Bundesverfassungsgericht Urteil, 07. Nov. 2017 - 2 BvE 2/11

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2017:es20171107.2bve000211
bei uns veröffentlicht am07.11.2017

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat

a) den Antragsteller zu 1. und die Antragstellerin zu 5. sowie den Deutschen Bundestag durch die Antworten vom 27. Dezember 2010 auf die Schriftliche Frage Nummer 34 der Bundestagsdrucksache 17/4350, soweit diese sich auf den beim Verkauf der IKB Deutsche Industriebank AG erzielten Kaufpreis bezieht, und auf die Schriftliche Frage Nummer 35 der Bundestagsdrucksache 17/4350,

b) die Antragsteller zu 1. und zu 2. und die Antragstellerin zu 5. sowie den Deutschen Bundestag durch die Antworten auf die Fragen 1, 4, 6, 8, 11 und 18 der Kleinen Anfrage vom 11. November 2010 (Bundestagsdrucksache 17/3740),

c) den Antragsteller zu 3. und die Antragstellerin zu 5. sowie den Deutschen Bundestag durch die Antworten auf die Fragen 1 bis 5 und 13 der Kleinen Anfrage vom 11. November 2010 (Bundestagsdrucksache 17/3757), auf die Frage 16 der Kleinen Anfrage vom 11. November 2010 (Bundestagsdrucksache 17/3766) und auf die Fragen 1 bis 14 der Kleinen Anfrage vom 4. Oktober 2010 (Bundestagsdrucksache 17/3149)

in deren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.

2. Der Antrag zu 3. wird hinsichtlich des Antragstellers zu 4. insgesamt sowie hinsichtlich des Antragstellers zu 3. und der Antragstellerin zu 5. insoweit verworfen, als er sich auf die Beantwortung der Fragen 17, 18 und 19 der Kleinen Anfrage vom 11. November 2010 (Bundestagsdrucksache 17/3766) durch die Bundesregierung bezieht.

3. Die Anträge werden insoweit verworfen, als sie darauf abzielen, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die in den genannten parlamentarischen Anfragen erbetenen Auskünfte zu erteilen.

4. Im Übrigen wird der Antrag zu 2. der Antragsteller zu 1. und zu 2. und der Antragstellerin zu 5. hinsichtlich der Frage 14 der Kleinen Anfrage vom 11. November 2010 (Bundestagsdrucksache 17/3740) zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragsteller zu 1. bis 3. sind Abgeordnete des Deutschen Bundestages, der Antragsteller zu 4. war es bis zum 26. Mai 2011. Die Antragstellerin zu 5. ist eine Fraktion des Deutschen Bundestages. Die Antragsteller wenden sich dagegen, dass die Antragsgegnerin - die Bundesregierung - verschiedene parlamentarische Anfragen aus dem Zeitraum Oktober bis Dezember 2010 nicht, nur unzureichend oder unter Verkennung der Geheimhaltungsbedürfnisse nicht öffentlich beantwortet habe. Die Fragen betrafen zum einen Gespräche und Vereinbarungen zwischen der Bundesregierung und der Deutschen Bahn AG über Investitionen in das Schienennetz, ein von der Bundesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten zum Projekt "Stuttgart 21" sowie Zugverspätungen und deren Ursachen und zum anderen aufsichtsrechtliche Maßnahmen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gegenüber mehreren Banken in den Jahren 2005 bis 2008.

I.

2

1. Gemäß Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG in der bis zum 22. Dezember 1993 geltenden Fassung waren die Bundeseisenbahnen in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau zu führen. Hinsichtlich ihrer Wirtschaftsführung war die Deutsche Bundesbahn auf eine Doppelrolle als Wirtschaftsunternehmen einerseits und als eine dem Gemeinwohl verpflichtete Einrichtung andererseits festgelegt. Unter diesen rechtlichen Rahmenbedingungen zog ihre Tätigkeit eine erhebliche Belastung der öffentlichen Haushalte nach sich.

3

Mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 20. Dezember 1993 (BGBl I S. 2089) wurden die verfassungsrechtlichen Grundlagen für eine Neuordnung des Eisenbahnwesens des Bundes und der Länder, insbesondere für die Umwandlung der Bundeseisenbahnen in handelsrechtliche Gesellschaften, geschaffen. Ziel der Änderung war es, die Führung der bisherigen Bundeseisenbahnen als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form und die Übertragung der Aufgaben- und Finanzverantwortung für den Schienenpersonennahverkehr der bisherigen Bundeseisenbahnen auf die Länder sowie die Verwaltungszuständigkeit des Bundes für den Eisenbahnverkehr der bisherigen Bundeseisenbahnen sowie ausländischer Eisenbahnen auf den Schienennetzen deutscher Eisenbahnen im Grundgesetz zu verankern.

4

a) Nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Regierungskoalition (BTDrucks 12/4610, BTDrucks 12/5015) wäre auch eine vollständige Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG zulässig gewesen. Da dies im Bundesrat auf Widerstand stieß, wurde im Gesetzgebungsverfahren eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass die Mehrheit der Anteile beim Bund zu verbleiben hat. Zudem sollte die neue Grundgesetzbestimmung die "Sicherstellung einer politischen Verantwortung des Bundes für die Infrastruktur der Eisenbahnen des Bundes und dem Gemeinwohl dienende Verkehrsangebote des Bundes" bezwecken (vgl. BTDrucks 12/6280, S. 8). Der mit Wirkung vom 23. Dezember 1993 eingefügte Art. 87e GG lautet wie folgt:

(1) 1Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird in bundeseigener Verwaltung geführt. 2Durch Bundesgesetz können Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden.

(2) Der Bund nimmt die über den Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgehenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahr, die ihm durch Bundesgesetz übertragen werden.

(3) 1Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. 2Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt. 3Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen nach Satz 2 erfolgt auf Grund eines Gesetzes; die Mehrheit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim Bund. 4Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(4) 1Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. 2Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(5) 1Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. 2Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, die Übertragung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte sowie die Stillegung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes regeln oder Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben.

5

Die Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung, die nach Art. 87e Abs. 1 und Abs. 2 GG bei Bund und Ländern verbleiben, werden auf Bundesebene in erster Linie durch das Eisenbahn-Bundesamt (EBA), die Bundesnetzagentur und die Bundespolizei wahrgenommen.

6

Die Bahnstrukturreform wurde durch eine Reihe einfachrechtlicher Regelungen flankiert, die in dem Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27. Dezember 1993 (BGBl I S. 2378) zusammengefasst wurden.

7

b) Für das parlamentarische Fragerecht hat der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung in seiner Beschlussempfehlung zur Auslegung und Handhabung des parlamentarischen Fragerechts einschließlich der Petitionsinformationsrechte vom 10. Oktober 1996 (BTDrucks 13/6149, S. 3; Zustimmung des Bundestages Prot. 13/194, S. 17508 [C]) als Abgrenzungskriterium allgemein festgehalten, dass parlamentarische Anfragen (Kleine und Große Anfragen, mündliche und schriftliche Fragen, Anfragen aufgrund des Petitionsinformationsrechtes usw.) zu Bereichen zulässig sind, für die die Bundesregierung unmittelbar oder mittelbar verantwortlich ist. Parlamentarische Anfragen aus Bereichen, für die die Länder oder juristische oder natürliche Personen des Privatrechts allein verantwortlich sind, werden der Bundesregierung nicht zugeleitet. Als Hilfsmittel für die Abgrenzung zulässiger und unzulässiger Anfragen an die Bundesregierung im Bereich privatisierter Unternehmen wird auf die Kriterienkataloge in den Anlagen 1 bis 3 verwiesen.

8

Anlage 1 zur "Abgrenzung der Zuständigkeiten Bund/Deutsche Bahn AG/ Länder infolge der Bahnreform" (BTDrucks 13/6149, S. 4) unterscheidet zwischen der "staatlichen Verantwortung (Bund)" und der "unternehmerischen Verantwortung (DB AG)". Zur staatlichen Verantwortung gehören demnach die Gesetzgebung, Eisenbahnverwaltung und Gewährleistung der Gemeinwohlverpflichtung nach Art. 87e GG. Dies umfasst insbesondere die Aufstellung des Bedarfsplans für den Ausbau des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes, die Finanzierung der Investitionsmaßnahmen des Bedarfsplans in die Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes einschließlich Finanzierungsvereinbarung, die Verwaltung der Beteiligung des Bundes an der Deutschen Bahn AG im Rahmen der Kompetenzen des Aufsichtsrates beziehungsweise der Hauptversammlung nach Aktiengesetz sowie die Verhaltensweise der Aufsichtsratsmitglieder des Bundes im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG und die Finanzierungsvereinbarungen nach dem Schienenwegeausbaugesetz zwischen Bund und Deutscher Bahn AG. Demgegenüber liegen sämtliche Geschäftstätigkeiten im Zusammenhang mit der Erbringung und Vermarktung von Eisenbahnverkehrsleistungen und dem Betreiben und Vermarkten der Eisenbahninfrastruktur in der alleinigen Verantwortung der Deutschen Bahn AG. Hierzu zählen unter anderem die Bemessung der Entgelte für die Nutzung des Fahrwegs, die Gestaltung des Angebots im Einzelnen wie Fahrpläne oder Pünktlichkeit, die Investitionsplanung im Unternehmen und der Bau von Trassen sowie deren Unterhaltung.

9

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hat im Jahr 2008 empfohlen, an dieser Abgrenzung festzuhalten (BTDrucks 16/8467).

10

2. Die streitgegenständlichen Fragen zur Finanzmarktaufsicht sind vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise zu sehen, die mit der sogenannten Subprime-Krise in den Vereinigten Staaten von Amerika begann und in der Folge auch bei einer Reihe großer Banken in Europa zu staatlichen Stützungsmaßnahmen in erheblichem Umfang führte.

11

a) In Deutschland wurde für diese Maßnahmen mit dem Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes vom 17. Oktober 2008 (Finanzmarktstabilisierungsgesetz - FMStG [BGBl I S. 1982]) ein entsprechendes Instrumentarium geschaffen. Insbesondere wurde mit dem in Artikel 1 dieses Gesetzes enthaltenen Gesetz zur Errichtung eines Finanzmarktstabilisierungsfonds (Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz - FMStFG) der sogenannte Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) errichtet, der im Wesentlichen die Übernahme staatlicher Garantien für neu begründete Refinanzierungsverbindlichkeiten, die Beteiligung des Bundes an Unternehmen des Finanzsektors und die Übernahme von Risikopositionen (wie etwa wertberichtigungsbedürftige Forderungen oder Wertpapierpositionen) durch den Bund finanzieren konnte.

12

Ausführungsbestimmungen zum FMStFG wurden mit der Verordnung zur Durchführung des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes (Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung - FMStFV) vom 20. Oktober 2008 erlassen (eBAnz 2008, AT123 V1), die neben Regelungen über die Verwaltung des SoFFin Verfahrensregelungen für Garantieübernahmen, Rekapitalisierungen oder Risikoübernahmen sowie die dabei mit den dortigen Antragstellern zu vereinbarenden Bedingungen und Auflagen enthält. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 FMStFV sollen an Unternehmen des Finanzsektors, die Stabilisierungsmaßnahmen des Fonds in Anspruch nehmen, bestimmte Anforderungen gestellt werden, um eine solide und umsichtige Geschäftspolitik zu gewährleisten. Gemäß § 5 Abs. 2 FMStFV soll bei Stabilisierungsmaßnahmen nach § 7 FMStFG (Rekapitalisierungen) den Unternehmen insbesondere aufgegeben werden, während der Dauer der Stabilisierungsmaßnahme grundsätzlich keine Dividenden zu leisten (Nr. 5), keine Bonifikationen zu zahlen (Nr. 4c) und die Vergütung ihrer Organmitglieder und Geschäftsleiter auf ein angemessenes Maß zu begrenzen, wobei eine monetäre Vergütung, die 500.000 Euro pro Jahr übersteigt, grundsätzlich als unangemessen gilt (Nr. 4a).

13

b) Infolge der Finanzmarktkrise wurden zudem die Informations- und Eingriffsbefugnisse der BaFin gegenüber den ihrer Aufsicht unterliegenden Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten (§ 1 Abs. 1b Gesetz über das Kreditwesen [Kreditwesengesetz - KWG]) erweitert.

14

Die BaFin hat nach § 6 Abs. 2 KWG Missständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen entgegenzuwirken, welche die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsmäßige Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können. Hierzu sieht das KWG für die Institute bestimmte Anzeigepflichten vor und räumt der BaFin Befugnisse ein, die von Auskunfts- und Prüfungsrechten (§§ 44 ff. KWG) über die Verhängung von Bußgeldern (§§ 56 ff. KWG) bis zu konkreten, vollstreckbaren Anordnungen reichen, wie etwa Anweisungen an die Geschäftsführung des Instituts und die Untersagung von Verfügungen von einem bei dem Institut geführten Konto oder Depot (§ 6a Abs. 1 KWG) in bestimmten Fällen. Weitere Aufgaben und Befugnisse ergeben sich aus Spezialgesetzen.

15

Durch das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht vom 29. Juli 2009 (BGBl I S. 2305) hat die BaFin die weitergehenden Möglichkeiten erhalten, zum einen in bestimmten individuellen Risikosituationen zusätzliche Eigenmittelanforderungen an Institute zu stellen oder unter bestimmten Bedingungen einen Liquiditätsaufschlag anzuordnen, zum anderen Maßnahmen bei unzureichenden Eigenmitteln oder unzureichender Liquidität sowie bei Gefahr zu ergreifen. Schließlich wurden besondere Qualifikationsanforderungen für die Mitglieder der Verwaltungs- oder Aufsichtsorgane von Instituten aufgestellt und der BaFin die Möglichkeit eingeräumt, von den Instituten zu verlangen, unzuverlässige Mitglieder oder Mitglieder ohne die erforderliche Sachkunde abzuberufen oder ihnen die Organtätigkeit zu untersagen.

II.

16

Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

17

1. Die Antragsteller stellten mehrere Kleine Anfragen zu Gesprächen und Vereinbarungen zwischen der Bundesregierung und der Deutschen Bahn AG über Investitionen in das Schienennetz, ein von der Bundesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten zum Projekt "Stuttgart 21" sowie Zugverspätungen und deren Ursachen.

18

a) Am 11. November 2010 stellten unter anderem die Antragsteller zu 3. und zu 4. sowie die Antragstellerin zu 5. eine Kleine Anfrage zum Thema "Fulda-Runden der Deutschen Bahn AG und Finanzierungsvereinbarungen zu Bedarfsplanprojekten" (BTDrucks 17/3757). Für die Antragsgegnerin antwortete das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung mit Schreiben vom 26. November 2010 (BTDrucks 17/4005 vom 30. November 2010).

19

Den Fragen war zu ihrem Hintergrund eine Vorbemerkung vorangestellt, in der unter anderem ausgeführt wurde:

"Der Bedarfsplan Schiene wird vom Bundesgesetzgeber aufgestellt, zuletzt mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes vom 22. September 2004. Der Bedarfsplan enthält insgesamt 58 Vorhaben, die ein Gesamtvolumen von rund 75 Mrd. Euro ausmachen. Für die Finanzierung dieser Bedarfsplanprojekte stehen im langjährigen Mittel ca. 1,1 bis 1,2 Mrd. Euro jährlich zur Verfügung. Daher muss unter diesen Maßnahmen, die gesetzlich alle den gleichen Rang als 'festgestellter Bedarf' genießen, eine Priorisierung vorgenommen werden. Gesetzlich vorgesehen ist dazu gemäß § 4 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes, alle fünf Jahre die Prioritäten zu überprüfen. Der Investitionsrahmenplan (Fünfjahresplan) für den Ausbau der Schienenwege des Bundes bis 2010 vom April 2007, mit dem dieser gesetzlichen Verpflichtung nachgekommen wurde, enthält mit insgesamt 38 Bedarfsplanprojekten und einem Gesamtfinanzbedarf von ca. 28 Mrd. Euro aber weit mehr Projekte mit einem weitaus höheren Finanzbedarf, als in der Laufzeit des Fünfjahresplans tatsächlich realisiert werden können. Auch diese so genannte Bedarfsplanüberprüfung legt keine Reihenfolge der Projektrealisierung fest, aus der sich ableiten lässt, welche Projekte in den folgenden Jahren gebaut werden und welche nicht.

Die tatsächlichen Entscheidungen über die Priorisierung der gesetzlich als Bedarf festgestellten Projekte wird weitgehend vor dem Gesetzgeber geheim gehalten und wesentliche Angaben, die auch für seine Haushaltsplanung erforderlich sind, werden ihm vorenthalten. Dies betrifft sowohl die weitere Priorisierung im Rahmen der sogenannten Fulda-Runden (siehe Abschnitt I.) als auch die Finanzierungsvereinbarungen, die bei Bedarfsplanprojekten geschlossen werden (Abschnitt II.):

I. Im Rahmen der Priorisierung der Bedarfsplanvorhaben finden alljährlich gemeinsame Gespräche zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, dem Eisenbahn-Bundesamt und der Deutschen Bahn AG (DB AG) zum Sachstand der einzelnen Bedarfsplanvorhaben sowie zur Festlegung der weiteren Vorgehensweise bei der Abwicklung des Bedarfsplans statt. Bei diesen nach dem Tagungsort Fulda benannten Besprechungen unter Einbeziehung der regionalen Projektverantwortlichen der DB AG werden zu jedem einzelnen Bedarfsplanvorhaben Bau- bzw. Planungsverlauf, Finanzierung und bei der Realisierung aufgetretene Probleme eingehend erläutert, um bundesseitig ein umfassendes Bild von der aktuellen Situation bei der Umsetzung des Bedarfsplans zu erhalten und geeignete Schritte im Sinne einer effizienten und wirtschaftlichen Steuerung des Mitteleinsatzes abzustimmen. Dabei wird in der Regel auch ein Ausblick auf die kommenden Haushaltsjahre ('Fulda-Liste') diskutiert. Es ist verfassungsrechtlich nicht vertretbar, Informationen hierzu dem Haushaltsgesetzgeber vorzuenthalten.

II. Gleiches gilt für den Bereich der Finanzierungsvereinbarungen. Finanzierungsvereinbarungen für Bedarfsplanprojekte werden wie die 'Fulda-Listen' ebenfalls zwischen dem Bund und einem Unternehmen, das sich ausschließlich im Bundesbesitz befindet, der zur Deutschen Bahn AG gehörenden DB Netz AG, geschlossen. Ihr genauer Inhalt, insbesondere die Verpflichtungen, welchen Eigenanteil die DB Netz AG jeweils bringen soll, wird dem Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages bisher nicht zur Kenntnis gebracht. Diese Praxis steht im Gegensatz zu derjenigen bei Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung[en] für die Bestandsmittel zum Erhalt des Schienennetzes, die den beiden Ausschüssen nicht nur zur Kenntnis gebracht werden, sondern über die der Verkehrs- und Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages sogar abstimmen."

20

Die durch die Antragsteller zum Streitgegenstand dieses Verfahrens gemachten Fragen und Antworten lauteten:

Frage 1: "Welche Gesamtkosten sind in den Fulda-Runden I bis IX jeweils für die Bedarfsplanprojekte Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 8.1 Neubaustrecke (NBS) Ausbaustrecke (ABS) Nürnberg-Erfurt und Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 8.2 NBS Erfurt-Gröbers(-Leipzig/Halle) in den 'Fulda-Listen' eingestellt worden (bitte tabellarische Aufstellung nach Jahren und Projekten)?"

Frage 2: "Welche Gesamtkosten sind in den Fulda-Runden seit 2004 jeweils für die laufenden und fest disponierten Bedarfsplanprojekte des aktuellen Bundesverkehrswegeplans in den 'Fulda-Listen' eingestellt worden (bitte tabellarische Aufstellung nach Jahren und Projekten)?"

Frage 3: "Welche Gesamtkosten sind in den Fulda-Runden seit 2004 jeweils für die neuen Vorhaben der Bedarfsplanprojekte des aktuellen Bundesverkehrswegeplans in den 'Fulda-Listen' eingestellt worden (bitte tabellarische Aufstellung nach Jahren und Projekten)?"

Antwort: "Die Fragen 1 bis 3 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die Vorlage einer entsprechenden Aufstellung ist nicht möglich. Entgegen den Annahmen des Fragestellers existieren weder einheitliche Listen für die stattgefundenen 'Fulda-Runden', noch wurden solche Listen überhaupt in jedem Jahr erstellt. So gibt es beispielsweise auch für die im März 2010 stattgefundene diesjährige Besprechung keine solche Liste.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den 'Fulda-Runden' lediglich um einen internen, auf Arbeitsebene stattfindenden Prozess handelt. Entscheidungen über die Priorisierung von Vorhaben werden dort nicht getroffen, sondern sind entsprechenden Gesprächen zwischen dem Vorstand der Deutschen Bahn AG und der Bundesregierung vorbehalten."

Frage 4: "Welche Finanzierungsvereinbarungen zum Neu- und Ausbau von Eisenbahninfrastruktur des aktuellen Bedarfsplans Schiene mit welchem Inhalt und welchem jeweiligen finanziellen Volumen hat die DB Netz AG seit dem Jahr 2004 mit dem Bund und möglichen weiteren Vertragsparteien (z. B. Bundesländern) abgeschlossen (tabellarische Aufstellung nach Projekten, Datum des Abschlusses, Vertragsparteien und Finanzvolumen pro Vertragspartei)?"

Frage 5: "Welcher Eigenanteil der DB Netz AG wurde dabei pro Finanzierungsvereinbarung jeweils festgelegt (tabellarische Aufstellung nach Projekten, Datum des Abschlusses und Finanzvolumen)?"

Antwort: "Die Fragen 4 und 5 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Grundsätzlich finanziert der Bund die zuwendungsfähigen Kosten und die Eisenbahninfrastrukturunternehmen die nicht zuwendungsfähigen Kosten eines Vorhabens. Daher variiert die Höhe der zuwendungsfähigen Kosten von Vorhaben zu Vorhaben. Eine entsprechende Statistik liegt der Bundesregierung jedoch nicht vor. In Anbetracht von rund 60 laufenden Finanzierungsvereinbarungen zu Bedarfsplanvorhaben sowie einer jährlichen Anpassungsvereinbarung, die eine Vielzahl der Vorhaben fortschreibt, ist die kurzfristige Erstellung einer solchen Statistik nicht möglich."

Frage 13: "Welche Gewinne sind laut aktueller Mittelfristplanung für die Jahre 2011 bis 2014 für die DB Netz AG, die DB Station & Service AG und die DB Energie GmbH geplant (bitte tabellarische Aufstellung)?"

Antwort: "Die Zahlen unterliegen der Verschwiegenheitspflicht nach den §§ 116, 395 des Aktiengesetzes."

21

Mit Schreiben vom 7. Januar 2011 wies der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Enak Ferlemann den vom Parlamentarischen Geschäftsführer der Antragstellerin zu 5. Volker Beck gegenüber der Antragsgegnerin erhobenen Vorwurf einer unzureichenden Beantwortung u.a. dieser Kleinen Anfrage zurück. Es entspreche den Tatsachen, dass

"die in ihrer Bedeutung tendenziell überbewerteten Fulda-Runden eben keine im hinterfragten Zeitraum sinnvoll vergleichbaren Listen hervorgebracht haben."

22

Denn der Schwerpunkt der "Fulda-Runden" habe sich "stärker in Richtung Finanzierung" verschoben. Dass "darüber hinaus in einigen Jahren überhaupt keine Ergebnislisten erstellt wurden", liege etwa im Jahr 2010 an auf den Bundeshaushalt bezogenen Unwägbarkeiten.

23

Aus diesem Grund seien die hinterfragten Informationen "nicht in der erforderlichen Form verfügbar", was neben den Fragen 1 bis 3 auch die Fragen 4, 5 und 9 betreffe. Eine nachträgliche statistische Aufbereitung würde

"den Zeitrahmen zur Beantwortung von Kleinen Anfragen bei weitem sprengen und erhebliche Teile der personellen Kapazitäten binden, ohne zu gewährleisten, dass aus den Ergebnissen tatsächlich die gewünschten Aussagen ableitbar sind."

24

Deshalb sei der "in den Antworten enthaltene Verweis auf die nicht verfügbaren Statistiken […] legitim". Die mit Frage 13 erbetenen Angaben zur Mittelfristplanung seien Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der Deutschen Bahn AG beziehungsweise der Konzerntöchter, die gemäß §§ 116, 395 Aktiengesetz (AktG) der Verschwiegenheitspflicht unterfielen. Darüber hinaus seien sie dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen und damit gemäß der verbindlichen Festlegung (BTDrucks 13/6149) dem Verantwortungsbereich der Regierung entzogen.

25

b) Wiederum am 11. November 2010 stellten unter anderem die Antragsteller zu 3. und zu 4. sowie die Antragstellerin zu 5. eine Kleine Anfrage zum Thema "Wirtschaftlichkeitsberechnung für Stuttgart 21" (BTDrucks 17/3766). Für die Antragsgegnerin antwortete das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung mit Schreiben vom 26. November 2010 (BTDrucks 17/4008 vom 30. November 2010).

26

Die durch die Antragsteller zum Streitgegenstand dieses Verfahrens gemachten Fragen und Antworten lauteten:

Frage 16: "Welche über die Wirtschaftlichkeitsrechnung hinausgehenden Daten hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft SUSAT & PARTNER OHG bei der Deutschen Bahn AG angefordert?"

Antwort: "Die durch den Wirtschaftsprüfer eingesehenen Daten sind Arbeitsunterlagen, die der berufsständischen Verschwiegenheitspflicht der Wirtschaftsprüfer nach § 43 der Wirtschaftsprüferordnung sowie der mit der DB AG abgeschlossenen Vertraulichkeitsvereinbarung unterliegen."

Frage 17: "Hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft den Schlussfolgerungen der Wirtschaftlichkeitsrechnungen der Deutschen Bahn AG uneingeschränkt zugestimmt, oder hat sie einzelne Ergebnisse der Untersuchung nicht geteilt? Wenn ja, welche Ergebnisse wurden mit welcher Begründung nicht geteilt?"

Frage 18: "Haben die Wirtschaftsprüfer auf Baukostenrisiken hingewiesen, und wenn ja, welche und in welcher Höhe?"

Frage 19: "Haben die Wirtschaftsprüfer Bedingungen formuliert, die eingehalten werden müssten, damit die Wirtschaftlichkeit des Projekts erreicht wird, und wenn ja, welche Bedingungen waren dies im Einzelnen?"

Antwort: "Die Fragen 17 bis 19 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Im Verlauf seiner Prüfung hat der Prüfer einige methodische Korrekturen vorgenommen. Die durch die Gutachter genannten Risiken einer Baupreiserhöhung über die 1 Mrd. Euro hinaus und einer geringeren EU-Förderung wurden in die Verhandlungen aufgenommen. Der Prüfer kam zu dem Schluss, dass die in der WR zusätzlich unterstellten Finanzierungsbeiträge verbindlich zu vereinbaren sind."

27

In seinem Schreiben vom 7. Januar 2011 führte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Enak Ferlemann gegenüber dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Antragstellerin zu 5. Volker Beck mit Bezug auf die Fragen 17 bis 19 ergänzend aus, dass die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsberechnung "grundsätzlich bestätigt" worden seien. Die in der Antwort benannten zusätzlichen Risiken (reduzierte EU-Fördermittel, Bauzeitverzögerungen, Kostensteigerungen) seien nicht quantifiziert worden. Die Empfehlung, die unterstellten zusätzlichen Finanzierungsbeiträge vertraglich festzuschreiben, sei umgesetzt worden.

28

c) Am 4. Oktober 2010 stellten unter anderem die Antragsteller zu 3. und zu 4. sowie die Antragstellerin zu 5. eine Kleine Anfrage zum Thema "Zugverspätungen" (BTDrucks 17/3149). Diese enthielt folgende Fragen:

Frage 1: "Wie viele Verspätungsminuten wurden in den letzten fünf Jahren erfasst (Auflistung bitte nach Jahren)?"

Frage 2: "Wie viele infrastrukturbedingte Verspätungsminuten fallen darunter?"

Frage 3: "Wie viele Verspätungsminuten fielen in den letzten fünf Jahren auf mängelbedingte Langsamfahrstellen im Fern- und Ballungsnetz (Auflistung bitte nach Jahren)?"

Frage 4: "Wie viele Verspätungsminuten entfielen auf das Warten von Anschlusszügen (bitte Auflistung der letzten fünf Jahre)?"

Frage 5: "Wie viele Verspätungsminuten entfielen auf Verzögerungen im Betriebsablauf (bitte Auflistung der letzten fünf Jahre)?"

Frage 6: "Wie viele Verspätungsminuten entfielen auf Gleisbelegungen (bitte Auflistung der letzten fünf Jahre)?"

Frage 7: "Wie viele Verspätungsminuten entfielen auf Überholungen (bitte Auflistung der letzten fünf Jahre)?"

Frage 8: "Wie viele Verspätungsminuten entfielen auf die verspätete Bereitstellung der Züge (bitte Auflistung der letzten fünf Jahre)?"

Frage 9: "Wie viele Verspätungsminuten entfielen auf Störungen am Triebwagen (bitte Auflistung der letzten fünf Jahre)?"

Frage 10: "Wie viele Verspätungsminuten entfielen auf technische Störungen an einem Wagen (bitte Auflistung der letzten fünf Jahre)?"

Frage 11: "Wie viele Verspätungsminuten entfielen auf Weichenstörungen, Signalstörungen und Stellwerkstörungen (bitte Auflistung der letzten fünf Jahre)?"

Frage 12: "Wie viele Verspätungsminuten entfielen auf Signalstörungen (bitte Auflistung der letzten fünf Jahre)?"

Frage 13: "Wie viele Verspätungsminuten sind auf die unzureichende Funktionalität der Bahnsteige der DB Station & Service AG zurückzuführen (Auflistung bitte der letzten fünf Jahre)?"

Frage 14: "Wie viele Verspätungsminuten wiesen welche Bahnhöfe der Kategorien 1 bis 3 in den letzten fünf Jahren auf (Auflistung bitte nach Jahr und Verspätungsreihenfolge)?"

Frage 15: "Wie hoch war die Gesamtsumme der Entschädigungszahlungen, die die Deutsche Bahn AG letztes Jahr an ihre Fahrgäste geleistet hat (Auflistung bitte nach Monaten)?"

29

Für die Antragsgegnerin antwortete das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung mit Schreiben vom 15. Oktober 2010 (BTDrucks 17/3336 vom 19. Oktober 2010).

30

In einer Vorbemerkung wurde ausgeführt:

"Der Bundesregierung liegen zu den Fragen 1 bis 14 keine Angaben vor. Die erfragten Informationen gehören vollständig in den Bereich der Geschäftstätigkeiten der DB AG. (Siehe dazu die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, Bundestagsdrucksache 13/6149, vom 18. November 1996.)"

31

Die Frage 15 wurde wie folgt beantwortet:

"Im Zeitraum von Ende Juli bis Dezember 2009 nach Einführung der neuen Fahrgastrechte wurden 261 191 Anträge auf Fahrpreisentschädigung gestellt, das entspricht 0,5 Prozent der Reisenden. Die Anträge auf Fahrpreisentschädigung verteilten sich zu 68 Prozent (177 610 Anträge) auf einstündige und zu 32 Prozent (83 581 Anträge) auf zweistündige Verspätungen. Angaben zur Höhe der Entschädigungsleistungen liegen nicht vor. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen."

32

Mit gesondertem Schreiben wies der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Jan Mücke den vom Parlamentarischen Geschäftsführer der Antragstellerin zu 5. Volker Beck gegenüber der Antragsgegnerin erhobenen Vorwurf, diese habe die Kleine Anfrage zu Unrecht inhaltlich nicht beantwortet, zurück. Nur bezüglich der mit Frage 15 begehrten Auskünfte hätten der Antragsgegnerin Informationen vorgelegen, die vollständig weitergeleitet worden seien. Die mit den Fragen 1 bis 14 erbetenen Informationen lägen der Antragsgegnerin nicht vor, sie wiesen auch keinen Bezug zu ihrem Verantwortungsbereich auf. Der Beschluss des Bundestagsausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung aus dem Jahre 1996 (BTDrucks 13/6149 vom 18. November 1996) enthalte eine "verbindliche konkrete Abgrenzung der Verantwortungsbereiche" nebst einem Kriterienkatalog, der im März 2008 (BTDrucks 16/8467 vom 10. März 2008) bestätigt worden sei. Darin sei die Thematik "Pünktlichkeit" ausdrücklich dem Verantwortungsbereich der Deutschen Bahn AG zugewiesen worden.

33

2. Darüber hinaus richteten die Antragsteller an die Antragsgegnerin Fragen zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gegenüber mehreren Banken in den Jahren 2005 bis 2008.

34

a) Der Antragsteller zu 1. stellte der Antragsgegnerin am 20. Dezember 2010 zwei Schriftliche Fragen:

"Aus welchen Gründen wurde die IKB Deutsche Industriebank im August 2008 verkauft, und welcher Kaufpreis wurde erzielt?" (BTDrucks 17/4350, Nr. 34, S. 20).

"In welchen Fällen hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Banken, die Hilfen von der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) oder anderen staatlichen Ebenen erhalten haben, den Rückerwerb eigener und am Markt mit Abschlägen notierter Verbindlichkeiten, insbesondere solcher nach § 10 Absatz 4, 5, 5a oder 7 des Kreditwesengesetzes (KWG), nicht genehmigt und aus welchen Gründen?" (BTDrucks 17/4350, Nr. 35, S. 21).

35

Für die Antragsgegnerin antwortete der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen Steffen Kampeter am 27. Dezember 2010 auf die erste Frage (BTDrucks 17/4350 vom 30. Dezember 2010, Nr. 34, S. 20 f.):

"Die bestehenden Alternativen zum Verkauf der IKB waren im Frühjahr und Sommer 2008 intensiv geprüft und aus folgenden Gründen letztendlich verworfen worden:

Eine Fortführung der IKB im Mehrheitsbesitz der KfW Bankengruppe, mit dem Ziel einer Veräußerung zu einem späteren Zeitpunkt nach einer Sanierung, hätte eine deutliche Risikoausweitung für die KfW Bankengruppe bedeutet. Zudem fehlte der KfW Bankengruppe neben der notwendigen Sanierungserfahrung auch die personelle Kapazität für eine solche Aufgabe. Auch EU-beihilferechtlich wäre mit größten Schwierigkeiten zu rechnen gewesen.

Eine 'geordnete Abwicklung' hätte ebenfalls vorübergehend das Risiko der KfW Bankengruppe deutlich erhöht und wäre nicht verträglich gewesen mit dem Ziel, einen wichtigen Finanzierungspartner für den Mittelstand zu erhalten. Ob damit am Ende ein substanziell besseres wirtschaftliches Ergebnis verbunden gewesen wäre, muss zumindest bezweifelt werden.

Die Insolvenz als mögliche Option war ebenfalls zu keinem Zeitpunkt eine realistische Alternative. Bereits bei Ausbruch der Krise entschieden sich KfW Bankengruppe, Bundesregierung und deutsche Kreditwirtschaft auf den Rat ausgewiesener Fachleute hin gegen diese Option. Eine Insolvenz der IKB hätte zu einem weitreichenden Vertrauensverlust und zu einem großen Schaden für den Finanzplatz Deutschland geführt - mit negativen Folgen für Wachstum und Beschäftigung.

Der Verkauf der IKB stellte unter den gegebenen schwierigen Marktbedingungen die bestmögliche Lösung dar. Mit dem Verkauf der IKB konnten die Risiken für Bund und KfW Bankengruppe aus damaliger Sicht weitestmöglich reduziert werden. Die IKB blieb als wichtiger Mittelstandsfinanzierer in Deutschland erhalten und die KfW Bankengruppe konnte sich wieder voll auf ihre Kernaufgabe als Förderbank konzentrieren.

Über den Kaufpreis wurde vertraglich Vertraulichkeit vereinbart. Sämtliche der Vertraulichkeit unterliegende Unterlagen zu IKB-Stützung und -Verkauf einschließlich des Kaufvertrags lagen von September 2008 bis Oktober 2009 in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zur Einsicht aus; das Bundesministerium der Finanzen hat im Haushalts- und im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 24. September 2008 in geheimer Sitzung hierzu, insbesondere auch zum Kaufpreis, berichtet."

36

Eine Antwort auf die zweite Frage verweigerte die Antragsgegnerin. Zur Begründung führte sie aus (BTDrucks 17/4350 vom 30. Dezember 2010, Nr. 35, S. 21 f.):

"Die von Ihnen angefragten Informationen unterliegen dem Offenbarungsverbot des § 9 KWG. Dieses Offenbarungsverbot leitet sich aus Artikel 12 des Grundgesetzes (GG) ab. Das in Artikel 12 GG verbriefte Grundrecht steht Ihrem Informationsanspruch als Abgeordneter entgegen und würde bei einer Bekanntgabe durch die Bundesregierung verletzt. Die Bundesregierung ist aber ebenso wie der Deutsche Bundestag zum Schutz der Grundrechte verpflichtet. Eine detaillierte Angabe, bei welchen Banken aus welchen Gründen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht den Rückerwerb eigener Verbindlichkeiten nicht genehmigt hat, kann daher in der für schriftliche Einzelfragen nach § 105 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages in Verbindung mit Nummer 14 der Anlage 4 zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Richtlinien für die Fragestunde und für die schriftlichen Einzelfragen) vorgesehenen und zur Veröffentlichung in einer Bundestagsdrucksache bestimmten Weise nicht erfolgen. Ergänzend weise ich darauf hin, dass die Möglichkeit offensteht, auf einen Beschluss des Deutschen Bundestages oder eines seiner Ausschüsse über eine Übermittlung der von Ihnen begehrten Informationen unter Wahrung der Geheimhaltungspflicht gemäß § 353b Absatz 2 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs hinzuwirken.

Nach Vorlage eines solchen Beschlusses könnten Ihnen nach VS-Eintrag und Hinterlegung in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages bzw. mündlicher Auskunft in eingestufter Sitzung (mit Beschluss nach § 2 der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages) die begehrten Informationen zur Verfügung gestellt werden."

37

b) Am 11. November 2010 stellten unter anderem die Antragsteller zu 1. und zu 2. sowie die Antragstellerin zu 5. eine Kleine Anfrage mit dem Titel "Ausübung parlamentarischer Kontrollrechte im Bereich Finanzmarkt" (BTDrucks 17/3740).

38

Die verfahrensgegenständlichen Fragen lauteten:

"1. An welchen Aufsichtsrats- bzw. Verwaltungsratssitzungen oder sonstigen Sitzungen von Gremien mit Kontrollaufgaben (beispielsweise Kreditausschuss) haben jeweils Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Bundesbank bzw. der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in den Jahren 2005 bis 2008 teilgenommen, und in wie vielen davon haben sie das Wort ergriffen (mit der Bitte um institutionsspezifische Angaben jeweils für BaFin und Bundesbank sowie um institutsspezifische Angaben für die Banken BayernLB, Sachsen LB, WestLB, HSH Nordbank, IKB Deutsche Industriebank, Düsseldorfer Hypothekenbank, Hypo Real Estate - HRE, Commerzbank bzw. Dresdner Bank)?

(…)

4. Wie viele Aufsichtsgespräche hat die BaFin bzw. die Bundesbank jeweils mit den Instituten gemäß Frage 1 in den Jahren 2005 bis 2008 durchgeführt (mit der Bitte um Angaben auf Jahresbasis, Differenzierung nach anlassbezogenen bzw. routinemäßigen Gesprächen sowie nach den Institutionen BaFin und Bundesbank)?

(…)

6. Wie viele Sonderprüfungen nach § 44 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) hat die BaFin in den Jahren 2005 bis 2008 jeweils bei den in Frage 1 genannten Instituten veranlasst (mit der Bitte um jahres- und institutsspezifische Angaben)?

(…)

8. Inwiefern gab es Gespräche zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesbank bzw. der BaFin und den in Frage 1 genannten Instituten über die aufsichtliche Behandlung von außerbilanziellen Conduits (wie Rhineland Funding und Rhinebridge bei der IKB oder die Ormond-Quay-Struktur bei der Sachsen LB)?

Falls es Gespräche gab, wann fanden diese Gespräche statt, und welche Personen waren daran beteiligt?

War der deutschen Finanzaufsicht bei der Einschätzung, dass die Gestaltung der Conduits im Einklang mit der damaligen bankenaufsichtlichen Behandlung solcher Conduits stand (vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 13 auf Bundestagsdrucksache 17/1118), jederzeit bewusst, dass die Conduits der Landesbanken - wie z. B. der Sachsen LB - über Garantie- und Patronatserklärungen sowie die Gewährträgerhaftung von den jeweiligen Landeshaushalten garantiert wurden und damit letztlich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, nicht aber die Investoren die Risiken der Conduits trugen?

Falls nein, warum nicht, und inwiefern hat sich die damalige Einschätzung (vgl. Antwort zu Frage 13 auf Bundestagsdrucksache 17/1118) geändert?

Seit wann und durch welche konkreten Maßnahmen (wie Verordnungen, Rechtsänderungen etc.) ist sichergestellt, dass derartige Conduits heute nicht mehr in Einklang mit dem Bankenaufsichtsrecht stehen?

(…)

11. Inwiefern und mit welchen konkreten Maßnahmen haben die Bundesbank und die BaFin auf die HSH Nordbank eingewirkt, die internen Kontrollen und die Risikosteuerung auf neue Entwicklungen im Geschäftsmodell der HSH Nordbank (z. B. Schnellankaufverfahren und Omegageschäfte) auszurichten (mit der Bitte um institutionsspezifische Angaben jeweils für BaFin und Bundesbank)?

(…)

14. In welchen Feldern befanden sich die in Frage 1 genannten Institute in der Zwölf-Felder-Matrix der Risikoklassifizierungen jeweils in den Jahren 2005 bis 2008 (vgl. BaFin-Jahresbericht '06, S. 68; BaFin-Jahresbericht '07, S. 128; BaFin-Jahresbericht '08, S. 126; BaFin-Jahresbericht '09, S. 141)?

(…)

18. Welche Daten sind der Bundesregierung bekannt über Gehalts- und Bonuszahlungen von mehr als 500 000 Euro jährlich an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterhalb der Vorstandsebene von aus dem Bankenrettungsfonds Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) unterstützten (z. B. durch Garantien, Rekapitalisierungen, Risikoübernahmen, Bad-Bank-Auslagerungen) Finanzinstituten (bitte aufschlüsseln nach Finanzinstitut, Art der SoFFin-Hilfe, Jahr, Mitarbeiterzahl, Betrag)?"

39

Namens der Antragsgegnerin antwortete das Bundesministerium der Finanzen mit Schreiben vom 25. Januar 2011 (BTDrucks 17/4617 vom 27. Januar 2011). In einer Vorbemerkung wurde ausgeführt:

"Die Bundesregierung ist bei der Beantwortung von Fragen aus dem Parlament verfassungsrechtlich verpflichtet, die Grundrechte der von diesen Fragen betroffenen Grundrechtsträger zu wahren. Dies sind vor allem die von den Artikeln 12 und 14 des Grundgesetzes (GG) geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Kreditinstitute. 'Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat' (BVerfGE 115, 205/230 zum Schutz aus Artikel 12 GG). Die erfragten Angaben betreffen Aktivitäten bzw. Einschätzungen der Bankenaufsicht mit Bezug zu einzelnen Kreditinstituten und sind somit nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich.

Ob ein Interesse ein 'berechtigtes' ist, hängt insbesondere davon ab, ob ein Bekanntwerden der betreffenden Information geeignet wäre, die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (vgl. BVerwG NVwZ 2009, 1113 f.; BGHSt 41, 140/142). Dies ist hier der Fall, da Informationen über Aufsichtsmaßnahmen bzw. Einschätzungen der Bankenaufsicht in Bezug auf einzelne Institute grundsätzlich immer geeignet sind, die Wettbewerbsposition des jeweiligen Unternehmens nachteilig zu beeinflussen.

Darüber hinaus wird der Umfang der Antwortpflicht der Bundesregierung auch durch Umstände des Staatswohls begrenzt, da die öffentliche Bekanntgabe der erbetenen Informationen öffentliche Interessen gefährden kann. Gemäß § 6 des Kreditwesengesetzes (KWG) hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Aufgabe, Missständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen entgegenzuwirken, welche die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsmäßige Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können.

Dafür ist es von Bedeutung, dass das aufsichtliche Handeln oder Einschätzungen und Bewertungen der Aufsicht mit Bezug zu einzelnen Instituten nicht offengelegt werden, um die Funktionsfähigkeit der Bankenaufsicht nicht zu beeinträchtigen.

Konkret kann die öffentliche Beantwortung zu einem Reputationsschaden einzelner Kreditinstitute führen, der typischerweise aus dem Bekanntwerden bankenaufsichtlicher Maßnahmen folgt. Der Aufsicht steht ein gefächerter Maßnahmenkatalog zur Verfügung. Dabei entfalten die Maßnahmen der Bankenaufsicht grundsätzlich keine oder nur begrenzte Öffentlichkeitswirkung. Dies gilt z. B. für Eingriffe bei organisatorischen Mängeln (Anordnung nach § 25a Absatz 1 Satz 8 KWG). Nicht öffentlich werden daneben vor allem auch interne Einschätzungen der Bankenaufsicht hinsichtlich der Lage einzelner Institute (Beispiel: Risikoklassifizierung). Werden beispielsweise eine negative Risikoklassifizierung oder ein Einschreiten der BaFin gegen organisatorische Mängel bekannt, besteht die konkrete Gefahr, dass das Institut einen Vertrauensverlust erleidet, obwohl derzeit noch keine Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen des Instituts gegenüber seinen Gläubigern besteht. Ein solcher Vertrauensverlust kann - gerade in einer angespannten Marktsituation - diese Gefahr und damit durchaus auch die Insolvenz des Instituts herbeiführen und - vor allem soweit systemrelevante Institute betroffen sind - sogar erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen. Die besondere Bedeutung dieses Geheimnisschutzes hat der Gesetzgeber im Übrigen auch durch § 9 KWG zum Ausdruck gebracht.

Die hier erfragte Zusammenstellung der Teilnahme der Bankenaufsicht an den Sitzungen der Gremien mit Kontrollaufgaben bestimmter Banken über mehrere Jahre hinweg und die Dokumentation der Häufigkeit, mit der die Bankenaufsicht sich in den Gremien äußerte, ließe zudem Rückschlüsse auf das Verhältnis zwischen der betroffenen Bank, ihren Geschäften und der Bankenaufsicht zu. Die Verbreitung einer solchen Zusammenstellung wäre geeignet, in der Öffentlichkeit einen Eindruck zu vermitteln, ob und in welchem Umfang der Geschäftsbetrieb einer Bank aus Sicht der Bankenaufsicht einer gewissen Kontrolle bedürfte.

Eine solche Information kann die Position einer Bank gegenüber Kunden und Konkurrenten nachhaltig und irreversibel beeinflussen. So könnte eine Bank als nur noch bedingt vertrauenswürdig erscheinen, weil sie in besonderer Weise beaufsichtigt wird, oder im anderen Fall besonderes Vertrauen verdienen, weil sie anscheinend weniger als andere Banken im Fokus der Bankenaufsicht stand.

Zwar betreffen die angefragten Einzelinformationen einen mehrere Jahre zurückliegenden Zeitraum. Das Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Institute besteht aber fort, da Marktteilnehmer typischerweise daraus Rückschlüsse auf die gegenwärtige und zukünftige wirtschaftliche Lage und Wettbewerbssituation der Institute ziehen.

Vor diesem Hintergrund ist es der Bundesregierung nach sorgfältiger Abwägung des Informationsinteresses der Abgeordneten einerseits und der angesprochenen Geheimschutzinteressen andererseits nicht möglich, die begehrten Informationen - soweit nicht im Folgenden anders gekennzeichnet - ohne Einstufung als VS-vertraulich herauszugeben."

40

Frage 1 wurde wie folgt beantwortet:

"Die BaFin hat nach § 44 Absatz 4 KWG ein Teilnahme- und Rederecht an Gremiensitzungen; betroffene Institute müssen das Entsende- und Rederecht der BaFin nach § 44 Absatz 4 Satz 3 KWG dulden. Die Teilnahme dient in erster Linie der aufsichtlichen Informationsgewinnung. BaFin-Vertreter ergreifen regelmäßig nur das Wort, um auf bankenaufsichtlich bedenkliche Sachverhalte hinzuweisen. Die bankenaufsichtliche Sachverhaltsaufklärung und -analyse setzt sich im Nachgang zu den Gremiensitzungen fort, sofern sich aufgrund der Sitzungsunterlagen bzw. der Gesprächsinhalte im Rahmen der Gremiensitzungen offengebliebene aufsichtsrechtliche Fragestellungen ergeben, die der weiteren Klärung bedürfen. Mitarbeiter der Bundesbank können von der BaFin als Vertreter im Sinne des § 44 Absatz 4 KWG entsandt werden. Auch besteht die Möglichkeit, dass Mitarbeiter der Aufsicht auf Einladung der Institute an den Gremiensitzungen teilnehmen.

Ein Wortprotokoll über diese Sitzungen wird regelmäßig nicht geführt. Wortmeldungen der Aufsicht sind damit für die Beantwortung der Anfrage nicht darstellbar.

Im gefragten Zeitraum haben Mitarbeiter von BaFin und/oder Bundesbank bei den genannten Kreditinstituten insgesamt an 193 Sitzungen von Gremien mit Kontrollaufgaben teilgenommen.

Die Teilnahme von Mitarbeitern der BaFin bzw. Bundesbank an Sitzungen von Gremien mit Kontrollaufgaben ist ein weitreichender Eingriff in die Grundrechte der Institute und äußerst sensibel. Eine Veröffentlichung detaillierter Informationen birgt daher schon deshalb die Gefahr eines irreversiblen Vertrauensverlustes in das jeweilige Institut mit entsprechender Reaktion des Marktes, insbesondere seiner Gläubiger.

Eine Auflistung der Teilnahme von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter[n] der Bundesbank bzw. der BaFin an Sitzungen der genannten Gremien kann nach sorgfältiger Abwägung mit den Informationsrechten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages nicht in der für Kleine Anfragen nach § 104 i. V. m. § 75 Absatz 3 und § 76 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT) vorgesehenen, zur Veröffentlichung in einer Bundestagsdrucksache bestimmten Weise erfolgen. Die Antwort wird deshalb eingestuft in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zur Verfügung gestellt."

41

Die Antwort auf Frage 4 hinsichtlich der Aufsichtsgespräche lautete:

"Aufsichtsgespräche sind ein Instrument der Erkenntnisgewinnung für die Aufsicht. Routinemäßige Aufsichtsgespräche mit den einzelnen Instituten dienen insbesondere der regelmäßigen Erörterung der wirtschaftlichen Entwicklung, der Risikolage sowie der allgemeinen Geschäftslage der Institute auf Grundlage der ausgewerteten Jahresabschlussunterlagen. Die BaFin hat das Recht zur Teilnahme. Die Aufsichtsgespräche werden von der Bundesbank grundsätzlich jährlich durchgeführt; insbesondere bei kleinen Instituten, deren Solvenz gesichert ist und die bankenaufsichtlich unauffällig sind, kann auf eine jährliche Durchführung von Aufsichtsgesprächen verzichtet werden. Unter anderem bei personellen Veränderungen in Schlüsselpositionen kann es zu mehreren routinemäßigen Aufsichtsgesprächen pro Jahr kommen.

In den Jahren 2005 bis 2008 wurden routinemäßige Aufsichtsgespräche mit den in Frage 1 genannten Instituten wie nachfolgend dargestellt durchgeführt. In Bezug auf die Deutsche Bundesbank (BBk) sind dabei teilweise auch telefonische Aufsichtskontakte enthalten.

[wird tabellarisch ausgeführt]

Anlassbezogene Aufsichtsgespräche haben Sachverhalte oder Themen zum Gegenstand, die aufgrund bedeutender Entwicklungen beim Institut eine besondere bankenaufsichtliche Würdigung erfordern. Die Initiative zu anlassbezogenen Aufsichtsgesprächen kann von der Bundesbank oder der BaFin ausgehen; sie sind jeweils zwischen BaFin und Bundesbank abzustimmen. Die jeweils andere Institution hat ein Teilnahmerecht. Solche Aufsichtsgespräche haben deshalb eine andere Wertigkeit als routinemäßige Aufsichtsgespräche. Es besteht die Gefahr, dass durch die Offenlegung der Anzahl der anlassbezogenen Aufsichtsgespräche auf Einzelinstitutsbasis, selbst wenn dies, wie hier gefragt, für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum erfolgte, die Wettbewerbsposition der betroffenen Institute nachteilig beeinflusst wird. Nach sorgfältiger Abwägung mit den Informationsrechten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages kann in der Sache daher keine Auskunft in der für Kleine Anfragen nach § 104 i. V. m. § 75 Absatz 3 und § 76 Absatz 1 GO-BT vorgesehenen, zur Veröffentlichung in einer Bundestagsdrucksache bestimmten Weise erfolgen. Die Antwort wird deshalb eingestuft in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zur Verfügung gestellt."

42

Auf die Frage 6 zu den Sonderprüfungen nach § 44 KWG antwortete die Antragsgegnerin wie folgt:

"Bei den in Frage 1 genannten Kreditinstituten ordnete die BaFin in den Jahren 2005 bis 2008 insgesamt 64 Prüfungen gemäß § 44 KWG an. Von diesen Prüfungsanordnungen entfielen zehn auf das Jahr 2005, 13 auf das Jahr 2006, 22 auf das Jahr 2007 und 19 auf das Jahr 2008.

Für die erfragten Detailinformationen gilt das in der Vorbemerkung der Bundesregierung erläuterte Geheimhaltungsinteresse bezüglich der Kontrollintensität der Bankenaufsicht im Hinblick auf einzelne Institute, da bereits aus der Kenntnis der Zahl von Sonderprüfungen der Bankenaufsicht bei einem Kreditinstitut ein irreversibler Vertrauensverlust in das jeweilige Institut mit entsprechender Reaktion des Marktes, insbesondere seiner Gläubiger, entstehen kann. Zumindest bei systemrelevanten Kreditinstituten kann dies zu erheblich negativen Auswirkungen auf die Stabilität des gesamten Finanzmarktes führen. Nach sorgfältiger Abwägung mit den Informationsrechten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages kann in der Sache daher keine Auskunft in der für Kleine Anfragen nach § 104 i. V. m. § 75 Absatz 3 und § 76 Absatz 1 GO-BT vorgesehenen, zur Veröffentlichung in einer Bundestagsdrucksache bestimmten Weise erfolgen. Die Antwort wird deshalb eingestuft in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zur Verfügung gestellt."

43

Frage 8 beantwortete die Antragsgegnerin:

"Die deutsche Bankenaufsicht hat mit einigen der in Frage 1 genannten Kreditinstitute zu unterschiedlichen Zeiten Gespräche geführt, die auch das Thema der außerbilanziellen Conduits zum Gegenstand hatten. Darüber hinaus wurden auch schriftliche Stellungnahmen zu diesem Thema erbeten. Inhaltlich zielten die Gespräche auf den Umfang, die bilanzielle Behandlung, die Risikoüberwachung und die wirtschaftlichen Risiken der von den Vehikeln erworbenen Vermögensgegenstände ab. Zum Teil war auch die Refinanzierung dieser Konstrukte Gegenstand der Gespräche. Die Aufsicht ging regelmäßig davon aus, dass die Gestaltung der Conduits im Einklang mit den damals geltenden bankenaufsichtlichen Regelungen stand. Anhaltspunkte dafür, dass die damals geltenden bankenaufsichtlichen Regelungen, insbesondere in Bezug auf die Konsolidierung gemäß § 10a KWG bzw. Anrechnung von Liquiditätsfazilitäten im Grundsatz I bzw. gemäß §§ 13 bis 14 KWG nicht beachtet wurden, ergaben sich aus der Berichterstattung der Jahresabschlussprüfer sowie den geführten Gesprächen nicht.

Bankenaufsichtliche Vorschriften, wie die Eigenmittelanforderungen und Großkreditvorschriften, sollen das Abdecken bestimmter Risiken durch Eigenkapital und die Eindämmung von Klumpenrisiken mit dem Ziel sicherstellen, die Gläubiger eines Instituts zu schützen. Gestaltungen, die das Umgehen aufsichtsrechtlicher Regelungen bezwecken, können nicht immer ausgeschlossen werden. Hierzu gehört sicher auch die Nutzung von Conduit-Konstruktionen. Als Konsequenz aus der Finanzkrise sind verschiedene bankenaufsichtliche Anforderungen verschärft worden, um die Risikoerfassung und -abdeckung zu verbessern. Diese verteuern derartige Konstruktionen und können deren Nutzung so einschränken.

So wurde zum Beispiel die Nullanrechnung für Marktstörungsfazilitäten gestrichen und die laufzeitbezogene Unterscheidung der Höhe der anzusetzenden Konversionsfaktoren für die typischerweise im Conduit-Zusammenhang vergebenen Verbriefungs-Liquiditätsfazilitäten beseitigt. Bei der für die Großkreditbetrachtung bedeutsamen Zusammenfassung von Kreditnehmern wurde der Kreis der Zusammenfassungstatbestände erweitert. So können bereits einseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten ebenso zur Bildung einer Risikoeinheit führen, wie die wirtschaftliche Abhängigkeit von einer gemeinsamen Refinanzierungsquelle. Die betrifft insbesondere auch Zweckgesellschaften oder Conduit-Strukturen. Die vom Committee of European Banking Supervisors (CEBS) veröffentlichten Leitlinien zur Bankenrichtlinie stellen nunmehr klar, dass ein Liquidität bereitstellendes Institut sämtliche Conduits, die von derselben Hauptrefinanzierungsquelle abhängig sind, zu einem einzigen Kreditnehmer zusammenzufassen hat. Die BaFin wird demnächst ein Rundschreiben veröffentlichen, in dem die Verwaltungspraxis zu diesen CEBS-Guidelines erläutert wird.

Handelsrechtlich sind seit Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes am 29. Mai 2009 zudem Zweckgesellschaften gemäß § 290 Absatz 2 Nummer 4 HGB in den bilanziellen Konsolidierungskreis des Unternehmens einzubeziehen, das nach wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrheit der Risiken und/oder Chancen der Zweckgesellschaft trägt.

Für die erfragten Detailinformationen gilt das in der Vorbemerkung der Bundesregierung erläuterte Geheimhaltungsinteresse bezüglich der Kontrollintensität der Bankenaufsicht im Hinblick auf einzelne Institute, da auch hier bereits hieraus ein irreversibler Vertrauensverlust in das jeweilige Institut mit entsprechender Reaktion des Marktes, insbesondere seiner Gläubiger, entstehen kann. Bei der Frage nach der Behandlung außerbilanzieller Conduits ist daher auch zu berücksichtigen, dass die in der Vergangenheit abgeschlossenen Geschäfte bis heute Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Institute haben.

Nach sorgfältiger Abwägung mit den Informationsrechten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages kann in der Sache daher keine Auskunft in der für Kleine Anfragen nach § 104 i. V. m. § 75 Absatz 3 und § 76 Absatz 1 der GO-BT vorgesehenen, zur Veröffentlichung in einer Bundestagsdrucksache bestimmten Weise erfolgen. Die Antwort wird deshalb eingestuft in der Geheimschutzstelle des Bundestages zur Verfügung gestellt."

44

Auf Frage 11 betreffend die HSH Nordbank führte die Antragsgegnerin unter Verweis auf die Vorbemerkung aus:

"Für die erfragten Detailinformationen gilt das in der Vorbemerkung der Bundesregierung erläuterte Geheimhaltungsinteresse bezüglich bankenaufsichtlicher Maßnahmen, da unabhängig vom Anlass der Maßnahme bereits hieraus ein irreversibler Vertrauensverlust in das jeweilige Institut mit entsprechender Reaktion des Marktes, insbesondere seiner Gläubiger, entstehen kann. Dies gilt insbesondere für Fragen nach der Ausrichtung der internen Kontrollen und der Risikosteuerung von Kreditinstituten. Nach sorgfältiger Abwägung mit den Informationsrechten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages kann in der Sache daher keine Auskunft in der für Kleine Anfragen nach § 104 i. V. m. § 75 Absatz 3 und § 76 Absatz 1 GO-BT vorgesehenen, zur Veröffentlichung in einer Bundestagsdrucksache bestimmten Weise erfolgen. Die Antwort wird deshalb eingestuft in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zur Verfügung gestellt."

45

Die Antwort auf Frage 14 zur Zwölf-Felder-Matrix wurde als Verschlusssache VS-Vertraulich eingestuft und in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt. Im Schreiben vom 25. Januar 2011 wurde hierzu ausgeführt:

"Die Antwort wird eingestuft in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zur Verfügung gestellt. Das Geheimhaltungsinteresse ergibt sich daraus, dass der Matrixeintrag aus der Zusammenschau unterschiedlichen Faktoren entsteht, und aus dem Ergebnis keine Schlüsse auf einen einzelnen Faktor (etwa Liquiditätsrisiko) gezogen werden dürfen, aber genau dies seitens des Marktes zu befürchten ist. Zudem können durch den Vergleich der Einstufung verschiedener Institute durch die Bankenaufsicht negative Marktreaktionen noch verstärkt werden.

Nach sorgfältiger Abwägung mit den Informationsrechten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages kann in der Sache daher keine Auskunft in der für Kleine Anfragen nach § 104 i. V. m. § 75 Absatz 3 und § 76 Absatz 1 GO-BT vorgesehenen, zur Veröffentlichung in einer Bundestagsdrucksache bestimmten Weise erfolgen."

46

Frage 18 über Gehalts- und Bonuszahlungen von mehr als 500.000 Euro jährlich beantwortete die Antragsgegnerin wie folgt:

"Informationen betreffend die Vertragsgestaltung zwischen den aus dem Bankenrettungsfonds SoFFin unterstützten Finanzinstituten und ihren Beschäftigten sind, auch wenn sie Mitarbeitern der Bundesregierung z. B. im Rahmen der Aufsichtsratstätigkeit bekannt werden, vertraulich zu behandeln. Eine Äußerung des Bundesministeriums der Finanzen gegenüber Dritten zu Einzelheiten der Vertragsgestaltung bzw. der Aufsichtsratstätigkeit ist nicht zulässig, § 116 Satz 2 des Aktiengesetzes. Dies gilt ebenso für Informationen, die der Bundesregierung durch die Tätigkeit der Finanzmarktstabilisierungsanstalt bekannt werden, § 3b des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes. Diese Verschwiegenheitspflichten sind notwendiges Korrelat zur Pflicht der Geschäftsleitung, dem Aufsichtsrat, aber auch den Mitarbeitern des Finanzmarktstabilisierungsfonds, in Gesellschaftsangelegenheiten in voller Offenheit zu begegnen. Diese Offenheit ist für das gesetzlich vorgegebene Zusammenwirken der Unternehmensorgane, aber auch im Rahmen der Finanzmarktstabilisierung, unverzichtbar und letztlich Ausfluss der grundgesetzlich verbürgten Berufs-, Eigentums- und Unternehmensfreiheit, Artikel 12 Absatz 1, Artikel 14 Absatz 1 GG. Das Bekanntwerden der geforderten Informationen würde den betroffenen Unternehmen, die unverändert im Wettbewerb bestehen müssen, einen erheblichen Nachteil beibringen, da Vertragskonditionen von Mitbewerbern am Markt leicht unter- bzw. überboten werden können.

Daher kann in der Sache keine Auskunft in der für Kleine Anfragen nach § 104 i. V. m. § 75 Absatz 3 und § 76 Absatz 1 GO-BT vorgesehenen, zur Veröffentlichung in einer Bundestagsdrucksache bestimmten Weise erfolgen. Die Antwort wird deshalb eingestuft in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zur Verfügung gestellt."

III.

47

Mit ihrem am 18. März 2011 eingegangenen Antrag haben die Antragsteller zu 1. bis 4. und die Antragstellerin zu 5. ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitet. Sie begehren die Feststellung, dass die Antragsgegnerin die von ihnen erbetenen Auskünfte unter Berufung auf verfassungsrechtlich nicht tragfähige Erwägungen verweigert oder nur unzureichend beantwortet und sie sowie den Deutschen Bundestag in den Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt hat. Darüber hinaus begehren sie, die Bundesregierung zu verpflichten, die erbetenen Auskünfte zu erteilen.

IV.

48

1. In tatsächlicher Hinsicht bestreiten die Antragsteller, dass die vollständige Beantwortung ihrer finanzmarktbezogenen Fragen die Funktionsfähigkeit der Bankenaufsicht gefährden könne. Im Gegenteil dürfte die Funktionsfähigkeit einer Behörde durch öffentliche Beobachtung eher befördert als geschmälert werden. Auch die von der Antragsgegnerin angeführten "irreversiblen Vertrauensverluste" seien nicht zu befürchten. Die Vorgänge lägen zum Teil bereits Jahre zurück und es sei allgemein bekannt, dass sämtliche Banken, für die Informationen erfragt worden seien, mit Staatshilfen gerettet worden seien. Dass die Veröffentlichung der Kontrollpraxis der BaFin im Jahre 2008 bei spezifischen Banken geeignet sein solle, die Bankenkrise zu verstetigen und zu verschärfen, sei nicht nachvollziehbar. Entsprechendes gelte für das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Finanzmärkte.

49

In der mündlichen Verhandlung haben die Antragsteller auf eine extensive Praxis der Einstufung als Verschlusssache durch die Antragsgegnerin hingewiesen. Diese hinterlege zunehmend Informationen nur eingestuft in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages. Dies stelle keine Erfüllung des parlamentarischen Frage- und Informationsrechts dar, sondern ein aliud. Zwar sei ein Erkenntnisgewinn bei nicht öffentlichen Antworten nicht zu verneinen, das politische Gewicht der öffentlichen Information überwiege aber.

50

2. Die Antragsteller sehen ihre Anträge als zulässig an.

51

a) Die Antragsteller seien antragsbefugt. Die Antragsteller zu 1. bis 4. verteidigten eigene Rechte als Bundestagsabgeordnete, während die Antragstellerin zu 5. als Fraktion sowohl eigene als auch - in zulässiger Prozessstandschaft - Rechte des Deutschen Bundestages geltend machen könne. Die Antragsgegnerin habe die Fragen der Antragsteller entweder nicht, nicht vollständig oder nicht öffentlich beantwortet, wobei im letztgenannten Fall der Geheimnisschutz überspannt beziehungsweise die Geheimhaltungsbedürftigkeit unzureichend begründet werde.

52

b) Die in den Hauptanträgen formulierten Leistungsbegehren seien zulässig. Soweit es um das Verpflichtungsbegehren gehe, sei in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt, dass in besonders gelagerten Konstellationen auch im Organstreitverfahren ein Verpflichtungsurteil erlassen werden könne. Ein solcher Fall liege vor. In dem Entscheidungsausspruch müsse ausdrücklich die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Beantwortung ihrer Fragen aufgenommen werden, weil dies zur effektiven Durchsetzung ihrer verfassungsrechtlichen Rechte erforderlich sei. Die Unzulänglichkeit eines Feststellungstenors habe sich im Nachgang zum eine Kleine Anfrage zur geheimdienstlichen Informationsbeschaffung, -speicherung und -weitergabe über Abgeordnete betreffenden Verfahren (BVerfGE 124, 161) gezeigt. Obgleich das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 1. Juli 2009 festgestellt habe, dass die Antragsgegnerin Auskünfte unter Berufung auf verfassungsrechtlich nicht tragfähige Erwägungen verweigert habe, sei die Frage nur zögerlich und lückenhaft beantwortet worden. Insbesondere sei die Antwort trotz mehrfacher Aufforderung erst Ende Oktober 2009 und damit nach den Wahlen zum Deutschen Bundestag erfolgt. Angesichts der Dauer eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens würde die Möglichkeit einer gerichtlichen Beanstandung der unzureichenden Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Feststellung dem politischen Interesse an einer zeitnahen Antwort nicht gerecht werden.

53

c) Den Antragstellern fehle es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis.

54

Das Rechtsschutzbedürfnis entfalle nicht deshalb, weil die Antragsgegnerin nach öffentlicher Berichterstattung über die Absicht der Antragsteller, ein Organstreitverfahren einzuleiten, ergänzende Erläuterungen übersandt beziehungsweise die Herabstufung einer Antwort von "geheim" auf "VS-Vertraulich" vorgenommen habe. Denn in der Antwortpraxis der Antragsgegnerin komme nach wie vor eine gefestigte Rechtsüberzeugung zum Ausdruck, die nach Auffassung der Antragsteller unzutreffend sei. Zur Klärung dieser Kontroverse bedürfe es einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

55

Auch das Ausscheiden des Antragstellers zu 4. aus dem Deutschen Bundestag lasse sein Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen. Das Verfassungsprozessrecht kenne das Erfordernis einer Wiederholungsgefahr nicht, wie sich auch aus der Senatsrechtsprechung ergebe. In der mündlichen Verhandlung stützten sich die Antragsteller zudem auf das Argument einer Rechtsnachfolge und damit des fortbestehenden Feststellungsinteresses anderer Abgeordneter der Fraktion.

56

3. Zur Begründetheit führen die Antragsteller an, aus Art. 38 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folge ein Recht des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten auf erschöpfende und öffentliche Beantwortung parlamentarischer Anfragen, soweit keine Belange von Verfassungsrang entgegenstünden.

57

Das parlamentarische Frage- und Informationsrecht diene in der parlamentarischen Demokratie nicht allein der Kontrolle des Verhaltens von Regierung und nachgeordneten Stellen der unmittelbaren Staatsverwaltung, sondern auch der Vorbereitung verbesserter Gesetzgebung. Ohne Informationen über das Verhalten mittelbarer Staatsverwaltung und sonstiger Erscheinungsformen staatlichen Handelns könne das Parlament nicht entscheiden, ob es diese Organisationsform beibehalten oder verändern solle.

58

a) Vorbehaltlich entgegenstehender Gründe habe die Regierung verfügbares Wissen mitzuteilen oder sich die angefragten Informationen zu beschaffen, soweit sich bei den Fragen ein Bezug zum Verantwortungsbereich der Regierung ergebe. Ein solcher Bezug sei insbesondere auch bei der Ausübung von Aufsichtstätigkeit gegeben.

59

aa) Zum Verantwortungsbereich der Regierung zähle die Tätigkeit nachgeordneter Behörden sowohl hoheitlicher als auch nicht hoheitlicher Art. Die Auskunftspflicht werde dabei nicht durch die Reichweite der aufsichtsbehördlichen Befugnisse gegenüber Dritten begrenzt, sondern erstrecke sich auf das gesamte aktuelle Wissen der Behörde sowie auf dasjenige potentielle Wissen, das aufgrund bestehender Auskunftsrechte von Dritten zu erfragen sei. Zur Ausübung solcher Auskunftsrechte sei die Regierung gegenüber den Fragestellern verpflichtet.

60

bb) Entsende die Bundesregierung Vertreter in Unternehmensorgane privater Unternehmen, unterfielen deren Entscheidungen vollumfänglich der Auskunftspflicht, nicht aber die Meinungsbildung im Gremium oder die Umsetzung etwaiger Beschlüsse durch die Geschäftsführung. Wenn den Vertretern gesellschaftsrechtliche Auskunftsrechte zustünden, seien sie verpflichtet, diese Rechte zum Zwecke der Beantwortung einer parlamentarischen Frage auszuüben.

61

Hinsichtlich der Geschäftstätigkeit privatrechtlicher Unternehmen mit Bundesbeteiligung sei zwischen Eigengesellschaften und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen zu unterscheiden.

62

Befinde sich die fragliche Gesellschaft vollständig im Eigentum des Bundes, erstrecke sich das parlamentarische Frage- und Informationsrecht auf die gesamte Geschäftstätigkeit. Insbesondere stehe bei Aktiengesellschaften auch die aus § 119 AktG fließende Befugnis des Vorstandes, die Geschäfte ohne Bindung an Weisungen der Aktionäre zu leiten, der Zurechnung nicht entgegen. Denn die Personalkompetenz des Aufsichtsrates sichere dem Alleineigentümer Bund einen umfassenden - wenn auch indirekten - Einfluss auf den Vorstand. Damit sei die Bundesregierung auch nicht darauf beschränkt, sich Informationen über Vertreter im Aufsichtsrat zu beschaffen.

63

Bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, an denen der Bund neben privaten Anteilseignern beteiligt sei, hänge die Zurechenbarkeit zum Verantwortungsbereich der Regierung davon ab, welche Möglichkeiten der Einflussnahme ihr eröffnet seien. Stelle man auf das Merkmal der Beherrschung des Unternehmens durch den Bund ab und lege zur näheren Konkretisierung das aktienrechtliche Verständnis des § 17 AktG zu Grunde, komme es darauf an, ob der Bund in der Lage sei, die Geschäfte des Unternehmens zu bestimmen. Dieser Einfluss sei regelmäßig bei Mehrheitsbesitz gegeben, könne aber auch in anderen Herrschaftsmitteln begründet sein. Falls umgekehrt weder Weisungsrechte bestünden, noch der Bund mangels Mehrheitsbeteiligung indirekt über die Wahl des Aufsichtsrats auf die Besetzung des Vorstandes und damit dessen Verhalten einwirken könne, scheide eine Zurechnung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens zum Verantwortungsbereich der Regierung aus. In diesem Fall beziehe sich die Auskunftspflicht (allein) auf diejenigen Informationen, über die die Regierung aufgrund der Minderheitenbeteiligung verfüge, sowie auf die Beweggründe für die Investition selbst.

64

b) Der Auskunft stehe nicht entgegen, dass es an einer einfachrechtlichen Rechtsgrundlage für die Informationsweitergabe an den Bundestag fehle. Gegen die gesetzliche Ausgestaltung der Informationsbeziehungen zwischen Bundesregierung und Bundestag spreche, dass das Verhältnis zweier Verfassungsorgane nicht den Standards grundrechtlicher Eingriffsvorbehalte unterfalle, weil andernfalls ein den demokratischen Prozess im parlamentarischen Regierungssystem konstituierender Willensbildungsprozess nicht möglich wäre.

65

c) Von Verfassungs wegen habe die Antwort auf parlamentarische Fragen öffentlich zu erfolgen. Die Hinterlegung einer Antwort als Verschlusssache bewirke einen Eingriff in den Prozess demokratischer Meinungsbildung, da es den Abgeordneten verwehrt sei, die erfragten Informationen in den demokratischen Meinungsbildungsprozess zu überspielen. Praktisch handele es sich deshalb weiterhin um privates Wissen, an das kein politisches Handeln anschließen könne. Diese schwerwiegende Beeinträchtigung des Fragerechts bedürfe einer spezifischen Rechtfertigung von Verfassungsrang, die in jedem Einzelfall dargelegt werden müsse.

66

d) Die Verweigerung der (öffentlichen) Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen könne nicht unter Verweis auf den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gerechtfertigt werden.

67

aa) Dabei sei in den vorliegenden Fallkonstellationen zu beachten, dass nicht Persönlichkeitsrechte von Individuen, sondern allein Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse wirtschaftlicher Unternehmen in Rede stünden. Diese seien verfassungsrechtlich nur geschützt, wenn die Unternehmen grundrechtsfähig seien und die angefragten Informationen in den Schutzbereich eines Grundrechts fielen. Während ein lediglich teilweises Halten von Anteilen durch den Bund die Grundrechtsfähigkeit grundsätzlich unberührt lasse, fehle sie der Deutschen Bahn AG und der Hypo Real Estate Holding AG (HRE) deshalb, weil diese zu 100 % im Eigentum des Bundes stünden.

68

bb) Der Konflikt zwischen den Grundrechten der von der begehrten Auskunft mittelbar Betroffenen und dem verfassungsrechtlichen Auskunftsanspruch des Deutschen Bundestages sei im Wege der praktischen Konkordanz zu bewältigen. Die Bundesregierung könne die Antwort auf eine parlamentarische Frage verweigern, wenn die Informationsweitergabe unverhältnismäßig sei.

69

Aus der Herleitung des Schutzes der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse aus Art. 12 GG folge, dass die geheim zu haltenden Informationen einen spezifischen Wettbewerbsbezug aufweisen, also vor Konkurrenten verborgen werden müssten. Es komme entscheidend auf die Marktverhältnisse und die Wettbewerbsbedingungen an. So müssten für die betroffenen Kreditinstitute, die einen besonders sensiblen Markt bedienten, andere Maßstäbe gelten als für die Deutsche Bahn AG. Auch sei es in besonderem Maße begründungsbedürftig, die Auskunft hinsichtlich vergangener und abgeschlossener Sachverhalte mit Verweis auf den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu verweigern. Keinesfalls dürften ganze Branchen pauschal vom parlamentarischen Informationsrecht ausgenommen werden, wie es die Antragsgegnerin mit Bezug auf die Kreditinstitute getan habe.

70

Als weiteres Kriterium müsse berücksichtigt werden, in welchem Umfang die Unternehmen staatliche Hilfen in Anspruch nähmen. Hierdurch bewegten sie sich aus der Sphäre des Wettbewerbs hinaus, dem sie gerade nicht standhalten könnten, und lehnten sich an den Staat an, dessen Handeln in weitergehendem Maße Gegenstand öffentlicher Erörterung sein müsse. So sei etwa im Sozialrecht anerkannt, dass sich die Empfänger staatlicher Leistungen staatlicher Kontrolle unterwerfen müssten, die ihre Berufsfreiheit stärker als sonst beschränke. Unhaltbar sei die Auffassung, wonach die Inanspruchnahme staatlicher Hilfen das grundrechtliche Schutzbedürfnis erhöhe. Dies wäre eine ungerechtfertigte Benachteiligung solcher Institute, die staatliche Hilfen nicht in Anspruch nehmen müssten.

71

cc) Weiterhin sei zu beachten, dass das verfassungsunmittelbare parlamentarische Informationsrecht zwar nicht durch Gesetz modifiziert werden könne. Gleichwohl könne sich die Bundesregierung aufgrund der aus Art. 20 Abs. 3 GG resultierenden Bindung an die geltenden Gesetze nicht unter Verweis auf den Vorrang der Verfassung von einfachrechtlichen Vorgaben lösen. Darüber hinaus könne sich die gesetzliche Regelung als hinreichend bestimmter Ausgleich mit kollidierenden verfassungsrechtlich geschützten politischen Prioritäten erweisen.

72

Die von der Antragsgegnerin bemühten aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflichten stünden demgegenüber einer öffentlichen Beantwortung der Fragen - zumindest in den streitgegenständlichen Fällen - nicht entgegen.

73

Die von der Bundesregierung in den Aufsichtsrat entsandten Vertreter seien aktienrechtlich über alle Belange der Gesellschaft zu informieren (§ 111 AktG) und, gleich ob Beamte oder im Übrigen weisungsfreie externe Sachverständige, hierüber der Bundesregierung berichtspflichtig. Dies folge unmittelbar aus der Verfassung, darüber hinaus auch aus der Prüfungspflicht nach § 53 Abs. 1 Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (Haushaltsgrundsätzegesetz - HGrG).

74

Gemäß § 394 Satz 1 AktG seien Berichte dieser Aufsichtsratsmitglieder von der Verschwiegenheitspflicht grundsätzlich ausgenommen, wobei mit Rücksicht auf das verfassungsrechtliche Informationsrecht nicht nur die Informationsweitergabe an die Regierung, sondern auch die an das Parlament zulässig sei. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse seien gemäß § 394 Satz 2 AktG durch das Aufsichtsratsmitglied nur zu offenbaren, wenn die Offenbarung nach dem Inhalt der parlamentarischen Anfrage erforderlich und das Auskunftsbegehren von einem objektiven öffentlichen Interesse getragen sei. Werde die Weitergabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vom Informationsinteresse gedeckt, sei es gemäß § 395 AktG Aufgabe des Bundes, die erforderliche Geheimhaltung sicherzustellen.

75

Der in §§ 394, 395 AktG geregelte Bericht des entsandten Aufsichtsratsmitglieds sei keineswegs die einzige Informationsquelle für die Bundesregierung. Vielmehr obliege es gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG dem Vorstand, auf Anfrage über die Offenbarung eines Unternehmensinternums zu entscheiden. Diese Entscheidung habe der Vorstand allein am Interesse der Gesellschaft auszurichten. Bei einer Beteiligung der öffentlichen Hand flössen die öffentlichen Interessen als Ausdruck des Anteilseignerinteresses in das Unternehmensinteresse ein. Halte der Bund an der fraglichen Gesellschaft alle Anteile, entsprächen die Anteilseignerinteressen im Prinzip den Interessen der Öffentlichkeit. Es sei dem Vorstand daher grundsätzlich erlaubt, Interna an den staatlichen Alleinaktionär weiterzugeben. Beziehe sich die Frage hingegen auf ein Unternehmen, an dem der Bund neben Privaten beteiligt sei, müsse der Vorstand deren Interessen berücksichtigen. Nur wenn private Aktionäre zusammen weniger als 5% des Grundkapitals hielten und sie deshalb gemäß §§ 327a ff. AktG auch ausgeschlossen werden könnten, weil ihnen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine verfassungsrechtlich geschützten Gestaltungsinteressen an der Gesellschaft zukämen, stünden ihre Interessen einer Informationsweitergabe an das Parlament nicht entgegen.

76

Auch aus § 9 KWG ergebe sich keine Verschwiegenheitspflicht, die die von der Antragsgegnerin angenommene pauschale Begrenzung der Antwortpflicht rechtfertige. So erfasse die Verschwiegenheitspflicht nur solche Informationen, die aus dem öffentlich-rechtlichen Aufsichtsverhältnis gewonnen würden, nicht aber solche, über die der Staat als Anteilseigner verfüge. § 9 KWG sehe zudem ausdrücklich eine Ausnahme für gesetzliche Offenbarungspflichten vor, zu denen auch der verfassungsrechtliche Informationsanspruch des Bundestages zähle.

77

Die Reichweite der berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht der Wirtschaftsprüfer gemäß § 43 Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung - WiPrO) sei gerade bei Kollision mit anderen gesetzlichen Pflichten umstritten. Wiederum sei die Auslegung der einfachrechtlichen Regelung auf die Ebene des Verfassungsrechts gehoben.

78

Auch § 3b FMStFG rechtfertige keine pauschale Antwortverweigerung. Die Norm stehe nicht nur unter dem Vorbehalt vorrangigen Verfassungsrechts, sondern belasse auch hinreichende Spielräume für eine angemessene Antwortpraxis. So sei nur die unbefugte Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen untersagt, weshalb sich im Einzelfall aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Befugnis zur Informationsweitergabe begründen lasse. Schließlich zeige § 3b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FMStFG, dass Informationen an die Aufsichtsbehörden und damit in den Verantwortungsbereich der Bundesregierung gelangen könnten. Die Weitergabe von dort sei zulässig, wenn keine anderen verfassungsrechtlichen Belange entgegenstünden.

79

dd) Die Antragsgegnerin könne sich nicht auf vertraglich begründete Verschwiegenheitspflichten berufen. Die Regierung könne verfassungsrechtlich oder einfachgesetzlich bestehende Auskunftspflichten nicht beliebig abbedingen. Allerdings könne eine vertragliche Verschwiegenheitsverpflichtung den Anspruch auf Schutz der Geschäftsgeheimnisse konkretisieren. Ausnahmsweise könne bei Vorliegen einer spezifischen Rechtfertigung im Einzelfall die Möglichkeit von Wettbewerbsnachteilen und Schadensersatzpflichten die Reichweite der Antwortpflicht mitbestimmen. Den Privaten müsse jedoch bewusst sein, dass ihre vertraglichen Beziehungen wegen der besonderen Stellung ihres Vertragspartners besonderen Publizitätsanforderungen unterlägen.

80

e) Soweit sich parlamentarische Fragen auf die Deutsche Bahn AG bezögen, müsse dem Umstand Rechnung getragen werden, dass diese im Alleineigentum des Bundes stehe.

81

So verfüge die Antragsgegnerin durchaus über die angefragten Informationen, weil diese entweder den von ihr entsandten Aufsichtsratsmitgliedern, unter anderem beamteten Staatssekretären verschiedener Ministerien, bekannt seien oder von ihr auf dem aktienrechtlich vorgesehenen Wege beschafft werden könnten. Überdies unterstehe die Deutsche Bahn AG der Aufsicht verschiedener Bundesbehörden.

82

Aktienrechtlich seien die Vertreter im Aufsichtsrat berechtigt, unbeschränkt zu berichten. Selbst wenn Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betroffen wären, hätte dies nur zur Konsequenz, dass im Folgenden der Deutsche Bundestag zur Geheimhaltung verpflichtet sei.

83

Als zu 100 % im Alleineigentum des Bundes stehende Gesellschaft sei die Deutsche Bahn AG nach den allgemeinen Grundrechtslehren vermittels Art. 1 Abs. 3 GG grundrechtsverpflichtet und könne daher nicht zugleich am grundrechtlichen Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse teilhaben. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits festgestellt, dass Unternehmen im Alleineigentum des Staates selbst grundrechtsverpflichtet seien.

84

Die Grundrechtsfähigkeit folge auch nicht aus dem Gebot formeller Privatisierung in Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG. Der Norm sei allein zu entnehmen, dass die Deutsche Bahn AG in privatrechtlicher Form geführt werde und sich der Bund der Formen des Privatrechts bedienen müsse, um seinen Einfluss auf die Gesellschaft geltend zu machen. Der Wortlaut des Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG rechtfertige daher - anders als in der Literatur teilweise vertreten - keine unterschiedliche Behandlung der Deutschen Bahn AG im Vergleich zu anderen Eigengesellschaften des Staates. Bei dem jetzigen Stand der Bahnprivatisierung könne aus Art. 87e GG keine Schranke für das parlamentarische Informationsrecht hergeleitet werden. Denn gemäß Art. 87e Abs. 4 GG treffe den Bund weiterhin die Gewährleistungsverantwortung für die Schieneninfrastruktur, die ihrerseits Gegenstand parlamentarischer Kontrolle sein müsse. Weil es im Bereich der Deutschen Bahn AG keine strikte organisatorische Trennung zwischen Netz und Betrieb gebe, könne zwischen beiden Bereichen nicht trennscharf unterschieden werden, insbesondere sei eine Querfinanzierung möglich.

85

f) Bei Anwendung dieser Maßstäbe ergebe sich für die streitgegenständlichen Fragen, dass diese zu Unrecht nicht beantwortet worden seien.

86

aa) Hinsichtlich der Kleinen Anfrage "Fulda-Runden der Deutschen Bahn AG und Finanzierungsvereinbarungen zu Bedarfsplanprojekten" habe die Antragsgegnerin die Fragen zu den "Fulda-Runden" nicht hinreichend beantwortet. Sie habe die Frage wegen angeblich abweichender Entscheidungsstrukturen, die den Antragstellern unbekannt seien, "ins Leere laufen lassen". Die tatsächlich zur Verfügung stehenden Informationen habe sie nicht unter Verweis auf eine "faktische Unmöglichkeit" verweigern dürfen, weil sie verfassungsrechtlich verpflichtet sei, die erfragten Informationen zu beschaffen. Auch stünden die angeführten aktienrechtlichen Vorgaben einer Antwort nicht entgegen, da das Aktienrecht bei bedeutenden Gegenständen wie den hier erfragten faktisch bindenden Vorentscheidungen mit zentraler Bedeutung für die Verkehrswegeplanung keine Beschränkung der Antwortpflicht bewirke.

87

bb) Ziel der Kleinen Anfrage "Wirtschaftlichkeitsberechnung für Stuttgart 21" sei es gewesen, die Gesamtwirtschaftlichkeit des Projekts zu kontrollieren, an dem der Bund (rund 1,2 Mrd. Euro) beziehungsweise über die Deutsche Bahn AG das Bundesvermögen (rund 1,5 Mrd. Euro) einen hohen Anteil trage und bei dem es zu erheblichen Baukostensteigerungen gekommen sei. Eine Aufklärung in den parlamentarischen Ausschüssen sei gescheitert, weil jede Einsichtnahme in die Wirtschaftlichkeitsberechnung verweigert worden sei. Die Antwortverweigerung der Antragsgegnerin sei ohne hinreichend substantiierte Darlegung konkreter verfassungsrechtlicher Belange erfolgt.

88

cc) Die Beantwortung der Kleinen Anfrage "Zugverspätungen" habe die Antragsgegnerin unter Verweis auf fehlende Informationen zu Unrecht verweigert. Die Antragsgegnerin sei aktienrechtlich befugt, sich die erfragten Informationen zu beschaffen und an die Fragesteller weiterzuleiten. Der Verweis auf die Beschlüsse des Bundestagsausschusses zur Abgrenzung der Verantwortungsbereiche sei unbehelflich, weil verfassungsrechtlich unbeachtlich. Überdies falle die in Rede stehende Bedarfsplanung auch nach diesen Kriterien in den Bereich der Regierung.

89

dd) Bei der Beantwortung der Schriftlichen Fragen des Antragstellers zu 1. zur IKB/Finanzmarktaufsicht (Antrag zu 1.) bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse an der Kenntnis des beim Verkauf der IKB erzielten Preises, um den Einsatz öffentlicher Mittel und das Vorgehen einer (haushalterischen) Kontrolle unterziehen zu können. Jedenfalls habe die Antragsgegnerin keine hinreichende Begründung dafür geliefert, warum die Fragen nicht öffentlich beantwortet werden könnten. Der pauschale Hinweis auf das Bestehen vertraglicher Abreden genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen ebenso wenig wie derjenige auf die erfolgte nicht öffentliche Auslegung beziehungsweise vertrauliche Berichterstattung. Der Verweis auf die Möglichkeit, einen Beschluss des Deutschen Bundestages herbeizuführen, verkenne schließlich die Bedeutung des Auskunftsrechts als Minderheitenrecht.

90

ee) Die Kleine Anfrage zur Ausübung parlamentarischer Kontrollrechte im Bereich Finanzmarkt (Antrag zu 2.) diene dazu, zum einen mögliche Missstände und normative Defizite im Bereich der Finanzmarktaufsicht und der Wirtschaftsprüfung (Frage 8) aufzuzeigen, und zum anderen, mögliche Fehler in der Finanzmarktaufsicht und die Verantwortlichkeit hierfür aufzudecken. Die Frage nach der Risikoklassifizierung der unterstützten Finanzinstitute vor der Krise (Frage 14) ziele darauf, mögliche Defizite offen zu legen, zumal dieses Instrument nach wie vor genutzt werde. An der Kenntnis der Gehälter des mittleren Managements bestehe ein öffentliches Interesse, weil nur so die Verwendung öffentlicher Mittel einer politischen Beurteilung unterzogen werden könne. Die entsprechende Frage 18 sei anonymisiert formuliert worden, um die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen nicht zu berühren. Als mittelbar vom Bund Alimentierte müssten diese es sich gefallen lassen, dass die Höhe der Gehälter - wie bei Beamten - öffentlich bekannt sei. Im Übrigen sei die Kenntnis dieser Informationen erforderlich, um überprüfen zu können, ob die getroffenen Maßnahmen ausreichten und die Anforderungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 FMStFG in Verbindung mit § 5 Abs. 2 FMStFV eingehalten würden.

V.

