durch öffentliche Hilfen zu unterstützen (§ 1666a Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 2882/13 -, juris, Rn. 35, m.w.N.). Dies gilt erst recht, wenn nicht die Rückkehr aus einer Pflegefamilie, sondern - wie hier - aus einem Waisenhaus in Rede steht. In einer solchen Situation steht dem Kind ohnehin ein weiterer Wechsel der Bezugsperson bevor, so dass die Rückkehr zu den Eltern in dieser Hinsicht keine Mehrbelastung des Kindes bedeutet. Zudem stehen einander in einer solchen Situation nur die Grundrechtspositionen der Eltern und des Kindes gegenüber (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 31. März 2010 - 1 BvR 2910/09 -, juris, Rn. 25; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. August 2006 - 1 BvR 476/04 -, juris, Rn. 23), nicht aber die von Pflegeeltern. Hier gilt daher umso mehr, dass vorrangig versucht werden muss, den Schutz des Kindes durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen zu erreichen (vgl. BVerfGE 24, 119 <145>) und eine behutsame Rückführung zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2014 - XII ZB 68/11 -, juris, Rn. 29).

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2. Gemessen an diesen Grundsätzen verletzt die Entscheidung des Amtsgerichts das Elternrecht.

22

a) Dass das Kind bei einer Rückkehr zur Beschwerdeführerin in einer die Aufrechterhaltung der Trennung rechtfertigenden Weise gefährdet wäre, lässt sich den Ausführungen des Gerichts nicht entnehmen und ist auch ansonsten nicht ersichtlich.

23

aa) Das Gericht begründet das Vorliegen einer erheblichen Kindeswohlgefährdung im Fall der Rückführung zum einen damit, dass das Kind dringend einer verlässlichen, individuellen und kontinuierlichen Zuwendung bedürfe, dass die Mutter hierzu aber nicht in der Lage sei, da sie keine Arbeit habe, in einem Obdachlosenheim wohne und ihre partnerschaftlichen Verhältnisse nicht geklärt seien. Sie könne eine zuverlässige und altersgerechte Betreuung nicht sicherstellen.

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In dieser sehr knappen Begründung bezieht sich das Gericht im Wesentlichen auf die Berichte des Jugendamts vom 23. Juli 2013, des Verfahrensbeistands vom 16. August 2013 und des Kinderzentrums vom Januar und März 2013. Eine eigenständige Würdigung insbesondere im Hinblick auf das entgegenstehende Vorbringen der Kindsmutter zu ihrer aktuellen Lebenssituation (Trennung vom Partner, Wohnen im Frauenobdach), den Schwierigkeiten bei der Umgangswahrnehmung aufgrund eigener Berufstätigkeit sowie der Nichthinzuziehung zu den Untersuchungen des Kinderzentrums unterbleibt. Da das Kind bereits fremduntergebracht war und ihm schon deshalb seitens der Beschwerdeführerin keine Gefahr drohte, drängte der Sorgerechtsentzug zeitlich nicht so sehr, dass das Gericht ausnahmsweise von einer näheren Begründung hätte absehen können.

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Die Bezugnahme auf die Berichte des Kinderzentrums vom Januar und März 2013 ist bereits deshalb problematisch, weil nicht erkennbar ist, dass die dort bezüglich des damals erst wenige Monate alten Kindes getroffenen Feststellungen zum Entscheidungszeitpunkt noch unverändert zutrafen. Aus dem Bericht des Verfahrensbeistands vom 16. August 2013 ergibt sich vielmehr, dass sich die zuletzt geschilderten Spannungszustände des Kindes gelöst haben. Auch würdigt das Gericht nicht, dass die in den Berichten geschilderten Probleme maßgeblich auf die Fremdunterbringung des Kindes in dem Waisenhaus zurückzuführen waren und dass die Empfehlung der Ärzte dahin ging, dem Kind eine verlässliche Bezugsperson zur Seite zu stellen. Insoweit war grundsätzlich an die Mutter des Kindes zu denken. Dass die Ärzte eine Empfehlung in Richtung von Pflegeeltern aussprachen, beruhte offenbar weniger auf einer eigenen Sachprüfung als vielmehr auf einer nicht geprüften Übernahme der Angaben der das Kind vorstellenden Personen.

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Soweit das Gericht ausführt, dass ein Wechsel des Kindes zur Mutter aufgrund ihrer Lebensumstände nicht in Betracht komme, tragen die Ausführungen nicht. Schilderungen zu "komplexen Verhältnissen zu dem Ex-Partner" sowie der "externen Beeinflussung" durch Dritte, auch durch die Halbschwester, bleiben vage und es erschließt sich nicht hinreichend, welche Gefährdung für das Kind hieraus resultieren soll. Soweit das Gericht die Obdachlosigkeit der Beschwerdeführerin für maßgeblich erachtet, kann dies zwar einen Gefährdungsgrund darstellen. Eine Obdachlosigkeit im eigentlichen Sinn lag aber nicht vor. Die Beschwerdeführerin lebte zum Zeitpunkt der Entscheidung in einem Frauenobdach, das auf Mütter mit Kindern eingerichtet ist und damit eine kindgerechte Unterkunft bietet.

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bb) Soweit das Gericht zum anderen für maßgeblich erachtet, dass die Beschwerdeführerin die sozialen Bedürfnisse des Kindes, wie sie im Bericht des Kinderzentrums vom 1. März 2013 aufgezeigt worden seien - gemeint ist wohl das Bedürfnis nach einer festen Bezugsperson -, gar nicht erst erkenne, legt es nicht dar, worauf diese Annahme beruht und welche Art und welcher Grad von Kindeswohlgefährdung hieraus resultieren könnten. Wenn das Gericht insoweit auf eine fehlende Erziehungseignung der Beschwerdeführerin schließen möchte, hätte auch dies weiterer Darlegungen bedurft. Zwar mag die Beschwerdeführerin im Umgang mit dem Kind Defizite aufgewiesen haben. Dass diese die Aufrechterhaltung der Trennung rechtfertigen könnten, ist jedoch nicht ersichtlich. Es ist nicht dargelegt und auch nicht ohne Weiteres erkennbar, dass diese nicht hätten ausgeräumt werden können und inwiefern diese überhaupt zu einer schweren Schädigung der seelischen oder geistigen Entwicklung des Kindes führen würden.