91

1. Die Antragsgegnerin trägt in tatsächlicher Hinsicht zur Fortdauer der Finanzkrise bis 2012 vor. Dieses Fortdauern zeige sich zunächst an der Nutzung der Einlagenfazilität der Europäischen Zentralbank. Liehen Banken überschüssige Liquidität nicht gewinnbringend anderen Banken, sondern legten sie stattdessen bei der Europäischen Zentralbank an, so deute dies darauf hin, dass sie einen Verlust ihrer Anlage befürchteten, mithin an der Solvenz der Mehrheit des Bankensektors zweifelten. Vor der Finanzkrise seien die EZB-Einlagen im Durchschnitt nicht höher gewesen als 10 Millionen Euro. Am Jahresende 2007 hätten sie bei 1,9 Milliarden Euro gelegen, Ende 2008 bei 250 Milliarden Euro, Ende 2009 bei 174 Milliarden Euro, Ende 2010 bei 89 Milliarden Euro, Ende 2011 bei 413 Milliarden Euro. Am 9. Mai 2012 habe der Wert bei 823 Milliarden Euro gelegen. Zweitens zeige sich die gesteigerte Risikobewertung an den Prämien für Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps). Der Preis für die Versicherung gegen den Ausfall einer Forderung von 1 Millionen Euro für einen Zeitraum von fünf Jahren habe am Interbankenmarkt am Jahresende 2006 noch 629 Euro betragen, Ende 2007 seien es 4.000 Euro gewesen, Ende 2009 rund 7.000 Euro, Ende 2010 knapp 15.000 Euro, Ende 2011 deutlich über 27.000 Euro und am 9. Mai 2012 habe der Wert bei 26.547 Euro gelegen. Schließlich sei die erhöhte Risikoeinschätzung auch an den Zinsunterschieden bei Staatsanleihen im Euro-Raum abzulesen.

92

2. Die Antragsgegnerin hält die Anträge für nur teilweise zulässig.

93

a) Die Anträge seien teilweise unsubstantiiert, so dass es an einer plausiblen Darlegung einer Rechtsverletzung fehle. Zum Antrag zu 3. hätten die Antragsteller keine konkreten Bezüge zwischen Fragen und Antwortbegründung hergestellt und es versäumt, sich substantiiert mit den darin vorgebrachten Argumenten auseinanderzusetzen. Hinsichtlich der Kleinen Anfrage zu den "Fulda-Runden" hätten sie sich nicht dazu verhalten, dass die Informationen nicht nur nicht vorhanden, sondern auch die Beschaffung und kurzfristige Aufbereitung der Antworten unmöglich sowie die aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflichten zu beachten gewesen seien.

94

b) Die Anträge seien ferner insofern unzulässig, als sie auf einen Verpflichtungsausspruch gerichtet seien. Die Antragsgegnerin sei sich der verfassungsrechtlichen Verantwortung bewusst und stets bereit, das Informationsbedürfnis des Parlaments zu befriedigen, soweit gegenläufige Interessen nicht entgegenstünden. Diese Haltung zeige sich auch in den Schreiben der Parlamentarischen Staatssekretäre Mücke und Ferlemann, in denen diese die Positionen der Antragsgegnerin gegenüber dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Antragstellerin zu 5. Volker Beck ausführlich dargelegt hätten. Die Antwortpraxis im Nachgang zur Entscheidung BVerfGE 124, 161 sei, anders als von den Antragstellern behauptet, kein Beleg für die Unwilligkeit der Antragsgegnerin, ihren verfassungsrechtlichen Verpflichtungen umgehend nachzukommen. Die geschuldete Ergänzung der Antwort sei knapp drei Monate nach Bekanntgabe der Entscheidung erfolgt. Dieser Zeitraum entspreche dem Abstimmungsbedarf innerhalb der Regierung.

95

c) Mit Ausscheiden des Antragstellers zu 4. aus dem Deutschen Bundestag sei das Rechtsschutzbedürfnis für ihn entfallen, da sich die behauptete Rechtsverletzung in seiner Person nicht wiederholen werde und ein objektives Klarstellungsinteresse nicht bestehe.

96

3. Die Anträge seien unbegründet.

97

Die Antragsgegnerin sei nicht verpflichtet, Fragen nach unternehmensbezogenen Informationen, von denen sie als Gesellschafterin oder im Rahmen der Aufsicht Kenntnis erlangt habe, öffentlich zu beantworten. Die von ihr gemäß Art. 20 Abs. 3 GG zu beachtenden und im Übrigen auch verfassungsrechtlich unbedenklichen Regeln des Gesellschafts-, Aufsichts- und Regulierungsrechts stünden dem entgegen. Die Einstufung mancher Antworten als Verschlusssache entspreche der Parlament und Regierung gemeinsam obliegenden Gemeinwohlverantwortung, die vollständige Geheimhaltung anderer Antworten trage der Privatwirtschaftlichkeit betroffener Unternehmen Rechnung.

98

a) Die Antwortpflicht der Bundesregierung setze voraus, dass diese für den Gegenstand der Anfrage zumindest mittelbar verantwortlich zeichne. Weil das Interpellationsrecht allein die Kontrolle der Regierung durch das Parlament ermöglichen solle, sei dieses gegenständlich auf die in den Verantwortungsbereich der Regierung fallenden Vorgänge beschränkt. Nicht ausreichend zur Begründung einer Antwortpflicht sei folglich der Umstand, dass die erfragte Information von Bedeutung für die Gesetzgebung sein könne. Die Unterstützung des Deutschen Bundestages bei seiner Gesetzgebungstätigkeit sei nicht Aufgabe der Regierung und damit nicht Funktion des Frage- und Informationsrechts.

99

Demnach sei für die Reichweite des Frage- und Informationsrechts die Ausgestaltung der Beziehung zwischen Regierung und unmittelbar betroffener Stelle maßgeblich. Während die Regierung hinsichtlich eigenen Verhaltens ebenso wie desjenigen der unmittelbaren Staatsverwaltung voll verantwortlich sei, beschränke sich die Verantwortlichkeit für andere Stellen und private Unternehmen auf die gesetzlich eröffnete Einflussmöglichkeit. Dies habe zur Konsequenz, dass es für das Bestehen einer Antwortpflicht nicht ausreiche, dass die Regierung über die erfragten Informationen verfüge. Speziell mit Blick auf die Unternehmen, an denen der Bund beteiligt sei, beschränke sich das Frage- und Informationsrecht allein auf das Verhalten der Regierung und ihrer Vertreter im Aufsichtsrat. Wäre die Regierung verpflichtet, weitergehendes Wissen zu offenbaren oder zur Beantwortung der Frage von ihren gesellschaftsrechtlichen Informationsrechten Gebrauch zu machen, würde das Unternehmen Gegenstand der parlamentarischen Kontrolle, das Parlament so in den Aufsichtsrat integriert, Raum für exekutivisches Handeln genommen und würden Privatisierungsentscheidungen unterlaufen. Hinsichtlich der Deutschen Bahn AG bestünde zudem ein Widerspruch zur Wertentscheidung des Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG, die Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen zu führen.

100

Mit Blick auf die streitgegenständlichen Fragen unterfielen daher dem Verantwortungsbereich der Regierung zum einen die nachgeordneten Aufsichtsbehörden BaFin, die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) sowie die Eisenbahnaufsichtsbehörden und zum anderen der Finanzmarktstabilisierungsfonds als öffentliche Einrichtung des Bundes. Im Bereich der Unternehmen des Privatrechts mit Beteiligung des Bundes sei die Regierung (nur) für die Ausübung der gesellschaftsrechtlich bestehenden Einflussmöglichkeiten, insbesondere für das Verhalten in Hauptversammlung und Aufsichtsrat verantwortlich.

101

b) Bei Vorliegen gegenläufiger Geheimhaltungsinteressen sei eine nicht öffentliche Antwort der Regierung zulässig. Die Beeinträchtigung der Fragesteller durch eine nicht öffentliche Antwort sei weniger gravierend als von den Antragstellern dargestellt. Sie hindere nicht daran, die gewonnenen Erkenntnisse zu kommunizieren und politisch zu nutzen. Die parlamentarische Untersuchung von möglichen Fehlentwicklungen oder Kontrollversagen sei auch auf Basis von als vertraulich eingestuften Informationen möglich.

102

c) Der Informationsanspruch finde seine Grenzen im Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, dem Staatswohl sowie der Grundrechts- und Gesetzesbindung der Regierung.

103

aa) Die Finanzdienstleistungsaufsicht diene der Stabilität des Finanzmarktes und damit dem vom Bundesverfassungsgericht anerkannten "Interesse der Allgemeinheit an einer funktionsfähigen Gesamtwirtschaft".

104

Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben sei die BaFin zwar vom Gesetzgeber mit weitreichenden Ermittlungs-, Prüfungs- und Auskunftsrechten gegenüber den beaufsichtigten Instituten ausgestattet worden. Gleichwohl sei sie - weit mehr als andere Ordnungsbehörden - auf die freiwillige und bereitwillige Informationsweitergabe angewiesen. Die Kooperationsbereitschaft sei jedoch nur solange gegeben, wie die Institute Gewissheit darüber hätten, dass ihre Informationen nicht offengelegt würden. Ohne diese Kooperationsbereitschaft sei es nahezu unmöglich, problematische Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, weil Aktualität, Qualität und Umfang der zur Verfügung gestellten Informationen leiden würden. Diese Defizite könnten nicht durch den Einsatz der gesetzlichen Mittel ausgeglichen werden. Die Veröffentlichung der erfragten Informationen hätte unabsehbare Folgen für die Effektivität der Aufgabenwahrnehmung durch die Aufsichtsbehörde.

105

Zudem wäre die Stabilität des Finanzmarktes gefährdet, wenn Informationen "mangels Hintergrundkenntnis (…) missverstanden, aus Spekulationsgründen entkontextualisiert oder von Wettbewerbern und Marktteilnehmern zu sonstigen Zwecken instrumentalisiert" würden. Weil der Finanzmarkt besonders sensibel reagiere, sei die Solvenz der betroffenen Institute auch dann gefährdet, wenn objektiv kein Anlass bestehe, an deren Zahlungsfähigkeit zu zweifeln.

106

Diese Nachteile seien auch nicht mit Blick auf die große Bedeutung des parlamentarischen Informationsrechts hinzunehmen.

107

bb) Mit Blick auf die streitgegenständlichen Fragen sei die Geheimhaltungsbedürftigkeit (noch) nicht durch Zeitablauf entfallen.

108

Da für die Entscheidung der Regierung eine Vielzahl von Faktoren relevant sei, müsse dieser ein Einschätzungsspielraum hinsichtlich der Abgeschlossenheit des Sachverhalts und der Risikoträchtigkeit der Veröffentlichung, das heißt im konkreten Fall der Gegenwärtigkeit und Intensität der Finanzkrise sowie der Sensibilität der Informationen für den Finanzmarkt, zugebilligt werden. Die Annahmen der Regierung, die Finanzkrise und die Neigung der Finanzmärkte zur Überinterpretation hielten an, so dass die Gesamtwirtschaft leicht beeinträchtigt werden könne und es im Interesse der Öffentlichkeit liege, Anleger nicht weiter zu verunsichern, seien nicht zu beanstanden.

109

cc) Die Veröffentlichung von Informationen der Finanzdienstleistungsaufsicht beeinträchtige nicht nur den Zweck der Aufsicht, für Stabilität am Finanzmarkt zu sorgen, sondern sei überdies mit den Grundrechten der betroffenen Institute, namentlich Art. 12 und 14 GG, nicht vereinbar. Die bestehenden, weitgehenden Informations- und Aufsichtsrechte der Finanzdienstleistungsaufsicht seien mit diesen Grundrechten nur vereinbar, weil gemäß § 9 KWG die Verschwiegenheit der Kontrolleure einschließlich der vorgesetzten Stellen gesetzlich gesichert sei. Allenfalls eine nicht öffentliche Antwort unter Geltung der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages sei den Betroffenen zumutbar.

110

Müsste hingegen mit einer Veröffentlichung der Informationen infolge einer parlamentarischen Anfrage gerechnet werden, stiege die Eingriffsintensität der Maßnahmen der Finanzdienstleistungsaufsicht und machte diese häufig unverhältnismäßig. Grund hierfür sei die Gefahr überzogener Reaktionen der Marktteilnehmer bei der Veröffentlichung solcher Informationen, die (voreilige) Rückschlüsse auf die Verhältnisse der Institute zögen, weshalb ein ungerechtfertigter Vertrauensverlust eintreten könne.

111

Anders als die Antragsteller meinten, sei der Grundrechtsschutz der betroffenen Institute nicht dadurch geschmälert worden, dass diese staatliche Hilfen in Anspruch genommen hätten. Denn zum einen sei diesem Kriterium in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur unter den Voraussetzungen der Geheimhaltung oder bei Vorliegen einer besonderen "gemeinwirtschaftlichen Zielsetzung" ausschlaggebende Bedeutung beigemessen worden, zum anderen sei der Erfolg der staatlichen Unterstützung im Falle der Finanzkrise - anders als in anderen Zusammenhängen - gerade davon abhängig, dass keine umfassende Transparenz hergestellt werde. Insbesondere seien die Institute nicht durch die staatlichen Hilfen vor den geschilderten Reaktionen des Marktumfeldes abgeschirmt.

112

Überdies drohten im Falle der Finanzdienstleistungsaufsicht bei Veröffentlichung sachlicher, aber der Natur der Sache gemäß stets diffuser und interpretationsfähiger Informationen aufgrund des gegebenen Spekulationspotentials unvorhergesehene Vermögensverluste bei Gläubigern der betroffenen Institute. Vor diesem Hintergrund hätten auch die Gläubiger ein grundrechtlich fundiertes Interesse daran, dass Kenntnisse aus Aufsichtsmaßnahmen nicht ohne weiteres an die Öffentlichkeit gelangten.

113

d) Das Antwortverhalten der Antragsgegnerin sei auch insofern verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, als Informationen erfragt worden seien, die sich auf Unternehmen bezögen, an denen der Bund beteiligt sei. Aus den aktienrechtlichen Vorschriften, die mit der Verfassung in Einklang stünden, folge die Unzulässigkeit der öffentlichen Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen.

114

Anders als von den Antragstellern vorgetragen, sei das Auskunftsrecht des Aufsichtsrats nicht unbeschränkt und zu beliebigen Zwecken einsetzbar. Vielmehr habe der Vorstand nur über die Geschäftsführung, das heißt über Führungsentscheidungen und wesentliche Einzelmaßnahmen zu berichten, wie sich aus § 111 und § 90 AktG ergebe. Die Ausübung des Informationsrechts sei missbräuchlich, wenn sie nicht an den Gesellschaftsinteressen, sondern an Eigeninteressen des Aufsichtsrats ausgerichtet sei.

115

Die Mitglieder des Aufsichtsrats seien gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 116 AktG gegenüber den Aktionären und damit auch gegenüber der öffentlichen Hand zur Verschwiegenheit verpflichtet, soweit nicht (bundes-) gesetzliche Ausnahmen geschaffen worden seien. Zu diesen zähle die in §§ 394, 395 AktG geregelte Offenbarungsbefugnis für Aufsichtsratsmitglieder, die Gebietskörperschaften als Gesellschaftern Bericht erstatten müssten, was mit einer Ausweitung der Verschwiegenheitspflicht auf die Berichtsempfänger einhergehe. Damit habe der Gesetzgeber bewusst den Kreis der Informationsempfänger nur soweit ausweiten wollen, wie dies zu einer effektiven Beteiligungsverwaltung erforderlich sei. Die Verschwiegenheitspflicht der Antragsgegnerin als Berichtsempfängerin gemäß § 395 AktG umfasse, anders als die Antragsteller meinten, nicht nur Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, sondern alle vertraulichen Angaben, deren Weitergabe an Dritte zu Nachteilen für das Unternehmen führen könnte.

116

Bei der Feststellung, ob ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse mit Bezug auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vorliege, sei allein auf eine mögliche Schädigung der Wettbewerbsposition abzustellen. Unrichtig sei die Auffassung der Antragsteller, das Gesellschaftsinteresse könne (bei Eigengesellschaften) mit dem öffentlichen Interesse gleichgesetzt werden. Vielmehr seien die Organe der (Aktien-)Gesellschaft nur insoweit befugt, Gemeinwohlbelange zu berücksichtigen, als diese im Gesellschaftszweck Niederschlag fänden.

117

e) Anders als von den Antragstellern vorgetragen, folge aus dem Eigentum des Bundes an der Deutschen Bahn AG keine Ausweitung der Antwortpflicht der Regierung.

118

Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Fraport-Entscheidung (BVerfGE 128, 226) festgestellt, dass es öffentlich beherrschten Unternehmen zwar verwehrt sei, sich auf die "Subjektivität gewillkürter Freiheit" zu berufen. Dennoch könnten sie sich nach der "Logik des Marktes" verhalten.

119

Im Übrigen sei die Festlegung des Art. 87e Abs. 3 Satz 1 und 2 GG auf den Betrieb der Deutschen Bahn AG als Wirtschaftsunternehmen zu beachten. Damit seien eine Ausrichtung nach den Grundsätzen der Privatwirtschaftlichkeit und eine Befreiung von Gemeinwohlbindungen verbunden, die einer Aufgabenprivatisierung gleichkomme. Wegen dieses Privatisierungsauftrages sei die Deutsche Bahn AG grundsätzlich wie jedes andere Wirtschaftsunternehmen zu behandeln. Der Bund sei daher nicht gehalten, sich über die Regeln des Gesellschaftsrechts hinaus Einwirkungsmöglichkeiten vorzubehalten. Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss aus dem Jahre 2011 zum Nichtbestehen eines Parlamentsvorbehalts bei der Veräußerung von Vermögensgegenständen durch die Deutsche Bahn AG festgehalten, dass diese nach marktwirtschaftlicher Handlungsrationalität agieren könne (BVerfGE 129, 356). Zu dieser gehöre auch eine gewisse Autonomie gegenüber dem Bund, die unabhängig von der fehlenden Grundrechtsfähigkeit Schranken für die Beeinträchtigung von Unternehmensinteressen durch die Regierung setze und die Geheimhaltung von Unternehmensinterna umfasse. Die dadurch bewirkte Beschränkung des parlamentarischen Informationsrechts sei als Folge der Nutzung der privatrechtlichen Handlungsformen hinzunehmen.

120

f) Für die Anwendung dieser Maßstäbe auf die streitgegenständlichen Fragen bedeute dies:

121

aa) Bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage "Fulda-Runden der Deutschen Bahn AG und Finanzierungsvereinbarungen zu Bedarfsplanprojekten" habe die Antragsgegnerin die Unwissenheit der Fragesteller über die tatsächlichen Strukturen der Priorisierung von Bedarfsplanvorhaben nicht ausgenutzt, sondern ein erkennbares Wissensdefizit beseitigt und ausgehend von den realen Entscheidungsstrukturen geantwortet.

122

Die mit den Fragen 4 und 5 erbetenen Statistiken lägen nicht vor, sie müssten mit großem Aufwand erstellt werden. Die Verpflichtung zu einer solchen Informationsbeschaffung stehe unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit, wobei der Regierung ein Einschätzungsspielraum zukomme. Vorliegend habe die Antragsgegnerin angesichts der großen Zahl der laufenden Projekte und deren jährlicher Anpassung darauf verzichtet, weil eine Antwort "auch unter Nutzung von in Einzelfällen möglichen kurzzeitigen Fristverlängerungen" einen nicht leistbaren Aufwand erfordert hätte.

123

Auskünfte über Mittelfristplanungen der Gewinne der DB Netz AG, der DB Service & Station AG und der DB Energie GmbH, auf die die Frage 13 ziele, seien zu Recht vollständig verweigert worden. Alleingesellschafterin dieser Unternehmen sei die Deutsche Bahn AG, weshalb der Bund nicht unmittelbar beteiligt sei und eine Verantwortlichkeit der Regierung ohnehin ausscheide. Informationen, die die Regierung mittelbar über diese Unternehmen erlange, unterlägen der aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflicht, weil es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handele. Auch würde der in Art. 87e Abs. 3 und 4 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abschließend beschriebene Mitwirkungsbereich des Parlaments überschritten. Die Frage knüpfe nicht am durch das Parlament allein zu kontrollierenden Verhalten der Regierung, sondern am Unternehmen selbst an und mache dieses unmittelbar zum Gegenstand der parlamentarischen Kontrolle. Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass die Deutsche Bahn AG von der öffentlichen Verwaltung verselbständigt, ihre kommerzielle Ausrichtung abgesichert und ihr unternehmerische Selbstbestimmung eingeräumt worden sei. Die einzelnen wirtschaftlichen Entscheidungen müssten daher einer parlamentarischen Kontrolle entzogen sein.

124

Der Bundestagsausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung habe in Ausübung der parlamentarischen Geschäftsordnungsautonomie, die auch den Nachvollzug und die Konkretisierung der Rechte der Abgeordneten und anderer Beteiligter umfasse, die Verantwortungsbereiche von Regierung und Deutscher Bahn AG in Folge der Bahnreform in einer Weise abgegrenzt, die dieser Rechtslage entspreche. Demnach falle die Mittelfristplanung als interne Planung in den unternehmerischen Verantwortungsbereich der Deutschen Bahn AG.

125

bb) Bei dem Projekt "Stuttgart 21" handele es sich um ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutschen Bahn AG und nicht um ein Bedarfsplanprojekt. Deshalb seien die Zugriffsmöglichkeiten des Bundes und damit der Verantwortungsbereich der Regierung stark beschränkt. Das Gutachten, auf das Frage 16 der Kleinen Anfrage "Wirtschaftlichkeitsberechnung für Stuttgart 21" gerichtet sei, habe die Regierung wegen möglicher mittelbarer Folgen für den Bund als Eigentümer der Deutschen Bahn AG ausnahmsweise in Auftrag gegeben. Es enthalte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Deutschen Bahn AG, die zum unternehmerischen Kernbereich zählten. Deshalb sei eine Weitergabe der Informationen ohne Einwilligung der Deutschen Bahn AG nicht zulässig. Das Wirtschaftsprüferprivileg des § 43 WiPrO und die vertragliche Verschwiegenheitsvereinbarung zeichneten diese Lage nach.

126

cc) Die auf die statistische Aufzählung und Aufschlüsselung von Verspätungsminuten zielenden Fragen der Kleinen Anfrage "Zugverspätungen" habe die Regierung zu Recht nicht beantwortet. Sie habe über die erfragten Daten nicht verfügt und sie auch nicht zum Zwecke der Weitergabe beschaffen können. Die genannten Verspätungstatbestände könnten nicht eindeutig einem bestimmten Unternehmen zugeordnet werden, weil sie sowohl im Bereich der Schieneninfrastruktur als auch des Schienenverkehrs verursacht werden könnten. Hinsichtlich der Fragen 9 und 10 sei der Verantwortungsbereich der Bundesregierung bereits deshalb nicht betroffen, weil sich die angegebenen Störungen auf alle Eisenbahnverkehrsunternehmen beziehungsweise alle Halter von Eisenbahnfahrzeugen bezögen. Schließlich könne die Regierung keine Auskünfte über solche Sachverhalte erteilen, die den Kernbereich unternehmerischer Tätigkeit der Eisenbahnverkehrs- und -infrastrukturunternehmen beträfen. Soweit die Deutsche Bahn AG betroffen sei, folge dies aus den beschränkten gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten. Aber auch die Aufsichts- und Regulierungsbehörden erhöben die angefragten Daten nicht. Vor diesem Hintergrund erweise sich die vom Deutschen Bundestag vorgenommene Abgrenzung der Verantwortungsbereiche, die Fragen der Pünktlichkeit der Deutschen Bahn AG zuordnet, als richtig.

127

dd) Die Entscheidung der Antragsgegnerin, die mit der Kleinen Anfrage "Finanzmarktaufsicht" erfragten einzelinstitutsbezogenen Informationen nur unter Geltung der Geheimschutzordnung weiterzugeben, sei mit Blick auf die Sensibilität der Finanzmärkte in der noch immer anhaltenden Finanzkrise gerechtfertigt gewesen.

128

Auch habe die Begründung den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Die Begründung der Verweigerung einer (öffentlichen) Antwort müsse einerseits so genau sein, dass die Fragesteller entscheiden könnten, ob sie gegen die Verweigerung vorgehen sollten. Dabei seien für eine vollständige Antwortverweigerung andere Maßstäbe anzulegen als bei einer nicht öffentlichen Antwort. Andererseits dürfe der Zweck der Antwortverweigerung, die Geheimhaltung der erfragten Informationen, nicht durch die Begründungspflicht gefährdet werden.

129

Die Beantwortung der Frage 1 sei faktisch unmöglich, weil Wortprotokolle nicht geführt worden seien. Die Verweigerung einer öffentlichen Antwort auf die Frage nach der Anzahl der Teilnahmen von Mitarbeitern der Finanzaufsicht (BaFin und Bundesbank) an Gremiensitzungen sei gerechtfertigt, weil diese nur bei besonderem Anlass durchgeführt würden. Damit sei ihre Veröffentlichung geeignet, den Eindruck zu erwecken, das Institut bedürfe besonderer Aufsicht, was zu Vertrauensverlusten auf Seiten der Geschäftspartner und zur relativen Besserstellung der Konkurrenz führen könne. Diesen Verwerfungen könne eine gesamtwirtschaftliche Tragweite zukommen.

130

Gleiches gelte für die mit den Fragen 4 und 6 erbetenen institutsspezifischen Auskünfte zu Aufsichtsgesprächen und Sonderprüfungen. Während routinemäßige Aufsichtsgespräche keine Rückschlüsse auf die Lage des Instituts ermöglichten, sei dies bei anlassbezogenen Aufsichtsgesprächen und Sonderprüfungen anders. Das Bekanntwerden institutsspezifischer Angaben berge die Gefahr irreversibler Vertrauensverluste.

131

Frage 8, die auf die aufsichtsrechtliche Behandlung außerbilanzieller Conduits ziele, habe öffentlich nur in zusammengefasster Form beantwortet werden können. Die institutsspezifische Einschätzung der Eigenmittelausstattung und Liquiditätsvorsorge habe mit Rücksicht auf die sonst drohenden Vertrauensverluste und Nachteile im Wettbewerb nur nicht öffentlich mitgeteilt werden können.

132

Gleiches gelte für die nicht öffentliche Beantwortung der Frage 11 nach konkreten Einzelmaßnahmen gegenüber der HSH Nordbank, weil sie Angaben zur aufsichtsrechtlichen Einschätzung der internen Kontrolle und Risikosteuerung beinhalte.

133

Die gleiche Gefährdung der einzelnen Institute wie der Gesamtwirtschaft habe einer öffentlichen Beantwortung der Frage 14 nach der Einstufung der Institute in der Zwölf-Felder-Matrix der Risikoklassifizierung entgegengestanden. Dabei handele es sich um eine umfassende Gesamtaussage über die einzelnen Institute, in die alle verfügbaren Informationen einflössen, insbesondere auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die der Aufsicht offenbart worden seien.

134

Frage 18 nach der Vergütung von Angestellten durch die betroffenen Unternehmen betreffe einen Sachverhalt außerhalb des Verantwortungsbereichs der Antragsgegnerin. Die Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern ändere nichts daran. Es stehe dem Gesetzgeber frei, eine Pflicht zur Veröffentlichung dieser Informationen zu schaffen, wie er es für die Krankenkassen getan habe.

135

ee) Im Hinblick auf die Schriftlichen Fragen zur IKB sei der Antrag zu 1. insoweit unbegründet, als die erste Teilfrage nach den Beweggründen des Verkaufs der IKB ausführlich beantwortet worden und von den Antragstellern auch nicht gerügt worden sei. Gleiches gelte für die zweite Teilfrage nach dem Kaufpreis, die nur nicht öffentlich habe beantwortet werden können.

136

Die Beantwortung der zweiten Frage erfordere die Mitteilung aufsichtsbehördlicher Einschätzungen, deren Veröffentlichung die Wettbewerbsposition der betroffenen Institutionen schwächen würde. Eine öffentliche Beantwortung der Frage sei daher ausgeschlossen gewesen. Die Antragsgegnerin habe erst bei nochmaliger Durchsicht der Akten bemerkt, dass die Frage bedauerlicherweise gar nicht beantwortet worden sei. Sie werde dies unverzüglich nachholen und die Antwort dann in der Geheimschutzstelle hinterlegen.

VI.

137

Zu dem Antrag haben der Landtag Rheinland-Pfalz und als sachkundige Dritte gemäß § 27a BVerfGG die Deutsche Bahn AG, der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, die IKB Deutsche Industriebank AG, die Commerzbank AG, der Verband "Die Deutsche Kreditwirtschaft", die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die Hypo Real Estate Holding AG (nun GmbH) schriftlich Stellung genommen.

138

1. Die Bundesregierung sei dem Deutschen Bundestag und dessen Abgeordneten und Fraktionen zur Auskunft über ihre Tätigkeit nur insoweit verpflichtet, als ihr Verantwortungsbereich betroffen sei. Dieser erstrecke sich auf sämtliche Informationen, die die Bundesministerien in Ausübung der Rechts- und Fachaufsicht über die nachgeordneten Behörden erlangten - wie etwa das Bundesministerium der Finanzen über die BaFin und die FMSA als bundesunmittelbare rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts. Bei privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen bestehe eine Verantwortlichkeit jedenfalls bei vollständig im Eigentum des Bundes stehenden Unternehmen. Bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen hänge die Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Parlament vom Umfang der staatlichen Beteiligung sowie dem Maß der Steuerungs- und Einflussmöglichkeiten ab. Je größer die Beteiligung und die Einwirkungsmöglichkeiten seien, desto weiter reiche die grundsätzliche Verantwortlichkeit. Insoweit sei auf die bestehenden einfachrechtlichen Maßgaben abzuheben, die Umfang und Grenzen einer solchen Kontrolle festlegten. Nicht in den Aufgaben- und Verantwortungsbereich der Regierung fielen Informationen über privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen, die vollständig in privater Hand seien. Gegenstand der parlamentarischen Kontrolle seien einerseits Bereiche, in denen die Regierung und ihre Mitglieder tätig geworden seien, andererseits Bereiche, in denen die Regierung kraft rechtlicher Vorschriften tätig werden könne, das heißt der tatsächlich wahrgenommene und der verantwortete Aufgabenbereich.

139

Soweit sich die Stellungnahmen mit der Grundrechtsfähigkeit der Institute und Unternehmen befassen, wird ausgeführt, das Bundesverfassungsgericht habe eine solche Grundrechtsfähigkeit von Unternehmen auch bei einer staatlichen Beteiligung von mehr als 30 % - in Bezug auf die Deutsche Telekom AG und die Deutsche Post AG - noch bejaht. Der Grundrechtsschutz sei vor allem bei börsennotierten Unternehmen von besonderer Relevanz. Die Überlegung der Antragsteller, der Grundrechtsschutz von Unternehmen nach Art. 12 Abs. 1 GG reduziere sich, wenn diese Unterstützung durch den Staat annähmen, treffe nicht zu.

140

2. Die Deutsche Bahn AG geht in ihrer Stellungnahme davon aus, dass die parlamentarische Verantwortung der Bundesregierung im Wesentlichen nur im Zusammenhang mit hoheitlichem Handeln von Bundesbehörden bestehe, während ihre Geschäftstätigkeit grundsätzlich nicht vom Informationsanspruch des Parlaments erfasst werde. Soweit sich der Bund an privatrechtlichen Unternehmen beteilige, beschränke sich die Verantwortlichkeit der Bundesregierung auf Aspekte der Beteiligungsverwaltung. Die Bundesregierung könne aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG) hingegen nicht für die Unternehmensführung bei der Deutschen Bahn AG verantwortlich sein.

141

a) Mit Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG habe der verfassungsändernde Gesetzgeber die Grundentscheidung für eine Privatisierung der Eisenbahnen des Bundes und ihrer Aufgaben getroffen. Im Einklang mit dieser Zielsetzung sei die Rechtsform der Aktiengesellschaft gewählt worden, in der das Prinzip der Trennung der Kapitaleigner und der Unternehmensleitung stärker als in anderen Gesellschaftsformen ausgeprägt sei. Durch die Wahl dieser Gesellschaftsform sei die in Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG angelegte Trennung von Verwaltungs- und Unternehmensaufgaben im deutschen Eisenbahnwesen abgesichert worden. Zugleich begründe die Vorschrift eine eigene wehrfähige Rechtsposition der Eisenbahnen des Bundes, die staatlichen Eingriffen in ihre unternehmerische Betätigung Grenzen setze. Der Schutzbereich der Unternehmensfreiheit gemäß Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG umfasse insbesondere die Organisationsfreiheit, das heißt die gesellschaftsrechtliche Organisation des Unternehmens sowie die konzerninterne Aufgabenverteilung. Geschützt seien ferner die Entwicklung neuer Verkehrsprodukte und ihre wirtschaftliche Verwertung auf den Verkehrsmärkten sowie die Wettbewerbsfreiheit und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Gesellschaft. Schließlich schütze die Unternehmensfreiheit die auf Förderung des unternehmerischen Erfolges gerichtete Außendarstellung und Werbung.

142

Nach den eigenen Angaben der Antragsteller hätten die begehrten Informationen zur kurz- und mittelfristigen Budgetplanung dazu verwendet werden sollen, politische Forderungen im öffentlichen Raum an die Deutsche Bahn AG und die Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) des Konzerns zu adressieren, auch wenn unternehmerische Entscheidungen hierdurch negativ beeinflusst werden könnten. Von einer solchen direkten politischen Einflussnahme durch den Bundestag auf unternehmerische Entscheidungen wolle Art. 87e Abs. 3 GG die Eisenbahnen des Bundes gerade schützen. Auch das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages an unternehmerischen Einzelentscheidungen jenseits der legislativen Mitgestaltungsmöglichkeit deren Fähigkeit zum verfassungsrechtlich gewollten Handeln nach marktwirtschaftlicher Handlungsrationalität in erheblichem Maße beeinträchtigen würden.

143

Eine Offenlegung vertraulicher Unternehmensdaten gegenüber dem Deutschen Bundestag greife in die Unternehmensfreiheit gemäß Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG ein. Solche Eingriffe seien nur gerechtfertigt, wenn sie aufgrund oder durch ein Gesetz erfolgten, dem Schutze eines Rechtsgutes von Verfassungsrang dienten und den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit genügten. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, sofern der Eingriff in Ausübung des parlamentarischen Fragerechts erfolge.

144

Entgegen der Ansicht der Antragsteller werde der verfassungsrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nicht dadurch gemindert, dass Investitionen in die Eisenbahninfrastruktur zum großen Teil mit öffentlichen Mitteln gefördert würden. Aus öffentlichen Mitteln finanzierte Vermögenswerte stellten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein Eigentum zweiter Klasse dar und genössen nicht einen minderen verfassungsrechtlichen Schutz. Sofern im Zusammenhang mit einer staatlichen Förderung weitergehende Eingriffsbefugnisse bestünden, beschränkten sich diese grundsätzlich auf die Kontrolle der zweckentsprechenden Verwendung staatlicher Mittel oder die Missbrauchs-prävention. Ein allgemein verringerter Geheimnisschutz gerade wegen einer staatlichen Förderung sei dagegen nicht zu erkennen.

145

b) Die Unternehmen des Konzerns Deutsche Bahn AG - die Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) und die EIU - hätten ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung der begehrten Informationen.

146

Der Bedarfsplan Schiene werde vom Bundesgesetzgeber jeweils für einen Zeitraum von fünf Jahren aufgestellt. Im jährlichen Rhythmus fänden zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), dem Eisenbahnbundesamt (EBA) und den EIU, namentlich der DB Netz AG, der DB Energie GmbH und der DB Station & Service AG, Gespräche zur Eisenbahnbedarfsplanung statt, die sogenannten Fulda-Runden. Im Rahmen dieser Gespräche auf Arbeitsebene würden der aktuelle Sachstand und die Planungen für jedes Einzelprojekt erörtert und die künftige Planung und Finanzierung von Eisenbahninfrastrukturprojekten abgestimmt. Die Ergebnisse der Gespräche bildeten die Grundlage für die Planungs- und Finanzierungsentscheidungen des Bundes einerseits und der Deutschen Bahn AG sowie ihrer Tochtergesellschaften andererseits. Die Ergebnisse der Runden bildeten aber nur Zwischenschritte ab, die bis zur abschließenden Entscheidung auf Seiten des Bundes und des Unternehmens veränderlich blieben.

147

Der Herausgabe der begehrten Informationen zu den "Fulda-Runden" stünden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Deutschen Bahn AG und deren EIU entgegen. Im Rahmen der "Fulda-Runden" würden Planungen und Kosten von Infrastrukturprojekten der EIU erörtert, insbesondere die voraussichtlichen Investitionskosten einschließlich der Eigenmittelanteile, die voraussichtlichen Projektlaufzeiten und der Sachstand in einzelnen Gerichtsverfahren, die Infrastrukturprojekte betreffen. Dabei handele es sich um die Geschäftstätigkeit der EIU betreffende unternehmensbezogene Informationen, die nur den Teilnehmern und außerhalb der betroffenen Unternehmen nur der zuständigen Fachabteilung des BMVBS und des EBA bekannt seien. An der Geheimhaltung dieser Informationen bestehe ein berechtigtes Interesse der Deutschen Bahn AG und der EIU. Öffentliche Informationen über die Projektplanung und die damit verbundenen Projektgesamtkosten könnten zu strategischen Angebotspreisen der Bauindustrie führen. Die Baufirmen könnten ihre Angebote an den veranschlagten Kosten ausrichten. Unmittelbare Folge wären steigende Baukosten zum wirtschaftlichen Nachteil der EIU. Aufgrund der begrenzten Haushaltsmittel würden die erhöhten Projektkosten mittelbar zu einem reduzierten oder verlangsamten Infrastrukturausbau führen. Zugleich würde die Wettbewerbsposition der EVU der Deutschen Bahn AG als Anbieter von Verkehrsleistungen gegenüber konkurrierenden Verkehrsträgern beeinträchtigt. Mit den durch das BMVBS jährlich veröffentlichten Verkehrsinvestitionsberichten würde den parlamentarischen Informationsbedürfnissen Genüge getan, ohne dass sensible Informationen offengelegt würden.

148

In den Finanzierungsvereinbarungen würden insbesondere die Höhe der zuwendungsfähigen Kosten, der Planungskostenpauschale und des Eigenmittelanteils der EIU geregelt. Sie enthielten Angaben darüber, welcher Anteil der zuwendungsfähigen Kosten als zuwendungsfähiges Darlehen und welcher Anteil als Baukostenzuschuss finanziert werde. Weiterhin wiesen sie die komplexe Berechnung der Vorfinanzierungskosten anhand des Kapitalbetrages, des Zinssatzes und der Zinsperiode aus. Darüber hinaus enthielten sie detaillierte Aufstellungen über die Kosten einzelner Gewerke und die Weiterentwicklung der Kostenstruktur. Die Anlagen enthielten Streckenübersichten nebst im Einzelnen ausgewiesener Kosten, detaillierte Kostenübersichten und Mittelabflussdiagramme. Unter Hinzuziehung der konkreten Maßnahmebeschreibung ließen diese Angaben den Rückschluss auf die Ermittlung dieser Kosten und damit auf die interne Kalkulation der DB Netz AG zu.

149

Die Mittelfristplanung der Deutschen Bahn AG und ihrer EIU falle nicht in den Verantwortungsbereich der Bundesregierung. In der Mittelfristplanung sei die grundlegende unternehmenspolitische Ausrichtung des Konzerns festgelegt. Zugleich sei die Planung von zentraler Bedeutung für die operative Steuerung des Unternehmens.

150

An der Geheimhaltung der nur einem begrenzten Personenkreis bekannten Wirtschaftlichkeitsberechnung 2006 bestehe ein berechtigtes Interesse. Aus den dort enthaltenen Angaben zu den Projektausgaben für die einzelnen Gewerke könnten Rückschlüsse auf die diesbezügliche Kostenkalkulation der Deutschen Bahn AG gezogen werden. Diese Erkenntnisse könnten Einfluss auf die Vergabepreise sowohl für "Stuttgart 21" als auch für andere Vorhaben haben. Auf der Grundlage dieser Informationen könnten potenzielle Bewerber ihre Angebote so gestalten, dass ein sparsamer und wirtschaftlicher Mitteleinsatz gerade nicht mehr gewährleistet sei.

151

Gegenstand des Gutachtens der Wirtschaftsprüfergesellschaft sei die Prüfung der rechnerischen und methodischen Richtigkeit der Wirtschaftlichkeitsberechnung der Deutschen Bahn AG zu "Stuttgart 21" gewesen. Allerdings sei die Prüfung der Gutachter teilweise darüber hinausgegangen, namentlich dort, wo die in die Wirtschaftlichkeitsberechnung eingeflossenen Angaben hinsichtlich des notwendigen Mengengerüstes und deren Bewertung hinterfragt worden seien. Insofern enthalte das Gutachten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Deutschen Bahn AG. Darüber hinaus lasse es Rückschlüsse auf die Ansätze zu projektbezogenen Ausgaben und Einnahmen zu, soweit die Gutachter hierzu Angaben gefordert hätten.

152

Die begehrten Informationen zu Zugverspätungen beträfen den Kernbereich der unternehmerischen Betätigung der EVU und EIU des Konzerns, nämlich die Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen und den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur. Dies sei insbesondere die Gestaltung des Angebotes im Einzelnen und schließe den Aspekt der Pünktlichkeit ein. Zugleich seien Zugverspätungen ein zentrales unternehmenspolitisches Thema mit Auswirkungen insbesondere auf Investitionsplanungen der EVU und EIU.

153

Eine detaillierte Mitteilung der Pünktlichkeitswerte und der Ursachen für Verspätungen außerhalb des Konzerns erfolge im Wesentlichen nur auf Grundlage der Verkehrsverträge für den öffentlichen Personennahverkehr. Diese Verträge pönalisierten schlechte Pünktlichkeitswerte zum Teil streckenscharf. Damit gingen teilweise sehr detaillierte Berichtspflichten gegenüber dem Aufgabenträger einher, zum Beispiel die Mitteilung der Pünktlichkeit je Zug und Haltestelle und der Verspätungsursache. Der jeweilige Vertragspartner müsse die übermittelten Daten vertraulich behandeln.

154

3. Die Stellungnahmen zu dem Schwerpunkt Finanzmarktaufsicht äußern sich zu der Verschwiegenheitspflicht der mit Aufsichts- und Kontrollaufgaben befassten Regierungs- und Behördenvertreter sowie zu der zu befürchtenden Gefährdung der Aufsichtstätigkeit bei Herausgabe von institutsspezifischen Tatsachen. Sie tragen vor, die einfachgesetzlich statuierten Verschwiegenheitspflichten der BaFin und des FMSA bildeten die Grundlage für das Zusammenwirken zwischen Aufsicht und Institut. Die Verschwiegenheitspflicht der mit Aufsichts- und Kontrollaufgaben befassten Regierungs- und Behördenvertreter sei als Grundvoraussetzung für eine effektive Beaufsichtigung und die Stabilität des Finanzmarktes anzusehen. Die Aufsichtsbehörden erlangten nicht nur allgemeine Kenntnisse über die Umsetzung aufsichtsrelevanter Vorschriften, sondern - insbesondere durch ihre Teilnahme an Gremiensitzungen der Institute - auch Einblick in die allgemeine Geschäftsentwicklung, die Risikotragfähigkeit und die Strategie des Instituts, von der Personalpolitik bis zur Vertriebssteuerung. Diese vertraulichen Informationen beinhalteten vielfach wettbewerbsrelevante Angaben, deren Veröffentlichung die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig beeinflussen könne. Der Gesetzgeber habe die Verschwiegenheitspflicht ausdrücklich mit der Absicht gefasst, das notwendige Vertrauen in die Integrität der Aufsichtspraxis und eine entsprechende Kooperationsbereitschaft sicherzustellen.

155

Der Aufsicht würden viele Informationen, gerade auch über kritische Entwicklungen, auf freiwilliger Basis und überobligatorisch übermittelt. Durch diese freiwilligen Informationen würden bankaufsichtliche Maßnahmen häufig erst veranlasst. Durch eine Verpflichtung der Bundesregierung, die im Rahmen der Rechts- und Fachaufsicht über BaFin und FMSA erhaltenen Informationen aufgrund parlamentarischer Anfragen offenzulegen, wäre das Vertrauensverhältnis gefährdet mit nicht unerheblichen Auswirkungen auf das künftige Informationsverhalten der Institute gegenüber diesen Aufsichtsbehörden. Diese wären so auf die Durchsetzung von Auskunftsansprüchen im förmlichen Verwaltungsverfahren angewiesen und auf nachträgliche ordnungsrechtliche Repressionen zurückgeworfen, die nicht gleichermaßen effektiv wären.

156

Zudem habe die Finanzmarktkrise die "seismographische Empfindlichkeit" des auf Vertrauen aufbauenden Finanzsystems gezeigt. Die Offenlegung vertraulicher Informationen über Kreditinstitute im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage könne verbunden mit einer verkürzten und unter Umständen verzerrten oder fehlerhaften Medienberichterstattung im Einzelfall das allgemeine Vertrauen der Einleger und anderer Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems erschüttern.

157

Die Vertreter von Gebietskörperschaften seien nach §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zur Verschwiegenheit über vertrauliche Angelegenheiten verpflichtet. Nichts anderes ergebe sich aus §§ 394, 395 AktG. Bei der Weitergabe von Informationen durch die Vertreter habe der jeweilige Berichtsempfänger nach § 395 AktG ebenfalls die Vertraulichkeit zu wahren. Hieran fehle es offenkundig, wenn vertrauliche Betriebsinterna ungeschützt gegenüber sämtlichen Abgeordneten des Deutschen Bundestages offengelegt würden. An eine Institution, bei der wie im Fall eines Parlaments die Geheimhaltung nicht gewährleistet sei, dürfe daher nicht berichtet werden. Die §§ 394, 395 AktG modifizierten die strengen aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflichten der § 116 Satz 1 in Verbindung mit § 93 Abs. 1 Satz 3, § 116 Satz 2 AktG lediglich für Zwecke der haushaltsrechtlichen Beteiligungsverwaltung und -prüfung öffentlicher Gebietskörperschaften.

158

Zu berücksichtigen sei die zwischen der Commerzbank AG und der FMSA am 19. Dezember 2008 abgeschlossene und im Jahr 2009 ergänzte vertragliche Vereinbarung, wonach das Parlament über die Angaben der Commerzbank AG nur unter Wahrung des Geheimschutzes unterrichtet werden dürfe. Diese vertragliche Vereinbarung konkretisiere die Regelungen des FMStFG über die Offenbarungspflichten der Bank gegenüber der Bundesanstalt einerseits und die Verschwiegenheitspflicht der Mitarbeiter der Behörde andererseits.

VII.

159

Mit Schreiben vom 9. Oktober 2012 teilte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen Steffen Kampeter dem Antragsteller zu 1. mit, dass eine erneute Prüfung der Schriftlichen Frage Nr. 317 (BTDrucks 17/4350, S. 21) zu den von der BaFin nicht genehmigten Fällen eines Rückerwerbes eigener und am Markt mit Abschlägen notierter Verbindlichkeiten vorgenommen worden sei. Diese habe ergeben, dass die Frage zwar nach wie vor nicht öffentlich beantwortet, eine Antwort aber eingestuft in der Geheimschutzstelle zur Verfügung gestellt werden könne. Dies habe er veranlasst.

VIII.

160

Das Bundesverfassungsgericht hat am 9. und 10. Mai 2017 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Die Beteiligten haben ihren Vortrag vertieft und ergänzt. Als sachkundige Dritte gemäß § 27a BVerfGG hat das Bundesverfassungsgericht die Deutsche Bahn AG, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, die Deutsche Bundesbank, die IKB Deutsche Industriebank AG, die Hypo Real Estate Holding GmbH, die Commerzbank AG und für den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Herrn Prof. Dr. Volker Wieland sowie für das Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern Herrn Prof. Dr. Martin Hellwig angehört. Diese haben sich insbesondere zu Fragen der Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Bahn AG sowie der Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Finanzmarktaufsicht und des Erfolges staatlicher Stützungsmaßnahmen durch die verfahrensgegenständlichen parlamentarischen Anfragen geäußert.

B.

161

Der Antrag zu 3. ist hinsichtlich des Antragstellers zu 4. insgesamt sowie hinsichtlich des Antragstellers zu 3. und der Antragstellerin zu 5. insoweit unzulässig, als er sich auf die Beantwortung der Fragen 17, 18 und 19 der Kleinen Anfrage vom 11. November 2010 (BTDrucks 17/3766, S. 2) durch die Bundesregierung bezieht. Unzulässig sind alle Anträge ferner insoweit, wie sie über die Feststellung der Rechtsverletzung hinaus darauf gerichtet sind, die Bundesregierung zu verpflichten, die erbetenen Auskünfte zu erteilen. Im Übrigen sind die Anträge zulässig.

I.

162

Die Parteifähigkeit der Antragsteller zu 1. bis 4. folgt aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG. Als Abgeordneten des Deutschen Bundestages kommt ihnen gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein eigener verfassungsrechtlicher Status zu, den sie im Organstreitverfahren als "andere Beteiligte" im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG verteidigen können (stRspr seit BVerfGE 2, 143<166 f.>; vgl. auch etwa BVerfGE 112, 363 <365>; 114, 121 <146>; 124, 161 <184>; 137, 185 <223 Rn. 104>; 140, 115 <138 Rn. 55>). Der Antragsteller zu 4. hat seine Parteifähigkeit nicht mit dem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag am 26. Mai 2011 verloren. Maßgeblich für die Parteifähigkeit von Abgeordneten im Organstreit ist grundsätzlich ihr Status zu dem Zeitpunkt, zu dem sie den Verfassungsstreit anhängig gemacht haben (vgl. BVerfGE 4, 144 <152>; 102, 224 <231>; 108, 251 <270 f.>; 136, 277 <299 f. Rn. 60>; 139, 194 <220 Rn. 96>; 140, 115 <138 Rn. 55>) - hier am 18. März 2011.

163

Die Antragstellerin zu 5. ist als Fraktion des Deutschen Bundestages nach § 63 BVerfGG in Organstreitigkeiten parteifähig. Parlamentsfraktionen sind notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens (vgl. BVerfGE 2, 143 <160>; 20, 56 <104>; 43, 142 <147>; 140, 115 <138 Rn. 56>). Sie sind zur Geltendmachung eigener Rechte befugt, wenn diese in der Verfassung verankert sind (vgl. BVerfGE 70, 324 <350 f.>; 124, 161 <187>; 139, 194 <220 Rn. 96>), und berechtigt, im Organstreit die Verletzung oder unmittelbare Gefährdung von Rechten des gesamten Parlaments geltend zu machen (vgl. BVerfGE 45, 1 <28 f.>; 67, 100 <125>; 68, 1 <69>; 140, 115 <138 f. Rn. 56>).

164

Die Bundesregierung als oberstes Bundesorgan (Art. 62 ff. GG) ist sowohl in Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG als auch in § 63 BVerfGG ausdrücklich als mögliche Antragsgegnerin genannt.

II.

165

Die Anträge beziehen sich auf taugliche Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine Maßnahme als auch ein Unterlassen sein. Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer hinreichenden Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht hinreichenden Beantwortung der jeweiligen Anfrage handelt. Die Antwortverweigerung, die schlichte Nichtbeantwortung und die nicht hinreichende Beantwortung der Anfragen der Antragsteller können diese konkret in ihrem jeweiligen Rechtskreis aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG betreffen. Dies gilt gleichermaßen für die nicht öffentliche Beantwortung. Somit sind die Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; 103, 81 <86>; 104, 310 <324>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <220 f. Rn. 98>).

III.

166

Die Antragsteller sind überwiegend antragsbefugt.

167

1. Ein die Antragsteller und die Antragsgegnerin umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis (vgl. BVerfGE 1, 208 <221>; 84, 290 <297>; 124, 161 <185>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <221 Rn. 99>; 140, 115 <144 Rn. 74>; stRspr) liegt vor. Die Antragsteller beanstanden Antworten der Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen. Der Organstreit betrifft damit die Reichweite des verfassungsrechtlich verankerten Frage- und Informationsrechts sowie die grundsätzliche Verpflichtung der Bundesregierung, auf Fragen im Parlament Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 <185>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <221 Rn. 99>). Das Frage- und Informationsrecht wird verletzt, wenn auf berechtigte Fragen nicht oder nicht vollständig geantwortet wird. Eine Rechtsverletzung liegt auch vor, wenn unter Verkennung des Geheimnisschutzes eine öffentliche Antwort verweigert oder eine unzureichende Begründung der Geheimhaltungsbedürftigkeit gegeben wird (vgl. BVerfGE 124, 161 <185>).

168

An diesem Frage- und Informationsrecht haben die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teil (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; 137, 185 <230 f. Rn. 129>; 139, 194 <221 Rn. 99>). Ihnen steht folglich ein eigenes subjektiv-öffentliches organschaftliches Recht auf Beantwortung ihrer Fragen zur Seite. Eine unzureichende Antwort verletzt aufgrund dieses Ableitungszusammenhangs zugleich den Deutschen Bundestag in seinen Rechten (vgl. BVerfGE 139, 194 <221 Rn. 99>).

169

Daraus folgt für die Fraktionen im Deutschen Bundestag, dass sie nicht nur die Verletzung in eigenen Rechten rügen (vgl. BVerfGE 91, 246 <250 f.>; 100, 266 <270>; 124, 161 <187>), sondern darüber hinaus, unabhängig von ihrer Beteiligung an der Frage, ein Recht aus dem Rechtskreis des Deutschen Bundestages (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) in nach § 63 BVerfGG zulässiger Prozessstandschaft geltend machen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <187>; 139, 194 <221 Rn. 99>).

170

2. a) Der Antrag zu 1. wäre deshalb unzulässig, als danach - wörtlich genommen - der Antragsteller zu 1. als Abgeordneter (auch) die Verletzung von Rechten des Deutschen Bundestages und die Antragstellerin zu 5. als Fraktion (auch) die Verletzung in eigenen Rechten rügt, obwohl sie - anders als bei den Anträgen zu 2. und zu 3. - an den Anfragen nicht beteiligt war. Sachgerecht ist der Antrag allerdings dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller zu 1. (nur) rügt, durch die angegriffene Maßnahme in seinem (derivativen) Frage- und Informationsrecht verletzt worden zu sein, und die Antragstellerin zu 5. (nur) eine Rechtsverletzung des Deutschen Bundestages geltend macht.

171

Weiterhin ist der Antrag zu 1. unter Heranziehung der Antragsschrift dahingehend zu verstehen und insoweit substantiiert, als die Antragsteller die Antwort der Antragsgegnerin auf die Frage Nummer 34 der BTDrucks 17/4350 ausschließlich im Hinblick auf die Verweigerung der Beantwortung der Teilfrage nach dem beim Verkauf der IKB Deutsche Industriebank AG erzielten Kaufpreis rügen.

172

b) Nicht hinreichend substantiiert ist das Vorbringen der Antragsteller zu dem Antrag zu 3., soweit die Fragen 17 bis 19 der Kleinen Anfrage zur Wirtschaftlichkeitsberechnung für das Projekt "Stuttgart 21" (BTDrucks 17/3766) betroffen sind. Die Fragen wurden durch die Bundesregierung - wenn auch knapp - beantwortet (BTDrucks 17/4008, S. 5). Die Antragsschrift enthält keine konkreten Ausführungen dazu, was hinsichtlich dieser Antworten gerügt wird. Obgleich die Antragsgegnerin dies in ihrer Antragserwiderung moniert hat, ist auch in der Replik hierzu keine Ergänzung vorgenommen worden.

173

c) Im Übrigen haben die Antragsteller hinreichend dargelegt, dass sie und der Deutsche Bundestag durch das angegriffene Verhalten der Antragsgegnerin in Rechten verletzt sein können, die ihnen durch das Grundgesetz übertragen worden sind. Sie machen geltend, dass die Antragsgegnerin die Fragen unter Verkennung ihrer verfassungsrechtlichen Antwortpflicht nicht oder mit unzureichender Begründung beantwortet habe. Zudem geht aus der Antragsbegründung hervor, dass die Antragsgegnerin unter Verkennung des Geheimnisschutzes wie auch einer unzureichenden Begründung der Geheimhaltungsbedürftigkeit die Fragen nicht in der für schriftliche Einzelfragen nach § 105 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT) in Verbindung mit Nummer 14 der Anlage 4 zur GO-BT vorgesehenen und zur Veröffentlichung in einer Bundestagsdrucksache bestimmten Weise beantwortet habe. Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin Rechte des Deutschen Bundestages und eigene Rechte der Antragsteller, die aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten erwachsen, verletzt.

IV.

174

Unzulässig sind die Anträge ferner insoweit, als sie über die Feststellung der Rechtsverletzung hinaus darauf gerichtet sind, die Bundesregierung zu verpflichten, die erbetenen Auskünfte zu erteilen.

175

Gemäß § 67 Satz 1 BVerfGG stellt das Bundesverfassungsgericht im Fall eines begründeten Antrags fest, dass die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners gegen eine Bestimmung des Grundgesetzes verstößt. Damit stellt das Gesetz es grundsätzlich in das Ermessen des Antragsgegners, wie er eine verfassungsgemäße Lage herstellt. Dem Gericht ist deshalb im Regelfall ein Verpflichtungsausspruch verwehrt (grundlegend BVerfGE 20, 119 <129>; 124, 161 <188>; 136, 277 <301 Rn. 64>; zu einer Sonderkonstellation BVerfGE 112, 118 <147 f.>).

176

Dabei ist zu bedenken, dass die Verbindlichkeit der Feststellung nicht hinter einem Verpflichtungsausspruch zurückbleibt; insbesondere ist der Erlass einer Vollstreckungsanordnung gemäß § 35 BVerfGG nicht von einem Verpflichtungsausspruch abhängig. Für eine Abweichung von der - die Regelung des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG konkretisierenden - Vorschrift des § 67 BVerfGG bestünde daher auch dann kein Anlass, wenn man die Besorgnis der Antragsteller hinsichtlich einer generell zögerlichen Antwortpraxis teilte.

V.

177

Die Antragsteller zu 1. bis 3. und die Antragstellerin zu 5. haben ein Rechtsschutzinteresse (1.). Das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers zu 4. ist entfallen, weil dieser am 26. Mai 2011 nach Niederlegung des Mandats aus dem Deutschen Bundestag ausgeschieden ist (2.). Die partielle nachträgliche Ergänzung beziehungsweise Änderung des Geheimhaltungsgrades einzelner Antworten hat das Rechtsschutzbedürfnis hingegen nicht (teilweise) entfallen lassen (3.).

178

1. Auch im Organstreitverfahren ist das Rechtsschutzbedürfnis des Organs grundsätzlich Voraussetzung für die Sachentscheidung (vgl. BVerfGE 62, 1 <33>; 67, 100 <127>; 68, 1 <77>; 119, 302 <307 f.>; 124, 78 <113>; 140, 115 <146 Rn. 80>). Das Organstreitverfahren ist eine kontradiktorische Parteistreitigkeit. Es dient maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht der davon losgelösten Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns (vgl. BVerfGE 68, 1 <69 ff.>; 73, 1 <29 f.>; 80, 188 <212>; 104, 151 <193 f.>; 118, 244 <257>; 126, 55 <67 f.>; 134, 141 <194 Rn. 160>; 136, 190 <192 Rn. 5>; 140, 115 <146 Rn. 80>).

179

Da Bestand und Reichweite des parlamentarischen Frage- und Informationsrechts in Bezug auf Angelegenheiten der Deutschen Bahn AG und der Finanzmarktaufsicht zwischen den Beteiligten umstritten und klärungsbedürftig sind, ist das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller zu 1. bis 3. und der Antragstellerin zu 5. zu bejahen. Es stellt sich die Frage, ob die Bundesregierung die Antwort auf die Fragen mit Verweis auf die Beschränkung des Frage- und Informationsrechts bei Beteiligungen des Bundes, die entgegenstehenden gesetzlichen oder vertraglichen Verschwiegenheitspflichten, die schutzwürdigen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen und Institute sowie die möglichen Gefahren für die Funktionsfähigkeit der Aufsichtsbehörden und für die Gesamtwirtschaft verweigern beziehungsweise nicht öffentlich geben durfte. Andere gleichwertige verfassungsrechtliche oder parlamentarisch-politische Handlungsmöglichkeiten bestehen nicht.

180

2. Das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers zu 4. ist hingegen entfallen.

181

a) Das Ausscheiden eines Antragstellers aus dem Deutschen Bundestag führt grundsätzlich zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses im Organstreitverfahren, wenn und weil sich ein solcher oder ein ähnlicher Streit zwischen den Beteiligten nicht wiederholen kann, es sei denn, dass ein sonstiges schutzwürdiges Interesse an der Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage besteht (vgl. BVerfGE 87, 207 <209>; vgl. auch BVerfGE 102, 224 <232>; 119, 302 <307 f.>, allerdings mit der Besonderheit, dass zwischenzeitlich auch die jeweils angegriffene Norm geändert worden war; siehe BVerfGE 136, 190 <192 ff. Rn. 4 ff.> zum Ausscheiden des Antragsgegners aus dem Bundestag).

182

b) Ein subjektives (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse (vgl. BVerfGE 119, 302 <308>) liegt in der Person des Antragstellers zu 4. nicht vor. Im Verhältnis zwischen diesem und der Antragsgegnerin besteht keine Wiederholungsgefahr (vgl. BVerfGE 119, 302 <308>; 136, 190 <193 Rn. 7> m.w.N.), weil nicht zu erwarten ist, dass der Antragsteller alsbald wieder ein Bundestagsmandat erwirbt.

183

Auch kann der Antragsteller zu 4. aus dem Umstand, dass ihm - öffentlichkeitswirksam - Unrecht widerfahren sein könnte, nichts für sich herleiten. Denn ein "bloßes Rehabilitationsinteresse" genügt - anders als bei Grundrechtsverletzungen - nicht, um das Bedürfnis einer retrospektiven Feststellung von Rechtsverstößen zu begründen (vgl. BVerfGE 136, 190 <192 f. Rn. 6>).

184

Überdies hat der Antragsteller zu 4. keine präjudizielle Bedeutung der erstrebten Entscheidung für andere Rechtsverhältnisse geltend gemacht.

185

3. Auch die spätere Beantwortung beziehungsweise die Herabstufung des Geheimhaltungsgrades der Antworten hat das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen lassen.

186

a) Soweit die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung mitteilt, bei erneuter Durchsicht und Prüfung der Antworten festgestellt zu haben, dass Frage 35 nicht nur nicht öffentlich beantwortet, sondern eine Antwort gänzlich unterblieben sei, und sodann der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen mit Schreiben vom 9. Oktober 2012 an den Antragsteller zu 1. erklärt habe, dass nunmehr die Übersendung der Antwort an die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages veranlasst worden sei, ist dem zu entnehmen, dass sie ihre eigene Vorgehensweise im Nachhinein nicht mehr als zulässig ansieht.

187

Dem ursprünglichen Begehr der Fragesteller wurde damit aber gleichwohl nicht vollständig entsprochen. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht zum einen fort, soweit die Antwort nicht öffentlich gegeben worden ist (siehe unten Rn. 190). Zum andern würde es erst dann entfallen, wenn die Antragsgegnerin über die bloße Ergänzung der Antworten hinaus auch die streitige Verpflichtung zur öffentlichen Beantwortung der Fragen nicht mehr in Abrede stellte. Eine Verpflichtung zur Beantwortung der Fragen hat die Antragsgegnerin bislang nicht anerkannt. Auch wenn man die Rechtsverletzung als abgeschlossen betrachten und für diesen Fall ein besonderes "Fortsetzungsfeststellungsinteresse" für das Organstreitverfahren fordern wollte, bestünde ein solches in Form einer Wiederholungsgefahr und eines objektiven Klarstellungsinteresses (vgl. BVerfGE 121, 135 <152>; 131, 152 <194>; vgl. auch BVerfGE 137, 185 <230 Rn. 126 f.> zur angekündigten Änderung der Antwortpraxis).

188

b) Soweit die Antragsteller in der Antragsschrift ausgeführt haben, die Antragsgegnerin habe nach Bekanntwerden der Einleitung des Organstreitverfahrens die "Beantwortung der Kleinen Anfragen in Bundestagsdrucksache von ˛VS-geheim' in ˛VS-vertraulich' durch eine Mitteilung des Bundesfinanzministeriums v. 2.2.2011" geändert, haben sie diese Mitteilung nicht vorgelegt und nicht näher angegeben, um welche Antworten es sich hierbei konkret gehandelt hat. Es bleibt daher unklar, in Bezug auf welche Antworten eine Herabstufung der Geheimhaltungsstufe erfolgt sein soll.

189

Darauf kommt es jedoch für das Rechtsschutzbedürfnis nicht an. Zwar unterliegen als "geheim" eingestufte Informationen und Dokumente nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages strengeren Regelungen für die Einsichtnahme und Weitergabe. Die Antragsteller sehen sich aber bereits durch die Einstufung als solche in ihrem parlamentarischen Fragerecht verletzt. Ihnen geht es darum, dass sie Informationen, die durch die Bundesregierung mit einem Geheimhaltungsgrad versehen wurden, nicht "in den öffentlichen Meinungsbildungsprozess überspielen" können. Damit handele es sich praktisch weiterhin um Wissen, an das sich kein politisches Handeln anschließen könne.

190

Durch eine etwaige Änderung des Geheimhaltungsgrades ohne dessen Aufhebung entfällt das Rechtsschutzinteresse daher nicht.

VI.

191

Die Antragsteller haben entsprechend § 64 Abs. 2 BVerfGG die Bestimmungen des Grundgesetzes bezeichnet, gegen die die beanstandeten Maßnahmen ihrer Ansicht nach verstoßen.

VII.

192

Der am 18. März 2011 eingegangene Antrag wahrt die Sechsmonatsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG. Die Antragsteller rügen Antworten der Antragsgegnerin vom 19. Oktober 2010 und 30. November 2010 (Antrag zu 3.), vom 30. Dezember 2010 (Antrag zu 1.) und vom 27. Januar 2011 (Antrag zu 2.).

VIII.

193

Die Bundesregierung ist die richtige Antragsgegnerin. Ihre zwischenzeitliche Neukonstituierung ist unerheblich, da hierdurch ihre Organidentität nicht berührt wird.

C.

194

Die Anträge sind - soweit zulässig - überwiegend begründet.

I.

195

1. Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folgt ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; stRspr). Aus dem Frage- und Interpellationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der Bundesregierung die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft so mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit des Parlaments (vgl. zum Ganzen BVerfGE 13, 123 <125>; 57, 1 <5>; 105, 252 <270>; 105, 279 <306>; 124, 161 <187 ff.>; 137, 185 <230 f. Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 85).

196

a) Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine vollständige Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf die politische Machtverteilung, das Ineinandergreifen der drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 3, 225 <247>; 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>; 137, 185 <231 Rn. 130>; 139, 194 <223 f. Rn. 105>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 86). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereich unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <223 f. Rn. 105>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 86).

197

Die Kontrollfunktion ist zugleich Ausdruck der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>; 137, 185 <232 Rn. 131>; 139, 194 <224 Rn. 106>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 87).

198

Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung hergestellt. Das "Ausgehen" der Staatsgewalt vom Volk muss für das Volk wie auch für die Staatsorgane jeweils konkret erfahrbar und praktisch wirksam sein. Es muss ein hinreichender Gehalt an demokratischer Legitimation erreicht werden, ein bestimmtes Legitimationsniveau (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <67>; 107, 59 <87>; 130, 76 <124>; 137, 185 <232 Rn. 131>; 139, 194 <224 f. Rn. 107>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 87). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen ihren Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung (vgl. BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>; 137, 185 <232 f. Rn. 131>; 139, 194 <225 Rn. 107>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 87).

199

Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (vgl. BVerfGE 130, 76 <128>; 137, 185 <233 Rn. 132>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 88).

200

b) Der parlamentarische Informationsanspruch ist auf Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>). Verhandeln von Argument und Gegenargument, öffentliche Debatte und öffentliche Diskussion sind wesentliche Elemente des demokratischen Parlamentarismus (vgl. BVerfGE 70, 324 <355>; vgl. auch BVerfGE 130, 318 <344>; siehe ferner BVerfGE 84, 304 <329>).

201

Das im parlamentarischen Verfahren gewährleistete Maß an Öffentlichkeit der Auseinandersetzung und Entscheidungssuche eröffnet nicht nur Möglichkeiten eines Ausgleichs widerstreitender Interessen, die bei einem weniger transparenten Verfahren sich so nicht ergäben (vgl. BVerfGE 70, 324 <355> unter Verweis auf BVerfGE 40, 237 <249>). Der Grundsatz der Parlamentsöffentlichkeit ermöglicht auch die Kontrolle durch die Bürger und dient damit der effektiven Verantwortlichkeit des Parlaments gegenüber dem Wähler (vgl. BVerfGE 125, 104 <124>; 130, 318 <344>). Diese parlamentarische Verantwortung gegenüber den Wählern ist ein zentraler Mechanismus des effektiven Einflusses des Volkes auf die Ausübung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 83, 60 <71 f.>; 93, 37 <66>). Eine verantwortliche Teilhabe der Bürger an der politischen Willensbildung des Volkes setzt voraus, dass der Einzelne von den zu entscheidenden Sachfragen, von den durch die verfassten Staatsorgane getroffenen Entscheidungen, Maßnahmen und Lösungsvorschlägen genügend weiß, um sie beurteilen, billigen oder verwerfen zu können (vgl. BVerfGE 44, 125 <147>).

202

Gegebenenfalls sind allerdings Formen der Informationsvermittlung zu suchen, die geeignet sind, das Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen der Regierung zu befriedigen (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>). Auch Grundrechte Betroffener können die Prüfung gebieten, ob eine öffentliche Erörterung gerechtfertigt ist oder ob die Grundrechte bestimmte Vorkehrungen parlamentarischer Geheimhaltung erfordern (vgl. BVerfGE 77, 1 <47>; 124, 78 <125>).

203

aa) So ist die Übernahme von Aufgaben des Plenums durch geheim tagende parlamentarische Untergremien in bestimmten Fällen möglich (vgl. BVerfGE 70, 324 <364>; 130, 318 <359 ff.>), allerdings muss dies auf wenige Ausnahmen mit eng begrenztem Anwendungsbereich beschränkt bleiben und zwingend erforderlich sein (vgl. BVerfGE 130, 318 <360>).

204

Es ist zu beachten, dass der Deutsche Bundestag seine Repräsentationsfunktion grundsätzlich in seiner Gesamtheit durch die Mitwirkung aller seiner Mitglieder wahrnimmt (BVerfGE 130, 318 <342>; vgl. auch schon BVerfGE 44, 308 <316>; 56, 396 <405>; 80, 188 <218>; ferner BVerfGE 131, 230 <235>). Daher ist jeder Abgeordnete berufen, an der Arbeit des Bundestages, seinen Verhandlungen und Entscheidungen teilzunehmen (vgl. BVerfGE 130, 318 <342>). Soweit Abgeordnete durch die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf einen beschließenden Ausschuss von der Mitwirkung an der parlamentarischen Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden, ist dies nur zum Schutz anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang und unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig (vgl. BVerfGE 131, 230 <235>). Es bedarf eines besonderen Grundes, der durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht ist, das der Gleichheit der Abgeordneten die Waage halten kann (vgl. BVerfGE 131, 230 <235>; 137, 185 <241 f. Rn. 151>).

205

Überträgt der Deutsche Bundestag zur Wahrung anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang einem von ihm aufgrund seiner Selbstorganisationsbefugnis eingerichteten Ausschuss oder einem anderen Untergremium einzelne der von ihm zu erfüllenden Aufgaben zur selbständigen und plenarersetzenden Wahrnehmung und bestehen dafür Gründe, die dem Gebot der gleichberechtigten Mitwirkung aller Abgeordneten die Waage halten, darf die Beschränkung der Statusrechte der gewählten Abgeordneten und die damit verbundene Ungleichbehandlung nicht weiter reichen, als dies unbedingt erforderlich ist (vgl. BVerfGE 130, 318 <353>). Auch Belange des Geheimschutzes im Interesse verfassungsrechtlich geschützter Güter sind als zwingende Gründe des Staatswohls grundsätzlich geeignet, die Einschränkung von Statusrechten der Abgeordneten zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 70, 324 <358 f.>; 130, 318 <359>; vgl. auch BVerfGE 131, 230 <235>). Die Staatspraxis kennt das aus elf Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (BVerfGE 130, 318 <359>). Zudem hat es das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass über die Wirtschaftspläne der Geheimdienste des Bundes nicht das Plenum, sondern ein wesentlich kleineres, geheim verhandelndes und ausschließlich zu diesem Zwecke gebildetes Gremium berät, weil aus der Vielzahl der Informationen, die bei der Beratung bekannt werden, mosaikartig auch ein Bild von den konkreten Operationen der Geheimdienste gewonnen werden und dies darüber hinaus zur Gefährdung von Personen führen kann (BVerfGE 70, 324 <364>). Ebenso wie bei militärischen Geheimnissen oder sonstigen aus Gründen des Staatsschutzes geheim zu haltenden Informationen kann die Geheimschutzordnung möglicherweise auch dann keine ausreichende Vorsorge bieten, wenn über Maßnahmen entschieden werden muss, bei denen nicht nur der Inhalt der Beratung, sondern auch die Tatsache der Beratung und der Beschlussfassung an sich geheim gehalten werden müssen, um den Erfolg einer Maßnahme nicht von vornherein unmöglich zu machen (vgl. BVerfGE 130, 318 <362>; 137, 185 <242 f. Rn. 152>).

206

bb) Auch die Beantwortung parlamentarischer Anfragen unter Anwendung der Geheimschutzordnung kann geeignet sein, als milderes Mittel einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten und konfligierenden Rechtsgütern zu schaffen.

207

Das Bundesverfassungsgericht erkennt die Anwendung der Geheimschutzordnung grundsätzlich als ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse an (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 124, 78 <124 f.>; 130, 318 <362>; 131, 152 <208>; 137, 185 <264 Rn. 199>; 143, 101 <143 Rn. 139>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 97). Diese Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (vgl. BVerfGE 143, 101 <143 Rn. 139>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 98).

208

Eine systematische Gesamtschau einer Reihe von Grundgesetzbestimmungen - etwa Art. 42 Abs. 1 Satz 2, Art. 44 Abs. 1 Satz 2, Art. 45a Abs. 3 und Art. 53a GG - zeigt, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit in der Verfassung als eine Möglichkeit zur Wahrung von Geheimschutzinteressen unter gleichzeitiger Einbeziehung des Parlaments angelegt ist. Die Anwendung der Geheimschutzordnung konfligiert allerdings mit der Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments. Die genannten Ausnahmevorschriften ändern nichts daran, dass die Öffentlichkeit der Beratungen nach Art. 42 Abs. 1 GG für die parlamentarische Entscheidungsfindung grundsätzlich unverzichtbar ist. Die Informationsrechte des Parlaments dürfen nicht dazu führen, dass sich über den parlamentarischen Geheimnisschutz die Arbeits- und Funktionsweise des Parlaments in den wichtigen Bereichen grundlegend verschiebt und diese spezifische Öffentlichkeitsfunktion ausgeblendet wird (vgl. BVerfGE 137, 185 <264 Rn. 199>).

209

Eine unter Bedingungen der Geheimschutzordnung erlangte Information können die Parlamentarier nicht in den öffentlichen Meinungsbildungsprozess überspielen. Wenn das Parlament unter Anwendung der Geheimschutzordnung informiert wird, ist daher zwar formal der Zurechnungszusammenhang zwischen Regierung und Parlament gewahrt. Der weitere Verantwortungszusammenhang zum Volk ist unterbrochen. Der Wahlvorgang sichert die Kontrolle des Volkes über die Benutzung der Macht durch die politische Mehrheit (BVerfGE 5, 85 <199>). Ohne die entsprechende Information kann die Wählerschaft weder das Handeln der Regierung noch die parlamentarische Reaktion auf die erlangte Information zur Kenntnis nehmen und bewerten. Beides ist aber für die demokratische Legitimation durch den Wahlakt essentiell (vgl. BVerfGE 137, 185 <264 Rn. 200>).

210

Aber auch im Verhältnis zwischen Regierung und Parlament wird der Kontrollzusammenhang durch die Anwendung der Geheimschutzordnung abgeschwächt. Öffentlichkeit ist essentiell für die Ausübung der Kontrollfunktion des Parlaments. Während die zur Vorbereitung von Gesetzgebung begehrten Informationen dem Parlament auch dann den gewünschten Sachverstand verschaffen und damit ihren Zweck erfüllen, wenn sie nicht öffentlich sind, verhält es sich mit Informationen zum Zweck der politischen oder der Rechtskontrolle anders. In der politischen Realität ist das Fragerecht in seiner Kontrolldimension ganz überwiegend ein Mittel der Opposition, welches zu seiner Wirksamkeit grundsätzlich auf Öffentlichkeit angewiesen ist. Fällt das Öffentlichkeitselement weg, so scheidet in der Praxis zumindest eine sanktionierende Kontrolle aus (vgl. BVerfGE 137, 185 <264 f. Rn. 201>).

211

2. Der Informationsanspruch des Deutschen Bundestages und der einzelnen Abgeordneten besteht gleichwohl nicht grenzenlos.

212

a) Das verfassungsrechtlich garantierte parlamentarische Frage- und Informationsrecht unterliegt Grenzen, die, auch soweit sie einfachgesetzlich geregelt sind, ihren Grund im Verfassungsrecht haben müssen (vgl. BVerfGE 124, 78 <118>; 143, 101 <135 Rn. 111> zum Beweiserhebungsrecht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses).

213

Die vertraglich vereinbarten oder einfachgesetzlichen Verschwiegenheitsregelungen des Kreditwesengesetzes oder Aktiengesetzes sind daher für sich genommen nicht geeignet, das Frage- und Informationsrecht zu beschränken. Dies gilt auch für die Richtlinien, die der Deutsche Bundestag selbst in seinem Geschäftsordnungsrecht für parlamentarische Anfragen zu öffentlichen Unternehmen in Privatrechtsform erlassen hat. Einfachgesetzliche Regelungen können aber insoweit von Relevanz sein, als sie einen sich möglicherweise innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bewegenden Ausgleich konfligierender (Verfassungs-)Rechte darstellen.

214

b) Da das Interpellationsrecht aus der Kontrollfunktion des Parlaments herrührt und zugleich Ausdruck der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament ist, kann sich der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen. Insoweit fehlt es an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag (vgl. BVerfGE 124, 161 <189, 196>; 137, 185 <233 Rn. 134>; 139, 194 <225 Rn. 107>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 90).

215

aa) Dem Verantwortungsbereich der Bundesregierung unterfällt die Tätigkeit der ihr unmittelbar nachgeordneten Behörden einschließlich der diesen von Dritten zur Verfügung gestellten Informationen, wenn und soweit sie für Entscheidungen oder sonstige Verwaltungsvorgänge relevant sind (vgl. BVerfGE 124, 161 <196 f.> zum Bundesamt für Verfassungsschutz; vgl. BVerfGE 139, 194 <225 ff. Rn. 108 ff.> zur Bundespolizei; vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 90 zu den Nachrichtendiensten des Bundes). Der Verantwortungsbereich der Bundesregierung umfasst demnach nicht nur das Regierungshandeln im engeren Sinn, sondern darüber hinaus auch die Regierungsverantwortung. Erfasst sind sowohl die von der Regierung selbst wahrgenommenen Aufgaben als auch der von ihr verantwortete Aufgabenbereich, mithin der Aufgabenbereich nachgeordneter Behörden (vgl. Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 26. Juli 2006 - Vf. 11-IVa-05 -, juris, Rn. 421 ff.; ebenso Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 70 ff. zur Verantwortlichkeit der bayerischen Staatsregierung für die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz; Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. August 2008 - 7/07 -, juris, Rn. 246).

216

bb) Die Tätigkeiten von mehrheitlich oder vollständig in der Hand des Bundes befindlichen Unternehmen in Privatrechtsform unterfallen ebenfalls dem Verantwortungsbereich der Bundesregierung.

217

(1) Dies ergibt sich aus der Legitimationsbedürftigkeit erwerbswirtschaftlicher Betätigung der öffentlichen Hand. Da das parlamentarische Fragerecht in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch als Instrument und Erfordernis der effektiven Herstellung demokratischer Legitimation angesehen wird, ist der Begriff der Verantwortlichkeit der Bundesregierung im Kontext demokratischer Legitimation zu verstehen.

218

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedarf alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter der demokratischen Legitimation. Es muss sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 77, 1 <40>; 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 107, 59 <87>; 130, 76 <123>).

219

Ein solcher demokratischer Legitimationszusammenhang ist auch dann erforderlich, wenn sich der Staat bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben eines - vollständig oder mehrheitlich - in staatlicher Hand befindlichen Unternehmens in Privatrechtsform bedient. Die Mitglieder des Vertretungsorgans eines privatrechtlichen Unternehmens, an dem der Staat mehrheitlich beteiligt ist, unterliegen hinsichtlich ihrer Unternehmensführung besonderer Beobachtung der öffentlichen Hand, denn diese hat dem Volk gegenüber auch eine Mehrheitsbeteiligung an einem privatrechtlichen Unternehmen zu verantworten. Es ist Aufgabe des Parlaments, die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Regierung auch hinsichtlich der Betätigung der öffentlichen Hand im Rahmen ihrer Beteiligung an privatwirtschaftlichen Unternehmen zu kontrollieren (vgl. BVerfGE 98, 145 <162 f.>).

220

(2) Bei der Aufgabenwahrnehmung in privatrechtlichen Organisationsformen ist die Verantwortlichkeit der Regierung nicht auf die ihr gesetzlich eingeräumten Einwirkungs- und Kontrollrechte beschränkt. Die Reichweite des Fragerechts kann nicht mit der Reichweite bestehender Ingerenzbefugnisse oder mit dem bestimmenden Einfluss der Regierung gleichgesetzt werden. Die Regierung ist dem Parlament nicht nur für ihre Amtsführung im Sinne einer Rechenschafts- und Einstandspflicht für eigenes Handeln verantwortlich (so aber Landesverfassungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. Januar 2000 - 6/99 -, NVwZ 2000, S. 671 <672>; Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 26. Juli 2006 - Vf. 11-IVa-05 -, juris, Rn. 421 ff.; Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Beschluss vom 5. November 2009 - 133-I-08 -, juris, Rn. 107 ff.).

221

Zwar kann die in eine ununterbrochene Legitimationskette eingebundene Ministerialverwaltung dem jeweiligen öffentlichen oder gemischtwirtschaftlichen Unternehmen demokratische Legitimation nur vermitteln, wenn sie auf dessen Tätigkeit Einfluss hat. Aus dem Erfordernis demokratischer Legitimation staatlichen Handelns (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG) folgt daher eine Pflicht des Staates, sich hinreichende Einwirkungsrechte auf das Unternehmen vorzubehalten (vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 129 ff.; Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat - Genese, aktuelle Bedeutung und funktionelle Grenzen eines Bauprinzips der Exekutive, 1991, S. 258 f.; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip - Eine Studie zur verfassungsrechtlichen Legitimation der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand, 2000, S. 171 ff., 225 ff.; vgl. auch schon Ipsen, JZ 1955, S. 593 <598 f.>).

222

Die Art der erforderlichen Einwirkungsrechte ist damit aber nicht vorgegeben. Demokratische Legitimation kann sowohl organisatorisch-personell, also durch eine ununterbrochene, auf das Volk zurückzuführende Legitimationskette für die mit der Wahrnehmung staatlicher Angelegenheiten betrauten Amtswalter, als auch sachlich-inhaltlich über eine strikte Bindung an die von der Volksvertretung erlassenen Gesetze oder durch eine sanktionierte demokratische Verantwortlichkeit, einschließlich der dazugehörigen Kontrolle, für die Wahrnehmung der zugewiesenen Aufgaben hergestellt werden. Insgesamt muss ein hinreichender Gehalt an demokratischer Legitimation erreicht werden, ein bestimmtes Legitimationsniveau (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <67>; 107, 59 <87>; 130, 76 <124>; 137, 185 <232 f. Rn. 131>; 139, 194 <224 f. Rn. 107>).

223

Das erreichte Maß an demokratischer Legitimation bei Aktiengesellschaften, bei denen der Bund Alleineigentümer ist, hängt sowohl von der Auswahl, Bestellung und Abberufung der entsandten Vertreter (organisatorisch-personelle Legitimation) als auch von den diese treffenden Berichtspflichten und ihrer Weisungsgebundenheit (sachlich-inhaltliche Legitimation) ab.

224

Die Mitglieder des Vorstandes werden vom Aufsichtsrat bestellt. Die Mitglieder des Aufsichtsrats werden wiederum durch die mit Vertretern des Bundes besetzte Hauptversammlung gewählt oder durch den Bund entsandt (§ 101 Abs. 2 AktG) und damit allein nach dem Willen der Bundesregierung bestellt. Damit besitzen die Mitglieder des Vorstandes einer solchen Aktiengesellschaft nach den für die funktionale Selbstverwaltung entwickelten Kriterien in personeller Hinsicht die volle demokratische Legitimation, weil sie - gemäß dem "Prinzip der doppelten Mehrheit" - vom Aufsichtsrat bestellt werden (vgl. BVerfGE 107, 59 <88>), der seinerseits mehrheitlich mit Vertretern besetzt ist, die vom Bund als Alleinaktionär in der Hauptversammlung bestimmt worden sind. Besonders augenfällig ist die personelle Legitimation, wenn hohe Regierungsbeamte in den Aufsichtsrat entsandt werden.

225

Hinzu kommen - wenn auch beschränkte - Prüfungs- und Aufsichtsrechte des vom Bund personell beherrschten Aufsichtsrats (§ 111 AktG), wobei die Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt worden sind, gemäß § 394 AktG - bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Rahmen des Berichtszwecks - frei sind, (jedenfalls) den die Beteiligung verwaltenden Stellen der Ministerialverwaltung (vgl. § 395 Abs. 1 AktG) zu berichten. Zwar trifft es zu, dass die Mitglieder des Aufsichtsrates dem Interesse der Gesellschaft verpflichtet sind und im Grundsatz ohne Bindung an Weisungen agieren müssen (vgl. zum aktienrechtlichen Grundsatz BGHZ 36, 296 <306>; BGHZ 169, 98 <106 Rn. 18>; Habersack, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl. 2014, § 111 Rn. 136 ff. m.w.N.). Die Wahl privater Unternehmensformen für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben kann daher zu einem Kontroll-, Steuerungs- und Legitimationsdefizit führen. Dies bedeutet aber nicht, dass das Gesellschaftsrecht an die Steuerungsbedürfnisse des Staates als Anteilseigner anzupassen ist, sondern dass dieser selbst die Rechtsform für die ihm obliegende Aufgabenwahrnehmung zu wählen hat, die die erforderlichen Einwirkungsmöglichkeiten gewährleistet. Reichen die gesellschaftsrechtlichen Einwirkungsrechte nicht aus, um eine parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung für die Geschäftstätigkeit einer vollständig vom Bund gehaltenen Aktiengesellschaft sicherzustellen, beschränkt sich der verfassungsrechtliche Verantwortungsbereich der Regierung nicht etwa auf die Ausübung der gesellschaftsrechtlichen Befugnisse, die der Regierung aufgrund der Aktionärsstellung des Bundes zustehen, oder auf die Wahrnehmung einer etwaigen Gewährleistungsverantwortung. Wo - wie im Bereich funktionaler Selbstverwaltung, aber auch mit Blick auf öffentliche Unternehmen - die Möglichkeiten der Einflussnahme hinter dem fachaufsichtlichen Instrumentarium aus umfassenden Informations- und unbeschränkten Weisungsrechten zurückbleiben, kann sich die Regierung nicht ihrer Verantwortung begeben.

226

Auf die Frage, ob der Legitimationszusammenhang dann den Anforderungen des Demokratieprinzips genügt, kommt es nicht an. Denn eine parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung und damit eine Antwortpflicht bleibt - ähnlich wie bei Handlungen jenseits der rechtlichen (Zuständigkeits-)Grenzen - auch bei einer defizitären Legitimationskette bestehen.

227

c) Weitere Grenzen des Auskunftsanspruchs ergeben sich aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214>; 124, 78 <120>; 131, 152 <206>; 137, 185 <233 Rn. 135 ff.>; 143, 101 <136 Rn. 117>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 91).

228

Der Grundsatz der Gewaltenteilung zielt auf Machtverteilung und die sich daraus ergebende Mäßigung staatlicher Herrschaft. In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient er zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (Art. 20 Abs. 3 GG) (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; 137, 185 <233 Rn. 135>). In der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist die Teilung der Gewalten nicht als absolute Trennung realisiert und geboten. Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (vgl. BVerfGE 9, 268 <279 f.>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung (vgl. BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>; 137, 185 <233 Rn. 135>; 143, 101 <136 f. Rn. 118>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 91).

229

Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dazu gehört zunächst die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 137, 185 <234 Rn. 136>; 143, 101 <137 Rn. 119>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 92). Bei dem einer konkreten Positionierung vorgelagerten Willensbildungsprozess der Bundesregierung handelt es sich um einen von verschiedenen innen- und außenpolitischen sowie innerorganschaftlichen Belangen, Erwägungen und Entwicklungen abhängigen Vorgang, der den Bereich der Bundesregierung noch nicht verlässt und über den der Bundestag von Verfassungs wegen grundsätzlich (noch) nicht zu informieren ist (BVerfGE 137, 185 <235 Rn. 136> mit Verweis auf BVerfGE 131, 152 <206>). Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen. Diese Gefahr besteht bei Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen regelmäßig, solange die Entscheidung noch nicht getroffen ist. Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (vgl. BVerfGE 143, 101 <137 Rn. 120>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 93).

230

Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung, sondern wirkt über den Zeitpunkt einer Entscheidung hinaus (vgl. BVerfGE 143, 101 <137 Rn. 121>). Zwar scheiden parlamentarische Informationsrechte in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge nicht grundsätzlich immer dann aus, wenn es sich um Akte aus dem Bereich der Willensbildung der Regierung, einschließlich der vorbereitenden Willensbildung innerhalb der Ressorts und der Abstimmung zwischen ihnen handelt; grundsätzlich können auch Informationen aus dem Bereich der regierungsinternen Willensbildung dem parlamentarischen Zugriff unterliegen (vgl. BVerfGE 137, 185 <249 Rn. 168>).