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cc) Dass das Kind wegen der spezifischen Belastungen einer Rückführung nicht hinnehmbaren Gefahren ausgesetzt wäre, legt das Gericht nicht dar. Zwar kann die Rückführung aus der Pflegestelle zu den Eltern das Kind belasten, weil damit der Abbruch von Bindungen verbunden sein kann, die in der Pflegestelle entstanden sind. Wie gesehen, kommt dem jedoch bei der Rückkehr aus einem Waisenhaus regelmäßig geringere Bedeutung zu als bei der Rückkehr von Pflegeeltern (s.o., II.1.b). Das Gericht hat zur Bedeutung der im Waisenhaus entstandenen Bindungen und zur Notwendigkeit durch eine Trennung entstehenden Beeinträchtigungen zu begegnen, keine Feststellungen getroffen und hat dazu, soweit ersichtlich, auch keine Ermittlungen angestellt.

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dd) Zur unzutreffenden Bejahung der Voraussetzungen der Aufrechterhaltung einer Trennung des Kindes von der Mutter mag beigetragen haben, dass das Amtsgericht insofern einen falschen Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt haben könnte. Ausweislich des Beweisbeschlusses vom 7. Januar 2014 zur Einholung eines Sachverständigengutachtens im hier nicht gegenständlichen Hauptsacheverfahren hat das Gericht dort die Frage sachverständiger Begutachtung unterzogen, "welche Sorgerechtsregelung am ehesten dem Kindeswohl entspricht". Dabei sei "auch darauf einzugehen, inwieweit die Rückführung des Kindes zur leiblichen Mutter dem Verbleib in einer Pflegefamilie vorzuziehen" sei. Beide Fragen entsprechen weder dem in § 1666 BGB vorgesehenen noch dem verfassungsrechtlich gebotenen Prüfungsmaßstab, wonach die Aufrechterhaltung der Trennung nur dann zulässig ist, wenn dem Kind bei den Eltern die nachhaltige Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung droht (s.o., II.1.b).

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b) Ungeachtet des Fehlens einer die Sorgerechtsentziehung rechtfertigenden Kindeswohlgefährdung verstößt die Entscheidung des Amtsgerichts gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da das gesamte elterliche Sorgerecht entzogen wurde. Dies wurde nicht begründet und die Notwendigkeit ist auch ansonsten nicht ersichtlich. Inwieweit die Entscheidung darüber hinaus unverhältnismäßig ist, weil sie sich nicht mit dem Vorhandensein etwaiger milderer Mittel auseinandersetzt, bedarf keiner Entscheidung.

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3. Auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts verstößt gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.

32

a) Aus den Gründen der Entscheidung ergibt sich nicht mit hinreichender Sicherheit, dass im Falle der Rückführung des Kindes zur Beschwerdeführerin eine den Grundrechtseingriff rechtfertigende nachhaltige Gefahr einer erheblichen Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes besteht.

33

aa) Das Oberlandesgericht stützt die Annahme einer den teilweisen Sorgerechtsentzug rechtfertigenden Situation zunächst darauf, dass sich bereits aus dem einleitenden Bericht des Jugendamts vom 23. Juli 2013 ergeben habe, dass die Lebensverhältnisse der leiblichen Eltern von Beginn an äußerst unstet waren. Die Feststellungen des Gerichts hierzu bleiben jedoch zu vage, als dass sich daran eine entsprechende Kindeswohlgefährdung ablesen ließe. Dass die Lebensverhältnisse der Beschwerdeführerin unter Kindeswohlgesichtspunkten untragbar unstet seien, macht das Gericht vor allem an ihrer Wohnsituation fest. Zu dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin seit dem 1. Januar 2014 eine Einzimmerwohnung von ca. 40 qm angemietet hat, führt das Gericht dabei jedoch lediglich aus, ein schriftlicher Mietvertrag liege noch nicht vor; inwieweit damit aktuell die Wohnsituation der Beschwerdeführerin gesichert sei, könne noch nicht abschließend eingeschätzt werden. Bei Zweifeln an der tatsächlichen Vermietung oder der Eignung des Wohnraums für die Aufnahme eines Kindes hätte das Oberlandesgericht aber nähere Ermittlungen anstellen müssen. In Sorgerechtsverfahren haben die Familiengerichte das Verfahren so zu gestalten, dass es geeignet ist, eine möglichst zuverlässige Grundlage zu schaffen (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>). Weil bereits der vorläufige Entzug des Sorgerechts einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Eltern und des Kindes darstellt und weil schon die vorläufige Herausnahme des Kindes aus der Familie oder die vorläufige Aufrechterhaltung der bereits erfolgten Trennung Tatsachen schaffen kann, welche später nicht ohne Weiteres rückgängig zu machen sind, sind grundsätzlich auch bei einer Sorgerechtsentziehung im Eilverfahren hohe Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung zu stellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 - 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 19 ff.). Die erforderlichen Ermittlungen hätten auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung angestellt werden können und hätten zu keiner wesentlichen Verfahrensverzögerung geführt.

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bb) Zwar stellt das Oberlandesgericht fest, dass sich das Jugendamt im Termin am 21. Januar 2014 eine vorsichtige Anbahnung der Rückführung des Kindes zur Mutter vorstellen konnte. Gleichwohl hat das Oberlandesgericht die Aufrechterhaltung des Sorgerechtsentzugs für angezeigt gehalten, weil eine Rückführung derzeit noch nicht verantwortet werden könne. Inwieweit die Wahrung des Kindeswohls der Einleitung der Rückführung entgegensteht, lässt sich den Ausführungen des Gerichts jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen.

35

Soweit das Oberlandesgericht auf die Berichte des Kinderzentrums vom 29. Januar und 1. März 2013 rekurriert, liegt die Situation, wie sie noch in den Berichten beschrieben wurde, nicht mehr vor. Auslöser einer zum damaligen Zeitpunkt beginnenden Anpassungsstörung war offenbar das Fehlen einer festen Bezugsperson für das Kind angesichts der Unterbringung in einem Waisenhaus mit wechselnden Betreuungspersonen. Dass diese Situation ein Jahr nach Erstellung des ersten Berichts so nicht mehr bestand, ergibt sich bereits aus den die weitere Entwicklung des Kindes beschreibenden Berichten des Verfahrensbeistands und des Jugendamts. Soweit das Gericht in diesem Zusammenhang darauf abstellt, in dem Bericht vom März 2013 heiße es, dass keineswegs abgewartet werden könne, bis die Eltern verschiedenen Auflagen nachkämen, waren damit Auflagen im Zusammenhang mit der Wohnsituation gemeint, die die Mutter jedenfalls nunmehr unzweifelhaft erfüllt hat. Dass die ohne Einbeziehung der Mutter erlangten Untersuchungsergebnisse Rückschlüsse auf deren "erhebliche Defizite" zulassen könnten, wie das Gericht ohne nähere Erläuterung feststellt, ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil das Kind bereits eine Woche nach der Geburt von ihr getrennt wurde.

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cc) Auch die übrigen Ausführungen tragen die Annahme einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung nicht. Der Hinweis des Gerichts auf die unsicheren Bindungen zwischen Mutter und Kind lässt für sich genommen nicht darauf schließen, dass bei der Rückführung für das Kind nicht hinnehmbare Belastungen eintreten würden, die von der Mutter nicht aufgefangen werden könnten. Der Hinweis auf die "anhaltend schwierigen Lebensumstände" der Mutter bleibt in diesem Zusammenhang ebenso vage wie die Feststellung, dass bei einem Wechsel zur Mutter die Grundbedürfnisse des Kindes nicht erfüllt werden könnten. Auch eine nach Einschätzung des Gerichts bis vor kurzem konflikthafte Beziehung zum früheren Partner kann eine Aufrechterhaltung der Trennung eines Kindes von seiner Mutter nicht ohne Hinzutreten weiterer Gefährdungsmomente rechtfertigen.

37

dd) Dass das Kind wegen der spezifischen Umstände einer Rückführung nicht hinnehmbaren Gefahren durch Bindungsabbrüche ausgesetzt wäre, legt auch das Oberlandesgericht nicht dar. Es hat zur Bedeutung der im Waisenhaus entstandenen Bindungen für das Kind und zur Notwendigkeit, durch eine Trennung etwa entstehenden Beeinträchtigungen zu begegnen, keine Feststellungen getroffen.

38

b) Die Entscheidung ist, soweit der vom Amtsgericht beschlossene Sorgerechtsentzug bestätigt wird, auch nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar.

39

Unverhältnismäßig ist insbesondere die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Selbst wenn man - was das Gericht nicht darlegt - unterstellt, dass dem Kind bei einer sofortigen Rückkehr zur Mutter wegen damit einhergehender Bindungsabbrüche nicht hinnehmbare Gefahren drohten, war die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts unverhältnismäßig. Das Gericht hat sich nicht damit auseinandergesetzt, dass die Beschwerdeführerin ihre Einsicht in die Notwendigkeit einer behutsamen Rückführung des Kindes bekundet hat, eine missbräuchliche Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrecht durch die Beschwerdeführerin daher nicht zu erwarten und ein Sorgerechtsentzug entsprechend schon aus diesem Grund nicht erforderlich war (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18. Mai 1984 - BReg 1 Z 91/83 -, juris, Rn. 11). Dafür, dass sich die Beschwerdeführerin nicht an ihrer Äußerung festhalten lassen würde, gibt es keine Anhaltspunkte, das Oberlandesgericht hat hierzu auch nichts ausgeführt.

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Das Gericht hat sich auch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit etwaige durch eine Rückführung zur Mutter entstehende Belastungen des Kindes durch mildere Mittel, gegebenenfalls unterstützt durch öffentliche Hilfemaßnahmen nach §§ 27 ff. SGB VIII, aufgefangen werden und entsprechende Rückführungshindernisse ausgeräumt werden könnten.

41

Schließlich hat das Gericht nicht hinreichend in Rechnung gestellt, dass in Fällen, in denen die Rückkehr eines Kindes zu seinen Eltern nicht sofort erfolgen kann, der durch Aufrechterhaltung der Trennung bewirkte Grundrechtseingriff grundsätzlich nur dann verhältnismäßig im engeren Sinne ist, wenn der Staat durch geeignete Fördermaßnahmen auf eine langfristige Rückführung des Kindes hinwirkt und die Rückführungsperspektive offenhält (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 2882/13 -, juris, Rn. 32; BGH, Beschluss vom 22. Januar 2014 - XII ZB 68/11 -, juris, Rn. 29). Dies gilt auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung, da auch in diesem aufgrund der nicht absehbaren Dauer des Hauptsacheverfahrens die Gefahr sich verfestigender Verhältnisse besteht. Das Gebot, Maßnahmen zur Familienzusammenführung zu prüfen, gewinnt gerade im Falle der Trennung eines Kindes unmittelbar nach der Geburt mit Zeitablauf zunehmend an Gewicht (vgl. EGMR (GK), K. u. T. ./. Finnland, Urteil vom 12. Juli 2001, Nr. 25702/94, NJW 2003, S. 809). Das Oberlandesgericht hat letztlich - wie zuvor das Amtsgericht - der Frage zu wenig Beachtung geschenkt, wie eine alsbaldige Wiedervereinigung der Familie erreicht werden könnte, um zu verhindern, dass eine weitere Verfestigung der offenbar bereits begonnenen Entfremdung des Kindes eintreten kann. Insoweit hätte es zumindest nahegelegen, zur Vorbereitung der Rückführung eine die Bindung des Kindes zur Mutter intensivierende Umgangsregelung zu treffen, wie es von der Beschwerdeführerin ausdrücklich angeregt worden war. Die im Termin seitens des Jugendamts angesprochene Vereinbarung mit dem Waisenhaus, den Umgang zu erweitern, wurde bislang lediglich dahingehend realisiert, dass der Beschwerdeführerin über die derzeit zweimal wöchentlich stattfindenden Umgangstermine hinaus eine weitere Stunde begleiteten Umgangs eingeräumt werden soll.