231

Allerdings würde ein - sei es auch erst nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses einsetzender - schrankenloser parlamentarischer Anspruch auf Informationen aus diesem Bereich vor allem durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die das Gewaltenteilungsprinzip ihr zuweist (vgl. BVerfGE 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Informationen aus dem Vorfeld von Regierungsentscheidungen sind danach zwar nach Abschluss der jeweiligen Entscheidung nicht mehr im selben Maße geschützt wie in der Phase, in der die Kenntnisnahme Dritter diesen einen unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidung verschaffen würde (vgl. BVerfGE 137, 185 <249 f. Rn. 169>). Jedoch sind auch bei abgeschlossenen Vorgängen Fälle möglich, in denen die Regierung geheim zu haltende Tatsachen aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung mitzuteilen nicht verpflichtet ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <216>; 124, 78 <121>; 137, 185 <250 Rn. 169>). Die Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs lassen sich in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände feststellen (vgl. BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>; 137, 185 <250 Rn. 169>). Die Notwendigkeit, hier zwischen gegenläufigen Belangen abzuwägen, entspricht der doppelten Funktion des Gewaltenteilungsgrundsatzes als Grund und Grenze parlamentarischer Kontrollrechte (vgl. BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>; 137, 185 <250 Rn. 169>). In ihr kommt zum Ausdruck, dass die parlamentarische Kontrolle der Regierung einerseits gerade dazu bestimmt ist, eine demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechende Ausübung der Regierungsfunktion sicherzustellen, andererseits aber diese Funktion auch stören kann und daher der Begrenzung auf ein funktionsverträgliches Maß bedarf (vgl. BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>; 137, 185 <250 Rn. 169>).

232

Als funktioneller Belang fällt bei abgeschlossenen Vorgängen nicht mehr die Entscheidungsautonomie der Regierung, sondern vor allem die Freiheit und Offenheit der Willensbildung innerhalb der Regierung ins Gewicht. Unter diesem Aspekt sind Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen (vgl. BVerfGE 110, 199 <221>; 124, 78 <122 f.>; 137, 185 <250 Rn. 170>).

233

d) Ferner können das Fragerecht der Abgeordneten und die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten haben (vgl. BVerfGE 67, 100 <142>; 76, 363 <387>; 77, 1 <46>; 124, 78 <125>; 137, 185 <243 Rn. 153>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 100).

234

aa) Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offen gelegt oder verlangt er deren Offenlegung, so ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt (vgl. BVerfGE 115, 205 <230>; 128, 1 <56>; 137, 185 <243 Rn. 154>). Dabei ist das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offen steht (vgl. BVerfGE 50, 290 <363>; 115, 205 <229>; 137, 185 <243 Rn. 154>; stRspr).

235

Das Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG schützt das berufsbezogene Verhalten einzelner Personen oder Unternehmen am Markt. Erfolgt die unternehmerische Tätigkeit nach den Grundsätzen des Wettbewerbs, wird die Reichweite des Freiheitsschutzes auch durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen (vgl. BVerfGE 105, 252 <265>; 115, 205 <229>; 137, 185 <243 Rn. 154>). Behindert eine den Wettbewerb beeinflussende staatliche Maßnahme eine juristische Person in ihrer beruflichen Tätigkeit, so stellt dies eine Beschränkung ihres Freiheitsrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG dar (vgl. BVerfGE 86, 28 <37>; 115, 205 <230>; 137, 185 <243 f. Rn. 154>). Denn durch eine Offenlegung kann die Ausschließlichkeit der Nutzung des betroffenen Wissens für den eigenen Erwerb beeinträchtigt werden. Wird exklusives wettbewerbserhebliches Wissen den Konkurrenten zugänglich, mindert dies die Möglichkeit, die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten. So können unternehmerische Strategien durchkreuzt werden. Auch kann ein Anreiz zu innovativem unternehmerischen Handeln entfallen, weil die Investitionskosten nicht eingebracht werden können, während gleichzeitig Dritte unter Einsparung solcher Kosten das innovativ erzeugte Wissen zur Grundlage ihres eigenen beruflichen Erfolgs in Konkurrenz mit dem Geheimnisträger nutzen (BVerfGE 115, 205 <230>; 137, 185 <244 Rn. 155>).

236

bb) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 78, 77 <84>; 84, 192 <194>; 96, 171 <181>; 103, 21 <32 f.>; 113, 29 <46>; 115, 320 <341>; 128, 1 <42>). Das Recht gewährt seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 67, 100 <143>; 84, 239 <279>; 103, 21 <33>; 115, 320 <341>; 128, 1 <42>). Ein Eingriff in dieses Recht liegt etwa vor, wenn die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag Auskunft über die Einkünfte von Bankmitarbeitern erteilt und diese dabei "bestimmbar" oder "identifizierbar" sind (vgl. BVerfGE 128, 1 <46>; BVerfGK 13, 336 <340>).

237

Juristische Personen sind über Art. 19 Abs. 3 GG ebenfalls Trägerinnen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, soweit es auf Art. 2 Abs. 1 GG gestützt ist (vgl. BVerfGE 118, 168 <202 f.>; 128, 1 <43>). Eine grundrechtlich erhebliche Gefährdungslage besteht allerdings nicht stets bereits deshalb, weil eine staatliche Stelle Kenntnisse erlangt, die einen Bezug zu einer bestimmten juristischen Person und ihrer Tätigkeit aufweisen (vgl. BVerfGE 118, 168 <204>). Die informationelle Maßnahme muss vielmehr die betroffene juristische Person einer Gefährdung hinsichtlich ihrer spezifischen Freiheitsausübung aussetzen (vgl. BVerfGE 118, 168 <204>).

238

cc) Inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts und juristische Personen des Privatrechts, die vollständig oder mehrheitlich vom Staat beherrscht werden, können sich nicht auf materielle Grundrechte berufen.

239

(1) Inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich nicht auf die materiellen Grundrechte berufen (vgl. BVerfGE 4, 27 <30>; 15, 256 <262>; 21, 362 <368 ff.>; 35, 263 <271>; 45, 63 <78>; 61, 82 <100 f.>; zuletzt BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. -, juris, Rn. 187). Das Fehlen ihrer Grundrechtsfähigkeit hat das Bundesverfassungsgericht auf eine Reihe verschiedener, sich zum Teil ergänzender Gründe gestützt. So könne der nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebundene Staat nicht gleichzeitig Adressat und Berechtigter von Grundrechten sein (vgl. BVerfGE 15, 256 <262>; 21, 362 <369 f.>). Auch bei selbständigen öffentlich-rechtlichen Organisationseinheiten handele es sich, vom Menschen und Bürger als dem ursprünglichen Inhaber der Grundrechte her gesehen, jeweils nur um eine besondere Erscheinungsform der einheitlichen Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 4, 27 <30>; 21, 362 <370>). Nur wenn die Bildung und Betätigung einer juristischen Person Ausdruck der freien Entfaltung von privaten, natürlichen Personen sei, wenn insbesondere der Durchgriff auf die hinter den juristischen Personen stehenden Menschen es als sinnvoll und erforderlich erscheinen lasse, sei es gerechtfertigt, juristische Personen als Grundrechtsinhaber anzusehen und sie kraft dessen auch in den Schutzbereich bestimmter materieller Grundrechte einzubeziehen (vgl. BVerfGE 21, 362 <369>; 61, 82 <101>; 68, 193 <206>). Die juristischen Personen öffentlichen Rechts stünden dem Staat bei Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben nicht in der gleichen grundrechtstypischen Gefährdungslage gegenüber wie der einzelne Grundrechtsträger (vgl. BVerfGE 45, 63 <79>; 61, 82 <102>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. -, juris, Rn. 188).

240

Abweichendes gilt für jene juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet sind oder ihm kraft ihrer Eigenart von vornherein zugehören, wie Rundfunkanstalten, Universitäten und deren Fakultäten (vgl. BVerfGE 31, 314 <321 f.>; 74, 297 <317 f.>; 93, 85 <93>; 107, 299 <309 f.>) oder Kirchen und sonstige öffentlich-rechtliche Weltanschauungsgemeinschaften (vgl. BVerfGE 19, 129 <132>; 30, 112 <119 f.>; 42, 312 <321 f.>; 70, 138 <160 f.>).

241

(2) Mit im Wesentlichen gleichen Erwägungen hat das Bundesverfassungsgericht auch juristischen Personen des Privatrechts, deren Anteile sich ausschließlich in den Händen des Staates befinden, die Grundrechtsfähigkeit im Hinblick auf materielle Grundrechte abgesprochen und sie der Grundrechtsbindung unterworfen, auch weil ansonsten die Frage der Grundrechtsfähigkeit der öffentlichen Hand in nicht geringem Umfang von der jeweiligen Organisationsform abhängig wäre (vgl. BVerfGE 45, 63 <79 f.>; 68, 193 <212 f.>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. -, juris, Rn. 190). Entsprechendes gilt für sogenannte gemischtwirtschaftliche Unternehmen, sofern der Staat mehr als 50 % der Anteile an diesen juristischen Personen des Privatrechts hält (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. -, juris, Rn. 190; entsprechend zur Frage der Grundrechtsbindung BVerfGE 128, 226 <244, 246 f.>).

242

(a) Für öffentliche Unternehmen in Privatrechtsform, die vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, ist anerkannt, dass die Grundrechtsbindung nicht nur den oder die Träger des jeweiligen Unternehmens trifft, sondern das Unternehmen selbst. Dies entspricht dem Charakter eines solchen Unternehmens als verselbständigter Handlungseinheit und stellt eine effektive Grundrechtsbindung unabhängig davon sicher, ob, wieweit und in welcher Form der oder die Eigentümer gesellschaftsrechtlich auf die Leitung der Geschäfte Einfluss nehmen können und wie - bei Unternehmen mit verschiedenen öffentlichen Anteilseignern - eine Koordination der Einflussrechte verschiedener öffentlicher Eigentümer zu gewährleisten wäre. Aktivitäten öffentlicher Unternehmen bleiben unabhängig von der Ausgestaltung der gesellschaftsrechtlichen Einflussrechte eine Form staatlicher Aufgabenwahrnehmung, bei der die Unternehmen selbst unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind (vgl. BVerfGE 128, 226 <245 f.>).

243

(b) Nichts anderes hat für gemischtwirtschaftliche Unternehmen, an denen sowohl private als auch öffentliche Anteilseigner beteiligt sind, zu gelten, wenn diese von der öffentlichen Hand beherrscht werden (vgl. BVerfGE 128, 226 <246>). Auch bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen erfasst die Frage der Grundrechtsbindung das jeweilige Unternehmen insgesamt und kann nur einheitlich beantwortet werden. Sie sind gleichfalls als verselbständigte Handlungseinheiten tätig. Das Kriterium der Beherrschung mit seiner Anknüpfung an die eigentumsrechtlichen Mehrheitsverhältnisse stellt nicht auf konkrete Einwirkungsbefugnisse hinsichtlich der Geschäftsführung ab, sondern auf die Gesamtverantwortung für das jeweilige Unternehmen. Anders als in Fällen, in denen die öffentliche Hand nur einen untergeordneten Anteil an einem privaten Unternehmen hält, handelt es sich dann grundsätzlich nicht um private Aktivitäten unter Beteiligung des Staates, sondern um staatliche Aktivitäten unter Beteiligung von Privaten. Für sie gelten unabhängig von ihrem Zweck oder Inhalt die allgemeinen Bindungen staatlicher Aufgabenwahrnehmung. Bei der Entfaltung dieser Aktivitäten sind die öffentlich beherrschten Unternehmen unmittelbar durch die Grundrechte gebunden und können sich umgekehrt gegenüber Bürgern nicht auf eigene Grundrechte stützen (vgl. BVerfGE 128, 226 <246 f.>; vgl. auch BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 u.a. -, juris, Rn. 204).

244

dd) Das verfassungsmäßige Frage- und Informationsrecht des Bundestages und die damit verbundene Auskunftspflicht der Bundesregierung stellen eine hinreichende Grundlage für einen in der Auskunftserteilung liegenden Grundrechtseingriff dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt in der Aufgabenzuweisung grundsätzlich auch eine Ermächtigung zum Informationshandeln der Regierung (vgl. BVerfGE 105, 252 <268>; 105, 279 <301>). Einer weitergehenden gesetzlichen Regelung bedarf es insoweit nicht.

245

Hat der Gesetzgeber aber einen weg zur Lösung des Konflikts zwischen dem Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten einerseits und dem Schutz der Grundrechte der betroffenen Unternehmen andererseits durch eine einfachgesetzliche Regelung vorgezeichnet, ist sein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Überlässt er die Entscheidung hingegen den Organen der Rechtsanwendung, so sind deren Eingriffshandlungen verfassungsrechtlich darauf zu überprüfen, ob die zugrunde gelegten Annahmen und Abwägungsregeln sowie ihre Abwägung im konkreten Fall den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, das heißt auch, ob sie innerhalb des den Entscheidungsträgern gewährten Einschätzungsspielraums verbleiben und zur Herstellung praktischer Konkordanz im konkreten Streitfall führen (vgl. BVerfGE 137, 185 <258 Rn. 185> mit Verweis auf BVerfGE 115, 205 <233 f.>).

246

e) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs des Bundestages bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl), das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123>; 137, 185 <240 Rn. 149>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 95).

247

Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Frage- und Informationsrecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls (vgl. BVerfGE 124, 78 <123>; 137, 185 <204 Rn. 149>). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bundestag in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Aufgabenerfüllung des Bundestages festgelegt hat (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 77, 1 <48>; vgl. auch BVerfGE 70, 324 <359>). Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt. Diese Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>; 143, 101 <143 Rn. 139>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 97 f.). Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheim zu halten sind (vgl. BVerfGE 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Mithin kann die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden. Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 137, 185 <241 Rn. 149>; 143, 101 <143 Rn. 138>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 98).

248

Die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>; 137, 185 <241 Rn. 150>). Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 137, 185 <241 Rn. 150>).

249

f) Das parlamentarische Informationsrecht steht schließlich unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit. Es sind alle Informationen mitzuteilen, über die die Regierung verfügt oder die sie mit zumutbarem Aufwand in Erfahrung bringen kann. Da sich der parlamentarische Informationsanspruch im Hinblick auf die mögliche politische Bedeutung auch länger zurückliegender Vorgänge auf Fragen erstreckt, die den Verantwortungsbereich früherer Bundesregierungen betreffen, können die Bundesregierung im Rahmen des Zumutbaren zudem Rekonstruktionspflichten treffen (vgl. BVerfGE 124, 161 <197>).

250

Die im Bereich der Regierung vorhandenen Informationen sind nicht auf die Gesamtheit der vorhandenen Dokumente beschränkt, sondern umfassen auch das persönliche, nicht aktenkundige Wissen der handelnden Personen. Eine erschwerte Zugänglichkeit oder Auswertbarkeit von Quellen mag im Einzelfall dazu führen, dass sich die Regierung auf eine Unzumutbarkeit fristgerechter Beantwortung berufen kann; sie vermögen aber nicht generell die Beschränkung der Antwortpflicht auf dokumentierte Gegenstände zu rechtfertigen (vgl. Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Beschluss vom 5. November 2009 - 133-I-08 -, juris, Rn. 102; Hamburgisches Verfassungsgericht, Urteil vom 21. Dezember 2010 - HVerfG 1/10 -, juris, Rn. 77). Die Bundesregierung muss daher alle ihr zu Gebote stehenden Möglichkeiten der Informationsbeschaffung ausschöpfen (vgl. Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. August 2008 - 7/07 -, juris, Rn. 252).

251

3. Angesichts der hohen Bedeutung des parlamentarischen Fragerechts kann von dem Fragesteller eine sorgfältige Formulierung seiner Fragen erwartet werden (vgl. BVerfGE 137, 185 <229 Rn. 124>). Wo allerdings Ungenauigkeiten bei der Formulierung der Frage erkennbar aus einem Informationsdefizit des Fragestellers resultieren, hat die Bundesregierung bei der Beantwortung dem dahinter stehenden Informationsbedürfnis so weit wie möglich Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 137, 185 <229 Rn. 124>). Dabei gelten für die Auslegung einer parlamentarischen Anfrage grundsätzlich die allgemeinen Auslegungsregeln, somit ist zunächst insbesondere vom Wortlaut und vom Zusammenhang auszugehen, in den die Frage gestellt wurde (vgl. BVerfGE 110, 199 <213>; 137, 185 <228 f. Rn. 124>).

252

Daher muss die Bundesregierung bei der Bestimmung des Inhalts einer Frage den wesentlichen Inhalt der Frage und ihrer Begründung aufgreifen, den wirklichen Willen und das daraus erkennbare Informationsbedürfnis des Fragestellers ermitteln und danach Art und Umfang ihrer Antwort ausrichten. Die Auslegung ist im Zweifel so vorzunehmen, dass die Frage keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Verbleiben nach der Auslegung der Frage Zweifel an deren Inhalt oder ist die Frage mehrdeutig, kann die Regierung bei der Antwort darauf hinweisen, dass sie die Frage in einem bestimmten Sinn versteht oder ihr zur Zeit eine Beantwortung nicht möglich ist (vgl. Niedersächsischer Staatsgerichtshof, Urteil vom 22. Oktober 2012 - StGH 1/12 -, juris, Rn. 56 f.).

253

4. Aus der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>) oder in nicht öffentlicher Form erteilt.

254

a) Die Bundesregierung muss - auch im Hinblick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Verhältnis zwischen Verfassungsorganen - den Bundestag in die Lage versetzen, seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrzunehmen. Dies kann er nur dann, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessenen, ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können. Eine Begründung der Antwortverweigerung ist nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>; 143, 101 <144 Rn. 143>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 107).

255

Einer ausführlicheren Begründung bedarf es, wenn die Bundesregierung Auskünfte zu Umständen aus ihrem Verantwortungsbereich verweigern will, etwa weil es sich um einen Vorgang aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung handelt oder weil in seltenen Ausnahmefällen Gründe des Staatswohls der Auskunfterteilung entgegenstehen. In diesen Fällen bedarf der Fragesteller näherer Angaben, um die Abwägung zwischen dem parlamentarischen Informationsrecht einerseits und den betroffenen Belangen, die zur Versagung der Auskünfte geführt haben, andererseits auf ihre Plausibilität hin überprüfen zu können (vgl. BVerfGE 139, 194 <232 Rn. 123>).

256

Ein pauschales Berufen auf einen der verfassungsrechtlichen Gründe, die dem parlamentarischen Untersuchungsrecht Grenzen setzen, genügt in keinem Fall. Das Vorliegen der Voraussetzungen eines Informationsverweigerungsrechts ist substantiiert, nicht lediglich formelhaft, darzulegen. Eine substantiierte Begründung der ablehnenden Entscheidung ist unentbehrliche Grundlage auch der (verfassungs-)gerichtlichen Kontrolle, die andernfalls weitgehend zur Disposition der Bundesregierung stünde (vgl. BVerfGE 124, 78 <128>).

257

b) Einer besonderen Begründungspflicht unterliegt die Bundesregierung, soweit sie ihre Antwort nicht in der nach § 104 in Verbindung mit § 75 Absatz 3 und § 76 Absatz 1 GO-BT vorgesehenen, zur Veröffentlichung in einer Bundestagsdrucksache bestimmten Weise erteilt, sondern sie eingestuft in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zur Verfügung stellt. Denn der parlamentarische Informationsanspruch als solcher ist auf Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt.

258

Die Begründung der nicht öffentlichen Beantwortung muss so ausführlich und plausibel sein, wie es das Geheimhaltungsinteresse zulässt. Es ist Aufgabe der Bundesregierung, nachvollziehbar darzulegen, aus welchem Grund die angeforderten Informationen geheimhaltungsbedürftig sind und warum sie gegebenenfalls auch noch nach Jahren oder sogar nach Abschluss des betreffenden Vorgangs nicht Gegenstand einer öffentlichen Antwort sein können (vgl. BVerfGE 124, 78 <128 f.>).

259

c) Ein Nachschieben von Gründen kommt nicht in Betracht, da es den Zweck des Begründungserfordernisses verfehlen würde. Dieses soll gewährleisten, dass der Fragesteller die Gründe der Antwortverweigerung erfährt und so in die Lage versetzt wird, sie nachzuvollziehen und die Erfolgsaussichten einer Inanspruchnahme verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes abzuschätzen. Ist die Verschaffung vollständiger Information zunächst ohne zureichende Begründung abgelehnt worden, so vermag eine erst im Organstreitverfahren gegebene ergänzende Begründung nichts an dem darin liegenden Rechtsverstoß zu ändern (vgl. BVerfGE 124, 78 <147>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, juris, Rn. 108).

II.

260

Der Antrag zu 3. ist - soweit zulässig - in vollem Umfang begründet.

261

1. Der Verantwortungsbereich der Bundesregierung für die Deutsche Bahn AG ist eröffnet.

262

a) Die Verantwortung bezieht sich zunächst auf die Ausübung der Beteiligungsverwaltung durch die hierfür zuständige Regierung sowie auf die Regulierungstätigkeit der Bundesbehörden und die sachgerechte Erfüllung des Gewährleistungsauftrages aus Art. 87e Abs. 4 GG. Das Parlament benötigt für die Beurteilung der Frage, ob der Bund gewährleistet, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz hinreichend Rechnung getragen wird, Informationen über eben diese Verkehrsbedürfnisse und die Verkehrsangebote. Der Gesetzgeber muss bewerten können, ob und wie er bei einer dauerhaften Nicht- oder Schlechterfüllung des Gewährleistungsauftrages, die strukturell bedingt ist, namentlich auf einer nicht hinreichenden Steuerungsmöglichkeit der öffentlichen Hand beruht, eingreifen kann oder sogar eingreifen muss.

263

b) Darüber hinaus liegt auch die unternehmerische Tätigkeit der Deutschen Bahn AG im Verantwortungsbereich der Bundesregierung. Die Verantwortlichkeit der Regierung im Kontext demokratischer Legitimation erstreckt sich auf alle Vorgänge einschließlich des unternehmerischen Handelns als Alleineigentümerin einer Aktiengesellschaft - somit auch der Deutschen Bahn AG -, für die über die Regierung demokratische Legitimation des Deutschen Bundestages in Anspruch genommen wird.

264

Grundsätzlich ist von der Legitimationsbedürftigkeit der Geschäftstätigkeit öffentlicher Unternehmen auszugehen. Dabei genügt die maßgebliche Mitwirkung bei der Bestellung der Aufsichtsräte (und so mittelbar der Vorstände) sowie der Bestand von (auch nur mittelbaren) Einwirkungsmöglichkeiten, um die (parlamentarische) Verantwortlichkeit der Regierung zu begründen. Nicht erforderlich ist es demgegenüber, dass die Regierung in der Lage ist, Einfluss auf die konkret in Rede stehende Geschäftstätigkeit zu nehmen.

265

Nichts anderes ergibt sich für die unternehmerische Tätigkeit der Deutschen Bahn AG. Der Verantwortungszusammenhang wird nicht durch Art. 87e GG aufgehoben, der in seinen Absätzen 3 und 4 GG eine bestimmte Form der Privatisierung für die Eisenbahnen des Bundes und der verbleibenden staatlichen Aufgaben vorsieht, nämlich eine Organisationsprivatisierung bei derzeit voller Eigentümerstellung des Bundes.

266

Eine Freistellung vom Erfordernis demokratischer Legitimation wäre auch dann nicht anzunehmen, wenn der Wortlaut von Art. 87e GG und die Entstehungsgeschichte der Verfassungsänderung es nahelegten, dass über eine bloße Organisationsprivatisierung hinaus auch eine Aufgabenprivatisierung intendiert ist und die Erbringung von Eisenbahndiensten danach keine unmittelbar gemeinwohlgebundene Verwaltungsaufgabe des Bundes mehr sein soll, und zwar auch keine, die dieser mithilfe eines von ihm beherrschten Unternehmens zu erfüllen hätte, sondern eine privatwirtschaftliche, nach Marktgesetzen ohne besondere Gemeinwohlbindung und mit dem Ziel der Gewinnerzielung betriebene Aufgabe privatrechtlicher Unternehmen (vgl. Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, Die Deutsche Bahn AG als Wirtschaftsunternehmen, ZHR 160 (1996), S. 521 <551 ff.>; Möstl, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87e Rn. 80 [Nov. 2006]; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 87e Rn. 47; Hammer, Die unternehmerische Freiheit der Eisenbahnen des Bundes, DÖV 2011, S. 761 <766 f.>; Uerpmann-Wittzack, in: v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 87e, Rn. 10; Heise, Die Deutsche Bahn AG zwischen Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohlverantwortung, 2013, S. 338 ff.; 343 ff.; Windhorst, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 87e Rn. 42).

267

Denn solange der Bund eine Gewährleistungsverantwortung sowohl für die Schienenwege als auch für die Verkehrsangebote trägt und diese nicht nur über das Regulierungsrecht wahrnehmen, sondern zugleich als Alleineigentümer der Deutschen Bahn AG deren Geschäftspolitik im Rahmen der rechtlich bestehenden Einwirkungsmöglichkeiten und personellen Verflechtungen zumindest bis zu einem gewissen Grade beeinflussen kann, kann er nicht von jedweder Verantwortung für die Unternehmensführung freigestellt werden. Im Übrigen ist die Gewährleistungsverantwortung des Bundes nach Art. 87e Abs. 4 Satz 1 GG nicht immer klar von der grundsätzlich gewinnorientierten Unternehmensführung nach Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG zu trennen beziehungsweise ohne Kenntnisse über diese zu beurteilen.

268

Es bleibt dabei, dass jede staatliche Tätigkeit demokratischer Legitimation bedarf und demokratisch verantwortet werden muss, so dass bei dem derzeitigen Stand der Verflechtung von Staat und Unternehmen der Verantwortungsbereich der Bundesregierung im Rahmen des parlamentarischen Fragerechts für die Deutsche Bahn AG eröffnet ist.

269

2. Die Bundesregierung ist nicht berechtigt, die Antwort auf parlamentarische Anfragen im Einzelfall unter Verweis auf die Betroffenheit der Grundrechte der Deutschen Bahn AG (a) oder eine dieser zustehenden grundrechtsähnlichen Freiheit (b) zu verweigern.

270

a) Die Deutsche Bahn AG kann sich nicht auf Grundrechte, namentlich auf den Schutz ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch Art. 12 Abs. 1 oder Art. 14 Abs. 1 GG berufen, da sämtliche Anteile an ihr vom Staat gehalten werden. Als vom Staat vollständig beherrschte juristische Person dient sie nicht der Ausübung individueller Freiheit Einzelner.

271

Der Verweis auf die Festlegung der Deutschen Bahn AG auf erwerbswirtschaftliche Betätigung durch Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG und die fehlende unmittelbare Gemeinwohlverpflichtung gebieten keine andere Bewertung. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Regelung funktional auf das Marktprinzip und die damit verbundene wettbewerbliche Gleichstellung der Marktteilnehmer zielt. Hieraus lässt sich aber nicht ableiten und ist auch aus der Gesetzeshistorie nicht ersichtlich, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber mit der Regelung selbst eine lex specialis zu Art. 1 Abs. 3 beziehungsweise Art. 19 Abs. 3 GG schaffen und der Deutschen Bahn AG Grundrechtsfähigkeit zusprechen wollte (vgl. Dreier, in: ders., GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 1 III Rn. 73; vgl. auch Masing, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 90 Rn. 34 zu Art. 87f GG).

272

Ursprüngliches Ziel der Bahnreform war es, die Eisenbahn den anderen Verkehrsträgern gleichzustellen, also eine strikte Trennung von staatlicher Gewährleistungsverantwortung und unternehmerischer Leistungserbringung vorzunehmen. Vieles spricht dafür, dass damit die Herstellung eines Antagonismus zwischen Staat und Bahnunternehmen gewollt war, der privatwirtschaftliche Handlungsrationalitäten im Eisenbahnsektor freisetzen sollte. Damit sollte gleichwohl keine subjektiv-rechtliche Emanzipation der Eisenbahnen des Bundes einhergehen, die ihnen allgemein Grundrechtsfähigkeit vermittelt.

273

Der Umstand, dass künftig hinter der Deutschen Bahn AG private Anteilseigner, also grundrechtsfähige natürliche Personen, stehen können, zeitigt keine Vorwirkung auf die derzeitige Rechtslage (vgl. Isensee, Schutz des staatsabhängigen Unternehmens vor Sonderbelastungen - Inpflichtnahme der Deutschen Bahn für die bahnpolizeilichen Kosten des Bundesgrenzschutzes, in: P. Kirchhof u.a. (Hrsg.), Festschrift für Klaus Vogel, 2000, S. 93 <105 f.>).

274

Aus der fehlenden Grundrechtsberechtigung der Deutschen Bahn AG dürften sich auch kaum wettbewerbliche Nachteile für diese ergeben. Denn die Wettbewerbsordnung des einfachen Rechts gilt grundsätzlich für alle Unternehmen gleichermaßen und in gleicher Auslegung. Wo etwaige Nachteile aber aus verfassungsrechtlichen Vorgaben - wie hier dem parlamentarischen Frage- und Informationsrecht - resultieren, sind sie Folge der derzeit vollen Eigentümerstellung des Bundes.

275

b) Auch stattet Art. 87e GG die Deutsche Bahn AG nicht mit eigenen Rechten gegenüber anderen staatlichen Stellen aus; ihr wird kein abwehrrechtlicher Status gegenüber (gemeinwohlorientierten) Einwirkungen des Staates auf ihre Unternehmensführung verschafft.

276

Es wird zwar vertreten, dass Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG in teleologischer Auslegung ein subjektiv-öffentliches Recht der Eisenbahnen des Bundes entnommen werden müsse (vgl. Hammer, Die unternehmerische Freiheit der Eisenbahnen des Bundes, DÖV 2011, S. 761 <767 f.>). Mit der Grundgesetzänderung seien die Eisenbahnen des Bundes aus der öffentlichen Verwaltung ausgegliedert und organisatorisch, wirtschaftlich und finanziell verselbständigt worden (vgl. Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor, 2015, S. 108 f.). Ihnen komme ein autonomer Entscheidungsspielraum bezüglich der Unternehmenspolitik, insbesondere auch des operativen Geschäfts zu, in den der Bund nicht eingreifen dürfe. Die Deutsche Bahn AG habe folglich eine grundrechtsähnliche Freiheit gegenüber dem Staat als Eigentümer, die die Grundrechtsbindung gegenüber dem Bürger unberührt lasse (so Jochum, Die Grundrechtsbindung der Deutschen Bahn, NVwZ 2005, S. 779 <781>; vgl. auch Windthorst, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 87e Rn. 48, 68).

277

Diese Sichtweise vermag jedoch nicht zu überzeugen.

278

Ursprünglich war bei der Bahn eine "Entlassung" in marktwirtschaftliche Strukturen gewollt. Eisenbahnverkehrs- und Eisenbahninfrastrukturdienstleistungen sollten, wie bei anderen Verkehrsträgern auch, nach den Regeln des Marktes bereitgestellt werden; auf die Leistungserbringung selbst sollte der Staat keinen unmittelbaren Einfluss haben (BTDrucks 12/5015, S. 6 f. - ursprünglicher Regierungsentwurf). Das Eigentum an der Schieneninfrastruktur sollte nicht beim Bund verbleiben, um eine unternehmerische Handhabung der Infrastruktur als Produktionsmittel zu ermöglichen (BTDrucks 12/5015, S. 16 - Gegenäußerung der Bundesregierung).

279

Allerdings ist dieses Konzept nicht Gesetz geworden. Der Bundesrat hat seinen Widerstand gegen eine vollständige Kapitalprivatisierung und seinen abweichenden Vorschlag, das Schienennetz im unmittelbaren Eigentum des Bundes zu belassen, mit dem zu geringen Einfluss auf private Eigentümer begründet (BTDrucks 12/5015, S. 11). Dies hat zu dem Kompromiss geführt, wonach zwar nicht das Eigentum am Schienennetz, wohl aber die Mehrheit an dem Unternehmen, auf das die Infrastruktur übergeht, beim Bund verbleiben muss (Art. 87e Abs. 3 Satz 2 und 3 GG) und diesen eine Gewährleistungsverantwortung trifft (Art. 87e Abs. 4 GG).

280

Die Vorschrift des Art. 87e GG wurde in erster Linie als Freistellung von staatsorganisatorischen Bindungen (Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a.F.) verstanden (vgl. BTDrucks. 12/5015, S. 7); für eine beabsichtigte subjektiv-rechtliche Ermächtigung der Deutschen Bahn AG ist nichts ersichtlich. Die Regelung eines solchen Rechts wäre überdies unvollkommen, da eine Möglichkeit der verfassungsgerichtlichen Durchsetzung nicht geschaffen worden ist.

281

3. Das (fiskalische) Interesse des Staates am Schutz vertraulicher Informationen seiner (Beteiligungs-)Unternehmen stellt einen verfassungsrechtlichen Staatswohlbelang dar.

282

Der einfachrechtlich gewährte Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse kann das verfassungsrechtlich verankerte Frage- und Auskunftsrecht des Parlaments gegenüber der Regierung zwar nicht unmittelbar einschränken, mittelbar aber insoweit, als er seinerseits dem Schutz öffentlicher Belange, die verfassungsrechtlich anzuerkennen sind, dient. Die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des in öffentlicher Hand befindlichen Unternehmens kann Auswirkungen auf den Wert der gehaltenen Anteile oder auf das Geschäftsergebnis haben, letzteres mit der Folge, dass sich die Gewinnabschöpfung mindert oder Zuschüsse aus dem öffentlichen Haushalt erforderlich oder umfänglicher werden. Auch wenn privatrechtlich organisierte Unternehmen, die sich ganz oder mehrheitlich in öffentlicher Hand befinden, keinen Grundrechtsschutz genießen, besteht doch zumindest ein auch verfassungsrechtlich anerkennenswertes öffentliches Interesse daran, dass deren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geschützt werden. Andernfalls könnte der Staat nicht über solche Gesellschaften mit dem Ziel wirtschaftlich erfolgreichen Handelns am Markt teilnehmen, was das Grundgesetz aber in den Art. 87e und 87f GG ausdrücklich vorsieht.

283

Das öffentliche Interesse an der möglichst effektiven Verwendung staatlicher Gelder ist zudem berührt, weil die Offenbarung von Kostenstrukturen und Budgets Auswirkungen auf die Angebote der Werkunternehmer haben kann. Eine Verteuerung von Infrastrukturmaßnahmen kann ebenfalls höhere Zuschüsse des Bundes erforderlich machen. Betroffen ist das Interesse an der Funktionsfähigkeit der EIU, das sich im Gewährleistungsauftrag des Art. 87e Abs. 4 GG niederschlägt.

284

Das Grundgesetz geht zwar, wie Art. 87e GG zeigt, davon aus, dass der Staat auch unternehmerisch im Wettbewerb am Markt tätig sein oder sich an privaten Unternehmen beteiligen kann. Damit ist offenbar die Vorstellung verbunden, dass sich der Staat bei der Erfüllung seiner Aufgaben die Kräfte des Marktes zunutze machen oder eine Aufgabe sogar ganz in den Markt entlassen kann. Durch eine hohe Transparenz seiner (Beteiligungs-)Unternehmen würden diese (nicht unumstrittenen) positiven Effekte möglicherweise beeinträchtigt oder beseitigt. Allerdings dürfte auszuschließen sein, dass der Staat hierdurch gehindert würde, die ihm obliegenden Aufgaben überhaupt noch zu erfüllen. Letztlich stehen also in erster Linie fiskalische Interessen im Raum, die zwar nicht unerheblich, aber mit einer Bedrohung der Sicherheit oder gar des Bestandes des Bundes oder eines Landes nicht vergleichbar sind.

285

4. Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen betreffend den Themenkomplex Deutsche Bahn AG verkannt und hierdurch Rechte der Antragsteller und des Deutschen Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.

286

a) Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht in Bezug auf die Kleine Anfrage "Fulda-Runden der Deutschen Bahn AG und Finanzierungsvereinbarungen zu Bedarfsplanprojekten" (BTDrucks 17/3757) nicht genügt.

287

aa) Indem die Antragsgegnerin auf die Fragen 1 bis 3 dieser Kleinen Anfrage hinsichtlich der in den "Fulda-Runden" eingestellten Gesamtkosten für Bedarfsplanprojekte die Antwort unter Hinweis auf die Unmöglichkeit der Vorlage einer entsprechenden Aufstellung verweigert hat, hat sie das Fragerecht des Antragstellers zu 3. und der Antragstellerin zu 5. in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise verkürzt. Die Antwort kann nicht durch Verweis auf die Nichtexistenz jährlich und einheitlich erstellter Listen für die stattgefundenen "Fulda-Runden" verweigert werden.

288

(1) Hinsichtlich der Fulda-Listen ist zunächst festzuhalten, dass die Bundesregierung deren Existenz implizit einräumt, wenn sie mitteilt, es gebe "beispielsweise" für die Besprechung aus dem März 2010 keine solche Liste, und diese Listen seien im Übrigen nicht einheitlich. Erstmals mit der Antragserwiderung im Verfahren wurde behauptet, die Informationen existierten nicht und könnten von der Antragsgegnerin auch nicht beschafft werden. Diese Behauptung steht allerdings erneut im Widerspruch zu der schriftsätzlichen Erläuterung, aufgrund geänderter inhaltlicher Schwerpunkte der "Fulda-Konferenzen" sei die Form der vorhandenen Ergebnisdarstellung sehr unterschiedlich. Damit wird wiederum bestätigt, dass es durchaus Listen gibt, allerdings in unterschiedlicher Darstellungsform. Wenn 2010 keine Liste erstellt wurde, so ist hiermit nicht erläutert, weshalb die erbetenen Listen für die weiteren Jahre seit 2004 nicht vorgelegt werden können. Die Erteilung von Teilantworten steht nicht im freien Ermessen der Regierung. Diese ist vielmehr verpflichtet, eine solche Teilantwort zu geben, wenn eine vollständige Beantwortung der Frage nicht möglich ist (vgl. Hamburgisches Verfassungsgericht, Urteil vom 21. Dezember 2010 - HVerfG 1/10 -, juris, Rn. 94).

289

Auch der Einwand, die tatsächlich vorhandenen Listen seien nicht einheitlich und nicht in der erforderlichen Form verfügbar, kann für sich genommen eine vollständige Antwortverweigerung nicht rechtfertigen, schon weil damit weder eine rechtliche oder faktische Unmöglichkeit behauptet noch sonst auf einen anerkannten Antwortverweigerungsgrund Bezug genommen wird. Im Übrigen ist es Sache der Fragesteller, darüber zu befinden, ob sie diese für eine Beurteilung der anstehenden Priorisierungen der Bedarfsplanprojekte nutzen können.

290

(2) Soweit die Antragsgegnerin anführt, die "Fulda-Runden" würden lediglich auf Arbeitsebene geführt, während die Entscheidungen über die Priorisierung von Vorhaben in Gesprächen zwischen dem Vorstand der Deutschen Bahn AG und der Bundesregierung getroffen würden, ist in Rechnung zu stellen, dass die Antragsteller nicht nach den Entscheidungen selbst gefragt haben, sondern nach den diesen zugrunde liegenden Tatsachen, nämlich den sogenannten Fulda-Listen. Insoweit vermag der Hinweis der Antragsgegnerin auf den fehlenden Entscheidungscharakter der "Fulda-Runden" die Verweigerung einer Beantwortung der Fragen nicht zu rechtfertigen. Ungeachtet dessen setzt eine sachgerechte Bewertung von Entscheidungen gerade die Kenntnis des Kontexts und des Informationsstands voraus, an dem Entscheidungsträger ihr Verhalten ausrichten (vgl. Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Beschluss vom 5. November 2009 - 133-I-08 -, juris, Rn. 112).

291

bb) Die Antwort auf die Fragen 4 und 5 der Kleinen Anfrage "Fulda-Runden der Deutschen Bahn AG und Finanzierungsvereinbarungen zu Bedarfsplanprojekten" (BTDrucks 17/3757) hat die Antragsgegnerin ebenfalls zu Unrecht verweigert.

292

Die Antragsgegnerin hat die Antwort auf diese Fragen mit der Begründung abgelehnt, die Höhe der vom Bund finanzierten zuwendungsfähigen Kosten variiere von Vorhaben zu Vorhaben. Eine entsprechende Statistik liege der Bundesregierung nicht vor, und es sei in Anbetracht von rund 60 laufenden Finanzierungsvereinbarungen zu Bedarfsplanvorhaben sowie einer jährlichen Anpassungsvereinbarung, die eine Vielzahl der Vorhaben fortschreibe, nicht möglich, eine solche kurzfristig zu erstellen.

293

Mit dieser Begründung behauptet die Antragsgegnerin nicht die Unmöglichkeit der Beantwortung der Anfrage, sondern lediglich das Unvermögen, diese innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 104 Abs. 2 Halbs. 1 GO-BT zu beantworten. Dies stellt keine hinreichende Begründung für die Antwortverweigerung dar. Die Frist für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage kann nach § 104 Abs. 2 Halbs. 2 GO-BT durch den Präsidenten des Bundestages im Benehmen mit dem Fragesteller verlängert werden. Die Antragsgegnerin hat nicht vorgetragen, einen solchen Antrag erfolglos gestellt zu haben (vgl. BVerfGE 124, 161 <197>).

294

Soweit die Antragsgegnerin nachträglich mit Schreiben vom 7. Januar 2011 die Unzumutbarkeit der Aufbereitung behauptet, weil dies den Zeitrahmen zur Beantwortung von Kleinen Anfragen bei weitem sprengen und erhebliche Teile der personellen Kapazitäten binden würde, ohne zu gewährleisten, dass aus den Ergebnissen tatsächlich die gewünschten Aussagen ableitbar sind, wird dies dem Rang des parlamentarischen Auskunftsrechts nicht gerecht. Die Bundesregierung treffen im Rahmen des Zumutbaren grundsätzlich auch Rekonstruktionspflichten (vgl. BVerfGE 124, 161 <197 f.>). Schließlich darf die Regierung bei etwaiger Unzumutbarkeit einer vollständigen Antwort eine Teilantwort - im Sinne einer auf erkennbar unvollständiger Informationserhebung gründenden Antwort - nicht allein mit der Begründung verweigern, sie schulde nur vollständige Antworten. Sollte auch dies nicht möglich sein, müsste die Bundesregierung zumindest den Aufwand, der die Unzumutbarkeit begründen soll, so umschreiben, dass die Fragesteller diesen auf Plausibilität und den Schluss der Unzumutbarkeit auf seine Richtigkeit überprüfen können.

295

cc) Die Antragsgegnerin hat ferner ihrer Antwortpflicht in Bezug auf Frage 13 der Kleinen Anfrage "Fulda-Runden der Deutschen Bahn AG und Finanzierungsvereinbarungen zu Bedarfsplanprojekten" zu den Gewinnplanungen 2011 bis 2014 (BTDrucks 17/3757) nicht genügt, soweit sie angeführt hat, die Zahlen unterlägen der Verschwiegenheitspflicht nach §§ 116, 395 AktG.

296

Die schlichte Berufung auf die Verschwiegenheitspflichten des Aktienrechts ist zur Begründung der Antwortverweigerung nicht ausreichend. Die Frage, ob das aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abgeleitete Frage- und Informationsrecht des Bundestages gegenüber der Regierung eine (verfassungskonforme) Auslegung der §§ 394, 395 AktG erfordert, wonach stets eine öffentliche Information des Bundestages zu erfolgen hat, die auch eine Veröffentlichung als Bundestagsdrucksache erlaubt, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, da die Antragsgegnerin die Antwort gänzlich verweigert hat.

297

b) Auch die Antwort auf die Frage 16 der Kleinen Anfrage zur Wirtschaftlichkeitsberechnung für das Projekt "Stuttgart 21" (BTDrucks 17/3766) hat die Antragsgegnerin in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise verweigert. Die Antwort, wonach die durch den Wirtschaftsprüfer eingesehenen Daten Arbeitsunterlagen seien, die der berufsständischen Verschwiegenheitspflicht der Wirtschaftsprüfer nach § 43 der WiPrO sowie der mit der Deutschen Bahn AG abgeschlossenen Vertraulichkeitsvereinbarung unterliegen, stellt keine hinreichende Begründung für eine vollständige Antwortverweigerung dar.

298

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 WiPrO hat der Wirtschaftsprüfer seinen Beruf unabhängig, gewissenhaft, verschwiegen und eigenverantwortlich auszuüben. Hieraus ergibt sich die Pflicht des Wirtschaftsprüfers, die Unterlagen des Auftraggebers Dritten gegenüber vertraulich zu behandeln. Die Regelung dient dem Schutz des Vertrauens der Mandanten und der Öffentlichkeit in den Berufsstand des Wirtschaftsprüfers (vgl. Keller, in: Hense/Ulrich, WPO, 2008, § 43 Rn. 54).

299

Es ist schon einfachrechtlich nicht ersichtlich, weshalb die allein den Wirtschaftsprüfer treffende Verschwiegenheitspflicht die Antragsgegnerin daran hindern sollte, mitzuteilen, welche Daten die Wirtschaftsprüfer bei der Deutschen Bahn AG angefordert haben. Dies gilt umso mehr, als die Antragsgegnerin nach eigenem Vorbringen das Gutachten zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeitsberechnung der Deutschen Bahn AG für das Projekt "Stuttgart 21" wegen möglicher Folgen für den Bund als Eigentümer selbst in Auftrag gegeben hat. Insofern vermag auch das - erst im Verfahren vorgebrachte - Argument nicht zu überzeugen, bei dem Projekt "Stuttgart 21" handele es sich um ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutschen Bahn AG und nicht um ein Bedarfsplanprojekt, so dass die Zugriffsmöglichkeiten des Bundes und damit der Verantwortungsbereich der Regierung stark beschränkt seien.

300

Soweit sich die Antragsgegnerin in ihrer Antwortverweigerung auf eine vertragliche Verschwiegenheitsvereinbarung zwischen der Deutschen Bahn AG und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft berufen hat, kann dies die Antwortverweigerung ebenfalls nicht rechtfertigen. Es ist schon nicht dargetan, dass sich die Deutsche Bahn AG ihrerseits gegenüber den Wirtschaftsprüfern vertraglich verpflichtet hat, über die gutachterliche Prüfung und deren Ergebnis Stillschweigen zu bewahren. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin nicht geltend gemacht, ihr lägen die erfragten Informationen nicht vor, etwa weil die Deutsche Bahn AG unter Berufung auf die Vereinbarung die Weitergabe verweigert hätte. Es erschiene auch nicht plausibel, dass ihr als Auftraggeberin des Gutachtens die erfragten Informationen nicht vorliegen.

301

Die erst im Organstreitverfahren vorgebrachte Behauptung, das Gutachten, auf das Frage 16 der Kleinen Anfrage "Wirtschaftlichkeitsberechnung für Stuttgart 21" gerichtet sei, enthalte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Deutschen Bahn AG, die zum unternehmerischen Kernbereich zählten, und deshalb sei eine Weitergabe der Informationen ohne Einwilligung der Deutschen Bahn AG nicht zulässig, vermag die Antwortverweigerung nicht nachträglich zu rechtfertigen. Zum einen hätte sie schon bei der Antwortverweigerung selbst aufgestellt werden müssen. Zum anderen ist sie unerheblich. Die streitgegenständliche Frage richtet sich nicht auf das Gutachten als Ganzes, sondern nur darauf, welche über die Wirtschaftlichkeitsberechnung hinausgehenden Daten die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bei der Deutschen Bahn AG angefordert hat. Es hätte näherer Darlegung bedurft, weshalb die Antwort auf diese Anfrage ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis beinhalten soll. Gegen die Behauptung, das Gutachten betreffe den unternehmerischen Kernbereich, spricht auch das eigene Vorbringen der Antragsgegnerin, die Regierung habe das Gutachten wegen möglicher mittelbarer Folgen für den Bund als Eigentümer der Deutschen Bahn AG ausnahmsweise in Auftrag gegeben.

302

c) Die Antragsgegnerin durfte die Antwort auf die Fragen 1 bis 14 der Kleinen Anfrage "Zugverspätungen" (BTDrucks 17/3149) nicht mit der Begründung verweigern, die erfragten Informationen gehörten vollständig in den Bereich der Geschäftstätigkeiten der Deutschen Bahn AG und ihr lägen diese nicht vor.

303

Die unternehmerische Tätigkeit der Deutschen Bahn AG fällt in den Verantwortungsbereich der Bundesregierung, die die 100%ige Beteiligung des Bundes an diesem Unternehmen verwaltet. Darüber hinaus betrifft die Problematik erheblicher Verspätungen im Zugverkehr der Deutschen Bahn AG auch den Gewährleistungsauftrag des Bundes nach Art. 87e Abs. 4 Satz 1 GG, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird.

304

Die Antwortverweigerung der Bundesregierung könnte allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Unmöglichkeit gerechtfertigt sein. Die Bundesregierung ist zunächst nur verpflichtet, die bei ihr tatsächlich vorhandenen Informationen mitzuteilen. Darüber hinaus ist sie verpflichtet, die ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen und faktischen Einwirkungsrechte auf das privatrechtlich organisierte öffentliche Unternehmen zu nutzen, um die erfragten Informationen zu beschaffen. Bei ihrer Antwortverweigerung muss die Bundesregierung angeben, welche Bemühungen sie entfaltet hat, um entsprechende Informationen zu erlangen. Mit ihrer im vorliegenden Verfahren gerügten Antwort zeigt die Bundesregierung hingegen, dass sie bereits den sie treffenden Verantwortungsbereich verkannt und sich daher überhaupt nicht um die Erlangung der Angaben zu den Zugverspätungen und den diesbezüglichen Gründen bemüht hat.

III.

305

Die Anträge zu 1. und 2. sind - soweit zulässig - im Wesentlichen begründet.

306

1. Der Verantwortungsbereich der Bundesregierung erstreckt sich auf die Finanzmarktaufsicht und auf von ihr beherrschte Finanzinstitute.

307

a) Er ist im Rahmen des Hierarchieprinzips ohne weiteres eröffnet, soweit es um Informationen geht, die bei nachgeordneten Behörden vorliegen.

308

Die Bankenaufsicht wird in Deutschland von der BaFin und der Bundesbank gemeinsam ausgeübt (§ 7 KWG). Die BaFin ist gemäß § 1 Abs. 1 Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz - FinDAG) im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen errichtet worden und untersteht nach § 2 FinDAG dessen Rechts- und Fachaufsicht.

309

Keine nachgeordnete Behörde - und damit nicht im Verantwortungsbereich der Bundesregierung tätig - ist hingegen die Deutsche Bundesbank, die nach § 2 Satz 1 Gesetz über die Deutsche Bundesbank (BundesbankG) eine bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts und nach § 12 Satz 1 BundesbankG bei der Ausübung ihrer Befugnisse von Weisungen der Bundesregierung unabhängig ist.

310

b) Der Verantwortungsbereich der Bundesregierung erstreckt sich auch auf von ihr beherrschte Finanzinstitute.

311

Die streitgegenständlichen Fragen beziehen sich zum Teil auf Banken, die im Zuge von Rettungsmaßnahmen in der Finanzkrise verstaatlicht wurden. So wird die Hypo Real Estate Holding AG (nun GmbH) seit dem 13. Oktober 2009 zu 100 % vom SoFFin gehalten und stellt ausweislich der Entsprechenserklärung des Vorstands und des Aufsichtsrats der Hypo Real Estate Holding AG zum Public Corporate Governance Kodex des Bundes vom 31. März 2016 eine 100%ige Beteiligung des Bundes dar. Der Anteil der staatlichen KfW an der IKB betrug vor dem Verkauf an den Investor Lone Star nach einer Kapitalerhöhung im August 2008 über 90,8 % (vgl. Jahresabschluss und Lagebericht der IKB Deutsche Industriebank AG 2008/2009, S. 18). An der Commerzbank AG hielt der Bund hingegen im streitgegenständlichen Zeitraum 2011 nur 25 % und eine Aktie (vgl. Geschäftsbericht 2011, S. 33); derzeit ist er nur noch mit etwa 15 % beteiligt (vgl. Geschäftsbericht 2016, S. 17).

312

2. Die Funktionsfähigkeit staatlicher Aufsicht über Finanzinstitute, die Stabilität des Finanzmarktes und der Erfolg staatlicher Stützungsmaßnahmen in der Finanzkrise sind Belange des Staatswohls, die die Antwortpflicht der Bundesregierung auf parlamentarische Fragen beschränken können.

313

a) Das Grundgesetz selbst enthält keine ausdrückliche Regelung, aus der sich die Funktionsfähigkeit der Aufsicht über die Banken und den Finanzmarkt als Rechts- beziehungsweise Schutzgut von Verfassungsrang ableiten lässt. Angesichts der Bedeutung des Finanzmarktes, dessen Probleme - wie sich im Zuge der Finanzkrise gezeigt hat - auch auf die Realwirtschaft durchschlagen, liegt aber auf der Hand, dass die staatliche Aufsicht über die auf diesem Markt tätigen Finanzinstitute und die Regulierung dieser Tätigkeit eine wichtige Funktion ist, die im elementaren Interesse des Staates liegt. Die Aufsicht dient der Bewältigung marktspezifischer Risiken und bildet eine wesentliche Rahmenbedingung desjenigen Marktes, auf dem die in Anspruch genommenen Unternehmen tätig sind. Die staatliche Aufsichtstätigkeit soll daher das Interesse der Allgemeinheit an einer funktionsfähigen Gesamtwirtschaft schützen (vgl. BVerfGE 124, 235 <246 f.>). Die Aufsicht über Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute dient insbesondere dazu, Missständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen entgegenzuwirken, welche die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsmäßige Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können (§ 6 Abs. 2 KWG).

314

Zwar bedarf es zur Geltendmachung eines Geheimhaltungsgrundes keiner im Einzelfall belegbaren Gefährdung der Kontroll- und Aufsichtstätigkeit der Behörde. Es genügt die durch Tatsachen belegte konkrete Möglichkeit, dass durch eine Informationsweitergabe an den Deutschen Bundestag generell die Ausübung der Kontroll- und Aufsichtsaufgaben der Behörde nachteilig beeinflusst wird. Erschwerungen der behördlichen Aufgabenwahrnehmung oder nicht auf konkreten Tatsachen beruhende Annahmen eines möglichen Rückgangs der Kooperationsbereitschaft der beaufsichtigten Unternehmen als Folge der Bekanntgabe der Informationen genügen aber nicht, zumal der Gesetzgeber davon ausgeht, dass auf der Grundlage der gesetzlichen Mitwirkungspflichten die Aufgaben effektiv zu bewältigen sind. Würde allein der in den Vordergrund der Überlegungen gestellte Umstand, dass die BaFin bei ihrer Aufgabenerfüllung auf die freiwillige Mitarbeit der beaufsichtigten Finanzinstitute angewiesen sei und folglich bei jedweder Einschränkung dieser Kooperation zwangsläufig in ihrer Tätigkeit behindert werde, als ausreichend betrachtet, käme dies letztlich einem vollständigen Ausschluss des Zugangs zu den der BaFin in ihrer Aufsichts- und Kontrolltätigkeit nach dem KWG übermittelten Informationen und damit in der Sache einer Bereichsausnahme gleich (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 23. Juni 2011 - 20 F 21.10 -, juris, Rn. 19 ff.; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 2. März 2010 - 6 A 1684/08 -, juris, Rn. 9 ff., 15). Sollten die gesetzlichen Befugnisse der BaFin nicht ausreichen, um ihrer Aufgabe als Aufsichtsbehörde hinreichend nachzukommen, und sollte sie daher tatsächlich zwingend auf die freiwillige und überobligatorische Preisgabe von Informationen durch die beaufsichtigten Finanzinstitute angewiesen sein, so wäre hier jedenfalls gesetzgeberisch nachzusteuern.

315

Bei der Einschätzung, ob und in welchem Ausmaß nachteilige Auswirkungen tatsächlich zu erwarten sind, ist schließlich zu berücksichtigen, dass in anderen Staaten die dortigen Aufsichtsbehörden - ohne Funktionsbeeinträchtigungen - durchaus einer legislativen Kontrolle sowie damit verbundener Berichtspflichten unterfallen und daher weitgehende Transparenz hergestellt wird.

316

So sind das amerikanische Federal Reserve System (Fed) und dessen zentrales Führungsorgan, das Board of Governors of the Federal Reserve System (FRB), zwar rechtlich unabhängig und keinen Weisungen unterworfen. Die Fed beschreibt sich selbst aber als unabhängige Regierungsbehörde, die gegenüber der Öffentlichkeit und dem Kongress rechenschaftspflichtig ist. Eine Rückkopplung an den Kongress erfolgt über umfangreiche Berichtspflichten (https://www.federalreserve.gov/faqs/about_12798.htm [zuletzt abgerufen am 12. Juli 2017]; vgl. auch Heun, Die Zentralbank in den USA: das Federal Reserve System, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 9 [1998], S. 241 <259 f.>). Das FRB, dessen Mitglieder vom Präsidenten mit Zustimmung des Senates ("by and with the advice and consent of the Senate") ernannt werden, wird in der Literatur sogar als "independent agency des Kongresses" bezeichnet (vgl. Schäfer, Bankenaufsichtsrecht in Deutschland, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten, 2011, S. 110; siehe auch Heun, Die Zentralbank in den USA: das Federal Reserve System, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 9 [1998], S. 241 <245, 259 f.>).

317

Auch die Financial Services Authority (FSA) des Vereinigten Königreichs ist gegenüber dem Finanzministerium und damit mittelbar gegenüber dem Parlament verantwortlich. So wird der dem Finanzministerium vorzulegende Tätigkeitsbericht über dieses an das Parlament weitergeleitet. Die FSA wird regelmäßig zu Sitzungen des Finanzausschusses (Treasury Select Committee) geladen und dort angehört (http://www.fsa.gov.uk/about/who/accountability/parliament [zuletzt abgerufen am 12. Juli 2017]).

318

b) Charakteristisch für den Finanzmarkt ist, dass Fehlentwicklungen, denen die Aufsicht vorbeugen soll, nicht nur das einzelne Institut, sondern in besonderem Maße den Markt insgesamt betreffen. Es handelt sich um ein vernetztes Marktsystem wechselseitiger Abhängigkeiten, das in besonderem Maß vom Vertrauen der Marktteilnehmer in hinreichende Kontrollmechanismen abhängig ist (vgl. Kaufhold, Systemaufsicht: Anforderungen an die Ausgestaltung einer Aufsicht zur Abwehr systemischer Risiken entwickelt am Beispiel der Finanzaufsicht, 2016, S. 36 ff., 137 ff., 181 ff.). Die Begründung zum Regierungsentwurf des Kreditwesengesetzes (vgl. BTDrucks 3/1114, S. 19 f.) hebt hervor, dass der Finanzmarkt wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig für seine Tätigkeit das uneingeschränkte Vertrauen der Öffentlichkeit in die Sicherheit und das solide Geschäftsgebaren des gesamten Gewerbes zur Voraussetzung hat. Führen Schwierigkeiten eines Instituts zu Verlusten der Einleger, kann dadurch leicht auch das Vertrauen in die anderen Institute beeinträchtigt werden. Außerdem wirken sich ernstere Schwierigkeiten im Finanzmarkt wegen dessen volkswirtschaftlich zentraler Stellung erfahrungsgemäß auch auf andere Wirtschaftszweige aus (vgl. BVerfGE 124, 235 <246 f.>).

319

aa) Trotz des Einschätzungs- und Prognosespielraums der Bundesregierung hinsichtlich der Abgeschlossenheit der Finanzkrise und der in diesem Zusammenhang ergriffenen aufsichtlichen Maßnahmen sowie des Ausmaßes der mit einer Offenlegung einhergehenden Beeinträchtigung, insbesondere der ins Feld geführten irrationalen Reaktionen der hoch sensiblen Märkte, kann dies nicht dazu führen, dass Transparenz und demokratische Kontrolle während der Finanzkrise uneingeschränkt hintenan stehen müssen und gleichzeitig dieses Argument auf lange Zeit fortwirkt.

320

bb) Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Transparenz als Mittel zur Marktdisziplinierung dient.

321

Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht hat bereits 1998 in seinem Bericht zur Bedeutung von Informationen für eine wirksame Marktdisziplin und eine wirksame Bankenaufsicht festgehalten, dass Transparenz Sicherheit und Solidität des Bankwesens schaffe. Die regelmäßige Offenlegung von aktuellen und verlässlichen Informationen habe für den Markt besondere Bedeutung, da Transparenz Vertrauen aufbauen, den Zugang zu den Kapitalmärkten verbessern und Marktunsicherheiten verringern könne. Wenn Marktteilnehmer "wohlinformierte" Entscheidungen treffen könnten, fördere dies ein "effizienteres und umsichtiges" Verhalten der Banken und aller Marktteilnehmer. Eine frühzeitige Offenlegung könne das Ausmaß von Marktstörungen verringern, da die Marktteilnehmer kontinuierlicher informiert würden und daher bei neuen Informationen über die aktuelle Lage nicht so leicht überreagieren dürften. Dabei sei zu beachten, dass etwa bei der Risikobeurteilung stets eine gewisse Unsicherheit bestehe, da die Rechnungslegungs- und Offenlegungsstandards der Länder sehr unterschiedlich seien und bei der Anwendung ein erheblicher Interpretations- und Ermessensspielraum bestehe sowie eine gewisse Vertraulichkeit zu wahren sei. Dass die Offenlegung für eine geschwächte Bank Probleme mit sich bringen könne, widerlege nicht das Argument, dass sie für solide Banken einen Anreiz biete, ihre Geschäfte auch weiterhin solide und effizient zu führen (vgl. Arbeitsgruppe "Transparenz" des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, Verbesserung der Transparenz im Bankwesen - Offenlegung und aufsichtsrelevante Informationen zur Förderung eines sicheren und soliden Bankwesens, September 1998).

322

Im Bereich der Bankenaufsicht verpflichtet der deutsche Gesetzgeber mit § 26a KWG die Kreditinstitute, regelmäßig qualitative und quantitative Informationen über die Eigenmittelstruktur und -anforderungen, die Risiken ihrer Geschäftstätigkeit, das Risikomanagementverfahren, die angewandten Kreditrisikominderungstechniken, Verbriefungstransaktionen, Vergütung und Verschuldung zu veröffentlichen. § 26a KWG ergänzt die Transparenzanforderungen der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 (CRR), die im Wesentlichen den bereits bisher bestehenden Offenlegungsanforderungen der mit der CRR aufgehobenen Bankenrichtlinie 2006/48/EG entsprechen. Die Offenlegungspflicht ermöglicht eine Beurteilung von Integrität und Tragfähigkeit einzelner Unternehmen und ihrer geschäftlichen Strategien (vgl. Ohler, Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung zwischen Medienfreiheit und Regulierung, AfP 2010, S. 101 <101 f.>; Auerbach/Klotzbach, in: Schwennicke/Auerbach, KWG, 3. Aufl. 2016, § 26a Rn. 1, 3; Hillen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, § 26a KWG Rn. 1 ff.).

323

c) Der Erfolg staatlicher Stützungsmaßnahmen in der Finanzkrise stellt einen Belang des Staatswohls dar.

324

Der Bund hat im Zuge der Finanzkrise der Jahre 2007/2008 Zuwendungen an Finanzinstitute vergeben, um das Banken- und Finanzsystem zu stabilisieren und vor einer existenzgefährdenden Entwicklung zu bewahren. Diese Zielsetzung könnte konterkariert werden, wenn ein Institut durch Preisgabe sensibler Informationen wirtschaftliche Nachteile erleidet oder gar in seiner Existenz bedroht wird. Damit wäre der Erfolg der unter Aufwendung von Steuergeldern in Milliardenhöhe vorgenommenen staatlichen Stützungsmaßnahmen gefährdet. Zudem würde auf diese Weise das Gebot missachtet, wirtschaftlich und sparsam mit staatlichen Mitteln umzugehen.

325

d) Das fiskalische Interesse an der Werterhaltung der Anteile der öffentlichen Hand an den Finanzinstituten kann hingegen allein und für sich genommen kein eigener Staatswohlbelang sein. Einen allgemeinen Anspruch des am Markt teilnehmenden Staates auf Werterhalt seiner Beteiligungen gibt es nicht und kann es nicht geben, da damit das Markt- und Wettbewerbsprinzip außer Kraft gesetzt würde. Für Institute, an denen der Staat aufgrund von Stützungsmaßnahmen alle oder die Mehrheit der Anteile hält, besteht aber ein auch verfassungsrechtlich anerkennenswertes öffentliches Interesse am Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.

326

3. Die Antragsgegnerin hat die Grenze ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen zum Themenkomplex Finanzmarktaufsicht teilweise verkannt und hierdurch Rechte der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.

327

a) Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht in Bezug auf die Schriftlichen Fragen zur IKB/Finanzmarktaufsicht (BTDrucks 17/4350) nicht genügt.

328

aa) Die Antwort auf die in Frage 34 der BTDrucks 17/4350 enthaltene Teilfrage nach dem beim Verkauf der IKB erzielten Kaufpreis hat die Antragsgegnerin zu Unrecht verweigert.

329

Der Hinweis, über den Kaufpreis sei vertraglich Vertraulichkeit vereinbart worden, sämtliche der Vertraulichkeit unterliegende Unterlagen zu IKB-Stützung und -Verkauf einschließlich des Kaufvertrags hätten von September 2008 bis Oktober 2009 in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zur Einsicht ausgelegen und das Bundesministerium der Finanzen habe im Haushalts- und im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages in geheimer Sitzung hierzu berichtet, ist für eine Antwortverweigerung nicht hinreichend.

330

Der Umstand, dass an anderer Stelle und zu einem anderen Zeitpunkt geheim über den Kaufpreis berichtet wurde, kann die Beantwortung der Frage nicht ersetzen. Es wäre daher konkret anzugeben gewesen, weshalb die Antwort zum Zeitpunkt der Bearbeitung durch die Antragsgegnerin Ende 2010 verweigert wurde. Hierzu kann der schlichte Verweis auf (nicht vorgelegte) vertragliche Verschwiegenheitsvereinbarungen nicht ausreichen, zumal diese die Bundesregierung nach eigenem Vortrag in den Jahren 2008/2009 ersichtlich nicht gehindert haben, dem Bundestag über den Kaufpreis - unter Anwendung der Geheimschutzordnung - zu berichten.

331

bb) Die Antragsgegnerin war nicht berechtigt, die Antwort auf Frage 35 der BTDrucks 17/4350 zur Versagung der Genehmigung für den Rückerwerb eigener Verbindlichkeiten ohne hinreichende Begründung zu verweigern.

332

Der Verweis auf die Verschwiegenheitspflicht des § 9 KWG und die Möglichkeit, auf einen Beschluss des Deutschen Bundestages oder eines seiner Ausschüsse hin die Informationen nach VS-Eintrag in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zu hinterlegen beziehungsweise mündliche Auskunft in eingestufter Sitzung zu erteilen, genügt nicht.

333

§ 9 KWG kann als einfachrechtliche Regelung das verfassungsrechtliche Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages nicht begrenzen. Vielmehr ist er - auch im Lichte von Art. 38 GG - so auszulegen, dass er einer Auskunfterteilung dann nicht entgegensteht, wenn höherrangige öffentliche Interessen eine solche erfordern. Ein solches Interesse kann das parlamentarische Fragerecht darstellen. Ob dieses im Verhältnis zu den grundrechtlich oder über das Staatswohl geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen privater oder öffentlicher Banken als höherrangig anzusehen ist, muss die Bundesregierung jeweils im Einzelfall im Wege einer auf praktische Konkordanz und schonenden Ausgleich abzielenden Abwägung ermitteln. Die dabei anzustellenden Erwägungen sind von ihr in der Begründung zu ihrer Antwortverweigerung mitzuteilen, damit der Fragesteller anhand dieser Begründung entscheiden kann, ob sein verfassungsrechtlich verankertes Fragerecht hinreichend berücksichtigt und gewichtet worden ist. Der pauschale Verweis auf ein aus Art. 12 GG abzuleitendes Offenbarungsverbot reicht insoweit nicht aus. Vorliegend können zudem auch Banken betroffen sein, die im Zuge von Stützungsmaßnahmen verstaatlicht wurden und daher nicht grundrechtsfähig sind.

334

Soweit die Bundesregierung darauf verweist, die erfragten Informationen könnten nach Vorlage eines entsprechenden Beschlusses des Bundestages unter Anwendung der Geheimschutzordnung übermittelt werden, räumt sie implizit ein, dass sie zur vollständigen Antwortverweigerung nicht berechtigt war. Sie verkennt dabei jedoch, dass es nicht Sache der Fragesteller ist, einen Beschluss des Deutschen Bundestages herbeizuführen, um der Bundesregierung eine Antwort unter Anwendung der Geheimschutzordnung zu ermöglichen. Der Geheimhaltungsgrad nach § 3 Abs. 2 Satz 1 der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages wird durch die herausgebende Stelle, vorliegend durch die Bundesregierung, bestimmt. Antworten, die auch aus verfassungsrechtlichen Gründen einer vertraulichen Behandlung im Deutschen Bundestag bedürfen, sind daher unter Angabe des Geheimhaltungsgrades an die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zu übermitteln, wie dies in anderen hier streitgegenständlichen Fällen auch geschehen ist.

335

b) Die Antragsgegnerin hat ihre Antwortpflicht hinsichtlich der Fragen 1, 4, 6, 8, 11 und 18 der Kleinen Anfrage "Ausübung parlamentarischer Kontrollrechte im Bereich Finanzmarkt" (BTDrucks 17/3740) verkannt.

336

aa) In ihrer Vorbemerkung zur Antwort auf die Kleine Anfrage "Ausübung parlamentarischer Kontrollrechte im Bereich Finanzmarkt" (BTDrucks 17/3740) hat die Antragsgegnerin zunächst zutreffend ausgeführt, dass sie sich verpflichtet sieht, bei der Beantwortung von Fragen aus dem Parlament die Grundrechte der von diesen Fragen betroffenen Grundrechtsträger zu wahren, namentlich die durch Art. 12 (und Art. 14) GG geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Kreditinstitute. Sie hat dabei die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Definition des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses übernommen und darauf abgestellt, dass es wesentlich darauf ankommt, ob ein Bekanntwerden der betreffenden Information geeignet wäre, die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Der sodann gezogene Schluss, dies sei hier der Fall, da Informationen über Aufsichtsmaßnahmen oder Einschätzungen der Bankenaufsicht in Bezug auf einzelne Institute grundsätzlich immer geeignet seien, die Wettbewerbsposition des jeweiligen Unternehmens nachteilig zu beeinflussen, ist hingegen zu pauschal. Ob ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse besteht, hängt von den einzelnen erfragten Informationen ab.

337

Entsprechendes gilt für die Ausführungen zur Funktionsfähigkeit der Finanzmarktaufsicht als Staatswohlbelang. Die generelle Aussage, aufsichtliches Handeln oder Einschätzungen und Bewertungen der Aufsicht mit Bezug zu einzelnen Instituten dürften nicht offengelegt werden, um die Funktionsfähigkeit der Bankenaufsicht nicht zu beeinträchtigen, kann in dieser Pauschalität eine Antwortverweigerung nicht begründen, da sie dazu führte, die Tätigkeit der BaFin der parlamentarischen Kontrolle vollständig zu entziehen. Die drohende Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Aufsicht muss daher ebenso wie drohende Vertrauensverluste des Marktes in Bezug auf beaufsichtigte Institute konkret und nachvollziehbar dargelegt werden.

338

Dass die hier erfragte Zusammenstellung der Teilnahme der Bankenaufsicht an den Sitzungen der Gremien mit Kontrollaufgaben bestimmter Banken über mehrere Jahre hinweg ebenso wie die Dokumentation der Häufigkeit, mit der die Bankenaufsicht sich in den Gremien äußerte, Rückschlüsse auf das Verhältnis zwischen der betroffenen Bank und der Bankenaufsicht zuließe und der Öffentlichkeit einen Eindruck vermitteln könnte, ob und in welchem Umfang der Geschäftsbetrieb einer Bank aus Sicht der Bankenaufsicht einer gewissen Kontrolle bedurfte, kann als Antwortverweigerungsgrund nicht ausreichen. Auch eine generelle Beschränkung auf die nicht öffentliche Beantwortung der diesbezüglichen Fragen lässt sich so nicht rechtfertigen. Wenn schon die bloße Tatsache der Beaufsichtigung und ihrer Häufigkeit nicht der parlamentarischen Kontrolle zugänglich wären, dann verbliebe im Ergebnis kein relevanter kontrollierbarer Bereich der Aufsicht. Dies hätte zur Folge, dass die Finanzmarktaufsicht keine sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation mehr in Anspruch nehmen könnte. Die Legitimationskette wäre zwar nicht zwischen BaFin und Bundesregierung, wohl aber zwischen dieser und dem Bundestag unterbrochen. Die dann verbleibende personelle und institutionelle Legitimation könnte angesichts der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung des in Rede stehenden Verwaltungshandelns kein ausreichendes Legitimationsniveau herstellen.

339

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die erfragte Aufsichtstätigkeit zum Zeitpunkt der Fragen bereits mehrere Jahre zurücklag und schon damals allgemein bekannt war, dass sich die betroffenen Finanzinstitute in einer besonderen Schieflage befunden hatten und teilweise mit ganz erheblichen staatlichen Mitteln gerettet werden mussten. Der in den Vorbemerkungen angeführte Hinweis der Bundesregierung, das Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Institute bestehe gleichwohl fort, da Marktteilnehmer typischerweise daraus Rückschlüsse auf die gegenwärtige und zukünftige wirtschaftliche Lage und Wettbewerbssituation der Institute zögen, genügt insoweit als Antwortverweigerungsgrund nicht. Zudem würde eine solche Argumentation dazu führen, dass die Aufsichtstätigkeit der BaFin nicht nur während, sondern auch noch Jahre nach einer Finanzkrise der parlamentarischen Kontrolle entzogen wäre, so dass auch eine Aufarbeitung etwaiger vergangener Versäumnisse und eine darauf gestützte Erarbeitung von Lösungen zur Vermeidung künftiger Krisen nicht möglich wäre.

340

bb) Die Antragsgegnerin hat die Antwort auf Frage 1 der Kleinen Anfrage "Ausübung parlamentarischer Kontrollrechte im Bereich Finanzmarkt" (BTDrucks 17/3740) zur Teilnahme der BaFin an Aufsichtsratssitzungen der (später) SoFFin-gestützten Finanzinstitute in den Jahren 2005 bis 2008 zu Unrecht verweigert.

341

Die von der Bundesregierung angeführten Gründe reichen nicht aus, um die öffentliche Beantwortung der Frage nach der Teilnahme der BaFin an den Gremiensitzungen zu verweigern und sich auf eine vertrauliche Antwort zu beschränken.

342

(1) Die Bundesregierung beruft sich anscheinend auf zwei verschiedene Grenzen des Fragerechts und ihrer Antwortpflicht. Soweit es heißt, die Teilnahme von Mitarbeitern der BaFin beziehungsweise der Bundesbank an Sitzungen von Gremien mit Kontrollaufgaben sei äußerst sensibel und ein weitreichender Eingriff in die Grundrechte der Finanzinstitute, könnte man dies so verstehen, dass sich die Bundesregierung auf Grundrechte Dritter als Grenze des Fragerechts berufen wolle. Allerdings wird hier der Grundrechtseingriff nicht in der öffentlichen Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage, sondern in der Gremienteilnahme selbst als Aufsichtsmittel gesehen. Insofern beschränken sich die Antwortverweigerungsgründe auf die mit der Veröffentlichung detaillierter Informationen verbundene Gefahr eines irreversiblen Vertrauensverlustes in das jeweilige Institut mit entsprechender Reaktion des Marktes, insbesondere seiner Gläubiger.

343

Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort nicht klargestellt, wie sie diesen Belang in das Gefüge der anerkannten Antwortverweigerungsgründe einordnet, namentlich ob es hierbei um den Schutz von Grundrechten der (privaten) Banken oder um Belange des Staatswohls gehen soll.

344

Die Frage der Antragsteller zielte darauf zu erfahren, an wie vielen Gremiensitzungen bestimmter Finanzinstitute Mitarbeiter der BaFin in einem bestimmten Zeitraum teilgenommen haben. Zwar mögen die Finanzinstitute ein Interesse an der Geheimhaltung dieser Tatsachen haben. Es handelt sich hierbei aber weder um technisches noch um kaufmännisches Wissen des jeweiligen Finanzinstituts, mithin nicht um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Es geht allein um einen Umstand, der mit der externen Beaufsichtigung durch Behörden verbunden ist. Auch werden nicht Informationen erfragt, die die Banken der BaFin im Rahmen von Beaufsichtigungsmaßnahmen preisgeben mussten, so dass auch deren Kooperationsverhalten nicht in Rede steht. Vielmehr ist Fragegegenstand die Anzahl behördlicher Maßnahmen. Behördliches Handeln wird aber nicht dadurch zu einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, dass das hierdurch betroffene Unternehmen ein Interesse an der Geheimhaltung dieses Handelns hat.

345

Somit könnte allenfalls die Vermeidung irreversibler Vertrauensverluste in das jeweilige Finanzinstitut mit entsprechender Reaktion des Marktes als Staatswohlbelang geeignet sein, eine Antwortverweigerung zu rechtfertigen. Wenn die Veröffentlichung von Informationen über die staatliche Bankenaufsicht zu Vertrauensverlusten und entsprechenden Marktreaktionen führen sollte, dann wäre die Vermeidung dieser Reaktionen und der damit wiederum verbundenen Gefahr für den gesamten Bankensektor ein anerkennenswerter Staatswohlbelang, und zwar sowohl wegen der damit einhergehenden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Aufsicht als auch wegen der durch Stützungsmaßnahmen betroffenen fiskalischen Interessen des Staates. Allerdings bedarf es angesichts des Verfassungsrangs und der Bedeutung des parlamentarischen Fragerechts für die demokratische Kontrolle des Handelns der Regierung und ihrer nachgeordneten Behörden einer konkreten Darlegung, aufgrund welcher genauen Umstände welche Art von Marktreaktion erwartbar und wahrscheinlich ist.

346

Vorliegend hätte es einer solchen konkreten Darlegung schon deshalb bedurft, weil nur Aufsichtsmaßnahmen der Jahre 2005 bis 2008, das heißt im Zeitraum vor Eintritt der Finanzkrise, erfragt wurden. Es ist allgemein bekannt, dass die Banken, auf die sich die Frage bezog, in den Folgejahren - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - in Schieflage gerieten und teilweise erheblich durch den Staat gestützt werden mussten, bis hin zu einer vollständigen Verstaatlichung etwa bei der HRE. Es hätte dargelegt werden müssen, warum die Informationen über die Aufsichtstätigkeit der BaFin und der Bundesbank in Bezug auf diese Finanzinstitute vor der Finanzkrise bei einer Veröffentlichung Ende 2010/Anfang 2011 noch geeignet sein sollten, das Vertrauen der Märkte zu erschüttern.

347

(2) Hinsichtlich der Wortmeldungen erscheint die Angabe der Bundesregierung, Wortprotokolle über diese Sitzungen würden regelmäßig nicht geführt, Wortmeldungen der Aufsicht seien damit für die Beantwortung der Anfrage nicht darstellbar, auslegungsbedürftig. Die Angabe "regelmäßig" bedeutet nicht, dass in den relevanten Sitzungen kein Wortprotokoll geführt wurde. Die Antragsgegnerin hätte darlegen müssen, dass in den konkret nachgefragten Sitzungen keine Wortprotokolle angefertigt wurden. Soweit die Antragsgegnerin sich darauf berufen wollte, dass es ihr unmöglich oder unzumutbar sei, nachträglich zu rekonstruieren, ob Wortprotokolle geführt wurden und ob sich jeweils Mitarbeiter der Aufsichtsbehörden zu Wort gemeldet haben, hätte es näherer Ausführungen zum Umfang des mit der Rekonstruktion verbundenen Aufwandes bedurft.

348

cc) Auch bei der Verweigerung einer öffentlichen Antwort auf Frage 4 der Kleinen Anfrage betreffend die Aufsichtsgespräche der BaFin beziehungsweise der Bundesbank mit den Finanzinstituten in den Jahren 2005 bis 2008 hat die Antragsgegnerin die Reichweite ihrer Begründungspflicht verkannt.

349

Die abstrakte Berufung auf die möglicherweise bestehende Gefahr, dass durch die Offenlegung der Anzahl der anlassbezogenen Aufsichtsgespräche auf Einzelinstitutsbasis die Wettbewerbsposition der betroffenen Finanzinstitute nachteilig beeinflusst werden könne, rechtfertigt für sich genommen die Verweigerung einer öffentlichen Antwort nicht. Die Anberaumung solcher Gespräche stellt kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis der jeweiligen Finanzinstitute dar, sondern staatliches Aufsichtshandeln. Dass durch die öffentliche Mitteilung anlassbezogener Aufsichtsgespräche vor Ausbruch der Finanzkrise Grundrechte der Finanzinstitute - soweit diese überhaupt Grundrechtsschutz in Anspruch nehmen können - betroffen sind, ist nicht erkennbar. Auch geht es nicht um Angaben der Finanzinstitute gegenüber der BaFin, so dass eine mögliche Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Aufsicht aufgrund freiwilliger Kooperation nicht im Raume steht.

350

Die Wettbewerbsposition der einzelnen Finanzinstitute kann auch nicht als Staatswohlbelang anerkannt werden. Soweit das Funktionieren der Finanzmarktaufsicht und fiskalische Interessen des Staates an der Wirksamkeit erfolgter und der Vermeidung künftiger Stützungsmaßnahmen angesprochen sind, reicht die Begründung auch bei dieser Antwort nicht aus. Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor und sind auch nicht dargetan, dass die Kenntnis der Öffentlichkeit von Aufsichtsmaßnahmen der Jahre 2005 bis 2008 bei danach bekanntermaßen in Schieflage geratenen und gestützten Finanzinstituten noch Ende 2010/Anfang 2011 tatsächlich zu negativen Reaktionen auf den Märkten hätte führen können.

351

dd) Die Antragsgegnerin hat die Verweigerung der Antwort auf Frage 6 der Kleinen Anfrage zu Sonderprüfungen der BaFin ebenfalls nicht hinreichend begründet. Die Begründung macht für sich genommen nicht plausibel, warum nur eine eingestufte, mithin nicht öffentliche Antwort erteilt werden konnte.

352

Auch bei dieser Frage sind keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der beaufsichtigten Kreditinstitute betroffen, so dass der Schutz von Grundrechten dieser Institute nicht in Rede steht, ebenso wenig wie deren freiwillige Kooperation mit der BaFin. Es geht wiederum nur um (gesetzlich vorgesehene) Aufsichtsmaßnahmen des Staates.

353

Die Angaben der Bundesregierung zu den mit der Offenlegung der Sonderprüfungen der Jahre 2005 bis 2008 verbundenen Gefahren für das Vertrauen in die geprüften Finanzinstitute und zu möglichen Marktreaktionen reichen auch hier nicht aus, um die Verweigerung einer öffentlichen Antwort zu begründen. Die Bundesregierung hätte näher begründen müssen, weshalb bei so lange zurückliegenden Maßnahmen Ende 2010/Anfang 2011 noch negative Marktreaktionen in Bezug auf bekanntermaßen staatlich gestützte Finanzinstitute zu erwarten waren.

354

ee) Die Antragsgegnerin hat die Notwendigkeit, die Antwort auf Frage 8 der Kleinen Anfrage zur aufsichtlichen Behandlung außerbilanzieller Conduits nur eingestuft zu erteilen, nicht hinreichend begründet.

355

Auch diese Frage zielt nicht auf die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der beaufsichtigten Finanzinstitute. Gefragt wird vielmehr nach der Behandlung von sogenannten Conduits durch die Aufsichtsbehörden, nach den diesbezüglich mit den Banken geführten Gesprächen, nach dem damaligen Kenntnisstand der Behördenmitarbeiter und nach Rechtsänderungen in Bezug auf diese Conduits in Folge der Finanzkrise.

356

Wiederum verbleibt als Argument der Antragsgegnerin allein die nicht näher begründete oder gar belegte Annahme, schon das Bekanntwerden der Kontrollintensität der Bankenaufsicht im Hinblick auf einzelne Institute könne zu einem irreversiblen Vertrauensverlust in das jeweilige Finanzinstitut mit entsprechenden Reaktionen des Marktes führen. Sie macht jedoch keine konkreten und auf den Einzelfall bezogene Angaben dazu, weshalb und mit welchen Reaktionen genau zu rechnen sein soll. Im Ergebnis scheint sie der Ansicht zu sein, dass die Kontrollintensität der Bankenaufsicht der öffentlichen parlamentarischen Kontrolle generell entzogen sei. Eine solche Bereichsausnahme sehen aber weder die Verfassung noch das einfache Recht vor.

357

Soweit die Antragsgegnerin in ihrer Antwort auf Frage 8 ergänzend anführt, dass die in der Vergangenheit abgeschlossenen Geschäfte bis heute Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Finanzinstitute hätten, ist auch diese Angabe nicht bestimmt genug, um eine angemessene Abwägung zwischen den betroffenen Staatswohlbelangen - wenn man die Wettbewerbsfähigkeit der Banken als einen solchen ansehen wollte - und dem parlamentarischen Fragerecht zu ermöglichen. Sie ist überdies zu undifferenziert, soweit sich etwa einzelne Conduits in der Abwicklung befinden. Es bedürfte näherer Darlegung, dass selbst in einer solchen Situation mit der Offenlegung von früheren Maßnahmen der Bankenaufsicht nach wie vor die Gefahr "irreparabler Vertrauensverluste" und "irrationaler Marktreaktionen" einhergehen würde, die das parlamentarische Informationsinteresse zurücktreten ließe.

358

ff) Die Antragsgegnerin hat die Verweigerung der öffentlichen Beantwortung der Frage 11 zu Maßnahmen der BaFin beziehungsweise der Bundesbank gegenüber der HSH Nordbank nicht hinreichend begründet und damit ihre verfassungsrechtliche Pflicht verkannt.

359

Diese Frage bezieht sich mit den internen Kontrollen und der Risikosteuerung der HSH Nordbank auf unternehmensbezogene Tatsachen und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung die HSH Nordbank möglicherweise ein berechtigtes Interesse hat. Es kann offen bleiben, ob es sich bei den Techniken der Steuerung und Kontrolle um Betriebsgeheimnisse und bei den Organisationsstrukturen innerhalb der Bank sowie deren personeller und sächlicher Ausstattung um Geschäftsgeheimnisse handelt. Die HSH Nordbank ist eine Landesbank, die aus der Fusion der Landesbanken von Hamburg und Schleswig-Holstein hervorgegangen ist und deren Anteile sich im maßgeblichen Zeitraum ganz überwiegend in öffentlicher Hand befanden. Sie ist folglich nicht grundrechtsberechtigt und war es auch im fraglichen Zeitraum nicht.

360

Ein Interesse an der Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der HSH Nordbank als Staatswohlbelang kann sich daher zum einen als fiskalisches Interesse auf Länderebene auf Seiten der Eigentümer ergeben. Zum anderen könnte das fiskalische Interesse des Bundes berührt sein, wenn tatsächlich ein irreparabler Vertrauensverlust einträte und die Bank durch hieraus resultierende Marktreaktionen in eine Schieflage geriete, die die Leistungsfähigkeit der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein überstiege und Folgewirkungen auf dem gesamten Finanzsektor zeitigte. Dies bedürfte allerdings einer näheren Erläuterung durch die Antragsgegnerin im Rahmen der Verweigerung einer öffentlichen Antwort. Die HSH Nordbank musste aufgrund der Finanzkrise durch Garantien des SoFFin und durch Eigenkapitalhilfen und Garantien der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein in Milliardenhöhe gerettet werden (vgl. Konzerngeschäftsbericht 2010, S. 6 f.). Wenn die streitgegenständliche Frage nun darauf abzielt, zu erfahren, durch welche Maßnahmen Aufsichtsbehörden auf die HSH Nordbank eingewirkt haben, um die internen Kontrollen und die Risikosteuerung auf neue Entwicklungen im Geschäftsmodell auszurichten, dann ist nicht von vornherein ersichtlich, wie eine diesbezügliche Antwort zu Vertrauensverlusten führen könnte. Eher wäre eine Vertrauensstärkung zu erwarten, es sei denn, dass solche Aufsichtsmaßnahmen unterblieben sein sollten. In diesem Fall wäre die parlamentarische Aufklärung aber umso bedeutsamer.

361

GG) Die Antragsgegnerin hat zu Unrecht die Antwort auf Frage 18 zu den Gehalts- und Bonuszahlungen über 500.000 Euro bei SoFFin-gestützten Finanzinstituten nur eingestuft erteilt.

362

Der Verantwortungsbereich der Bundesregierung bezieht sich auf alles staatliche Handeln der Exekutive des Bundes, für das demokratische Legitimation erforderlich ist und in Anspruch genommen wird, also auch auf die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand durch die 100%ige oder mehrheitliche Beteiligung an privatrechtlich organisierten Unternehmen. Folglich konnte die Antragsgegnerin jedenfalls in Bezug auf die Banken, an denen der Bund - gegebenenfalls mittelbar über den SoFFin - mehrheitlich beteiligt ist, die Beantwortung der Frage nicht unter Verweis auf ihre fehlende Verantwortung verweigern. Es kann daher dahinstehen, ob sie dies mit ihrer vorliegenden Antwort überhaupt getan hat.

363

Offensichtlich stellen Vergütungsvereinbarungen Geschäftsgeheimnisse dar. Es handelt sich um unternehmensbezogene Tatsachen, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Es ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass mit der Offenlegung von Vergütungsstrukturen die Gefahr der Abwerbung von Mitarbeitern und der sinkenden Attraktivität des Arbeitgebers einhergehen kann.

364

Soweit es um das Grundrecht der betroffenen Mitarbeiter auf informationelle Selbstbestimmung geht, wurde zwar keine namentliche Aufschlüsselung erbeten. Allerdings erscheint es plausibel, dass Experten in der Lage sein könnten, die Angaben einzelnen Personen zuzuordnen. Dies gilt umso mehr, je kleiner der Kreis der für eine Vergütung von über 500.000 Euro in Betracht kommenden Personen ist.

365

Gleichwohl überwiegt das parlamentarische Interesse an einer öffentlichen Antwort mit dem Ziel der Kontrolle der Mitarbeitervergütung bei vom SoFFin gestützten Finanzinstituten das Interesse an der Geheimhaltung dieser Informationen. Denn es geht um die Verwendung der durch den öffentlichen Haushalt den Finanzinstituten zur Verfügung gestellten Mittel. Dabei ist die Wertung des Gesetz- und Verordnungsgebers zu berücksichtigen, dass bei Banken, die auf der Grundlage von § 7 FMStFG gestützt wurden, während der Dauer der Stabilisierungsmaßnahme gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 4a FMStFV eine Vergütung der Organmitglieder und Geschäftsleiter, die 500.000 Euro pro Jahr übersteigt, grundsätzlich als unangemessen gilt. Zwar hat der Verordnungsgeber von der Ermächtigungsgrundlage in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 FMStFG, Anforderungen an die Vergütung der Organe, Angestellten und wesentlichen Erfüllungsgehilfen zu bestimmen, nur im Hinblick auf die Organmitglieder und Geschäftsleiter Gebrauch gemacht. Allerdings sollen nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 FMStFV die Institute über die konkrete Vergütung der Organmitglieder und Geschäftsleiter hinaus ihre Vergütungssysteme insgesamt auf ihre Anreizwirkung und Angemessenheit überprüfen. Vergütungssysteme sollen nicht zur Eingehung unangemessener Risiken verleiten, sondern an langfristigen und nachhaltigen Zielen ausgerichtet sein. Im Hinblick auf das parlamentarische Informationsinteresse kann es daher keinen Unterschied machen, auf welcher Ebene eine entsprechend hohe Vergütung gezahlt und staatliche Mittel eingesetzt werden. Insofern stellt die anonymisierte Veröffentlichung von Gehältern über 500.000 Euro bei gestützten Finanzinstituten eine Konsequenz der kontrollbedürftigen Vergabe von Finanzmarktstabilisierungsmaßnahmen dar. Zwar mag die Gefahr bestehen, dass die auf diese Weise kontrollierten Finanzinstitute Ziel verstärkter Personalabwerbebemühungen anderer Finanzinstitute werden. Das hiermit verbundene Maß an Transparenz ist vor dem Hintergrund der ohnehin geltenden normativen Vorgaben beschränkt; mögliche negative Effekte sind insofern hinzunehmen. Soweit mit der Frage lediglich eine Aufschlüsselung nach Finanzinstitut, Art der SoFFin-Hilfe, Jahr, Mitarbeiterzahl und Betrag erbeten wurde, ist hiermit ein für die einzelnen Mitarbeiter geringerer Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung verbunden als im Falle der Namensnennung, selbst wenn es für einige wenige Personen mit Expertenwissen möglich sein sollte, auf einzelne Personen rückzuschließen. Im Übrigen ist das allgemeine Bekanntwerden der Vergütung für die Betroffenen nicht der engeren Privatsphäre zuzuordnen, sondern dem beruflichen Bereich.