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4. Die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 19. September 2013 und des Oberlandesgerichts vom 21. Januar 2014 beruhen auf den Verstößen gegen das Elternrecht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gerichte bei verfassungsgemäßer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls eine Entscheidung zugunsten der Beschwerdeführerin getroffen hätten.

43

5. Mit der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. BVerfGE 105, 197 <235>; stRspr).

44

6. Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Urteilsbesprechung zu Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 14. Juni 2014 - 1 BvR 725/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 14. Juni 2014 - 1 BvR 725/14

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht


Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 34a


(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen ein
Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 14. Juni 2014 - 1 BvR 725/14 zitiert 9 §§.

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(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

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(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermöge

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(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsb

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1666 Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls


(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1666a Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Vorrang öffentlicher Hilfen


(1) Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Dies gilt auch, wenn einem Elternteil v

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Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 14. Juni 2014 - 1 BvR 725/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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bei uns veröffentlicht am 15.12.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 166/03 vom 15. Dezember 2004 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 1666; MSA Artt. 3, 8 Die Gefahr, daß bei einem Mädchen gambischer Staatsangehörigkeit während eines Aufen
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Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 19. Nov. 2014 - 1 BvR 1178/14

bei uns veröffentlicht am 19.11.2014

Tenor Der Beschluss des Amtsgerichts Paderborn vom 17. September 2013 - 84 F 34/13 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. Februar 2014 - II-6 UF 177/13 - verletzen den Beschwerdefüh

Referenzen

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 166/03
vom
15. Dezember 2004
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 1666; MSA Artt. 3, 8
Die Gefahr, daß bei einem Mädchen gambischer Staatsangehörigkeit während eines
Aufenthalts in Gambia eine Beschneidung vorgenommen wird, rechtfertigt es, der
Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht gem. § 1666 Abs. 1 BGB insoweit zu entziehen
, als es um die Entscheidung geht, ob das Kind nach Gambia verbracht wird.
Ob diese Maßnahme allein ausreicht, um einen effektiven Schutz des Kindes zu gewährleisten
, hat der Tatrichter im Rahmen seines Auswahlermessens zu entscheiden.
BGH, Beschluß vom 15. Dezember 2004 - XII ZB 166/03 - OLG Dresden
AG Dresden
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2004 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des 20. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden vom 15. Juli 2003 wird zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 wird der vorgenannte Beschluß bezüglich der Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten und insoweit aufgehoben, als in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Dresden vom 8. Mai 2003 die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind abgelehnt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerden ergeht gerichtsgebührenfrei. Beschwerdewert: 3.000 €.

Gründe:

I.

Die am 2. Juli 1998 geborene J. T. ist die Tochter der weiteren Beteiligten zu 1. Sie besitzt, ebenso wie ihre nicht mit einander verheirateten Eltern, die gambische Staatsangehörigkeit. Der Vater lebt in Gambia. Die Mutter heiratete am 24. November 2000 in Gambia einen deutschen Staatsangehörigen und folgte ihm zusammen mit ihrer Tochter im März 2001 nach Deutschland. Da die Mutter hier eine Ausbildung zur Altenpflegerin absolviert und sich deshalb gehindert sah, das Kind zu betreuen, beabsichtigte sie, dieses am 8. Januar 2003 durch ihren Ehemann und dessen Vater nach Gambia verbringen zu lassen. J. sollte in Gambia von der Familie der Mutter betreut werden und eine Vorschule besuchen. Das Jugendamt Dresden (weiterer Beteiligter zu 3), das über die bevorstehende Reise informiert worden war, veranlaßte am 6. Januar 2003 die Inobhutnahme des Kindes gemäß § 42 SGB VIII, weil es befürchtete, diesem drohe bei einem Aufenthalt in Gambia die Beschneidung. Auf Antrag des Jugendamtes entzog das Amtsgericht der Mutter zunächst vorläufig das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht der Gesundheitssorge und bestellte insoweit das Jugendamt zum Pfleger. Mit Beschluß vom 8. Mai 2003 hat das Amtsgericht auch in der Hauptsache entsprechend der vorläufigen Anordnung entschieden. Hiergegen hat die Mutter befristete Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht hat eine "mündliche Verhandlung" durchgeführt und anschließend eine vorläufige Anordnung erlassen, nach der das Kind der Mutter unverzüglich herauszugeben ist, dieser aber untersagt wird, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit dem Kind zu verlassen oder zu gestatten, daß ihre Tochter mit
Dritten das Land verläßt. Auf die Beschwerde der Mutter hat das Oberlandesgericht den angefochtenen Beschluß teilweise abgeändert und dieser das Aufenthaltsbestimmungsrecht nur insoweit entzogen, als es um die Entscheidung geht, ob das Kind - zu Urlaubszwecken oder für einen längeren Aufenthalt - nach Gambia verbracht wird. Insoweit hat es Pflegschaft angeordnet und den weiteren Beteiligten zu 3) als Pfleger eingesetzt. Hiergegen richten sich die - zugelassenen - Rechtsbeschwerden der Mutter und der Landeshauptstadt Dresden - Ortsamt Plauen - (weiterer Beteiligter zu 2, im folgenden: Ortsamt). Die Mutter erstrebt die vollständige Abweisung des Antrags, während das Ortsamt die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts insgesamt erreichen möchte.

II.

Die Rechtsbeschwerde der Mutter ist unbegründet. Auf die Rechtsbeschwerde des Ortsamtes ist der Beschluß im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Sache insoweit an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. A. Rechtsbeschwerde der Mutter 1. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2003, 1862 ff. veröffentlicht ist, hat seine internationale Zuständigkeit sowie die Anwendbarkeit deutschen Rechts ohne weitere Ausführungen bejaht. Das begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken. Die - in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende - internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte richtet sich nach den Vorschriften des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom
5. Oktober 1961 (BGBl. 1971 II 217; im folgenden: MSA). Nach Art. 1 MSA sind die Gerichte des Staates, in dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, vorbehaltlich der Artt. 3, 4 und 5 Abs. 3 MSA dafür zuständig, Maßnahmen zum Schutz der Person des Minderjährigen zu treffen. Nach Art. 13 Abs. 1 MSA ist das Übereinkommen auf alle Minderjährigen anzuwenden, die - wie hier das Kind J. - ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem der Vertragsstaaten haben, ohne daß der Minderjährige die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates besitzen müßte (Staudinger/Kropholler BGB, 13. Bearb. - 1994 - Vorbemerkung zu Art. 19 EGBGB Rdn. 525 m.w.N.). Einen einschränkenden Vorbehalt gegenüber Angehörigen von Nichtvertragsstaaten nach Art. 13 Abs. 3 MSA hat die Bundesrepublik Deutschland nicht erklärt. Hinsichtlich der von den inländischen Gerichten zu treffenden Schutzmaßnahmen, zu denen die im Streit stehende Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach § 1666 BGB gehört (Staudinger/Kropholler aaO Rdn. 217), ist gemäß Art. 2 MSA innerstaatliches, hier also deutsches Recht anzuwenden. Gemäß Art. 3 MSA ist allerdings ein nach dem Recht des Heimatstaates des Kindes kraft Gesetzes bestehendes Gewaltverhältnis anzuerkennen. Ein Eingriff in ein solches Gewaltverhältnis liegt vor, wenn das ausländische Heimatrecht des Minderjährigen eine derartige Maßnahme nicht zuläßt (Palandt /Heldrich BGB 63. Aufl. Anh. zu Art. 24 EGBGB Rdn. 25). Dies macht die Rechtsbeschwerde der Mutter in bezug auf das gambische Recht geltend, ohne ihren Einwand zu konkretisieren. Dessen Richtigkeit entzieht sich infolgedessen einer Beurteilung. Feststellungen zu dem gambischen Recht hat das OLG nicht getroffen. Die Frage, ob der Einwand gerechtfertigt ist, bedarf indessen keiner Entscheidung. Ein eventuell bestehendes Gewaltverhältnis schließt es nämlich nach Art. 8 MSA nicht aus, daß die Behörden des Aufenthaltsstaates, also auch die deutschen Gerichte, Maßnahmen zum Schutz des Minderjährigen treffen, soweit er in seiner Person oder seinem Vermögen ernstlich gefährdet ist. Mit
solchen Schutzmaßnahmen kann deshalb auch in ein grundsätzlich anzuerkennendes Gewaltverhältnis eingegriffen werden. In den Fällen, in denen nach den §§ 1666 ff. BGB Maßnahmen zu treffen sind, ist in der Regel auch das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 8 MSA anzunehmen (BGHZ 60, 68, 73 f.). 2. In der Sache hat das Beschwerdegericht ein Eingreifen nach § 1666 BGB für erforderlich gehalten. Dazu hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Durchführung der Beschneidung von Mädchen stelle eine erhebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls dar. Es handele sich um Genitalverstümmelungen, in denen eine schwere Menschenrechtsverletzung zu sehen sei und die in ihrer Intensität den gravierendsten Erscheinungsformen asylerheblicher Verfolgungsmaßnahmen , wie der Folter, nicht nachstehe. Die Gefahr, als Mädchen in Gambia beschnitten zu werden, sei groß. Gambia sei der UN-Kinderrechtskonvention nicht beigetreten. Aus den vom Jugendamt vorgelegten Unterlagen gehe hervor, daß nach Auskunft lokal tätiger Nichtregierungsorganisationen in Gambia fast alle ethnischen Gruppen Genitalverstümmelungen praktizierten und zwischen 80 bis 90 % der weiblichen Bevölkerung beschnitten seien. Die Beschneidung könne Mädchen jeden Alters drohen, einer Dreijährigen ebenso wie einer 16-jährigen. Auch die Mutter habe bei ihrer Anhörung bestätigt, daß es keine Altersgrenze gebe, von der an ein Kind selbst entscheiden könne, ob es beschnitten werde oder nicht. Die traditionell begründete Beschneidung drohe dem Kind deshalb, sobald es sich in Gambia aufhalte. Insofern bestehe auch eine gegenwärtige, begründete Besorgnis der Schädigung. Die Mutter sei derzeit nicht in der Lage, ihre Tochter vor einer solchen Körperverletzung ausreichend zu schützen. Soweit sie bei ihrer Anhörung erklärt habe, sie wünsche nicht, daß ihrem Kind eine Beschneidung widerfahre, sei diese ablehnende Äußerung unter dem Druck des vorliegenden Verfahrens zustande gekommen und beruhe (noch) nicht auf eigener Erkenntnis. Denn die mehrfach geäußerte Auffassung , das Kind könne mit 14 Jahren selbst entscheiden, ob es beschnitten
werde, mache deutlich, daß die Mutter die Genitalverstümmelung nicht in dem erforderlichen Maße als bedrohliche Gefahr für ihre Tochter erkannt habe. Angesichts der Brutalität des Eingriffs und der möglichen physischen und psychischen Folgen hätte andererseits eine klare Ablehnung der Beschneidung in bezug auf ihr Kind erfolgen müssen. Die eigene Erfahrung der - ihrerseits beschnittenen - Mutter belege, daß selbst ein 13 Jahre altes Mädchen durch gezielte unrichtige Informationen dazu gebracht werden könne, sich die grausame Verstümmelung sogar selbst zu wünschen. Wenn die Mutter gleichwohl daran festhalte, die Entscheidung über die Beschneidung dem Kinde selbst zu überlassen , habe sie den Fehler ihrer eigenen Mutter wiederholt und damit gezeigt, daß sie nicht fähig sei, die Gefahr von ihrem Kind abzuwenden. Dies sei indessen umsomehr notwendig, als nach den zu den Akten gelangten Informationen traditionell die Großfamilie mitentscheide, ob eine Beschneidung durchgeführt werde. Da die Mutter gleichwohl geplant habe, daß das Kind während der Dauer ihrer Ausbildung in Gambia leben solle und es damit der Gefahr einer Genitalverstümmelung (schutzlos) ausgeliefert hätte, müsse ihr Verhalten als unverschuldetes Versagen, aber auch als Form von Vernachlässigung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB angesehen werden. Richtig verstandenes elterliches Sorgerecht hätte von ihr nicht passives Verhalten, sondern aktives Tun verlangt. Die Gefährdung sei auch gegenwärtig. Die Mutter habe zwar erklärt, daß ihre Tochter sich nicht mehr ohne ihre Begleitung in Gambia aufhalten solle. Es sei jedoch zu besorgen, daß sie an diesem Entschluß nicht festhalte, sondern das Kind doch zu ihrer Familie nach Gambia bringe, wenn sie sich wegen der auf sie zukommenden Prüfungen zur Altenpflegerin außerstande sehe, neben ihrer Arbeit zu lernen und ihre Tochter ausreichend zu betreuen. Diese Gefahr werde durch die Bekanntschaft mit in der Nähe ihrer Wohnung lebenden gambischen Familien nicht aufgehoben. Die danach vorzunehmende Abwägung zwischen dem Elternrecht der Mutter einerseits und dem Recht des Kindes auf Schutz