366

c) Die Antragsgegnerin hat die Antwort auf die Frage 14 der Kleinen Anfrage "Ausübung parlamentarischer Kontrollrechte im Bereich Finanzmarkt" (BTDrucks 17/3740) zur Einordnung der (später) SoFFin-gestützten Finanzinstitute in die Zwölf-Felder-Matrix in den Jahren 2005 bis 2008 berechtigterweise als VS-Vertraulich eingestuft in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zur Verfügung gestellt.

367

Ungeachtet der Frage, ob in Bezug auf die Zwölf-Felder-Matrix Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der beaufsichtigten privaten Kreditinstitute betroffen sein könnten, kann die Bekanntgabe der Risikoeinstufung eines privaten Kreditinstitutes durch die BaFin beziehungsweise durch die Antragsgegnerin in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG eingreifen. Das Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG schützt das berufsbezogene Verhalten einzelner Personen oder Unternehmen am Markt. Behindert eine den Wettbewerb beeinflussende staatliche Maßnahme eine juristische Person in ihrer beruflichen Tätigkeit, so stellt dies eine Beschränkung ihres Freiheitsrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG dar (vgl. BVerfGE 86, 28 <37>; 115, 205 <230>; 137, 185 <243 f. Rn. 154>). Eine Information der Öffentlichkeit durch Offenlegung der Einstufung nur einiger Finanzinstitute in die Matrix kann die Gefahr begründen, dass der Markt mangels weiterer Anhaltspunkte jede Einstufung unterhalb der höchsten Stufe als negativ ansehen könnte.

368

Soweit öffentliche, verstaatlichte oder teilverstaatlichte Kreditinstitute wie die HRE betroffen sind, sind diese zwar nicht grundrechtsfähig, ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind aber als Staatswohlbelang geschützt.

369

Dem steht das parlamentarische Interesse an der Kontrolle der Aufsichtstätigkeit der BaFin über die Kreditinstitute gegenüber. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anfrage sich nur auf die Jahre 2005 bis 2008 richtet, also den Zeitraum (kurz) vor Beginn der Finanzkrise. Den Fragestellern geht es ersichtlich darum, festzustellen, ob die BaFin mit ihrer Zwölf-Felder-Matrix das Risiko, welches sich in den Folgejahren tatsächlich realisierte, angemessen erfasst und erkannt hat. Dieses Kontrollinteresse ist gewichtig, da es um die Aufarbeitung der Finanzkrise und ihrer Ursachen sowie um die Möglichkeiten zur Vermeidung künftiger Krisen durch gegebenenfalls verbesserte Aufsichtsmechanismen geht.

370

Die Annahme der Antragsgegnerin, dass die Veröffentlichung einer Risikoeinstufung von Kreditinstituten in den Jahren 2007 und 2008 auch Ende 2010/Anfang 2011 geeignet ist, Marktreaktionen auszulösen, die sowohl das jeweils betroffene Institut schädigen als auch im Extremfall eine neue Finanzkrise herbeiführen können, ist nicht von vornherein auszuschließen. Dabei besteht auch bei den nicht grundrechtsberechtigten verstaatlichten Finanzinstituten ein staatliches Interesse an der Vermeidung neuer Risiken bei diesen und in der Folge auf dem gesamten Finanzmarkt.

371

Vor diesem Hintergrund stellt die Anwendung der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages ein Instrument eines angemessenen Ausgleichs zwischen den verfassungsrechtlich anzuerkennenden Geheimhaltungsinteressen der Kreditinstitute und der Antragsgegnerin einerseits und dem parlamentarischen Informations- und Kontrollinteresse andererseits dar.

D.

372

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), liegen nicht vor.

Urteilsbesprechung zu Bundesverfassungsgericht Urteil, 07. Nov. 2017 - 2 BvE 2/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesverfassungsgericht Urteil, 07. Nov. 2017 - 2 BvE 2/11

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(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All
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(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen ein

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(1) Die Bundesanstalt übt die Aufsicht über die Institute nach den Vorschriften dieses Gesetzes, den dazu erlassenen Rechtsverordnungen, der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in ihrer jeweils geltenden Fassung und der auf der Grundlage der Verordnung (EU)

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(1) Die Hauptversammlung beschließt in den im Gesetz und in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen, namentlich über1.die Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsrats, soweit sie nicht in den Aufsichtsrat zu entsenden oder als Aufsichtsratsmitglied

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(1) Der Vorstand hat dem Aufsichtsrat zu berichten über 1. die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung (insbesondere die Finanz-, Investitions- und Personalplanung), wobei auf Abweichungen der tatsächli

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(1) Der Bundestag verhandelt öffentlich. Auf Antrag eines Zehntels seiner Mitglieder oder auf Antrag der Bundesregierung kann mit Zweidrittelmehrheit die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Über den Antrag wird in nichtöffentlicher Sitzung entschie

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(1) Liegen Tatsachen vor, die darauf schließen lassen, dass von einem Institut angenommene Einlagen, sonstige dem Institut anvertraute Vermögenswerte oder eine Finanztransaktion der Terrorismusfinanzierung nach § 89c des Strafgesetzbuchs oder der Fin

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(1) Zusätzlich zu den Angaben, die nach den Artikeln 435 bis 455 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in der jeweils geltenden Fassung zu machen sind, sind die rechtliche und die organisatorische Struktur sowie die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Geschä

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Bundesverfassungsgericht Urteil, 07. Nov. 2017 - 2 BvE 2/11 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesverfassungsgericht Urteil, 07. Nov. 2017 - 2 BvE 2/11 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15

bei uns veröffentlicht am 13.06.2017

Tenor 1. Die Antragsgegnerin hat a) die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. Novemb
6 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesverfassungsgericht Urteil, 07. Nov. 2017 - 2 BvE 2/11.

Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 09. Nov. 2018 - 3 Kart 850/18 (V)

bei uns veröffentlicht am 09.11.2018

Tenor Der Antrag der Betroffenen, die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde vom 16.10.2018 anzuordnen (Antrag zu Ziff. V.), wird als unzulässig zurückgewiesen. Die Hilfsanträge der Betroffenen, die Bundesnetzagentur zu verpflichten, die Veröffentli

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 06. Nov. 2018 - 6 B 47/18

bei uns veröffentlicht am 06.11.2018

Gründe I 1 Die in London ansässige Klägerin befasst sich mit der Veranstaltung und medialen Auf

Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 17. Okt. 2018 - 3 Kart 82/17 (V)

bei uns veröffentlicht am 17.10.2018

Tenor Die Beschwerde der Betroffenen in der Fassung vom 27.08.2018 betreffend die Veröffentlichung der Effizienzwerte sowie der Aufwands- und Strukturparameter der Betroffenen der ersten, zweiten und dritten Regulierungsperiode zur Berechnung des Ma

Bundesverfassungsgericht Urteil, 19. Sept. 2018 - 2 BvF 1/15, 2 BvF 2/15

bei uns veröffentlicht am 19.09.2018

Tenor 1. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. 2. § 7 Absätze 1 bis 3, § 8 Absatz 3, § 15 Absätze 2

Referenzen

(1) In bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau werden geführt der Auswärtige Dienst, die Bundesfinanzverwaltung und nach Maßgabe des Artikels 89 die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und der Schiffahrt. Durch Bundesgesetz können Bundesgrenzschutzbehörden, Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen, für die Kriminalpolizei und zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden.

(2) Als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechtes werden diejenigen sozialen Versicherungsträger geführt, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt. Soziale Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes, aber nicht über mehr als drei Länder hinaus erstreckt, werden abweichend von Satz 1 als landesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechtes geführt, wenn das aufsichtsführende Land durch die beteiligten Länder bestimmt ist.

(3) Außerdem können für Angelegenheiten, für die dem Bunde die Gesetzgebung zusteht, selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes durch Bundesgesetz errichtet werden. Erwachsen dem Bunde auf Gebieten, für die ihm die Gesetzgebung zusteht, neue Aufgaben, so können bei dringendem Bedarf bundeseigene Mittel- und Unterbehörden mit Zustimmung des Bundesrates und der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages errichtet werden.

(1) Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Durch Bundesgesetz können Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden.

(2) Der Bund nimmt die über den Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgehenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahr, die ihm durch Bundesgesetz übertragen werden.

(3) Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt. Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen nach Satz 2 erfolgt auf Grund eines Gesetzes; die Mehrheit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim Bund. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(4) Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(5) Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, die Übertragung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte sowie die Stillegung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes regeln oder Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben.

(1) Die Bundesanstalt übt die Aufsicht über die Institute nach den Vorschriften dieses Gesetzes, den dazu erlassenen Rechtsverordnungen, der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in ihrer jeweils geltenden Fassung und der auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 und der Richtlinie 2013/36/EU erlassenen Rechtsakte sowie nach den Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 und der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 aus. Die Bundesanstalt ist die zuständige Behörde für die Anwendung von Artikel 124 Absatz 2, Artikel 164 Absatz 6 und Artikel 458 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 sowie die zuständige Behörde nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 2013/36/EU, soweit nicht die Europäische Zentralbank nach der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 als zuständige Behörde gilt. Die Deutsche Bundesbank ist zuständige Stelle nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 2013/36/EU im Rahmen der ihr nach § 7 Absatz 1 auch in Verbindung mit Absatz 1a zugewiesenen Aufgaben, soweit nicht die Europäische Zentralbank nach der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 als zuständige Behörde gilt.

(1a) Die Bundesanstalt übt die Aufsicht über zentrale Gegenparteien zusätzlich auch nach der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 sowie den auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsakten aus.

(1b) Für CRR-Institute ist die Bundesanstalt sektoral zuständige Behörde im Sinne des Artikels 25a der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 in der jeweils geltenden Fassung und setzt die Einhaltung der Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 in der jeweils geltenden Fassung durch, soweit nicht § 29 des Wertpapierhandelsgesetzes anzuwenden ist.

(1c) Die Bundesanstalt ist zuständige Behörde im Sinne der Artikel 11, 17 Absatz 1 und des Artikels 55 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 1).

(1d) Die Bundesanstalt ist die nach diesem Gesetz zuständige Behörde im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP) (ABl. L 352 vom 9.12.2014, S. 1, L 358 vom 13.12.2014, S. 50) in der jeweils geltenden Fassung für Institute, die PRIP im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 dieser Verordnung herstellen, verkaufen oder über diese beraten, sofern es sich bei diesen PRIP zugleich um strukturierte Einlagen im Sinne des § 2 Absatz 15 des Wertpapierhandelsgesetzes handelt.

(1e) Die Bundesanstalt ist zuständige Behörde für

1.
Originatoren, ursprüngliche Kreditgeber und Verbriefungszweckgesellschaften im Sinne des Artikels 29 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2017/2402,
2.
Originatoren, Sponsoren und Verbriefungszweckgesellschaften nach Artikel 29 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2017/2402 und
3.
Dritte im Sinne des Artikels 28 der Verordnung (EU) 2017/2402
und setzt ihnen gegenüber in Fällen der Nummer 1 die Einhaltung der Anforderungen nach den Artikeln 6 bis 9, in Fällen der Nummer 2 die Einhaltung der Anforderungen nach den Artikeln 18 bis 27 und in Fällen der Nummer 3 die Einhaltung der Anforderungen nach Artikel 28 der Verordnung (EU) 2017/2402 und der auf Grundlage der Verordnung (EU) 2017/2402 erlassenen Rechtsakte nach den Vorschriften dieses Gesetzes durch, soweit nicht § 295 Absatz 1 Nummer 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes oder § 5 Absatz 12 des Kapitalanlagegesetzbuchs anzuwenden sind.

(1f) Die Bundesanstalt ist zuständige Behörde im Sinne des Artikels 2 Nummer 18 der Verordnung (EU) 2019/1238 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über ein Paneuropäisches Privates Pensionsprodukt (PEPP) (ABl. L 198 vom 25.7.2019, S. 1) nach den Vorschriften dieses Gesetzes, soweit nicht § 295 Absatz 1 Nummer 7 des Versicherungsaufsichtsgesetzes, § 32a Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes oder § 5 Absatz 13 des Kapitalanlagegesetzbuchs anzuwenden sind.

(2) Die Bundesanstalt hat Mißständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen entgegenzuwirken, welche die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsmäßige Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können.

(3) Die Bundesanstalt kann im Rahmen der ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben gegenüber den Instituten und ihren Geschäftsleitern Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, um Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen zu verhindern oder zu unterbinden oder um Missstände in einem Institut zu verhindern oder zu beseitigen, welche die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte gefährden können oder die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen. Die Anordnungsbefugnis nach Satz 1 besteht auch gegenüber Finanzholding-Gesellschaften oder gemischten Finanzholding-Gesellschaften sowie gegenüber den Personen, die die Geschäfte dieser Gesellschaften tatsächlich führen.

(4) Die Bundesanstalt hat bei der Ausübung ihrer Aufgaben in angemessener Weise die möglichen Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf die Stabilität des Finanzsystems in den jeweils betroffenen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums zu berücksichtigen.

(5) (weggefallen)

(1) Liegen Tatsachen vor, die darauf schließen lassen, dass von einem Institut angenommene Einlagen, sonstige dem Institut anvertraute Vermögenswerte oder eine Finanztransaktion der Terrorismusfinanzierung nach § 89c des Strafgesetzbuchs oder der Finanzierung einer terroristischen Vereinigung nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b des Strafgesetzbuchs dienen oder im Falle der Durchführung einer Finanztransaktion dienen würden, kann die Bundesanstalt

1.
der Geschäftsführung des Instituts Anweisungen erteilen,
2.
dem Institut Verfügungen von einem bei ihm geführten Konto oder Depot untersagen,
3.
dem Institut die Durchführung von sonstigen Finanztransaktionen untersagen.

(2) Tatsachen im Sinne des Absatzes 1 liegen in der Regel insbesondere dann vor, wenn es sich bei dem Inhaber eines Kontos oder Depots, dessen Verfügungsberechtigten oder dem Kunden eines Instituts um eine natürliche oder juristische Person oder eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung handelt, deren Name in die im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus angenommene Liste des Rates der Europäischen Union zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates 2001/931/GASP vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl. EG Nr. L 344 S. 93) in der jeweils geltenden Fassung aufgenommen wurde.

(3) Die Bundesanstalt kann Vermögenswerte, die einer Anordnung nach Absatz 1 unterliegen, im Einzelfall auf Antrag der betroffenen natürlichen oder juristischen Person oder einer nicht rechtsfähigen Personenvereinigung freigeben, soweit diese der Deckung des notwendigen Lebensunterhalts der Person oder ihrer Familienmitglieder, der Bezahlung von Versorgungsleistungen, Unterhaltsleistungen oder vergleichbaren Zwecken dienen.

(4) Eine Anordnung nach Absatz 1 ist aufzuheben, sobald und soweit der Anordnungsgrund nicht mehr vorliegt.

(5) Gegen eine Anordnung nach Absatz 1 kann das Institut oder ein anderer Beschwerter Widerspruch erheben.

(6) Die Möglichkeit zur Anordnung von Beschränkungen des Kapital- und Zahlungsverkehrs nach § 4 Absatz 1 des Außenwirtschaftsgesetzes bleibt unberührt.

Für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder gelten § 93 mit Ausnahme des Absatzes 2 Satz 3 über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder und § 15b der Insolvenzordnung sinngemäß. Die Aufsichtsratsmitglieder sind insbesondere zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen verpflichtet. Sie sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn sie eine unangemessene Vergütung festsetzen (§ 87 Absatz 1).

(1) Berufsangehörige haben ihren Beruf unabhängig, gewissenhaft, verschwiegen und eigenverantwortlich auszuüben. Sie haben sich insbesondere bei der Erstattung von Prüfungsberichten und Gutachten unparteiisch zu verhalten.

(2) Berufsangehörige haben sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit ihrem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs unvereinbar ist. Sie haben sich der besonderen Berufspflichten bewusst zu sein, die ihnen aus der Befugnis erwachsen, gesetzlich vorgeschriebene Bestätigungsvermerke zu erteilen. Sie haben sich auch außerhalb der Berufstätigkeit des Vertrauens und der Achtung würdig zu erweisen, die der Beruf erfordert. Sie sind verpflichtet, sich fortzubilden.

(3) Wer Abschlussprüfer eines Unternehmens von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 des Handelsgesetzbuchs war oder wer als verantwortlicher Prüfungspartner im Sinne der Sätze 3 oder 4 bei der Abschlussprüfung eines solchen Unternehmens tätig war, darf dort innerhalb von zwei Jahren nach der Beendigung der Prüfungstätigkeit keine wichtige Führungstätigkeit ausüben, nicht als Mitglied des Aufsichtsrats, des Prüfungsausschusses des Aufsichtsrats oder des Verwaltungsrats tätig sein und sich nicht zur Übernahme einer der vorgenannten Tätigkeiten verpflichten. Satz 1 gilt mit der Maßgabe, dass die Frist ein Jahr beträgt, entsprechend für

1.
Personen, die als Abschlussprüfer oder verantwortliche Prüfungspartner gesetzliche Abschlussprüfungen eines sonstigen Unternehmens durchgeführt haben,
2.
Partner und Mitarbeiter des Abschlussprüfers, die zwar nicht selbst als Abschlussprüfer oder verantwortlicher Prüfungspartner tätig, aber unmittelbar am Prüfungsauftrag beteiligt waren und die als Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder EU- oder EWR-Abschlussprüfer zugelassen sind, und
3.
alle anderen Berufsangehörigen, vereidigten Buchprüfer oder EU- oder EWR-Abschlussprüfer, deren Leistungen der Abschlussprüfer des Unternehmens in Anspruch nehmen oder kontrollieren kann und die unmittelbar am Prüfungsauftrag beteiligt waren.
Verantwortlicher Prüfungspartner ist, wer den Bestätigungsvermerk nach § 322 des Handelsgesetzbuchs unterzeichnet oder als Wirtschaftsprüfer von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als für die Durchführung einer Abschlussprüfung vorrangig verantwortlich bestimmt worden ist. Als verantwortlicher Prüfungspartner gilt auf Konzernebene auch, wer als Wirtschaftsprüfer auf der Ebene bedeutender Tochterunternehmen als für die Durchführung von deren Abschlussprüfung vorrangig verantwortlich bestimmt worden ist.

(4) Berufsangehörige haben während der gesamten Prüfung eine kritische Grundhaltung zu wahren. Dazu gehört es,

1.
Angaben zu hinterfragen,
2.
ungeachtet ihrer bisherigen Erfahrung mit der Aufrichtigkeit und Integrität des Führungspersonals des geprüften Unternehmens und der mit der Unternehmensüberwachung betrauten Personen die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass es auf Grund von Sachverhalten oder Verhaltensweisen, die auf Unregelmäßigkeiten wie Betrug oder Unrichtigkeiten hindeuten, zu einer wesentlichen falschen Darstellung gekommen sein könnte,
3.
auf Gegebenheiten zu achten, die auf eine falsche Darstellung hindeuten könnten, und
4.
die Prüfungsnachweise kritisch zu beurteilen.
Ihre kritische Grundhaltung haben Berufsangehörige insbesondere bei der Beurteilung der Schätzungen des Unternehmens in Bezug auf Zeitwertangaben, Wertminderungen von Vermögensgegenständen, Rückstellungen und künftige Cashflows, die für die Beurteilung der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit von Bedeutung sind, beizubehalten.

(5) Berufsangehörige haben bei der Durchführung von Abschlussprüfungen ausreichend Zeit für den Auftrag aufzuwenden und die zur angemessenen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Mittel, insbesondere – soweit erforderlich – Personal mit den notwendigen Kenntnissen und Fähigkeiten, einzusetzen.

(6) Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben darüber hinaus bei Durchführung der Abschlussprüfung

1.
den verantwortlichen Prüfungspartner insbesondere anhand der Kriterien der Prüfungsqualität, Unabhängigkeit und Kompetenz auszuwählen,
2.
dem verantwortlichen Prüfungspartner die zur angemessenen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Mittel, insbesondere Personal mit den notwendigen Kenntnissen und Fähigkeiten, zur Verfügung zu stellen und
3.
den verantwortlichen Prüfungspartner aktiv an der Durchführung der Abschlussprüfung zu beteiligen.
Die für die Durchführung einer gesetzlichen Abschlussprüfung bei einem Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 des Handelsgesetzbuchs verantwortlichen Prüfungspartner beenden ihre Teilnahme an der Abschlussprüfung des geprüften Unternehmens abweichend von Artikel 17 Absatz 7 Unterabsatz 1 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909/EG der Kommission (ABl. L 158 vom 27.5.2014, S. 77; L 170 vom 11.6.2014, S. 66) spätestens fünf Jahre nach dem Datum ihrer Bestellung.

(1) Im Interesse der Erfüllung der Verpflichtungen der Institute, Institutsgruppen, Finanzholding-Gruppen und gemischten Finanzholding-Gruppen gegenüber ihren Gläubigern, insbesondere im Interesse der Sicherheit der ihnen anvertrauten Vermögenswerte, wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, im Benehmen mit der Deutschen Bundesbank in Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 nähere Bestimmungen über die angemessene Eigenmittelausstattung (Solvabilität) der Institute, Institutsgruppen, Finanzholding-Gruppen und gemischten Finanzholding-Gruppen zu erlassen, insbesondere

1.
ergänzende Bestimmungen zu den Anforderungen für eine Zulassung interner Ansätze,
2.
Bestimmungen zur laufenden Überwachung interner Ansätze durch die Aufsichtsbehörde, insbesondere zu Maßnahmen bei Nichteinhaltung von Anforderungen an interne Ansätze und zur Aufhebung der Zulassung interner Ansätze,
3.
nähere Verfahrensbestimmungen zur Zulassung, zur laufenden Überwachung und zur Aufhebung der Zulassung interner Ansätze,
4.
nähere Bestimmungen zur Überprüfung der Anforderungen an interne Ansätze durch die Aufsichtsbehörde, insbesondere zu Eignungs- und Nachschauprüfungen,
5.
nähere Bestimmungen zur
a)
Anordnung und Ermittlung der Quote für den antizyklischen Kapitalpuffer nach § 10d, insbesondere zur Bestimmung eines Puffer-Richtwerts, zum Verfahren der Anerkennung antizyklischer Kapitalpuffer von Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums und Drittstaaten, zu den Veröffentlichungspflichten der Bundesanstalt und zur Berechnung der institutsspezifischen Kapitalpufferquote,
b)
Anordnung und Ermittlung der Quote für den Kapitalpuffer für systemische Risiken nach § 10e, insbesondere zur Berücksichtigung systemischer oder makroprudenzieller Risiken, zur Bestimmung der zu berücksichtigenden Risikopositionen und deren Belegenheit und zum Verfahren der Anerkennung der Kapitalpuffer für systemische Risiken von Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums und Drittstaaten,
c)
Anordnung und Ermittlung der Quote für den Kapitalpuffer für global systemrelevante Institute nach § 10f, insbesondere zur Bestimmung der global systemrelevanten Institute und deren Zuordnung zu Größenklassen, zur Herauf- und Herabstufung zwischen den Größenklassen sowie zur Veröffentlichung der der quantitativen Analyse zugrunde liegenden Indikatoren,
d)
Anordnung und Ermittlung der Quote für den Kapitalpuffer für anderweitig systemrelevante Institute nach § 10g, insbesondere zur Bestimmung der anderweitig systemrelevanten Institute und zur Festlegung der Quote auf Einzelinstitutsebene, konsolidierter oder teilkonsolidierter Ebene,
e)
Höhe und zu den näheren Einzelheiten der Berechnung des maximal ausschüttungsfähigen Betrags für die kombinierte Kapitalpufferanforderung nach § 10i,
f)
Höhe und zu den näheren Einzelheiten der Berechnung des maximal ausschüttungsfähigen Betrags für die Anforderung an den Puffer der Verschuldungsquote nach § 10j,
6.
nähere Bestimmungen zur Festsetzung der Prozentsätze und Faktoren nach Artikel 465 Absatz 2, Artikel 467 Absatz 3, Artikel 468 Absatz 3, Artikel 478 Absatz 3, Artikel 479 Absatz 4, Artikel 480 Absatz 3, Artikel 481 Absatz 5 und Artikel 486 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013,
7.
nähere Bestimmungen zu den in der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 vorgesehenen Antrags- und Anzeigeverfahren und
8.
Vorgaben für die Bemessung des Beleihungswerts von Immobilien nach Artikel 4 Absatz 1 Nummer 74 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in der jeweils geltenden Fassung,
9.
nähere Bestimmungen zum aufsichtlichen Benchmarking bei der Anwendung interner Ansätze zur Ermittlung der Eigenmittelanforderungen, insbesondere nähere Bestimmungen zum Verfahren und zu Art, Umfang und Häufigkeit der von den Instituten vorzulegenden Informationen sowie nähere Bestimmungen über die von der Aufsichtsbehörde vorzugebenden Anforderungen an die Zusammensetzung besonderer Benchmarking-Portfolien und
10.
die Pflicht der CRR-Institute zur Offenlegung der in § 26a Absatz 1 Satz 2 genannten Angaben auf konsolidierter Ebene sowie der Kapitalrendite nach § 26a Absatz 1 Satz 4, einschließlich des Gegenstands der Offenlegungsanforderung, sowie des Mediums, des Übermittlungsweges, der Häufigkeit der Offenlegung und den Umfang der nach § 26a Absatz 1 Satz 5 vertraulich an die Europäische Kommission zu übermittelnden Daten.
Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt mit der Maßgabe übertragen, dass die Rechtsverordnung im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank ergeht. Vor Erlass der Rechtsverordnung sind die Spitzenverbände der Institute zu hören.

(2) Institute dürfen personenbezogene Daten ihrer Kunden, von Personen, mit denen sie Vertragsverhandlungen über Adressenausfallrisiken begründende Geschäfte aufnehmen, sowie von Personen, die für die Erfüllung eines Adressenausfallrisikos einstehen sollen, für die Zwecke der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 und der nach Absatz 1 Satz 1 zu erlassenden Rechtsverordnung verarbeiten, soweit

1.
diese Daten unter Zugrundelegung eines wissenschaftlich anerkannten mathematisch-statistischen Verfahrens nachweisbar für die Bestimmung und Berücksichtigung von Adressenausfallrisiken erheblich sind,
2.
diese Daten zum Aufbau und Betrieb einschließlich der Entwicklung und Weiterentwicklung von internen Ratingsystemen für die Schätzung von Risikoparametern des Adressenausfallrisikos des Kreditinstituts erforderlich sind und
3.
es sich nicht um Angaben zur Staatsangehörigkeit oder um besondere Kategorien personenbezogener Daten nach Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 handelt.
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse stehen personenbezogenen Daten gleich. Zur Entwicklung und Weiterentwicklung der Ratingsysteme dürfen abweichend von Satz 1 Nummer 1 auch Daten verarbeitet werden, die bei nachvollziehbarer wirtschaftlicher Betrachtungsweise für die Bestimmung und Berücksichtigung von Adressenausfallrisiken erheblich sein können. Für die Bestimmung und Berücksichtigung von Adressenausfallrisiken können insbesondere Daten erheblich sein, die den folgenden Kategorien angehören oder aus Daten der folgenden Kategorien gewonnen worden sind:
1.
Einkommens-, Vermögens- und Beschäftigungsverhältnisse sowie die sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere Art, Umfang und Wirtschaftlichkeit der Geschäftstätigkeit der betroffenen Person,
2.
Zahlungsverhalten und Vertragstreue der betroffenen Person,
3.
vollstreckbare Forderungen sowie Zwangsvollstreckungsverfahren und ‑maßnahmen gegen die betroffene Person,
4.
Insolvenzverfahren über das Vermögen der betroffenen Person, sofern diese eröffnet worden sind oder die Eröffnung beantragt worden ist.
Diese Daten dürfen erhoben werden
1.
bei der betroffenen Person,
2.
bei Instituten, die derselben Institutsgruppe angehören,
3.
bei Ratingagenturen und Auskunfteien und
4.
aus allgemein zugänglichen Quellen.
Institute dürfen anderen Instituten derselben Institutsgruppe und in pseudonymisierter Form auch von den mit dem Aufbau und Betrieb einschließlich der Entwicklung und Weiterentwicklung von Ratingsystemen beauftragten Dienstleistern nach Satz 1 erhobene personenbezogene Daten übermitteln, soweit dies zum Aufbau und Betrieb einschließlich der Entwicklung und Weiterentwicklung von internen Ratingsystemen für die Schätzung von Risikoparametern des Adressenausfallrisikos erforderlich ist.

(3) Die Aufsichtsbehörde kann anordnen, dass ein Institut, eine Institutsgruppe, eine Finanzholding-Gruppe oder eine gemischte Finanzholding-Gruppe Eigenmittelanforderungen in Bezug auf nicht durch Artikel 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 erfasste Risiken und Risikoelemente einhalten muss, die über die Eigenmittelanforderungen nach der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 sowie die zusätzliche Eigenmittelanforderung nach § 6c und nach einer nach Absatz 1 erlassenen Rechtsverordnung hinausgehen. Die Aufsichtsbehörde kann zusätzliche Eigenmittelanforderungen nach Satz 1 insbesondere anordnen,

1.
um einer besonderen Geschäftssituation des Instituts, der Institutsgruppe, der Finanzholding-Gruppe oder der gemischten Finanzholding-Gruppe, etwa bei Aufnahme der Geschäftstätigkeit, Rechnung zu tragen oder
2.
wenn das Institut, die Institutsgruppe, die Finanzholding-Gruppe oder die gemischte Finanzholding-Gruppe nicht über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation im Sinne des § 25a Absatz 1 verfügt.
Bei Instituten, für die Aufsichtskollegien nach § 8e eingerichtet sind, berücksichtigt die Aufsichtsbehörde bei der Entscheidung über eine Anordnung nach Satz 1 die Einschätzungen des jeweiligen Aufsichtskollegiums.

(3a) Hat ein Institut eine Verbriefung mehr als einmal stillschweigend unterstützt, so ordnet die Aufsichtsbehörde an, dass der wesentliche Risikotransfer für sämtliche Verbriefungen, für die das Institut als Originator gilt, zur Berücksichtigung zu erwartender weiterer stillschweigender Unterstützungen nicht oder nur teilweise bei der Berechnung der erforderlichen Eigenmittel anerkannt wird.

(4) Die Bundesanstalt kann von einzelnen Instituten, Institutsgruppen, Finanzholding-Gruppen und gemischten Finanzholding-Gruppen oder von einzelnen Arten oder Gruppen von Instituten, Institutsgruppen, Finanzholding-Gruppen und gemischten Finanzholding-Gruppen das Vorhalten von Eigenmitteln, die über die Eigenmittelanforderungen nach der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 und nach der Rechtsverordnung nach Absatz 1 hinausgehen, für einen begrenzten Zeitraum auch verlangen, wenn diese Kapitalstärkung erforderlich ist,

1.
um einer drohenden Störung der Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes oder einer Gefahr für die Finanzmarktstabilität entgegenzuwirken und
2.
um erhebliche negative Auswirkungen auf andere Unternehmen des Finanzsektors sowie auf das allgemeine Vertrauen der Einleger und anderer Marktteilnehmer in ein funktionsfähiges Finanzsystem zu vermeiden.
Eine drohende Störung der Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes kann insbesondere dann gegeben sein, wenn auf Grund außergewöhnlicher Marktverhältnisse die Refinanzierungsfähigkeit mehrerer für den Finanzmarkt relevanter Institute beeinträchtigt zu werden droht. Soweit sie Aufsichtsbehörde ist, kann die Bundesanstalt in diesem Fall die Beurteilung der Angemessenheit der Eigenmittel nach von der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 und von der Rechtsverordnung nach Absatz 1 abweichenden Maßstäben vornehmen, die diesen besonderen Marktverhältnissen Rechnung tragen. Zusätzliche Eigenmittel können insbesondere im Rahmen eines abgestimmten Vorgehens auf Ebene der Europäischen Union zur Stärkung des Vertrauens in die Widerstandsfähigkeit des europäischen Bankensektors und zur Abwehr einer drohenden Gefahr für die Finanzmarktstabilität in Europa verlangt werden. Bei der Festlegung von Höhe und maßgeblicher Zusammensetzung der zusätzlichen Eigenmittel und des maßgeblichen Zeitpunktes für die Einhaltung der erhöhten Eigenmittelanforderungen berücksichtigt die Bundesanstalt die Standards, auf deren Anwendung sich die zuständigen europäischen Stellen im Rahmen eines abgestimmten Vorgehens auf Unionsebene verständigt haben. In diesem Rahmen kann die Bundesanstalt verlangen, dass die Institute in einem Plan nachvollziehbar darlegen, durch welche Maßnahmen sie die erhöhten Eigenmittelanforderungen zu dem von der Bundesanstalt nach Satz 5 festgelegten Zeitpunkt einhalten werden. Soweit der Plan die Belange des Finanzmarktstabilisierungsfonds im Sinne des § 1 des Stabilisierungsfondsgesetzes berührt, erfolgt die Beurteilung des Plans im Einvernehmen mit dem Lenkungsausschuss nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Stabilisierungsfondsgesetzes (Lenkungsausschuss). Die Bundesanstalt kann die kurzfristige Nachbesserung des vorgelegten Plans verlangen, wenn sie die angegebenen Maßnahmen und Umsetzungsfristen für nicht ausreichend hält oder das Institut sie nicht einhält. In diesem Fall haben die Institute auch die Möglichkeit eines Antrags auf Stabilisierungsmaßnahmen nach dem Stabilisierungsfondsgesetz zu prüfen, wenn keine alternativen Maßnahmen zur Verfügung stehen. Sofern nach Feststellung der Bundesanstalt im Einvernehmen mit dem Lenkungsausschuss keine oder nur eine unzureichende Nachbesserung des Plans erfolgt ist, kann die Bundesanstalt einen Sonderbeauftragten im Sinne des § 45c Absatz 1 bestellen und ihn mit der Aufgabe nach § 45c Absatz 2 Nummer 7a beauftragen. Zudem kann sie anordnen, dass Entnahmen durch die Inhaber oder Gesellschafter, die Ausschüttung von Gewinnen und die Auszahlung variabler Vergütungsbestandteile nicht zulässig sind, solange die angeordneten erhöhten Eigenmittelanforderungen nicht erreicht sind. Entgegenstehende Beschlüsse über die Gewinnausschüttung sind nichtig; aus entgegenstehenden Regelungen in Verträgen können keine Rechte hergeleitet werden.

(5) § 309 Nummer 3 und die §§ 313, 314, 489, 490, 723 bis 725, 727 und 728 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die §§ 132 bis 135 des Handelsgesetzbuchs und die §§ 254, 297 Absatz 1, § 304 Absatz 4 und § 305 Absatz 5 Satz 4 des Aktiengesetzes sind nicht anzuwenden, wenn Zweck einer Kapitalüberlassung die Überlassung von Eigenmitteln im Sinne des Artikels 72 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 ist. § 309 Nummer 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet auch keine Anwendung auf Verbindlichkeiten des Instituts, welche die Voraussetzungen des Artikels 12 Absatz 16 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. L 225 vom 30.7.2014, S. 1; L 101 vom 18.4.2015, S. 62) mit Ausnahme von dessen Buchstaben d oder des § 49 Absatz 2 des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes mit Ausnahme von dessen Nummer 4 erfüllen und eine Mindestlaufzeit von einem Jahr haben. Die §§ 313, 314 und 490 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden auf Verträge, die Verbindlichkeiten des Instituts begründen, welche die Voraussetzungen des Artikels 12 Absatz 16 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 mit Ausnahme von dessen Buchstaben d oder des § 49 Absatz 2 des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes mit Ausnahme von dessen Nummer 4 erfüllen und eine Mindestlaufzeit von einem Jahr haben, während der vereinbarten Laufzeit keine Anwendung. Kündigt ein stiller Gesellschafter, der sich am Handelsgewerbe eines Instituts mit einer Vermögenseinlage beteiligt, welche die in Satz 3 genannten Voraussetzungen erfüllt und eine Mindestlaufzeit von einem Jahr hat, die Gesellschaft oder seine Beteiligung außerordentlich, so wird der gesetzliche oder vertragliche Abfindungs- oder Auszahlungsanspruch nicht vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit fällig.

(6) Die Aufsichtsbehörde kann anordnen, dass ein Institut der Deutschen Bundesbank häufigere oder auch umfangreichere Meldungen einreicht als in Artikel 430 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe a, b, d bis g, Artikel 430 Absatz 2 bis 5 sowie in den Artikeln 430a und 430b der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 vorgesehen.

(7) Die Aufsichtsbehörde kann auf die Eigenmittel nach Artikel 72 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 einen Korrekturposten festsetzen. Wird der Korrekturposten festgesetzt, um noch nicht bilanzwirksam gewordene Kapitalveränderungen zu berücksichtigen, wird die Festsetzung mit der Feststellung des nächsten für den Schluss eines Geschäftsjahres aufgestellten Jahresabschlusses gegenstandslos. Die Aufsichtsbehörde hat die Festsetzung auf Antrag des Instituts aufzuheben, soweit die Voraussetzung für die Festsetzung wegfällt.

(1) Die bei der Bundesanstalt beschäftigten und die nach § 4 Absatz 3 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes beauftragten Personen, die nach § 45c bestellten Sonderbeauftragten, die nach § 37 Absatz 1 Satz 2 und § 38 Absatz 2 Satz 2 und 3 bestellten Abwickler, die gerichtlich bestellten Treuhänder nach § 2c Absatz 2 Satz 2 sowie die im Dienst der Deutschen Bundesbank stehenden Personen, soweit sie zur Durchführung dieses Gesetzes tätig werden, dürfen die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des Instituts, der zuständigen Behörden oder eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, nicht unbefugt offenbaren oder verwerten, auch wenn sie nicht mehr im Dienst sind oder ihre Tätigkeit beendet ist. Dies gilt auch für die in Satz 1 genannten Personen, sofern ihnen Tatsachen im Rahmen der Anbahnung einer Beauftragung oder Bestellung anvertraut werden. Die von den beaufsichtigten Instituten und Unternehmen zu beachtenden allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften bleiben unberührt. Dies gilt auch für andere Personen, die durch dienstliche Berichterstattung Kenntnis von den in Satz 1 bezeichneten Tatsachen erhalten. Ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere nicht vor, wenn Tatsachen weitergegeben werden an

1.
Strafverfolgungsbehörden oder für Straf- und Bußgeldsachen zuständige Gerichte,
2.
kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Überwachung von Instituten, Wertpapierinstitute, Kapitalverwaltungsgesellschaften, extern verwalteten Investmentgesellschaften, EU-Verwaltungsgesellschaften oder ausländischen AIF-Verwaltungsgesellschaften, Finanzunternehmen, Versicherungsunternehmen, der Finanzmärkte oder des Zahlungsverkehrs betraute Stellen sowie von diesen beauftragte Personen,
3.
mit der Liquidation, oder dem Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Instituts befaßte Stellen,
4.
mit der gesetzlichen Prüfung der Rechnungslegung von Instituten oder Finanzunternehmen betraute Personen sowie Stellen, welche die vorgenannten Personen beaufsichtigen,
5.
eine Einlagensicherungseinrichtung oder Anlegerentschädigungseinrichtung,
6.
Wertpapier- oder Terminbörsen,
7.
Zentralnotenbanken,
8.
Betreiber von Systemen nach § 1 Abs. 16,
9.
die zuständigen Stellen in anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums sowie in Drittstaaten, mit denen die Bundesanstalt im Rahmen von Aufsichtskollegien nach § 8e zusammenarbeitet,
10.
die Europäische Zentralbank, das Europäische System der Zentralbanken, die Europäische Bankenaufsichtsbehörde, die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, den Gemeinsamen Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden, den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken oder die Europäische Kommission,
11.
Behörden, die für die Aufsicht über Zahlungs- und Abwicklungssysteme zuständig sind,
12.
Parlamentarische Untersuchungsausschüsse nach § 1 des Untersuchungsausschussgesetzes auf Grund einer Entscheidung über ein Ersuchen nach § 18 Absatz 2 des Untersuchungsausschussgesetzes,
13.
das Bundesverfassungsgericht,
14.
den Bundesrechnungshof, sofern sich sein Untersuchungsauftrag auf die Entscheidungen und sonstigen Tätigkeiten der Bundesanstalt nach diesem Gesetz oder der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 bezieht,
15.
Verwaltungsgerichte in verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten, in denen die Bundesanstalt Beklagte ist, mit Ausnahme von Klagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz,
16.
die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich für die Zwecke quantitativer Folgenabschätzungen sowie an den Rat für Finanzstabilität für die Zwecke seiner Überwachungsaufgaben,
17.
den Internationalen Währungsfonds oder die Weltbank für die Zwecke der Bewertungen im Rahmen des Programms zur Bewertung des Finanzsektors,
18.
den Ausschuss für Finanzstabilität oder den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken,
19.
die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, das Gremium zum Finanzmarktstabilisierungsfonds im Sinne des § 10a Absatz 1 des Stabilisierungsfondsgesetzes oder den Lenkungsausschuss im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des Stabilisierungsfondsgesetzes,
20.
Behörden im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Nummer 17 und 18 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014,
21.
Behörden, die für die Überwachung der Einhaltung der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates durch die in Artikel 2 Absatz 1 Nummer 1 und 2 der Richtlinie aufgeführten Verpflichteten zuständig sind, und zentrale Meldestellen oder andere Behörden, die kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Bekämpfung, Aufklärung und Verhinderung von Geldwäsche oder von Terrorismusfinanzierung betraut sind,
22.
zuständige Behörden oder Stellen, die für die Anwendung der Regelungen zur strukturellen Trennung innerhalb einer Bankengruppe verantwortlich sind,
23.
das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik,
24.
zuständige Behörden im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe r der Verordnung (EU) 2020/1503 oder
25.
natürliche oder juristische Personen, die als Sonderbeauftragte nach § 45c, als Abwickler nach § 37 Absatz 1 Satz 2 oder § 38 Absatz 2 Satz 2 oder 3 oder als Treuhänder nach § 2c Absatz 2 Satz 2 oder in einem vergleichbaren Verhältnis tätig werden; das Gleiche gilt für die Informationsweitergabe an diesen Personenkreis, die im Rahmen der Anbahnung einer Beauftragung oder Bestellung notwendig ist,
soweit diese Stellen oder Personen die Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben oder zur Prüfung, ob sie eine der in Nummer 25 genannten Aufgaben ausüben können, benötigen. Für die bei den in Satz 5 Nummer 1 bis 11, 13 bis 19, 21, 23 und 25 genannten Stellen oder Personen beschäftigten Personen und die von diesen Stellen oder Personen beauftragten Personen sowie für die Mitglieder der in Satz 5 Nummer 12 und 19 genannten Ausschüsse gilt die Verschwiegenheitspflicht nach Satz 1 entsprechend. Befindet sich eine in Satz 5 Nummer 1 bis 11, 16 bis 18, 21 und 22 genannte Stelle in einem anderen Staat, so dürfen die Tatsachen nur weitergegeben werden, wenn die bei dieser Stelle beschäftigten und die von dieser Stelle beauftragten Personen einer dem Satz 1 weitgehend entsprechenden Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Die ausländische Stelle ist darauf hinzuweisen, daß sie Informationen nur zu dem Zweck verarbeiten darf, zu deren Erfüllung sie ihr übermittelt werden. Eine Weitergabe an die in Satz 5 Nummer 16 und 17 genannten Stellen darf nur erfolgen, wenn
1.
die Anfrage unter Berücksichtigung der übertragenen spezifischen Aufgaben hinreichend begründet und hinreichend genau in Bezug auf Art, Umfang und Format der angeforderten Informationen und in Bezug auf die Mittel für deren Übermittlung ist,
2.
die angeforderten Informationen
a)
unbedingt erforderlich sind, damit die anfragende Stelle ihre spezifischen Aufgaben wahrnehmen kann, und
b)
nicht über die der anfragenden Stelle übertragenen gesetzlichen Aufgaben hinausgehen und
3.
die Informationen ausschließlich den Personen übermittelt werden, die bei der anfragenden Stelle unmittelbar mit der Wahrnehmung der spezifischen Aufgabe befasst sind, für deren Erfüllung die angeforderten Informationen unbedingt erforderlich sind.
Andere Informationen als aggregierte und anonymisierte Informationen dürfen mit den in Satz 5 Nummer 16 und 17 genannten Stellen nur in den Räumlichkeiten der Aufsichtsbehörde und der Deutschen Bundesbank ausgetauscht werden. Informationen, die aus einem anderen Staat stammen, dürfen nur mit ausdrücklicher Zustimmung der zuständigen Stellen, die diese Informationen mitgeteilt haben, und nur für solche Zwecke weitergegeben werden, denen diese Stellen zugestimmt haben.

(2) Ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten von Tatsachen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 liegt nicht vor, wenn die Ergebnisse von im Einklang mit Artikel 100 der Richtlinie 2013/36/EU oder Artikel 32 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 in der jeweils geltenden Fassung durchgeführten Stresstests veröffentlicht oder der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde zur Veröffentlichung EU-weiter Stresstestergebnisse übermittelt werden.

(3) Betrifft die Weitergabe von Tatsachen nach Absatz 1 personenbezogene Daten, sind die allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften anzuwenden.

(4) Tritt eine Krisensituation ein, so kann die Bundesanstalt zu Aufsichtszwecken Tatsachen auch an die zuständigen Stellen in anderen Staaten weitergeben.

(5) Die §§ 93, 97 und 105 Absatz 1, § 111 Absatz 5 in Verbindung mit § 105 Absatz 1 sowie § 116 Absatz 1 der Abgabenordnung gelten für die in Absatz 1 bezeichneten Personen nur, soweit die Finanzbehörden die Kenntnisse für die Durchführung eines Verfahrens wegen einer Steuerstraftat sowie eines damit zusammenhängenden Besteuerungsverfahrens benötigen. Die in Satz 1 genannten Vorschriften sind jedoch nicht anzuwenden, soweit Tatsachen betroffen sind,

1.
die den in Absatz 1 Satz 1 oder Satz 3 bezeichneten Personen durch die zuständige Aufsichtsstelle eines anderen Staates oder durch von dieser Stelle beauftragte Personen mitgeteilt worden sind oder
2.
von denen bei der Bundesanstalt beschäftigte Personen dadurch Kenntnis erlangen, dass sie an der Aufsicht über direkt von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigte Institute mitwirken, insbesondere in gemeinsamen Aufsichtsteams nach Artikel 2 Nummer 6 der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank, und die nach den Regeln der Europäischen Zentralbank geheim sind.

(1) Wer ein Geheimnis, das ihm als

1.
Amtsträger,
2.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten,
3.
Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt oder
4.
Europäischer Amtsträger,
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Hat der Täter durch die Tat fahrlässig wichtige öffentliche Interessen gefährdet, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer, abgesehen von den Fällen des Absatzes 1, unbefugt einen Gegenstand oder eine Nachricht, zu deren Geheimhaltung er

1.
auf Grund des Beschlusses eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes oder eines seiner Ausschüsse verpflichtet ist oder
2.
von einer anderen amtlichen Stelle unter Hinweis auf die Strafbarkeit der Verletzung der Geheimhaltungspflicht förmlich verpflichtet worden ist,
an einen anderen gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(3a) Beihilfehandlungen einer in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung genannten Person sind nicht rechtswidrig, wenn sie sich auf die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des Geheimnisses oder des Gegenstandes oder der Nachricht, zu deren Geheimhaltung eine besondere Verpflichtung besteht, beschränken.

(4) Die Tat wird nur mit Ermächtigung verfolgt. Die Ermächtigung wird erteilt

1.
von dem Präsidenten des Gesetzgebungsorgans
a)
in den Fällen des Absatzes 1, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit bei einem oder für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes bekanntgeworden ist,
b)
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1;
2.
von der obersten Bundesbehörde
a)
in den Fällen des Absatzes 1, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit sonst bei einer oder für eine Behörde oder bei einer anderen amtlichen Stelle des Bundes oder für eine solche Stelle bekanntgeworden ist,
b)
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2, wenn der Täter von einer amtlichen Stelle des Bundes verpflichtet worden ist;
3.
von der Bundesregierung in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit bei einer Dienststelle der Europäischen Union bekannt geworden ist;
4.
von der obersten Landesbehörde in allen übrigen Fällen der Absätze 1 und 2 Nr. 2.
In den Fällen des Satzes 2 Nummer 3 wird die Tat nur verfolgt, wenn zudem ein Strafverlangen der Dienststelle vorliegt.

(1) Ein Institut oder ein übergeordnetes Unternehmen, die Mitglieder deren Organe und deren Beschäftigte haben der Bundesanstalt, den Personen und Einrichtungen, deren sich die Bundesanstalt bei der Durchführung ihrer Aufgaben bedient, sowie der Deutschen Bundesbank auf Verlangen Auskünfte über alle Geschäftsangelegenheiten zu erteilen, Unterlagen vorzulegen und erforderlichenfalls Kopien anzufertigen; dies gilt auch für Auslagerungsunternehmen, für die Mitglieder von deren Organen und für deren Beschäftigte, soweit Aktivitäten und Prozesse betroffen sind, die ein Institut oder übergeordnetes Unternehmen ausgelagert hat. Die Bundesanstalt kann, auch ohne besonderen Anlass, bei den Instituten, übergeordneten Unternehmen und Auslagerungsunternehmen, soweit ein Institut oder ein übergeordnetes Unternehmen wesentliche Aktivitäten und Prozesse im Sinne des § 25b Absatz 1 Satz 1 ausgelagert hat oder es sich um eine Auslagerung nach § 25h Absatz 4 oder nach § 6 Absatz 7 des Geldwäschegesetzes handelt, Prüfungen vornehmen und die Durchführung der Prüfungen der Deutschen Bundesbank übertragen. Die Bediensteten der Bundesanstalt, der Deutschen Bundesbank sowie die sonstigen Personen, deren sich die Bundesanstalt bei der Durchführung der Prüfungen bedient, können hierzu die Geschäftsräume des Instituts, des Auslagerungsunternehmens und des übergeordneten Unternehmens innerhalb der üblichen Betriebs- und Geschäftszeiten betreten und besichtigen. Die Betroffenen haben Maßnahmen nach den Sätzen 2 und 3 zu dulden.

(1a) Soweit eine zentrale Gegenpartei unter den Voraussetzungen des Artikels 35 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 operationelle Funktionen, Dienstleistungen oder Tätigkeiten auf ein Unternehmen auslagert, sind die Befugnisse der Bundesanstalt nach Absatz 1 Satz 2 und 3 auch auf dieses Unternehmen entsprechend anwendbar; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(1b) Originatoren und ursprüngliche Kreditgeber, soweit sie keine Institute sind, sowie Verbriefungszweckgesellschaften und gemäß Artikel 28 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2017/2402 zugelassene Dritte haben der Bundesanstalt Auskünfte entsprechend den Absätzen 1 und 6 zu erteilen. Der Bundesanstalt stehen die in Absatz 1 genannten Prüfungsbefugnisse entsprechend zu.

(2) Ein nachgeordnetes Unternehmen im Sinne des § 10a, eine Finanzholding-Gesellschaft an der Spitze einer Finanzholding-Gruppe im Sinne des § 10a, eine gemischte Finanzholding-Gesellschaft an der Spitze einer gemischten Finanzholding-Gruppe im Sinne des § 10a oder eine gemischte Holding-Gesellschaft sowie ein Mitglied eines Organs eines solchen Unternehmens haben der Bundesanstalt, den Personen und Einrichtungen, deren sich die Bundesanstalt bei der Durchführung ihrer Aufgaben bedient, sowie der Deutschen Bundesbank auf Verlangen Auskünfte zu erteilen, Unterlagen vorzulegen und erforderlichenfalls Kopien anzufertigen, um die Richtigkeit der Auskünfte oder der übermittelten Daten zu überprüfen, die für die Aufsicht auf zusammengefasster Basis erforderlich sind oder die in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 25 Absatz 3 Satz 1 zu übermitteln sind. Die Bundesanstalt kann, auch ohne besonderen Anlass, bei den in Satz 1 genannten Unternehmen Prüfungen vornehmen und die Durchführung der Prüfungen der Deutschen Bundesbank übertragen; Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 gilt entsprechend. Die Bediensteten der Bundesanstalt, der Deutschen Bundesbank sowie der sonstigen Personen, deren sich die Bundesanstalt bei der Durchführung der Prüfungen bedient, können hierzu die Geschäftsräume der Unternehmen innerhalb der üblichen Betriebs- und Geschäftszeiten betreten und besichtigen. Die Betroffenen haben Maßnahmen nach den Sätzen 2 und 3 zu dulden. Die Sätze 1 bis 4 gelten entsprechend für ein nicht in die Zusammenfassung einbezogenes Tochterunternehmen und ein gemischte Holdinggesellschaft und dessen Tochterunternehmen.

(2a) Benötigt die Bundesanstalt bei der Aufsicht über eine Institutsgruppe, Finanzholding-Gruppe, eine gemischte Finanzholding-Gruppe oder gemischte Holding-Gruppe Informationen, die bereits einer anderen zuständigen Stelle vorliegen, richtet sie ihr Auskunftsersuchen zunächst an diese zuständige Stelle. Bei der Aufsicht über Institute, die einem EU-Mutterinstitut nach § 10a nachgeordnet sind, richtet die Bundesanstalt Auskunftsersuchen zur Umsetzung der Ansätze und Methoden nach der Richtlinie 2013/36/EU regelmäßig zunächst an die für die Aufsicht auf zusammengefasster Basis zuständige Stelle.

(3) Die in die Zusammenfassung einbezogenen Unternehmen mit Sitz im Ausland haben der Bundesanstalt auf Verlangen die nach diesem Gesetz zulässigen Prüfungen zu gestatten, insbesondere die Überprüfung der Richtigkeit der für die Zusammenfassung nach § 10a Absatz 4 bis 7, § 25 Absatz 2 und 3 und nach den Artikeln 11 bis 17 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in ihrer jeweils geltenden Fassung übermittelten Daten, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundesanstalt erforderlich und nach dem Recht des anderen Staates zulässig ist. Dies gilt auch für nicht in die Zusammenfassung einbezogene Tochterunternehmen mit Sitz im Ausland.

(3a) (weggefallen)

(4) Die Bundesanstalt kann zu den Hauptversammlungen, Generalversammlungen oder Gesellschafterversammlungen sowie zu den Sitzungen der Aufsichtsorgane bei Instituten, Finanzholding-Gesellschaften oder gemischten Finanzholding-Gesellschaften in der Rechtsform einer juristischen Person Vertreter entsenden. Diese können in der Versammlung oder Sitzung das Wort ergreifen. Im Fall der virtuellen Hauptversammlung nach § 118a des Aktiengesetzes sind die Vertreter im Wege der Videokommunikation zu der Versammlung zuzuschalten und können über die Videokommunikation das Wort ergreifen. Nach § 130a Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes eingereichte Stellungnahmen, nach § 131 Absatz 1a und 1b des Aktiengesetzes eingereichte Fragen sowie die zu diesen Fragen vor der Versammlung gegebenen Antworten sind den Vertretern zugänglich zu machen. Die Vertreter dürfen anstelle der Zuschaltung im Wege der Videokommunikation am Ort der Hauptversammlung teilnehmen, sofern sie dies für erforderlich halten. Die Betroffenen haben Maßnahmen nach den Sätzen 1 bis 5 zu dulden.

(5) Die Institute, Finanzholding-Gesellschaften und gemischten Finanzholding-Gesellschaften in der Rechtsform einer juristischen Person haben auf Verlangen der Bundesanstalt die Einberufung der in Absatz 4 Satz 1 bezeichneten Versammlungen, die Anberaumung von Sitzungen der Verwaltungs- und Aufsichtsorgane sowie die Ankündigung von Gegenständen zur Beschlußfassung vorzunehmen. Die Bundesanstalt kann zu einer nach Satz 1 anberaumten Sitzung Vertreter entsenden. Diese können in der Sitzung das Wort ergreifen. Absatz 4 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Die Betroffenen haben Maßnahmen nach den Sätzen 2 bis 4 zu dulden. Absatz 4 bleibt unberührt.

(6) Der zur Erteilung einer Auskunft Verpflichtete kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde.

(1) Die Bundesanstalt übt die Aufsicht über die Institute nach den Vorschriften dieses Gesetzes, den dazu erlassenen Rechtsverordnungen, der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in ihrer jeweils geltenden Fassung und der auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 und der Richtlinie 2013/36/EU erlassenen Rechtsakte sowie nach den Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 und der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 aus. Die Bundesanstalt ist die zuständige Behörde für die Anwendung von Artikel 124 Absatz 2, Artikel 164 Absatz 6 und Artikel 458 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 sowie die zuständige Behörde nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 2013/36/EU, soweit nicht die Europäische Zentralbank nach der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 als zuständige Behörde gilt. Die Deutsche Bundesbank ist zuständige Stelle nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 2013/36/EU im Rahmen der ihr nach § 7 Absatz 1 auch in Verbindung mit Absatz 1a zugewiesenen Aufgaben, soweit nicht die Europäische Zentralbank nach der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 als zuständige Behörde gilt.

(1a) Die Bundesanstalt übt die Aufsicht über zentrale Gegenparteien zusätzlich auch nach der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 sowie den auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsakten aus.

(1b) Für CRR-Institute ist die Bundesanstalt sektoral zuständige Behörde im Sinne des Artikels 25a der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 in der jeweils geltenden Fassung und setzt die Einhaltung der Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 in der jeweils geltenden Fassung durch, soweit nicht § 29 des Wertpapierhandelsgesetzes anzuwenden ist.

(1c) Die Bundesanstalt ist zuständige Behörde im Sinne der Artikel 11, 17 Absatz 1 und des Artikels 55 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 1).

(1d) Die Bundesanstalt ist die nach diesem Gesetz zuständige Behörde im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP) (ABl. L 352 vom 9.12.2014, S. 1, L 358 vom 13.12.2014, S. 50) in der jeweils geltenden Fassung für Institute, die PRIP im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 dieser Verordnung herstellen, verkaufen oder über diese beraten, sofern es sich bei diesen PRIP zugleich um strukturierte Einlagen im Sinne des § 2 Absatz 15 des Wertpapierhandelsgesetzes handelt.

(1e) Die Bundesanstalt ist zuständige Behörde für

1.
Originatoren, ursprüngliche Kreditgeber und Verbriefungszweckgesellschaften im Sinne des Artikels 29 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2017/2402,
2.
Originatoren, Sponsoren und Verbriefungszweckgesellschaften nach Artikel 29 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2017/2402 und
3.
Dritte im Sinne des Artikels 28 der Verordnung (EU) 2017/2402
und setzt ihnen gegenüber in Fällen der Nummer 1 die Einhaltung der Anforderungen nach den Artikeln 6 bis 9, in Fällen der Nummer 2 die Einhaltung der Anforderungen nach den Artikeln 18 bis 27 und in Fällen der Nummer 3 die Einhaltung der Anforderungen nach Artikel 28 der Verordnung (EU) 2017/2402 und der auf Grundlage der Verordnung (EU) 2017/2402 erlassenen Rechtsakte nach den Vorschriften dieses Gesetzes durch, soweit nicht § 295 Absatz 1 Nummer 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes oder § 5 Absatz 12 des Kapitalanlagegesetzbuchs anzuwenden sind.

(1f) Die Bundesanstalt ist zuständige Behörde im Sinne des Artikels 2 Nummer 18 der Verordnung (EU) 2019/1238 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über ein Paneuropäisches Privates Pensionsprodukt (PEPP) (ABl. L 198 vom 25.7.2019, S. 1) nach den Vorschriften dieses Gesetzes, soweit nicht § 295 Absatz 1 Nummer 7 des Versicherungsaufsichtsgesetzes, § 32a Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes oder § 5 Absatz 13 des Kapitalanlagegesetzbuchs anzuwenden sind.

(2) Die Bundesanstalt hat Mißständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen entgegenzuwirken, welche die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsmäßige Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können.

(3) Die Bundesanstalt kann im Rahmen der ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben gegenüber den Instituten und ihren Geschäftsleitern Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, um Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen zu verhindern oder zu unterbinden oder um Missstände in einem Institut zu verhindern oder zu beseitigen, welche die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte gefährden können oder die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen. Die Anordnungsbefugnis nach Satz 1 besteht auch gegenüber Finanzholding-Gesellschaften oder gemischten Finanzholding-Gesellschaften sowie gegenüber den Personen, die die Geschäfte dieser Gesellschaften tatsächlich führen.

(4) Die Bundesanstalt hat bei der Ausübung ihrer Aufgaben in angemessener Weise die möglichen Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf die Stabilität des Finanzsystems in den jeweils betroffenen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums zu berücksichtigen.

(5) (weggefallen)

(1) Ein Institut muss über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation verfügen, die die Einhaltung der vom Institut zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen und der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten gewährleistet. Die Geschäftsleiter sind für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation des Instituts verantwortlich; sie haben die erforderlichen Maßnahmen für die Ausarbeitung der entsprechenden institutsinternen Vorgaben zu ergreifen, sofern nicht das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan entscheidet. Eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation muss insbesondere ein angemessenes und wirksames Risikomanagement umfassen, auf dessen Basis ein Institut die Risikotragfähigkeit laufend sicherzustellen hat; das Risikomanagement umfasst insbesondere

1.
die Festlegung von Strategien, insbesondere die Festlegung einer auf die nachhaltige Entwicklung des Instituts gerichteten Geschäftsstrategie und einer damit konsistenten Risikostrategie, sowie die Einrichtung von Prozessen zur Planung, Umsetzung, Beurteilung und Anpassung der Strategien;
2.
Verfahren zur Ermittlung und Sicherstellung der Risikotragfähigkeit, wobei eine vorsichtige Ermittlung der Risiken, der potentiellen Verluste, die sich auf Grund von Stressszenarien ergeben, einschließlich derjenigen, die nach dem aufsichtlichen Stresstest nach § 6b Absatz 3 ermittelt werden, und des zu ihrer Abdeckung verfügbaren Risikodeckungspotenzials zugrunde zu legen ist;
3.
die Einrichtung interner Kontrollverfahren mit einem internen Kontrollsystem und einer Internen Revision, wobei das interne Kontrollsystem insbesondere
a)
aufbau- und ablauforganisatorische Regelungen mit klarer Abgrenzung der Verantwortungsbereiche,
b)
Prozesse zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung sowie Überwachung und Kommunikation der Risiken entsprechend den in Titel VII Kapitel 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt II der Richtlinie 2013/36/EU niedergelegten Kriterien und
c)
eine Risikocontrolling-Funktion und eine Compliance-Funktion umfasst;
4.
eine angemessene personelle und technischorganisatorische Ausstattung des Instituts;
5.
die Festlegung eines angemessenen Notfallmanagements, insbesondere für IT-Systeme, und
6.
angemessene, transparente und auf eine nachhaltige Entwicklung des Instituts ausgerichtete Vergütungssysteme für Geschäftsleiter und Mitarbeiter unter Berücksichtigung von Absatz 5; dies gilt mit Ausnahme der Pflicht zur Offenlegung vergütungsbezogener Informationen nicht, soweit die Vergütung durch Tarifvertrag oder in seinem Geltungsbereich durch Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien über die Anwendung der tarifvertraglichen Regelungen oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung vereinbart ist.
Die Ausgestaltung des Risikomanagements hängt von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftstätigkeit ab. Seine Angemessenheit und Wirksamkeit ist vom Institut regelmäßig zu überprüfen. Eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation umfasst darüber hinaus
1.
angemessene Regelungen, anhand derer sich die finanzielle Lage des Instituts jederzeit mit hinreichender Genauigkeit bestimmen lässt;
2.
eine vollständige Dokumentation der Geschäftstätigkeit, die eine lückenlose Überwachung durch die Bundesanstalt für ihren Zuständigkeitsbereich gewährleistet; erforderliche Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre aufzubewahren; § 257 Absatz 4 des Handelsgesetzbuchs bleibt unberührt, § 257 Absatz 3 und 5 des Handelsgesetzbuchs gilt entsprechend;
3.
einen Prozess, der es den Mitarbeitern unter Wahrung der Vertraulichkeit ihrer Identität ermöglicht, Verstöße gegen die Verordnung (EU) Nr. 575/2013, die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 1; L 287 vom 21.10.2016, S. 320; L 306 vom 15.11.2016, S. 43; L 348 vom 21.12.2016, S. 83), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2016/1033 (ABl. L 175 vom 30.6.2016, S. 1) geändert worden ist, die Verordnung (EU) Nr. 600/2014, die Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 oder die Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG (ABl. L 168 vom 30.6.2017, S. 12) oder gegen dieses Gesetz oder gegen die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen oder gegen das Wertpapierhandelsgesetz oder gegen die auf Grund des Wertpapierhandelsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen sowie etwaige strafbare Handlungen innerhalb des Unternehmens an geeignete Stellen zu berichten.

(2) Die Bundesanstalt kann Vorgaben zur Ausgestaltung einer plötzlichen und unerwarteten Zinsänderung und zur Ermittlungsmethodik der Auswirkungen auf den Barwert und die Erträge bezüglich der Zinsänderungsrisiken aus den nicht unter das Handelsbuch fallenden Geschäften festlegen. Die Bundesanstalt kann gegenüber einem Institut im Einzelfall Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 und 6 sowie die Beachtung der Vorgaben nach Satz 1 sicherzustellen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für Institutsgruppen, Finanzholding-Gruppen und gemischte Finanzholding-Gruppen sowie Unterkonsolidierungsgruppen nach Artikel 22 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 mit der Maßgabe entsprechend, dass die Geschäftsleiter des übergeordneten oder zur Unterkonsolidierung verpflichteten Unternehmens für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation der Institutsgruppe, Finanzholding-Gruppe, gemischten Finanzholding-Gruppe oder der Unterkonsolidierungsgruppe verantwortlich sind. Zu einer Gruppe im Sinne von Satz 1 gehören auch Tochterunternehmen eines übergeordneten Unternehmens oder nachgeordneten Tochterunternehmens einer Institutsgruppe, Finanzholding-Gruppe oder gemischten Finanzholding-Gruppe, auf die weder die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 noch § 1a zur Anwendung kommt. Die sich aus der Einbeziehung in das Risikomanagement auf Gruppenebene ergebenden Pflichten müssen von Tochterunternehmen der Gruppe mit Sitz in einem Drittstaat nur insoweit beachtet werden, als diese Pflichten nicht dem geltenden Recht im Herkunftsstaat des Tochterunternehmens entgegenstehen.

(4) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank und nach Anhörung der Europäischen Zentralbank nähere Bestimmungen über die Ausgestaltung eines angemessenen und wirksamen Risikomanagements auf Einzelinstituts- und Gruppenebene gemäß Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 5 und Absatz 3 und der jeweils zugehörigen Tätigkeiten und Prozesse zu erlassen. Vor Erlass der Rechtsverordnung sind die Spitzenverbände der Institute zu hören.

(5) Die Institute haben angemessene Verhältnisse zwischen der variablen und fixen jährlichen Vergütung für Mitarbeiter und Geschäftsleiter festzulegen. Dabei darf die variable Vergütung vorbehaltlich eines Beschlusses nach Satz 5 jeweils 100 Prozent der fixen Vergütung für jeden einzelnen Mitarbeiter oder Geschäftsleiter nicht überschreiten. Hierbei kann für bis zu 25 Prozent der variablen Vergütung der zukünftige Wert auf den Zeitpunkt der Mitteilung an die jeweiligen Mitarbeiter oder Geschäftsleiter über die Höhe der variablen Vergütung für einen Bemessungszeitraum abgezinst werden, wenn dieser Teil der variablen Vergütung in Instrumenten gezahlt wird, die für die Dauer von mindestens fünf Jahren nach dieser Mitteilung zurückbehalten werden. Bei der Zurückbehaltung dürfen ein Anspruch und eine Anwartschaft auf diesen Teil der variablen Vergütung erst nach Ablauf des Zurückbehaltungszeitraums erwachsen und während des Zurückbehaltungszeitraums lediglich ein Anspruch auf fehlerfreie Ermittlung des noch nicht zu einer Anwartschaft oder einem Anspruch erwachsenen Teils dieses Teils der variablen Vergütung bestehen, nicht aber auf diesen Teil der variablen Vergütung selbst. Die Anteilseigner, die Eigentümer, die Mitglieder oder die Träger des Instituts können über die Billigung einer höheren variablen Vergütung als nach Satz 2, die 200 Prozent der fixen Vergütung für jeden einzelnen Mitarbeiter oder Geschäftsleiter nicht überschreiten darf, beschließen. Zur Billigung einer höheren variablen Vergütung als nach Satz 2 für Mitarbeiter haben die Geschäftsleitung und das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan, zur Billigung einer höheren variablen Vergütung als nach Satz 2 für Geschäftsleiter nur das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan, einen Vorschlag zur Beschlussfassung zu machen; der Vorschlag hat die Gründe für die erbetene Billigung einer höheren variablen Vergütung als nach Satz 2 und deren Umfang, einschließlich der Anzahl der betroffenen Mitarbeiter und Geschäftsleiter sowie ihrer Funktionen, und den erwarteten Einfluss einer höheren variablen Vergütung als nach Satz 2 auf die Anforderung, eine angemessene Eigenmittelausstattung vorzuhalten, darzulegen. Der Beschlussvorschlag ist so rechtzeitig vor der Beschlussfassung bekannt zu machen, dass sich die Anteilseigner, die Eigentümer, die Mitglieder oder die Träger des Instituts angemessen informieren können; üben die Anteilseigner, die Eigentümer, die Mitglieder oder die Träger ihre Rechte in einer Versammlung aus, ist der Beschlussvorschlag mit der Einberufung der Versammlung bekannt zu machen. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von mindestens 66 Prozent der abgegebenen Stimmen, sofern mindestens 50 Prozent der Stimmrechte bei der Beschlussfassung vertreten sind, oder von mindestens 75 Prozent der abgegebenen Stimmen. Anteilseigner, Eigentümer, Mitglieder oder Träger die als Mitarbeiter oder Geschäftsleiter von einer höheren variablen Vergütung als nach Satz 2 betroffen wären, dürfen ihr Stimmrecht weder unmittelbar noch mittelbar ausüben.

(5a) Auf Risikoträger und Risikoträgerinnen bedeutender Institute, deren jährliche fixe Vergütung das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung im Sinne des § 159 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch überschreitet und die keine Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte sind, die zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, findet § 9 Absatz 1 Satz 2 des Kündigungsschutzgesetzes mit der Maßgabe Anwendung, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf. § 14 Absatz 1 des Kündigungsschutzgesetzes bleibt unberührt.

(5b) In einem CRR-Kreditinstitut sowie in einem Institut, das kein CRR-Kreditinstitut, aber bedeutend gemäß § 1 Absatz 3c ist, gelten die folgenden Personengruppen zwingend als Risikoträger:

1.
Mitarbeiter der unmittelbar der Geschäftsleitung nachgelagerten Führungsebene;
2.
Mitarbeiter mit Managementverantwortung für die Kontrollfunktionen oder die wesentlichen Geschäftsbereiche des Instituts;
3.
Mitarbeiter, die im oder für das vorhergehende Geschäftsjahr Anspruch auf eine Vergütung in Höhe von mindestens 500 000 Euro hatten, sofern
a)
diese Vergütung mindestens der durchschnittlichen Vergütung der Geschäftsleiter, der Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans sowie der Mitarbeiter der unmittelbar der Geschäftsleitung nachgelagerten Führungsebene des Instituts im Sinne von Nummer 1 entspricht, und
b)
die Mitarbeiter die berufliche Tätigkeit in einem wesentlichen Geschäftsbereich ausüben und sich diese Tätigkeit erheblich auf das Risikoprofil des betreffenden Geschäftsbereichs auswirkt.
Ein bedeutendes Institut hat darüber hinaus auf Grundlage einer Risikoanalyse eigenverantwortlich alle weiteren Risikoträger zu ermitteln. Dabei sind immer mindestens die Kriterien gemäß den Artikeln 3 und 4 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 604/2014 in der jeweils geltenden Fassung zugrunde zu legen. Das Institut teilt den betroffenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Einstufung als Risikoträger mit. Die Risikoanalyse ist schriftlich oder elektronisch zu dokumentieren und regelmäßig zu aktualisieren. Ausnahmen gemäß Artikel 4 Absatz 2 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 604/2014 in der jeweils geltenden Fassung bedürfen der Zustimmung der Geschäftsleitung und der Kenntnisnahme durch das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan. Für die Zwecke dieser Vorschrift gelten die Begriffsbestimmungen sowie die Berechnungsmethoden zur Höhe der maßgeblichen Vergütung nach der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 604/2014 in der jeweils geltenden Fassung.

(5c) Die nach Artikel 4 Absatz 5 Satz 1 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 604/2014 in der jeweils geltenden Fassung an die Aufsichtsbehörde zu stellenden Anträge sind unverzüglich, spätestens jedoch sechs Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres, zu stellen.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, im Benehmen mit der Deutschen Bundesbank nähere Bestimmungen zu erlassen über

1.
die Ausgestaltung der Vergütungssysteme nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 6 einschließlich der Ausgestaltung
a)
der Entscheidungsprozesse und Verantwortlichkeiten,
b)
des Verhältnisses der variablen zur fixen Vergütung und der Vergütungsinstrumente für die variable Vergütung,
c)
positiver und negativer Vergütungsparameter, der Leistungszeiträume, Zurückbehaltungszeiträume und Rückforderungszeiträume einschließlich der Voraussetzungen und Parameter für einen vollständigen Verlust oder eine teilweise Reduzierung oder eine vollständige oder teilweise Rückforderung der variablen Vergütung sowie
der Berücksichtigung der institutsspezifischen und gruppenweiten Geschäfts- und Vergütungsstrategie einschließlich deren Anwendung und Umsetzung in Unternehmen, die nach Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 zu konsolidieren sind oder freiwillig konsolidiert werden, der Ziele, der Werte und der langfristigen Interessen des Instituts,
2.
die Voraussetzungen und das Verfahren bei Billigung eines höheren Verhältnisses zwischen der variablen und fixen jährlichen Vergütung nach Absatz 5 Satz 2 bis 9,
2a.
die Berechnung des Verhältnisses der variablen zur fixen Vergütung nach Absatz 5 Satz 2 bis 5, insbesondere über die Diskontierungsfaktoren zur Ermittlung des zugrunde zu legenden Barwerts der variablen Vergütung,
3.
die Überwachung der Angemessenheit und der Transparenz der Vergütungssysteme durch das Institut und die Weiterentwicklung der Vergütungssysteme, auch unter Einbeziehung des Vergütungskontrollausschusses und eines Vergütungsbeauftragten,
4.
die Offenlegung der Ausgestaltung der Vergütungssysteme und der Zusammensetzung der Vergütung einschließlich des Gesamtbetrags der garantierten Bonuszahlungen und der einzelvertraglichen Abfindungszahlungen unter Angabe der höchsten geleisteten Abfindung und der Anzahl der Begünstigten, soweit nicht von Artikel 450 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 erfasst, das Offenlegungsmedium und die Häufigkeit der Offenlegung,
5.
die Ausgestaltung der Offenlegung gemäß Artikel 450 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 sowie
6.
die vollständige oder teilweise Herausnahme von Instituten, die keine CRR-Institute sind, aus dem Anwendungsbereich der Rechtsverordnung.
Die Regelungen haben sich insbesondere an Größe und Vergütungsstruktur des Instituts sowie Art, Umfang, Komplexität, Risikogehalt und Internationalität der Geschäftsaktivitäten zu orientieren. Im Rahmen der Bestimmungen nach Satz 1 Nummer 4 müssen die auf Offenlegung der Vergütung bezogenen handelsrechtlichen Bestimmungen nach § 340a Absatz 1 und 2 in Verbindung mit § 340l Absatz 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs unberührt bleiben. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt mit der Maßgabe übertragen, dass die Rechtsverordnung im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank ergeht. Vor Erlass der Rechtsverordnung sind die Spitzenverbände der Institute zu hören.

(1) Die bei der Bundesanstalt beschäftigten und die nach § 4 Absatz 3 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes beauftragten Personen, die nach § 45c bestellten Sonderbeauftragten, die nach § 37 Absatz 1 Satz 2 und § 38 Absatz 2 Satz 2 und 3 bestellten Abwickler, die gerichtlich bestellten Treuhänder nach § 2c Absatz 2 Satz 2 sowie die im Dienst der Deutschen Bundesbank stehenden Personen, soweit sie zur Durchführung dieses Gesetzes tätig werden, dürfen die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des Instituts, der zuständigen Behörden oder eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, nicht unbefugt offenbaren oder verwerten, auch wenn sie nicht mehr im Dienst sind oder ihre Tätigkeit beendet ist. Dies gilt auch für die in Satz 1 genannten Personen, sofern ihnen Tatsachen im Rahmen der Anbahnung einer Beauftragung oder Bestellung anvertraut werden. Die von den beaufsichtigten Instituten und Unternehmen zu beachtenden allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften bleiben unberührt. Dies gilt auch für andere Personen, die durch dienstliche Berichterstattung Kenntnis von den in Satz 1 bezeichneten Tatsachen erhalten. Ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere nicht vor, wenn Tatsachen weitergegeben werden an

1.
Strafverfolgungsbehörden oder für Straf- und Bußgeldsachen zuständige Gerichte,
2.
kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Überwachung von Instituten, Wertpapierinstitute, Kapitalverwaltungsgesellschaften, extern verwalteten Investmentgesellschaften, EU-Verwaltungsgesellschaften oder ausländischen AIF-Verwaltungsgesellschaften, Finanzunternehmen, Versicherungsunternehmen, der Finanzmärkte oder des Zahlungsverkehrs betraute Stellen sowie von diesen beauftragte Personen,
3.
mit der Liquidation, oder dem Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Instituts befaßte Stellen,
4.
mit der gesetzlichen Prüfung der Rechnungslegung von Instituten oder Finanzunternehmen betraute Personen sowie Stellen, welche die vorgenannten Personen beaufsichtigen,
5.
eine Einlagensicherungseinrichtung oder Anlegerentschädigungseinrichtung,
6.
Wertpapier- oder Terminbörsen,
7.
Zentralnotenbanken,
8.
Betreiber von Systemen nach § 1 Abs. 16,
9.
die zuständigen Stellen in anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums sowie in Drittstaaten, mit denen die Bundesanstalt im Rahmen von Aufsichtskollegien nach § 8e zusammenarbeitet,
10.
die Europäische Zentralbank, das Europäische System der Zentralbanken, die Europäische Bankenaufsichtsbehörde, die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, den Gemeinsamen Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden, den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken oder die Europäische Kommission,
11.
Behörden, die für die Aufsicht über Zahlungs- und Abwicklungssysteme zuständig sind,
12.
Parlamentarische Untersuchungsausschüsse nach § 1 des Untersuchungsausschussgesetzes auf Grund einer Entscheidung über ein Ersuchen nach § 18 Absatz 2 des Untersuchungsausschussgesetzes,
13.
das Bundesverfassungsgericht,
14.
den Bundesrechnungshof, sofern sich sein Untersuchungsauftrag auf die Entscheidungen und sonstigen Tätigkeiten der Bundesanstalt nach diesem Gesetz oder der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 bezieht,
15.
Verwaltungsgerichte in verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten, in denen die Bundesanstalt Beklagte ist, mit Ausnahme von Klagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz,
16.
die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich für die Zwecke quantitativer Folgenabschätzungen sowie an den Rat für Finanzstabilität für die Zwecke seiner Überwachungsaufgaben,
17.
den Internationalen Währungsfonds oder die Weltbank für die Zwecke der Bewertungen im Rahmen des Programms zur Bewertung des Finanzsektors,
18.
den Ausschuss für Finanzstabilität oder den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken,
19.
die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, das Gremium zum Finanzmarktstabilisierungsfonds im Sinne des § 10a Absatz 1 des Stabilisierungsfondsgesetzes oder den Lenkungsausschuss im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des Stabilisierungsfondsgesetzes,
20.
Behörden im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Nummer 17 und 18 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014,
21.
Behörden, die für die Überwachung der Einhaltung der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates durch die in Artikel 2 Absatz 1 Nummer 1 und 2 der Richtlinie aufgeführten Verpflichteten zuständig sind, und zentrale Meldestellen oder andere Behörden, die kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Bekämpfung, Aufklärung und Verhinderung von Geldwäsche oder von Terrorismusfinanzierung betraut sind,
22.
zuständige Behörden oder Stellen, die für die Anwendung der Regelungen zur strukturellen Trennung innerhalb einer Bankengruppe verantwortlich sind,
23.
das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik,
24.
zuständige Behörden im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe r der Verordnung (EU) 2020/1503 oder
25.
natürliche oder juristische Personen, die als Sonderbeauftragte nach § 45c, als Abwickler nach § 37 Absatz 1 Satz 2 oder § 38 Absatz 2 Satz 2 oder 3 oder als Treuhänder nach § 2c Absatz 2 Satz 2 oder in einem vergleichbaren Verhältnis tätig werden; das Gleiche gilt für die Informationsweitergabe an diesen Personenkreis, die im Rahmen der Anbahnung einer Beauftragung oder Bestellung notwendig ist,
soweit diese Stellen oder Personen die Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben oder zur Prüfung, ob sie eine der in Nummer 25 genannten Aufgaben ausüben können, benötigen. Für die bei den in Satz 5 Nummer 1 bis 11, 13 bis 19, 21, 23 und 25 genannten Stellen oder Personen beschäftigten Personen und die von diesen Stellen oder Personen beauftragten Personen sowie für die Mitglieder der in Satz 5 Nummer 12 und 19 genannten Ausschüsse gilt die Verschwiegenheitspflicht nach Satz 1 entsprechend. Befindet sich eine in Satz 5 Nummer 1 bis 11, 16 bis 18, 21 und 22 genannte Stelle in einem anderen Staat, so dürfen die Tatsachen nur weitergegeben werden, wenn die bei dieser Stelle beschäftigten und die von dieser Stelle beauftragten Personen einer dem Satz 1 weitgehend entsprechenden Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Die ausländische Stelle ist darauf hinzuweisen, daß sie Informationen nur zu dem Zweck verarbeiten darf, zu deren Erfüllung sie ihr übermittelt werden. Eine Weitergabe an die in Satz 5 Nummer 16 und 17 genannten Stellen darf nur erfolgen, wenn
1.
die Anfrage unter Berücksichtigung der übertragenen spezifischen Aufgaben hinreichend begründet und hinreichend genau in Bezug auf Art, Umfang und Format der angeforderten Informationen und in Bezug auf die Mittel für deren Übermittlung ist,
2.
die angeforderten Informationen
a)
unbedingt erforderlich sind, damit die anfragende Stelle ihre spezifischen Aufgaben wahrnehmen kann, und
b)
nicht über die der anfragenden Stelle übertragenen gesetzlichen Aufgaben hinausgehen und
3.
die Informationen ausschließlich den Personen übermittelt werden, die bei der anfragenden Stelle unmittelbar mit der Wahrnehmung der spezifischen Aufgabe befasst sind, für deren Erfüllung die angeforderten Informationen unbedingt erforderlich sind.
Andere Informationen als aggregierte und anonymisierte Informationen dürfen mit den in Satz 5 Nummer 16 und 17 genannten Stellen nur in den Räumlichkeiten der Aufsichtsbehörde und der Deutschen Bundesbank ausgetauscht werden. Informationen, die aus einem anderen Staat stammen, dürfen nur mit ausdrücklicher Zustimmung der zuständigen Stellen, die diese Informationen mitgeteilt haben, und nur für solche Zwecke weitergegeben werden, denen diese Stellen zugestimmt haben.

(2) Ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten von Tatsachen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 liegt nicht vor, wenn die Ergebnisse von im Einklang mit Artikel 100 der Richtlinie 2013/36/EU oder Artikel 32 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 in der jeweils geltenden Fassung durchgeführten Stresstests veröffentlicht oder der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde zur Veröffentlichung EU-weiter Stresstestergebnisse übermittelt werden.

(3) Betrifft die Weitergabe von Tatsachen nach Absatz 1 personenbezogene Daten, sind die allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften anzuwenden.

(4) Tritt eine Krisensituation ein, so kann die Bundesanstalt zu Aufsichtszwecken Tatsachen auch an die zuständigen Stellen in anderen Staaten weitergeben.

(5) Die §§ 93, 97 und 105 Absatz 1, § 111 Absatz 5 in Verbindung mit § 105 Absatz 1 sowie § 116 Absatz 1 der Abgabenordnung gelten für die in Absatz 1 bezeichneten Personen nur, soweit die Finanzbehörden die Kenntnisse für die Durchführung eines Verfahrens wegen einer Steuerstraftat sowie eines damit zusammenhängenden Besteuerungsverfahrens benötigen. Die in Satz 1 genannten Vorschriften sind jedoch nicht anzuwenden, soweit Tatsachen betroffen sind,

1.
die den in Absatz 1 Satz 1 oder Satz 3 bezeichneten Personen durch die zuständige Aufsichtsstelle eines anderen Staates oder durch von dieser Stelle beauftragte Personen mitgeteilt worden sind oder
2.
von denen bei der Bundesanstalt beschäftigte Personen dadurch Kenntnis erlangen, dass sie an der Aufsicht über direkt von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigte Institute mitwirken, insbesondere in gemeinsamen Aufsichtsteams nach Artikel 2 Nummer 6 der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank, und die nach den Regeln der Europäischen Zentralbank geheim sind.

(1) Ein Institut oder ein übergeordnetes Unternehmen, die Mitglieder deren Organe und deren Beschäftigte haben der Bundesanstalt, den Personen und Einrichtungen, deren sich die Bundesanstalt bei der Durchführung ihrer Aufgaben bedient, sowie der Deutschen Bundesbank auf Verlangen Auskünfte über alle Geschäftsangelegenheiten zu erteilen, Unterlagen vorzulegen und erforderlichenfalls Kopien anzufertigen; dies gilt auch für Auslagerungsunternehmen, für die Mitglieder von deren Organen und für deren Beschäftigte, soweit Aktivitäten und Prozesse betroffen sind, die ein Institut oder übergeordnetes Unternehmen ausgelagert hat. Die Bundesanstalt kann, auch ohne besonderen Anlass, bei den Instituten, übergeordneten Unternehmen und Auslagerungsunternehmen, soweit ein Institut oder ein übergeordnetes Unternehmen wesentliche Aktivitäten und Prozesse im Sinne des § 25b Absatz 1 Satz 1 ausgelagert hat oder es sich um eine Auslagerung nach § 25h Absatz 4 oder nach § 6 Absatz 7 des Geldwäschegesetzes handelt, Prüfungen vornehmen und die Durchführung der Prüfungen der Deutschen Bundesbank übertragen. Die Bediensteten der Bundesanstalt, der Deutschen Bundesbank sowie die sonstigen Personen, deren sich die Bundesanstalt bei der Durchführung der Prüfungen bedient, können hierzu die Geschäftsräume des Instituts, des Auslagerungsunternehmens und des übergeordneten Unternehmens innerhalb der üblichen Betriebs- und Geschäftszeiten betreten und besichtigen. Die Betroffenen haben Maßnahmen nach den Sätzen 2 und 3 zu dulden.

(1a) Soweit eine zentrale Gegenpartei unter den Voraussetzungen des Artikels 35 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 operationelle Funktionen, Dienstleistungen oder Tätigkeiten auf ein Unternehmen auslagert, sind die Befugnisse der Bundesanstalt nach Absatz 1 Satz 2 und 3 auch auf dieses Unternehmen entsprechend anwendbar; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(1b) Originatoren und ursprüngliche Kreditgeber, soweit sie keine Institute sind, sowie Verbriefungszweckgesellschaften und gemäß Artikel 28 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2017/2402 zugelassene Dritte haben der Bundesanstalt Auskünfte entsprechend den Absätzen 1 und 6 zu erteilen. Der Bundesanstalt stehen die in Absatz 1 genannten Prüfungsbefugnisse entsprechend zu.

(2) Ein nachgeordnetes Unternehmen im Sinne des § 10a, eine Finanzholding-Gesellschaft an der Spitze einer Finanzholding-Gruppe im Sinne des § 10a, eine gemischte Finanzholding-Gesellschaft an der Spitze einer gemischten Finanzholding-Gruppe im Sinne des § 10a oder eine gemischte Holding-Gesellschaft sowie ein Mitglied eines Organs eines solchen Unternehmens haben der Bundesanstalt, den Personen und Einrichtungen, deren sich die Bundesanstalt bei der Durchführung ihrer Aufgaben bedient, sowie der Deutschen Bundesbank auf Verlangen Auskünfte zu erteilen, Unterlagen vorzulegen und erforderlichenfalls Kopien anzufertigen, um die Richtigkeit der Auskünfte oder der übermittelten Daten zu überprüfen, die für die Aufsicht auf zusammengefasster Basis erforderlich sind oder die in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 25 Absatz 3 Satz 1 zu übermitteln sind. Die Bundesanstalt kann, auch ohne besonderen Anlass, bei den in Satz 1 genannten Unternehmen Prüfungen vornehmen und die Durchführung der Prüfungen der Deutschen Bundesbank übertragen; Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 gilt entsprechend. Die Bediensteten der Bundesanstalt, der Deutschen Bundesbank sowie der sonstigen Personen, deren sich die Bundesanstalt bei der Durchführung der Prüfungen bedient, können hierzu die Geschäftsräume der Unternehmen innerhalb der üblichen Betriebs- und Geschäftszeiten betreten und besichtigen. Die Betroffenen haben Maßnahmen nach den Sätzen 2 und 3 zu dulden. Die Sätze 1 bis 4 gelten entsprechend für ein nicht in die Zusammenfassung einbezogenes Tochterunternehmen und ein gemischte Holdinggesellschaft und dessen Tochterunternehmen.