seiner Menschenwürde und seiner körperlichen Unversehrtheit andererseits führe zu der Notwendigkeit der Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts insoweit, als es um Reisen des Kindes nach Gambia oder um Aufenthalte dort gehe. Angesichts des Ausmaßes der drohenden Gefahr müsse auch das Recht des Kindes, seine Verwandtschaft in seinem Heimatstaat zu besuchen, zurücktreten. Auf andere Weise könne ein hinreichend sicherer Schutz nicht gewährleistet werden. Auch der Respekt vor einer anderen Kultur rechtfertige keine abweichende Entscheidung. Die mit der Ausländereigenschaft von Mutter und Kind verbundenen Vorstellungen von Kultur, Tradition, Religion und Erziehung, denen grundsätzlich Bedeutung beizumessen sei, müßten zurücktreten, wenn die drohende Schädigung entsprechend der ordre-public-Klausel des Art. 6 EGBGB unter keinem Gesichtspunkt zu tolerieren sei. 3. Diese Ausführungen halten der im Verfahren der Rechtsbeschwerde allein möglichen rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Nach § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht, wenn das körperliche , geistige oder seelische Wohl eines Kindes durch mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Versagen eines Dritten gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden , die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Als derartige Maßnahme kommt insbesondere auch die Entziehung des Rechts zur Aufenthaltsbestimmung als Teil des Personensorgerechts (§§ 1626 Abs. 1, 1631 Abs. 1 BGB) in Betracht. Voraussetzung für ein Eingreifen des Familiengerichts ist eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr, daß sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen läßt (BGH Beschluß vom 14. Juli 1956 - IV ZB 32/56 - FamRZ 1956, 350,
351; BayObLG DAVorm 1981, 897, 898 f.; Staudinger/Coester BGB 13. Bearb. - 2004 - § 1666 Rdn. 79; MünchKomm/Olzen 4. Aufl. § 1666 Rdn. 49).
b) Daß die Beschneidung eines Mädchens als eine das Kindeswohl in ganz erheblicher Weise beeinträchtigende Behandlung zu beurteilen ist, hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen. Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei der Genitalverstümmelung um einen schweren Eingriff, der bleibende physische und psychische Schäden zur Folge hat. Dies gilt auch dann, wenn der Eingriff nicht - wie zumeist - unter unhaltbaren hygienischen Bedingungen, ohne Betäubung und mit grausamen Hilfsmitteln, wie Glasscherben oder Rasierklingen als Schneidewerkzeug, durchgeführt wird, sondern selbst wenn er nach allen Regeln ärztlichen Könnens erfolgt. Es bleibt ein radikaler Eingriff in die körperliche Integrität und psychische Befindlichkeit der Frau. Dabei verbietet sich eine Unterscheidung nach der Art der Verstümmelung (Klitorisbeschneidung , Excision oder Infibulation), denn in allen Fällen liegt eine grausame, folgenschwere und durch nichts zu rechtfertigende Mißhandlung vor (vgl. Bumke NVwZ 2002, 423, 426 m.w.N., sowie Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Beschneidung von Mädchen und Frauen BT-Drucks. 13/10682 S. 3 ff.). Auch die Rechtsbeschwerde der Mutter erhebt gegen die Beurteilung der Beschneidung durch das Berufungsgericht keine Einwendungen.
c) Sie rügt aber, das Beschwerdegericht habe eine hieraus resultierende gegenwärtige Gefahr für das Kind zu Unrecht bejaht. Es habe nicht berücksichtigt , daß die Mutter ihrem Vorbringen zufolge nicht gegen ihren Willen oder auf Druck ihrer Eltern, eines Elternteils oder naher Verwandter beschnitten worden sei, sondern aufgrund eigener Entscheidung, und zwar nach von dritter Seite erhaltener, heute als falsch und irreführend erkannter Informationen. In den Vorgang sei sie aber nicht als Kleinkind, sondern als Mädchen, das die Pubertät
durchlaufen habe, involviert gewesen. Daraus folge, daß niemand aus der Familie der Mutter Anstalten getroffen habe, sie als Kind oder ohne ihre Einwilligung als herangereiftes Mädchen beschneiden zu lassen, auch nicht ihr eigener Vater, in dessen Stamm noch Beschneidungen vorgenommen würden und der dieses Ritual befürwortet habe. Auf diesen sei ohnehin nicht abzustellen, da die Großmutter sich vor 20 Jahren von ihm habe scheiden lassen und inzwischen wieder verheiratet sei. J. habe aber bei der Großmutter und nicht bei ihrem leiblichen Großvater leben sollen. Daneben habe sie, als sie noch in Gambia gelebt habe, engen Kontakt zu ihrem leiblichen Vater und dessen Familie unterhalten , die nicht weit von der Großmutter entfernt lebten. Die Großmutter sei nicht beschnitten und lehne diesen Brauch ab. Sie habe auch ihrer Tochter verboten , sich dem Ritual zu unterziehen. Deshalb sei kein Anhaltspunkt dafür auszumachen, daß das Kind während eines Aufenthalts bei der Großmutter der Gefahr ausgesetzt wäre, diese könne eine Beschneidung veranlassen oder zulassen. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, daß die Großmutter das Mädchen nicht vor Übergriffen Dritter schützen könne, denn sie habe ihre Tochter bis zu deren eigener Entscheidung vor einer zwangsweisen Beschneidung bewahrt. Auch von der Seite der Familie des leiblichen Vaters sei fürJ. nicht die Gefahr einer Beschneidung auszumachen. Zwar seien in dem Stamm, dem der Vater angehöre, Beschneidungen noch üblich. Der Vater und seine Familie lehnten, wie die Mutter bei ihrer Anhörung ausgeführt habe, aber Beschneidungen ab, weshalb in dieser Familie niemand beschnitten sei. Warum J. in einer solchen Familie der Gefahr ausgesetzt sein solle, als Kind fremdbestimmt beschnitten zu werden, sei nicht ersichtlich. Damit vermag die Rechtsbeschwerde der Mutter nicht durchzudringen. Das Beschwerdegericht hat den betreffenden Sachvortrag nicht übergangen , sondern in seine von Amts wegen (§ 12 FGG) zu treffenden Feststel-
lungen einbezogen. Es hat seiner Entscheidung die Umstände der eigenen Beschneidung der Mutter zugrunde gelegt, dem Gesichtspunkt, daß in der Familie des Vaters - entgegen den Gepflogenheiten ihres Stammes - Beschneidungen nicht üblich seien, aber ersichtlich keine Bedeutung beigemessen. Nach den von dem Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen entscheiden nämlich nicht die Eltern oder deren Familien allein über eine Beschneidung, sondern hierzu ist traditionell die Großfamilie mitberufen. Aus dieser Gestaltung ist letztlich auch zu erklären, daß die Großmutter die eigene Tochter nicht vor einer Beschneidung zu bewahren vermochte, obwohl letztere damals erst 13 Jahre alt war und ihr deshalb die Einsichtsfähigkeit und Reife für die von ihr zugunsten einer Beschneidung getroffene Entscheidung fehlte und die Großmutter diese Verstümmelung selbst ablehnt. Die Annahme des Oberlandesgerichts, die Großmutter könne in einer anderen Situation, nämlich bei Vorliegen anderer Umstände hinsichtlich der Beschneidung der Enkelin, bedingt durch äußere Einflüsse abermals versagen, stellt sich deshalb als vertretbare tatrichterliche Würdigung dar, gegen die aus Rechtsgründen nichts zu erinnern ist. Denn die hohe Beschneidungsquote von 80 - 90 % der weiblichen Bevölkerung Gambias kann, wenn sich die Ablehnung der Genitalverstümmelungen wie von der Rechtsbeschwerde geltend gemacht, durchsetzen ließe, nicht erklärt werden. Von daher ist es rechtlich auch nicht zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht von einer hohen Wahrscheinlichkeit einer Beschneidung des Kindes bei einem Aufenthalt in Gambia ausgegangen ist.
d) Die Rechtsbeschwerde der Mutter wendet sich schließlich gegen die Annahme, dem Kind drohe eine gegenwärtige Gefahr, weil zu besorgen sei, daß die Mutter es im Zusammenhang mit den im Rahmen ihrer Ausbildung abzulegenden Prüfungen entgegen den abgegebenen Erklärungen doch nach Gambia verbringen werde. Sie beruft sich insoweit auf den Vortrag der Mutter,
mit ihrem Arbeitgeber Arbeitszeiten vereinbart zu haben, die eine Betreuung des Kindes erlaubten. Auch das vermag die Entscheidung, soweit sie zum Nachteil der Mutter ergangen ist, nicht in Frage zu stellen. Das Berufungsgericht hat nicht bezweifelt, daß die Mutter in der Lage sein wird, den normalen Alltag mit der Betreuung des Kindes in Einklang zu bringen. Seine Annahme, es sei zu befürchten, daß sich die Einstellung der Mutter unter dem Prüfungsdruck ändere, ist indessen eine von der Lebenserfahrung getragene tatrichterliche Würdigung. Für deren Berechtigung sprechen zudem die Mitteilungen der beiden Pflegefamilien, in denen das Kind sich aufgehalten hat. Danach ist J. nicht oder kaum in der Lage, sich selbst zu beschäftigen , sondern erheischt permanent Aufmerksamkeit. 4. Bei dieser Sachlage ist das Berufungsgericht zu Recht von einer gegenwärtigen , in einem solchen Maße vorhandenen Gefahr ausgegangen, daß sich im weiteren Verlauf eine erhebliche Schädigung des Kindes in Form einer Beschneidung mit hinreichender Sicherheit voraussehen läßt. Denn die Mutter ist, wie das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, derzeit jedenfalls noch nicht in der Lage, die Gefahr, die ihrem Kind in Gambia droht, realistisch einzuschätzen und dürfte deshalb bei zu erwartenden Betreuungsengpässen nicht davor zurückschrecken, ihr derzeit erklärtermaßen aufgegebenes Vorhaben einer Verbringung des Kindes nach Gambia doch noch in die Tat umzusetzen. Dem ist nach § 1666 Abs. 1 BGB durch die erforderlichen Maßnahmen zu begegnen. Insoweit stellt sich die angeordnete teilweise Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts jedenfalls als einerseits gebotener, andererseits aber auch verhältnismäßiger Eingriff in das Elternrecht dar, um das Kind vor einem irreparablen Schaden seiner psychischen und physischen Unversehrtheit
zu bewahren. Dessen Interesse, seine Verwandten in Gambia zu besuchen, oder das Bedürfnis, der heimatlichen Kultur und Tradition verbunden zu bleiben, müssen dahinter zurücktreten. B. Rechtsbeschwerde des Ortsamtes 1. Das Berufungsgericht hat es abgelehnt, weitere Maßnahmen zum Schutz des Kindes zu treffen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der vollständige Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und die Unterbringung des Kindes in einer deutschen Pflegefamilie seien unverhältnismäßig. 2. Demgegenüber bringt die Beschwerde des Ortsamtes vor: Der Teilentzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts sei nicht ausreichend, um die Gefahr der Genitalverstümmelung weitgehend zu verhindern. Die angeordnete Pflegschaft könne praktisch nicht verhindern, daß die Mutter oder ein Dritter das Kind über einen Mitgliedsstaat der EU nach Gambia verbringe. Sie könne sich in der jeweiligen gambischen Botschaft einen Ersatzpaß für J. anfertigen lassen, während das Original bei der Amtspflegerin hinterlegt bleibe. Die begründete Besorgnis ergebe sich daraus, daß die Mutter sowohl im Verfahren vor dem Amtsgericht als auch vor dem Oberlandesgericht nicht habe erkennen lassen, daß sie aufgrund eigener Überzeugung ihre Tochter vor einer drohenden Genitalverstümmelung schützen wolle bzw. könne. Diesem Einwand ist ein Erfolg nicht zu versagen. Es erscheint nicht fernliegend, daß die Mutter, von der nach Auffassung des Oberlandesgerichts zu besorgen ist, sie werde im Prüfungsdruck ihr Kind doch noch nach Gambia verbringen, sich über die bisher getroffenen Maßnahmen hinwegsetzt und von dem von der Rechtsbeschwerde aufgezeigten Weg Gebrauch macht. Ziel der Maßnahmen nach § 1666 BGB muß aber die effekti-
ve Gefahrenabwehr für das Kind sein. Zwar steht jeder Eingriff in das Elternrecht unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere ist eine Trennung des Kindes von seinen Eltern nur dann zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, insbesondere durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann (§ 1666 a Abs. 1 Satz 1 BGB). Damit, daß das Berufungsgericht als weitergehende Maßnahmen von vornherein aber nur die vollständige Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts in Verbindung mit der Unterbringung in einer Pflegefamilie erwogen hat, hat es sich den Blick dafür verstellt, die Geeignetheit anderer, weniger gravierender Maßnahmen in seine Beurteilung einzubeziehen und in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt auch die Möglichkeit öffentlicher Hilfen, etwa im Sinne einer beaufsichtigenden Pflegschaft , zu prüfen, um auf diesem Weg einen auch tatsächlich wirkungsvollen Schutz des Kindes zu gewährleisten. 3. Da das Oberlandesgericht somit von seinem Auswahlermessen (vgl. hierzu Staudinger/Coester aaO § 1666 Rdn. 177) keinen fehlerfreien Gebrauch gemacht hat, kann die Entscheidung im Umfang der Anfechtung durch das Ortsamt keinen Bestand haben. Der Beschluß ist insoweit aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, damit es die unterlassene Prüfung, welche weitergehenden Maßnahmen zu ergreifen sind, in tatrichterlicher Verantwortung nachholen kann. Im weiteren Verfahren wird das Ortsamt
auch Gelegenheit haben, das Begehren zu wiederholen, der Mutter möge aufgegeben werden, das Kind regelmäßig einem Kinderarzt vorzustellen (vgl. zu entsprechenden Auflagen etwa Children's Protection Act 1993 - South Australia