(2a) Benötigt die Bundesanstalt bei der Aufsicht über eine Institutsgruppe, Finanzholding-Gruppe, eine gemischte Finanzholding-Gruppe oder gemischte Holding-Gruppe Informationen, die bereits einer anderen zuständigen Stelle vorliegen, richtet sie ihr Auskunftsersuchen zunächst an diese zuständige Stelle. Bei der Aufsicht über Institute, die einem EU-Mutterinstitut nach § 10a nachgeordnet sind, richtet die Bundesanstalt Auskunftsersuchen zur Umsetzung der Ansätze und Methoden nach der Richtlinie 2013/36/EU regelmäßig zunächst an die für die Aufsicht auf zusammengefasster Basis zuständige Stelle.

(3) Die in die Zusammenfassung einbezogenen Unternehmen mit Sitz im Ausland haben der Bundesanstalt auf Verlangen die nach diesem Gesetz zulässigen Prüfungen zu gestatten, insbesondere die Überprüfung der Richtigkeit der für die Zusammenfassung nach § 10a Absatz 4 bis 7, § 25 Absatz 2 und 3 und nach den Artikeln 11 bis 17 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in ihrer jeweils geltenden Fassung übermittelten Daten, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundesanstalt erforderlich und nach dem Recht des anderen Staates zulässig ist. Dies gilt auch für nicht in die Zusammenfassung einbezogene Tochterunternehmen mit Sitz im Ausland.

(3a) (weggefallen)

(4) Die Bundesanstalt kann zu den Hauptversammlungen, Generalversammlungen oder Gesellschafterversammlungen sowie zu den Sitzungen der Aufsichtsorgane bei Instituten, Finanzholding-Gesellschaften oder gemischten Finanzholding-Gesellschaften in der Rechtsform einer juristischen Person Vertreter entsenden. Diese können in der Versammlung oder Sitzung das Wort ergreifen. Im Fall der virtuellen Hauptversammlung nach § 118a des Aktiengesetzes sind die Vertreter im Wege der Videokommunikation zu der Versammlung zuzuschalten und können über die Videokommunikation das Wort ergreifen. Nach § 130a Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes eingereichte Stellungnahmen, nach § 131 Absatz 1a und 1b des Aktiengesetzes eingereichte Fragen sowie die zu diesen Fragen vor der Versammlung gegebenen Antworten sind den Vertretern zugänglich zu machen. Die Vertreter dürfen anstelle der Zuschaltung im Wege der Videokommunikation am Ort der Hauptversammlung teilnehmen, sofern sie dies für erforderlich halten. Die Betroffenen haben Maßnahmen nach den Sätzen 1 bis 5 zu dulden.

(5) Die Institute, Finanzholding-Gesellschaften und gemischten Finanzholding-Gesellschaften in der Rechtsform einer juristischen Person haben auf Verlangen der Bundesanstalt die Einberufung der in Absatz 4 Satz 1 bezeichneten Versammlungen, die Anberaumung von Sitzungen der Verwaltungs- und Aufsichtsorgane sowie die Ankündigung von Gegenständen zur Beschlußfassung vorzunehmen. Die Bundesanstalt kann zu einer nach Satz 1 anberaumten Sitzung Vertreter entsenden. Diese können in der Sitzung das Wort ergreifen. Absatz 4 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Die Betroffenen haben Maßnahmen nach den Sätzen 2 bis 4 zu dulden. Absatz 4 bleibt unberührt.

(6) Der zur Erteilung einer Auskunft Verpflichtete kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde.

(1) Eine Institutsgruppe besteht aus einem übergeordneten Unternehmen und einem oder mehreren nachgeordneten Unternehmen. Übergeordnete Unternehmen sind CRR-Kreditinstitute, die nach Artikel 11 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 die Konsolidierung vorzunehmen haben, sowie Institute, die nach § 1a in Verbindung mit Artikel 11 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 die Konsolidierung vorzunehmen haben. Nachgeordnete Unternehmen sind Unternehmen, die nach Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 zu konsolidieren sind oder freiwillig konsolidiert werden; Institute, die nach § 1a als CRR-Kreditinstitute gelten und die nicht ausschließlich über eine Erlaubnis verfügen, die Tätigkeit einer zentralen Gegenpartei im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 12 auszuüben, gelten hierbei als Institute im Sinne des Artikels 18 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013. Abweichend von Satz 2 kann die Bundesanstalt auf Antrag des übergeordneten Unternehmens ein anderes gruppenangehöriges Institut als übergeordnetes Unternehmen bestimmen; das gruppenangehörige Institut ist vorab anzuhören. Erfüllt bei wechselseitigen Beteiligungen kein Unternehmen der Institutsgruppe die Voraussetzungen des Satzes 2, bestimmt die Bundesanstalt das übergeordnete Unternehmen der Gruppe. Ist das übergeordnete Unternehmen ein Kreditinstitut, das ausschließlich über eine Erlaubnis verfügt, die Tätigkeit einer zentralen Gegenpartei im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 12 auszuüben, oder ein Finanzdienstleistungsinstitut, das ausschließlich Finanzdienstleistungen im Sinne von § 1 Absatz 1a Satz 2 Nummer 9 oder 10 erbringt, besteht nur dann eine Institutsgruppe im Sinne dieser Vorschrift, wenn ihm mindestens ein CRR-Kreditinstitut mit Sitz im Inland als Tochterunternehmen nachgeordnet ist.

(2) Eine Finanzholding-Gruppe oder eine gemischte Finanzholding-Gruppe besteht aus einem übergeordneten Unternehmen und einem oder mehreren nachgeordneten Unternehmen. Übergeordnetes Unternehmen ist das Unternehmen, das nach Artikel 11 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 die Konsolidierung vorzunehmen hat. Nachgeordnete Unternehmen sind Unternehmen, die nach Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 zu konsolidieren sind oder freiwillig konsolidiert werden. Institute, die nach § 1a als CRR-Kreditinstitute gelten und die nicht ausschließlich über eine Erlaubnis verfügen, die Tätigkeit einer zentralen Gegenpartei im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 12 auszuüben, gelten hierbei als Institute im Sinne des Artikels 18 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013. Die Bundesanstalt hat gegenüber einem übergeordneten Unternehmen nach Satz 2 und seinen Organen alle Befugnisse, die ihr gegenüber einem Institut als übergeordnetem Unternehmen und dessen Organen zustehen.

(3) (weggefallen)

(4) Zur Ermittlung der Angemessenheit der Eigenmittel nach den Artikeln 92 bis 386 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in der jeweils geltenden Fassung auf konsolidierter Ebene und zur Begrenzung der Großkreditrisiken nach den Artikeln 387 bis 403 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 haben die übergeordneten Unternehmen jeweils die Eigenmittel und die maßgeblichen Risikopositionen der Gruppe zusammenzufassen. Von den nach Satz 1 zusammenzufassenden Eigenmitteln sind die auf gruppenangehörige Unternehmen entfallenden Buchwerte der Kapitalinstrumente gemäß Artikel 26 Absatz 1 Buchstabe a, Artikel 51 Buchstabe a und Artikel 62 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in der jeweils geltenden Fassung abzuziehen. Bei Beteiligungen, die über nicht gruppenangehörige Unternehmen vermittelt werden, sind solche Buchwerte jeweils quotal in Höhe desjenigen Anteils abzuziehen, der der durchgerechneten Kapitalbeteiligung entspricht. Ist der Buchwert einer Beteiligung höher als der nach Satz 1 unter Eigenmitteln zusammenzufassende Teil der Posten des harten Kernkapitals nach Artikel 26 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in der jeweils geltenden Fassung des nachgeordneten Unternehmens, hat das übergeordnete Unternehmen den Unterschiedsbetrag von dem harten Kernkapital gemäß Artikel 50 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in der jeweils geltenden Fassung der Gruppe abzuziehen. Die Adressenausfallpositionen, die sich aus Rechtsverhältnissen zwischen gruppenangehörigen Unternehmen ergeben, sind nicht zu berücksichtigen. Bei nachgeordneten Unternehmen, die keine Tochterunternehmen sind, hat das übergeordnete Unternehmen seine Eigenmittel und die im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in der jeweils geltenden Fassung maßgeblichen Risikopositionen mit den Eigenmitteln und den maßgeblichen Risikopositionen der nachgeordneten Unternehmen jeweils quotal in Höhe desjenigen Anteils zusammenzufassen, der seiner Kapitalbeteiligung an dem nachgeordneten Unternehmen entspricht. Im Übrigen gelten die Sätze 2 bis 5, jeweils auch in Verbindung mit der Rechtsverordnung nach Absatz 7, entsprechend.

(5) Ist das übergeordnete Unternehmen einer Institutsgruppe verpflichtet, nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs einen Konzernabschluss aufzustellen, oder ist es nach Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (ABl. L 243 vom 11.9.2002, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung oder nach Maßgabe von § 315e Absatz 2 des Handelsgesetzbuchs verpflichtet, bei der Aufstellung des Konzernabschlusses die nach den Artikeln 3 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards anzuwenden, so hat es spätestens nach Ablauf von fünf Jahren nach Entstehen der jeweiligen Verpflichtung bei der Ermittlung der zusammengefassten Eigenmittel sowie der zusammengefassten Risikopositionen nach Maßgabe der Artikel 24 bis 386 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in der jeweils geltenden Fassung den Konzernabschluss zugrunde zu legen. Wendet das übergeordnete Unternehmen einer Institutsgruppe die genannten internationalen Rechnungslegungsstandards nach Maßgabe von § 315e Absatz 3 des Handelsgesetzbuchs an, sind die Sätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des Entstehens der Verpflichtung zur Anwendung der internationalen Rechnungslegungsstandards tritt deren erstmalige Anwendung. Absatz 4 ist in den Fällen der Sätze 1 bis 3 nicht anzuwenden. In diesen Fällen bleiben die Eigenmittel und sonstigen maßgeblichen Risikopositionen von Unternehmen, die in den Konzernabschluss einbezogen und keine gruppenangehörigen Unternehmen im Sinne dieser Vorschrift sind, unberücksichtigt. Eigenmittel und sonstige maßgebliche Risikopositionen nicht in den Konzernabschluss einbezogener Unternehmen, die gruppenangehörige Unternehmen im Sinne dieser Vorschrift sind, sind hinzuzurechnen, wobei das Verfahren nach Absatz 4 angewendet werden darf. Die Sätze 1 bis 6 gelten entsprechend für eine Finanzholding-Gruppe oder eine gemischte Finanzholding-Gruppe, wenn die Finanzholding-Gesellschaft oder die gemischte Finanzholding-Gesellschaft nach den genannten Vorschriften verpflichtet ist, einen Konzernabschluss aufzustellen oder nach § 315e Absatz 3 des Handelsgesetzbuchs einen Konzernabschluss nach den genannten internationalen Rechnungslegungsstandards aufstellt.

(6) Eine Gruppe, die nach Absatz 5 bei der Ermittlung der zusammengefassten Eigenmittel sowie der zusammengefassten Risikopositionen den Konzernabschluss zugrunde zu legen hat, darf mit Zustimmung der Bundesanstalt für diese Zwecke das Verfahren nach Absatz 4 nutzen, wenn die Heranziehung des Konzernabschlusses im Einzelfall ungeeignet ist. Das übergeordnete Unternehmen der Gruppe muss das Verfahren nach Absatz 4 in diesem Fall in mindestens drei aufeinander folgenden Jahren anwenden.

(7) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, im Benehmen mit der Deutschen Bundesbank nähere Bestimmungen über die Ermittlung der Eigenmittelausstattung von Gruppen zu erlassen, insbesondere über

1.
die Überleitung von Angaben aus dem Konzernabschluss in die Ermittlung der zusammengefassten Eigenmittelausstattung bei Anwendung des Verfahrens nach Absatz 5,
2.
die Behandlung der nach der Äquivalenzmethode bewerteten Beteiligungen bei Anwendung des Verfahrens nach Absatz 5.
Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt mit der Maßgabe übertragen, dass die Rechtsverordnung im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank ergeht. Vor Erlass der Rechtsverordnung sind die Spitzenverbände der Institute anzuhören.

(8) Das übergeordnete Unternehmen ist für eine angemessene Eigenmittelausstattung der Gruppe verantwortlich. Es darf jedoch zur Erfüllung seiner Verpflichtungen nach Satz 1 auf die gruppenangehörigen Unternehmen nur einwirken, soweit dem das allgemein geltende Gesellschaftsrecht nicht entgegensteht.

(9) Gruppen sind von der Anwendung der Anforderungen nach den Artikeln 11 bis 23 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 auf zusammengefasster Basis befreit, wenn sämtliche gruppenangehörigen Institute die Artikel 92 bis 386, 429 bis 429g sowie 430 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe a, b, e bis g und Absatz 2 bis 5 sowie die Artikel 430a und 430b der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 nicht auf Einzelinstitutsebene anzuwenden haben, es sei denn, sie wurden nach Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 von der Anwendung der Artikel 92 bis 386, 429 bis 429g, des Artikels 430 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe a, b, e bis g und Absatz 2 bis 5 sowie der Artikel 430a und 430b der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 auf Einzelinstitutsebene freigestellt.

(10) Für die Teilkonsolidierung gemäß Artikel 22 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 sind die Absätze 4 bis 9 entsprechend anzuwenden.

(1) Die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft (Mutterunternehmen) mit Sitz im Inland haben in den ersten fünf Monaten des Konzerngeschäftsjahrs für das vergangene Konzerngeschäftsjahr einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen, wenn diese auf ein anderes Unternehmen (Tochterunternehmen) unmittel- oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Ist das Mutterunternehmen eine Kapitalgesellschaft im Sinn des § 325 Abs. 4 Satz 1, sind der Konzernabschluss sowie der Konzernlagebericht in den ersten vier Monaten des Konzerngeschäftsjahrs für das vergangene Konzerngeschäftsjahr aufzustellen.

(2) Beherrschender Einfluss eines Mutterunternehmens besteht stets, wenn

1.
ihm bei einem anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter zusteht;
2.
ihm bei einem anderen Unternehmen das Recht zusteht, die Mehrheit der Mitglieder des die Finanz- und Geschäftspolitik bestimmenden Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen, und es gleichzeitig Gesellschafter ist;
3.
ihm das Recht zusteht, die Finanz- und Geschäftspolitik auf Grund eines mit einem anderen Unternehmen geschlossenen Beherrschungsvertrages oder auf Grund einer Bestimmung in der Satzung des anderen Unternehmens zu bestimmen, oder
4.
es bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrheit der Risiken und Chancen eines Unternehmens trägt, das zur Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels des Mutterunternehmens dient (Zweckgesellschaft). Neben Unternehmen können Zweckgesellschaften auch sonstige juristische Personen des Privatrechts oder unselbständige Sondervermögen des Privatrechts sein, ausgenommen als Sondervermögen aufgelegte offene inländische Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen im Sinn des § 284 des Kapitalanlagegesetzbuchs oder vergleichbare EU-Investmentvermögen oder ausländische Investmentvermögen, die den als Sondervermögen aufgelegten offenen inländischen Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen im Sinn des § 284 des Kapitalanlagegesetzbuchs vergleichbar sind, oder als Sondervermögen aufgelegte geschlossene inländische Spezial-AIF oder vergleichbare EU-Investmentvermögen oder ausländische Investmentvermögen, die den als Sondervermögen aufgelegten geschlossenen inländischen Spezial-AIF vergleichbar sind.

(3) Als Rechte, die einem Mutterunternehmen nach Absatz 2 zustehen, gelten auch die einem anderen Tochterunternehmen zustehenden Rechte und die den für Rechnung des Mutterunternehmens oder von Tochterunternehmen handelnden Personen zustehenden Rechte. Den einem Mutterunternehmen an einem anderen Unternehmen zustehenden Rechten werden die Rechte hinzugerechnet, über die es selbst oder eines seiner Tochterunternehmen auf Grund einer Vereinbarung mit anderen Gesellschaftern dieses Unternehmens verfügen kann. Abzuziehen sind Rechte, die

1.
mit Anteilen verbunden sind, die von dem Mutterunternehmen oder von dessen Tochterunternehmen für Rechnung einer anderen Person gehalten werden, oder
2.
mit Anteilen verbunden sind, die als Sicherheit gehalten werden, sofern diese Rechte nach Weisung des Sicherungsgebers oder, wenn ein Kreditinstitut die Anteile als Sicherheit für ein Darlehen hält, im Interesse des Sicherungsgebers ausgeübt werden.

(4) Welcher Teil der Stimmrechte einem Unternehmen zusteht, bestimmt sich für die Berechnung der Mehrheit nach Absatz 2 Nr. 1 nach dem Verhältnis der Zahl der Stimmrechte, die es aus den ihm gehörenden Anteilen ausüben kann, zur Gesamtzahl aller Stimmrechte. Von der Gesamtzahl aller Stimmrechte sind die Stimmrechte aus eigenen Anteilen abzuziehen, die dem Tochterunternehmen selbst, einem seiner Tochterunternehmen oder einer anderen Person für Rechnung dieser Unternehmen gehören.

(5) Ein Mutterunternehmen ist von der Pflicht, einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen, befreit, wenn es nur Tochterunternehmen hat, die gemäß § 296 nicht in den Konzernabschluss einbezogen werden brauchen.

Für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder gelten § 93 mit Ausnahme des Absatzes 2 Satz 3 über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder und § 15b der Insolvenzordnung sinngemäß. Die Aufsichtsratsmitglieder sind insbesondere zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen verpflichtet. Sie sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn sie eine unangemessene Vergütung festsetzen (§ 87 Absatz 1).

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Hauptversammlung beschließt in den im Gesetz und in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen, namentlich über

1.
die Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsrats, soweit sie nicht in den Aufsichtsrat zu entsenden oder als Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz, dem Drittelbeteiligungsgesetz, dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung oder dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung zu wählen sind;
2.
die Verwendung des Bilanzgewinns;
3.
das Vergütungssystem und den Vergütungsbericht für Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der börsennotierten Gesellschaft;
4.
die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats;
5.
die Bestellung des Abschlußprüfers;
6.
Satzungsänderungen;
7.
Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und der Kapitalherabsetzung;
8.
die Bestellung von Prüfern zur Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung;
9.
die Auflösung der Gesellschaft.

(2) Über Fragen der Geschäftsführung kann die Hauptversammlung nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt.

(1) Abhängige Unternehmen sind rechtlich selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben kann.

(2) Von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen wird vermutet, daß es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen.

(2) Der Aufsichtsrat kann die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, einsehen und prüfen. Er kann damit auch einzelne Mitglieder oder für bestimmte Aufgaben besondere Sachverständige beauftragen. Er erteilt dem Abschlußprüfer den Prüfungsauftrag für den Jahres- und den Konzernabschluß gemäß § 290 des Handelsgesetzbuchs. Er kann darüber hinaus eine externe inhaltliche Überprüfung der nichtfinanziellen Erklärung oder des gesonderten nichtfinanziellen Berichts (§ 289b des Handelsgesetzbuchs), der nichtfinanziellen Konzernerklärung oder des gesonderten nichtfinanziellen Konzernberichts (§ 315b des Handelsgesetzbuchs) beauftragen.

(3) Der Aufsichtsrat hat eine Hauptversammlung einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es fordert. Für den Beschluß genügt die einfache Mehrheit.

(4) Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden. Die Satzung oder der Aufsichtsrat hat jedoch zu bestimmen, daß bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen. Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, so kann der Vorstand verlangen, daß die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt. Der Beschluß, durch den die Hauptversammlung zustimmt, bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfaßt. Die Satzung kann weder eine andere Mehrheit noch weitere Erfordernisse bestimmen.

(5) Der Aufsichtsrat von Gesellschaften, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, legt für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und im Vorstand Zielgrößen fest. Die Zielgrößen müssen den angestrebten Frauenanteil am jeweiligen Gesamtgremium beschreiben und bei Angaben in Prozent vollen Personenzahlen entsprechen. Legt der Aufsichtsrat für den Aufsichtsrat oder den Vorstand die Zielgröße Null fest, so hat er diesen Beschluss klar und verständlich zu begründen. Die Begründung muss ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung zugrunde liegen. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein. Wenn für den Aufsichtsrat bereits das Mindestanteilsgebot nach § 96 Absatz 2 oder 3 gilt, sind die Festlegungen nur für den Vorstand vorzunehmen. Gilt für den Vorstand das Beteiligungsgebot nach § 76 Absatz 3a, entfällt auch die Pflicht zur Zielgrößensetzung für den Vorstand.

(6) Die Aufsichtsratsmitglieder können ihre Aufgaben nicht durch andere wahrnehmen lassen.

(1) Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die den Vorstandsmitgliedern durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekanntgeworden sind, haben sie Stillschweigen zu bewahren.

(2) Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. Schließt die Gesellschaft eine Versicherung zur Absicherung eines Vorstandsmitglieds gegen Risiken aus dessen beruflicher Tätigkeit für die Gesellschaft ab, ist ein Selbstbehalt von mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds vorzusehen.

(3) Die Vorstandsmitglieder sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn entgegen diesem Gesetz

1.
Einlagen an die Aktionäre zurückgewährt werden,
2.
den Aktionären Zinsen oder Gewinnanteile gezahlt werden,
3.
eigene Aktien der Gesellschaft oder einer anderen Gesellschaft gezeichnet, erworben, als Pfand genommen oder eingezogen werden,
4.
Aktien vor der vollen Leistung des Ausgabebetrags ausgegeben werden,
5.
Gesellschaftsvermögen verteilt wird,
6.
(weggefallen)
7.
Vergütungen an Aufsichtsratsmitglieder gewährt werden,
8.
Kredit gewährt wird,
9.
bei der bedingten Kapitalerhöhung außerhalb des festgesetzten Zwecks oder vor der vollen Leistung des Gegenwerts Bezugsaktien ausgegeben werden.

(4) Der Gesellschaft gegenüber tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht. Dadurch, daß der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat, wird die Ersatzpflicht nicht ausgeschlossen. Die Gesellschaft kann erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt. Die zeitliche Beschränkung gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird.

(5) Der Ersatzanspruch der Gesellschaft kann auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. Dies gilt jedoch in anderen Fällen als denen des Absatzes 3 nur dann, wenn die Vorstandsmitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gröblich verletzt haben; Absatz 2 Satz 2 gilt sinngemäß. Den Gläubigern gegenüber wird die Ersatzpflicht weder durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft noch dadurch aufgehoben, daß die Handlung auf einem Beschluß der Hauptversammlung beruht. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Insolvenzverwalter oder der Sachwalter das Recht der Gläubiger gegen die Vorstandsmitglieder aus.

(6) Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren bei Gesellschaften, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung börsennotiert sind, in zehn Jahren, bei anderen Gesellschaften in fünf Jahren.

(1) Die bei der Bundesanstalt beschäftigten und die nach § 4 Absatz 3 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes beauftragten Personen, die nach § 45c bestellten Sonderbeauftragten, die nach § 37 Absatz 1 Satz 2 und § 38 Absatz 2 Satz 2 und 3 bestellten Abwickler, die gerichtlich bestellten Treuhänder nach § 2c Absatz 2 Satz 2 sowie die im Dienst der Deutschen Bundesbank stehenden Personen, soweit sie zur Durchführung dieses Gesetzes tätig werden, dürfen die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des Instituts, der zuständigen Behörden oder eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, nicht unbefugt offenbaren oder verwerten, auch wenn sie nicht mehr im Dienst sind oder ihre Tätigkeit beendet ist. Dies gilt auch für die in Satz 1 genannten Personen, sofern ihnen Tatsachen im Rahmen der Anbahnung einer Beauftragung oder Bestellung anvertraut werden. Die von den beaufsichtigten Instituten und Unternehmen zu beachtenden allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften bleiben unberührt. Dies gilt auch für andere Personen, die durch dienstliche Berichterstattung Kenntnis von den in Satz 1 bezeichneten Tatsachen erhalten. Ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere nicht vor, wenn Tatsachen weitergegeben werden an

1.
Strafverfolgungsbehörden oder für Straf- und Bußgeldsachen zuständige Gerichte,
2.
kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Überwachung von Instituten, Wertpapierinstitute, Kapitalverwaltungsgesellschaften, extern verwalteten Investmentgesellschaften, EU-Verwaltungsgesellschaften oder ausländischen AIF-Verwaltungsgesellschaften, Finanzunternehmen, Versicherungsunternehmen, der Finanzmärkte oder des Zahlungsverkehrs betraute Stellen sowie von diesen beauftragte Personen,
3.
mit der Liquidation, oder dem Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Instituts befaßte Stellen,
4.
mit der gesetzlichen Prüfung der Rechnungslegung von Instituten oder Finanzunternehmen betraute Personen sowie Stellen, welche die vorgenannten Personen beaufsichtigen,
5.
eine Einlagensicherungseinrichtung oder Anlegerentschädigungseinrichtung,
6.
Wertpapier- oder Terminbörsen,
7.
Zentralnotenbanken,
8.
Betreiber von Systemen nach § 1 Abs. 16,
9.
die zuständigen Stellen in anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums sowie in Drittstaaten, mit denen die Bundesanstalt im Rahmen von Aufsichtskollegien nach § 8e zusammenarbeitet,
10.
die Europäische Zentralbank, das Europäische System der Zentralbanken, die Europäische Bankenaufsichtsbehörde, die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, den Gemeinsamen Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden, den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken oder die Europäische Kommission,
11.
Behörden, die für die Aufsicht über Zahlungs- und Abwicklungssysteme zuständig sind,
12.
Parlamentarische Untersuchungsausschüsse nach § 1 des Untersuchungsausschussgesetzes auf Grund einer Entscheidung über ein Ersuchen nach § 18 Absatz 2 des Untersuchungsausschussgesetzes,
13.
das Bundesverfassungsgericht,
14.
den Bundesrechnungshof, sofern sich sein Untersuchungsauftrag auf die Entscheidungen und sonstigen Tätigkeiten der Bundesanstalt nach diesem Gesetz oder der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 bezieht,
15.
Verwaltungsgerichte in verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten, in denen die Bundesanstalt Beklagte ist, mit Ausnahme von Klagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz,
16.
die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich für die Zwecke quantitativer Folgenabschätzungen sowie an den Rat für Finanzstabilität für die Zwecke seiner Überwachungsaufgaben,
17.
den Internationalen Währungsfonds oder die Weltbank für die Zwecke der Bewertungen im Rahmen des Programms zur Bewertung des Finanzsektors,
18.
den Ausschuss für Finanzstabilität oder den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken,
19.
die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, das Gremium zum Finanzmarktstabilisierungsfonds im Sinne des § 10a Absatz 1 des Stabilisierungsfondsgesetzes oder den Lenkungsausschuss im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des Stabilisierungsfondsgesetzes,
20.
Behörden im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Nummer 17 und 18 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014,
21.
Behörden, die für die Überwachung der Einhaltung der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates durch die in Artikel 2 Absatz 1 Nummer 1 und 2 der Richtlinie aufgeführten Verpflichteten zuständig sind, und zentrale Meldestellen oder andere Behörden, die kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Bekämpfung, Aufklärung und Verhinderung von Geldwäsche oder von Terrorismusfinanzierung betraut sind,
22.
zuständige Behörden oder Stellen, die für die Anwendung der Regelungen zur strukturellen Trennung innerhalb einer Bankengruppe verantwortlich sind,
23.
das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik,
24.
zuständige Behörden im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe r der Verordnung (EU) 2020/1503 oder
25.
natürliche oder juristische Personen, die als Sonderbeauftragte nach § 45c, als Abwickler nach § 37 Absatz 1 Satz 2 oder § 38 Absatz 2 Satz 2 oder 3 oder als Treuhänder nach § 2c Absatz 2 Satz 2 oder in einem vergleichbaren Verhältnis tätig werden; das Gleiche gilt für die Informationsweitergabe an diesen Personenkreis, die im Rahmen der Anbahnung einer Beauftragung oder Bestellung notwendig ist,
soweit diese Stellen oder Personen die Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben oder zur Prüfung, ob sie eine der in Nummer 25 genannten Aufgaben ausüben können, benötigen. Für die bei den in Satz 5 Nummer 1 bis 11, 13 bis 19, 21, 23 und 25 genannten Stellen oder Personen beschäftigten Personen und die von diesen Stellen oder Personen beauftragten Personen sowie für die Mitglieder der in Satz 5 Nummer 12 und 19 genannten Ausschüsse gilt die Verschwiegenheitspflicht nach Satz 1 entsprechend. Befindet sich eine in Satz 5 Nummer 1 bis 11, 16 bis 18, 21 und 22 genannte Stelle in einem anderen Staat, so dürfen die Tatsachen nur weitergegeben werden, wenn die bei dieser Stelle beschäftigten und die von dieser Stelle beauftragten Personen einer dem Satz 1 weitgehend entsprechenden Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Die ausländische Stelle ist darauf hinzuweisen, daß sie Informationen nur zu dem Zweck verarbeiten darf, zu deren Erfüllung sie ihr übermittelt werden. Eine Weitergabe an die in Satz 5 Nummer 16 und 17 genannten Stellen darf nur erfolgen, wenn
1.
die Anfrage unter Berücksichtigung der übertragenen spezifischen Aufgaben hinreichend begründet und hinreichend genau in Bezug auf Art, Umfang und Format der angeforderten Informationen und in Bezug auf die Mittel für deren Übermittlung ist,
2.
die angeforderten Informationen
a)
unbedingt erforderlich sind, damit die anfragende Stelle ihre spezifischen Aufgaben wahrnehmen kann, und
b)
nicht über die der anfragenden Stelle übertragenen gesetzlichen Aufgaben hinausgehen und
3.
die Informationen ausschließlich den Personen übermittelt werden, die bei der anfragenden Stelle unmittelbar mit der Wahrnehmung der spezifischen Aufgabe befasst sind, für deren Erfüllung die angeforderten Informationen unbedingt erforderlich sind.
Andere Informationen als aggregierte und anonymisierte Informationen dürfen mit den in Satz 5 Nummer 16 und 17 genannten Stellen nur in den Räumlichkeiten der Aufsichtsbehörde und der Deutschen Bundesbank ausgetauscht werden. Informationen, die aus einem anderen Staat stammen, dürfen nur mit ausdrücklicher Zustimmung der zuständigen Stellen, die diese Informationen mitgeteilt haben, und nur für solche Zwecke weitergegeben werden, denen diese Stellen zugestimmt haben.

(2) Ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten von Tatsachen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 liegt nicht vor, wenn die Ergebnisse von im Einklang mit Artikel 100 der Richtlinie 2013/36/EU oder Artikel 32 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 in der jeweils geltenden Fassung durchgeführten Stresstests veröffentlicht oder der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde zur Veröffentlichung EU-weiter Stresstestergebnisse übermittelt werden.

(3) Betrifft die Weitergabe von Tatsachen nach Absatz 1 personenbezogene Daten, sind die allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften anzuwenden.

(4) Tritt eine Krisensituation ein, so kann die Bundesanstalt zu Aufsichtszwecken Tatsachen auch an die zuständigen Stellen in anderen Staaten weitergeben.

(5) Die §§ 93, 97 und 105 Absatz 1, § 111 Absatz 5 in Verbindung mit § 105 Absatz 1 sowie § 116 Absatz 1 der Abgabenordnung gelten für die in Absatz 1 bezeichneten Personen nur, soweit die Finanzbehörden die Kenntnisse für die Durchführung eines Verfahrens wegen einer Steuerstraftat sowie eines damit zusammenhängenden Besteuerungsverfahrens benötigen. Die in Satz 1 genannten Vorschriften sind jedoch nicht anzuwenden, soweit Tatsachen betroffen sind,

1.
die den in Absatz 1 Satz 1 oder Satz 3 bezeichneten Personen durch die zuständige Aufsichtsstelle eines anderen Staates oder durch von dieser Stelle beauftragte Personen mitgeteilt worden sind oder
2.
von denen bei der Bundesanstalt beschäftigte Personen dadurch Kenntnis erlangen, dass sie an der Aufsicht über direkt von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigte Institute mitwirken, insbesondere in gemeinsamen Aufsichtsteams nach Artikel 2 Nummer 6 der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank, und die nach den Regeln der Europäischen Zentralbank geheim sind.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Durch Bundesgesetz können Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden.

(2) Der Bund nimmt die über den Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgehenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahr, die ihm durch Bundesgesetz übertragen werden.

(3) Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt. Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen nach Satz 2 erfolgt auf Grund eines Gesetzes; die Mehrheit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim Bund. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(4) Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(5) Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, die Übertragung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte sowie die Stillegung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes regeln oder Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Durch Bundesgesetz können Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden.

(2) Der Bund nimmt die über den Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgehenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahr, die ihm durch Bundesgesetz übertragen werden.

(3) Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt. Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen nach Satz 2 erfolgt auf Grund eines Gesetzes; die Mehrheit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim Bund. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(4) Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(5) Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, die Übertragung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte sowie die Stillegung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes regeln oder Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Die bei der Bundesanstalt beschäftigten und die nach § 4 Absatz 3 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes beauftragten Personen, die nach § 45c bestellten Sonderbeauftragten, die nach § 37 Absatz 1 Satz 2 und § 38 Absatz 2 Satz 2 und 3 bestellten Abwickler, die gerichtlich bestellten Treuhänder nach § 2c Absatz 2 Satz 2 sowie die im Dienst der Deutschen Bundesbank stehenden Personen, soweit sie zur Durchführung dieses Gesetzes tätig werden, dürfen die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des Instituts, der zuständigen Behörden oder eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, nicht unbefugt offenbaren oder verwerten, auch wenn sie nicht mehr im Dienst sind oder ihre Tätigkeit beendet ist. Dies gilt auch für die in Satz 1 genannten Personen, sofern ihnen Tatsachen im Rahmen der Anbahnung einer Beauftragung oder Bestellung anvertraut werden. Die von den beaufsichtigten Instituten und Unternehmen zu beachtenden allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften bleiben unberührt. Dies gilt auch für andere Personen, die durch dienstliche Berichterstattung Kenntnis von den in Satz 1 bezeichneten Tatsachen erhalten. Ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere nicht vor, wenn Tatsachen weitergegeben werden an

1.
Strafverfolgungsbehörden oder für Straf- und Bußgeldsachen zuständige Gerichte,
2.
kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Überwachung von Instituten, Wertpapierinstitute, Kapitalverwaltungsgesellschaften, extern verwalteten Investmentgesellschaften, EU-Verwaltungsgesellschaften oder ausländischen AIF-Verwaltungsgesellschaften, Finanzunternehmen, Versicherungsunternehmen, der Finanzmärkte oder des Zahlungsverkehrs betraute Stellen sowie von diesen beauftragte Personen,
3.
mit der Liquidation, oder dem Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Instituts befaßte Stellen,
4.
mit der gesetzlichen Prüfung der Rechnungslegung von Instituten oder Finanzunternehmen betraute Personen sowie Stellen, welche die vorgenannten Personen beaufsichtigen,
5.
eine Einlagensicherungseinrichtung oder Anlegerentschädigungseinrichtung,
6.
Wertpapier- oder Terminbörsen,
7.
Zentralnotenbanken,
8.
Betreiber von Systemen nach § 1 Abs. 16,
9.
die zuständigen Stellen in anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums sowie in Drittstaaten, mit denen die Bundesanstalt im Rahmen von Aufsichtskollegien nach § 8e zusammenarbeitet,
10.
die Europäische Zentralbank, das Europäische System der Zentralbanken, die Europäische Bankenaufsichtsbehörde, die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, den Gemeinsamen Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden, den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken oder die Europäische Kommission,
11.
Behörden, die für die Aufsicht über Zahlungs- und Abwicklungssysteme zuständig sind,
12.
Parlamentarische Untersuchungsausschüsse nach § 1 des Untersuchungsausschussgesetzes auf Grund einer Entscheidung über ein Ersuchen nach § 18 Absatz 2 des Untersuchungsausschussgesetzes,
13.
das Bundesverfassungsgericht,
14.
den Bundesrechnungshof, sofern sich sein Untersuchungsauftrag auf die Entscheidungen und sonstigen Tätigkeiten der Bundesanstalt nach diesem Gesetz oder der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 bezieht,
15.
Verwaltungsgerichte in verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten, in denen die Bundesanstalt Beklagte ist, mit Ausnahme von Klagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz,
16.
die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich für die Zwecke quantitativer Folgenabschätzungen sowie an den Rat für Finanzstabilität für die Zwecke seiner Überwachungsaufgaben,
17.
den Internationalen Währungsfonds oder die Weltbank für die Zwecke der Bewertungen im Rahmen des Programms zur Bewertung des Finanzsektors,
18.
den Ausschuss für Finanzstabilität oder den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken,
19.
die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, das Gremium zum Finanzmarktstabilisierungsfonds im Sinne des § 10a Absatz 1 des Stabilisierungsfondsgesetzes oder den Lenkungsausschuss im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des Stabilisierungsfondsgesetzes,
20.
Behörden im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Nummer 17 und 18 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014,
21.
Behörden, die für die Überwachung der Einhaltung der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates durch die in Artikel 2 Absatz 1 Nummer 1 und 2 der Richtlinie aufgeführten Verpflichteten zuständig sind, und zentrale Meldestellen oder andere Behörden, die kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Bekämpfung, Aufklärung und Verhinderung von Geldwäsche oder von Terrorismusfinanzierung betraut sind,
22.
zuständige Behörden oder Stellen, die für die Anwendung der Regelungen zur strukturellen Trennung innerhalb einer Bankengruppe verantwortlich sind,
23.
das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik,
24.
zuständige Behörden im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe r der Verordnung (EU) 2020/1503 oder
25.
natürliche oder juristische Personen, die als Sonderbeauftragte nach § 45c, als Abwickler nach § 37 Absatz 1 Satz 2 oder § 38 Absatz 2 Satz 2 oder 3 oder als Treuhänder nach § 2c Absatz 2 Satz 2 oder in einem vergleichbaren Verhältnis tätig werden; das Gleiche gilt für die Informationsweitergabe an diesen Personenkreis, die im Rahmen der Anbahnung einer Beauftragung oder Bestellung notwendig ist,
soweit diese Stellen oder Personen die Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben oder zur Prüfung, ob sie eine der in Nummer 25 genannten Aufgaben ausüben können, benötigen. Für die bei den in Satz 5 Nummer 1 bis 11, 13 bis 19, 21, 23 und 25 genannten Stellen oder Personen beschäftigten Personen und die von diesen Stellen oder Personen beauftragten Personen sowie für die Mitglieder der in Satz 5 Nummer 12 und 19 genannten Ausschüsse gilt die Verschwiegenheitspflicht nach Satz 1 entsprechend. Befindet sich eine in Satz 5 Nummer 1 bis 11, 16 bis 18, 21 und 22 genannte Stelle in einem anderen Staat, so dürfen die Tatsachen nur weitergegeben werden, wenn die bei dieser Stelle beschäftigten und die von dieser Stelle beauftragten Personen einer dem Satz 1 weitgehend entsprechenden Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Die ausländische Stelle ist darauf hinzuweisen, daß sie Informationen nur zu dem Zweck verarbeiten darf, zu deren Erfüllung sie ihr übermittelt werden. Eine Weitergabe an die in Satz 5 Nummer 16 und 17 genannten Stellen darf nur erfolgen, wenn
1.
die Anfrage unter Berücksichtigung der übertragenen spezifischen Aufgaben hinreichend begründet und hinreichend genau in Bezug auf Art, Umfang und Format der angeforderten Informationen und in Bezug auf die Mittel für deren Übermittlung ist,
2.
die angeforderten Informationen
a)
unbedingt erforderlich sind, damit die anfragende Stelle ihre spezifischen Aufgaben wahrnehmen kann, und
b)
nicht über die der anfragenden Stelle übertragenen gesetzlichen Aufgaben hinausgehen und
3.
die Informationen ausschließlich den Personen übermittelt werden, die bei der anfragenden Stelle unmittelbar mit der Wahrnehmung der spezifischen Aufgabe befasst sind, für deren Erfüllung die angeforderten Informationen unbedingt erforderlich sind.
Andere Informationen als aggregierte und anonymisierte Informationen dürfen mit den in Satz 5 Nummer 16 und 17 genannten Stellen nur in den Räumlichkeiten der Aufsichtsbehörde und der Deutschen Bundesbank ausgetauscht werden. Informationen, die aus einem anderen Staat stammen, dürfen nur mit ausdrücklicher Zustimmung der zuständigen Stellen, die diese Informationen mitgeteilt haben, und nur für solche Zwecke weitergegeben werden, denen diese Stellen zugestimmt haben.

(2) Ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten von Tatsachen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 liegt nicht vor, wenn die Ergebnisse von im Einklang mit Artikel 100 der Richtlinie 2013/36/EU oder Artikel 32 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 in der jeweils geltenden Fassung durchgeführten Stresstests veröffentlicht oder der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde zur Veröffentlichung EU-weiter Stresstestergebnisse übermittelt werden.

(3) Betrifft die Weitergabe von Tatsachen nach Absatz 1 personenbezogene Daten, sind die allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften anzuwenden.

(4) Tritt eine Krisensituation ein, so kann die Bundesanstalt zu Aufsichtszwecken Tatsachen auch an die zuständigen Stellen in anderen Staaten weitergeben.

(5) Die §§ 93, 97 und 105 Absatz 1, § 111 Absatz 5 in Verbindung mit § 105 Absatz 1 sowie § 116 Absatz 1 der Abgabenordnung gelten für die in Absatz 1 bezeichneten Personen nur, soweit die Finanzbehörden die Kenntnisse für die Durchführung eines Verfahrens wegen einer Steuerstraftat sowie eines damit zusammenhängenden Besteuerungsverfahrens benötigen. Die in Satz 1 genannten Vorschriften sind jedoch nicht anzuwenden, soweit Tatsachen betroffen sind,

1.
die den in Absatz 1 Satz 1 oder Satz 3 bezeichneten Personen durch die zuständige Aufsichtsstelle eines anderen Staates oder durch von dieser Stelle beauftragte Personen mitgeteilt worden sind oder
2.
von denen bei der Bundesanstalt beschäftigte Personen dadurch Kenntnis erlangen, dass sie an der Aufsicht über direkt von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigte Institute mitwirken, insbesondere in gemeinsamen Aufsichtsteams nach Artikel 2 Nummer 6 der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank, und die nach den Regeln der Europäischen Zentralbank geheim sind.

(1) Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen.

(2) Der Aufsichtsrat kann die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, einsehen und prüfen. Er kann damit auch einzelne Mitglieder oder für bestimmte Aufgaben besondere Sachverständige beauftragen. Er erteilt dem Abschlußprüfer den Prüfungsauftrag für den Jahres- und den Konzernabschluß gemäß § 290 des Handelsgesetzbuchs. Er kann darüber hinaus eine externe inhaltliche Überprüfung der nichtfinanziellen Erklärung oder des gesonderten nichtfinanziellen Berichts (§ 289b des Handelsgesetzbuchs), der nichtfinanziellen Konzernerklärung oder des gesonderten nichtfinanziellen Konzernberichts (§ 315b des Handelsgesetzbuchs) beauftragen.

(3) Der Aufsichtsrat hat eine Hauptversammlung einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es fordert. Für den Beschluß genügt die einfache Mehrheit.

(4) Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden. Die Satzung oder der Aufsichtsrat hat jedoch zu bestimmen, daß bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen. Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, so kann der Vorstand verlangen, daß die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt. Der Beschluß, durch den die Hauptversammlung zustimmt, bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfaßt. Die Satzung kann weder eine andere Mehrheit noch weitere Erfordernisse bestimmen.

(5) Der Aufsichtsrat von Gesellschaften, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, legt für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und im Vorstand Zielgrößen fest. Die Zielgrößen müssen den angestrebten Frauenanteil am jeweiligen Gesamtgremium beschreiben und bei Angaben in Prozent vollen Personenzahlen entsprechen. Legt der Aufsichtsrat für den Aufsichtsrat oder den Vorstand die Zielgröße Null fest, so hat er diesen Beschluss klar und verständlich zu begründen. Die Begründung muss ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung zugrunde liegen. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein. Wenn für den Aufsichtsrat bereits das Mindestanteilsgebot nach § 96 Absatz 2 oder 3 gilt, sind die Festlegungen nur für den Vorstand vorzunehmen. Gilt für den Vorstand das Beteiligungsgebot nach § 76 Absatz 3a, entfällt auch die Pflicht zur Zielgrößensetzung für den Vorstand.

(6) Die Aufsichtsratsmitglieder können ihre Aufgaben nicht durch andere wahrnehmen lassen.

(1) Der Vorstand hat dem Aufsichtsrat zu berichten über

1.
die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung (insbesondere die Finanz-, Investitions- und Personalplanung), wobei auf Abweichungen der tatsächlichen Entwicklung von früher berichteten Zielen unter Angabe von Gründen einzugehen ist;
2.
die Rentabilität der Gesellschaft, insbesondere die Rentabilität des Eigenkapitals;
3.
den Gang der Geschäfte, insbesondere den Umsatz, und die Lage der Gesellschaft;
4.
Geschäfte, die für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sein können.
Ist die Gesellschaft Mutterunternehmen (§ 290 Abs. 1, 2 des Handelsgesetzbuchs), so hat der Bericht auch auf Tochterunternehmen und auf Gemeinschaftsunternehmen (§ 310 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs) einzugehen. Außerdem ist dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats aus sonstigen wichtigen Anlässen zu berichten; als wichtiger Anlaß ist auch ein dem Vorstand bekanntgewordener geschäftlicher Vorgang bei einem verbundenen Unternehmen anzusehen, der auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluß sein kann.

(2) Die Berichte nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 sind wie folgt zu erstatten:

1.
die Berichte nach Nummer 1 mindestens einmal jährlich, wenn nicht Änderungen der Lage oder neue Fragen eine unverzügliche Berichterstattung gebieten;
2.
die Berichte nach Nummer 2 in der Sitzung des Aufsichtsrats, in der über den Jahresabschluß verhandelt wird;
3.
die Berichte nach Nummer 3 regelmäßig, mindestens vierteljährlich;
4.
die Berichte nach Nummer 4 möglichst so rechtzeitig, daß der Aufsichtsrat vor Vornahme der Geschäfte Gelegenheit hat, zu ihnen Stellung zu nehmen.

(3) Der Aufsichtsrat kann vom Vorstand jederzeit einen Bericht verlangen über Angelegenheiten der Gesellschaft, über ihre rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen sowie über geschäftliche Vorgänge bei diesen Unternehmen, die auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluß sein können. Auch ein einzelnes Mitglied kann einen Bericht, jedoch nur an den Aufsichtsrat, verlangen.

(4) Die Berichte haben den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. Sie sind möglichst rechtzeitig und, mit Ausnahme des Berichts nach Absatz 1 Satz 3, in der Regel in Textform zu erstatten.

(5) Jedes Aufsichtsratsmitglied hat das Recht, von den Berichten Kenntnis zu nehmen. Soweit die Berichte in Textform erstattet worden sind, sind sie auch jedem Aufsichtsratsmitglied auf Verlangen zu übermitteln, soweit der Aufsichtsrat nichts anderes beschlossen hat. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats hat die Aufsichtsratsmitglieder über die Berichte nach Absatz 1 Satz 3 spätestens in der nächsten Aufsichtsratssitzung zu unterrichten.

Für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder gelten § 93 mit Ausnahme des Absatzes 2 Satz 3 über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder und § 15b der Insolvenzordnung sinngemäß. Die Aufsichtsratsmitglieder sind insbesondere zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen verpflichtet. Sie sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn sie eine unangemessene Vergütung festsetzen (§ 87 Absatz 1).

(1) Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Durch Bundesgesetz können Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden.

(2) Der Bund nimmt die über den Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgehenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahr, die ihm durch Bundesgesetz übertragen werden.

(3) Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt. Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen nach Satz 2 erfolgt auf Grund eines Gesetzes; die Mehrheit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim Bund. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(4) Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(5) Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, die Übertragung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte sowie die Stillegung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes regeln oder Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben.

(1) Berufsangehörige haben ihren Beruf unabhängig, gewissenhaft, verschwiegen und eigenverantwortlich auszuüben. Sie haben sich insbesondere bei der Erstattung von Prüfungsberichten und Gutachten unparteiisch zu verhalten.

(2) Berufsangehörige haben sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit ihrem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs unvereinbar ist. Sie haben sich der besonderen Berufspflichten bewusst zu sein, die ihnen aus der Befugnis erwachsen, gesetzlich vorgeschriebene Bestätigungsvermerke zu erteilen. Sie haben sich auch außerhalb der Berufstätigkeit des Vertrauens und der Achtung würdig zu erweisen, die der Beruf erfordert. Sie sind verpflichtet, sich fortzubilden.

(3) Wer Abschlussprüfer eines Unternehmens von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 des Handelsgesetzbuchs war oder wer als verantwortlicher Prüfungspartner im Sinne der Sätze 3 oder 4 bei der Abschlussprüfung eines solchen Unternehmens tätig war, darf dort innerhalb von zwei Jahren nach der Beendigung der Prüfungstätigkeit keine wichtige Führungstätigkeit ausüben, nicht als Mitglied des Aufsichtsrats, des Prüfungsausschusses des Aufsichtsrats oder des Verwaltungsrats tätig sein und sich nicht zur Übernahme einer der vorgenannten Tätigkeiten verpflichten. Satz 1 gilt mit der Maßgabe, dass die Frist ein Jahr beträgt, entsprechend für

1.
Personen, die als Abschlussprüfer oder verantwortliche Prüfungspartner gesetzliche Abschlussprüfungen eines sonstigen Unternehmens durchgeführt haben,
2.
Partner und Mitarbeiter des Abschlussprüfers, die zwar nicht selbst als Abschlussprüfer oder verantwortlicher Prüfungspartner tätig, aber unmittelbar am Prüfungsauftrag beteiligt waren und die als Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder EU- oder EWR-Abschlussprüfer zugelassen sind, und
3.
alle anderen Berufsangehörigen, vereidigten Buchprüfer oder EU- oder EWR-Abschlussprüfer, deren Leistungen der Abschlussprüfer des Unternehmens in Anspruch nehmen oder kontrollieren kann und die unmittelbar am Prüfungsauftrag beteiligt waren.
Verantwortlicher Prüfungspartner ist, wer den Bestätigungsvermerk nach § 322 des Handelsgesetzbuchs unterzeichnet oder als Wirtschaftsprüfer von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als für die Durchführung einer Abschlussprüfung vorrangig verantwortlich bestimmt worden ist. Als verantwortlicher Prüfungspartner gilt auf Konzernebene auch, wer als Wirtschaftsprüfer auf der Ebene bedeutender Tochterunternehmen als für die Durchführung von deren Abschlussprüfung vorrangig verantwortlich bestimmt worden ist.

(4) Berufsangehörige haben während der gesamten Prüfung eine kritische Grundhaltung zu wahren. Dazu gehört es,

1.
Angaben zu hinterfragen,
2.
ungeachtet ihrer bisherigen Erfahrung mit der Aufrichtigkeit und Integrität des Führungspersonals des geprüften Unternehmens und der mit der Unternehmensüberwachung betrauten Personen die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass es auf Grund von Sachverhalten oder Verhaltensweisen, die auf Unregelmäßigkeiten wie Betrug oder Unrichtigkeiten hindeuten, zu einer wesentlichen falschen Darstellung gekommen sein könnte,
3.
auf Gegebenheiten zu achten, die auf eine falsche Darstellung hindeuten könnten, und
4.
die Prüfungsnachweise kritisch zu beurteilen.
Ihre kritische Grundhaltung haben Berufsangehörige insbesondere bei der Beurteilung der Schätzungen des Unternehmens in Bezug auf Zeitwertangaben, Wertminderungen von Vermögensgegenständen, Rückstellungen und künftige Cashflows, die für die Beurteilung der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit von Bedeutung sind, beizubehalten.

(5) Berufsangehörige haben bei der Durchführung von Abschlussprüfungen ausreichend Zeit für den Auftrag aufzuwenden und die zur angemessenen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Mittel, insbesondere – soweit erforderlich – Personal mit den notwendigen Kenntnissen und Fähigkeiten, einzusetzen.

(6) Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben darüber hinaus bei Durchführung der Abschlussprüfung

1.
den verantwortlichen Prüfungspartner insbesondere anhand der Kriterien der Prüfungsqualität, Unabhängigkeit und Kompetenz auszuwählen,
2.
dem verantwortlichen Prüfungspartner die zur angemessenen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Mittel, insbesondere Personal mit den notwendigen Kenntnissen und Fähigkeiten, zur Verfügung zu stellen und
3.
den verantwortlichen Prüfungspartner aktiv an der Durchführung der Abschlussprüfung zu beteiligen.
Die für die Durchführung einer gesetzlichen Abschlussprüfung bei einem Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 des Handelsgesetzbuchs verantwortlichen Prüfungspartner beenden ihre Teilnahme an der Abschlussprüfung des geprüften Unternehmens abweichend von Artikel 17 Absatz 7 Unterabsatz 1 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909/EG der Kommission (ABl. L 158 vom 27.5.2014, S. 77; L 170 vom 11.6.2014, S. 66) spätestens fünf Jahre nach dem Datum ihrer Bestellung.

Das Bundesverfassungsgericht kann sachkundigen Dritten Gelegenheit zur Stellungnahme geben.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Durch Bundesgesetz können Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden.

(2) Der Bund nimmt die über den Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgehenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahr, die ihm durch Bundesgesetz übertragen werden.

(3) Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt. Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen nach Satz 2 erfolgt auf Grund eines Gesetzes; die Mehrheit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim Bund. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(4) Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(5) Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, die Übertragung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte sowie die Stillegung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes regeln oder Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben.

Für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder gelten § 93 mit Ausnahme des Absatzes 2 Satz 3 über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder und § 15b der Insolvenzordnung sinngemäß. Die Aufsichtsratsmitglieder sind insbesondere zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen verpflichtet. Sie sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn sie eine unangemessene Vergütung festsetzen (§ 87 Absatz 1).

(1) Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die den Vorstandsmitgliedern durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekanntgeworden sind, haben sie Stillschweigen zu bewahren.

(2) Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. Schließt die Gesellschaft eine Versicherung zur Absicherung eines Vorstandsmitglieds gegen Risiken aus dessen beruflicher Tätigkeit für die Gesellschaft ab, ist ein Selbstbehalt von mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds vorzusehen.

(3) Die Vorstandsmitglieder sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn entgegen diesem Gesetz

1.
Einlagen an die Aktionäre zurückgewährt werden,
2.
den Aktionären Zinsen oder Gewinnanteile gezahlt werden,
3.
eigene Aktien der Gesellschaft oder einer anderen Gesellschaft gezeichnet, erworben, als Pfand genommen oder eingezogen werden,
4.
Aktien vor der vollen Leistung des Ausgabebetrags ausgegeben werden,
5.
Gesellschaftsvermögen verteilt wird,
6.
(weggefallen)
7.
Vergütungen an Aufsichtsratsmitglieder gewährt werden,
8.
Kredit gewährt wird,
9.
bei der bedingten Kapitalerhöhung außerhalb des festgesetzten Zwecks oder vor der vollen Leistung des Gegenwerts Bezugsaktien ausgegeben werden.

(4) Der Gesellschaft gegenüber tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht. Dadurch, daß der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat, wird die Ersatzpflicht nicht ausgeschlossen. Die Gesellschaft kann erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt. Die zeitliche Beschränkung gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird.

(5) Der Ersatzanspruch der Gesellschaft kann auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. Dies gilt jedoch in anderen Fällen als denen des Absatzes 3 nur dann, wenn die Vorstandsmitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gröblich verletzt haben; Absatz 2 Satz 2 gilt sinngemäß. Den Gläubigern gegenüber wird die Ersatzpflicht weder durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft noch dadurch aufgehoben, daß die Handlung auf einem Beschluß der Hauptversammlung beruht. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Insolvenzverwalter oder der Sachwalter das Recht der Gläubiger gegen die Vorstandsmitglieder aus.

(6) Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren bei Gesellschaften, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung börsennotiert sind, in zehn Jahren, bei anderen Gesellschaften in fünf Jahren.

Für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder gelten § 93 mit Ausnahme des Absatzes 2 Satz 3 über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder und § 15b der Insolvenzordnung sinngemäß. Die Aufsichtsratsmitglieder sind insbesondere zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen verpflichtet. Sie sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn sie eine unangemessene Vergütung festsetzen (§ 87 Absatz 1).

Das Bundesverfassungsgericht kann sachkundigen Dritten Gelegenheit zur Stellungnahme geben.

(1) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:

1.
über die Auslegung dieses Grundgesetzes aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind;
2.
bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit diesem Grundgesetze oder die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrechte auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages;
2a.
bei Meinungsverschiedenheiten, ob ein Gesetz den Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 entspricht, auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes;
3.
bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder, insbesondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht;
4.
in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Bunde und den Ländern, zwischen verschiedenen Ländern oder innerhalb eines Landes, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gegeben ist;
4a.
über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte verletzt zu sein;
4b.
über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Artikel 28 durch ein Gesetz, bei Landesgesetzen jedoch nur, soweit nicht Beschwerde beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann;
4c.
über Beschwerden von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei für die Wahl zum Bundestag;
5.
in den übrigen in diesem Grundgesetze vorgesehenen Fällen.

(2) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet außerdem auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes, ob im Falle des Artikels 72 Abs. 4 die Erforderlichkeit für eine bundesgesetzliche Regelung nach Artikel 72 Abs. 2 nicht mehr besteht oder Bundesrecht in den Fällen des Artikels 125a Abs. 2 Satz 1 nicht mehr erlassen werden könnte. Die Feststellung, dass die Erforderlichkeit entfallen ist oder Bundesrecht nicht mehr erlassen werden könnte, ersetzt ein Bundesgesetz nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2. Der Antrag nach Satz 1 ist nur zulässig, wenn eine Gesetzesvorlage nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2 im Bundestag abgelehnt oder über sie nicht innerhalb eines Jahres beraten und Beschluss gefasst oder wenn eine entsprechende Gesetzesvorlage im Bundesrat abgelehnt worden ist.

(3) Das Bundesverfassungsgericht wird ferner in den ihm sonst durch Bundesgesetz zugewiesenen Fällen tätig.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:

1.
über die Auslegung dieses Grundgesetzes aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind;
2.
bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit diesem Grundgesetze oder die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrechte auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages;
2a.
bei Meinungsverschiedenheiten, ob ein Gesetz den Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 entspricht, auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes;
3.
bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder, insbesondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht;
4.
in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Bunde und den Ländern, zwischen verschiedenen Ländern oder innerhalb eines Landes, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gegeben ist;
4a.
über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte verletzt zu sein;
4b.
über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Artikel 28 durch ein Gesetz, bei Landesgesetzen jedoch nur, soweit nicht Beschwerde beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann;
4c.
über Beschwerden von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei für die Wahl zum Bundestag;
5.
in den übrigen in diesem Grundgesetze vorgesehenen Fällen.

(2) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet außerdem auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes, ob im Falle des Artikels 72 Abs. 4 die Erforderlichkeit für eine bundesgesetzliche Regelung nach Artikel 72 Abs. 2 nicht mehr besteht oder Bundesrecht in den Fällen des Artikels 125a Abs. 2 Satz 1 nicht mehr erlassen werden könnte. Die Feststellung, dass die Erforderlichkeit entfallen ist oder Bundesrecht nicht mehr erlassen werden könnte, ersetzt ein Bundesgesetz nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2. Der Antrag nach Satz 1 ist nur zulässig, wenn eine Gesetzesvorlage nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2 im Bundestag abgelehnt oder über sie nicht innerhalb eines Jahres beraten und Beschluss gefasst oder wenn eine entsprechende Gesetzesvorlage im Bundesrat abgelehnt worden ist.

(3) Das Bundesverfassungsgericht wird ferner in den ihm sonst durch Bundesgesetz zugewiesenen Fällen tätig.

Antragsteller und Antragsgegner können nur sein: der Bundespräsident, der Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung und die im Grundgesetz oder in den Geschäftsordnungen des Bundestages und des Bundesrates mit eigenen Rechten ausgestatteten Teile dieser Organe.

(1) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:

1.
über die Auslegung dieses Grundgesetzes aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind;
2.
bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit diesem Grundgesetze oder die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrechte auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages;
2a.
bei Meinungsverschiedenheiten, ob ein Gesetz den Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 entspricht, auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes;
3.
bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder, insbesondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht;
4.
in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Bunde und den Ländern, zwischen verschiedenen Ländern oder innerhalb eines Landes, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gegeben ist;
4a.
über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte verletzt zu sein;
4b.
über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Artikel 28 durch ein Gesetz, bei Landesgesetzen jedoch nur, soweit nicht Beschwerde beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann;
4c.
über Beschwerden von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei für die Wahl zum Bundestag;
5.
in den übrigen in diesem Grundgesetze vorgesehenen Fällen.

(2) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet außerdem auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes, ob im Falle des Artikels 72 Abs. 4 die Erforderlichkeit für eine bundesgesetzliche Regelung nach Artikel 72 Abs. 2 nicht mehr besteht oder Bundesrecht in den Fällen des Artikels 125a Abs. 2 Satz 1 nicht mehr erlassen werden könnte. Die Feststellung, dass die Erforderlichkeit entfallen ist oder Bundesrecht nicht mehr erlassen werden könnte, ersetzt ein Bundesgesetz nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2. Der Antrag nach Satz 1 ist nur zulässig, wenn eine Gesetzesvorlage nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2 im Bundestag abgelehnt oder über sie nicht innerhalb eines Jahres beraten und Beschluss gefasst oder wenn eine entsprechende Gesetzesvorlage im Bundesrat abgelehnt worden ist.

(3) Das Bundesverfassungsgericht wird ferner in den ihm sonst durch Bundesgesetz zugewiesenen Fällen tätig.

Antragsteller und Antragsgegner können nur sein: der Bundespräsident, der Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung und die im Grundgesetz oder in den Geschäftsordnungen des Bundestages und des Bundesrates mit eigenen Rechten ausgestatteten Teile dieser Organe.

(1) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, daß er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.

(2) Im Antrag ist die Bestimmung des Grundgesetzes zu bezeichnen, gegen die durch die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners verstoßen wird.

(3) Der Antrag muß binnen sechs Monaten, nachdem die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung dem Antragsteller bekannt geworden ist, gestellt werden.

(4) Soweit die Frist bei Inkrafttreten dieses Gesetzes verstrichen ist, kann der Antrag noch binnen drei Monaten nach Inkrafttreten gestellt werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Antragsteller und Antragsgegner können nur sein: der Bundespräsident, der Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung und die im Grundgesetz oder in den Geschäftsordnungen des Bundestages und des Bundesrates mit eigenen Rechten ausgestatteten Teile dieser Organe.

Das Bundesverfassungsgericht kann in seiner Entscheidung bestimmen, wer sie vollstreckt; es kann auch im Einzelfall die Art und Weise der Vollstreckung regeln.

(1) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:

1.
über die Auslegung dieses Grundgesetzes aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind;
2.
bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit diesem Grundgesetze oder die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrechte auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages;
2a.
bei Meinungsverschiedenheiten, ob ein Gesetz den Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 entspricht, auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes;
3.
bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder, insbesondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht;
4.
in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Bunde und den Ländern, zwischen verschiedenen Ländern oder innerhalb eines Landes, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gegeben ist;
4a.
über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte verletzt zu sein;
4b.
über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Artikel 28 durch ein Gesetz, bei Landesgesetzen jedoch nur, soweit nicht Beschwerde beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann;
4c.
über Beschwerden von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei für die Wahl zum Bundestag;
5.
in den übrigen in diesem Grundgesetze vorgesehenen Fällen.

(2) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet außerdem auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes, ob im Falle des Artikels 72 Abs. 4 die Erforderlichkeit für eine bundesgesetzliche Regelung nach Artikel 72 Abs. 2 nicht mehr besteht oder Bundesrecht in den Fällen des Artikels 125a Abs. 2 Satz 1 nicht mehr erlassen werden könnte. Die Feststellung, dass die Erforderlichkeit entfallen ist oder Bundesrecht nicht mehr erlassen werden könnte, ersetzt ein Bundesgesetz nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2. Der Antrag nach Satz 1 ist nur zulässig, wenn eine Gesetzesvorlage nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2 im Bundestag abgelehnt oder über sie nicht innerhalb eines Jahres beraten und Beschluss gefasst oder wenn eine entsprechende Gesetzesvorlage im Bundesrat abgelehnt worden ist.

(3) Das Bundesverfassungsgericht wird ferner in den ihm sonst durch Bundesgesetz zugewiesenen Fällen tätig.

(1) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, daß er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.

(2) Im Antrag ist die Bestimmung des Grundgesetzes zu bezeichnen, gegen die durch die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners verstoßen wird.

(3) Der Antrag muß binnen sechs Monaten, nachdem die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung dem Antragsteller bekannt geworden ist, gestellt werden.

(4) Soweit die Frist bei Inkrafttreten dieses Gesetzes verstrichen ist, kann der Antrag noch binnen drei Monaten nach Inkrafttreten gestellt werden.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat

a) die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3117) sowie

b) die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 23 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3810)

nach Maßgabe der Gründe in ihren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.

2. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragstellerinnen sind Fraktionen des Deutschen Bundestages. Sie machen die unvollständige Beantwortung zweier Kleiner Anfragen der Antragstellerinnen zu Erkenntnissen der Nachrichtendienste über das Attentat auf das Münchner Oktoberfest am 26. September 1980 und einer diesbezüglich möglichen Verstrickung von Vertrauensleuten (im Folgenden: V-Leute) dieser Behörden geltend.

I.

2

1. Am 26. September 1980 um 22.20 Uhr explodierte am Haupteingang des Münchner Oktoberfests ein Sprengsatz. Neben dem Attentäter, dem 21 Jahre alten Gundolf Köhler aus Donaueschingen, starben 12 Personen im Alter zwischen 11 und 52 Jahren; 211 Menschen wurden verletzt. Das Oktoberfestattentat gilt als der schwerste rechtsterroristische Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Der Generalbundesanwalt schloss die Ermittlungen zu dem Attentat mit einem Schlussbericht vom 23. November 1982 ab. Darin hieß es, für eine Tatbeteiligung Dritter sprächen unterschiedliche Beweiserkenntnisse, die einen abschließenden Nachweis der Tatbeteiligung anderer Personen jedoch nicht zuließen. Hinweise darauf, dass Köhler nicht als Alleintäter gehandelt hatte, ergaben sich insbesondere aus den Aussagen zweier Zeugen.

3

2. Ungeklärt blieb nach Abschluss der Ermittlungen die Rolle des 1937 geborenen Karl-Heinz Hoffmann, des Gründers der so genannten "Wehrsportgruppe Hoffmann". Der von Hoffmann im Jahr 1973 ins Leben gerufene, nach militärischen Gesichtspunkten organisierte Verband wurde seit seiner Gründung vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Bei Hoffmann wurde im Rahmen einer bereits vor dem Attentat durchgeführten Durchsuchung Material sichergestellt, aus dem sich ergab, dass der Attentäter Köhler im Februar 1976 im Briefwechsel mit Hoffmann gestanden hatte; er soll auch an zwei Übungen der Wehrsportgruppe teilgenommen haben (vgl. Fromm, Die "Wehrsportgruppe Hoffmann": Darstellung, Analyse und Einordnung, 1998, S. 331 f.; Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 37).

4

Die Wehrsportgruppe hatte bis zu ihrem Verbot im Jahr 1980 circa 400 Mitglieder. In der Verbotsverfügung vom 16. Januar 1980 wurde die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 6), weshalb sich die Gruppierung nach dem Verbot auflöste. Sie wurde verboten, weil ihre Organisation und ihre Tätigkeit der allmählichen Herbeiführung einer neuen staatlichen Ordnung unter gleichzeitiger Aushöhlung der verfassungsmäßigen Ordnung dienten (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 100 ff.). Fünfzehn ehemalige Mitglieder schlossen sich nach dem Verbot als "Wehrsportgruppe Ausland" im Libanon zusammen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellte in dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1981 fest, es seien durch die "Wehrsportgruppe Ausland" Anschläge auf Personen und Einrichtungen im Bundesgebiet geplant und zum Teil bereits vorbereitet worden (vgl. Verfassungsschutzbericht 1981, S. 27 f.).

5

3. Auch der Name Heinz Lembke tauchte im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wiederholt auf. Er war "Milizionär" und "Wehrsportler" und nahm bis 1978 regelmäßig an Übungen der Reservistenkameradschaft der "Deutschen Aktionsgruppen" teil. Bei einer im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens am 29. September 1980 durchgeführten Durchsuchung seines Hauses konnten die Ermittler neben ein wenig Zündschnur und einem Gewehrmagazin zunächst weder Sprengstoff noch Waffen sicherstellen. Jedoch stieß ein Waldarbeiter am 26. Oktober 1981 in der Nähe des Hauses von Lembke auf wasserdicht verpackte Kisten mit Gewehrmunition, Sprengstoff und Sprengmitteln. Im Laufe der Ermittlungen konnten in weiteren nahezu 30 Depots Waffen sichergestellt werden. Lembke erhängte sich am 1. November 1981 in der Untersuchungshaft und soll folgende schriftliche Mitteilung hinterlassen haben: "Genossen! Ihr wisst, weshalb ich nicht mehr leben darf. Wolfszeit! Heil Euch, Heinz Hermann Ernst Lembke" (vgl. Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 217).

6

4. Im Dezember 2014 teilte der Generalbundesanwalt mit, er habe die Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wieder aufgenommen, Anlass dafür seien Angaben einer bis dahin unbekannten Zeugin.

II.

7

1. Am 8. Oktober 2014 richteten die Antragstellerin zu 1. und verschiedene Mitglieder des Bundestages eine Kleine Anfrage unter der Überschrift "Oktoberfest-Attentat - Wiederaufnahme der Ermittlungen zu Nazi-Hintermännern" an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3117).

8

a) Die Kleine Anfrage leiteten sie mit dem Hinweis darauf ein, dass noch immer gewichtige Zweifel am Ermittlungsergebnis bestünden, wonach Gundolf Köhler die Tat allein geplant und ausgeführt habe. Der Münchner Stadtrat und der Bayerische Landtag hätten bereits 2011 gefordert, der Generalbundesanwalt solle die Ermittlungen wieder aufnehmen. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 enthielt insbesondere Fragen zu dem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts und zu einem etwaigen Einsatz von Heinz Lembke als V-Mann einer Sicherheitsbehörde des Bundes oder eines Landes.

9

Die Frage 2 a)

"War Lembke ein V-Mann einer (gegebenenfalls welcher) Sicherheitsbehörde des Bundes oder - nach Kenntnis der Bundesregierung - eines Landes?"

wurde von der Antragsgegnerin nicht beantwortet. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) begründete die Antragsgegnerin die Verweigerung der Beantwortung dieser Frage wie folgt:

"Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann.

Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags Informationen und werten diese aus. Die Führung von V-Leuten gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Verfassungsschutzbehörden und dem Bundesnachrichtendienst zur Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu oder Namen einzelner V-Leute bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienstegezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellender Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich V-Leute regelmäßig in einem ex-tremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von V-Leuten ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn die betreffende Person kein V-Mann ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines V-Leute-Einsatzes geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der V-Leute folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann."

10

b) Mit Schreiben vom 3. März 2015 wandte sich MdB Britta Haßelmann in ihrer Funktion als Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 1. an den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz und bat erneut darum, die Frage 2 a) der Kleinen Anfrage zu beantworten. Die zur Verweigerung von der Antragsgegnerin genannten Gründe überzeugten nicht. Sie liefen darauf hinaus, immer und ausnahmslos jedwede Information über die Tätigkeit von V-Leuten zu verweigern. Dies sei nicht akzeptabel, weil eine gesetzliche Regulierung des Einsatzes von V-Leuten anstehe, wobei die Ursache für die rechtspolitische Diskussion auch die mögliche Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten sei. In der konkreten Frage gehe es um einen solchen Fall. Zudem sei dieser Fall ein historischer, in dem eine konkrete Beeinträchtigung der Arbeit der Sicherheitsbehörden nicht eintreten könne. Insgesamt sei die Antwortverweigerung daher eklatant unverhältnismäßig.

11

In seinem Antwortschreiben vom 7. April 2015 teilte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Christian Lange mit, aufgrund der Nachfrage habe die Antragsgegnerin die zu der Frage 2 a) beschriebene Abwägung noch einmal vorgenommen. Sie sei jedoch nach wie vor der Auffassung, dass Fragen zur Art und Weise der Quellenführung sowie zur V-Leute-Eigenschaft von Personen - auch wenn es sich um zeitlich weit zurückliegende Vorgänge handele - zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht beantwortet werden könnten. Sowohl die Werbung als auch die Führung von V-Leuten seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden zentrale Bedeutung zukomme. Eine besondere Geheimhaltung müsse deshalb auch dann gelten, wenn eine Person nicht als V-Person tätig gewesen sei oder der Vorgang zeitlich weit zurückliege. In diesen Fällen sei das Staatswohl ebenfalls betroffen, da auch hier - gegebenenfalls im Wege eines Umkehrschlusses aus einer Antwortverweigerung oder in der Gesamtschau der Antworten der Bundesregierung auf andere parlamentarische Anfragen - Rückschlüsse auf die Arbeitsweisen, Strategien und Methoden der Nachrichtendienste für die Gegenwart gezogen werden könnten und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt werden könne. Die in der Vergangenheit erfolgte Enttarnung von V-Leuten habe bereits dazu geführt, dass die Anwerbung von V-Leuten in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten und damit einhergehenden Informationsdefiziten verbunden sei. Zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Bundesamts für Verfassungsschutz sei daher durch die Bundesregierung selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens von geheimhaltungsbedürftigen Informationen zur Werbung und Führung von V-Leuten auszuschließen. Die Bewertung gelte auch unter Berücksichtigung der weiteren im Schreiben vom 3. März 2015 angeführten Argumente. Die im Gesetzentwurf zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vorgesehene Regelung zum Einsatz von V-Leuten gebe die wesentlichen Anforderungen vor. Nach dem aktuellen Gesetzentwurf schlössen im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilungen wegen eines Verbrechens oder zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden sei, die Anwerbung und den Einsatz als V-Person grundsätzlich aus.

12

2. Die Antragstellerin zu 2. und einige Mitglieder des Bundestages richteten am 21. Januar 2015 unter der Überschrift "Mutmaßliche Aktenvernichtungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann bei deutschen Geheimdiensten" ebenfalls eine Kleine Anfrage an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3810).

13

a) Darin führten sie aus, die Antragsgegnerin habe der Abgeordneten Petra Pau am 13. Januar 2015 die Auskunft erteilt, im Bundesamt für Verfassungsschutz seien nur sieben Ordner zum Oktoberfestattentat vorhanden. Daher liege die Vermutung nahe, dass in den vergangenen Jahren Informationen zu dem Attentat und zur Wehrsportgruppe Hoffmann vernichtet worden seien. Die Kleine Anfrage enthielt Fragen zu Umfang und Aufbau der Akten sowie zu Quellen des Bundesamts für Verfassungsschutz. Ferner wurde die Frage gestellt, ob und wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für das Bundesamt beziehungsweise Landesämter für Verfassungsschutz tätig geworden seien. Einige Fragen nach Quellenmeldungen beantwortete die Bundesregierung lediglich in nicht nach Ursprungsbehörden und Jahren aufgeschlüsselter Form. Die Beantwortung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten und weiterer Fragen nach Quellenmeldungen lehnte die Antragsgegnerin vollständig ab.

14

Die Fragen, welche die Antragsgegnerin nicht oder nur zum Teil beantwortete, lauteten wie folgt:

Frage 14: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zum Oktoberfestattentat vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 15: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 16: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 19: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zur Wehrsportgruppe Hoffmann vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 20: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zur Wehrsportgruppe Hoffmann liegen aus welchen Jahren im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 21: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zur Wehrsportgruppe Hoffmann aus welchen Jahren liegen im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 22: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren?"

Frage 23: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für das BfV tätig?"

Frage 24: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 25: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 28: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 29: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungs-schutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 30: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

Frage 31: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

15

In einer Vorbemerkung zu ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) führte die Antragsgegnerin aus:

"1. Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 nicht oder zumindest nicht vollständig erfolgen kann. Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann. Die Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags die erforderlichen Informationen und werten diese aus. Die Führung von Quellen gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Nachrichtendiensten bei der Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu, auch welche die quellenführende Stelle betreffend oder Namen einzelner Quellen bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von Quellen und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich Quellen hier in einem extremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von Quellen ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn kein Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann eine Quelle ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines Einsatzes von Quellen geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der Quellen folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet.

Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann.

2. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Komplexe "Oktoberfestattentat" und "Wehrsportgruppe Hoffmann" wegen des Inlandsbezugs nicht in den originären Aufgabenbereich des Bundesnachrichtendienstes (BND) als Auslandsnachrichtendienst fielen und fallen. Im Übrigen wurde der überwiegende Teil der im BND zum Oktoberfestattentat gebildeten Unterlagen an das Bundesarchiv abgegeben. Die Antworten auf die den BND betreffenden Fragen beruhen auf den im BND-Archiv noch vorhandenen, erschlossenen Altunterlagen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich im Zuge der fortschreitenden Erschließung der an das BND-Archiv in der Vergangenheit und künftig abgegebenen archivwürdigen Unterlagen weitergehende Erkenntnisse zum Anfragegegenstand ergeben.

3. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Einrichtung des Referats "Rechtsextremismus Terrorismus" im April 1981 im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nicht ausschließlich auf das Oktoberfestattentat zurückzuführen ist. Diesbezüglich wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 3 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/2544 verwiesen."

16

Die im Organstreitverfahren gerügten Antworten hatten folgenden Wortlaut:

"Die Fragen 14 bis 16 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Der Bundesregierung liegen insgesamt fünf Quellenmeldungen für den Zeitraum von 1980 bis 1985 vor. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 19 bis 21 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" im BfV wird gegenwärtig archivarisch aufbereitet, so dass nicht in allen Aktenbänden recherchiert werden konnte. Nach dem insoweit unter Vorbehalt stehenden Rechercheergebnis fanden 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang in die Sachakte. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 22 bis 25 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

"Die Fragen 28 bis 31 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

17

b) Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 2., MdB Dr. Petra Sitte, richtete am 4. März 2015 ein Schreiben an den Bundesminister des Innern, in dem sie um eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 sowie 19 bis 25 bat. Insbesondere die Weigerung, die Fragen 22 bis 25 zu beantworten, überzeuge nicht. Sie bedeute, dass nach Belieben Informationen über die Tätigkeiten von V-Leuten verweigert werden könnten. Angesichts der Tatsache, dass mindestens ein neonazistischer V-Mann in der Wehrsportgruppe Hoffmann seine V-Mann-Eigenschaft schon vor Jahren öffentlich gemacht habe, seien die in der Vorbemerkung zur Antwort genannten Gründe der Bundesregierung zur Antwortverweigerung nicht akzeptabel und unverhältnismäßig. Schließlich bestehe jederzeit die Möglichkeit, die Antworten nach der Geheimschutzordnung einzustufen. Der langjährige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, habe darauf hingewiesen, dass im Rahmen einer Abwägung die Aufklärung eines Mordes wichtiger sei als der Quellenschutz. Beim Oktoberfestattentat, dem schwersten rechtsterroristischen Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik, seien 22 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt worden.

18

Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium des Innern Dr. Günter Krings teilte mit Schreiben vom 14. März 2015 mit, es sei in der Antwort zu der Kleinen Anfrage ausführlich dargelegt worden, weshalb eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 21 und 22 bis 25 nicht erfolgen könne. An dieser Bewertung halte die Antragsgegnerin auch nach nochmaliger Abwägung fest. Sowohl die Werbung als auch die Führung von menschlichen Quellen seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste zentrale Bedeutung zukomme. Die nähere Aufgliederung der Quellenmeldungen würde dazu führen, dass taktische Verfahrensabläufe offenbar würden und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt sei. Soweit sich die Fragen auf menschliche Quellen der Sicherheitsbehörden bezögen, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beantwortung dieser Fragen zu einer Offenlegung der Identität der Quellen führe. Im Hinblick auf die daraus folgenden Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit dieser Personen sei daher der staatliche Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 GG besonders zu beachten. Daher scheide auch eine als Verschlusssache eingestufte Beantwortung aus. Hierdurch werde die strafrechtliche Aufklärung des Oktoberfestattentats nicht verhindert. Der Generalbundesanwalt habe mit Schreiben vom 17. Februar 2015 sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch den Bundesnachrichtendienst um umfassende Mitteilung der dort vorliegenden Erkenntnisse zum Oktoberfestattentat gebeten. Beide Behörden würden dem Generalbundesanwalt die erbetenen Informationen zur Verfügung stellen.

III.

19

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2015 haben die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitet. Mit ihren Anträgen begehren sie die Feststellung, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (BTDrucks 18/3117) sowie die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (BTDrucks 18/3810) in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt hat.

20

1. Die Antragstellerinnen halten ihre Anträge für zulässig. Sie sind der Auffassung, dass sie sowohl hinsichtlich der jeweils von ihnen selbst als auch bezüglich der von der jeweils anderen Antragstellerin gestellten Kleinen Anfrage antragsbefugt seien. Zum einen werde eine Verletzung des den Fraktionen selbst zustehenden Informationsrechts gerügt, das sich aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 GG ergebe und den Fraktionen dazu diene, den für die parlamentarische Arbeit erforderlichen Informationsstand zu erhalten. Zum anderen verletze die unzureichende Beantwortung einer Kleinen Anfrage die Rechte des Bundestages aus Art. 20 Abs. 2 GG. Diese Rechte könnten die Antragstellerinnen gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG prozessstandschaftlich geltend machen. Hinsichtlich der Antwort auf die von der jeweils anderen Antragstellerin gestellte Kleine Anfrage werde allein eine Verletzung der Rechte des Bundestages im Wege der Prozessstandschaft gerügt. Auch insoweit sei nicht nur die Antragsbefugnis, sondern auch ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Eine Fraktion könne Rechte des Bundestages auch dann im Organstreitverfahren verteidigen, wenn sie diesbezüglich zuvor nicht parlamentarisch tätig geworden sei.

21

2. Die Anträge seien begründet. Die Weigerung der Antragsgegnerin, die Kleinen Anfragen vollständig zu beantworten, verletze die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG.

22

a) Aus diesen Normen folge für den Deutschen Bundestag und seine Fraktionen ein Frage- und Informationsrecht, das grundsätzlich mit einer Auskunftspflicht der Bundesregierung korrespondiere. Grenzen des Informationsrechts könnten sich aus dem Staatswohl, den Grundrechten und dem Gewaltenteilungsprinzip ergeben. Mit Blick auf die verfahrensgegenständlichen Fragen der Antragstellerinnen sei jedoch kein ausreichendes Geheimhaltungsinteresse ersichtlich. Außerdem genügten die Begründungen, mit denen die Antragsgegnerin die vollständige Beantwortung der Kleinen Anfragen verweigert habe, nicht den hieran zu stellenden Anforderungen, da sie die Antragstellerinnen nicht in die Lage versetzten, die von der Antragsgegnerin vorgenommene Abwägung nachzuvollziehen.

23

Ob und inwieweit die Antragsgegnerin ausnahmsweise die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden und insbesondere zu V-Leuten verweigern dürfe, richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Es sei Sache der Bundesregierung, im Einzelfall darzulegen, warum das allgemein bestehende parlamentarische Informationsrecht aufgrund gegenläufiger Belange von höherem verfassungsrechtlichem Gewicht ausnahmsweise ausgeschlossen sei. Eine Bereichsausnahme sei im Hinblick auf Informationen zu V-Leuten verfassungsrechtlich nicht begründbar. Eine solche Ausnahme vom parlamentarischen Informationsrecht - wie sie das Bundesverfassungsgericht etwa für den Bereich der Rüstungsexporte anerkannt habe - könne nur in Betracht kommen, wenn sich ein Typ parlamentarischer Auskunftsbegehren trennscharf beschreiben lasse, bei dem einem noch so gewichtigen Informationsinteresse des Bundestages stets ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse gegenüberstehe. Dies sei bei parlamentarischen Anfragen mit Bezug zum Einsatz von V-Leuten nicht der Fall, denn nicht jede derartige Anfrage könne zur Enttarnung dieser Personen führen. Selbst wenn eine Enttarnung in Aussicht stehe, werde der weitere Einsatz der betroffenen V-Leute dann nicht gefährdet, wenn dieser bereits aus anderen Gründen ausgeschlossen sei. Ob die bloße Erkenntnis, beobachtet zu werden, für die beobachteten Personen einen für das Staatswohl relevanten Informationswert habe, hänge ebenfalls von unterschiedlichen Faktoren ab. Auch ermögliche nicht jede Information zum Einsatz von V-Leuten Rückschlüsse auf die Art und Weise der Beobachtung.

24

Eine das Staatswohl gefährdende Offenbarung der Arbeitsweisen der Sicherheitsbehörden sei ebenfalls nicht in jedem Fall zu befürchten. Zwar sei insoweit eine Prognose anzustellen, die - wie jede Prognose - mit Restunsicherheiten behaftet sei. Dieses Prognoserisiko rechtfertige jedoch keine abstrakte Vorrangregel zugunsten des Geheimhaltungsinteresses der Antragsgegnerin.

25

Eine Bereichsausnahme lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Quellenschutzes rechtfertigen. Der Quellenschutz könne dem Informationsrecht des Bundestages nur entgegengehalten werden, wenn die begehrte Information überhaupt dazu führen könne, dass eine bestimmte Person als Quelle enttarnt werde. Insoweit könne nicht schon die stets gegebene theoretische Möglichkeit ausreichen, dass sich Informationen mit hinreichendem Zusatzwissen auf bestimmte Personen beziehen ließen. Vielmehr müsse dies anhand eines Wahrscheinlichkeitsurteils in jedem Einzelfall ermittelt werden. Auch wenn danach im Einzelfall ein Bezug auf bestimmte Personen möglich sei, bedürfe es stets einer Abwägung zwischen dem Quellenschutz und dem Informationsinteresse des Bundestages. Im Rahmen dieser Abwägung werde der Quellenschutz in der Regel überwiegen, wenn der Sachverhalt aktuell sei und es sich bei der Quelle um eine lebende Person handele. Daneben könne eine Geheimhaltung auch zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter Dritter geboten sein, was jedoch im Einzelfall zumindest ansatzweise konkret dargelegt werden müsse. Der Schutz des sozialen Ansehens einer Quelle - worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten ohnehin nicht berufen habe - gehe dem Informationsinteresse des Bundestages ebenfalls nicht ohne einzelfallbezogene Abwägung vor. Dies gelte erst recht nach dem Tod der Quelle. Schließlich könne ein abstrakter Vorrang des Quellenschutzes auch nicht aus den gegenüber V-Leuten abgegebenen Vertraulichkeitszusagen hergeleitet werden, worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten im Übrigen ebenfalls nicht berufen habe. Das parlamentarische Auskunftsrecht stehe nicht zur Disposition der Sicherheitsbehörden.

26

b) Die Begründung, mit der die Antragsgegnerin die Beantwortung der Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verweigert habe, genüge diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich (bb)) und bei der vorzunehmenden Abwägung überwiege das parlamentarische Informationsinteresse (cc)).

27

aa) Bei der Begründung handele es sich um einen Textbaustein, dem jeder Einzelfallbezug fehle. Dies zeige sich auch daran, dass die Begründung der Antwortverweigerung mit derjenigen in Bezug auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 weitgehend wortgleich und auch die Beantwortung einer weiteren Kleinen Anfrage im Wesentlichen mit derselben Begründung verweigert worden sei. Außerdem passe die Antwort nicht zu der Frage, soweit die Antragsgegnerin hervorhebe, dass Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten geschützt werden müssten, da Lembke bereits 1981 verstorben sei. Ferner sei die Begründung unvollständig, da darin nur auf die Tätigkeit der Nachrichtendienste eingegangen worden sei, obwohl sich die Frage auf Sicherheitsbehörden und somit auch auf die Polizeibehörden bezogen habe. Eine derart formelhafte und unspezifische Begründung wäre nur dann hinzunehmen, wenn die Frage 2 a) auf Informationen gezielt hätte, die offenkundig geheimhaltungsbedürftig seien. Dies sei jedoch nicht der Fall.

28

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich. Ein solches lasse sich insbesondere nicht mit dem Staatswohl in seiner Ausprägung als Schutz der Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden begründen. Eine Gefährdung der aktuell zu dem Oktoberfestattentat geführten Ermittlungen durch eine Beantwortung der Frage 2 a) liege fern. Die Frage beziehe sich auf einen historischen Vorgang und auf einen Verstorbenen. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Enttarnung von Heinz Lembke als V-Mann aktuelle Ermittlungen gefährden könne, zumal seit langem bekannt sei, dass sich Lembke und sein Umfeld im Blickfeld der Sicherheitsbehörden befunden hätten. Eine Beantwortung der Frage nach der V-Mann- Eigenschaft von Lembke ermögliche auch keine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden. Da sich die Frage auf die V-Mann-Eigenschaft einer einzelnen Person beziehe, ergebe sich aus ihrer Beantwortung kein einzelfallübergreifender Informationswert. Dass die Sicherheitsbehörden damals wie heute V-Leute in der Neonaziszene eingesetzt hätten, sei ohnehin allgemein bekannt. Im Hinblick auf eigene Rechte von Heinz Lembke könne der allenfalls noch relevante postmortale Vertraulichkeitsschutz in Anbetracht der verstrichenen Zeit keine Bedeutung mehr haben. Jedenfalls aber könne dieser Vertraulichkeitsschutz bei der Abwägung nur geringes Gewicht haben. Konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung anderer Personen seien nicht ersichtlich.

29

cc) Selbst wenn sich aus einer Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden ergeben sollten, könne es sich dabei allenfalls um geringfügige Beeinträchtigungen handeln. Diesen stehe ein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegenüber, das bei der gebotenen Abwägung überwiege. Die Bedeutung der verfahrensgegenständlichen Frage gehe über den Einzelfall hinaus.

30

Für den Bundestag sei es von überragender Bedeutung, Einblicke in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu erhalten, um diese Tätigkeit und die Haltung der Antragsgegnerin hierzu kontrollieren zu können. Hierzu gebe es gerade in jüngerer Zeit mit Blick auf den Einsatz von V-Leuten in der rechtsextremen Szene Anlass. So werde das Versagen der Sicherheitsbehörden im Fall des so genannten Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) unter anderem auf einen überzogenen Quellenschutz bei den Nachrichtendiensten zurückgeführt. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 habe dazu gedient, Verdachtsmomenten nachzugehen, dass auch im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten genutzt worden seien, um den Anschlag zu verhindern und aufzuklären. Wenn sich dieser Verdacht erhärte, könne hierin möglicherweise ein über längere Zeit gleichbleibendes Muster erkannt werden. Um sich einen Einblick in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu verschaffen und diese zu kontrollieren, müsse der Bundestag zwangsläufig von Einzelfällen ausgehen, da ein detailliertes Gesamtbild weder verfügbar sei noch hergestellt werden könne. Umso bedeutsamer sei es, dass dem Bundestag Informationen zu Einzelfällen mitgeteilt würden, die nicht zwingend geheimhaltungsbedürftig seien.

31

Zudem bestehe an der Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden gerade im Neonazimilieu ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse. Neben den Vorgängen um den NSU sei insoweit auch das Oktoberfestattentat von Bedeutung, über das in jüngerer Zeit verstärkt berichtet worden sei.