).


Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

(1) Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Dies gilt auch, wenn einem Elternteil vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Nutzung der Familienwohnung untersagt werden soll. Wird einem Elternteil oder einem Dritten die Nutzung der vom Kind mitbewohnten oder einer anderen Wohnung untersagt, ist bei der Bemessung der Dauer der Maßnahme auch zu berücksichtigen, ob diesem das Eigentum, das Erbbaurecht oder der Nießbrauch an dem Grundstück zusteht, auf dem sich die Wohnung befindet; Entsprechendes gilt für das Wohnungseigentum, das Dauerwohnrecht, das dingliche Wohnrecht oder wenn der Elternteil oder Dritte Mieter der Wohnung ist.

(2) Die gesamte Personensorge darf nur entzogen werden, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder wenn anzunehmen ist, dass sie zur Abwendung der Gefahr nicht ausreichen.

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Mit dem Entzug von wesentlichen Teilbereichen der elterlichen Sorge hat das Oberlandesgericht ferner dem verfassungsrechtlichen Auftrag, auch bei eingeleiteter Dauerpflege eine Rückkehroption für das Kind offen zu halten, nicht hinreichend Rechnung getragen. In seine Abwägungsentscheidung hätte das Oberlandesgericht einbeziehen müssen, dass das Kind aufgrund einer akuten psychischen Erkrankung der Mutter und damit ohne deren Verschulden vom Jugendamt in Obhut genommen worden war. Gerade wenn die ursprüngliche Trennung des Kindes von seinen leiblichen Eltern auf einem unverschuldeten Versagen der Eltern beruht, muss nach Wegfall der Gründe für die Trennung verstärkt nach Möglichkeiten gesucht werden, um die behutsame Rückführung des Kindes zu erreichen. Das Oberlandesgericht hätte - gerade in Anbetracht des jungen Alters des Kindes - Anlass zu der Überlegung gehabt, wie ein Zueinanderfinden von Kind und leiblichen Eltern gelingen könnte. Mit dem Entzug von wesentlichen Teilbereichen der elterlichen Sorge wird dagegen das Pflegeverhältnis weiter verfestigt und eine Rückführung zu den Eltern erschwert.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

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Mit dem Entzug von wesentlichen Teilbereichen der elterlichen Sorge hat das Oberlandesgericht ferner dem verfassungsrechtlichen Auftrag, auch bei eingeleiteter Dauerpflege eine Rückkehroption für das Kind offen zu halten, nicht hinreichend Rechnung getragen. In seine Abwägungsentscheidung hätte das Oberlandesgericht einbeziehen müssen, dass das Kind aufgrund einer akuten psychischen Erkrankung der Mutter und damit ohne deren Verschulden vom Jugendamt in Obhut genommen worden war. Gerade wenn die ursprüngliche Trennung des Kindes von seinen leiblichen Eltern auf einem unverschuldeten Versagen der Eltern beruht, muss nach Wegfall der Gründe für die Trennung verstärkt nach Möglichkeiten gesucht werden, um die behutsame Rückführung des Kindes zu erreichen. Das Oberlandesgericht hätte - gerade in Anbetracht des jungen Alters des Kindes - Anlass zu der Überlegung gehabt, wie ein Zueinanderfinden von Kind und leiblichen Eltern gelingen könnte. Mit dem Entzug von wesentlichen Teilbereichen der elterlichen Sorge wird dagegen das Pflegeverhältnis weiter verfestigt und eine Rückführung zu den Eltern erschwert.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.