32

Schließlich seien Informationen über mögliche Verbindungen von V-Leuten zu dem Oktoberfestattentat auch für die gesetzgeberische Funktion des Bundestages von Bedeutung. Die Frage der gesetzlichen Regulierung des Einsatzes von V-Leuten sei hochaktuell und umstritten. Insoweit sei es erforderlich, dass Informationen über die Praxis des Einsatzes von V-Leuten und eventuelle Missstände oder Fehleinschätzungen in der Vergangenheit verfügbar seien.

33

Die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke stehe im Kontext mit einer Vielzahl von weiteren Auskunftsbegehren der Antragstellerinnen, mit denen diese versuchten, Anhaltspunkten für Verbindungen deutscher Sicherheitsbehörden zu Personen und Gruppierungen aus dem Neonazimilieu nachzugehen, von denen schwerwiegende Gewalttaten ausgegangen seien. Sollte Lembke tatsächlich als V-Mann tätig gewesen sein und sollten sich Verbindungen zum Oktoberfestattentat erhärten lassen, würde dies massive Fragen nach dem Sinn und den Modalitäten des Einsatzes von V-Leuten im Neonazimilieu aufwerfen, deren potentielle politische Bedeutung für die parlamentarische Kontrolle und für gesetzgeberische Maßnahmen sich kaum überschätzen lasse.

34

c) Auch hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei die Antwort der Antragsgegnerin zu pauschal (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse sei nicht ersichtlich (bb)), jedenfalls habe eine vollständige Verweigerung der Beantwortung der Fragen nicht erfolgen dürfen (cc)).

35

aa) Die Verweigerung vollständiger Antworten auf die umstrittenen Fragen der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei unzureichend begründet worden. Die Antragsgegnerin habe denselben formelhaften Textbaustein wie in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwendet.

36

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei weder hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 zu Quellenmeldungen zum Attentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann noch bezüglich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann ersichtlich. Dass die Antragsgegnerin eine Aufschlüsselung der Quellenmeldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden in ihrer Antwort auf die Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 verweigert habe, lasse sich weder durch Belange des Staatswohls noch durch Grundrechte rechtfertigen.

37

Eine Gefährdung der aktuellen Aufklärungstätigkeit der Nachrichtendienste sei insoweit nicht ersichtlich, da bekannt sei, dass diese im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und im Umfeld der Wehrsportgruppe Hoffmann ermittelt und dabei auf menschliche Quellen zurückgegriffen hätten. Dies ergebe sich auch aus der Antwort der Antragsgegnerin. Hinreichend spezifische Rückschlüsse allgemeiner Art auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ließen sich aus der begehrten Aufschlüsselung nicht ziehen. Dass Nachrichtendienste befugt seien, V-Leute einzusetzen, und von dieser Befugnis gerade auch in der rechtsextremistischen Szene Gebrauch machten, sei allgemein bekannt. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Nachteile sich für die Nachrichtendienste aus der Mitteilung der Aufschlüsselung ergeben könnten. Hieraus könnten keine Schlüsse zu anderen Vorgängen und erst recht nicht zu der heutigen Aufklärungstätigkeit gezogen werden.

38

Es sei auch nicht ersichtlich, dass die begehrte Aufschlüsselung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder Leib und Leben von Menschen gefährden könne, da es an einem Bezug zu bestimmten Personen fehle. Die bloße Behauptung, aus irgendwelchen Informationen, die einen Bezug zum Einsatz von V-Leuten aufwiesen, könne auf die Identität einzelner V-Leute geschlossen werden, reiche nicht aus. Diese Behauptung müsse vielmehr durch eine Enttarnungsprognose fundiert werden, um verfassungsrechtlich tragfähig zu sein. Zwar könnten unter Hinzuziehung von Zusatzwissen gegebenenfalls gewisse Rückschlüsse in personeller Hinsicht möglich sein. Angesichts des erheblichen Umfangs der Ermittlungen zum Oktoberfestattentat und der großen Zahl von Angehörigen und Unterstützern der Wehrsportgruppe Hoffmann liege es aber fern, dass sich positiv ein Bezug zu bestimmten Personen herstellen lasse. Aus den begehrten Antworten wäre nicht einmal ersichtlich, in welchem Verhältnis die Quellen zu der rechtsextremen Szene beziehungsweise der Wehrsportgruppe Hoffmann stünden. Dass konkretere Angaben zu Quellenmeldungen unbedenklich seien, zeige zudem die Antwort auf Frage 18, wonach dem Bundesnachrichtendienst zum Oktoberfestattentat eine Quellenmeldung aus dem Jahr 1981 vorliege.

39

Hinsichtlich der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann (Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31) liege es ebenfalls nahe, dass kein Geheimhaltungsinteresse bestehe. Eine Gefährdung aktueller Ermittlungen sei nicht ersichtlich. Zwar liege es nahe, dass einzelne Personen aus dem Kreis der Wehrsportgruppe auch heute noch von den Nachrichtendiensten beobachtet würden. Aus den begehrten Angaben ließen sich jedoch keine Schlüsse ziehen, die diese Beobachtung beeinträchtigen könnten. Nach über 30 Jahren könne aus der damaligen Zahl der V-Leute kaum etwas zu ihrer heutigen Zahl hergeleitet werden.

40

Allgemeine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise von Nachrichtendiensten ließen sich aus den begehrten Informationen zu V-Leuten ebenfalls nicht ziehen. Aus ihnen lasse sich lediglich ableiten, wie weitgehend die Wehrsportgruppe Hoffmann mit V-Leuten infiltriert gewesen sei, nicht aber, wie die Kooperation abgelaufen sei und welchen Nutzen sie erbracht habe. Erkenntnisse über den heutigen Einsatz von V-Leuten im Neonazimilieu ergäben sich hieraus nicht. Zudem könne man nicht von der Infiltration einer Gruppierung auf die einer anderen schließen. Außerdem sei der erhebliche Zeitablauf zu berücksichtigen.

41

Eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung liege fern, da von der abgefragten Gesamtzahl von V-Leuten nicht auf einzelne Personen geschlossen werden könne. Angesichts des erheblichen Zeitablaufs könne auch nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das für eine denkbare Individualisierung erforderliche Zusatzwissen in den betroffenen Kreisen vorhanden oder beschaffbar sei. Sollte gleichwohl ein Identifizierungsrisiko zu bejahen sein, hätte die Antragsgegnerin die Antworten aufspalten, die Gesamtzahl der V-Leute veröffentlichen und die weiteren begehrten Informationen unter Einstufung herausgeben können.

42

cc) Selbst wenn man unterstelle, dass die verfahrensgegenständlichen Fragen ein Geheimhaltungsinteresse berührten, hätte die Antragsgegnerin die begehrten Informationen zumindest nicht vollständig verweigern dürfen. Insofern gelte nichts anderes als für Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Informationen darüber, in welchem Ausmaß die Nachrichtendienste neonazistische Gruppierungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat infiltriert hätten, seien besonders bedeutsam, damit der Bundestag etwaige Defizite abschätzen und den Einsatz von V-Leuten gegebenenfalls neu regulieren könne. Vor diesem Hintergrund sei ein geringfügiges Risiko für das Staatswohl hinzunehmen. Dieses allenfalls sehr geringe Risiko für damalige V-Leute hätte durch eine Einstufung als Verschlusssache abgeschirmt werden können.

43

d) Wo dies erforderlich sei, könne zwischen dem Informationsinteresse des Bundestages und einem gegenläufigen Geheimhaltungsinteresse praktische Konkordanz hergestellt werden, indem die begehrten Informationen als Verschlusssache zur Verfügung gestellt würden. Die Antragsgegnerin könne sich grundsätzlich nicht auf das Staatswohl berufen, um Informationen zurückzuhalten, wenn der Bundestag hinreichende Vorkehrungen dagegen treffe, dass diese Informationen bekannt würden. Gleiches gelte, wenn eine Geheimhaltung von Informationen zum Schutz von Grundrechten geboten sei. Antworten auf parlamentarische Anfragen zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden müssten somit in der Regel zumindest als Verschlusssache zur Verfügung gestellt werden.

44

Es sei davon auszugehen, dass Informationen, die nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingestuft worden seien, auch tatsächlich geheim blieben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall sei, habe die Antragsgegnerin nicht vorgebracht. Eine pauschale Befürchtung der Antragsgegnerin, im Bundestag könnten Sicherheitslücken bestehen, genüge nicht. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle eine Einstufung nach der Geheimschutzordnung als Mittel zur Auflösung des Interessenkonflikts zwischen dem parlamentarischen Informationsinteresse und dem exekutiven Geheimhaltungsinteresse verworfen, da die Anwendung der Geheimschutzordnung mit der Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments konfligiere. Für diesen Bereich habe das Bundesverfassungsgericht jedoch eine abstrakt-generelle Regel zur Reichweite des parlamentarischen Informationsrechts aufgestellt, weshalb die Öffentlichkeit bei Anwendung der Geheimschutzordnung systematisch und nicht nur im Einzelfall ausgeschlossen würde. Für den Bereich der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden bleibe der parlamentarische Geheimschutz hingegen ein taugliches Instrument zum Ausgleich des Interessenkonflikts, da hier eine Einzelfallabwägung vorzunehmen sei und im Einzelfall eine Einstufung als Verschlusssache dem Informationsinteresse des Bundestages besser Rechnung trage als die vollständige Verweigerung einer Antwort.

IV.

45

Nach Auffassung der Antragsgegnerin haben die Anträge keine Aussicht auf Erfolg.

46

1. Sie habe die Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 zu Recht aus Gründen des Staatswohls (a)) und des Grundrechtsschutzes (b)) verweigert, ohne dass insoweit eine Einzelfallabwägung vorgenommen werden müsse. Die Möglichkeit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages ändere hieran nichts (c)). Selbst wenn man von der Notwendigkeit einer Einzelfallabwägung ausgehe, müsse das Auskunftsinteresse im konkreten Fall hinter dem Geheimhaltungsinteresse zurückstehen (d)). Außerdem müsse sie keine Auskünfte zu V-Leuten der Länder erteilen (e)). Schließlich sei die Verweigerung der Beantwortung der Frage 2 a) auch in ausreichender Weise begründet worden (f)).

47

a) Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass gegenüber V-Leuten abgegebene Vertraulichkeitszusagen aus Gründen des Staatswohls stets eingehalten werden müssten. Das Bundesverfassungsgericht habe wiederholt betont, dass die Strafverfolgungsorgane auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen seien, um ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten gerecht werden zu können. Dies gelte in derselben Weise für die Nachrichtendienste und Polizeibehörden bei der Aufklärung verfassungsfeindlicher Bestrebungen und der sonstigen Gefahrenabwehr. Der Einsatz von V-Leuten gehöre zu den wichtigsten Mitteln verdeckter Informationsgewinnung. Er sei von herausragender Bedeutung, da verfassungsfeindliche Organisationen oftmals konspirativ agierten.

48

Die Geheimhaltung der Identität von V-Leuten sei mit Blick auf die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden unabdingbar. Zwar vertrete die Antragsgegnerin nicht die Auffassung, dass es bei parlamentarischen Anfragen eine Bereichsausnahme für sämtliche Informationen mit Bezug zu V-Leuten gebe; es bestehe jedoch eine generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit für Informationen, die alleine oder in Zusammenschau mit anderen Informationen zur Offenbarung der Identität von V-Personen führen könnten. Dies ergebe sich aus einer Abwägung des parlamentarischen Informationsinteresses mit den der Offenbarung derartiger Daten und Informationen entgegenstehenden Geheimhaltungsinteressen. Das gelte nicht nur für die Zeit während des Einsatzes, sondern auch nach dessen Beendigung. Dabei diene die Geheimhaltung der Identität zum einen dem Schutz der V-Leute selbst, zum anderen aber auch dem Schutz der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden. So schließe die Offenbarung der Identität einer V-Person deren weiteren Einsatz aus. Der damit verbundene Verlust des Zugangs zu Informationen könne irreversibel sein, da sich V-Leute nicht beliebig gewinnen oder ersetzen ließen. Mit der Enttarnung einer V-Person würden darüber hinaus den beobachteten Personen sowohl der Umstand als auch die Art und Weise ihrer Beobachtung bekannt, was die weitere Aufklärung erschwere. Des Weiteren könnten bei Bekanntwerden der Identität einer V-Person Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Behörden, insbesondere die Art und Weise der Werbung, der Quellenführung und der Zusammenarbeit, gezogen werden. Hierdurch könnten Zielpersonen in die Lage versetzt werden, Abwehrstrategien gegen die Gewinnung von V-Leuten zu entwickeln. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Mitarbeiter von Behörden enttarnt und gefährdet würden.

49

Die Tätigkeit der Nachrichtendienste zeichne sich dadurch aus, dass sie in weiten Teilen geheimhaltungsbedürftig sei. Daher müssten Einzelheiten zu Arbeitsweisen, Strategien, Methoden und Erkenntnisstand der Nachrichtendienste, deren Offenlegung ihre Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung gefährde, nicht mitgeteilt werden. Gleiches gelte für Polizeibehörden, soweit diese zum Einsatz verdeckter Maßnahmen befugt seien. Eine Beantwortung der Frage 2 a) würde aber Einzelheiten des Quellen- und Erkenntnisstandes offenbaren. Die Antragstellerinnen verkennten, dass es sich bei dem Schutz der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden im Interesse des Gemeinwohls um einen Belang höchsten Ranges handele. Vor diesem Hintergrund gingen sie unzutreffend davon aus, dass insoweit gewisse Beeinträchtigungen und Gefährdungen hinzunehmen seien. Die Antragsgegnerin müsse jedoch auch nicht-signifikante Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden verhindern und könne von den Antragstellerinnen nicht durch parlamentarische Anfragen gezwungen werden, derartige Folgen herbeizuführen.

50

Es treffe nicht zu, dass die amtliche Bestätigung von Überwachungsmaßnahmen keinen zusätzlichen Informationswert habe, wenn über diese Maßnahmen schon in anderen Publikationen berichtet worden sei. Das Staatswohl sei nicht erst dann gefährdet, wenn verfassungsfeindlichen Organisationen durch eine Auskunft der Antragsgegnerin ermöglicht werde, neue Vermeidungsstrategien zu ergreifen, sondern schon dann, wenn diese zu der generellen Erkenntnis gelangten, sich vorsehen zu müssen. Allein die Beendigung einer bestimmten Aufklärungstätigkeit führe nicht stets dazu, dass auch die Geheimhaltungsbedürftigkeit entfalle, da das Aufklärungsinteresse fortbestehen könne. Ob bei abgeschlossenen Sachverhalten etwas anderes gelte, sei unerheblich, da ein solcher hier nicht vorliege. Unabhängig davon dürfe nicht vorschnell von einem abgeschlossenen Sachverhalt ausgegangen werden, da selbst lange zurückliegende Vorgänge wieder unmittelbare Aktualität erlangen könnten. Auch sei zu bedenken, dass zwar möglicherweise eine Organisation ihr Ende gefunden habe, die an ihr beteiligten Personen aber gegebenenfalls ihre verfassungsfeindlichen oder sicherheitsgefährdenden Aktivitäten in anderer Form fortsetzten.

51

Durch die von einer Behörde abgegebene Vertraulichkeitszusage werde die Identität einer V-Person grundsätzlich dauerhaft geschützt. Eine derartige Zusage sei notwendig, weil V-Leuten im Falle ihrer Enttarnung Repressionen bis hin zu Gefahren für Leib und Leben drohten. Vor diesem Hintergrund bestehe eine Schutz- und Fürsorgepflicht des Staates. Die drohenden Gefahren dürften nicht unter Verweis auf staatliche Schutzprogramme heruntergespielt werden, da derartige Maßnahmen sehr aufwendig und für die Betroffenen mit äußerst gravierenden Belastungen verbunden seien.

52

Die Einhaltung abgegebener Vertraulichkeitszusagen sei für die Zusammenarbeit mit aktiven V-Leuten und die Gewinnung künftiger V-Leute unabdingbar. Würden Vertraulichkeitszusagen nicht eingehalten, könne dies die künftige Gewinnung von V-Leuten erschweren oder unmöglich machen. Werde die Identität einer V-Person bekannt, verunsichere dies andere Betroffene und schwäche das Vertrauen in die Wirksamkeit und Geltung von Vertraulichkeitszusagen. In der Vergangenheit hätten Enttarnungen dazu geführt, dass die Anwerbung in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten verbunden sei.

53

Das Geheimhaltungsbedürfnis sei auch nicht deshalb entfallen, weil Heinz Lembke bereits vor längerer Zeit verstorben sei. Vertraulichkeitszusagen seien grundsätzlich nicht auf die Lebenszeit der Betroffenen beschränkt, denn es könnten auch Angehörige in Gefahr geraten. Die Vorstellung von "Sippenhaft" sei in bestimmten Organisationen, Kreisen und Gesellschaften durchaus verbreitet. Außerdem sei es ein berechtigtes Anliegen von V-Leuten, dass ihr soziales Ansehen auch über den Tod hinaus geschützt werde. Diese wollten mit Rücksicht auf das eigene Andenken sowie auf ihre Angehörigen auch nach ihrem Tod nicht als "Spitzel" oder "Verräter" diffamiert und herabgesetzt werden. Dem stehe nicht entgegen, dass der postmortale Persönlichkeitsschutz schwächer ausgeprägt sei als das allgemeine Persönlichkeitsrecht, da es im Kontext von Vertraulichkeitszusagen nicht um allgemeine grundrechtliche Abwehr- und Schutzansprüche, sondern um die Einhaltung staatlicher Zusagen gehe, die ein besonderes Vertrauens- und Fürsorgeverhältnis begründeten.

54

Werde die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person bejaht, könne dies zudem zur Folge haben, dass auf Seiten der betroffenen Organisation eine Suche nach weiteren "Verrätern" ausgelöst werde. Werde die Frage hingegen verneint, könnten die betroffenen Kreise möglicherweise folgern, dass eine andere Person eine V-Person gewesen sein müsse, wodurch diese in Gefahr gerate. Vor diesem Hintergrund müssten vor der Beantwortung einer entsprechenden Frage umfangreiche Ermittlungen zu allen im Zusammenhang stehenden Personen und Personenzusammenschlüssen durchgeführt werden. Zum einen verursache dies einen unzumutbaren Aufwand, der über die Auskunftspflicht hinausgehe. Zum anderen könnten mit den erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen erhebliche Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen verbunden sein.

55

Dass der verfahrensgegenständliche Sachverhalt lange zurückliege, führe ebenfalls nicht dazu, dass das Geheimhaltungsbedürfnis entfalle. Mit Blick auf die Identität von V-Leuten nehme das Geheimhaltungsinteresse mit der Zeit nicht ab. Nähme man dagegen an, dass die Frage nach der V-Person-Eigenschaft beantwortet werden müsse, wenn der V-Person-Einsatz bereits längere Zeit zurückliege, könnte in Fällen einer Antwortverweigerung der Umkehrschluss gezogen werden, dass die betreffende Person vor nicht langer Zeit als V-Person tätig gewesen oder es womöglich noch immer sei.

56

Abgesehen davon beziehe sich die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht auf einen historischen Vorgang, bei dem das Geheimhaltungsinteresse gemindert oder entfallen sein könnte. Die Anfrage beruhe nicht auf einem historischen Interesse, sondern stehe im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Ermittlungen zu dem Oktoberfestattentat durch den Generalbundesanwalt. Diese Ermittlungen könnten durch die Beantwortung der Frage, ob Lembke V-Mann gewesen sei, gefährdet werden. Von den ehemaligen Angehörigen und Unterstützern der in den Blick zu nehmenden Organisationen und Gruppierungen würden diese Ermittlungen mit großem Interesse verfolgt. Karl-Heinz Hoffmann, der im Jahr 2011 ein Buch mit dem Titel "Die Oktoberfestlegende" veröffentlicht habe, befasse sich auf seiner Homepage regelmäßig und ausführlich mit dem Attentat und äußere sich dort unter anderem auch zu Lembke. Eine Antwort auf die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, ermögliche etwaigen Tatbeteiligten Rückschlüsse darauf, welche Umstände den Ermittlungsbehörden bekannt sein könnten. Dies erleichtere ihnen, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren.

57

Schließlich bestehe die Notwendigkeit, die Antwort auf Frage 2 a) zu verweigern, unabhängig davon, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei. Zum einen könne die Pflicht zur Beantwortung nicht davon abhängen, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, da anderenfalls in künftigen Fällen bei einer Verweigerung der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person die zutreffende Antwort durch einen Umkehrschluss ermittelt werden könne. Zum anderen könnten auch bei einer Verneinung der Frage möglicherweise Rückschlüsse im konkreten Fall gezogen werden, die bis hin zu einer Enttarnung etwaiger tatsächlicher V-Leute reichen könnten. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die betroffenen Personen und Gruppierungen über internes Wissen verfügten, das sie womöglich in die Lage versetze, im Falle des Ausschlusses einer Person auf die V-Person-Eigenschaft einer anderen Person zu schließen. Es sei nicht auszuschließen, dass in Zukunft weitere Informationen öffentlich würden, die in Verbindung mit der Beantwortung der aktuellen Frage Rückschlüsse auf die Identität von V-Leuten ermöglichten.

58

b) Die Beantwortung der Frage 2 a) sei darüber hinaus aus grundsätzlichen Erwägungen des Grundrechtsschutzes zu verweigern. Unter grundrechtlichen Aspekten betreffe die Wahrung von Vertraulichkeitszusagen nicht allein die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates für Leben, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit. Auch eine Betrachtung unter den Gesichtspunkten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einschließlich des postmortalen Persönlichkeitsschutzes greife zu kurz. Denn der Staat übernehme gegenüber den V-Leuten darüber hinausgehende besondere Verpflichtungen. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, dass Lembke bereits verstorben sei, da dem grundrechtlich geschützten Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen auch über den Tod hinaus Rechnung zu tragen sei.

59

c) Dem Geheimhaltungsbedürfnis könne überdies nicht mit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages Rechnung getragen werden. In Bezug auf die Identität von V-Personen und anderen schutzwürdigen Quellen der Nachrichtendienste und Polizeibehörden bestehe eine generelle Geheimhaltungsnotwendigkeit.

60

Zwar sei die Geheimschutzordnung des Bundestages grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass das Staatswohl nicht allein der Bundesregierung, sondern auch dem Bundestag anvertraut sei. Gleichwohl gebe es Informationen aus dem Bereich der Nachrichtendienste, die ungeachtet der Geheimschutzordnung des Bundestages diesem gegenüber nicht offenbart werden könnten.

61

Die Effektivität des Geheimschutzes hänge nicht allein von der normativen Ausgestaltung ab, sondern auch von der faktischen Wirksamkeit. Je größer der Kreis der Geheimnisträger sei, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit einer absichtlichen oder unabsichtlichen Weitergabe der Informationen. Der Gedanke, dem Geheimschutz durch eine Beschränkung der Zahl der Geheimnisträger effektiv Rechnung zu tragen, sei für den Bereich der nachrichtendienstlichen Informationen sowohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch in der Gesetzgebung angelegt. So habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die nachrichtendienstliche Tätigkeit von dem aus einer geringen Zahl von Abgeordneten bestehenden Parlamentarischen Kontrollgremium überwacht werde. Ebenso habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste des Bundes nicht im Plenum, sondern gemäß § 10a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) in einem Vertrauensgremium behandelt würden. Der (verfassungsändernde) Gesetzgeber habe bei der Regelung von Art. 45d GG sowie bei der Verabschiedung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) betont, dass die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit besonderer Geheimhaltung bedürfe. Aus § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG ergebe sich zudem, dass es Informationen gebe, die derart sensibel seien, dass sie selbst dem Parlamentarischen Kontrollgremium nicht zu offenbaren seien. Danach könne eine Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums unter anderem aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangsverweigert werden, worunter auch der Schutz von Quellen gefasst werde. Es gebe Kategorien von Geheimnissen, die sich aufgrund ihrer besonderen Natur bereits bei abstrakter Abwägung als generell geheimhaltungsbedürftig darstellten. Da hier bereits die fallgruppenbildenden Kriterien die Entscheidung determinierten, bedürfe es keiner Abwägung im Einzelfall. Eine solche generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehe in Bezug auf die Identität von V-Personen und andere schutzwürdige nachrichtendienstliche Quellen.

62

Vor diesem Hintergrund garantiere die Geheimschutzordnung des Bundestages im vorliegenden Fall keinen ausreichenden Geheimschutz. Bei der Identität von V-Leuten handele es sich um derart sensible Informationen, dass die Gefahr des Bekanntwerdens soweit wie möglich reduziert werden müsse. Der hiernach erforderliche ganz besondere Geheimschutz sei auch bei einer Einstufung der Antwort als "geheim" nicht gewährleistet, da die Antwort gleichwohl allen Mitgliedern des Bundestages zugänglich gemacht werde. Zudem machten die Antragstellerinnen geltend, dass sie die Antwort benötigten, um eine gesetzliche Regelung des Einsatzes von V-Leuten im Parlament und in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Sie zielten somit letztlich auf die Herstellung von Öffentlichkeit ab.

63

d) Die Antragsgegnerin vertrete zwar die Auffassung, dass die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer bestimmten Person schon aufgrund einer abstrakten Abwägung generell nicht beantwortet werden müsse. Doch selbst wenn man eine Einzelfallabwägung für erforderlich halte, sei die Verweigerung der Antwort auf die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke rechtmäßig, da das Geheimhaltungsinteresse das Auskunftsinteresse auch im konkreten Fall überwiege.

64

Hinsichtlich der Beantwortung der Frage 2 a) sei kein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegeben. Die diesbezüglichen Überlegungen der Antragstellerinnen blieben abstrakt. Sie könnten nicht begründen, weshalb die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, für die parlamentarische Kontrolle oder die Gesetzgebungstätigkeit von besonderer Bedeutung sein solle. Die Auffassung, wonach der Bundestag zur Kontrolle der Sicherheitsbehörden Einblicke in einzelne, konkrete Aufklärungsmaßnahmen einschließlich der Identität einzelner V-Personen erhalten müsse, überzeuge nicht und laufe auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Staatswohls hinaus. Dass die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, Bedeutung für die Gesetzgebungstätigkeit habe, sei nicht ersichtlich. Die Antragstellerinnen legten nicht dar, weshalb sie meinten, dass gerade diese Information für die heutige Bewertung des Einsatzes von V-Leuten relevant sei. Ihr Vortrag sei im Übrigen widersprüchlich, weil sie an anderer Stelle äußerten, dass eine Gefahr für das Staatswohl nicht zu besorgen sei, da eine Beantwortung der Frage keine Schlüsse auf die heutige Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden zulasse.

65

Demgegenüber werde der Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel durch gezielte Identifikationsfragen unterminiert. Auch wenn das Parlament nicht unmittelbar an von der Exekutive abgegebene Vertraulichkeitszusagen gebunden sei, folge hieraus nicht, dass es einen Auskunftsanspruch habe, der unter Verletzung dieser Zusagen zu erfüllen sei. Insoweit sei auch die Rechtsprechung zur Bedeutung von Vertraulichkeitszusagen im Strafverfahren zu berücksichtigen, wonach Auskünfte zu V-Leuten in entsprechender Anwendung von § 96 StPO verweigert werden könnten. Wenn der Weg in die Einzelfallabwägung einmal eröffnet sei, sei aus Sicht der Betroffenen kein Verlass mehr auf Vertraulichkeitszusagen. Dadurch würden die Fortführung und die Gewinnung von V-Leuten als nachrichtendienstliche Quelle zum Nachteil des Staatswohls erheblich beeinträchtigt.

66

e) Soweit sich die Frage 2 a) auf eine V-Mann-Tätigkeit Lembkes für Sicherheitsbehörden der Länder beziehe, müsse die Antwort auch deshalb verweigert werden, weil die Antragsgegnerin nicht beurteilen könne, welche Konsequenzen die Antwort für die Arbeit der betreffenden Landesbehörde hätte. Da sich die Antwortpflicht der Antragsgegnerin nur auf vorhandene Kenntnisse beziehe, sei sie nicht verpflichtet, Untersuchungen dazu zu veranlassen, welche Folgen eine Beantwortung der Frage für die Länder hätte.

67

f) Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen habe die Antragsgegnerin die Verweigerung der Antwort auch ausreichend begründet. Sie habe dargelegt, dass und weshalb es nicht möglich sei, Fragen nach der Identität von V-Leuten zu beantworten. In gewisser Weise müsse jede Auskunftsverweigerung abstrakt bleiben, da nicht verlangt werden könne, dass die Begründung so konkret sei, dass Rückschlüsse auf die verweigerte Antwort gezogen werden könnten. Auch der Einwand, dass Antworten auf andere Anfragen wortgleich seien, greife nicht durch. Wenn Fragen einen ähnlichen Inhalt hätten und die Beantwortung aus denselben Gründen abzulehnen sei, sei es nicht zu beanstanden, dass sich auch die Begründungen entsprächen.

68

Mit der Rüge, dass die Antragsgegnerin sich in ihrer Antwort nur auf Nachrichtendienste bezogen habe, obwohl nach "Sicherheitsbehörden" und damit - nach Auffassung der Antragstellerinnen - auch nach Polizeibehörden gefragt worden sei, könnten die Antragstellerinnen ebenfalls nicht gehört werden. Die Antragsgegnerin habe unter dem nicht klar definierten Begriff "Sicherheitsbehörden" allein Nachrichtendienste verstanden und verstehen dürfen. Dieses Verständnis ergebe sich aus dem systematischen Zusammenhang, da sich auch die Frage 2 b) nur auf "Geheimdienste" bezogen habe, und werde dadurch untermauert, dass die Antragstellerin zu 1. die Antwort der Antragsgegnerin in dem Schreiben vom 3. März 2015 insoweit nicht beanstandet habe.

69

2. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 habe die Antragsgegnerin zum Schutz des Staatswohls und der Grundrechte bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 die Zahl der Quellenmeldungen zu Recht zusammengefasst. Die Beantwortung der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 sei aus diesen Gründen vollständig abzulehnen gewesen.

70

a) Die auf die Tätigkeit von V-Leuten bezogenen Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 müssten aus Gründen des Staatswohls und zum Schutze der Grundrechte etwaiger V-Leute unbeantwortet bleiben. Aus Gründen des Staatswohls sei es - wie bereits mit Blick auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 ausgeführt - zum einen ausgeschlossen, die Identität von V-Leuten zu offenbaren. Darüber hinaus seien aber auch solche Angaben geheimhaltungsbedürftig, die - und sei es auch nur im Zusammenhang mit anderen Informationen - Rückschlüsse auf diese Personen erlaubten.

71

Insoweit sei zu berücksichtigen, dass gerade bei kleinen und konspirativ operierenden Gruppierungen schon geringe Anhaltspunkte ausreichen könnten, um bestimmte Personen als V-Leute zu identifizieren. Bei der Wehrsportgruppe Hoff-mann habe es sich um eine konspirativ agierende, straff hierarchisch organisierte paramilitärische Vereinigung gehandelt, so dass womöglich auch unverfänglich erscheinende Informationen eingeweihten Personen die Identifizierung etwaiger V-Leute ermöglichen könnten. Zwar treffe es zu, dass lediglich nach Gesamtzahlen gefragt worden sei. Ob von einer aggregierten Zahl gesprochen werden könne, hänge allerdings vom Inhalt der Antwort ab. Die Ausführungen der Antragstellerinnen zu der Wahrscheinlichkeit, dass die begehrten Informationen für die betroffenen Kreise einen Erkenntniswert haben könnten, beruhten auf Spekulationen und Mutmaßungen, die der Problematik nicht gerecht würden. Es liege in der Natur der Sache, dass keine exakte Aussage darüber getroffen werden könne, welche Konsequenzen die Offenbarung der begehrten Informationen habe.

72

Hinzu komme, dass Leib und Leben etwaiger V-Leute geschützt werden müssten. Im vorliegenden Fall sei ein gewaltbereites rechtsextremistisches Umfeld gegeben, so dass die Aufdeckung der Identität zu einer Gefährdung dieser grundrechtlich geschützten, hochrangigen Güter führen könne. Angesichts der Hochrangigkeit dieser Güter könne kein noch so geringes Risiko hingenommen werden. Das Staatswohlinteresse, den Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel funktionsfähig zu erhalten, sei derart bedeutsam, dass auch geringfügige Risiken nicht tolerierbar seien. Aus den bereits im Zusammenhang mit der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 genannten Gründen entfalle das Geheimhaltungsbedürfnis nicht, weil der Sachverhalt lange zurückliege. Mit Blick auf das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts dürfe etwaigen Beteiligten nicht ermöglicht werden, Absprachen zu treffen und sonstige Verschleierungsmaßnahmen vorzunehmen.

73

Eine Einstufung der Antworten als Verschlusssache reiche aus den genannten Gründen nicht aus, um die Gefahr eines Bekanntwerdens verlässlich auszuschließen und dem Geheimhaltungsbedürfnis Rechnung zu tragen.

74

b) Die Antragsgegnerin habe die Fragen 14 bis 16 und die Fragen 19 bis 21 jeweils zusammenfassend beantwortet und mitgeteilt, dass dem Bundesamt für Verfassungsschutz fünf Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat aus der Zeit von 1980 bis 1985 sowie 197 Quellenmeldungen zu der Wehrsportgruppe Hoffmann aus der Zeit von 1974 bis 1985 vorlägen. Eine nähere Aufschlüsselung nach Herkunft und Jahren müsse unterbleiben. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Zahl der Quellenmeldungen insgesamt sehr niedrig sei. Eine weitere Aufgliederung hätte die Mitteilung punktgenauer Informationen zur Folge. Unter Nutzung von Zusatzwissen sei es dann möglich, Bezüge zu bestimmten Personen herzustellen. Die Wehrsportgruppe Hoffmann habe zuletzt aus etwa 400 Mitgliedern bestanden, sei jedoch in mehrere Ortsgruppen untergliedert gewesen. Nach dem Verbot der Wehrsportgruppe Hoffmann zum Anfang des Jahres 1980 bis Mitte 1981 habe sich Karl-Heinz Hoffmann mit etwa 20 weiteren Personen im Libanon aufgehalten und dort die "Wehrsportgruppe Ausland" gegründet. Gerade in der Zeit vor und nach dem Oktoberfestattentat sei der Personenkreis somit sehr überschaubar gewesen.

75

c) Schließlich habe die Antragsgegnerin die Gründe für die unterbliebene oder lediglich teilweise Beantwortung auch ausreichend dargelegt.

V.

76

Die Antragstellerinnen und die Antragsgegnerin haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

B.

77

Die Anträge sind gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG zulässig.

I.

78

1. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind als Fraktionen nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG in Organstreitigkeiten parteifähig und berechtigt, sowohl eigene Rechte als auch Rechte des Deutschen Bundestages im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen (vgl. BVerfGE 2, 143 <165>; 67, 100 <125>; 131, 152 <190>; 139, 194 <220 Rn. 96>; stRspr). Die Bundesregierung ist nach § 63 BVerfGG taugliche Antragsgegnerin.

79

2. Die Anträge beziehen sich auf zulässige Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine rechtserhebliche Maßnahme als auch ein rechtserhebliches Unterlassen sein (vgl. BVerfGE 103, 81 <86>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <220 f. Rn. 98>; stRspr). Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer vollständigen Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht vollständigen Beantwortung handelt. Die teilweise Antwortverweigerung, die Nichtbeantwortung oder die nicht hinreichende Beantwortung der Kleinen Anfragen können die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihrem aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Auskunftsrecht verletzen. Damit sind die Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; 103, 81 <86>; 104, 310 <324>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <221 Rn. 98>).

II.

80

1. Die Antragstellerinnen sind antragsbefugt. Ein die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag einerseits und die Antragsgegnerin andererseits umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis liegt vor. Die Antragstellerinnen beanstanden Antworten der Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen. Der Organstreit betrifft damit die Reichweite des in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verfassungsrechtlich verankerten, in der Geschäftsordnung des Bundestages näher ausgestalteten Fragerechts sowie die grundsätzliche Verpflichtung der Bundesregierung, auf Fragen im Parlament Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 <185>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <221 Rn. 99>). Das Recht auf Information stellt sowohl ein eigenes Recht der Fraktionen dar, das der Bundesregierung gegenüber geltend gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 91, 246 <250 f.>; 100, 266 <270>; 124, 161 <187>), als auch ein Recht des Deutschen Bundestages, auf welches sich die Antragstellerinnen im Wege der Prozessstandschaft berufen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <187>; 139, 194 <221 Rn. 99>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 92, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

81

2. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte der Antragstellerinnen - soweit sie die unzureichende Beantwortung von ihnen jeweils selbst gestellter Anfragen rügen - und Rechte des Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt (vgl. dazu BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 112, 363 <365>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <222 Rn. 100>). Vielmehr erscheint es möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihre Antworten den Informationsanspruch der Antragstellerinnen und des Deutschen Bundestages in unzulässiger Weise verkürzt hat. Die Antragstellerinnen haben die Möglichkeit einer solchen Verletzung hinreichend dargelegt und ausgeführt, weshalb sie das verfassungsrechtlich verankerte Informationsrecht als verletzt ansehen und dessen Grenzen, auf die sich die Antragsgegnerin beruft, für nicht einschlägig halten.

III.

82

Mit dem am 20. Mai 2015 eingegangenen Antrag wahren die Antragstellerinnen die Sechsmonatsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG. Die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 1. wurde am 24. November 2014, die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 2. am 9. Februar 2015 von der Antragsgegnerin beantwortet.

C.

83

Die Anträge sind teilweise begründet.

I.

84

1. Das aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abgeleitete Frage- und Informationsrecht ermöglicht es dem Bundestag und seinen Mitgliedern zum einen, sich die für ihre Tätigkeit notwendigen Informationen zu verschaffen (a)). Zum anderen dient es der Kontrollfunktion des Parlaments, die sowohl aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz (b)) als auch aus dem Demokratieprinzip folgt (c)).

85

a) Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ergibt sich ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; 137, 185 <230 f. Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; stRspr). Aus dem Frage- und Informationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der Bundesregierung daher die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit des Parlaments (vgl. BVerfGE 137, 185 <231 Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; jeweils m.w.N.; stRspr).

86

b) Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf eine Verteilung der politischen Macht, das Ineinandergreifender drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>; 139, 194 <223 f. Rn. 105>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereichen unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

87

c) Die Kontrollfunktion des Parlaments ist zugleich Ausfluss der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>; 139, 194 <224 Rn. 106>). Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung hergestellt (vgl. etwa BVerfGE 137, 185 <232 Rn. 131>; 139, 194 <224 f. Rn. 107>). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung (vgl. BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>; 137, 185 <232 f. Rn. 131>; 139, 194 <225 Rn. 107>).

88

Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 132>; vgl. ferner BVerfGE 130, 76 <128>).

89

2. Der Informationsanspruch der Abgeordneten, Fraktionen und des Deutschen Bundestages unterliegt gleichwohl Grenzen. Sie ergeben sich aus dem Verantwortungsbereich der Regierung (a)), dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung einschließt (b)), dem Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl) (c)) und Grundrechten Dritter (d)).

90

a) Der Informationsanspruch kann sich von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen, da es insoweit an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag fehlt (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>; 137, 185 <233 Rn. 134>; 139, 194 <225 Rn. 107>). Hinsichtlich der Tätigkeit und Erkenntnisse der Nachrichtendienste ist der Verantwortungsbereich der Bundesregierung berührt, wenn die Anfragen Tätigkeiten unmittelbar nachgeordneter Behörden betreffen oder sie sich auf den Kenntnisstand der Bundesregierung zu Aktivitäten anderer Geheimdienste beziehen. Die Bundesregierung ist insoweit nicht auf Auskünfte beschränkt, die die Koordinierungsfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz betreffen (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>). Sie kann sich auch nicht von vornherein unter Bezugnahme auf ihren Verantwortungsbereich darauf berufen, sich nicht zu der Tätigkeit der Landesverfassungsschutzbehörden äußern zu müssen. Bereits die durch § 5 Abs. 1 BVerfSchG dem Bundesamt für Verfassungsschutz eröffnete Möglichkeit, Daten der Landesverfassungsschutzbehörden zu nutzen, sowie die in § 6 BVerfSchG geregelte gegenseitige Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden sprechen dafür, dass der Verantwortungsbereich der Bundesregierung auch bei Fragen, die sich auf ihre Erkenntnisse über die Tätigkeit und Informationen von Verfassungsschutzbehörden der Länder beziehen, berührt sein kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>).

91

b) Begrenzt wird der Informationsanspruch des Bundestages, der einzelnen Abgeordneten und der Fraktionen auch durch den Grundsatz der Gewaltenteilung. In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient dieser Grundsatz zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (vgl. BVerfGE 9, 268 <279 f.>; 137, 185 <233 Rn. 135>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung (vgl. BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

92

Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 131, 152 <210>; 137, 185 <234 Rn. 136>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 119, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214>). Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen (vgl. BVerfGE 124, 78 <120 f.>; 137, 185 <234 Rn. 136>).

93

Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Der aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung, sondern wirkt über den Zeitpunkt einer Entscheidung hinaus (BVerfGE 110, 199 <215>; 137, 185 <234 f. Rn. 137>).

94

c) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl).

95

aa) Die insoweit zu Beweiserhebungen von Untersuchungsausschüssen entwickelten Maßstäbe sind auf das Fragerecht der Abgeordneten zu übertragen (so bereits BVerfGE 124, 161 <189> zu Kleinen Anfragen und BVerfGE 137, 185 <240 Rn. 149> zu Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages und schriftlichen Fragen), weil es sich mit Blick auf das parlamentarische Informationsinteresse und das gegebenenfalls entgegenstehende Geheimhaltungsinteresse der Exekutive um vergleichbare Sachverhalte handelt. Danach bildet eine Grenze des Beweiserhebungsrechts das Staatswohl, das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 137, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Untersuchungs- sowie dem Informations- und Fragerecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls (vgl. BVerfGE 124, 78 <123>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 138, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

96

bb) Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheimzuhalten sind (BVerfGE 124, 78 <124>). Mithin kann bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 137, 185 <241 Rn. 149>).

97

(1) Der Bundestag hat in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Erfüllung seiner Aufgaben festgelegt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 77, 1 <48>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 139, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 Rn. 149>). Die Geheimschutzordnung kann damit ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse sein (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 124, 78 <124 f.>; 137, 185 <264 Rn. 199>; siehe ferner BVerfGE 130, 318 <362>; 131, 152 <208>).

98

Die Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungs- noch das Haushalts- noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>). Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>; 137, 185 <241 Rn. 150>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 140, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 137, 185 <241 Rn. 150>).

99

(2) Die Staatspraxis kennt neben der Geheimschutzordnung als Mittel des Ausgleichs zwischen parlamentarischem Informationsinteresse und dem Geheimhaltungsinteresse das aus ausgewählten (derzeit neun) Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (vgl. Art. 45d GG, § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 PKGrG; vgl. dazu BVerfGE 130, 318 <359>). Durch die Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Bundestages auf die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums wird ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das zum Ausgleich der kollidierenden Interessen führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <262 Rn. 194>). Jedoch ist das Gremium ein zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle, das parlamentarische Informationsrechte nicht verdrängt (vgl. BVerfGE 124, 161 <190> mit Verweis auf § 1 Abs. 2 PKGrG). Die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes durch ein ständiges Gremium soll eine Lücke schließen, da weder Öffentlichkeit noch Parlament von geheimen Vorgängen entsprechende Kenntnis erlangen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <190 f.>). Die einzelnen Abgeordneten, die Fraktionen und das Plenum des Deutschen Bundestages können jedoch nicht auf Informationen zugreifen, die die Bundesregierung dem Parlamentarischen Kontrollgremium gegeben hat (vgl. BVerfGE 124, 161 <191>).

100

d) Schließlich können das Fragerecht der Abgeordneten, Fraktionen und des Bundestages sowie die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten haben (vgl. BVerfGE 67, 100 <142>; 76, 363 <387>; 124, 78 <125>; 137, 185 <243 Rn. 153>). Daher ist zwischen den betroffenen Grundrechten verdeckt handelnder Personen und dem Informationsinteresse des Parlaments ein Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz zu finden. Dabei können insbesondere das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (aa)), das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und der postmortale Persönlichkeitsschutz berührt sein (bb)). Zudem ist das Gebot des Vertrauensschutzes zu beachten (cc)) und auch insoweit zu berücksichtigen, ob das Parlament ausreichende Vorkehrungen zum Geheimnisschutz getroffen hat (dd)).

101

aa) Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nimmt im Gefüge des Grundgesetzes einen besonders hohen Rang ein (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 57, 250 <284>; 115, 118 <139>; 128, 282 <302>). Dieses Grundrecht verpflichtet den Staat dazu, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen zu schützen, das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 115, 320 <346>). Gefahren für dieses Rechtsgut können sich ergeben, wenn durch die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage die Identität einer V-Person preisgegeben wird oder Rückschlüsse darauf ermöglicht werden und als Folge Reaktionen der beobachteten Personen oder Organisationen zu befürchten sind (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 82; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 281; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>).

102

bb) Darüber hinaus sind Auswirkungen auf das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgende Persönlichkeitsrecht denkbar (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 83). Dieses Grundrecht gewährleistet den Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt als "unbenanntes" Freiheitsrecht die speziellen ("benannten") Freiheitsrechte, die ebenfalls konstituierende Elemente der Persönlichkeit schützen (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>; 119, 1 <24>). Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>). Zu den Schutzgütern zählen unter anderem die Privat- (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>), Geheim- und Intimsphäre sowie die persönliche Ehre (vgl. BVerfGE 54, 148 <153 f.>; 114, 339 <346>; 119, 1 <24>) und das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Eine wesentliche Gewährleistung ist der Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen einer Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Ferner gibt es dem Einzelnen in seiner Ausformung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten (vgl. BVerfGE 130, 1 <35>) sowie darüber zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 103, 21 <33>).

103

Das Fortwirken des Persönlichkeitsrechts nach dem Tode ist zu verneinen, weil Träger dieses Grundrechts nur die lebende Person ist. Mit ihrem Tode erlischt der Schutz aus diesem Grundrecht. Jedoch schützt der aus Art. 1 Abs. 1 GG folgende allgemeine Achtungsanspruch Verstorbene vor grober Herabwürdigung und Erniedrigung (vgl. BVerfGE 30, 173 <194>). Geschützt wird auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat (vgl. BVerfGK 9, 83 <88>; 13, 115 <117>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. April 2001 - 1 BvR 932/94 -, juris, Rn. 19). Das parlamentarische Auskunftsrecht kann aufgrund seiner hohen Bedeutung durch den postmortalen Persönlichkeitsschutz jedoch allenfalls in besonderen Ausnahmekonstellationen beschränkt werden.

104

cc) Durch Vertraulichkeitszusagen wird zudem ein Vertrauenstatbestand geschaffen. Dies hat insoweit grundrechtliche Relevanz, als eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG vorliegen kann, wenn das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes nicht hinreichend berücksichtigt wird (vgl. BVerfGE 59, 128 <164>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Februar 1993 - 2 BvR 196/92 -, juris, Rn. 10). Im Verhältnis zu dem parlamentarischen Auskunftsanspruch kann der durch eine Vertraulichkeitszusage begründete Vertrauensschutz jedenfalls dann einen Gesichtspunkt darstellen, der das Informationsrecht des Parlaments einzuschränken vermag, wenn durch die Beantwortung einer Anfrage Grundrechte der V-Person gefährdet würden. Ansonsten hätten es die Vertraulichkeit garantierenden Behörden in der Hand, über den Auskunftsanspruch des Parlaments zu disponieren.

105

dd) Auch zugunsten des Schutzes der Grundrechte Privater gestattet die Bedeutung, die das Informations- und das Kontrollrecht des Parlaments gegenüber der Regierung sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates haben, in aller Regel dann keine Verkürzung des grundsätzlichen Rechts auf Beantwortung der der Regierung gestellten Fragen, wenn Parlament und Regierung Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben, die das ungestörte Zusammenwirken beider Verfassungsorgane auf diesem Gebiet gewährleisten, und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>). Eine Ausnahme hiervon gilt nur für solche Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>; 76, 363 <388>).

106

3. Die Bundesregierung muss eine vollständige oder teilweise Auskunftsverweigerung hinreichend begründen (a)). Ein Nachschieben von Gründen ist nicht zulässig (b)).

107

a) Aus der verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung muss - auch im Hinblick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Verhältnis zwischen Verfassungsorganen(vgl. BVerfGE 119, 96 <125>) - den Bundestag in die Lage versetzen, seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrzunehmen. Dies ist nur dann möglich, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessen ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>). Eine Begründung der Antwortverweigerung ist daher nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <232 Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Anforderungen an die Begründung dürfen allerdings nicht so weit gehen, dass mit ihr Teile der verweigerten Information offengelegt werden müssen.

108

b) Die Begründung stellt nicht nur ein Instrument kritischer Selbstkontrolle dar, sondern soll die Berechtigung zur Antwortverweigerung plausibel machen und die Prüfung ermöglichen, ob rechtliche Schritte angezeigt sind (vgl. BVerfGE 124, 78 <139>). Ist die Verschaffung vollständiger Information zunächst ohne zureichende Begründung abgelehnt worden, so vermag eine erst im Organstreitverfahren gegebene ergänzende Begründung nichts an dem darin liegenden Rechtsverstoß zu ändern (vgl. BVerfGE 124, 78 <147>). Ein Nachschieben von Gründen ist mithin nicht zulässig. Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Versagung eines Rechts durch eine mit Gründen versehene Abwägungsentscheidung. Allein diese Entscheidung unter Einschluss der ihr zugrundeliegenden Abwägung und Begründung wird zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung gestellt (vgl. auch BbgVerfG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 6/04 -, NVwZ-RR 2005, S. 299 <302 f.>; SächsVerfGH, Urteil vom 5. November 2010 - Vf. 35-I-10 -, juris, Rn. 31 f.).

II.

109

Nach diesen Maßstäben ist die Bundesregierung zwar grundsätzlich verpflichtet, dem Parlament Antworten auf Anfragen aus dem Bereich der Tätigkeit von Nachrichtendiensten zu erteilen. Angesichts der Bedeutung, die dem Einsatz verdeckter Quellen bei der Informationsbeschaffung der Nachrichtendienste zukommt (1.), kann sich die Bundesregierung zur Auskunftsverweigerung trotz des erheblichen Informationsinteresses des Parlaments in diesem Bereich (2.) aber in der Regel auf eine Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte verdeckt handelnder Personen berufen, wenn deren Identität bei der Erteilung der begehrten Auskünfte offenbart würde oder ihre Identifizierung möglich erscheint. Nur in eng begrenzten, besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen kann, wenn die Gefährdung verfassungsrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint, das Informations- gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse überwiegen (3.).

110

1. a) Zur Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland lässt das Grundgesetz (Art. 45d, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b, Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ausdrücklich die Errichtung von Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten zu. Nachrichtendienste sind Ausdruck der Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine wehrhafte Demokratie, des Selbstbehauptungswillens des Rechtsstaates und damit Bestandteil des Sicherheitssystems der Bundesrepublik Deutschland (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 126, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Bei dem Einsatz von V-Leuten durch die Nachrichtendienste, also von Privatpersonen, deren planmäßige, dauerhafte Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten oder Polizeibehörden Dritten nicht bekannt ist (vgl. die Legaldefinitionen in § 9b Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG und § 20g Abs. 2 Nr. 4 BKAG), handelt es sich um eine vom Gesetzgeber gebilligte Methode zur verdeckten Informationsbeschaffung (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG). Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder die Sicherheit und den Bestand des Staates gerichtete Bestrebungen und Aktivitäten meist von Gruppierungen ausgehen, die konspirativ tätig sind, und dass die Nachrichtendienste ihre Aufgaben daher nur effektiv erfüllen können, wenn sie über nachrichtendienstliche Mittel verfügen, wozu auch der Einsatz von V-Leuten gehört (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 21; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 262 ff.). Der Gesetzgeber hat in der Begründung des Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vom 17. November 2015 bekräftigt, dass die planmäßige und systematische Informationsbeschaffung insbesondere durch V-Leute ein unverzichtbares Mittel zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sei (vgl. BTDrucks 18/4654, S. 25). Auch die Strafverfolgungsorgane können zur Bekämpfung besonders gefährlicher Kriminalität auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen sein, wenn sie ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten überhaupt gerecht werden sollen (vgl. BVerfGE 57, 250 <284>; 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>). Oftmals können nur auf diesem Wege interne Informationen über den Aufbau krimineller Organisationen, ihre Führungspersonen, ihre tatsächlichen Ziele sowie die Planung und Durchführung konkreter Maßnahmen gewonnen werden (vgl. BVerfGE 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>).

111

Neben V-Leuten zählen zu den geheimhaltungsbedürftigen Informationsquellen der Nachrichtendienste insbesondere Gewährspersonen (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG), die nur von Fall zu Fall für die Behörden tätig werden, und sonstige Informanten, die gelegentlich Hinweise geben (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 30 f.; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 266 ff.). Außerdem können hauptberufliche Mitarbeiter der Nachrichtendienste unter einer Legende in Organisationen oder Szenen eingeschleust werden, um diese für längere Zeit zu beobachten. Für diese Personen gelten die Ausführungen zu V-Leuten entsprechend. Es bedarf ihres Einsatzes ebenso wie des Einsatzes Verdeckter Ermittler durch die Strafverfolgungsbehörden, wenn und soweit anderenfalls die Wahrnehmung ihres Auftrags gerade im Hinblick auf besonders gefährliche Kriminalitätsfelder erheblich erschwert oder unmöglich gemacht würde (vgl. BVerfGE 129, 208 <256>).

112

b) Der Schutz von Informationsquellen und insbesondere von V-Leuten dient nicht nur den Interessen der betroffenen Personen, sondern hat auch für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste erhebliche Bedeutung.

113

aa) Wird eine V-Person enttarnt, führt dies in aller Regel dazu, dass ein etwaiger aktueller Einsatz nicht fortgeführt werden kann und die V-Person auch für künftige Einsätze nicht mehr zur Verfügung steht. Der dadurch entstehende Informationsverlust kann in der Regel nicht kompensiert werden, weil sich V-Leute nicht beliebig gewinnen lassen und ihre Anwerbung oftmals in einem schwierigen und langwierigen Prozess besteht (vgl. dazu Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 268, 280). Zu berücksichtigen ist, dass Auskünfte der Nachrichtendienste nicht unbedingt nur dann zu dem Verlust einer V-Person führen können, wenn diese enttarnt wird. Es kann bereits ausreichen, dass eine V-Person den subjektiven Eindruck gewinnt, die Vertraulichkeit ihrer Tätigkeit sei nicht hinreichend gesichert (vgl. Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>). Sie wird die Zusammenarbeit dann möglicherweise von sich aus beenden. Darüber hinaus kann die Enttarnung einer V-Person dazu führen, dass die Beobachtung einer bestimmten Gruppierung und die Umstände dieser Maßnahme bekannt werden. Dies wiederum kann zur Folge haben, dass bereits erlangte Informationen ihren Nutzen verlieren und die künftige Informationsgewinnung erschwert wird (so auch BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Gegebenenfalls treten diese Folgen nicht erst mit der Enttarnung der V-Person ein, sondern schon dann, wenn bekannt wird, dass eine V-Person eingesetzt worden ist.

114

bb) Werden quellenbezogene Informationen bekannt, kann die Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste auch über den konkreten Einzelfall hinaus für die Zukunft generell beeinträchtigt werden. Zum einen können Informationen bekannt werden, die für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste von Bedeutung sind. Dies betrifft insbesondere das Vorgehen der Behörden bei der Anwerbung und Führung von sowie der Kommunikation mit V-Leuten und sonstigen Quellen. Das Bekanntwerden derartiger Informationen kann es den zu beobachtenden Gruppierungen ermöglichen, Abwehrstrategien gegen ihre Infiltration und Beobachtung zu entwickeln. Zum anderen ist der Quellenschutz eine Voraussetzung für die weitere Nutzung aktiver und die Gewinnung neuer Informationsquellen (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Von besonderer Bedeutung ist dabei die Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen. Sie ist unverzichtbare Voraussetzung für die Anwerbung und Führung von V-Personen. Die Effektivität der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste unter Einsatz von V-Personen ist davon abhängig, dass das Vertrauen in die Einhaltung gegebener Vertraulichkeitszusagen nicht erschüttert wird. Werden Informationen über V-Leute und sonstige verdeckte Quellen herausgegeben, schwächt dies das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass eine V-Person oder eine sonstige Quelle enttarnt wird (vgl. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 280). Darüber hinaus kann auch in diesem Zusammenhang bereits der (subjektive) Eindruck ausreichen, die Vertraulichkeit sei nicht gesichert, um aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abzuhalten und die Gewinnung neuer Quellen zu erschweren (vgl. Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, S. 387 <391 f.>; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1266>).

115

2. Dem Geheimhaltungsinteresse steht ein gewichtiges Informationsinteresse des Parlaments an der Beantwortung Kleiner Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen und insbesondere von V-Leuten gegenüber.

116

Wie alle anderen Organe der vollziehenden Gewalt unterliegen auch die Nachrichtendienste der Kontrolle durch das Parlament. Der Bundestag ist daher berechtigt und verpflichtet, seine Kontrollaufgaben gegenüber der Regierung im nachrichtendienstlichen Bereich unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente vom Fragerecht des Abgeordneten bis hin zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen wahrzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 149, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Kontrollinstrumente stehen nicht in einem Alternativ- oder Spezialitätsverhältnis zueinander (vgl. § 1 Abs. 2 PKGrG; BTDrucks 8/1599, S. 6).

117

Bezieht sich eine parlamentarische Anfrage auf einen für Staat und Gesellschaft besonders bedeutsamen Bereich, hat die Öffentlichkeit ein gesteigertes Interesse an parlamentarischer Kontrolle. Bei dem Einsatz von V-Leuten zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sowie insbesondere zur Verhinderung und Aufklärung schwerwiegender Straftaten geht es um die Sicherheit des Staates und seiner Bevölkerung. Hierzu kann es erforderlich sein, Personen aus extremistischen oder kriminellen Milieus als V-Leute einzusetzen. Wenn öffentliche Stellen mit einer V-Person kooperiert haben, die im Verdacht steht, erhebliche, gegebenenfalls dem extremistischen Milieu zuzuordnende Straftaten begangen zu haben, ist zu berücksichtigen, dass das parlamentarische Informationsinteresse von besonderem Gewicht ist, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

118

Schließlich kommt der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste angesichts von Art und Umfang der ihnen an die Hand gegebenen nachrichtendienstlichen Mittel und wegen der mit der Anwendung dieser Mittel einhergehenden Schwere von Grundrechtseingriffen, der Unbemerkbarkeit des Handelns dieser Behörden und der fehlenden Transparenz des anschließenden Datenverarbeitungsvorgangs für die Betroffenen (vgl. BVerfGE 100, 313 <361>) eine besondere Aufklärungsfunktion zu (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 151, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

119

3. Wenn verfassungsrechtlich verankerte Geheimhaltungsinteressen und parlamentarische Auskunftsansprüche in Konflikt geraten, müssen die unterschiedlichen Interessen in der Weise in Ausgleich gebracht werden, dass beide soweit wie möglich ihre Wirkung entfalten. Insbesondere soweit Anfragen Umstände betreffen, die aus Gründen des Staatswohls geheimhaltungsbedürftig sind, stellt sich die Frage, ob und auf welche Weise dieses Anliegen mit dem jeweiligen parlamentarischen Informationsanspruch in Einklang gebracht werden kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <189>).

120

a) In Bezug auf die Tätigkeit von Nachrichtendiensten kommt eine grundsätzliche Begrenzung des Informationsanspruchs des Bundestages, wie sie im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Frage- und Informationsrecht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle für Anfragen zu Vorgängen vor Erlass einer positiven Genehmigungsentscheidung im Ansatz vorgenommen wurde (vgl. BVerfGE 137, 185 ff.), nicht in Betracht. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen, zu entsprechenden Voranfragen von Rüstungsunternehmen und zu abschlägig beschiedenen Anträgen können aus Gründen des Staatswohls verweigert werden, weil das vorzeitige Bekanntwerden sensibler Rüstungsexportgeschäfte zu Verwerfungen im Verhältnis zu dem jeweiligen Erwerberland führen, die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung beeinträchtigen und zu Einbußen für die inländische Rüstungsindustrie führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <251 ff. Rn. 173 ff.>).

121

Damit ist die Beantwortung von Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen durch die Nachrichtendienste nicht vergleichbar. Antworten auf solche parlamentarischen Anfragen beeinträchtigen berechtigte Geheimhaltungsinteressen nicht in jedem denkbaren Fall und lassen eine solche Beeinträchtigung auch nicht stets besorgen. Denn aus der Vielfalt der möglichen Sachverhaltskonstellationen folgt, dass weder aus der Beantwortung einzelner Fragen noch aus der Verweigerung einer Antwort zwingend Erkenntnisse über die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gewonnen werden können, die sich nachteilig auf ihre Funktionsfähigkeit auswirken. Die Konstellationen im Bereich ihrer verdeckten Tätigkeit sind derart vielfältig, dass eine Abwägung nicht in jedem Fall zu einem Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses führt.

122

b) Allerdings kann sich die Bundesregierung zur Begründung einer Antwortverweigerung bei Fragen zum Einsatz verdeckt handelnder Personen in der Regel auf entgegenstehende Gründe des Staatswohls und deren Grundrechte berufen, wenn die an sie gerichteten Fragen einen Bezug zu konkreten Personen aufweisen. Insbesondere bei Fragen, die möglicherweise noch aktive V-Leute betreffen oder sich auf aktuelle beziehungsweise noch nicht weit zurückliegende Ereignisse beziehen, ist regelmäßig von der Gefahr einer Enttarnung der V-Leute und damit zugleich von einer Gefährdung ihrer Grundrechte oder der Grundrechte ihnen nahestehender Personen auszugehen. Dies wiederum zieht die Möglichkeit nach sich, dass Rückschlüsse auf die Anwerbung von V-Leuten, die Art und Weise ihres Einsatzes und gegebenenfalls ihre Anzahl, also Erkenntnisse zu der Arbeitsweise der Nachrichtendienste bekannt werden könnten. Diese Risiken dürften regelmäßig auch noch nach der Abschaltung einer verdeckten Quelle fortbestehen. Das berechtigte Interesse an einer Antwortverweigerung besteht in diesen Fällen unabhängig davon, ob eine konkrete Person als V-Person eingesetzt worden ist oder nicht. Anderenfalls könnte aus der Antwortverweigerung in vergleichbaren Fällen im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die dort in Rede stehende Person eine V-Person (gewesen) ist.

123

Eine negative Auskunft zu einer bestimmten Person könnte zudem den Verdacht auf andere Personen lenken oder einen bereits bestehenden Verdacht erhärten und somit diese Personen oder ihr Umfeld gefährden. Aber auch unabhängig von der Gefährdung grundrechtlicher Belange in einem konkreten Einzelfall und ungeachtet des Zeitablaufs kann die Enttarnung von verdeckt handelnden Personen eine Gefährdung der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden darstellen, da durch die Herausgabe von Informationen über V-Leute oder sonstige verdeckte Quellen das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen geschwächt und damit noch aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abgehalten und die Gewinnung neuer Quellen erschwert werden können. Solche nachteiligen Auswirkungen müssen von der Bundesregierung nicht ohne weiteres in Kauf genommen werden - ebenso wenig wie die Gefährdung der Grundrechte von V-Leuten oder ihnen nahestehender Personen.

124

Selbst bei Fragen zum Einsatz konkreter Personen als V-Leute sind jedoch eng begrenzte Ausnahmefälle denkbar, in denen das parlamentarische Informationsinteresse überwiegt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn aufgrund besonderer Umstände eine Gefährdung grundrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint und eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht ernsthaft zu befürchten ist. Bei dieser Abwägung ist der Zeitablauf ein bedeutsamer - wenn auch nicht allein ausschlaggebender - Faktor. So kann sich im Einzelfall bei weit zurückliegenden Vorgängen die Geheimhaltungsbedürftigkeit erheblich vermindert oder erledigt haben (vgl. BVerfGE 124, 161 <194>).

125

c) Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Beantwortung bestimmter Fragen nicht in Betracht kommt, ist sie gehalten zu prüfen, ob eine Beantwortung unter Einstufung nach der Geheimschutzordnung möglich ist. Aus dieser Möglichkeit folgt jedoch nicht, dass jede Anfrage nach Vornahme einer entsprechenden Einstufung beantwortet werden muss. Gerade im Bereich verdeckt handelnder Personen, deren Einsatz für das Staatswohl von großer Bedeutung und zugleich in hohem Maße geheimhaltungsbedürftig ist, besteht hinsichtlich bestimmter Informationen ein legitimes Interesse, den Kreis der Geheimnisträger auf das notwendige Minimum zu beschränken. Je größer dieser Kreis ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Geheimnisse - sei es absichtlich oder versehentlich - weitergegeben oder ausgespäht werden (vgl. BVerfGE 70, 324 <364>). Besonders geheimhaltungsbedürftige Informationen aus dem Bereich des Quellenschutzes können dem Parlament daher auch dann vorenthalten werden, wenn beiderseits Vorkehrungen gegen ihr Bekanntwerden getroffen worden sind. Einfachrechtlich hat der Gesetzgeber dies in § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG anerkannt, wonach selbst dem zur Geheimhaltung verpflichteten Parlamentarischen Kontrollgremium bestimmte Informationen vorenthalten werden können. Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass das Staatswohl und der Grundrechtsschutz auch dem Parlament anvertraut sind und dieses insoweit nicht als außenstehend behandelt werden darf. Es geht allein darum, den Kreis der Geheimnisträger bei besonders geheimhaltungsbedürftigen Informationen unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Staatsgewalt möglichst klein zu halten. Dementsprechend beschränkt sich der Kreis der Geheimnisträger gerade im Bereich des Einsatzes verdeckt handelnder Personen auch innerhalb der Exekutive auf nur wenige Personen.

III.

126

Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (1.) und - jedenfalls teilweise - bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (2.) verkannt und hierdurch Rechte der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sowie des Deutschen Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.

127

Die Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen fällt in den Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin. Sie zielen auf Erkenntnisse der Antragsgegnerin selbst oder der ihr nachgeordneten Behörden. Im Übrigen hat sich die Antragsgegnerin - auch hinsichtlich der Fragen nach Informationen der Landesämter für Verfassungsschutz - nicht auf eine fehlende Zuständigkeit berufen. Als Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs kommen vorliegend nur das Staatswohl und die Grundrechte in Betracht.

128

1. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht genügt. Sie hat keine Gründe vorgebracht, die eine Auskunftsverweigerung aufgrund von Staatswohlbelangen rechtfertigen würden (a)), und ihren Ausführungen lässt sich nicht nachvollziehbar entnehmen, dass Grundrechte Lembkes oder Dritter gefährdet werden könnten (b)).

129

a) Die begehrte Information, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann gewesen sei, ist von dem parlamentarischen Auskunftsrecht grundsätzlich umfasst. Die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung rechtfertigt nicht die Verweigerung der Antwort.

130

Die Antragsgegnerin vertritt in ihrer ablehnenden Entscheidung die Auffassung, dass das Bekanntwerden des Namens einer V-Person Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste zuließe. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Quellen der Nachrichtendienste bekannt würden, was zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit führe. Eine solchermaßen abstrakt gehaltene Begründung mag im Regelfall ausreichen. Die Antragsgegnerin muss Fragen zum Einsatz bestimmter Personen als V-Leute durch die Nachrichtendienste aufgrund entgegenstehender Staatswohlbelange und Grundrechte grundsätzlich nicht beantworten. Jedoch handelt es sich hier um einen besonders gelagerten Ausnahmefall.

131

Dem parlamentarischen Informations- und Kontrollinteresse kommt besondere Bedeutung zu, weil es der Antragstellerin zu 1. im Zuge einer anstehenden Neuregelung des Einsatzes von V-Leuten darum ging festzustellen, ob es - auch in der Vergangenheit - zu einer Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten gekommen ist. Bei Heinz Lembke handelte es sich um eine Person, der erhebliche Straftaten im rechtsextremistischen Milieu vorgeworfen wurden. Insofern hatte die Antragstellerin zu 1. ein nachvollziehbares Interesse, auch mit Blick auf eine mögliche Verbindung von V-Leuten zu den Aktivitäten des NSU Verdachtsmomenten nachzugehen, wonach bereits im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten zur Verhinderung oder Aufklärung des Anschlags genutzt worden seien. Damit verfolgte die Antragstellerin zu 1. das Ziel, mögliche Rechtsverstöße oder Missstände beim Einsatz von V-Leuten mit Blick auf zukünftige gesetzliche Regelungen aufzuklären, was ihrem Informationsinteresse ein besonders hohes Gewicht verleiht.

132

Demgegenüber vermögen die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe für die Antwortverweigerungangesichts der besonderen Umstände des Falles nicht zu überzeugen. Ein aktueller oder künftiger Einsatz Lembkes als V-Person kommt offensichtlich nicht mehr in Betracht. Aus der Begründung der Antragsgegnerin ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl laufende oder künftige Aufklärungseinsätze oder Ermittlungen gefährdet werden könnten. Dies gilt selbst dann, wenn man unterstellt, dass Personen aus Lembkes damaligem Umfeld auch heute noch im Fokus der Nachrichtendienste stehen. Zu denken wäre hier etwa an Karl-Heinz Hoffmann. Dass die Wehrsportgruppe Hoffmann von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet wurde, lässt sich den veröffentlichten Berichten des Bundesamts für Verfassungsschutz entnehmen. Dass aktuelle Einsätze der Nachrichtendienste erschwert werden könnten, wenn den betroffenen Personen darüber hinaus bekannt würde, dass der 1981 verstorbene Heinz Lembke ein V-Mann war, ist weder plausibel begründet worden noch sonst ersichtlich.

133

Soweit die Antragsgegnerin nach Einleitung des Organstreitverfahrens vorgetragen hat, dass die Beantwortung der Frage 2 a) mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht gehört werden. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der nicht näher ausgeführte Vortrag, dass eine Antwort auf die Frage etwaigen Tatbeteiligten ermögliche, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren oder andere Verdunklungsmaßnahmen zu ergreifen, zur Begründung der Antwortverweigerung ausreichen würde. Dies kann jedoch dahinstehen, weil die Antragsgegnerin die Ablehnung der Beantwortung dieser Frage nicht hierauf gestützt, sondern erstmals in ihrer Antragserwiderung auf das Ermittlungsverfahren Bezug genommen hat. Dabei handelt es sich um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen.

134

Ferner ist nicht plausibel begründet, weshalb die Antragsgegnerin in diesem Fall von einer Beeinträchtigung der allgemeinen Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste ausgeht. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann war, Rückschlüsse auf die derzeitige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen sollte. Zum einen würden keine Einzelheiten des damaligen Verhältnisses der Behörden zu Lembke bekannt. Dies gilt etwa für den Zeitpunkt und die Umstände seiner Anwerbung oder die Art und Weise der Führung von V-Personen. Zum anderen läge eine etwaige V-Mann-Tätigkeit Lembkes bereits so lange zurück, dass sich keine konkreten Rückschlüsse auf die heutige Vorgehensweise der Behörden ziehen lassen dürften. Dies gilt auch, soweit die Antragsgegnerin vorträgt, eine Antwort müsse wegen drohender Konsequenzen für die Arbeit der betreffenden Landesbehörden unterbleiben. Auch insoweit hat die Antragsgegnerin nicht dargetan, welche negativen Auswirkungen auf die Arbeit der Landesbehörden sie vor dem Hintergrund des erheblichen Zeitablaufs von über 30 Jahren befürchtet.

135

Zudem ist nicht hinreichend dargelegt, warum die ausnahmsweise Nichteinhaltung der gegebenen Vertraulichkeitszusage gegenüber Lembke Rückwirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste haben könnte. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles, nämlich der durch Lembke mutmaßlich begangenen erheblichen Straftaten und seines Todes vor über 30 Jahren, hätte es konkreter Ausführungen bedurft, warum sich aktuelle oder potentielle V-Leute hiervon bei ihrer Entscheidung, als V-Person tätig zu werden, maßgeblich beeinflussen lassen könnten. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Bereitschaft aktueller oder potentieller V-Leute zur Zusammenarbeit mit den Behörden entscheidend davon abhängt, ob die Vertraulichkeit auch Jahrzehnte nach ihrem Ableben noch gesichert erscheint. Dies gilt umso mehr, als die Vertraulichkeit grundsätzlich auch nach einem derart langen Zeitablauf gewahrt und nur ausnahmsweise bei Vorliegen gewichtiger Gründe aufgehoben werden kann, die das Geheimhaltungsinteresse im Einzelfall überwiegen.

136

b) Die Antragsgegnerin hat auch keine Gründe vorgebracht, die eine Verweigerung der Antwort auf die Frage 2 a) aus Gründen des Grundrechtsschutzes rechtfertigen.

137

Mit Blick auf Lembke ist eine Gefährdung der in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG genannten Rechtsgüter ausgeschlossen, weil er bereits 1981 verstorben ist. Der postmortale Persönlichkeitsschutz aus Art. 1 Abs. 1 GG steht der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft Lembkes ebenfalls nicht entgegen. Unabhängig davon, wie die Antwort auf die Frage ausfällt, ist mit ihr keine Erniedrigung oder Herabwürdigung der Person Lembkes verbunden. Ob der grundrechtliche Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes oder zumindest dessen objektiv-rechtlicher Gehalt einer Antwort nach dem Tod Lembkes überhaupt entgegenstehen kann, kann offenbleiben. Jedenfalls müsste ein sich daraus ergebendes Geheimhaltungsinteresse vor dem Hintergrund des Zeitablaufs von über 30 Jahren hinter dem besonders gewichtigen Informations- und Kontrollinteresse der Antragstellerin zu 1. und des Bundestages zurückstehen. Außerdem hat sich die Antragsgegnerin bei der Begründung ihrer Antwortverweigerung mit Blick auf den Grundrechtsschutz lediglich auf Art. 2 Abs. 2 GG gestützt, so dass im Übrigen ein unzulässiges Nachschieben von Gründen vorliegt.

138

Auf die Möglichkeit der Gefährdung von Grundrechten Lembke nahestehender Personen hat sich die Antragsgegnerin ebenfalls erst nach Einleitung des Organstreitverfahrens berufen. Zudem ist das Vorliegen einer derartigen Gefahr im konkreten Fall nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Vielmehr erscheint es angesichts des Zeitablaufs und der Auflösung der Wehrsportgruppe Hoffmann sehr unwahrscheinlich, dass Angehörige von Lembke oder sonstige ihm nahestehende Personen gefährdet wären, wenn bekannt würde, dass er ein V-Mann war. Für die Annahme, dass Personen aus dem damaligen Umfeld Lembkes aus der Antwort der Antragsgegnerin Rückschlüsse auf eine etwaige V-Person-Tätigkeitanderer Personen ziehen könnten, liegen ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte vor. Allein die niemals vollständig auszuschließende, im vorliegenden Fall aber fernliegende Möglichkeit derartiger Rückschlüsse genügt für eine Antwortverweigerung nicht.

139

2. Die Antragsgegnerin hat auch ihrer Antwortpflicht hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 nur teilweise genügt. Während die Begründung die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 nicht trägt (a)), war die Antwortverweigerung hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 teilweise gerechtfertigt (b)).

140

Soweit die Antragsgegnerin eine Beantwortung der Fragen abgelehnt hat, hat sie dies im Wesentlichen aus denselben Gründen getan wie bei der Ablehnung einer Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Zum einen hat sie darauf verwiesen, dass anderenfalls Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden könnten. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre. Zum anderen müssten Leben und körperliche Unversehrtheit etwaiger V-Leute geschützt werden.

141

a) Bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar dargelegt, inwieweit das Staatswohl (aa)) oder die Grundrechte etwaiger V-Leute oder Dritter (bb)) durch eine vollständige Beantwortung gefährdet sein sollen. Sie hat die Fragen 14 bis 16 zusammenfassend dahingehend beantwortet, dass ihr zum Oktoberfestattentat aus den Jahren 1980 bis 1985 fünf Quellenmeldungen vorlägen. Hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin die Auskunft erteilt, in die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" hätten 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang gefunden. Eine Aufschlüsselung dieser Meldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden (Bundesamt für Verfassungsschutz, Landesämter für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst) hat die Antragsgegnerin sowohl hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 als auch hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 verweigert.

142

aa) Der Begründung der Antragsgegnerin lässt sich nicht entnehmen, weshalb sich aus der erbetenen Aufschlüsselungrelevante Erkenntnisse über die Identität von V-Leuten oder die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ergeben könnten. Dies erscheint vielmehr gleich aus mehreren Gründen fernliegend. Es lässt sich nicht nachvollziehen, wie sich aus einer nach Jahren und Ursprungsbehörden aufgeschlüsselten Angabe der Zahl der Quellenmeldungen Rückschlüsse auf die Identität einzelner V-Personen ziehen lassen sollen. Insbesondere ist nicht nach Meldungen von V-Leuten, sondern allgemein nach Meldungen von Quellen gefragt worden. Hierzu zählen auch Meldungen von Gewährsleuten oder sonstigen Informanten. Darüber hinaus ist nicht danach gefragt worden, in welcher Beziehung die Quellen zu bestimmten Gruppierungen - insbesondere der Wehrsportgruppe Hoffmann - standen. Bei einer vollständigen Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 würden somit weder Erkenntnisse zur Zusammenarbeit einer Quelle mit einer bestimmten Behörde noch zu ihrer Verbindung zu einer bestimmten Gruppierung offenbart werden. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass nicht nach der Anzahl der Quellen, sondern nach der Anzahl der Quellenmeldungen gefragt worden ist. Aus der Anzahl der Quellenmeldungen lassen sich keine belastbaren Rückschlüsse auf die Zahl der von einer Behörde geführten Quellen ziehen. Dies gilt selbst dann, wenn eine Behörde in einem Jahr nur eine einzige oder gar keine Quellenmeldung im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat oder der Wehrsportgruppe Hoffmann erhalten haben sollte. Hinzu kommt, dass im Rahmen der Fragen 15 und 20 (Anzahl der Meldungen von Quellen der Landesämter für Verfassungsschutz) keine Differenzierung nach Ländern erbeten worden ist, aus der sich möglicherweise Anhaltspunkte bezüglich der Herkunft der Quelle ergeben könnten; es ist lediglich um Mitteilung der Gesamtzahl der Quellenmeldungen von allen Landesämtern gebeten worden.

143

Dass eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen und dadurch deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigen könnte, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Dass Nachrichtendienste Informationen aus vertraulichen Quellen erlangen, ist allgemein bekannt. Aus den nach Jahren und Behörden aufgeschlüsselten Zahlen der Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat oder zur Wehrsportgruppe Hoffmann lassen sich allenfalls gewisse Rückschlüsse auf den Umfang der Beobachtung von Personen und Gruppierungen ziehen, die möglicherweise in irgendeinem Zusammenhang zum Oktoberfestattentat standen. Zu der Art und Weise, wie die Quellen damals geführt wurden, ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte. Erst recht lassen sich keine Rückschlüsse auf den heutigen Einsatz von Quellen ziehen.

144

bb) Die Begründung der Antragsgegnerin rechtfertigt auch keine Verweigerung der begehrten Aufschlüsselung zum Schutz der Grundrechte. Da die begehrten Informationen aus den genannten Gründen keinen hinreichend konkreten Bezug zu verdeckt tätigen Personen aufweisen, ist nicht zu besorgen, dass grundrechtlich geschützte Rechtsgüter etwaiger V-Leute oder Dritter gefährdet werden könnten.

145

b) Hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31, die auslegungsbedürftig sind (aa)), ist zu differenzieren. Soweit nach dem "Ob" des Einsatzes von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute gefragt wurde, werden die Antworten der Antragsgegnerin - mit Ausnahme der Fragen 24 und 25 zum Bundesnachrichtendienst - den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht (bb)). Die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute hält der verfassungsgerichtlichen Prüfung ebenfalls nur teilweise stand (cc)).

146

aa) Die Fragen 23, 25, 29 und 31 beziehen sich bei wörtlichem Verständnis auf die Tätigkeit von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat. Dieses fand am 26. September 1980 statt, die Wehrsportgruppe Hoffmann wurde jedoch schon am 30. Januar 1980 mit sofortiger Wirkung verboten und aufgelöst. Bereits etwa acht Monate vor dem Oktoberfestattentat gab es daher "Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann" im eigentlichen Sinne nicht mehr.

147

Die Fragen 23, 25, 29 und 31 sind jedoch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie gestellt wurden (vgl. BVerfGE 110, 199 <213>; 137, 185 <229 Rn. 124>), dahingehend auszulegen, dass um Auskunft gebeten wird, ob ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute tätig waren. Da die Fragen nur bei diesem Verständnis sinnvoll sind, hatte die Antragsgegnerin eine solche Auslegung vorzunehmen. Dabei hatte die Antragsgegnerin außerdem zu berücksichtigen, dass die Fragen nicht den Einsatz von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann in dem Zeitraum nach dem Oktoberfestattentat bis heute erfassen sollen. Vielmehr erlaubt eine Gesamtwürdigung des Begehrens der Antragstellerinnen nur ein Verständnis, wonach die Fragen auf den Einsatz ehemaliger Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann zeitnah zu dem Attentat gerichtet sind.

148

bb) Die Beantwortung der Fragen, ob unter den Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, hat die Antragsgegnerin aus Gründen des Staatswohls und des Grundrechtsschutzes abgelehnt. Insoweit genügen ihre Antworten den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil der abstrakte Verweis darauf, Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste könnten bekannt und Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten gefährdet werden, nicht ausreicht, um das Informationsinteresse des Parlaments einzuschränken ((1)). Die Verweigerung der Antworten auf die Fragen 24 und 25 zu einer Tätigkeit für den Bundesnachrichtendienst ist demgegenüber gerechtfertigt ((2)).

149

(1) Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, das Staatswohl könnte dadurch beeinträchtigt werden, dass durch eine Beantwortung der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann Rückschlüsse auf die aktuelle Arbeitsweise und die Organisation der Nachrichtendienste ermöglicht werden könnten, erscheint dies nicht nachvollziehbar. Der Umstand, dass Nachrichtendienste damals wie heute V-Leute einsetzen, ist allgemein bekannt. Welche darüber hinausgehenden Rückschlüsse die Antragsgegnerin für möglich hält, legt sie nicht plausibel dar.

150

Die abstrakt gehaltene Begründung der Antragsgegnerin, eine Beeinträchtigung des Staatswohls könne dadurch erfolgen, dass eine Auskunft, wonach unter den (ehemaligen) Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann eine oder mehrere V-Personen waren, zusammen mit entsprechendem Zusatzwissen zu einer Enttarnung führen könne, lässt sich zwar nicht vollständig von der Hand weisen. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Personen enttarnt werden könnten, aufgrund der hier gegebenen Umstände so gering, dass sie eine Einschränkung des parlamentarischen Informationsrechts nicht mehr zu rechtfertigen vermag. Die Wehrsportgruppe Hoffmann hatte zum Zeitpunkt ihrer Auflösung etwa 400 Mitglieder. Zwar war sie in lokale Untergruppen aufgeteilt. Selbst bei einer Bestätigung, dass (ehemalige) Mitglieder V-Leute waren, wäre noch keine Aussage über deren Zuordnung zu einer lokalen Untergruppe getroffen. Mitglieder der Wehrsportgruppe könnten sich - sollten sie den Verdacht gehabt haben, es seien V-Leute unter ihnen - lediglich bestätigt fühlen. Rückschlüsse auf einzelne Personen wären nicht möglich.

151

Auch die Gefahr einer Verunsicherung unter aktuellen oder potentiellen V-Leuten, die zu einer Erschwernis der Anwerbung und Führung von V-Leuten führen könnte, dürfte angesichts des Umstands, dass der Einsatz von V-Leuten in rechtsextremen Milieus allgemein bekannt ist, äußerst gering sein. Hinzu kommt, dass im Falle einer Verneinung der Fragen danach, ob die Antragsgegnerin den Einsatz von V-Leuten bei den Verfassungsschutzämtern ausschließen (Fragen 22 und 23) beziehungsweise "nach ihrer Kenntnis ausschließen" (Fragen 28 und 29) kann, nicht einmal eine sichere Bestätigung des Vorhandenseins von V-Leuten erlangt werden könnte. Dies gilt insbesondere, soweit sich die Fragen auf die Landesämter für Verfassungsschutzbeziehen. Aus der Mitteilung, die Antragsgegnerin könne nach ihrer Kenntnis nicht ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für ein Landesamt tätig waren, lässt sich nicht ohne weiteres der Schluss ziehen, dass es bei den Landesämtern solche V-Leute gab.

152

Soweit die Antragsgegnerin erstmals in ihrer Antragserwiderung vorgetragen hat, dass eine Beantwortung der Fragen auch mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht durchdringen. Insoweit kann auf die Ausführungen zu Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwiesen werden.

153

Mit Blick auf den Grundrechtsschutzkönnen Gefahren für Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Auch diesbezüglich ist aber zu berücksichtigen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Enttarnung von V-Leuten aufgrund der bloßen Auskunft darüber, ob (ehemalige) Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, sehr gering ist. Zwar erscheint es möglich, dass sich etwaige ehemalige V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann auch heute noch in einem gewaltbereiten rechtsextremen Umfeld bewegen und daher in besonderer Weise Gefahren ausgesetzt sind. Zumindest ein Teil der Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe - insbesondere auch Karl-Heinz Hoffmann selbst - hat sich von dem Gedankengut der Gruppe bis heute nicht gelöst und verfolgt weiterhin aktiv die öffentliche Diskussion über die damaligen Ereignisse. Dass sich die Gefahr für solche V-Leute durch eine bloße Bejahung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten aus der Wehrsportgruppe Hoffmann merklich erhöht, ist vor dem Hintergrund, dass der Einsatz von V-Leuten in diesen Milieus allgemein bekannt ist, aber sehr unwahrscheinlich.

154

(2) Etwas anderes gilt hinsichtlich der Fragen 24 und 25, die sich auf den Bundesnachrichtendienst beziehen. Die Gefahr einer Enttarnung vom Bundesnachrichtendienst möglicherweise eingesetzter V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann wäre schon dann erheblich, wenn die Antragsgegnerin ihre bloße Existenz bestätigte.

155

Angesichts der Zuständigkeit des Bundesnachrichtendienstes für die Gewinnung von Auslandserkenntnissen (vgl. § 1 Abs. 2 BNDG) kommen als etwaige V-Leute dieser Behörde insbesondere die Mitglieder der damals im Libanon operierenden "Wehrsportgruppe Ausland" in Betracht. Diese Nachfolgeorganisation der Wehrsportgruppe Hoffmann, der auch Hoffmann selbst angehörte, hatte nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes nur noch 15 Mitglieder. In Anbetracht dieser geringen Zahl würde die Gefahr einer Enttarnung bei einer positiven Beantwortung erheblich steigen. Daher durfte die Antragsgegnerin die Antwort auf diese Fragen verweigern. Angesichts der erheblichen Gefahr einer Enttarnung hätte die Auskunft auch nicht nach Maßgabe der Geheimschutzordnung erteilt werden müssen. Denn dabei wäre wegen der großen Anzahl der Geheimnisträger die Wahrscheinlichkeit erhöht worden, dass die mitgeteilten Informationen weitergegeben oder ausgespäht worden wären. Dieses Risiko musste die Antragsgegnerin wegen der Gefahren für das Staatswohl und die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter etwaiger V-Leute nicht in Kauf nehmen.

156

cc) Soweit mit den Fragen 23 und 28 bis 31 über das "Ob" hinausgehende Auskünfte zum Einsatz von V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann beziehungsweise von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe begehrt wurden, rechtfertigt die Begründung der Antragsgegnerin eine Antwortverweigerung nur teilweise. Auskünfte dazu, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat für das Bundesamt für Verfassungsschutz (Frage 23) sowie vor und nach dem Attentat für Landesämter für Verfassungsschutz (Fragen 30 und 31) tätig waren, durften mit der gegebenen Begründung nicht verweigert werden ((1)). Eine Antwort auf die Fragen, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe vor und nach dem Attentat für welches Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren (Fragen 28 und 29), hat die Antragsgegnerin dagegen zu Recht verweigert ((2)).

157

(1) Die Beantwortung der Fragen zu der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute im Bundesamt für Verfassungsschutz einerseits (Frage 23) und in den Landesämtern für Verfassungsschutz andererseits (Fragen 30 und 31) darf mit Blick auf die Bedeutung des parlamentarischen Informationsrechts aus den von der Antragsgegnerin genannten Gründen nicht verweigert werden. Zwar wird die Gefahr der Enttarnung von V-Personen umso größer, je mehr Details über ihren Einsatz mitgeteilt werden. Daher erhöht sich die Gefahr einer Enttarnung auch durch die Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute. Die Information, wie viele V-Leute eingesetzt waren, unterscheidet sich qualitativ von der bloßen Bestätigung eines mutmaßlich bereits bestehenden Verdachts der Öffentlichkeit, dass V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann eingesetzt waren. Die Anzahl von V-Leuten ist eine Information, die der Öffentlichkeit nicht bekannt sein kann. Jedoch erscheint es kaum möglich, allein aufgrund der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute aus der Wehrsportgruppe beim Bundesamt für Verfassungsschutz und beiden Landesämtern für Verfassungsschutz nach über 30 Jahren Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise dieser Behörden und die Identität einzelner V-Personen zu ziehen.

158

(2) Die Grenze der Geheimhaltungsbedürftigkeit wird jedoch durch die Fragen danach, wie viele V-Leute für welches Landesamt für Verfassungsschutztätig waren (Fragen 28 und 29), überschritten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe gelingen könnte, etwaige V-Leute zu enttarnen, steigt schon an, wenn deren genaue Anzahl bekannt wird. Dies gilt in verstärktem Maße, wenn bei den ehemaligen V-Leuten der Landesämter für Verfassungsschutz zusätzlich bekannt würde, für welches Landesamt sie tätig waren. Diese Information könnte eine Eingrenzung der damaligen Wohnorte etwaiger V-Leute oder ihre Zuordnung zu einzelnen Ortsgruppen der Wehrsportgruppe ermöglichen.

159

Vor diesem Hintergrund ist eine Beeinträchtigung von Belangen des Staatswohls in Gestalt der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht von der Hand zu weisen. Da möglicherweise noch immer aktive, zumindest aber noch lebende V-Leute enttarnt werden könnten, überwiegt das Geheimhaltungsinteresse. Würden ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe als V-Leute enttarnt, könnten diese künftig nicht mehr als solche eingesetzt werden. Dass damalige V-Leute heute noch für die Behörden tätig sind, ist angesichts des Zeitablaufs zwar nicht besonders wahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen. Es erscheint jedenfalls möglich, dass diese Personen noch immer in der rechtsextremen Szene aktiv und weiterhin zur Kooperation mit den Behörden bereit sind. Unabhängig davon, ob es zu einer Enttarnung kommt, könnte die Mitteilung der abgefragten Informationen das Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen schwächen und aktuelle oder potentielle V-Leute verunsichern. Auch die bereits erörterten Bedenken hinsichtlich des Grundrechtsschutzes kommen mit Blick auf die erbetenen Zusatzinformationen in verstärktem Maße zum Tragen.

160

Die Antragsgegnerin durfte daher entsprechende Auskünfte unter Berufung auf das Staatswohl und den Schutz der Grundrechte etwaiger V-Leute verweigern. Sie musste die Auskünfte auch nicht unter Anwendung der Geheimschutzordnung erteilen, weil die Wahrscheinlichkeit einer unerlaubten Informationsweitergabe steigt, je größer die Zahl der Geheimnisträger ist. Dieses Risiko muss aufgrund der möglichen Enttarnung von V-Leuten, der damit einhergehenden Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte dieser Personen nicht in Kauf genommen werden.

D.

161

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), sind hier nicht ersichtlich.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat

a) die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3117) sowie

b) die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 23 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3810)

nach Maßgabe der Gründe in ihren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.

2. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragstellerinnen sind Fraktionen des Deutschen Bundestages. Sie machen die unvollständige Beantwortung zweier Kleiner Anfragen der Antragstellerinnen zu Erkenntnissen der Nachrichtendienste über das Attentat auf das Münchner Oktoberfest am 26. September 1980 und einer diesbezüglich möglichen Verstrickung von Vertrauensleuten (im Folgenden: V-Leute) dieser Behörden geltend.

I.

2

1. Am 26. September 1980 um 22.20 Uhr explodierte am Haupteingang des Münchner Oktoberfests ein Sprengsatz. Neben dem Attentäter, dem 21 Jahre alten Gundolf Köhler aus Donaueschingen, starben 12 Personen im Alter zwischen 11 und 52 Jahren; 211 Menschen wurden verletzt. Das Oktoberfestattentat gilt als der schwerste rechtsterroristische Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Der Generalbundesanwalt schloss die Ermittlungen zu dem Attentat mit einem Schlussbericht vom 23. November 1982 ab. Darin hieß es, für eine Tatbeteiligung Dritter sprächen unterschiedliche Beweiserkenntnisse, die einen abschließenden Nachweis der Tatbeteiligung anderer Personen jedoch nicht zuließen. Hinweise darauf, dass Köhler nicht als Alleintäter gehandelt hatte, ergaben sich insbesondere aus den Aussagen zweier Zeugen.

3

2. Ungeklärt blieb nach Abschluss der Ermittlungen die Rolle des 1937 geborenen Karl-Heinz Hoffmann, des Gründers der so genannten "Wehrsportgruppe Hoffmann". Der von Hoffmann im Jahr 1973 ins Leben gerufene, nach militärischen Gesichtspunkten organisierte Verband wurde seit seiner Gründung vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Bei Hoffmann wurde im Rahmen einer bereits vor dem Attentat durchgeführten Durchsuchung Material sichergestellt, aus dem sich ergab, dass der Attentäter Köhler im Februar 1976 im Briefwechsel mit Hoffmann gestanden hatte; er soll auch an zwei Übungen der Wehrsportgruppe teilgenommen haben (vgl. Fromm, Die "Wehrsportgruppe Hoffmann": Darstellung, Analyse und Einordnung, 1998, S. 331 f.; Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 37).

4

Die Wehrsportgruppe hatte bis zu ihrem Verbot im Jahr 1980 circa 400 Mitglieder. In der Verbotsverfügung vom 16. Januar 1980 wurde die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 6), weshalb sich die Gruppierung nach dem Verbot auflöste. Sie wurde verboten, weil ihre Organisation und ihre Tätigkeit der allmählichen Herbeiführung einer neuen staatlichen Ordnung unter gleichzeitiger Aushöhlung der verfassungsmäßigen Ordnung dienten (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 100 ff.). Fünfzehn ehemalige Mitglieder schlossen sich nach dem Verbot als "Wehrsportgruppe Ausland" im Libanon zusammen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellte in dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1981 fest, es seien durch die "Wehrsportgruppe Ausland" Anschläge auf Personen und Einrichtungen im Bundesgebiet geplant und zum Teil bereits vorbereitet worden (vgl. Verfassungsschutzbericht 1981, S. 27 f.).

5

3. Auch der Name Heinz Lembke tauchte im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wiederholt auf. Er war "Milizionär" und "Wehrsportler" und nahm bis 1978 regelmäßig an Übungen der Reservistenkameradschaft der "Deutschen Aktionsgruppen" teil. Bei einer im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens am 29. September 1980 durchgeführten Durchsuchung seines Hauses konnten die Ermittler neben ein wenig Zündschnur und einem Gewehrmagazin zunächst weder Sprengstoff noch Waffen sicherstellen. Jedoch stieß ein Waldarbeiter am 26. Oktober 1981 in der Nähe des Hauses von Lembke auf wasserdicht verpackte Kisten mit Gewehrmunition, Sprengstoff und Sprengmitteln. Im Laufe der Ermittlungen konnten in weiteren nahezu 30 Depots Waffen sichergestellt werden. Lembke erhängte sich am 1. November 1981 in der Untersuchungshaft und soll folgende schriftliche Mitteilung hinterlassen haben: "Genossen! Ihr wisst, weshalb ich nicht mehr leben darf. Wolfszeit! Heil Euch, Heinz Hermann Ernst Lembke" (vgl. Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 217).

6

4. Im Dezember 2014 teilte der Generalbundesanwalt mit, er habe die Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wieder aufgenommen, Anlass dafür seien Angaben einer bis dahin unbekannten Zeugin.

II.

7

1. Am 8. Oktober 2014 richteten die Antragstellerin zu 1. und verschiedene Mitglieder des Bundestages eine Kleine Anfrage unter der Überschrift "Oktoberfest-Attentat - Wiederaufnahme der Ermittlungen zu Nazi-Hintermännern" an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3117).

8

a) Die Kleine Anfrage leiteten sie mit dem Hinweis darauf ein, dass noch immer gewichtige Zweifel am Ermittlungsergebnis bestünden, wonach Gundolf Köhler die Tat allein geplant und ausgeführt habe. Der Münchner Stadtrat und der Bayerische Landtag hätten bereits 2011 gefordert, der Generalbundesanwalt solle die Ermittlungen wieder aufnehmen. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 enthielt insbesondere Fragen zu dem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts und zu einem etwaigen Einsatz von Heinz Lembke als V-Mann einer Sicherheitsbehörde des Bundes oder eines Landes.

9

Die Frage 2 a)

"War Lembke ein V-Mann einer (gegebenenfalls welcher) Sicherheitsbehörde des Bundes oder - nach Kenntnis der Bundesregierung - eines Landes?"

wurde von der Antragsgegnerin nicht beantwortet. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) begründete die Antragsgegnerin die Verweigerung der Beantwortung dieser Frage wie folgt:

"Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann.

Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags Informationen und werten diese aus. Die Führung von V-Leuten gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Verfassungsschutzbehörden und dem Bundesnachrichtendienst zur Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu oder Namen einzelner V-Leute bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienstegezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellender Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich V-Leute regelmäßig in einem ex-tremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von V-Leuten ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn die betreffende Person kein V-Mann ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines V-Leute-Einsatzes geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der V-Leute folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann."

10

b) Mit Schreiben vom 3. März 2015 wandte sich MdB Britta Haßelmann in ihrer Funktion als Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 1. an den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz und bat erneut darum, die Frage 2 a) der Kleinen Anfrage zu beantworten. Die zur Verweigerung von der Antragsgegnerin genannten Gründe überzeugten nicht. Sie liefen darauf hinaus, immer und ausnahmslos jedwede Information über die Tätigkeit von V-Leuten zu verweigern. Dies sei nicht akzeptabel, weil eine gesetzliche Regulierung des Einsatzes von V-Leuten anstehe, wobei die Ursache für die rechtspolitische Diskussion auch die mögliche Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten sei. In der konkreten Frage gehe es um einen solchen Fall. Zudem sei dieser Fall ein historischer, in dem eine konkrete Beeinträchtigung der Arbeit der Sicherheitsbehörden nicht eintreten könne. Insgesamt sei die Antwortverweigerung daher eklatant unverhältnismäßig.

11

In seinem Antwortschreiben vom 7. April 2015 teilte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Christian Lange mit, aufgrund der Nachfrage habe die Antragsgegnerin die zu der Frage 2 a) beschriebene Abwägung noch einmal vorgenommen. Sie sei jedoch nach wie vor der Auffassung, dass Fragen zur Art und Weise der Quellenführung sowie zur V-Leute-Eigenschaft von Personen - auch wenn es sich um zeitlich weit zurückliegende Vorgänge handele - zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht beantwortet werden könnten. Sowohl die Werbung als auch die Führung von V-Leuten seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden zentrale Bedeutung zukomme. Eine besondere Geheimhaltung müsse deshalb auch dann gelten, wenn eine Person nicht als V-Person tätig gewesen sei oder der Vorgang zeitlich weit zurückliege. In diesen Fällen sei das Staatswohl ebenfalls betroffen, da auch hier - gegebenenfalls im Wege eines Umkehrschlusses aus einer Antwortverweigerung oder in der Gesamtschau der Antworten der Bundesregierung auf andere parlamentarische Anfragen - Rückschlüsse auf die Arbeitsweisen, Strategien und Methoden der Nachrichtendienste für die Gegenwart gezogen werden könnten und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt werden könne. Die in der Vergangenheit erfolgte Enttarnung von V-Leuten habe bereits dazu geführt, dass die Anwerbung von V-Leuten in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten und damit einhergehenden Informationsdefiziten verbunden sei. Zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Bundesamts für Verfassungsschutz sei daher durch die Bundesregierung selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens von geheimhaltungsbedürftigen Informationen zur Werbung und Führung von V-Leuten auszuschließen. Die Bewertung gelte auch unter Berücksichtigung der weiteren im Schreiben vom 3. März 2015 angeführten Argumente. Die im Gesetzentwurf zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vorgesehene Regelung zum Einsatz von V-Leuten gebe die wesentlichen Anforderungen vor. Nach dem aktuellen Gesetzentwurf schlössen im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilungen wegen eines Verbrechens oder zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden sei, die Anwerbung und den Einsatz als V-Person grundsätzlich aus.

12

2. Die Antragstellerin zu 2. und einige Mitglieder des Bundestages richteten am 21. Januar 2015 unter der Überschrift "Mutmaßliche Aktenvernichtungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann bei deutschen Geheimdiensten" ebenfalls eine Kleine Anfrage an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3810).

13

a) Darin führten sie aus, die Antragsgegnerin habe der Abgeordneten Petra Pau am 13. Januar 2015 die Auskunft erteilt, im Bundesamt für Verfassungsschutz seien nur sieben Ordner zum Oktoberfestattentat vorhanden. Daher liege die Vermutung nahe, dass in den vergangenen Jahren Informationen zu dem Attentat und zur Wehrsportgruppe Hoffmann vernichtet worden seien. Die Kleine Anfrage enthielt Fragen zu Umfang und Aufbau der Akten sowie zu Quellen des Bundesamts für Verfassungsschutz. Ferner wurde die Frage gestellt, ob und wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für das Bundesamt beziehungsweise Landesämter für Verfassungsschutz tätig geworden seien. Einige Fragen nach Quellenmeldungen beantwortete die Bundesregierung lediglich in nicht nach Ursprungsbehörden und Jahren aufgeschlüsselter Form. Die Beantwortung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten und weiterer Fragen nach Quellenmeldungen lehnte die Antragsgegnerin vollständig ab.

14

Die Fragen, welche die Antragsgegnerin nicht oder nur zum Teil beantwortete, lauteten wie folgt:

Frage 14: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zum Oktoberfestattentat vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 15: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 16: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 19: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zur Wehrsportgruppe Hoffmann vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 20: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zur Wehrsportgruppe Hoffmann liegen aus welchen Jahren im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 21: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zur Wehrsportgruppe Hoffmann aus welchen Jahren liegen im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 22: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren?"

Frage 23: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für das BfV tätig?"

Frage 24: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 25: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 28: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 29: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungs-schutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 30: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

Frage 31: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

15

In einer Vorbemerkung zu ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) führte die Antragsgegnerin aus:

"1. Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 nicht oder zumindest nicht vollständig erfolgen kann. Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann. Die Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags die erforderlichen Informationen und werten diese aus. Die Führung von Quellen gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Nachrichtendiensten bei der Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu, auch welche die quellenführende Stelle betreffend oder Namen einzelner Quellen bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von Quellen und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich Quellen hier in einem extremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von Quellen ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn kein Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann eine Quelle ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines Einsatzes von Quellen geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der Quellen folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet.

Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann.

2. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Komplexe "Oktoberfestattentat" und "Wehrsportgruppe Hoffmann" wegen des Inlandsbezugs nicht in den originären Aufgabenbereich des Bundesnachrichtendienstes (BND) als Auslandsnachrichtendienst fielen und fallen. Im Übrigen wurde der überwiegende Teil der im BND zum Oktoberfestattentat gebildeten Unterlagen an das Bundesarchiv abgegeben. Die Antworten auf die den BND betreffenden Fragen beruhen auf den im BND-Archiv noch vorhandenen, erschlossenen Altunterlagen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich im Zuge der fortschreitenden Erschließung der an das BND-Archiv in der Vergangenheit und künftig abgegebenen archivwürdigen Unterlagen weitergehende Erkenntnisse zum Anfragegegenstand ergeben.

3. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Einrichtung des Referats "Rechtsextremismus Terrorismus" im April 1981 im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nicht ausschließlich auf das Oktoberfestattentat zurückzuführen ist. Diesbezüglich wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 3 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/2544 verwiesen."

16

Die im Organstreitverfahren gerügten Antworten hatten folgenden Wortlaut:

"Die Fragen 14 bis 16 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Der Bundesregierung liegen insgesamt fünf Quellenmeldungen für den Zeitraum von 1980 bis 1985 vor. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 19 bis 21 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" im BfV wird gegenwärtig archivarisch aufbereitet, so dass nicht in allen Aktenbänden recherchiert werden konnte. Nach dem insoweit unter Vorbehalt stehenden Rechercheergebnis fanden 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang in die Sachakte. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 22 bis 25 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

"Die Fragen 28 bis 31 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

17

b) Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 2., MdB Dr. Petra Sitte, richtete am 4. März 2015 ein Schreiben an den Bundesminister des Innern, in dem sie um eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 sowie 19 bis 25 bat. Insbesondere die Weigerung, die Fragen 22 bis 25 zu beantworten, überzeuge nicht. Sie bedeute, dass nach Belieben Informationen über die Tätigkeiten von V-Leuten verweigert werden könnten. Angesichts der Tatsache, dass mindestens ein neonazistischer V-Mann in der Wehrsportgruppe Hoffmann seine V-Mann-Eigenschaft schon vor Jahren öffentlich gemacht habe, seien die in der Vorbemerkung zur Antwort genannten Gründe der Bundesregierung zur Antwortverweigerung nicht akzeptabel und unverhältnismäßig. Schließlich bestehe jederzeit die Möglichkeit, die Antworten nach der Geheimschutzordnung einzustufen. Der langjährige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, habe darauf hingewiesen, dass im Rahmen einer Abwägung die Aufklärung eines Mordes wichtiger sei als der Quellenschutz. Beim Oktoberfestattentat, dem schwersten rechtsterroristischen Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik, seien 22 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt worden.

18

Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium des Innern Dr. Günter Krings teilte mit Schreiben vom 14. März 2015 mit, es sei in der Antwort zu der Kleinen Anfrage ausführlich dargelegt worden, weshalb eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 21 und 22 bis 25 nicht erfolgen könne. An dieser Bewertung halte die Antragsgegnerin auch nach nochmaliger Abwägung fest. Sowohl die Werbung als auch die Führung von menschlichen Quellen seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste zentrale Bedeutung zukomme. Die nähere Aufgliederung der Quellenmeldungen würde dazu führen, dass taktische Verfahrensabläufe offenbar würden und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt sei. Soweit sich die Fragen auf menschliche Quellen der Sicherheitsbehörden bezögen, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beantwortung dieser Fragen zu einer Offenlegung der Identität der Quellen führe. Im Hinblick auf die daraus folgenden Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit dieser Personen sei daher der staatliche Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 GG besonders zu beachten. Daher scheide auch eine als Verschlusssache eingestufte Beantwortung aus. Hierdurch werde die strafrechtliche Aufklärung des Oktoberfestattentats nicht verhindert. Der Generalbundesanwalt habe mit Schreiben vom 17. Februar 2015 sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch den Bundesnachrichtendienst um umfassende Mitteilung der dort vorliegenden Erkenntnisse zum Oktoberfestattentat gebeten. Beide Behörden würden dem Generalbundesanwalt die erbetenen Informationen zur Verfügung stellen.

III.

19

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2015 haben die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitet. Mit ihren Anträgen begehren sie die Feststellung, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (BTDrucks 18/3117) sowie die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (BTDrucks 18/3810) in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt hat.

20

1. Die Antragstellerinnen halten ihre Anträge für zulässig. Sie sind der Auffassung, dass sie sowohl hinsichtlich der jeweils von ihnen selbst als auch bezüglich der von der jeweils anderen Antragstellerin gestellten Kleinen Anfrage antragsbefugt seien. Zum einen werde eine Verletzung des den Fraktionen selbst zustehenden Informationsrechts gerügt, das sich aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 GG ergebe und den Fraktionen dazu diene, den für die parlamentarische Arbeit erforderlichen Informationsstand zu erhalten. Zum anderen verletze die unzureichende Beantwortung einer Kleinen Anfrage die Rechte des Bundestages aus Art. 20 Abs. 2 GG. Diese Rechte könnten die Antragstellerinnen gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG prozessstandschaftlich geltend machen. Hinsichtlich der Antwort auf die von der jeweils anderen Antragstellerin gestellte Kleine Anfrage werde allein eine Verletzung der Rechte des Bundestages im Wege der Prozessstandschaft gerügt. Auch insoweit sei nicht nur die Antragsbefugnis, sondern auch ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Eine Fraktion könne Rechte des Bundestages auch dann im Organstreitverfahren verteidigen, wenn sie diesbezüglich zuvor nicht parlamentarisch tätig geworden sei.

21

2. Die Anträge seien begründet. Die Weigerung der Antragsgegnerin, die Kleinen Anfragen vollständig zu beantworten, verletze die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG.

22

a) Aus diesen Normen folge für den Deutschen Bundestag und seine Fraktionen ein Frage- und Informationsrecht, das grundsätzlich mit einer Auskunftspflicht der Bundesregierung korrespondiere. Grenzen des Informationsrechts könnten sich aus dem Staatswohl, den Grundrechten und dem Gewaltenteilungsprinzip ergeben. Mit Blick auf die verfahrensgegenständlichen Fragen der Antragstellerinnen sei jedoch kein ausreichendes Geheimhaltungsinteresse ersichtlich. Außerdem genügten die Begründungen, mit denen die Antragsgegnerin die vollständige Beantwortung der Kleinen Anfragen verweigert habe, nicht den hieran zu stellenden Anforderungen, da sie die Antragstellerinnen nicht in die Lage versetzten, die von der Antragsgegnerin vorgenommene Abwägung nachzuvollziehen.

23

Ob und inwieweit die Antragsgegnerin ausnahmsweise die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden und insbesondere zu V-Leuten verweigern dürfe, richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Es sei Sache der Bundesregierung, im Einzelfall darzulegen, warum das allgemein bestehende parlamentarische Informationsrecht aufgrund gegenläufiger Belange von höherem verfassungsrechtlichem Gewicht ausnahmsweise ausgeschlossen sei. Eine Bereichsausnahme sei im Hinblick auf Informationen zu V-Leuten verfassungsrechtlich nicht begründbar. Eine solche Ausnahme vom parlamentarischen Informationsrecht - wie sie das Bundesverfassungsgericht etwa für den Bereich der Rüstungsexporte anerkannt habe - könne nur in Betracht kommen, wenn sich ein Typ parlamentarischer Auskunftsbegehren trennscharf beschreiben lasse, bei dem einem noch so gewichtigen Informationsinteresse des Bundestages stets ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse gegenüberstehe. Dies sei bei parlamentarischen Anfragen mit Bezug zum Einsatz von V-Leuten nicht der Fall, denn nicht jede derartige Anfrage könne zur Enttarnung dieser Personen führen. Selbst wenn eine Enttarnung in Aussicht stehe, werde der weitere Einsatz der betroffenen V-Leute dann nicht gefährdet, wenn dieser bereits aus anderen Gründen ausgeschlossen sei. Ob die bloße Erkenntnis, beobachtet zu werden, für die beobachteten Personen einen für das Staatswohl relevanten Informationswert habe, hänge ebenfalls von unterschiedlichen Faktoren ab. Auch ermögliche nicht jede Information zum Einsatz von V-Leuten Rückschlüsse auf die Art und Weise der Beobachtung.

24

Eine das Staatswohl gefährdende Offenbarung der Arbeitsweisen der Sicherheitsbehörden sei ebenfalls nicht in jedem Fall zu befürchten. Zwar sei insoweit eine Prognose anzustellen, die - wie jede Prognose - mit Restunsicherheiten behaftet sei. Dieses Prognoserisiko rechtfertige jedoch keine abstrakte Vorrangregel zugunsten des Geheimhaltungsinteresses der Antragsgegnerin.

25

Eine Bereichsausnahme lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Quellenschutzes rechtfertigen. Der Quellenschutz könne dem Informationsrecht des Bundestages nur entgegengehalten werden, wenn die begehrte Information überhaupt dazu führen könne, dass eine bestimmte Person als Quelle enttarnt werde. Insoweit könne nicht schon die stets gegebene theoretische Möglichkeit ausreichen, dass sich Informationen mit hinreichendem Zusatzwissen auf bestimmte Personen beziehen ließen. Vielmehr müsse dies anhand eines Wahrscheinlichkeitsurteils in jedem Einzelfall ermittelt werden. Auch wenn danach im Einzelfall ein Bezug auf bestimmte Personen möglich sei, bedürfe es stets einer Abwägung zwischen dem Quellenschutz und dem Informationsinteresse des Bundestages. Im Rahmen dieser Abwägung werde der Quellenschutz in der Regel überwiegen, wenn der Sachverhalt aktuell sei und es sich bei der Quelle um eine lebende Person handele. Daneben könne eine Geheimhaltung auch zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter Dritter geboten sein, was jedoch im Einzelfall zumindest ansatzweise konkret dargelegt werden müsse. Der Schutz des sozialen Ansehens einer Quelle - worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten ohnehin nicht berufen habe - gehe dem Informationsinteresse des Bundestages ebenfalls nicht ohne einzelfallbezogene Abwägung vor. Dies gelte erst recht nach dem Tod der Quelle. Schließlich könne ein abstrakter Vorrang des Quellenschutzes auch nicht aus den gegenüber V-Leuten abgegebenen Vertraulichkeitszusagen hergeleitet werden, worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten im Übrigen ebenfalls nicht berufen habe. Das parlamentarische Auskunftsrecht stehe nicht zur Disposition der Sicherheitsbehörden.

26

b) Die Begründung, mit der die Antragsgegnerin die Beantwortung der Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verweigert habe, genüge diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich (bb)) und bei der vorzunehmenden Abwägung überwiege das parlamentarische Informationsinteresse (cc)).

27

aa) Bei der Begründung handele es sich um einen Textbaustein, dem jeder Einzelfallbezug fehle. Dies zeige sich auch daran, dass die Begründung der Antwortverweigerung mit derjenigen in Bezug auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 weitgehend wortgleich und auch die Beantwortung einer weiteren Kleinen Anfrage im Wesentlichen mit derselben Begründung verweigert worden sei. Außerdem passe die Antwort nicht zu der Frage, soweit die Antragsgegnerin hervorhebe, dass Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten geschützt werden müssten, da Lembke bereits 1981 verstorben sei. Ferner sei die Begründung unvollständig, da darin nur auf die Tätigkeit der Nachrichtendienste eingegangen worden sei, obwohl sich die Frage auf Sicherheitsbehörden und somit auch auf die Polizeibehörden bezogen habe. Eine derart formelhafte und unspezifische Begründung wäre nur dann hinzunehmen, wenn die Frage 2 a) auf Informationen gezielt hätte, die offenkundig geheimhaltungsbedürftig seien. Dies sei jedoch nicht der Fall.

28

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich. Ein solches lasse sich insbesondere nicht mit dem Staatswohl in seiner Ausprägung als Schutz der Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden begründen. Eine Gefährdung der aktuell zu dem Oktoberfestattentat geführten Ermittlungen durch eine Beantwortung der Frage 2 a) liege fern. Die Frage beziehe sich auf einen historischen Vorgang und auf einen Verstorbenen. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Enttarnung von Heinz Lembke als V-Mann aktuelle Ermittlungen gefährden könne, zumal seit langem bekannt sei, dass sich Lembke und sein Umfeld im Blickfeld der Sicherheitsbehörden befunden hätten. Eine Beantwortung der Frage nach der V-Mann- Eigenschaft von Lembke ermögliche auch keine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden. Da sich die Frage auf die V-Mann-Eigenschaft einer einzelnen Person beziehe, ergebe sich aus ihrer Beantwortung kein einzelfallübergreifender Informationswert. Dass die Sicherheitsbehörden damals wie heute V-Leute in der Neonaziszene eingesetzt hätten, sei ohnehin allgemein bekannt. Im Hinblick auf eigene Rechte von Heinz Lembke könne der allenfalls noch relevante postmortale Vertraulichkeitsschutz in Anbetracht der verstrichenen Zeit keine Bedeutung mehr haben. Jedenfalls aber könne dieser Vertraulichkeitsschutz bei der Abwägung nur geringes Gewicht haben. Konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung anderer Personen seien nicht ersichtlich.

29

cc) Selbst wenn sich aus einer Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden ergeben sollten, könne es sich dabei allenfalls um geringfügige Beeinträchtigungen handeln. Diesen stehe ein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegenüber, das bei der gebotenen Abwägung überwiege. Die Bedeutung der verfahrensgegenständlichen Frage gehe über den Einzelfall hinaus.

30

Für den Bundestag sei es von überragender Bedeutung, Einblicke in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu erhalten, um diese Tätigkeit und die Haltung der Antragsgegnerin hierzu kontrollieren zu können. Hierzu gebe es gerade in jüngerer Zeit mit Blick auf den Einsatz von V-Leuten in der rechtsextremen Szene Anlass. So werde das Versagen der Sicherheitsbehörden im Fall des so genannten Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) unter anderem auf einen überzogenen Quellenschutz bei den Nachrichtendiensten zurückgeführt. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 habe dazu gedient, Verdachtsmomenten nachzugehen, dass auch im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten genutzt worden seien, um den Anschlag zu verhindern und aufzuklären. Wenn sich dieser Verdacht erhärte, könne hierin möglicherweise ein über längere Zeit gleichbleibendes Muster erkannt werden. Um sich einen Einblick in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu verschaffen und diese zu kontrollieren, müsse der Bundestag zwangsläufig von Einzelfällen ausgehen, da ein detailliertes Gesamtbild weder verfügbar sei noch hergestellt werden könne. Umso bedeutsamer sei es, dass dem Bundestag Informationen zu Einzelfällen mitgeteilt würden, die nicht zwingend geheimhaltungsbedürftig seien.

31

Zudem bestehe an der Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden gerade im Neonazimilieu ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse. Neben den Vorgängen um den NSU sei insoweit auch das Oktoberfestattentat von Bedeutung, über das in jüngerer Zeit verstärkt berichtet worden sei.

32

Schließlich seien Informationen über mögliche Verbindungen von V-Leuten zu dem Oktoberfestattentat auch für die gesetzgeberische Funktion des Bundestages von Bedeutung. Die Frage der gesetzlichen Regulierung des Einsatzes von V-Leuten sei hochaktuell und umstritten. Insoweit sei es erforderlich, dass Informationen über die Praxis des Einsatzes von V-Leuten und eventuelle Missstände oder Fehleinschätzungen in der Vergangenheit verfügbar seien.

33

Die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke stehe im Kontext mit einer Vielzahl von weiteren Auskunftsbegehren der Antragstellerinnen, mit denen diese versuchten, Anhaltspunkten für Verbindungen deutscher Sicherheitsbehörden zu Personen und Gruppierungen aus dem Neonazimilieu nachzugehen, von denen schwerwiegende Gewalttaten ausgegangen seien. Sollte Lembke tatsächlich als V-Mann tätig gewesen sein und sollten sich Verbindungen zum Oktoberfestattentat erhärten lassen, würde dies massive Fragen nach dem Sinn und den Modalitäten des Einsatzes von V-Leuten im Neonazimilieu aufwerfen, deren potentielle politische Bedeutung für die parlamentarische Kontrolle und für gesetzgeberische Maßnahmen sich kaum überschätzen lasse.

34

c) Auch hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei die Antwort der Antragsgegnerin zu pauschal (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse sei nicht ersichtlich (bb)), jedenfalls habe eine vollständige Verweigerung der Beantwortung der Fragen nicht erfolgen dürfen (cc)).

35

aa) Die Verweigerung vollständiger Antworten auf die umstrittenen Fragen der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei unzureichend begründet worden. Die Antragsgegnerin habe denselben formelhaften Textbaustein wie in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwendet.

36

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei weder hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 zu Quellenmeldungen zum Attentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann noch bezüglich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann ersichtlich. Dass die Antragsgegnerin eine Aufschlüsselung der Quellenmeldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden in ihrer Antwort auf die Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 verweigert habe, lasse sich weder durch Belange des Staatswohls noch durch Grundrechte rechtfertigen.

37

Eine Gefährdung der aktuellen Aufklärungstätigkeit der Nachrichtendienste sei insoweit nicht ersichtlich, da bekannt sei, dass diese im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und im Umfeld der Wehrsportgruppe Hoffmann ermittelt und dabei auf menschliche Quellen zurückgegriffen hätten. Dies ergebe sich auch aus der Antwort der Antragsgegnerin. Hinreichend spezifische Rückschlüsse allgemeiner Art auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ließen sich aus der begehrten Aufschlüsselung nicht ziehen. Dass Nachrichtendienste befugt seien, V-Leute einzusetzen, und von dieser Befugnis gerade auch in der rechtsextremistischen Szene Gebrauch machten, sei allgemein bekannt. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Nachteile sich für die Nachrichtendienste aus der Mitteilung der Aufschlüsselung ergeben könnten. Hieraus könnten keine Schlüsse zu anderen Vorgängen und erst recht nicht zu der heutigen Aufklärungstätigkeit gezogen werden.

38

Es sei auch nicht ersichtlich, dass die begehrte Aufschlüsselung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder Leib und Leben von Menschen gefährden könne, da es an einem Bezug zu bestimmten Personen fehle. Die bloße Behauptung, aus irgendwelchen Informationen, die einen Bezug zum Einsatz von V-Leuten aufwiesen, könne auf die Identität einzelner V-Leute geschlossen werden, reiche nicht aus. Diese Behauptung müsse vielmehr durch eine Enttarnungsprognose fundiert werden, um verfassungsrechtlich tragfähig zu sein. Zwar könnten unter Hinzuziehung von Zusatzwissen gegebenenfalls gewisse Rückschlüsse in personeller Hinsicht möglich sein. Angesichts des erheblichen Umfangs der Ermittlungen zum Oktoberfestattentat und der großen Zahl von Angehörigen und Unterstützern der Wehrsportgruppe Hoffmann liege es aber fern, dass sich positiv ein Bezug zu bestimmten Personen herstellen lasse. Aus den begehrten Antworten wäre nicht einmal ersichtlich, in welchem Verhältnis die Quellen zu der rechtsextremen Szene beziehungsweise der Wehrsportgruppe Hoffmann stünden. Dass konkretere Angaben zu Quellenmeldungen unbedenklich seien, zeige zudem die Antwort auf Frage 18, wonach dem Bundesnachrichtendienst zum Oktoberfestattentat eine Quellenmeldung aus dem Jahr 1981 vorliege.

39

Hinsichtlich der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann (Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31) liege es ebenfalls nahe, dass kein Geheimhaltungsinteresse bestehe. Eine Gefährdung aktueller Ermittlungen sei nicht ersichtlich. Zwar liege es nahe, dass einzelne Personen aus dem Kreis der Wehrsportgruppe auch heute noch von den Nachrichtendiensten beobachtet würden. Aus den begehrten Angaben ließen sich jedoch keine Schlüsse ziehen, die diese Beobachtung beeinträchtigen könnten. Nach über 30 Jahren könne aus der damaligen Zahl der V-Leute kaum etwas zu ihrer heutigen Zahl hergeleitet werden.

40

Allgemeine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise von Nachrichtendiensten ließen sich aus den begehrten Informationen zu V-Leuten ebenfalls nicht ziehen. Aus ihnen lasse sich lediglich ableiten, wie weitgehend die Wehrsportgruppe Hoffmann mit V-Leuten infiltriert gewesen sei, nicht aber, wie die Kooperation abgelaufen sei und welchen Nutzen sie erbracht habe. Erkenntnisse über den heutigen Einsatz von V-Leuten im Neonazimilieu ergäben sich hieraus nicht. Zudem könne man nicht von der Infiltration einer Gruppierung auf die einer anderen schließen. Außerdem sei der erhebliche Zeitablauf zu berücksichtigen.

41

Eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung liege fern, da von der abgefragten Gesamtzahl von V-Leuten nicht auf einzelne Personen geschlossen werden könne. Angesichts des erheblichen Zeitablaufs könne auch nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das für eine denkbare Individualisierung erforderliche Zusatzwissen in den betroffenen Kreisen vorhanden oder beschaffbar sei. Sollte gleichwohl ein Identifizierungsrisiko zu bejahen sein, hätte die Antragsgegnerin die Antworten aufspalten, die Gesamtzahl der V-Leute veröffentlichen und die weiteren begehrten Informationen unter Einstufung herausgeben können.

42

cc) Selbst wenn man unterstelle, dass die verfahrensgegenständlichen Fragen ein Geheimhaltungsinteresse berührten, hätte die Antragsgegnerin die begehrten Informationen zumindest nicht vollständig verweigern dürfen. Insofern gelte nichts anderes als für Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Informationen darüber, in welchem Ausmaß die Nachrichtendienste neonazistische Gruppierungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat infiltriert hätten, seien besonders bedeutsam, damit der Bundestag etwaige Defizite abschätzen und den Einsatz von V-Leuten gegebenenfalls neu regulieren könne. Vor diesem Hintergrund sei ein geringfügiges Risiko für das Staatswohl hinzunehmen. Dieses allenfalls sehr geringe Risiko für damalige V-Leute hätte durch eine Einstufung als Verschlusssache abgeschirmt werden können.

43

d) Wo dies erforderlich sei, könne zwischen dem Informationsinteresse des Bundestages und einem gegenläufigen Geheimhaltungsinteresse praktische Konkordanz hergestellt werden, indem die begehrten Informationen als Verschlusssache zur Verfügung gestellt würden. Die Antragsgegnerin könne sich grundsätzlich nicht auf das Staatswohl berufen, um Informationen zurückzuhalten, wenn der Bundestag hinreichende Vorkehrungen dagegen treffe, dass diese Informationen bekannt würden. Gleiches gelte, wenn eine Geheimhaltung von Informationen zum Schutz von Grundrechten geboten sei. Antworten auf parlamentarische Anfragen zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden müssten somit in der Regel zumindest als Verschlusssache zur Verfügung gestellt werden.

44

Es sei davon auszugehen, dass Informationen, die nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingestuft worden seien, auch tatsächlich geheim blieben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall sei, habe die Antragsgegnerin nicht vorgebracht. Eine pauschale Befürchtung der Antragsgegnerin, im Bundestag könnten Sicherheitslücken bestehen, genüge nicht. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle eine Einstufung nach der Geheimschutzordnung als Mittel zur Auflösung des Interessenkonflikts zwischen dem parlamentarischen Informationsinteresse und dem exekutiven Geheimhaltungsinteresse verworfen, da die Anwendung der Geheimschutzordnung mit der Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments konfligiere. Für diesen Bereich habe das Bundesverfassungsgericht jedoch eine abstrakt-generelle Regel zur Reichweite des parlamentarischen Informationsrechts aufgestellt, weshalb die Öffentlichkeit bei Anwendung der Geheimschutzordnung systematisch und nicht nur im Einzelfall ausgeschlossen würde. Für den Bereich der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden bleibe der parlamentarische Geheimschutz hingegen ein taugliches Instrument zum Ausgleich des Interessenkonflikts, da hier eine Einzelfallabwägung vorzunehmen sei und im Einzelfall eine Einstufung als Verschlusssache dem Informationsinteresse des Bundestages besser Rechnung trage als die vollständige Verweigerung einer Antwort.

IV.

45

Nach Auffassung der Antragsgegnerin haben die Anträge keine Aussicht auf Erfolg.

46

1. Sie habe die Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 zu Recht aus Gründen des Staatswohls (a)) und des Grundrechtsschutzes (b)) verweigert, ohne dass insoweit eine Einzelfallabwägung vorgenommen werden müsse. Die Möglichkeit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages ändere hieran nichts (c)). Selbst wenn man von der Notwendigkeit einer Einzelfallabwägung ausgehe, müsse das Auskunftsinteresse im konkreten Fall hinter dem Geheimhaltungsinteresse zurückstehen (d)). Außerdem müsse sie keine Auskünfte zu V-Leuten der Länder erteilen (e)). Schließlich sei die Verweigerung der Beantwortung der Frage 2 a) auch in ausreichender Weise begründet worden (f)).

47

a) Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass gegenüber V-Leuten abgegebene Vertraulichkeitszusagen aus Gründen des Staatswohls stets eingehalten werden müssten. Das Bundesverfassungsgericht habe wiederholt betont, dass die Strafverfolgungsorgane auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen seien, um ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten gerecht werden zu können. Dies gelte in derselben Weise für die Nachrichtendienste und Polizeibehörden bei der Aufklärung verfassungsfeindlicher Bestrebungen und der sonstigen Gefahrenabwehr. Der Einsatz von V-Leuten gehöre zu den wichtigsten Mitteln verdeckter Informationsgewinnung. Er sei von herausragender Bedeutung, da verfassungsfeindliche Organisationen oftmals konspirativ agierten.

48

Die Geheimhaltung der Identität von V-Leuten sei mit Blick auf die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden unabdingbar. Zwar vertrete die Antragsgegnerin nicht die Auffassung, dass es bei parlamentarischen Anfragen eine Bereichsausnahme für sämtliche Informationen mit Bezug zu V-Leuten gebe; es bestehe jedoch eine generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit für Informationen, die alleine oder in Zusammenschau mit anderen Informationen zur Offenbarung der Identität von V-Personen führen könnten. Dies ergebe sich aus einer Abwägung des parlamentarischen Informationsinteresses mit den der Offenbarung derartiger Daten und Informationen entgegenstehenden Geheimhaltungsinteressen. Das gelte nicht nur für die Zeit während des Einsatzes, sondern auch nach dessen Beendigung. Dabei diene die Geheimhaltung der Identität zum einen dem Schutz der V-Leute selbst, zum anderen aber auch dem Schutz der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden. So schließe die Offenbarung der Identität einer V-Person deren weiteren Einsatz aus. Der damit verbundene Verlust des Zugangs zu Informationen könne irreversibel sein, da sich V-Leute nicht beliebig gewinnen oder ersetzen ließen. Mit der Enttarnung einer V-Person würden darüber hinaus den beobachteten Personen sowohl der Umstand als auch die Art und Weise ihrer Beobachtung bekannt, was die weitere Aufklärung erschwere. Des Weiteren könnten bei Bekanntwerden der Identität einer V-Person Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Behörden, insbesondere die Art und Weise der Werbung, der Quellenführung und der Zusammenarbeit, gezogen werden. Hierdurch könnten Zielpersonen in die Lage versetzt werden, Abwehrstrategien gegen die Gewinnung von V-Leuten zu entwickeln. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Mitarbeiter von Behörden enttarnt und gefährdet würden.

49

Die Tätigkeit der Nachrichtendienste zeichne sich dadurch aus, dass sie in weiten Teilen geheimhaltungsbedürftig sei. Daher müssten Einzelheiten zu Arbeitsweisen, Strategien, Methoden und Erkenntnisstand der Nachrichtendienste, deren Offenlegung ihre Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung gefährde, nicht mitgeteilt werden. Gleiches gelte für Polizeibehörden, soweit diese zum Einsatz verdeckter Maßnahmen befugt seien. Eine Beantwortung der Frage 2 a) würde aber Einzelheiten des Quellen- und Erkenntnisstandes offenbaren. Die Antragstellerinnen verkennten, dass es sich bei dem Schutz der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden im Interesse des Gemeinwohls um einen Belang höchsten Ranges handele. Vor diesem Hintergrund gingen sie unzutreffend davon aus, dass insoweit gewisse Beeinträchtigungen und Gefährdungen hinzunehmen seien. Die Antragsgegnerin müsse jedoch auch nicht-signifikante Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden verhindern und könne von den Antragstellerinnen nicht durch parlamentarische Anfragen gezwungen werden, derartige Folgen herbeizuführen.

50

Es treffe nicht zu, dass die amtliche Bestätigung von Überwachungsmaßnahmen keinen zusätzlichen Informationswert habe, wenn über diese Maßnahmen schon in anderen Publikationen berichtet worden sei. Das Staatswohl sei nicht erst dann gefährdet, wenn verfassungsfeindlichen Organisationen durch eine Auskunft der Antragsgegnerin ermöglicht werde, neue Vermeidungsstrategien zu ergreifen, sondern schon dann, wenn diese zu der generellen Erkenntnis gelangten, sich vorsehen zu müssen. Allein die Beendigung einer bestimmten Aufklärungstätigkeit führe nicht stets dazu, dass auch die Geheimhaltungsbedürftigkeit entfalle, da das Aufklärungsinteresse fortbestehen könne. Ob bei abgeschlossenen Sachverhalten etwas anderes gelte, sei unerheblich, da ein solcher hier nicht vorliege. Unabhängig davon dürfe nicht vorschnell von einem abgeschlossenen Sachverhalt ausgegangen werden, da selbst lange zurückliegende Vorgänge wieder unmittelbare Aktualität erlangen könnten. Auch sei zu bedenken, dass zwar möglicherweise eine Organisation ihr Ende gefunden habe, die an ihr beteiligten Personen aber gegebenenfalls ihre verfassungsfeindlichen oder sicherheitsgefährdenden Aktivitäten in anderer Form fortsetzten.

51

Durch die von einer Behörde abgegebene Vertraulichkeitszusage werde die Identität einer V-Person grundsätzlich dauerhaft geschützt. Eine derartige Zusage sei notwendig, weil V-Leuten im Falle ihrer Enttarnung Repressionen bis hin zu Gefahren für Leib und Leben drohten. Vor diesem Hintergrund bestehe eine Schutz- und Fürsorgepflicht des Staates. Die drohenden Gefahren dürften nicht unter Verweis auf staatliche Schutzprogramme heruntergespielt werden, da derartige Maßnahmen sehr aufwendig und für die Betroffenen mit äußerst gravierenden Belastungen verbunden seien.

52

Die Einhaltung abgegebener Vertraulichkeitszusagen sei für die Zusammenarbeit mit aktiven V-Leuten und die Gewinnung künftiger V-Leute unabdingbar. Würden Vertraulichkeitszusagen nicht eingehalten, könne dies die künftige Gewinnung von V-Leuten erschweren oder unmöglich machen. Werde die Identität einer V-Person bekannt, verunsichere dies andere Betroffene und schwäche das Vertrauen in die Wirksamkeit und Geltung von Vertraulichkeitszusagen. In der Vergangenheit hätten Enttarnungen dazu geführt, dass die Anwerbung in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten verbunden sei.

53

Das Geheimhaltungsbedürfnis sei auch nicht deshalb entfallen, weil Heinz Lembke bereits vor längerer Zeit verstorben sei. Vertraulichkeitszusagen seien grundsätzlich nicht auf die Lebenszeit der Betroffenen beschränkt, denn es könnten auch Angehörige in Gefahr geraten. Die Vorstellung von "Sippenhaft" sei in bestimmten Organisationen, Kreisen und Gesellschaften durchaus verbreitet. Außerdem sei es ein berechtigtes Anliegen von V-Leuten, dass ihr soziales Ansehen auch über den Tod hinaus geschützt werde. Diese wollten mit Rücksicht auf das eigene Andenken sowie auf ihre Angehörigen auch nach ihrem Tod nicht als "Spitzel" oder "Verräter" diffamiert und herabgesetzt werden. Dem stehe nicht entgegen, dass der postmortale Persönlichkeitsschutz schwächer ausgeprägt sei als das allgemeine Persönlichkeitsrecht, da es im Kontext von Vertraulichkeitszusagen nicht um allgemeine grundrechtliche Abwehr- und Schutzansprüche, sondern um die Einhaltung staatlicher Zusagen gehe, die ein besonderes Vertrauens- und Fürsorgeverhältnis begründeten.

54

Werde die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person bejaht, könne dies zudem zur Folge haben, dass auf Seiten der betroffenen Organisation eine Suche nach weiteren "Verrätern" ausgelöst werde. Werde die Frage hingegen verneint, könnten die betroffenen Kreise möglicherweise folgern, dass eine andere Person eine V-Person gewesen sein müsse, wodurch diese in Gefahr gerate. Vor diesem Hintergrund müssten vor der Beantwortung einer entsprechenden Frage umfangreiche Ermittlungen zu allen im Zusammenhang stehenden Personen und Personenzusammenschlüssen durchgeführt werden. Zum einen verursache dies einen unzumutbaren Aufwand, der über die Auskunftspflicht hinausgehe. Zum anderen könnten mit den erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen erhebliche Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen verbunden sein.

55

Dass der verfahrensgegenständliche Sachverhalt lange zurückliege, führe ebenfalls nicht dazu, dass das Geheimhaltungsbedürfnis entfalle. Mit Blick auf die Identität von V-Leuten nehme das Geheimhaltungsinteresse mit der Zeit nicht ab. Nähme man dagegen an, dass die Frage nach der V-Person-Eigenschaft beantwortet werden müsse, wenn der V-Person-Einsatz bereits längere Zeit zurückliege, könnte in Fällen einer Antwortverweigerung der Umkehrschluss gezogen werden, dass die betreffende Person vor nicht langer Zeit als V-Person tätig gewesen oder es womöglich noch immer sei.

56

Abgesehen davon beziehe sich die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht auf einen historischen Vorgang, bei dem das Geheimhaltungsinteresse gemindert oder entfallen sein könnte. Die Anfrage beruhe nicht auf einem historischen Interesse, sondern stehe im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Ermittlungen zu dem Oktoberfestattentat durch den Generalbundesanwalt. Diese Ermittlungen könnten durch die Beantwortung der Frage, ob Lembke V-Mann gewesen sei, gefährdet werden. Von den ehemaligen Angehörigen und Unterstützern der in den Blick zu nehmenden Organisationen und Gruppierungen würden diese Ermittlungen mit großem Interesse verfolgt. Karl-Heinz Hoffmann, der im Jahr 2011 ein Buch mit dem Titel "Die Oktoberfestlegende" veröffentlicht habe, befasse sich auf seiner Homepage regelmäßig und ausführlich mit dem Attentat und äußere sich dort unter anderem auch zu Lembke. Eine Antwort auf die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, ermögliche etwaigen Tatbeteiligten Rückschlüsse darauf, welche Umstände den Ermittlungsbehörden bekannt sein könnten. Dies erleichtere ihnen, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren.

57

Schließlich bestehe die Notwendigkeit, die Antwort auf Frage 2 a) zu verweigern, unabhängig davon, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei. Zum einen könne die Pflicht zur Beantwortung nicht davon abhängen, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, da anderenfalls in künftigen Fällen bei einer Verweigerung der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person die zutreffende Antwort durch einen Umkehrschluss ermittelt werden könne. Zum anderen könnten auch bei einer Verneinung der Frage möglicherweise Rückschlüsse im konkreten Fall gezogen werden, die bis hin zu einer Enttarnung etwaiger tatsächlicher V-Leute reichen könnten. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die betroffenen Personen und Gruppierungen über internes Wissen verfügten, das sie womöglich in die Lage versetze, im Falle des Ausschlusses einer Person auf die V-Person-Eigenschaft einer anderen Person zu schließen. Es sei nicht auszuschließen, dass in Zukunft weitere Informationen öffentlich würden, die in Verbindung mit der Beantwortung der aktuellen Frage Rückschlüsse auf die Identität von V-Leuten ermöglichten.

58

b) Die Beantwortung der Frage 2 a) sei darüber hinaus aus grundsätzlichen Erwägungen des Grundrechtsschutzes zu verweigern. Unter grundrechtlichen Aspekten betreffe die Wahrung von Vertraulichkeitszusagen nicht allein die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates für Leben, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit. Auch eine Betrachtung unter den Gesichtspunkten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einschließlich des postmortalen Persönlichkeitsschutzes greife zu kurz. Denn der Staat übernehme gegenüber den V-Leuten darüber hinausgehende besondere Verpflichtungen. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, dass Lembke bereits verstorben sei, da dem grundrechtlich geschützten Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen auch über den Tod hinaus Rechnung zu tragen sei.

59

c) Dem Geheimhaltungsbedürfnis könne überdies nicht mit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages Rechnung getragen werden. In Bezug auf die Identität von V-Personen und anderen schutzwürdigen Quellen der Nachrichtendienste und Polizeibehörden bestehe eine generelle Geheimhaltungsnotwendigkeit.

60

Zwar sei die Geheimschutzordnung des Bundestages grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass das Staatswohl nicht allein der Bundesregierung, sondern auch dem Bundestag anvertraut sei. Gleichwohl gebe es Informationen aus dem Bereich der Nachrichtendienste, die ungeachtet der Geheimschutzordnung des Bundestages diesem gegenüber nicht offenbart werden könnten.

61

Die Effektivität des Geheimschutzes hänge nicht allein von der normativen Ausgestaltung ab, sondern auch von der faktischen Wirksamkeit. Je größer der Kreis der Geheimnisträger sei, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit einer absichtlichen oder unabsichtlichen Weitergabe der Informationen. Der Gedanke, dem Geheimschutz durch eine Beschränkung der Zahl der Geheimnisträger effektiv Rechnung zu tragen, sei für den Bereich der nachrichtendienstlichen Informationen sowohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch in der Gesetzgebung angelegt. So habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die nachrichtendienstliche Tätigkeit von dem aus einer geringen Zahl von Abgeordneten bestehenden Parlamentarischen Kontrollgremium überwacht werde. Ebenso habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste des Bundes nicht im Plenum, sondern gemäß § 10a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) in einem Vertrauensgremium behandelt würden. Der (verfassungsändernde) Gesetzgeber habe bei der Regelung von Art. 45d GG sowie bei der Verabschiedung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) betont, dass die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit besonderer Geheimhaltung bedürfe. Aus § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG ergebe sich zudem, dass es Informationen gebe, die derart sensibel seien, dass sie selbst dem Parlamentarischen Kontrollgremium nicht zu offenbaren seien. Danach könne eine Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums unter anderem aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangsverweigert werden, worunter auch der Schutz von Quellen gefasst werde. Es gebe Kategorien von Geheimnissen, die sich aufgrund ihrer besonderen Natur bereits bei abstrakter Abwägung als generell geheimhaltungsbedürftig darstellten. Da hier bereits die fallgruppenbildenden Kriterien die Entscheidung determinierten, bedürfe es keiner Abwägung im Einzelfall. Eine solche generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehe in Bezug auf die Identität von V-Personen und andere schutzwürdige nachrichtendienstliche Quellen.

62

Vor diesem Hintergrund garantiere die Geheimschutzordnung des Bundestages im vorliegenden Fall keinen ausreichenden Geheimschutz. Bei der Identität von V-Leuten handele es sich um derart sensible Informationen, dass die Gefahr des Bekanntwerdens soweit wie möglich reduziert werden müsse. Der hiernach erforderliche ganz besondere Geheimschutz sei auch bei einer Einstufung der Antwort als "geheim" nicht gewährleistet, da die Antwort gleichwohl allen Mitgliedern des Bundestages zugänglich gemacht werde. Zudem machten die Antragstellerinnen geltend, dass sie die Antwort benötigten, um eine gesetzliche Regelung des Einsatzes von V-Leuten im Parlament und in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Sie zielten somit letztlich auf die Herstellung von Öffentlichkeit ab.

63

d) Die Antragsgegnerin vertrete zwar die Auffassung, dass die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer bestimmten Person schon aufgrund einer abstrakten Abwägung generell nicht beantwortet werden müsse. Doch selbst wenn man eine Einzelfallabwägung für erforderlich halte, sei die Verweigerung der Antwort auf die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke rechtmäßig, da das Geheimhaltungsinteresse das Auskunftsinteresse auch im konkreten Fall überwiege.

64

Hinsichtlich der Beantwortung der Frage 2 a) sei kein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegeben. Die diesbezüglichen Überlegungen der Antragstellerinnen blieben abstrakt. Sie könnten nicht begründen, weshalb die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, für die parlamentarische Kontrolle oder die Gesetzgebungstätigkeit von besonderer Bedeutung sein solle. Die Auffassung, wonach der Bundestag zur Kontrolle der Sicherheitsbehörden Einblicke in einzelne, konkrete Aufklärungsmaßnahmen einschließlich der Identität einzelner V-Personen erhalten müsse, überzeuge nicht und laufe auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Staatswohls hinaus. Dass die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, Bedeutung für die Gesetzgebungstätigkeit habe, sei nicht ersichtlich. Die Antragstellerinnen legten nicht dar, weshalb sie meinten, dass gerade diese Information für die heutige Bewertung des Einsatzes von V-Leuten relevant sei. Ihr Vortrag sei im Übrigen widersprüchlich, weil sie an anderer Stelle äußerten, dass eine Gefahr für das Staatswohl nicht zu besorgen sei, da eine Beantwortung der Frage keine Schlüsse auf die heutige Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden zulasse.

65

Demgegenüber werde der Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel durch gezielte Identifikationsfragen unterminiert. Auch wenn das Parlament nicht unmittelbar an von der Exekutive abgegebene Vertraulichkeitszusagen gebunden sei, folge hieraus nicht, dass es einen Auskunftsanspruch habe, der unter Verletzung dieser Zusagen zu erfüllen sei. Insoweit sei auch die Rechtsprechung zur Bedeutung von Vertraulichkeitszusagen im Strafverfahren zu berücksichtigen, wonach Auskünfte zu V-Leuten in entsprechender Anwendung von § 96 StPO verweigert werden könnten. Wenn der Weg in die Einzelfallabwägung einmal eröffnet sei, sei aus Sicht der Betroffenen kein Verlass mehr auf Vertraulichkeitszusagen. Dadurch würden die Fortführung und die Gewinnung von V-Leuten als nachrichtendienstliche Quelle zum Nachteil des Staatswohls erheblich beeinträchtigt.

66

e) Soweit sich die Frage 2 a) auf eine V-Mann-Tätigkeit Lembkes für Sicherheitsbehörden der Länder beziehe, müsse die Antwort auch deshalb verweigert werden, weil die Antragsgegnerin nicht beurteilen könne, welche Konsequenzen die Antwort für die Arbeit der betreffenden Landesbehörde hätte. Da sich die Antwortpflicht der Antragsgegnerin nur auf vorhandene Kenntnisse beziehe, sei sie nicht verpflichtet, Untersuchungen dazu zu veranlassen, welche Folgen eine Beantwortung der Frage für die Länder hätte.

67

f) Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen habe die Antragsgegnerin die Verweigerung der Antwort auch ausreichend begründet. Sie habe dargelegt, dass und weshalb es nicht möglich sei, Fragen nach der Identität von V-Leuten zu beantworten. In gewisser Weise müsse jede Auskunftsverweigerung abstrakt bleiben, da nicht verlangt werden könne, dass die Begründung so konkret sei, dass Rückschlüsse auf die verweigerte Antwort gezogen werden könnten. Auch der Einwand, dass Antworten auf andere Anfragen wortgleich seien, greife nicht durch. Wenn Fragen einen ähnlichen Inhalt hätten und die Beantwortung aus denselben Gründen abzulehnen sei, sei es nicht zu beanstanden, dass sich auch die Begründungen entsprächen.

68

Mit der Rüge, dass die Antragsgegnerin sich in ihrer Antwort nur auf Nachrichtendienste bezogen habe, obwohl nach "Sicherheitsbehörden" und damit - nach Auffassung der Antragstellerinnen - auch nach Polizeibehörden gefragt worden sei, könnten die Antragstellerinnen ebenfalls nicht gehört werden. Die Antragsgegnerin habe unter dem nicht klar definierten Begriff "Sicherheitsbehörden" allein Nachrichtendienste verstanden und verstehen dürfen. Dieses Verständnis ergebe sich aus dem systematischen Zusammenhang, da sich auch die Frage 2 b) nur auf "Geheimdienste" bezogen habe, und werde dadurch untermauert, dass die Antragstellerin zu 1. die Antwort der Antragsgegnerin in dem Schreiben vom 3. März 2015 insoweit nicht beanstandet habe.

69

2. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 habe die Antragsgegnerin zum Schutz des Staatswohls und der Grundrechte bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 die Zahl der Quellenmeldungen zu Recht zusammengefasst. Die Beantwortung der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 sei aus diesen Gründen vollständig abzulehnen gewesen.

70

a) Die auf die Tätigkeit von V-Leuten bezogenen Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 müssten aus Gründen des Staatswohls und zum Schutze der Grundrechte etwaiger V-Leute unbeantwortet bleiben. Aus Gründen des Staatswohls sei es - wie bereits mit Blick auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 ausgeführt - zum einen ausgeschlossen, die Identität von V-Leuten zu offenbaren. Darüber hinaus seien aber auch solche Angaben geheimhaltungsbedürftig, die - und sei es auch nur im Zusammenhang mit anderen Informationen - Rückschlüsse auf diese Personen erlaubten.

71

Insoweit sei zu berücksichtigen, dass gerade bei kleinen und konspirativ operierenden Gruppierungen schon geringe Anhaltspunkte ausreichen könnten, um bestimmte Personen als V-Leute zu identifizieren. Bei der Wehrsportgruppe Hoff-mann habe es sich um eine konspirativ agierende, straff hierarchisch organisierte paramilitärische Vereinigung gehandelt, so dass womöglich auch unverfänglich erscheinende Informationen eingeweihten Personen die Identifizierung etwaiger V-Leute ermöglichen könnten. Zwar treffe es zu, dass lediglich nach Gesamtzahlen gefragt worden sei. Ob von einer aggregierten Zahl gesprochen werden könne, hänge allerdings vom Inhalt der Antwort ab. Die Ausführungen der Antragstellerinnen zu der Wahrscheinlichkeit, dass die begehrten Informationen für die betroffenen Kreise einen Erkenntniswert haben könnten, beruhten auf Spekulationen und Mutmaßungen, die der Problematik nicht gerecht würden. Es liege in der Natur der Sache, dass keine exakte Aussage darüber getroffen werden könne, welche Konsequenzen die Offenbarung der begehrten Informationen habe.

72

Hinzu komme, dass Leib und Leben etwaiger V-Leute geschützt werden müssten. Im vorliegenden Fall sei ein gewaltbereites rechtsextremistisches Umfeld gegeben, so dass die Aufdeckung der Identität zu einer Gefährdung dieser grundrechtlich geschützten, hochrangigen Güter führen könne. Angesichts der Hochrangigkeit dieser Güter könne kein noch so geringes Risiko hingenommen werden. Das Staatswohlinteresse, den Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel funktionsfähig zu erhalten, sei derart bedeutsam, dass auch geringfügige Risiken nicht tolerierbar seien. Aus den bereits im Zusammenhang mit der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 genannten Gründen entfalle das Geheimhaltungsbedürfnis nicht, weil der Sachverhalt lange zurückliege. Mit Blick auf das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts dürfe etwaigen Beteiligten nicht ermöglicht werden, Absprachen zu treffen und sonstige Verschleierungsmaßnahmen vorzunehmen.

73

Eine Einstufung der Antworten als Verschlusssache reiche aus den genannten Gründen nicht aus, um die Gefahr eines Bekanntwerdens verlässlich auszuschließen und dem Geheimhaltungsbedürfnis Rechnung zu tragen.

74

b) Die Antragsgegnerin habe die Fragen 14 bis 16 und die Fragen 19 bis 21 jeweils zusammenfassend beantwortet und mitgeteilt, dass dem Bundesamt für Verfassungsschutz fünf Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat aus der Zeit von 1980 bis 1985 sowie 197 Quellenmeldungen zu der Wehrsportgruppe Hoffmann aus der Zeit von 1974 bis 1985 vorlägen. Eine nähere Aufschlüsselung nach Herkunft und Jahren müsse unterbleiben. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Zahl der Quellenmeldungen insgesamt sehr niedrig sei. Eine weitere Aufgliederung hätte die Mitteilung punktgenauer Informationen zur Folge. Unter Nutzung von Zusatzwissen sei es dann möglich, Bezüge zu bestimmten Personen herzustellen. Die Wehrsportgruppe Hoffmann habe zuletzt aus etwa 400 Mitgliedern bestanden, sei jedoch in mehrere Ortsgruppen untergliedert gewesen. Nach dem Verbot der Wehrsportgruppe Hoffmann zum Anfang des Jahres 1980 bis Mitte 1981 habe sich Karl-Heinz Hoffmann mit etwa 20 weiteren Personen im Libanon aufgehalten und dort die "Wehrsportgruppe Ausland" gegründet. Gerade in der Zeit vor und nach dem Oktoberfestattentat sei der Personenkreis somit sehr überschaubar gewesen.

75

c) Schließlich habe die Antragsgegnerin die Gründe für die unterbliebene oder lediglich teilweise Beantwortung auch ausreichend dargelegt.

V.

76

Die Antragstellerinnen und die Antragsgegnerin haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

B.

77

Die Anträge sind gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG zulässig.

I.

78

1. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind als Fraktionen nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG in Organstreitigkeiten parteifähig und berechtigt, sowohl eigene Rechte als auch Rechte des Deutschen Bundestages im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen (vgl. BVerfGE 2, 143 <165>; 67, 100 <125>; 131, 152 <190>; 139, 194 <220 Rn. 96>; stRspr). Die Bundesregierung ist nach § 63 BVerfGG taugliche Antragsgegnerin.

79

2. Die Anträge beziehen sich auf zulässige Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine rechtserhebliche Maßnahme als auch ein rechtserhebliches Unterlassen sein (vgl. BVerfGE 103, 81 <86>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <220 f. Rn. 98>; stRspr). Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer vollständigen Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht vollständigen Beantwortung handelt. Die teilweise Antwortverweigerung, die Nichtbeantwortung oder die nicht hinreichende Beantwortung der Kleinen Anfragen können die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihrem aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Auskunftsrecht verletzen. Damit sind die Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; 103, 81 <86>; 104, 310 <324>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <221 Rn. 98>).

II.

80

1. Die Antragstellerinnen sind antragsbefugt. Ein die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag einerseits und die Antragsgegnerin andererseits umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis liegt vor. Die Antragstellerinnen beanstanden Antworten der Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen. Der Organstreit betrifft damit die Reichweite des in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verfassungsrechtlich verankerten, in der Geschäftsordnung des Bundestages näher ausgestalteten Fragerechts sowie die grundsätzliche Verpflichtung der Bundesregierung, auf Fragen im Parlament Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 <185>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <221 Rn. 99>). Das Recht auf Information stellt sowohl ein eigenes Recht der Fraktionen dar, das der Bundesregierung gegenüber geltend gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 91, 246 <250 f.>; 100, 266 <270>; 124, 161 <187>), als auch ein Recht des Deutschen Bundestages, auf welches sich die Antragstellerinnen im Wege der Prozessstandschaft berufen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <187>; 139, 194 <221 Rn. 99>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 92, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

81

2. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte der Antragstellerinnen - soweit sie die unzureichende Beantwortung von ihnen jeweils selbst gestellter Anfragen rügen - und Rechte des Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt (vgl. dazu BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 112, 363 <365>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <222 Rn. 100>). Vielmehr erscheint es möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihre Antworten den Informationsanspruch der Antragstellerinnen und des Deutschen Bundestages in unzulässiger Weise verkürzt hat. Die Antragstellerinnen haben die Möglichkeit einer solchen Verletzung hinreichend dargelegt und ausgeführt, weshalb sie das verfassungsrechtlich verankerte Informationsrecht als verletzt ansehen und dessen Grenzen, auf die sich die Antragsgegnerin beruft, für nicht einschlägig halten.

III.

82

Mit dem am 20. Mai 2015 eingegangenen Antrag wahren die Antragstellerinnen die Sechsmonatsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG. Die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 1. wurde am 24. November 2014, die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 2. am 9. Februar 2015 von der Antragsgegnerin beantwortet.

C.

83

Die Anträge sind teilweise begründet.

I.

84

1. Das aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abgeleitete Frage- und Informationsrecht ermöglicht es dem Bundestag und seinen Mitgliedern zum einen, sich die für ihre Tätigkeit notwendigen Informationen zu verschaffen (a)). Zum anderen dient es der Kontrollfunktion des Parlaments, die sowohl aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz (b)) als auch aus dem Demokratieprinzip folgt (c)).

85

a) Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ergibt sich ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; 137, 185 <230 f. Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; stRspr). Aus dem Frage- und Informationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der Bundesregierung daher die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit des Parlaments (vgl. BVerfGE 137, 185 <231 Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; jeweils m.w.N.; stRspr).

86

b) Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf eine Verteilung der politischen Macht, das Ineinandergreifender drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>; 139, 194 <223 f. Rn. 105>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereichen unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

87

c) Die Kontrollfunktion des Parlaments ist zugleich Ausfluss der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>; 139, 194 <224 Rn. 106>). Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung hergestellt (vgl. etwa BVerfGE 137, 185 <232 Rn. 131>; 139, 194 <224 f. Rn. 107>). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung (vgl. BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>; 137, 185 <232 f. Rn. 131>; 139, 194 <225 Rn. 107>).

88

Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 132>; vgl. ferner BVerfGE 130, 76 <128>).

89

2. Der Informationsanspruch der Abgeordneten, Fraktionen und des Deutschen Bundestages unterliegt gleichwohl Grenzen. Sie ergeben sich aus dem Verantwortungsbereich der Regierung (a)), dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung einschließt (b)), dem Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl) (c)) und Grundrechten Dritter (d)).

90

a) Der Informationsanspruch kann sich von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen, da es insoweit an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag fehlt (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>; 137, 185 <233 Rn. 134>; 139, 194 <225 Rn. 107>). Hinsichtlich der Tätigkeit und Erkenntnisse der Nachrichtendienste ist der Verantwortungsbereich der Bundesregierung berührt, wenn die Anfragen Tätigkeiten unmittelbar nachgeordneter Behörden betreffen oder sie sich auf den Kenntnisstand der Bundesregierung zu Aktivitäten anderer Geheimdienste beziehen. Die Bundesregierung ist insoweit nicht auf Auskünfte beschränkt, die die Koordinierungsfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz betreffen (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>). Sie kann sich auch nicht von vornherein unter Bezugnahme auf ihren Verantwortungsbereich darauf berufen, sich nicht zu der Tätigkeit der Landesverfassungsschutzbehörden äußern zu müssen. Bereits die durch § 5 Abs. 1 BVerfSchG dem Bundesamt für Verfassungsschutz eröffnete Möglichkeit, Daten der Landesverfassungsschutzbehörden zu nutzen, sowie die in § 6 BVerfSchG geregelte gegenseitige Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden sprechen dafür, dass der Verantwortungsbereich der Bundesregierung auch bei Fragen, die sich auf ihre Erkenntnisse über die Tätigkeit und Informationen von Verfassungsschutzbehörden der Länder beziehen, berührt sein kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>).

91

b) Begrenzt wird der Informationsanspruch des Bundestages, der einzelnen Abgeordneten und der Fraktionen auch durch den Grundsatz der Gewaltenteilung. In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient dieser Grundsatz zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (vgl. BVerfGE 9, 268 <279 f.>; 137, 185 <233 Rn. 135>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung (vgl. BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

92

Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 131, 152 <210>; 137, 185 <234 Rn. 136>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 119, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214>). Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen (vgl. BVerfGE 124, 78 <120 f.>; 137, 185 <234 Rn. 136>).

93

Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Der aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung, sondern wirkt über den Zeitpunkt einer Entscheidung hinaus (BVerfGE 110, 199 <215>; 137, 185 <234 f. Rn. 137>).

94

c) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl).

95

aa) Die insoweit zu Beweiserhebungen von Untersuchungsausschüssen entwickelten Maßstäbe sind auf das Fragerecht der Abgeordneten zu übertragen (so bereits BVerfGE 124, 161 <189> zu Kleinen Anfragen und BVerfGE 137, 185 <240 Rn. 149> zu Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages und schriftlichen Fragen), weil es sich mit Blick auf das parlamentarische Informationsinteresse und das gegebenenfalls entgegenstehende Geheimhaltungsinteresse der Exekutive um vergleichbare Sachverhalte handelt. Danach bildet eine Grenze des Beweiserhebungsrechts das Staatswohl, das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 137, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Untersuchungs- sowie dem Informations- und Fragerecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls (vgl. BVerfGE 124, 78 <123>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 138, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

96

bb) Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheimzuhalten sind (BVerfGE 124, 78 <124>). Mithin kann bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 137, 185 <241 Rn. 149>).

97

(1) Der Bundestag hat in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Erfüllung seiner Aufgaben festgelegt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 77, 1 <48>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 139, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 Rn. 149>). Die Geheimschutzordnung kann damit ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse sein (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 124, 78 <124 f.>; 137, 185 <264 Rn. 199>; siehe ferner BVerfGE 130, 318 <362>; 131, 152 <208>).

98

Die Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungs- noch das Haushalts- noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>). Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>; 137, 185 <241 Rn. 150>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 140, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 137, 185 <241 Rn. 150>).

99

(2) Die Staatspraxis kennt neben der Geheimschutzordnung als Mittel des Ausgleichs zwischen parlamentarischem Informationsinteresse und dem Geheimhaltungsinteresse das aus ausgewählten (derzeit neun) Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (vgl. Art. 45d GG, § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 PKGrG; vgl. dazu BVerfGE 130, 318 <359>). Durch die Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Bundestages auf die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums wird ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das zum Ausgleich der kollidierenden Interessen führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <262 Rn. 194>). Jedoch ist das Gremium ein zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle, das parlamentarische Informationsrechte nicht verdrängt (vgl. BVerfGE 124, 161 <190> mit Verweis auf § 1 Abs. 2 PKGrG). Die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes durch ein ständiges Gremium soll eine Lücke schließen, da weder Öffentlichkeit noch Parlament von geheimen Vorgängen entsprechende Kenntnis erlangen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <190 f.>). Die einzelnen Abgeordneten, die Fraktionen und das Plenum des Deutschen Bundestages können jedoch nicht auf Informationen zugreifen, die die Bundesregierung dem Parlamentarischen Kontrollgremium gegeben hat (vgl. BVerfGE 124, 161 <191>).

100

d) Schließlich können das Fragerecht der Abgeordneten, Fraktionen und des Bundestages sowie die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten haben (vgl. BVerfGE 67, 100 <142>; 76, 363 <387>; 124, 78 <125>; 137, 185 <243 Rn. 153>). Daher ist zwischen den betroffenen Grundrechten verdeckt handelnder Personen und dem Informationsinteresse des Parlaments ein Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz zu finden. Dabei können insbesondere das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (aa)), das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und der postmortale Persönlichkeitsschutz berührt sein (bb)). Zudem ist das Gebot des Vertrauensschutzes zu beachten (cc)) und auch insoweit zu berücksichtigen, ob das Parlament ausreichende Vorkehrungen zum Geheimnisschutz getroffen hat (dd)).

101

aa) Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nimmt im Gefüge des Grundgesetzes einen besonders hohen Rang ein (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 57, 250 <284>; 115, 118 <139>; 128, 282 <302>). Dieses Grundrecht verpflichtet den Staat dazu, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen zu schützen, das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 115, 320 <346>). Gefahren für dieses Rechtsgut können sich ergeben, wenn durch die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage die Identität einer V-Person preisgegeben wird oder Rückschlüsse darauf ermöglicht werden und als Folge Reaktionen der beobachteten Personen oder Organisationen zu befürchten sind (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 82; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 281; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>).

102

bb) Darüber hinaus sind Auswirkungen auf das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgende Persönlichkeitsrecht denkbar (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 83). Dieses Grundrecht gewährleistet den Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt als "unbenanntes" Freiheitsrecht die speziellen ("benannten") Freiheitsrechte, die ebenfalls konstituierende Elemente der Persönlichkeit schützen (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>; 119, 1 <24>). Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>). Zu den Schutzgütern zählen unter anderem die Privat- (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>), Geheim- und Intimsphäre sowie die persönliche Ehre (vgl. BVerfGE 54, 148 <153 f.>; 114, 339 <346>; 119, 1 <24>) und das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Eine wesentliche Gewährleistung ist der Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen einer Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Ferner gibt es dem Einzelnen in seiner Ausformung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten (vgl. BVerfGE 130, 1 <35>) sowie darüber zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 103, 21 <33>).

103

Das Fortwirken des Persönlichkeitsrechts nach dem Tode ist zu verneinen, weil Träger dieses Grundrechts nur die lebende Person ist. Mit ihrem Tode erlischt der Schutz aus diesem Grundrecht. Jedoch schützt der aus Art. 1 Abs. 1 GG folgende allgemeine Achtungsanspruch Verstorbene vor grober Herabwürdigung und Erniedrigung (vgl. BVerfGE 30, 173 <194>). Geschützt wird auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat (vgl. BVerfGK 9, 83 <88>; 13, 115 <117>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. April 2001 - 1 BvR 932/94 -, juris, Rn. 19). Das parlamentarische Auskunftsrecht kann aufgrund seiner hohen Bedeutung durch den postmortalen Persönlichkeitsschutz jedoch allenfalls in besonderen Ausnahmekonstellationen beschränkt werden.

104

cc) Durch Vertraulichkeitszusagen wird zudem ein Vertrauenstatbestand geschaffen. Dies hat insoweit grundrechtliche Relevanz, als eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG vorliegen kann, wenn das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes nicht hinreichend berücksichtigt wird (vgl. BVerfGE 59, 128 <164>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Februar 1993 - 2 BvR 196/92 -, juris, Rn. 10). Im Verhältnis zu dem parlamentarischen Auskunftsanspruch kann der durch eine Vertraulichkeitszusage begründete Vertrauensschutz jedenfalls dann einen Gesichtspunkt darstellen, der das Informationsrecht des Parlaments einzuschränken vermag, wenn durch die Beantwortung einer Anfrage Grundrechte der V-Person gefährdet würden. Ansonsten hätten es die Vertraulichkeit garantierenden Behörden in der Hand, über den Auskunftsanspruch des Parlaments zu disponieren.

105

dd) Auch zugunsten des Schutzes der Grundrechte Privater gestattet die Bedeutung, die das Informations- und das Kontrollrecht des Parlaments gegenüber der Regierung sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates haben, in aller Regel dann keine Verkürzung des grundsätzlichen Rechts auf Beantwortung der der Regierung gestellten Fragen, wenn Parlament und Regierung Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben, die das ungestörte Zusammenwirken beider Verfassungsorgane auf diesem Gebiet gewährleisten, und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>). Eine Ausnahme hiervon gilt nur für solche Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>; 76, 363 <388>).

106

3. Die Bundesregierung muss eine vollständige oder teilweise Auskunftsverweigerung hinreichend begründen (a)). Ein Nachschieben von Gründen ist nicht zulässig (b)).

107

a) Aus der verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung muss - auch im Hinblick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Verhältnis zwischen Verfassungsorganen(vgl. BVerfGE 119, 96 <125>) - den Bundestag in die Lage versetzen, seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrzunehmen. Dies ist nur dann möglich, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessen ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>). Eine Begründung der Antwortverweigerung ist daher nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <232 Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Anforderungen an die Begründung dürfen allerdings nicht so weit gehen, dass mit ihr Teile der verweigerten Information offengelegt werden müssen.

108

b) Die Begründung stellt nicht nur ein Instrument kritischer Selbstkontrolle dar, sondern soll die Berechtigung zur Antwortverweigerung plausibel machen und die Prüfung ermöglichen, ob rechtliche Schritte angezeigt sind (vgl. BVerfGE 124, 78 <139>). Ist die Verschaffung vollständiger Information zunächst ohne zureichende Begründung abgelehnt worden, so vermag eine erst im Organstreitverfahren gegebene ergänzende Begründung nichts an dem darin liegenden Rechtsverstoß zu ändern (vgl. BVerfGE 124, 78 <147>). Ein Nachschieben von Gründen ist mithin nicht zulässig. Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Versagung eines Rechts durch eine mit Gründen versehene Abwägungsentscheidung. Allein diese Entscheidung unter Einschluss der ihr zugrundeliegenden Abwägung und Begründung wird zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung gestellt (vgl. auch BbgVerfG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 6/04 -, NVwZ-RR 2005, S. 299 <302 f.>; SächsVerfGH, Urteil vom 5. November 2010 - Vf. 35-I-10 -, juris, Rn. 31 f.).

II.

109

Nach diesen Maßstäben ist die Bundesregierung zwar grundsätzlich verpflichtet, dem Parlament Antworten auf Anfragen aus dem Bereich der Tätigkeit von Nachrichtendiensten zu erteilen. Angesichts der Bedeutung, die dem Einsatz verdeckter Quellen bei der Informationsbeschaffung der Nachrichtendienste zukommt (1.), kann sich die Bundesregierung zur Auskunftsverweigerung trotz des erheblichen Informationsinteresses des Parlaments in diesem Bereich (2.) aber in der Regel auf eine Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte verdeckt handelnder Personen berufen, wenn deren Identität bei der Erteilung der begehrten Auskünfte offenbart würde oder ihre Identifizierung möglich erscheint. Nur in eng begrenzten, besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen kann, wenn die Gefährdung verfassungsrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint, das Informations- gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse überwiegen (3.).

110

1. a) Zur Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland lässt das Grundgesetz (Art. 45d, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b, Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ausdrücklich die Errichtung von Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten zu. Nachrichtendienste sind Ausdruck der Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine wehrhafte Demokratie, des Selbstbehauptungswillens des Rechtsstaates und damit Bestandteil des Sicherheitssystems der Bundesrepublik Deutschland (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 126, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Bei dem Einsatz von V-Leuten durch die Nachrichtendienste, also von Privatpersonen, deren planmäßige, dauerhafte Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten oder Polizeibehörden Dritten nicht bekannt ist (vgl. die Legaldefinitionen in § 9b Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG und § 20g Abs. 2 Nr. 4 BKAG), handelt es sich um eine vom Gesetzgeber gebilligte Methode zur verdeckten Informationsbeschaffung (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG). Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder die Sicherheit und den Bestand des Staates gerichtete Bestrebungen und Aktivitäten meist von Gruppierungen ausgehen, die konspirativ tätig sind, und dass die Nachrichtendienste ihre Aufgaben daher nur effektiv erfüllen können, wenn sie über nachrichtendienstliche Mittel verfügen, wozu auch der Einsatz von V-Leuten gehört (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 21; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 262 ff.). Der Gesetzgeber hat in der Begründung des Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vom 17. November 2015 bekräftigt, dass die planmäßige und systematische Informationsbeschaffung insbesondere durch V-Leute ein unverzichtbares Mittel zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sei (vgl. BTDrucks 18/4654, S. 25). Auch die Strafverfolgungsorgane können zur Bekämpfung besonders gefährlicher Kriminalität auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen sein, wenn sie ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten überhaupt gerecht werden sollen (vgl. BVerfGE 57, 250 <284>; 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>). Oftmals können nur auf diesem Wege interne Informationen über den Aufbau krimineller Organisationen, ihre Führungspersonen, ihre tatsächlichen Ziele sowie die Planung und Durchführung konkreter Maßnahmen gewonnen werden (vgl. BVerfGE 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>).

111

Neben V-Leuten zählen zu den geheimhaltungsbedürftigen Informationsquellen der Nachrichtendienste insbesondere Gewährspersonen (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG), die nur von Fall zu Fall für die Behörden tätig werden, und sonstige Informanten, die gelegentlich Hinweise geben (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 30 f.; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 266 ff.). Außerdem können hauptberufliche Mitarbeiter der Nachrichtendienste unter einer Legende in Organisationen oder Szenen eingeschleust werden, um diese für längere Zeit zu beobachten. Für diese Personen gelten die Ausführungen zu V-Leuten entsprechend. Es bedarf ihres Einsatzes ebenso wie des Einsatzes Verdeckter Ermittler durch die Strafverfolgungsbehörden, wenn und soweit anderenfalls die Wahrnehmung ihres Auftrags gerade im Hinblick auf besonders gefährliche Kriminalitätsfelder erheblich erschwert oder unmöglich gemacht würde (vgl. BVerfGE 129, 208 <256>).

112

b) Der Schutz von Informationsquellen und insbesondere von V-Leuten dient nicht nur den Interessen der betroffenen Personen, sondern hat auch für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste erhebliche Bedeutung.

113

aa) Wird eine V-Person enttarnt, führt dies in aller Regel dazu, dass ein etwaiger aktueller Einsatz nicht fortgeführt werden kann und die V-Person auch für künftige Einsätze nicht mehr zur Verfügung steht. Der dadurch entstehende Informationsverlust kann in der Regel nicht kompensiert werden, weil sich V-Leute nicht beliebig gewinnen lassen und ihre Anwerbung oftmals in einem schwierigen und langwierigen Prozess besteht (vgl. dazu Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 268, 280). Zu berücksichtigen ist, dass Auskünfte der Nachrichtendienste nicht unbedingt nur dann zu dem Verlust einer V-Person führen können, wenn diese enttarnt wird. Es kann bereits ausreichen, dass eine V-Person den subjektiven Eindruck gewinnt, die Vertraulichkeit ihrer Tätigkeit sei nicht hinreichend gesichert (vgl. Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>). Sie wird die Zusammenarbeit dann möglicherweise von sich aus beenden. Darüber hinaus kann die Enttarnung einer V-Person dazu führen, dass die Beobachtung einer bestimmten Gruppierung und die Umstände dieser Maßnahme bekannt werden. Dies wiederum kann zur Folge haben, dass bereits erlangte Informationen ihren Nutzen verlieren und die künftige Informationsgewinnung erschwert wird (so auch BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Gegebenenfalls treten diese Folgen nicht erst mit der Enttarnung der V-Person ein, sondern schon dann, wenn bekannt wird, dass eine V-Person eingesetzt worden ist.

114

bb) Werden quellenbezogene Informationen bekannt, kann die Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste auch über den konkreten Einzelfall hinaus für die Zukunft generell beeinträchtigt werden. Zum einen können Informationen bekannt werden, die für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste von Bedeutung sind. Dies betrifft insbesondere das Vorgehen der Behörden bei der Anwerbung und Führung von sowie der Kommunikation mit V-Leuten und sonstigen Quellen. Das Bekanntwerden derartiger Informationen kann es den zu beobachtenden Gruppierungen ermöglichen, Abwehrstrategien gegen ihre Infiltration und Beobachtung zu entwickeln. Zum anderen ist der Quellenschutz eine Voraussetzung für die weitere Nutzung aktiver und die Gewinnung neuer Informationsquellen (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Von besonderer Bedeutung ist dabei die Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen. Sie ist unverzichtbare Voraussetzung für die Anwerbung und Führung von V-Personen. Die Effektivität der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste unter Einsatz von V-Personen ist davon abhängig, dass das Vertrauen in die Einhaltung gegebener Vertraulichkeitszusagen nicht erschüttert wird. Werden Informationen über V-Leute und sonstige verdeckte Quellen herausgegeben, schwächt dies das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass eine V-Person oder eine sonstige Quelle enttarnt wird (vgl. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 280). Darüber hinaus kann auch in diesem Zusammenhang bereits der (subjektive) Eindruck ausreichen, die Vertraulichkeit sei nicht gesichert, um aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abzuhalten und die Gewinnung neuer Quellen zu erschweren (vgl. Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, S. 387 <391 f.>; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1266>).

115

2. Dem Geheimhaltungsinteresse steht ein gewichtiges Informationsinteresse des Parlaments an der Beantwortung Kleiner Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen und insbesondere von V-Leuten gegenüber.

116

Wie alle anderen Organe der vollziehenden Gewalt unterliegen auch die Nachrichtendienste der Kontrolle durch das Parlament. Der Bundestag ist daher berechtigt und verpflichtet, seine Kontrollaufgaben gegenüber der Regierung im nachrichtendienstlichen Bereich unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente vom Fragerecht des Abgeordneten bis hin zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen wahrzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 149, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Kontrollinstrumente stehen nicht in einem Alternativ- oder Spezialitätsverhältnis zueinander (vgl. § 1 Abs. 2 PKGrG; BTDrucks 8/1599, S. 6).

117

Bezieht sich eine parlamentarische Anfrage auf einen für Staat und Gesellschaft besonders bedeutsamen Bereich, hat die Öffentlichkeit ein gesteigertes Interesse an parlamentarischer Kontrolle. Bei dem Einsatz von V-Leuten zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sowie insbesondere zur Verhinderung und Aufklärung schwerwiegender Straftaten geht es um die Sicherheit des Staates und seiner Bevölkerung. Hierzu kann es erforderlich sein, Personen aus extremistischen oder kriminellen Milieus als V-Leute einzusetzen. Wenn öffentliche Stellen mit einer V-Person kooperiert haben, die im Verdacht steht, erhebliche, gegebenenfalls dem extremistischen Milieu zuzuordnende Straftaten begangen zu haben, ist zu berücksichtigen, dass das parlamentarische Informationsinteresse von besonderem Gewicht ist, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

118

Schließlich kommt der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste angesichts von Art und Umfang der ihnen an die Hand gegebenen nachrichtendienstlichen Mittel und wegen der mit der Anwendung dieser Mittel einhergehenden Schwere von Grundrechtseingriffen, der Unbemerkbarkeit des Handelns dieser Behörden und der fehlenden Transparenz des anschließenden Datenverarbeitungsvorgangs für die Betroffenen (vgl. BVerfGE 100, 313 <361>) eine besondere Aufklärungsfunktion zu (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 151, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

119

3. Wenn verfassungsrechtlich verankerte Geheimhaltungsinteressen und parlamentarische Auskunftsansprüche in Konflikt geraten, müssen die unterschiedlichen Interessen in der Weise in Ausgleich gebracht werden, dass beide soweit wie möglich ihre Wirkung entfalten. Insbesondere soweit Anfragen Umstände betreffen, die aus Gründen des Staatswohls geheimhaltungsbedürftig sind, stellt sich die Frage, ob und auf welche Weise dieses Anliegen mit dem jeweiligen parlamentarischen Informationsanspruch in Einklang gebracht werden kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <189>).

120

a) In Bezug auf die Tätigkeit von Nachrichtendiensten kommt eine grundsätzliche Begrenzung des Informationsanspruchs des Bundestages, wie sie im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Frage- und Informationsrecht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle für Anfragen zu Vorgängen vor Erlass einer positiven Genehmigungsentscheidung im Ansatz vorgenommen wurde (vgl. BVerfGE 137, 185 ff.), nicht in Betracht. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen, zu entsprechenden Voranfragen von Rüstungsunternehmen und zu abschlägig beschiedenen Anträgen können aus Gründen des Staatswohls verweigert werden, weil das vorzeitige Bekanntwerden sensibler Rüstungsexportgeschäfte zu Verwerfungen im Verhältnis zu dem jeweiligen Erwerberland führen, die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung beeinträchtigen und zu Einbußen für die inländische Rüstungsindustrie führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <251 ff. Rn. 173 ff.>).

121

Damit ist die Beantwortung von Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen durch die Nachrichtendienste nicht vergleichbar. Antworten auf solche parlamentarischen Anfragen beeinträchtigen berechtigte Geheimhaltungsinteressen nicht in jedem denkbaren Fall und lassen eine solche Beeinträchtigung auch nicht stets besorgen. Denn aus der Vielfalt der möglichen Sachverhaltskonstellationen folgt, dass weder aus der Beantwortung einzelner Fragen noch aus der Verweigerung einer Antwort zwingend Erkenntnisse über die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gewonnen werden können, die sich nachteilig auf ihre Funktionsfähigkeit auswirken. Die Konstellationen im Bereich ihrer verdeckten Tätigkeit sind derart vielfältig, dass eine Abwägung nicht in jedem Fall zu einem Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses führt.

122

b) Allerdings kann sich die Bundesregierung zur Begründung einer Antwortverweigerung bei Fragen zum Einsatz verdeckt handelnder Personen in der Regel auf entgegenstehende Gründe des Staatswohls und deren Grundrechte berufen, wenn die an sie gerichteten Fragen einen Bezug zu konkreten Personen aufweisen. Insbesondere bei Fragen, die möglicherweise noch aktive V-Leute betreffen oder sich auf aktuelle beziehungsweise noch nicht weit zurückliegende Ereignisse beziehen, ist regelmäßig von der Gefahr einer Enttarnung der V-Leute und damit zugleich von einer Gefährdung ihrer Grundrechte oder der Grundrechte ihnen nahestehender Personen auszugehen. Dies wiederum zieht die Möglichkeit nach sich, dass Rückschlüsse auf die Anwerbung von V-Leuten, die Art und Weise ihres Einsatzes und gegebenenfalls ihre Anzahl, also Erkenntnisse zu der Arbeitsweise der Nachrichtendienste bekannt werden könnten. Diese Risiken dürften regelmäßig auch noch nach der Abschaltung einer verdeckten Quelle fortbestehen. Das berechtigte Interesse an einer Antwortverweigerung besteht in diesen Fällen unabhängig davon, ob eine konkrete Person als V-Person eingesetzt worden ist oder nicht. Anderenfalls könnte aus der Antwortverweigerung in vergleichbaren Fällen im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die dort in Rede stehende Person eine V-Person (gewesen) ist.

123

Eine negative Auskunft zu einer bestimmten Person könnte zudem den Verdacht auf andere Personen lenken oder einen bereits bestehenden Verdacht erhärten und somit diese Personen oder ihr Umfeld gefährden. Aber auch unabhängig von der Gefährdung grundrechtlicher Belange in einem konkreten Einzelfall und ungeachtet des Zeitablaufs kann die Enttarnung von verdeckt handelnden Personen eine Gefährdung der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden darstellen, da durch die Herausgabe von Informationen über V-Leute oder sonstige verdeckte Quellen das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen geschwächt und damit noch aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abgehalten und die Gewinnung neuer Quellen erschwert werden können. Solche nachteiligen Auswirkungen müssen von der Bundesregierung nicht ohne weiteres in Kauf genommen werden - ebenso wenig wie die Gefährdung der Grundrechte von V-Leuten oder ihnen nahestehender Personen.

124

Selbst bei Fragen zum Einsatz konkreter Personen als V-Leute sind jedoch eng begrenzte Ausnahmefälle denkbar, in denen das parlamentarische Informationsinteresse überwiegt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn aufgrund besonderer Umstände eine Gefährdung grundrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint und eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht ernsthaft zu befürchten ist. Bei dieser Abwägung ist der Zeitablauf ein bedeutsamer - wenn auch nicht allein ausschlaggebender - Faktor. So kann sich im Einzelfall bei weit zurückliegenden Vorgängen die Geheimhaltungsbedürftigkeit erheblich vermindert oder erledigt haben (vgl. BVerfGE 124, 161 <194>).

125

c) Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Beantwortung bestimmter Fragen nicht in Betracht kommt, ist sie gehalten zu prüfen, ob eine Beantwortung unter Einstufung nach der Geheimschutzordnung möglich ist. Aus dieser Möglichkeit folgt jedoch nicht, dass jede Anfrage nach Vornahme einer entsprechenden Einstufung beantwortet werden muss. Gerade im Bereich verdeckt handelnder Personen, deren Einsatz für das Staatswohl von großer Bedeutung und zugleich in hohem Maße geheimhaltungsbedürftig ist, besteht hinsichtlich bestimmter Informationen ein legitimes Interesse, den Kreis der Geheimnisträger auf das notwendige Minimum zu beschränken. Je größer dieser Kreis ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Geheimnisse - sei es absichtlich oder versehentlich - weitergegeben oder ausgespäht werden (vgl. BVerfGE 70, 324 <364>). Besonders geheimhaltungsbedürftige Informationen aus dem Bereich des Quellenschutzes können dem Parlament daher auch dann vorenthalten werden, wenn beiderseits Vorkehrungen gegen ihr Bekanntwerden getroffen worden sind. Einfachrechtlich hat der Gesetzgeber dies in § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG anerkannt, wonach selbst dem zur Geheimhaltung verpflichteten Parlamentarischen Kontrollgremium bestimmte Informationen vorenthalten werden können. Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass das Staatswohl und der Grundrechtsschutz auch dem Parlament anvertraut sind und dieses insoweit nicht als außenstehend behandelt werden darf. Es geht allein darum, den Kreis der Geheimnisträger bei besonders geheimhaltungsbedürftigen Informationen unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Staatsgewalt möglichst klein zu halten. Dementsprechend beschränkt sich der Kreis der Geheimnisträger gerade im Bereich des Einsatzes verdeckt handelnder Personen auch innerhalb der Exekutive auf nur wenige Personen.

III.

126

Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (1.) und - jedenfalls teilweise - bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (2.) verkannt und hierdurch Rechte der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sowie des Deutschen Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.

127

Die Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen fällt in den Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin. Sie zielen auf Erkenntnisse der Antragsgegnerin selbst oder der ihr nachgeordneten Behörden. Im Übrigen hat sich die Antragsgegnerin - auch hinsichtlich der Fragen nach Informationen der Landesämter für Verfassungsschutz - nicht auf eine fehlende Zuständigkeit berufen. Als Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs kommen vorliegend nur das Staatswohl und die Grundrechte in Betracht.

128

1. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht genügt. Sie hat keine Gründe vorgebracht, die eine Auskunftsverweigerung aufgrund von Staatswohlbelangen rechtfertigen würden (a)), und ihren Ausführungen lässt sich nicht nachvollziehbar entnehmen, dass Grundrechte Lembkes oder Dritter gefährdet werden könnten (b)).

129

a) Die begehrte Information, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann gewesen sei, ist von dem parlamentarischen Auskunftsrecht grundsätzlich umfasst. Die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung rechtfertigt nicht die Verweigerung der Antwort.

130

Die Antragsgegnerin vertritt in ihrer ablehnenden Entscheidung die Auffassung, dass das Bekanntwerden des Namens einer V-Person Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste zuließe. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Quellen der Nachrichtendienste bekannt würden, was zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit führe. Eine solchermaßen abstrakt gehaltene Begründung mag im Regelfall ausreichen. Die Antragsgegnerin muss Fragen zum Einsatz bestimmter Personen als V-Leute durch die Nachrichtendienste aufgrund entgegenstehender Staatswohlbelange und Grundrechte grundsätzlich nicht beantworten. Jedoch handelt es sich hier um einen besonders gelagerten Ausnahmefall.

131

Dem parlamentarischen Informations- und Kontrollinteresse kommt besondere Bedeutung zu, weil es der Antragstellerin zu 1. im Zuge einer anstehenden Neuregelung des Einsatzes von V-Leuten darum ging festzustellen, ob es - auch in der Vergangenheit - zu einer Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten gekommen ist. Bei Heinz Lembke handelte es sich um eine Person, der erhebliche Straftaten im rechtsextremistischen Milieu vorgeworfen wurden. Insofern hatte die Antragstellerin zu 1. ein nachvollziehbares Interesse, auch mit Blick auf eine mögliche Verbindung von V-Leuten zu den Aktivitäten des NSU Verdachtsmomenten nachzugehen, wonach bereits im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten zur Verhinderung oder Aufklärung des Anschlags genutzt worden seien. Damit verfolgte die Antragstellerin zu 1. das Ziel, mögliche Rechtsverstöße oder Missstände beim Einsatz von V-Leuten mit Blick auf zukünftige gesetzliche Regelungen aufzuklären, was ihrem Informationsinteresse ein besonders hohes Gewicht verleiht.

132

Demgegenüber vermögen die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe für die Antwortverweigerungangesichts der besonderen Umstände des Falles nicht zu überzeugen. Ein aktueller oder künftiger Einsatz Lembkes als V-Person kommt offensichtlich nicht mehr in Betracht. Aus der Begründung der Antragsgegnerin ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl laufende oder künftige Aufklärungseinsätze oder Ermittlungen gefährdet werden könnten. Dies gilt selbst dann, wenn man unterstellt, dass Personen aus Lembkes damaligem Umfeld auch heute noch im Fokus der Nachrichtendienste stehen. Zu denken wäre hier etwa an Karl-Heinz Hoffmann. Dass die Wehrsportgruppe Hoffmann von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet wurde, lässt sich den veröffentlichten Berichten des Bundesamts für Verfassungsschutz entnehmen. Dass aktuelle Einsätze der Nachrichtendienste erschwert werden könnten, wenn den betroffenen Personen darüber hinaus bekannt würde, dass der 1981 verstorbene Heinz Lembke ein V-Mann war, ist weder plausibel begründet worden noch sonst ersichtlich.

133

Soweit die Antragsgegnerin nach Einleitung des Organstreitverfahrens vorgetragen hat, dass die Beantwortung der Frage 2 a) mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht gehört werden. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der nicht näher ausgeführte Vortrag, dass eine Antwort auf die Frage etwaigen Tatbeteiligten ermögliche, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren oder andere Verdunklungsmaßnahmen zu ergreifen, zur Begründung der Antwortverweigerung ausreichen würde. Dies kann jedoch dahinstehen, weil die Antragsgegnerin die Ablehnung der Beantwortung dieser Frage nicht hierauf gestützt, sondern erstmals in ihrer Antragserwiderung auf das Ermittlungsverfahren Bezug genommen hat. Dabei handelt es sich um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen.

134

Ferner ist nicht plausibel begründet, weshalb die Antragsgegnerin in diesem Fall von einer Beeinträchtigung der allgemeinen Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste ausgeht. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann war, Rückschlüsse auf die derzeitige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen sollte. Zum einen würden keine Einzelheiten des damaligen Verhältnisses der Behörden zu Lembke bekannt. Dies gilt etwa für den Zeitpunkt und die Umstände seiner Anwerbung oder die Art und Weise der Führung von V-Personen. Zum anderen läge eine etwaige V-Mann-Tätigkeit Lembkes bereits so lange zurück, dass sich keine konkreten Rückschlüsse auf die heutige Vorgehensweise der Behörden ziehen lassen dürften. Dies gilt auch, soweit die Antragsgegnerin vorträgt, eine Antwort müsse wegen drohender Konsequenzen für die Arbeit der betreffenden Landesbehörden unterbleiben. Auch insoweit hat die Antragsgegnerin nicht dargetan, welche negativen Auswirkungen auf die Arbeit der Landesbehörden sie vor dem Hintergrund des erheblichen Zeitablaufs von über 30 Jahren befürchtet.

135

Zudem ist nicht hinreichend dargelegt, warum die ausnahmsweise Nichteinhaltung der gegebenen Vertraulichkeitszusage gegenüber Lembke Rückwirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste haben könnte. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles, nämlich der durch Lembke mutmaßlich begangenen erheblichen Straftaten und seines Todes vor über 30 Jahren, hätte es konkreter Ausführungen bedurft, warum sich aktuelle oder potentielle V-Leute hiervon bei ihrer Entscheidung, als V-Person tätig zu werden, maßgeblich beeinflussen lassen könnten. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Bereitschaft aktueller oder potentieller V-Leute zur Zusammenarbeit mit den Behörden entscheidend davon abhängt, ob die Vertraulichkeit auch Jahrzehnte nach ihrem Ableben noch gesichert erscheint. Dies gilt umso mehr, als die Vertraulichkeit grundsätzlich auch nach einem derart langen Zeitablauf gewahrt und nur ausnahmsweise bei Vorliegen gewichtiger Gründe aufgehoben werden kann, die das Geheimhaltungsinteresse im Einzelfall überwiegen.

136

b) Die Antragsgegnerin hat auch keine Gründe vorgebracht, die eine Verweigerung der Antwort auf die Frage 2 a) aus Gründen des Grundrechtsschutzes rechtfertigen.

137

Mit Blick auf Lembke ist eine Gefährdung der in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG genannten Rechtsgüter ausgeschlossen, weil er bereits 1981 verstorben ist. Der postmortale Persönlichkeitsschutz aus Art. 1 Abs. 1 GG steht der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft Lembkes ebenfalls nicht entgegen. Unabhängig davon, wie die Antwort auf die Frage ausfällt, ist mit ihr keine Erniedrigung oder Herabwürdigung der Person Lembkes verbunden. Ob der grundrechtliche Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes oder zumindest dessen objektiv-rechtlicher Gehalt einer Antwort nach dem Tod Lembkes überhaupt entgegenstehen kann, kann offenbleiben. Jedenfalls müsste ein sich daraus ergebendes Geheimhaltungsinteresse vor dem Hintergrund des Zeitablaufs von über 30 Jahren hinter dem besonders gewichtigen Informations- und Kontrollinteresse der Antragstellerin zu 1. und des Bundestages zurückstehen. Außerdem hat sich die Antragsgegnerin bei der Begründung ihrer Antwortverweigerung mit Blick auf den Grundrechtsschutz lediglich auf Art. 2 Abs. 2 GG gestützt, so dass im Übrigen ein unzulässiges Nachschieben von Gründen vorliegt.

138

Auf die Möglichkeit der Gefährdung von Grundrechten Lembke nahestehender Personen hat sich die Antragsgegnerin ebenfalls erst nach Einleitung des Organstreitverfahrens berufen. Zudem ist das Vorliegen einer derartigen Gefahr im konkreten Fall nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Vielmehr erscheint es angesichts des Zeitablaufs und der Auflösung der Wehrsportgruppe Hoffmann sehr unwahrscheinlich, dass Angehörige von Lembke oder sonstige ihm nahestehende Personen gefährdet wären, wenn bekannt würde, dass er ein V-Mann war. Für die Annahme, dass Personen aus dem damaligen Umfeld Lembkes aus der Antwort der Antragsgegnerin Rückschlüsse auf eine etwaige V-Person-Tätigkeitanderer Personen ziehen könnten, liegen ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte vor. Allein die niemals vollständig auszuschließende, im vorliegenden Fall aber fernliegende Möglichkeit derartiger Rückschlüsse genügt für eine Antwortverweigerung nicht.

139

2. Die Antragsgegnerin hat auch ihrer Antwortpflicht hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 nur teilweise genügt. Während die Begründung die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 nicht trägt (a)), war die Antwortverweigerung hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 teilweise gerechtfertigt (b)).

140

Soweit die Antragsgegnerin eine Beantwortung der Fragen abgelehnt hat, hat sie dies im Wesentlichen aus denselben Gründen getan wie bei der Ablehnung einer Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Zum einen hat sie darauf verwiesen, dass anderenfalls Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden könnten. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre. Zum anderen müssten Leben und körperliche Unversehrtheit etwaiger V-Leute geschützt werden.

141

a) Bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar dargelegt, inwieweit das Staatswohl (aa)) oder die Grundrechte etwaiger V-Leute oder Dritter (bb)) durch eine vollständige Beantwortung gefährdet sein sollen. Sie hat die Fragen 14 bis 16 zusammenfassend dahingehend beantwortet, dass ihr zum Oktoberfestattentat aus den Jahren 1980 bis 1985 fünf Quellenmeldungen vorlägen. Hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin die Auskunft erteilt, in die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" hätten 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang gefunden. Eine Aufschlüsselung dieser Meldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden (Bundesamt für Verfassungsschutz, Landesämter für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst) hat die Antragsgegnerin sowohl hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 als auch hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 verweigert.

142

aa) Der Begründung der Antragsgegnerin lässt sich nicht entnehmen, weshalb sich aus der erbetenen Aufschlüsselungrelevante Erkenntnisse über die Identität von V-Leuten oder die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ergeben könnten. Dies erscheint vielmehr gleich aus mehreren Gründen fernliegend. Es lässt sich nicht nachvollziehen, wie sich aus einer nach Jahren und Ursprungsbehörden aufgeschlüsselten Angabe der Zahl der Quellenmeldungen Rückschlüsse auf die Identität einzelner V-Personen ziehen lassen sollen. Insbesondere ist nicht nach Meldungen von V-Leuten, sondern allgemein nach Meldungen von Quellen gefragt worden. Hierzu zählen auch Meldungen von Gewährsleuten oder sonstigen Informanten. Darüber hinaus ist nicht danach gefragt worden, in welcher Beziehung die Quellen zu bestimmten Gruppierungen - insbesondere der Wehrsportgruppe Hoffmann - standen. Bei einer vollständigen Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 würden somit weder Erkenntnisse zur Zusammenarbeit einer Quelle mit einer bestimmten Behörde noch zu ihrer Verbindung zu einer bestimmten Gruppierung offenbart werden. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass nicht nach der Anzahl der Quellen, sondern nach der Anzahl der Quellenmeldungen gefragt worden ist. Aus der Anzahl der Quellenmeldungen lassen sich keine belastbaren Rückschlüsse auf die Zahl der von einer Behörde geführten Quellen ziehen. Dies gilt selbst dann, wenn eine Behörde in einem Jahr nur eine einzige oder gar keine Quellenmeldung im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat oder der Wehrsportgruppe Hoffmann erhalten haben sollte. Hinzu kommt, dass im Rahmen der Fragen 15 und 20 (Anzahl der Meldungen von Quellen der Landesämter für Verfassungsschutz) keine Differenzierung nach Ländern erbeten worden ist, aus der sich möglicherweise Anhaltspunkte bezüglich der Herkunft der Quelle ergeben könnten; es ist lediglich um Mitteilung der Gesamtzahl der Quellenmeldungen von allen Landesämtern gebeten worden.

143

Dass eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen und dadurch deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigen könnte, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Dass Nachrichtendienste Informationen aus vertraulichen Quellen erlangen, ist allgemein bekannt. Aus den nach Jahren und Behörden aufgeschlüsselten Zahlen der Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat oder zur Wehrsportgruppe Hoffmann lassen sich allenfalls gewisse Rückschlüsse auf den Umfang der Beobachtung von Personen und Gruppierungen ziehen, die möglicherweise in irgendeinem Zusammenhang zum Oktoberfestattentat standen. Zu der Art und Weise, wie die Quellen damals geführt wurden, ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte. Erst recht lassen sich keine Rückschlüsse auf den heutigen Einsatz von Quellen ziehen.

144

bb) Die Begründung der Antragsgegnerin rechtfertigt auch keine Verweigerung der begehrten Aufschlüsselung zum Schutz der Grundrechte. Da die begehrten Informationen aus den genannten Gründen keinen hinreichend konkreten Bezug zu verdeckt tätigen Personen aufweisen, ist nicht zu besorgen, dass grundrechtlich geschützte Rechtsgüter etwaiger V-Leute oder Dritter gefährdet werden könnten.

145

b) Hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31, die auslegungsbedürftig sind (aa)), ist zu differenzieren. Soweit nach dem "Ob" des Einsatzes von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute gefragt wurde, werden die Antworten der Antragsgegnerin - mit Ausnahme der Fragen 24 und 25 zum Bundesnachrichtendienst - den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht (bb)). Die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute hält der verfassungsgerichtlichen Prüfung ebenfalls nur teilweise stand (cc)).

146

aa) Die Fragen 23, 25, 29 und 31 beziehen sich bei wörtlichem Verständnis auf die Tätigkeit von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat. Dieses fand am 26. September 1980 statt, die Wehrsportgruppe Hoffmann wurde jedoch schon am 30. Januar 1980 mit sofortiger Wirkung verboten und aufgelöst. Bereits etwa acht Monate vor dem Oktoberfestattentat gab es daher "Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann" im eigentlichen Sinne nicht mehr.

147

Die Fragen 23, 25, 29 und 31 sind jedoch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie gestellt wurden (vgl. BVerfGE 110, 199 <213>; 137, 185 <229 Rn. 124>), dahingehend auszulegen, dass um Auskunft gebeten wird, ob ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute tätig waren. Da die Fragen nur bei diesem Verständnis sinnvoll sind, hatte die Antragsgegnerin eine solche Auslegung vorzunehmen. Dabei hatte die Antragsgegnerin außerdem zu berücksichtigen, dass die Fragen nicht den Einsatz von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann in dem Zeitraum nach dem Oktoberfestattentat bis heute erfassen sollen. Vielmehr erlaubt eine Gesamtwürdigung des Begehrens der Antragstellerinnen nur ein Verständnis, wonach die Fragen auf den Einsatz ehemaliger Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann zeitnah zu dem Attentat gerichtet sind.

148

bb) Die Beantwortung der Fragen, ob unter den Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, hat die Antragsgegnerin aus Gründen des Staatswohls und des Grundrechtsschutzes abgelehnt. Insoweit genügen ihre Antworten den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil der abstrakte Verweis darauf, Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste könnten bekannt und Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten gefährdet werden, nicht ausreicht, um das Informationsinteresse des Parlaments einzuschränken ((1)). Die Verweigerung der Antworten auf die Fragen 24 und 25 zu einer Tätigkeit für den Bundesnachrichtendienst ist demgegenüber gerechtfertigt ((2)).

149

(1) Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, das Staatswohl könnte dadurch beeinträchtigt werden, dass durch eine Beantwortung der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann Rückschlüsse auf die aktuelle Arbeitsweise und die Organisation der Nachrichtendienste ermöglicht werden könnten, erscheint dies nicht nachvollziehbar. Der Umstand, dass Nachrichtendienste damals wie heute V-Leute einsetzen, ist allgemein bekannt. Welche darüber hinausgehenden Rückschlüsse die Antragsgegnerin für möglich hält, legt sie nicht plausibel dar.

150

Die abstrakt gehaltene Begründung der Antragsgegnerin, eine Beeinträchtigung des Staatswohls könne dadurch erfolgen, dass eine Auskunft, wonach unter den (ehemaligen) Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann eine oder mehrere V-Personen waren, zusammen mit entsprechendem Zusatzwissen zu einer Enttarnung führen könne, lässt sich zwar nicht vollständig von der Hand weisen. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Personen enttarnt werden könnten, aufgrund der hier gegebenen Umstände so gering, dass sie eine Einschränkung des parlamentarischen Informationsrechts nicht mehr zu rechtfertigen vermag. Die Wehrsportgruppe Hoffmann hatte zum Zeitpunkt ihrer Auflösung etwa 400 Mitglieder. Zwar war sie in lokale Untergruppen aufgeteilt. Selbst bei einer Bestätigung, dass (ehemalige) Mitglieder V-Leute waren, wäre noch keine Aussage über deren Zuordnung zu einer lokalen Untergruppe getroffen. Mitglieder der Wehrsportgruppe könnten sich - sollten sie den Verdacht gehabt haben, es seien V-Leute unter ihnen - lediglich bestätigt fühlen. Rückschlüsse auf einzelne Personen wären nicht möglich.

151

Auch die Gefahr einer Verunsicherung unter aktuellen oder potentiellen V-Leuten, die zu einer Erschwernis der Anwerbung und Führung von V-Leuten führen könnte, dürfte angesichts des Umstands, dass der Einsatz von V-Leuten in rechtsextremen Milieus allgemein bekannt ist, äußerst gering sein. Hinzu kommt, dass im Falle einer Verneinung der Fragen danach, ob die Antragsgegnerin den Einsatz von V-Leuten bei den Verfassungsschutzämtern ausschließen (Fragen 22 und 23) beziehungsweise "nach ihrer Kenntnis ausschließen" (Fragen 28 und 29) kann, nicht einmal eine sichere Bestätigung des Vorhandenseins von V-Leuten erlangt werden könnte. Dies gilt insbesondere, soweit sich die Fragen auf die Landesämter für Verfassungsschutzbeziehen. Aus der Mitteilung, die Antragsgegnerin könne nach ihrer Kenntnis nicht ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für ein Landesamt tätig waren, lässt sich nicht ohne weiteres der Schluss ziehen, dass es bei den Landesämtern solche V-Leute gab.

152

Soweit die Antragsgegnerin erstmals in ihrer Antragserwiderung vorgetragen hat, dass eine Beantwortung der Fragen auch mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht durchdringen. Insoweit kann auf die Ausführungen zu Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwiesen werden.

153

Mit Blick auf den Grundrechtsschutzkönnen Gefahren für Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Auch diesbezüglich ist aber zu berücksichtigen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Enttarnung von V-Leuten aufgrund der bloßen Auskunft darüber, ob (ehemalige) Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, sehr gering ist. Zwar erscheint es möglich, dass sich etwaige ehemalige V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann auch heute noch in einem gewaltbereiten rechtsextremen Umfeld bewegen und daher in besonderer Weise Gefahren ausgesetzt sind. Zumindest ein Teil der Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe - insbesondere auch Karl-Heinz Hoffmann selbst - hat sich von dem Gedankengut der Gruppe bis heute nicht gelöst und verfolgt weiterhin aktiv die öffentliche Diskussion über die damaligen Ereignisse. Dass sich die Gefahr für solche V-Leute durch eine bloße Bejahung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten aus der Wehrsportgruppe Hoffmann merklich erhöht, ist vor dem Hintergrund, dass der Einsatz von V-Leuten in diesen Milieus allgemein bekannt ist, aber sehr unwahrscheinlich.

154

(2) Etwas anderes gilt hinsichtlich der Fragen 24 und 25, die sich auf den Bundesnachrichtendienst beziehen. Die Gefahr einer Enttarnung vom Bundesnachrichtendienst möglicherweise eingesetzter V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann wäre schon dann erheblich, wenn die Antragsgegnerin ihre bloße Existenz bestätigte.

155

Angesichts der Zuständigkeit des Bundesnachrichtendienstes für die Gewinnung von Auslandserkenntnissen (vgl. § 1 Abs. 2 BNDG) kommen als etwaige V-Leute dieser Behörde insbesondere die Mitglieder der damals im Libanon operierenden "Wehrsportgruppe Ausland" in Betracht. Diese Nachfolgeorganisation der Wehrsportgruppe Hoffmann, der auch Hoffmann selbst angehörte, hatte nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes nur noch 15 Mitglieder. In Anbetracht dieser geringen Zahl würde die Gefahr einer Enttarnung bei einer positiven Beantwortung erheblich steigen. Daher durfte die Antragsgegnerin die Antwort auf diese Fragen verweigern. Angesichts der erheblichen Gefahr einer Enttarnung hätte die Auskunft auch nicht nach Maßgabe der Geheimschutzordnung erteilt werden müssen. Denn dabei wäre wegen der großen Anzahl der Geheimnisträger die Wahrscheinlichkeit erhöht worden, dass die mitgeteilten Informationen weitergegeben oder ausgespäht worden wären. Dieses Risiko musste die Antragsgegnerin wegen der Gefahren für das Staatswohl und die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter etwaiger V-Leute nicht in Kauf nehmen.

156

cc) Soweit mit den Fragen 23 und 28 bis 31 über das "Ob" hinausgehende Auskünfte zum Einsatz von V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann beziehungsweise von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe begehrt wurden, rechtfertigt die Begründung der Antragsgegnerin eine Antwortverweigerung nur teilweise. Auskünfte dazu, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat für das Bundesamt für Verfassungsschutz (Frage 23) sowie vor und nach dem Attentat für Landesämter für Verfassungsschutz (Fragen 30 und 31) tätig waren, durften mit der gegebenen Begründung nicht verweigert werden ((1)). Eine Antwort auf die Fragen, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe vor und nach dem Attentat für welches Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren (Fragen 28 und 29), hat die Antragsgegnerin dagegen zu Recht verweigert ((2)).

157

(1) Die Beantwortung der Fragen zu der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute im Bundesamt für Verfassungsschutz einerseits (Frage 23) und in den Landesämtern für Verfassungsschutz andererseits (Fragen 30 und 31) darf mit Blick auf die Bedeutung des parlamentarischen Informationsrechts aus den von der Antragsgegnerin genannten Gründen nicht verweigert werden. Zwar wird die Gefahr der Enttarnung von V-Personen umso größer, je mehr Details über ihren Einsatz mitgeteilt werden. Daher erhöht sich die Gefahr einer Enttarnung auch durch die Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute. Die Information, wie viele V-Leute eingesetzt waren, unterscheidet sich qualitativ von der bloßen Bestätigung eines mutmaßlich bereits bestehenden Verdachts der Öffentlichkeit, dass V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann eingesetzt waren. Die Anzahl von V-Leuten ist eine Information, die der Öffentlichkeit nicht bekannt sein kann. Jedoch erscheint es kaum möglich, allein aufgrund der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute aus der Wehrsportgruppe beim Bundesamt für Verfassungsschutz und beiden Landesämtern für Verfassungsschutz nach über 30 Jahren Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise dieser Behörden und die Identität einzelner V-Personen zu ziehen.

158

(2) Die Grenze der Geheimhaltungsbedürftigkeit wird jedoch durch die Fragen danach, wie viele V-Leute für welches Landesamt für Verfassungsschutztätig waren (Fragen 28 und 29), überschritten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe gelingen könnte, etwaige V-Leute zu enttarnen, steigt schon an, wenn deren genaue Anzahl bekannt wird. Dies gilt in verstärktem Maße, wenn bei den ehemaligen V-Leuten der Landesämter für Verfassungsschutz zusätzlich bekannt würde, für welches Landesamt sie tätig waren. Diese Information könnte eine Eingrenzung der damaligen Wohnorte etwaiger V-Leute oder ihre Zuordnung zu einzelnen Ortsgruppen der Wehrsportgruppe ermöglichen.

159

Vor diesem Hintergrund ist eine Beeinträchtigung von Belangen des Staatswohls in Gestalt der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht von der Hand zu weisen. Da möglicherweise noch immer aktive, zumindest aber noch lebende V-Leute enttarnt werden könnten, überwiegt das Geheimhaltungsinteresse. Würden ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe als V-Leute enttarnt, könnten diese künftig nicht mehr als solche eingesetzt werden. Dass damalige V-Leute heute noch für die Behörden tätig sind, ist angesichts des Zeitablaufs zwar nicht besonders wahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen. Es erscheint jedenfalls möglich, dass diese Personen noch immer in der rechtsextremen Szene aktiv und weiterhin zur Kooperation mit den Behörden bereit sind. Unabhängig davon, ob es zu einer Enttarnung kommt, könnte die Mitteilung der abgefragten Informationen das Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen schwächen und aktuelle oder potentielle V-Leute verunsichern. Auch die bereits erörterten Bedenken hinsichtlich des Grundrechtsschutzes kommen mit Blick auf die erbetenen Zusatzinformationen in verstärktem Maße zum Tragen.

160

Die Antragsgegnerin durfte daher entsprechende Auskünfte unter Berufung auf das Staatswohl und den Schutz der Grundrechte etwaiger V-Leute verweigern. Sie musste die Auskünfte auch nicht unter Anwendung der Geheimschutzordnung erteilen, weil die Wahrscheinlichkeit einer unerlaubten Informationsweitergabe steigt, je größer die Zahl der Geheimnisträger ist. Dieses Risiko muss aufgrund der möglichen Enttarnung von V-Leuten, der damit einhergehenden Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte dieser Personen nicht in Kauf genommen werden.

D.

161

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), sind hier nicht ersichtlich.

(1) Der Bundestag verhandelt öffentlich. Auf Antrag eines Zehntels seiner Mitglieder oder auf Antrag der Bundesregierung kann mit Zweidrittelmehrheit die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Über den Antrag wird in nichtöffentlicher Sitzung entschieden.

(2) Zu einem Beschlusse des Bundestages ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt. Für die vom Bundestage vorzunehmenden Wahlen kann die Geschäftsordnung Ausnahmen zulassen.

(3) Wahrheitsgetreue Berichte über die öffentlichen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei.

(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozeß sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bleibt unberührt.

(3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet.

(4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei.

(1) Der Bundestag verhandelt öffentlich. Auf Antrag eines Zehntels seiner Mitglieder oder auf Antrag der Bundesregierung kann mit Zweidrittelmehrheit die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Über den Antrag wird in nichtöffentlicher Sitzung entschieden.

(2) Zu einem Beschlusse des Bundestages ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt. Für die vom Bundestage vorzunehmenden Wahlen kann die Geschäftsordnung Ausnahmen zulassen.

(3) Wahrheitsgetreue Berichte über die öffentlichen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei.

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat

a) die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3117) sowie

b) die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 23 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3810)

nach Maßgabe der Gründe in ihren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.

2. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragstellerinnen sind Fraktionen des Deutschen Bundestages. Sie machen die unvollständige Beantwortung zweier Kleiner Anfragen der Antragstellerinnen zu Erkenntnissen der Nachrichtendienste über das Attentat auf das Münchner Oktoberfest am 26. September 1980 und einer diesbezüglich möglichen Verstrickung von Vertrauensleuten (im Folgenden: V-Leute) dieser Behörden geltend.

I.

2

1. Am 26. September 1980 um 22.20 Uhr explodierte am Haupteingang des Münchner Oktoberfests ein Sprengsatz. Neben dem Attentäter, dem 21 Jahre alten Gundolf Köhler aus Donaueschingen, starben 12 Personen im Alter zwischen 11 und 52 Jahren; 211 Menschen wurden verletzt. Das Oktoberfestattentat gilt als der schwerste rechtsterroristische Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Der Generalbundesanwalt schloss die Ermittlungen zu dem Attentat mit einem Schlussbericht vom 23. November 1982 ab. Darin hieß es, für eine Tatbeteiligung Dritter sprächen unterschiedliche Beweiserkenntnisse, die einen abschließenden Nachweis der Tatbeteiligung anderer Personen jedoch nicht zuließen. Hinweise darauf, dass Köhler nicht als Alleintäter gehandelt hatte, ergaben sich insbesondere aus den Aussagen zweier Zeugen.

3

2. Ungeklärt blieb nach Abschluss der Ermittlungen die Rolle des 1937 geborenen Karl-Heinz Hoffmann, des Gründers der so genannten "Wehrsportgruppe Hoffmann". Der von Hoffmann im Jahr 1973 ins Leben gerufene, nach militärischen Gesichtspunkten organisierte Verband wurde seit seiner Gründung vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Bei Hoffmann wurde im Rahmen einer bereits vor dem Attentat durchgeführten Durchsuchung Material sichergestellt, aus dem sich ergab, dass der Attentäter Köhler im Februar 1976 im Briefwechsel mit Hoffmann gestanden hatte; er soll auch an zwei Übungen der Wehrsportgruppe teilgenommen haben (vgl. Fromm, Die "Wehrsportgruppe Hoffmann": Darstellung, Analyse und Einordnung, 1998, S. 331 f.; Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 37).

4

Die Wehrsportgruppe hatte bis zu ihrem Verbot im Jahr 1980 circa 400 Mitglieder. In der Verbotsverfügung vom 16. Januar 1980 wurde die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 6), weshalb sich die Gruppierung nach dem Verbot auflöste. Sie wurde verboten, weil ihre Organisation und ihre Tätigkeit der allmählichen Herbeiführung einer neuen staatlichen Ordnung unter gleichzeitiger Aushöhlung der verfassungsmäßigen Ordnung dienten (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 100 ff.). Fünfzehn ehemalige Mitglieder schlossen sich nach dem Verbot als "Wehrsportgruppe Ausland" im Libanon zusammen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellte in dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1981 fest, es seien durch die "Wehrsportgruppe Ausland" Anschläge auf Personen und Einrichtungen im Bundesgebiet geplant und zum Teil bereits vorbereitet worden (vgl. Verfassungsschutzbericht 1981, S. 27 f.).

5

3. Auch der Name Heinz Lembke tauchte im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wiederholt auf. Er war "Milizionär" und "Wehrsportler" und nahm bis 1978 regelmäßig an Übungen der Reservistenkameradschaft der "Deutschen Aktionsgruppen" teil. Bei einer im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens am 29. September 1980 durchgeführten Durchsuchung seines Hauses konnten die Ermittler neben ein wenig Zündschnur und einem Gewehrmagazin zunächst weder Sprengstoff noch Waffen sicherstellen. Jedoch stieß ein Waldarbeiter am 26. Oktober 1981 in der Nähe des Hauses von Lembke auf wasserdicht verpackte Kisten mit Gewehrmunition, Sprengstoff und Sprengmitteln. Im Laufe der Ermittlungen konnten in weiteren nahezu 30 Depots Waffen sichergestellt werden. Lembke erhängte sich am 1. November 1981 in der Untersuchungshaft und soll folgende schriftliche Mitteilung hinterlassen haben: "Genossen! Ihr wisst, weshalb ich nicht mehr leben darf. Wolfszeit! Heil Euch, Heinz Hermann Ernst Lembke" (vgl. Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 217).

6

4. Im Dezember 2014 teilte der Generalbundesanwalt mit, er habe die Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wieder aufgenommen, Anlass dafür seien Angaben einer bis dahin unbekannten Zeugin.

II.

7

1. Am 8. Oktober 2014 richteten die Antragstellerin zu 1. und verschiedene Mitglieder des Bundestages eine Kleine Anfrage unter der Überschrift "Oktoberfest-Attentat - Wiederaufnahme der Ermittlungen zu Nazi-Hintermännern" an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3117).

8

a) Die Kleine Anfrage leiteten sie mit dem Hinweis darauf ein, dass noch immer gewichtige Zweifel am Ermittlungsergebnis bestünden, wonach Gundolf Köhler die Tat allein geplant und ausgeführt habe. Der Münchner Stadtrat und der Bayerische Landtag hätten bereits 2011 gefordert, der Generalbundesanwalt solle die Ermittlungen wieder aufnehmen. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 enthielt insbesondere Fragen zu dem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts und zu einem etwaigen Einsatz von Heinz Lembke als V-Mann einer Sicherheitsbehörde des Bundes oder eines Landes.

9

Die Frage 2 a)

"War Lembke ein V-Mann einer (gegebenenfalls welcher) Sicherheitsbehörde des Bundes oder - nach Kenntnis der Bundesregierung - eines Landes?"

wurde von der Antragsgegnerin nicht beantwortet. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) begründete die Antragsgegnerin die Verweigerung der Beantwortung dieser Frage wie folgt:

"Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann.

Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags Informationen und werten diese aus. Die Führung von V-Leuten gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Verfassungsschutzbehörden und dem Bundesnachrichtendienst zur Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu oder Namen einzelner V-Leute bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienstegezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellender Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich V-Leute regelmäßig in einem ex-tremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von V-Leuten ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn die betreffende Person kein V-Mann ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines V-Leute-Einsatzes geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der V-Leute folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann."

10

b) Mit Schreiben vom 3. März 2015 wandte sich MdB Britta Haßelmann in ihrer Funktion als Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 1. an den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz und bat erneut darum, die Frage 2 a) der Kleinen Anfrage zu beantworten. Die zur Verweigerung von der Antragsgegnerin genannten Gründe überzeugten nicht. Sie liefen darauf hinaus, immer und ausnahmslos jedwede Information über die Tätigkeit von V-Leuten zu verweigern. Dies sei nicht akzeptabel, weil eine gesetzliche Regulierung des Einsatzes von V-Leuten anstehe, wobei die Ursache für die rechtspolitische Diskussion auch die mögliche Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten sei. In der konkreten Frage gehe es um einen solchen Fall. Zudem sei dieser Fall ein historischer, in dem eine konkrete Beeinträchtigung der Arbeit der Sicherheitsbehörden nicht eintreten könne. Insgesamt sei die Antwortverweigerung daher eklatant unverhältnismäßig.

11

In seinem Antwortschreiben vom 7. April 2015 teilte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Christian Lange mit, aufgrund der Nachfrage habe die Antragsgegnerin die zu der Frage 2 a) beschriebene Abwägung noch einmal vorgenommen. Sie sei jedoch nach wie vor der Auffassung, dass Fragen zur Art und Weise der Quellenführung sowie zur V-Leute-Eigenschaft von Personen - auch wenn es sich um zeitlich weit zurückliegende Vorgänge handele - zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht beantwortet werden könnten. Sowohl die Werbung als auch die Führung von V-Leuten seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden zentrale Bedeutung zukomme. Eine besondere Geheimhaltung müsse deshalb auch dann gelten, wenn eine Person nicht als V-Person tätig gewesen sei oder der Vorgang zeitlich weit zurückliege. In diesen Fällen sei das Staatswohl ebenfalls betroffen, da auch hier - gegebenenfalls im Wege eines Umkehrschlusses aus einer Antwortverweigerung oder in der Gesamtschau der Antworten der Bundesregierung auf andere parlamentarische Anfragen - Rückschlüsse auf die Arbeitsweisen, Strategien und Methoden der Nachrichtendienste für die Gegenwart gezogen werden könnten und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt werden könne. Die in der Vergangenheit erfolgte Enttarnung von V-Leuten habe bereits dazu geführt, dass die Anwerbung von V-Leuten in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten und damit einhergehenden Informationsdefiziten verbunden sei. Zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Bundesamts für Verfassungsschutz sei daher durch die Bundesregierung selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens von geheimhaltungsbedürftigen Informationen zur Werbung und Führung von V-Leuten auszuschließen. Die Bewertung gelte auch unter Berücksichtigung der weiteren im Schreiben vom 3. März 2015 angeführten Argumente. Die im Gesetzentwurf zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vorgesehene Regelung zum Einsatz von V-Leuten gebe die wesentlichen Anforderungen vor. Nach dem aktuellen Gesetzentwurf schlössen im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilungen wegen eines Verbrechens oder zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden sei, die Anwerbung und den Einsatz als V-Person grundsätzlich aus.

12

2. Die Antragstellerin zu 2. und einige Mitglieder des Bundestages richteten am 21. Januar 2015 unter der Überschrift "Mutmaßliche Aktenvernichtungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann bei deutschen Geheimdiensten" ebenfalls eine Kleine Anfrage an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3810).

13

a) Darin führten sie aus, die Antragsgegnerin habe der Abgeordneten Petra Pau am 13. Januar 2015 die Auskunft erteilt, im Bundesamt für Verfassungsschutz seien nur sieben Ordner zum Oktoberfestattentat vorhanden. Daher liege die Vermutung nahe, dass in den vergangenen Jahren Informationen zu dem Attentat und zur Wehrsportgruppe Hoffmann vernichtet worden seien. Die Kleine Anfrage enthielt Fragen zu Umfang und Aufbau der Akten sowie zu Quellen des Bundesamts für Verfassungsschutz. Ferner wurde die Frage gestellt, ob und wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für das Bundesamt beziehungsweise Landesämter für Verfassungsschutz tätig geworden seien. Einige Fragen nach Quellenmeldungen beantwortete die Bundesregierung lediglich in nicht nach Ursprungsbehörden und Jahren aufgeschlüsselter Form. Die Beantwortung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten und weiterer Fragen nach Quellenmeldungen lehnte die Antragsgegnerin vollständig ab.

14

Die Fragen, welche die Antragsgegnerin nicht oder nur zum Teil beantwortete, lauteten wie folgt:

Frage 14: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zum Oktoberfestattentat vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 15: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 16: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 19: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zur Wehrsportgruppe Hoffmann vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 20: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zur Wehrsportgruppe Hoffmann liegen aus welchen Jahren im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 21: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zur Wehrsportgruppe Hoffmann aus welchen Jahren liegen im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 22: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren?"

Frage 23: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für das BfV tätig?"

Frage 24: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 25: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 28: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 29: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungs-schutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 30: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

Frage 31: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

15

In einer Vorbemerkung zu ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) führte die Antragsgegnerin aus:

"1. Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 nicht oder zumindest nicht vollständig erfolgen kann. Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann. Die Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags die erforderlichen Informationen und werten diese aus. Die Führung von Quellen gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Nachrichtendiensten bei der Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu, auch welche die quellenführende Stelle betreffend oder Namen einzelner Quellen bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von Quellen und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich Quellen hier in einem extremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von Quellen ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn kein Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann eine Quelle ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines Einsatzes von Quellen geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der Quellen folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet.

Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann.

2. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Komplexe "Oktoberfestattentat" und "Wehrsportgruppe Hoffmann" wegen des Inlandsbezugs nicht in den originären Aufgabenbereich des Bundesnachrichtendienstes (BND) als Auslandsnachrichtendienst fielen und fallen. Im Übrigen wurde der überwiegende Teil der im BND zum Oktoberfestattentat gebildeten Unterlagen an das Bundesarchiv abgegeben. Die Antworten auf die den BND betreffenden Fragen beruhen auf den im BND-Archiv noch vorhandenen, erschlossenen Altunterlagen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich im Zuge der fortschreitenden Erschließung der an das BND-Archiv in der Vergangenheit und künftig abgegebenen archivwürdigen Unterlagen weitergehende Erkenntnisse zum Anfragegegenstand ergeben.

3. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Einrichtung des Referats "Rechtsextremismus Terrorismus" im April 1981 im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nicht ausschließlich auf das Oktoberfestattentat zurückzuführen ist. Diesbezüglich wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 3 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/2544 verwiesen."

16

Die im Organstreitverfahren gerügten Antworten hatten folgenden Wortlaut:

"Die Fragen 14 bis 16 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Der Bundesregierung liegen insgesamt fünf Quellenmeldungen für den Zeitraum von 1980 bis 1985 vor. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 19 bis 21 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" im BfV wird gegenwärtig archivarisch aufbereitet, so dass nicht in allen Aktenbänden recherchiert werden konnte. Nach dem insoweit unter Vorbehalt stehenden Rechercheergebnis fanden 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang in die Sachakte. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 22 bis 25 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

"Die Fragen 28 bis 31 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

17

b) Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 2., MdB Dr. Petra Sitte, richtete am 4. März 2015 ein Schreiben an den Bundesminister des Innern, in dem sie um eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 sowie 19 bis 25 bat. Insbesondere die Weigerung, die Fragen 22 bis 25 zu beantworten, überzeuge nicht. Sie bedeute, dass nach Belieben Informationen über die Tätigkeiten von V-Leuten verweigert werden könnten. Angesichts der Tatsache, dass mindestens ein neonazistischer V-Mann in der Wehrsportgruppe Hoffmann seine V-Mann-Eigenschaft schon vor Jahren öffentlich gemacht habe, seien die in der Vorbemerkung zur Antwort genannten Gründe der Bundesregierung zur Antwortverweigerung nicht akzeptabel und unverhältnismäßig. Schließlich bestehe jederzeit die Möglichkeit, die Antworten nach der Geheimschutzordnung einzustufen. Der langjährige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, habe darauf hingewiesen, dass im Rahmen einer Abwägung die Aufklärung eines Mordes wichtiger sei als der Quellenschutz. Beim Oktoberfestattentat, dem schwersten rechtsterroristischen Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik, seien 22 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt worden.

18

Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium des Innern Dr. Günter Krings teilte mit Schreiben vom 14. März 2015 mit, es sei in der Antwort zu der Kleinen Anfrage ausführlich dargelegt worden, weshalb eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 21 und 22 bis 25 nicht erfolgen könne. An dieser Bewertung halte die Antragsgegnerin auch nach nochmaliger Abwägung fest. Sowohl die Werbung als auch die Führung von menschlichen Quellen seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste zentrale Bedeutung zukomme. Die nähere Aufgliederung der Quellenmeldungen würde dazu führen, dass taktische Verfahrensabläufe offenbar würden und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt sei. Soweit sich die Fragen auf menschliche Quellen der Sicherheitsbehörden bezögen, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beantwortung dieser Fragen zu einer Offenlegung der Identität der Quellen führe. Im Hinblick auf die daraus folgenden Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit dieser Personen sei daher der staatliche Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 GG besonders zu beachten. Daher scheide auch eine als Verschlusssache eingestufte Beantwortung aus. Hierdurch werde die strafrechtliche Aufklärung des Oktoberfestattentats nicht verhindert. Der Generalbundesanwalt habe mit Schreiben vom 17. Februar 2015 sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch den Bundesnachrichtendienst um umfassende Mitteilung der dort vorliegenden Erkenntnisse zum Oktoberfestattentat gebeten. Beide Behörden würden dem Generalbundesanwalt die erbetenen Informationen zur Verfügung stellen.

III.

19

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2015 haben die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitet. Mit ihren Anträgen begehren sie die Feststellung, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (BTDrucks 18/3117) sowie die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (BTDrucks 18/3810) in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt hat.

20

1. Die Antragstellerinnen halten ihre Anträge für zulässig. Sie sind der Auffassung, dass sie sowohl hinsichtlich der jeweils von ihnen selbst als auch bezüglich der von der jeweils anderen Antragstellerin gestellten Kleinen Anfrage antragsbefugt seien. Zum einen werde eine Verletzung des den Fraktionen selbst zustehenden Informationsrechts gerügt, das sich aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 GG ergebe und den Fraktionen dazu diene, den für die parlamentarische Arbeit erforderlichen Informationsstand zu erhalten. Zum anderen verletze die unzureichende Beantwortung einer Kleinen Anfrage die Rechte des Bundestages aus Art. 20 Abs. 2 GG. Diese Rechte könnten die Antragstellerinnen gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG prozessstandschaftlich geltend machen. Hinsichtlich der Antwort auf die von der jeweils anderen Antragstellerin gestellte Kleine Anfrage werde allein eine Verletzung der Rechte des Bundestages im Wege der Prozessstandschaft gerügt. Auch insoweit sei nicht nur die Antragsbefugnis, sondern auch ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Eine Fraktion könne Rechte des Bundestages auch dann im Organstreitverfahren verteidigen, wenn sie diesbezüglich zuvor nicht parlamentarisch tätig geworden sei.

21

2. Die Anträge seien begründet. Die Weigerung der Antragsgegnerin, die Kleinen Anfragen vollständig zu beantworten, verletze die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG.

22

a) Aus diesen Normen folge für den Deutschen Bundestag und seine Fraktionen ein Frage- und Informationsrecht, das grundsätzlich mit einer Auskunftspflicht der Bundesregierung korrespondiere. Grenzen des Informationsrechts könnten sich aus dem Staatswohl, den Grundrechten und dem Gewaltenteilungsprinzip ergeben. Mit Blick auf die verfahrensgegenständlichen Fragen der Antragstellerinnen sei jedoch kein ausreichendes Geheimhaltungsinteresse ersichtlich. Außerdem genügten die Begründungen, mit denen die Antragsgegnerin die vollständige Beantwortung der Kleinen Anfragen verweigert habe, nicht den hieran zu stellenden Anforderungen, da sie die Antragstellerinnen nicht in die Lage versetzten, die von der Antragsgegnerin vorgenommene Abwägung nachzuvollziehen.

23

Ob und inwieweit die Antragsgegnerin ausnahmsweise die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden und insbesondere zu V-Leuten verweigern dürfe, richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Es sei Sache der Bundesregierung, im Einzelfall darzulegen, warum das allgemein bestehende parlamentarische Informationsrecht aufgrund gegenläufiger Belange von höherem verfassungsrechtlichem Gewicht ausnahmsweise ausgeschlossen sei. Eine Bereichsausnahme sei im Hinblick auf Informationen zu V-Leuten verfassungsrechtlich nicht begründbar. Eine solche Ausnahme vom parlamentarischen Informationsrecht - wie sie das Bundesverfassungsgericht etwa für den Bereich der Rüstungsexporte anerkannt habe - könne nur in Betracht kommen, wenn sich ein Typ parlamentarischer Auskunftsbegehren trennscharf beschreiben lasse, bei dem einem noch so gewichtigen Informationsinteresse des Bundestages stets ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse gegenüberstehe. Dies sei bei parlamentarischen Anfragen mit Bezug zum Einsatz von V-Leuten nicht der Fall, denn nicht jede derartige Anfrage könne zur Enttarnung dieser Personen führen. Selbst wenn eine Enttarnung in Aussicht stehe, werde der weitere Einsatz der betroffenen V-Leute dann nicht gefährdet, wenn dieser bereits aus anderen Gründen ausgeschlossen sei. Ob die bloße Erkenntnis, beobachtet zu werden, für die beobachteten Personen einen für das Staatswohl relevanten Informationswert habe, hänge ebenfalls von unterschiedlichen Faktoren ab. Auch ermögliche nicht jede Information zum Einsatz von V-Leuten Rückschlüsse auf die Art und Weise der Beobachtung.

24

Eine das Staatswohl gefährdende Offenbarung der Arbeitsweisen der Sicherheitsbehörden sei ebenfalls nicht in jedem Fall zu befürchten. Zwar sei insoweit eine Prognose anzustellen, die - wie jede Prognose - mit Restunsicherheiten behaftet sei. Dieses Prognoserisiko rechtfertige jedoch keine abstrakte Vorrangregel zugunsten des Geheimhaltungsinteresses der Antragsgegnerin.

25

Eine Bereichsausnahme lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Quellenschutzes rechtfertigen. Der Quellenschutz könne dem Informationsrecht des Bundestages nur entgegengehalten werden, wenn die begehrte Information überhaupt dazu führen könne, dass eine bestimmte Person als Quelle enttarnt werde. Insoweit könne nicht schon die stets gegebene theoretische Möglichkeit ausreichen, dass sich Informationen mit hinreichendem Zusatzwissen auf bestimmte Personen beziehen ließen. Vielmehr müsse dies anhand eines Wahrscheinlichkeitsurteils in jedem Einzelfall ermittelt werden. Auch wenn danach im Einzelfall ein Bezug auf bestimmte Personen möglich sei, bedürfe es stets einer Abwägung zwischen dem Quellenschutz und dem Informationsinteresse des Bundestages. Im Rahmen dieser Abwägung werde der Quellenschutz in der Regel überwiegen, wenn der Sachverhalt aktuell sei und es sich bei der Quelle um eine lebende Person handele. Daneben könne eine Geheimhaltung auch zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter Dritter geboten sein, was jedoch im Einzelfall zumindest ansatzweise konkret dargelegt werden müsse. Der Schutz des sozialen Ansehens einer Quelle - worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten ohnehin nicht berufen habe - gehe dem Informationsinteresse des Bundestages ebenfalls nicht ohne einzelfallbezogene Abwägung vor. Dies gelte erst recht nach dem Tod der Quelle. Schließlich könne ein abstrakter Vorrang des Quellenschutzes auch nicht aus den gegenüber V-Leuten abgegebenen Vertraulichkeitszusagen hergeleitet werden, worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten im Übrigen ebenfalls nicht berufen habe. Das parlamentarische Auskunftsrecht stehe nicht zur Disposition der Sicherheitsbehörden.

26

b) Die Begründung, mit der die Antragsgegnerin die Beantwortung der Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verweigert habe, genüge diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich (bb)) und bei der vorzunehmenden Abwägung überwiege das parlamentarische Informationsinteresse (cc)).

27

aa) Bei der Begründung handele es sich um einen Textbaustein, dem jeder Einzelfallbezug fehle. Dies zeige sich auch daran, dass die Begründung der Antwortverweigerung mit derjenigen in Bezug auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 weitgehend wortgleich und auch die Beantwortung einer weiteren Kleinen Anfrage im Wesentlichen mit derselben Begründung verweigert worden sei. Außerdem passe die Antwort nicht zu der Frage, soweit die Antragsgegnerin hervorhebe, dass Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten geschützt werden müssten, da Lembke bereits 1981 verstorben sei. Ferner sei die Begründung unvollständig, da darin nur auf die Tätigkeit der Nachrichtendienste eingegangen worden sei, obwohl sich die Frage auf Sicherheitsbehörden und somit auch auf die Polizeibehörden bezogen habe. Eine derart formelhafte und unspezifische Begründung wäre nur dann hinzunehmen, wenn die Frage 2 a) auf Informationen gezielt hätte, die offenkundig geheimhaltungsbedürftig seien. Dies sei jedoch nicht der Fall.

28

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich. Ein solches lasse sich insbesondere nicht mit dem Staatswohl in seiner Ausprägung als Schutz der Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden begründen. Eine Gefährdung der aktuell zu dem Oktoberfestattentat geführten Ermittlungen durch eine Beantwortung der Frage 2 a) liege fern. Die Frage beziehe sich auf einen historischen Vorgang und auf einen Verstorbenen. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Enttarnung von Heinz Lembke als V-Mann aktuelle Ermittlungen gefährden könne, zumal seit langem bekannt sei, dass sich Lembke und sein Umfeld im Blickfeld der Sicherheitsbehörden befunden hätten. Eine Beantwortung der Frage nach der V-Mann- Eigenschaft von Lembke ermögliche auch keine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden. Da sich die Frage auf die V-Mann-Eigenschaft einer einzelnen Person beziehe, ergebe sich aus ihrer Beantwortung kein einzelfallübergreifender Informationswert. Dass die Sicherheitsbehörden damals wie heute V-Leute in der Neonaziszene eingesetzt hätten, sei ohnehin allgemein bekannt. Im Hinblick auf eigene Rechte von Heinz Lembke könne der allenfalls noch relevante postmortale Vertraulichkeitsschutz in Anbetracht der verstrichenen Zeit keine Bedeutung mehr haben. Jedenfalls aber könne dieser Vertraulichkeitsschutz bei der Abwägung nur geringes Gewicht haben. Konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung anderer Personen seien nicht ersichtlich.

29

cc) Selbst wenn sich aus einer Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden ergeben sollten, könne es sich dabei allenfalls um geringfügige Beeinträchtigungen handeln. Diesen stehe ein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegenüber, das bei der gebotenen Abwägung überwiege. Die Bedeutung der verfahrensgegenständlichen Frage gehe über den Einzelfall hinaus.

30

Für den Bundestag sei es von überragender Bedeutung, Einblicke in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu erhalten, um diese Tätigkeit und die Haltung der Antragsgegnerin hierzu kontrollieren zu können. Hierzu gebe es gerade in jüngerer Zeit mit Blick auf den Einsatz von V-Leuten in der rechtsextremen Szene Anlass. So werde das Versagen der Sicherheitsbehörden im Fall des so genannten Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) unter anderem auf einen überzogenen Quellenschutz bei den Nachrichtendiensten zurückgeführt. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 habe dazu gedient, Verdachtsmomenten nachzugehen, dass auch im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten genutzt worden seien, um den Anschlag zu verhindern und aufzuklären. Wenn sich dieser Verdacht erhärte, könne hierin möglicherweise ein über längere Zeit gleichbleibendes Muster erkannt werden. Um sich einen Einblick in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu verschaffen und diese zu kontrollieren, müsse der Bundestag zwangsläufig von Einzelfällen ausgehen, da ein detailliertes Gesamtbild weder verfügbar sei noch hergestellt werden könne. Umso bedeutsamer sei es, dass dem Bundestag Informationen zu Einzelfällen mitgeteilt würden, die nicht zwingend geheimhaltungsbedürftig seien.

31

Zudem bestehe an der Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden gerade im Neonazimilieu ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse. Neben den Vorgängen um den NSU sei insoweit auch das Oktoberfestattentat von Bedeutung, über das in jüngerer Zeit verstärkt berichtet worden sei.

32

Schließlich seien Informationen über mögliche Verbindungen von V-Leuten zu dem Oktoberfestattentat auch für die gesetzgeberische Funktion des Bundestages von Bedeutung. Die Frage der gesetzlichen Regulierung des Einsatzes von V-Leuten sei hochaktuell und umstritten. Insoweit sei es erforderlich, dass Informationen über die Praxis des Einsatzes von V-Leuten und eventuelle Missstände oder Fehleinschätzungen in der Vergangenheit verfügbar seien.

33

Die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke stehe im Kontext mit einer Vielzahl von weiteren Auskunftsbegehren der Antragstellerinnen, mit denen diese versuchten, Anhaltspunkten für Verbindungen deutscher Sicherheitsbehörden zu Personen und Gruppierungen aus dem Neonazimilieu nachzugehen, von denen schwerwiegende Gewalttaten ausgegangen seien. Sollte Lembke tatsächlich als V-Mann tätig gewesen sein und sollten sich Verbindungen zum Oktoberfestattentat erhärten lassen, würde dies massive Fragen nach dem Sinn und den Modalitäten des Einsatzes von V-Leuten im Neonazimilieu aufwerfen, deren potentielle politische Bedeutung für die parlamentarische Kontrolle und für gesetzgeberische Maßnahmen sich kaum überschätzen lasse.

34

c) Auch hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei die Antwort der Antragsgegnerin zu pauschal (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse sei nicht ersichtlich (bb)), jedenfalls habe eine vollständige Verweigerung der Beantwortung der Fragen nicht erfolgen dürfen (cc)).

35

aa) Die Verweigerung vollständiger Antworten auf die umstrittenen Fragen der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei unzureichend begründet worden. Die Antragsgegnerin habe denselben formelhaften Textbaustein wie in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwendet.

36

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei weder hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 zu Quellenmeldungen zum Attentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann noch bezüglich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann ersichtlich. Dass die Antragsgegnerin eine Aufschlüsselung der Quellenmeldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden in ihrer Antwort auf die Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 verweigert habe, lasse sich weder durch Belange des Staatswohls noch durch Grundrechte rechtfertigen.

37

Eine Gefährdung der aktuellen Aufklärungstätigkeit der Nachrichtendienste sei insoweit nicht ersichtlich, da bekannt sei, dass diese im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und im Umfeld der Wehrsportgruppe Hoffmann ermittelt und dabei auf menschliche Quellen zurückgegriffen hätten. Dies ergebe sich auch aus der Antwort der Antragsgegnerin. Hinreichend spezifische Rückschlüsse allgemeiner Art auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ließen sich aus der begehrten Aufschlüsselung nicht ziehen. Dass Nachrichtendienste befugt seien, V-Leute einzusetzen, und von dieser Befugnis gerade auch in der rechtsextremistischen Szene Gebrauch machten, sei allgemein bekannt. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Nachteile sich für die Nachrichtendienste aus der Mitteilung der Aufschlüsselung ergeben könnten. Hieraus könnten keine Schlüsse zu anderen Vorgängen und erst recht nicht zu der heutigen Aufklärungstätigkeit gezogen werden.

38

Es sei auch nicht ersichtlich, dass die begehrte Aufschlüsselung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder Leib und Leben von Menschen gefährden könne, da es an einem Bezug zu bestimmten Personen fehle. Die bloße Behauptung, aus irgendwelchen Informationen, die einen Bezug zum Einsatz von V-Leuten aufwiesen, könne auf die Identität einzelner V-Leute geschlossen werden, reiche nicht aus. Diese Behauptung müsse vielmehr durch eine Enttarnungsprognose fundiert werden, um verfassungsrechtlich tragfähig zu sein. Zwar könnten unter Hinzuziehung von Zusatzwissen gegebenenfalls gewisse Rückschlüsse in personeller Hinsicht möglich sein. Angesichts des erheblichen Umfangs der Ermittlungen zum Oktoberfestattentat und der großen Zahl von Angehörigen und Unterstützern der Wehrsportgruppe Hoffmann liege es aber fern, dass sich positiv ein Bezug zu bestimmten Personen herstellen lasse. Aus den begehrten Antworten wäre nicht einmal ersichtlich, in welchem Verhältnis die Quellen zu der rechtsextremen Szene beziehungsweise der Wehrsportgruppe Hoffmann stünden. Dass konkretere Angaben zu Quellenmeldungen unbedenklich seien, zeige zudem die Antwort auf Frage 18, wonach dem Bundesnachrichtendienst zum Oktoberfestattentat eine Quellenmeldung aus dem Jahr 1981 vorliege.

39

Hinsichtlich der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann (Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31) liege es ebenfalls nahe, dass kein Geheimhaltungsinteresse bestehe. Eine Gefährdung aktueller Ermittlungen sei nicht ersichtlich. Zwar liege es nahe, dass einzelne Personen aus dem Kreis der Wehrsportgruppe auch heute noch von den Nachrichtendiensten beobachtet würden. Aus den begehrten Angaben ließen sich jedoch keine Schlüsse ziehen, die diese Beobachtung beeinträchtigen könnten. Nach über 30 Jahren könne aus der damaligen Zahl der V-Leute kaum etwas zu ihrer heutigen Zahl hergeleitet werden.

40

Allgemeine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise von Nachrichtendiensten ließen sich aus den begehrten Informationen zu V-Leuten ebenfalls nicht ziehen. Aus ihnen lasse sich lediglich ableiten, wie weitgehend die Wehrsportgruppe Hoffmann mit V-Leuten infiltriert gewesen sei, nicht aber, wie die Kooperation abgelaufen sei und welchen Nutzen sie erbracht habe. Erkenntnisse über den heutigen Einsatz von V-Leuten im Neonazimilieu ergäben sich hieraus nicht. Zudem könne man nicht von der Infiltration einer Gruppierung auf die einer anderen schließen. Außerdem sei der erhebliche Zeitablauf zu berücksichtigen.

41

Eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung liege fern, da von der abgefragten Gesamtzahl von V-Leuten nicht auf einzelne Personen geschlossen werden könne. Angesichts des erheblichen Zeitablaufs könne auch nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das für eine denkbare Individualisierung erforderliche Zusatzwissen in den betroffenen Kreisen vorhanden oder beschaffbar sei. Sollte gleichwohl ein Identifizierungsrisiko zu bejahen sein, hätte die Antragsgegnerin die Antworten aufspalten, die Gesamtzahl der V-Leute veröffentlichen und die weiteren begehrten Informationen unter Einstufung herausgeben können.

42

cc) Selbst wenn man unterstelle, dass die verfahrensgegenständlichen Fragen ein Geheimhaltungsinteresse berührten, hätte die Antragsgegnerin die begehrten Informationen zumindest nicht vollständig verweigern dürfen. Insofern gelte nichts anderes als für Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Informationen darüber, in welchem Ausmaß die Nachrichtendienste neonazistische Gruppierungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat infiltriert hätten, seien besonders bedeutsam, damit der Bundestag etwaige Defizite abschätzen und den Einsatz von V-Leuten gegebenenfalls neu regulieren könne. Vor diesem Hintergrund sei ein geringfügiges Risiko für das Staatswohl hinzunehmen. Dieses allenfalls sehr geringe Risiko für damalige V-Leute hätte durch eine Einstufung als Verschlusssache abgeschirmt werden können.

43

d) Wo dies erforderlich sei, könne zwischen dem Informationsinteresse des Bundestages und einem gegenläufigen Geheimhaltungsinteresse praktische Konkordanz hergestellt werden, indem die begehrten Informationen als Verschlusssache zur Verfügung gestellt würden. Die Antragsgegnerin könne sich grundsätzlich nicht auf das Staatswohl berufen, um Informationen zurückzuhalten, wenn der Bundestag hinreichende Vorkehrungen dagegen treffe, dass diese Informationen bekannt würden. Gleiches gelte, wenn eine Geheimhaltung von Informationen zum Schutz von Grundrechten geboten sei. Antworten auf parlamentarische Anfragen zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden müssten somit in der Regel zumindest als Verschlusssache zur Verfügung gestellt werden.

44

Es sei davon auszugehen, dass Informationen, die nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingestuft worden seien, auch tatsächlich geheim blieben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall sei, habe die Antragsgegnerin nicht vorgebracht. Eine pauschale Befürchtung der Antragsgegnerin, im Bundestag könnten Sicherheitslücken bestehen, genüge nicht. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle eine Einstufung nach der Geheimschutzordnung als Mittel zur Auflösung des Interessenkonflikts zwischen dem parlamentarischen Informationsinteresse und dem exekutiven Geheimhaltungsinteresse verworfen, da die Anwendung der Geheimschutzordnung mit der Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments konfligiere. Für diesen Bereich habe das Bundesverfassungsgericht jedoch eine abstrakt-generelle Regel zur Reichweite des parlamentarischen Informationsrechts aufgestellt, weshalb die Öffentlichkeit bei Anwendung der Geheimschutzordnung systematisch und nicht nur im Einzelfall ausgeschlossen würde. Für den Bereich der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden bleibe der parlamentarische Geheimschutz hingegen ein taugliches Instrument zum Ausgleich des Interessenkonflikts, da hier eine Einzelfallabwägung vorzunehmen sei und im Einzelfall eine Einstufung als Verschlusssache dem Informationsinteresse des Bundestages besser Rechnung trage als die vollständige Verweigerung einer Antwort.

IV.

45

Nach Auffassung der Antragsgegnerin haben die Anträge keine Aussicht auf Erfolg.

46

1. Sie habe die Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 zu Recht aus Gründen des Staatswohls (a)) und des Grundrechtsschutzes (b)) verweigert, ohne dass insoweit eine Einzelfallabwägung vorgenommen werden müsse. Die Möglichkeit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages ändere hieran nichts (c)). Selbst wenn man von der Notwendigkeit einer Einzelfallabwägung ausgehe, müsse das Auskunftsinteresse im konkreten Fall hinter dem Geheimhaltungsinteresse zurückstehen (d)). Außerdem müsse sie keine Auskünfte zu V-Leuten der Länder erteilen (e)). Schließlich sei die Verweigerung der Beantwortung der Frage 2 a) auch in ausreichender Weise begründet worden (f)).

47

a) Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass gegenüber V-Leuten abgegebene Vertraulichkeitszusagen aus Gründen des Staatswohls stets eingehalten werden müssten. Das Bundesverfassungsgericht habe wiederholt betont, dass die Strafverfolgungsorgane auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen seien, um ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten gerecht werden zu können. Dies gelte in derselben Weise für die Nachrichtendienste und Polizeibehörden bei der Aufklärung verfassungsfeindlicher Bestrebungen und der sonstigen Gefahrenabwehr. Der Einsatz von V-Leuten gehöre zu den wichtigsten Mitteln verdeckter Informationsgewinnung. Er sei von herausragender Bedeutung, da verfassungsfeindliche Organisationen oftmals konspirativ agierten.

48

Die Geheimhaltung der Identität von V-Leuten sei mit Blick auf die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden unabdingbar. Zwar vertrete die Antragsgegnerin nicht die Auffassung, dass es bei parlamentarischen Anfragen eine Bereichsausnahme für sämtliche Informationen mit Bezug zu V-Leuten gebe; es bestehe jedoch eine generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit für Informationen, die alleine oder in Zusammenschau mit anderen Informationen zur Offenbarung der Identität von V-Personen führen könnten. Dies ergebe sich aus einer Abwägung des parlamentarischen Informationsinteresses mit den der Offenbarung derartiger Daten und Informationen entgegenstehenden Geheimhaltungsinteressen. Das gelte nicht nur für die Zeit während des Einsatzes, sondern auch nach dessen Beendigung. Dabei diene die Geheimhaltung der Identität zum einen dem Schutz der V-Leute selbst, zum anderen aber auch dem Schutz der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden. So schließe die Offenbarung der Identität einer V-Person deren weiteren Einsatz aus. Der damit verbundene Verlust des Zugangs zu Informationen könne irreversibel sein, da sich V-Leute nicht beliebig gewinnen oder ersetzen ließen. Mit der Enttarnung einer V-Person würden darüber hinaus den beobachteten Personen sowohl der Umstand als auch die Art und Weise ihrer Beobachtung bekannt, was die weitere Aufklärung erschwere. Des Weiteren könnten bei Bekanntwerden der Identität einer V-Person Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Behörden, insbesondere die Art und Weise der Werbung, der Quellenführung und der Zusammenarbeit, gezogen werden. Hierdurch könnten Zielpersonen in die Lage versetzt werden, Abwehrstrategien gegen die Gewinnung von V-Leuten zu entwickeln. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Mitarbeiter von Behörden enttarnt und gefährdet würden.

49

Die Tätigkeit der Nachrichtendienste zeichne sich dadurch aus, dass sie in weiten Teilen geheimhaltungsbedürftig sei. Daher müssten Einzelheiten zu Arbeitsweisen, Strategien, Methoden und Erkenntnisstand der Nachrichtendienste, deren Offenlegung ihre Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung gefährde, nicht mitgeteilt werden. Gleiches gelte für Polizeibehörden, soweit diese zum Einsatz verdeckter Maßnahmen befugt seien. Eine Beantwortung der Frage 2 a) würde aber Einzelheiten des Quellen- und Erkenntnisstandes offenbaren. Die Antragstellerinnen verkennten, dass es sich bei dem Schutz der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden im Interesse des Gemeinwohls um einen Belang höchsten Ranges handele. Vor diesem Hintergrund gingen sie unzutreffend davon aus, dass insoweit gewisse Beeinträchtigungen und Gefährdungen hinzunehmen seien. Die Antragsgegnerin müsse jedoch auch nicht-signifikante Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden verhindern und könne von den Antragstellerinnen nicht durch parlamentarische Anfragen gezwungen werden, derartige Folgen herbeizuführen.

50

Es treffe nicht zu, dass die amtliche Bestätigung von Überwachungsmaßnahmen keinen zusätzlichen Informationswert habe, wenn über diese Maßnahmen schon in anderen Publikationen berichtet worden sei. Das Staatswohl sei nicht erst dann gefährdet, wenn verfassungsfeindlichen Organisationen durch eine Auskunft der Antragsgegnerin ermöglicht werde, neue Vermeidungsstrategien zu ergreifen, sondern schon dann, wenn diese zu der generellen Erkenntnis gelangten, sich vorsehen zu müssen. Allein die Beendigung einer bestimmten Aufklärungstätigkeit führe nicht stets dazu, dass auch die Geheimhaltungsbedürftigkeit entfalle, da das Aufklärungsinteresse fortbestehen könne. Ob bei abgeschlossenen Sachverhalten etwas anderes gelte, sei unerheblich, da ein solcher hier nicht vorliege. Unabhängig davon dürfe nicht vorschnell von einem abgeschlossenen Sachverhalt ausgegangen werden, da selbst lange zurückliegende Vorgänge wieder unmittelbare Aktualität erlangen könnten. Auch sei zu bedenken, dass zwar möglicherweise eine Organisation ihr Ende gefunden habe, die an ihr beteiligten Personen aber gegebenenfalls ihre verfassungsfeindlichen oder sicherheitsgefährdenden Aktivitäten in anderer Form fortsetzten.

51

Durch die von einer Behörde abgegebene Vertraulichkeitszusage werde die Identität einer V-Person grundsätzlich dauerhaft geschützt. Eine derartige Zusage sei notwendig, weil V-Leuten im Falle ihrer Enttarnung Repressionen bis hin zu Gefahren für Leib und Leben drohten. Vor diesem Hintergrund bestehe eine Schutz- und Fürsorgepflicht des Staates. Die drohenden Gefahren dürften nicht unter Verweis auf staatliche Schutzprogramme heruntergespielt werden, da derartige Maßnahmen sehr aufwendig und für die Betroffenen mit äußerst gravierenden Belastungen verbunden seien.

52

Die Einhaltung abgegebener Vertraulichkeitszusagen sei für die Zusammenarbeit mit aktiven V-Leuten und die Gewinnung künftiger V-Leute unabdingbar. Würden Vertraulichkeitszusagen nicht eingehalten, könne dies die künftige Gewinnung von V-Leuten erschweren oder unmöglich machen. Werde die Identität einer V-Person bekannt, verunsichere dies andere Betroffene und schwäche das Vertrauen in die Wirksamkeit und Geltung von Vertraulichkeitszusagen. In der Vergangenheit hätten Enttarnungen dazu geführt, dass die Anwerbung in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten verbunden sei.

53

Das Geheimhaltungsbedürfnis sei auch nicht deshalb entfallen, weil Heinz Lembke bereits vor längerer Zeit verstorben sei. Vertraulichkeitszusagen seien grundsätzlich nicht auf die Lebenszeit der Betroffenen beschränkt, denn es könnten auch Angehörige in Gefahr geraten. Die Vorstellung von "Sippenhaft" sei in bestimmten Organisationen, Kreisen und Gesellschaften durchaus verbreitet. Außerdem sei es ein berechtigtes Anliegen von V-Leuten, dass ihr soziales Ansehen auch über den Tod hinaus geschützt werde. Diese wollten mit Rücksicht auf das eigene Andenken sowie auf ihre Angehörigen auch nach ihrem Tod nicht als "Spitzel" oder "Verräter" diffamiert und herabgesetzt werden. Dem stehe nicht entgegen, dass der postmortale Persönlichkeitsschutz schwächer ausgeprägt sei als das allgemeine Persönlichkeitsrecht, da es im Kontext von Vertraulichkeitszusagen nicht um allgemeine grundrechtliche Abwehr- und Schutzansprüche, sondern um die Einhaltung staatlicher Zusagen gehe, die ein besonderes Vertrauens- und Fürsorgeverhältnis begründeten.

54

Werde die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person bejaht, könne dies zudem zur Folge haben, dass auf Seiten der betroffenen Organisation eine Suche nach weiteren "Verrätern" ausgelöst werde. Werde die Frage hingegen verneint, könnten die betroffenen Kreise möglicherweise folgern, dass eine andere Person eine V-Person gewesen sein müsse, wodurch diese in Gefahr gerate. Vor diesem Hintergrund müssten vor der Beantwortung einer entsprechenden Frage umfangreiche Ermittlungen zu allen im Zusammenhang stehenden Personen und Personenzusammenschlüssen durchgeführt werden. Zum einen verursache dies einen unzumutbaren Aufwand, der über die Auskunftspflicht hinausgehe. Zum anderen könnten mit den erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen erhebliche Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen verbunden sein.

55

Dass der verfahrensgegenständliche Sachverhalt lange zurückliege, führe ebenfalls nicht dazu, dass das Geheimhaltungsbedürfnis entfalle. Mit Blick auf die Identität von V-Leuten nehme das Geheimhaltungsinteresse mit der Zeit nicht ab. Nähme man dagegen an, dass die Frage nach der V-Person-Eigenschaft beantwortet werden müsse, wenn der V-Person-Einsatz bereits längere Zeit zurückliege, könnte in Fällen einer Antwortverweigerung der Umkehrschluss gezogen werden, dass die betreffende Person vor nicht langer Zeit als V-Person tätig gewesen oder es womöglich noch immer sei.

56

Abgesehen davon beziehe sich die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht auf einen historischen Vorgang, bei dem das Geheimhaltungsinteresse gemindert oder entfallen sein könnte. Die Anfrage beruhe nicht auf einem historischen Interesse, sondern stehe im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Ermittlungen zu dem Oktoberfestattentat durch den Generalbundesanwalt. Diese Ermittlungen könnten durch die Beantwortung der Frage, ob Lembke V-Mann gewesen sei, gefährdet werden. Von den ehemaligen Angehörigen und Unterstützern der in den Blick zu nehmenden Organisationen und Gruppierungen würden diese Ermittlungen mit großem Interesse verfolgt. Karl-Heinz Hoffmann, der im Jahr 2011 ein Buch mit dem Titel "Die Oktoberfestlegende" veröffentlicht habe, befasse sich auf seiner Homepage regelmäßig und ausführlich mit dem Attentat und äußere sich dort unter anderem auch zu Lembke. Eine Antwort auf die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, ermögliche etwaigen Tatbeteiligten Rückschlüsse darauf, welche Umstände den Ermittlungsbehörden bekannt sein könnten. Dies erleichtere ihnen, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren.

57

Schließlich bestehe die Notwendigkeit, die Antwort auf Frage 2 a) zu verweigern, unabhängig davon, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei. Zum einen könne die Pflicht zur Beantwortung nicht davon abhängen, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, da anderenfalls in künftigen Fällen bei einer Verweigerung der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person die zutreffende Antwort durch einen Umkehrschluss ermittelt werden könne. Zum anderen könnten auch bei einer Verneinung der Frage möglicherweise Rückschlüsse im konkreten Fall gezogen werden, die bis hin zu einer Enttarnung etwaiger tatsächlicher V-Leute reichen könnten. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die betroffenen Personen und Gruppierungen über internes Wissen verfügten, das sie womöglich in die Lage versetze, im Falle des Ausschlusses einer Person auf die V-Person-Eigenschaft einer anderen Person zu schließen. Es sei nicht auszuschließen, dass in Zukunft weitere Informationen öffentlich würden, die in Verbindung mit der Beantwortung der aktuellen Frage Rückschlüsse auf die Identität von V-Leuten ermöglichten.

58

b) Die Beantwortung der Frage 2 a) sei darüber hinaus aus grundsätzlichen Erwägungen des Grundrechtsschutzes zu verweigern. Unter grundrechtlichen Aspekten betreffe die Wahrung von Vertraulichkeitszusagen nicht allein die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates für Leben, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit. Auch eine Betrachtung unter den Gesichtspunkten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einschließlich des postmortalen Persönlichkeitsschutzes greife zu kurz. Denn der Staat übernehme gegenüber den V-Leuten darüber hinausgehende besondere Verpflichtungen. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, dass Lembke bereits verstorben sei, da dem grundrechtlich geschützten Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen auch über den Tod hinaus Rechnung zu tragen sei.

59

c) Dem Geheimhaltungsbedürfnis könne überdies nicht mit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages Rechnung getragen werden. In Bezug auf die Identität von V-Personen und anderen schutzwürdigen Quellen der Nachrichtendienste und Polizeibehörden bestehe eine generelle Geheimhaltungsnotwendigkeit.

60

Zwar sei die Geheimschutzordnung des Bundestages grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass das Staatswohl nicht allein der Bundesregierung, sondern auch dem Bundestag anvertraut sei. Gleichwohl gebe es Informationen aus dem Bereich der Nachrichtendienste, die ungeachtet der Geheimschutzordnung des Bundestages diesem gegenüber nicht offenbart werden könnten.

61

Die Effektivität des Geheimschutzes hänge nicht allein von der normativen Ausgestaltung ab, sondern auch von der faktischen Wirksamkeit. Je größer der Kreis der Geheimnisträger sei, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit einer absichtlichen oder unabsichtlichen Weitergabe der Informationen. Der Gedanke, dem Geheimschutz durch eine Beschränkung der Zahl der Geheimnisträger effektiv Rechnung zu tragen, sei für den Bereich der nachrichtendienstlichen Informationen sowohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch in der Gesetzgebung angelegt. So habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die nachrichtendienstliche Tätigkeit von dem aus einer geringen Zahl von Abgeordneten bestehenden Parlamentarischen Kontrollgremium überwacht werde. Ebenso habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste des Bundes nicht im Plenum, sondern gemäß § 10a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) in einem Vertrauensgremium behandelt würden. Der (verfassungsändernde) Gesetzgeber habe bei der Regelung von Art. 45d GG sowie bei der Verabschiedung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) betont, dass die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit besonderer Geheimhaltung bedürfe. Aus § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG ergebe sich zudem, dass es Informationen gebe, die derart sensibel seien, dass sie selbst dem Parlamentarischen Kontrollgremium nicht zu offenbaren seien. Danach könne eine Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums unter anderem aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangsverweigert werden, worunter auch der Schutz von Quellen gefasst werde. Es gebe Kategorien von Geheimnissen, die sich aufgrund ihrer besonderen Natur bereits bei abstrakter Abwägung als generell geheimhaltungsbedürftig darstellten. Da hier bereits die fallgruppenbildenden Kriterien die Entscheidung determinierten, bedürfe es keiner Abwägung im Einzelfall. Eine solche generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehe in Bezug auf die Identität von V-Personen und andere schutzwürdige nachrichtendienstliche Quellen.

62

Vor diesem Hintergrund garantiere die Geheimschutzordnung des Bundestages im vorliegenden Fall keinen ausreichenden Geheimschutz. Bei der Identität von V-Leuten handele es sich um derart sensible Informationen, dass die Gefahr des Bekanntwerdens soweit wie möglich reduziert werden müsse. Der hiernach erforderliche ganz besondere Geheimschutz sei auch bei einer Einstufung der Antwort als "geheim" nicht gewährleistet, da die Antwort gleichwohl allen Mitgliedern des Bundestages zugänglich gemacht werde. Zudem machten die Antragstellerinnen geltend, dass sie die Antwort benötigten, um eine gesetzliche Regelung des Einsatzes von V-Leuten im Parlament und in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Sie zielten somit letztlich auf die Herstellung von Öffentlichkeit ab.

63

d) Die Antragsgegnerin vertrete zwar die Auffassung, dass die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer bestimmten Person schon aufgrund einer abstrakten Abwägung generell nicht beantwortet werden müsse. Doch selbst wenn man eine Einzelfallabwägung für erforderlich halte, sei die Verweigerung der Antwort auf die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke rechtmäßig, da das Geheimhaltungsinteresse das Auskunftsinteresse auch im konkreten Fall überwiege.

64

Hinsichtlich der Beantwortung der Frage 2 a) sei kein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegeben. Die diesbezüglichen Überlegungen der Antragstellerinnen blieben abstrakt. Sie könnten nicht begründen, weshalb die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, für die parlamentarische Kontrolle oder die Gesetzgebungstätigkeit von besonderer Bedeutung sein solle. Die Auffassung, wonach der Bundestag zur Kontrolle der Sicherheitsbehörden Einblicke in einzelne, konkrete Aufklärungsmaßnahmen einschließlich der Identität einzelner V-Personen erhalten müsse, überzeuge nicht und laufe auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Staatswohls hinaus. Dass die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, Bedeutung für die Gesetzgebungstätigkeit habe, sei nicht ersichtlich. Die Antragstellerinnen legten nicht dar, weshalb sie meinten, dass gerade diese Information für die heutige Bewertung des Einsatzes von V-Leuten relevant sei. Ihr Vortrag sei im Übrigen widersprüchlich, weil sie an anderer Stelle äußerten, dass eine Gefahr für das Staatswohl nicht zu besorgen sei, da eine Beantwortung der Frage keine Schlüsse auf die heutige Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden zulasse.

65

Demgegenüber werde der Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel durch gezielte Identifikationsfragen unterminiert. Auch wenn das Parlament nicht unmittelbar an von der Exekutive abgegebene Vertraulichkeitszusagen gebunden sei, folge hieraus nicht, dass es einen Auskunftsanspruch habe, der unter Verletzung dieser Zusagen zu erfüllen sei. Insoweit sei auch die Rechtsprechung zur Bedeutung von Vertraulichkeitszusagen im Strafverfahren zu berücksichtigen, wonach Auskünfte zu V-Leuten in entsprechender Anwendung von § 96 StPO verweigert werden könnten. Wenn der Weg in die Einzelfallabwägung einmal eröffnet sei, sei aus Sicht der Betroffenen kein Verlass mehr auf Vertraulichkeitszusagen. Dadurch würden die Fortführung und die Gewinnung von V-Leuten als nachrichtendienstliche Quelle zum Nachteil des Staatswohls erheblich beeinträchtigt.

66

e) Soweit sich die Frage 2 a) auf eine V-Mann-Tätigkeit Lembkes für Sicherheitsbehörden der Länder beziehe, müsse die Antwort auch deshalb verweigert werden, weil die Antragsgegnerin nicht beurteilen könne, welche Konsequenzen die Antwort für die Arbeit der betreffenden Landesbehörde hätte. Da sich die Antwortpflicht der Antragsgegnerin nur auf vorhandene Kenntnisse beziehe, sei sie nicht verpflichtet, Untersuchungen dazu zu veranlassen, welche Folgen eine Beantwortung der Frage für die Länder hätte.

67

f) Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen habe die Antragsgegnerin die Verweigerung der Antwort auch ausreichend begründet. Sie habe dargelegt, dass und weshalb es nicht möglich sei, Fragen nach der Identität von V-Leuten zu beantworten. In gewisser Weise müsse jede Auskunftsverweigerung abstrakt bleiben, da nicht verlangt werden könne, dass die Begründung so konkret sei, dass Rückschlüsse auf die verweigerte Antwort gezogen werden könnten. Auch der Einwand, dass Antworten auf andere Anfragen wortgleich seien, greife nicht durch. Wenn Fragen einen ähnlichen Inhalt hätten und die Beantwortung aus denselben Gründen abzulehnen sei, sei es nicht zu beanstanden, dass sich auch die Begründungen entsprächen.

68

Mit der Rüge, dass die Antragsgegnerin sich in ihrer Antwort nur auf Nachrichtendienste bezogen habe, obwohl nach "Sicherheitsbehörden" und damit - nach Auffassung der Antragstellerinnen - auch nach Polizeibehörden gefragt worden sei, könnten die Antragstellerinnen ebenfalls nicht gehört werden. Die Antragsgegnerin habe unter dem nicht klar definierten Begriff "Sicherheitsbehörden" allein Nachrichtendienste verstanden und verstehen dürfen. Dieses Verständnis ergebe sich aus dem systematischen Zusammenhang, da sich auch die Frage 2 b) nur auf "Geheimdienste" bezogen habe, und werde dadurch untermauert, dass die Antragstellerin zu 1. die Antwort der Antragsgegnerin in dem Schreiben vom 3. März 2015 insoweit nicht beanstandet habe.

69

2. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 habe die Antragsgegnerin zum Schutz des Staatswohls und der Grundrechte bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 die Zahl der Quellenmeldungen zu Recht zusammengefasst. Die Beantwortung der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 sei aus diesen Gründen vollständig abzulehnen gewesen.

70

a) Die auf die Tätigkeit von V-Leuten bezogenen Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 müssten aus Gründen des Staatswohls und zum Schutze der Grundrechte etwaiger V-Leute unbeantwortet bleiben. Aus Gründen des Staatswohls sei es - wie bereits mit Blick auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 ausgeführt - zum einen ausgeschlossen, die Identität von V-Leuten zu offenbaren. Darüber hinaus seien aber auch solche Angaben geheimhaltungsbedürftig, die - und sei es auch nur im Zusammenhang mit anderen Informationen - Rückschlüsse auf diese Personen erlaubten.

71

Insoweit sei zu berücksichtigen, dass gerade bei kleinen und konspirativ operierenden Gruppierungen schon geringe Anhaltspunkte ausreichen könnten, um bestimmte Personen als V-Leute zu identifizieren. Bei der Wehrsportgruppe Hoff-mann habe es sich um eine konspirativ agierende, straff hierarchisch organisierte paramilitärische Vereinigung gehandelt, so dass womöglich auch unverfänglich erscheinende Informationen eingeweihten Personen die Identifizierung etwaiger V-Leute ermöglichen könnten. Zwar treffe es zu, dass lediglich nach Gesamtzahlen gefragt worden sei. Ob von einer aggregierten Zahl gesprochen werden könne, hänge allerdings vom Inhalt der Antwort ab. Die Ausführungen der Antragstellerinnen zu der Wahrscheinlichkeit, dass die begehrten Informationen für die betroffenen Kreise einen Erkenntniswert haben könnten, beruhten auf Spekulationen und Mutmaßungen, die der Problematik nicht gerecht würden. Es liege in der Natur der Sache, dass keine exakte Aussage darüber getroffen werden könne, welche Konsequenzen die Offenbarung der begehrten Informationen habe.

72

Hinzu komme, dass Leib und Leben etwaiger V-Leute geschützt werden müssten. Im vorliegenden Fall sei ein gewaltbereites rechtsextremistisches Umfeld gegeben, so dass die Aufdeckung der Identität zu einer Gefährdung dieser grundrechtlich geschützten, hochrangigen Güter führen könne. Angesichts der Hochrangigkeit dieser Güter könne kein noch so geringes Risiko hingenommen werden. Das Staatswohlinteresse, den Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel funktionsfähig zu erhalten, sei derart bedeutsam, dass auch geringfügige Risiken nicht tolerierbar seien. Aus den bereits im Zusammenhang mit der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 genannten Gründen entfalle das Geheimhaltungsbedürfnis nicht, weil der Sachverhalt lange zurückliege. Mit Blick auf das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts dürfe etwaigen Beteiligten nicht ermöglicht werden, Absprachen zu treffen und sonstige Verschleierungsmaßnahmen vorzunehmen.

73

Eine Einstufung der Antworten als Verschlusssache reiche aus den genannten Gründen nicht aus, um die Gefahr eines Bekanntwerdens verlässlich auszuschließen und dem Geheimhaltungsbedürfnis Rechnung zu tragen.

74

b) Die Antragsgegnerin habe die Fragen 14 bis 16 und die Fragen 19 bis 21 jeweils zusammenfassend beantwortet und mitgeteilt, dass dem Bundesamt für Verfassungsschutz fünf Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat aus der Zeit von 1980 bis 1985 sowie 197 Quellenmeldungen zu der Wehrsportgruppe Hoffmann aus der Zeit von 1974 bis 1985 vorlägen. Eine nähere Aufschlüsselung nach Herkunft und Jahren müsse unterbleiben. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Zahl der Quellenmeldungen insgesamt sehr niedrig sei. Eine weitere Aufgliederung hätte die Mitteilung punktgenauer Informationen zur Folge. Unter Nutzung von Zusatzwissen sei es dann möglich, Bezüge zu bestimmten Personen herzustellen. Die Wehrsportgruppe Hoffmann habe zuletzt aus etwa 400 Mitgliedern bestanden, sei jedoch in mehrere Ortsgruppen untergliedert gewesen. Nach dem Verbot der Wehrsportgruppe Hoffmann zum Anfang des Jahres 1980 bis Mitte 1981 habe sich Karl-Heinz Hoffmann mit etwa 20 weiteren Personen im Libanon aufgehalten und dort die "Wehrsportgruppe Ausland" gegründet. Gerade in der Zeit vor und nach dem Oktoberfestattentat sei der Personenkreis somit sehr überschaubar gewesen.

75

c) Schließlich habe die Antragsgegnerin die Gründe für die unterbliebene oder lediglich teilweise Beantwortung auch ausreichend dargelegt.

V.

76

Die Antragstellerinnen und die Antragsgegnerin haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

B.

77

Die Anträge sind gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG zulässig.

I.

78

1. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind als Fraktionen nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG in Organstreitigkeiten parteifähig und berechtigt, sowohl eigene Rechte als auch Rechte des Deutschen Bundestages im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen (vgl. BVerfGE 2, 143 <165>; 67, 100 <125>; 131, 152 <190>; 139, 194 <220 Rn. 96>; stRspr). Die Bundesregierung ist nach § 63 BVerfGG taugliche Antragsgegnerin.

79

2. Die Anträge beziehen sich auf zulässige Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine rechtserhebliche Maßnahme als auch ein rechtserhebliches Unterlassen sein (vgl. BVerfGE 103, 81 <86>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <220 f. Rn. 98>; stRspr). Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer vollständigen Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht vollständigen Beantwortung handelt. Die teilweise Antwortverweigerung, die Nichtbeantwortung oder die nicht hinreichende Beantwortung der Kleinen Anfragen können die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihrem aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Auskunftsrecht verletzen. Damit sind die Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; 103, 81 <86>; 104, 310 <324>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <221 Rn. 98>).

II.

80

1. Die Antragstellerinnen sind antragsbefugt. Ein die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag einerseits und die Antragsgegnerin andererseits umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis liegt vor. Die Antragstellerinnen beanstanden Antworten der Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen. Der Organstreit betrifft damit die Reichweite des in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verfassungsrechtlich verankerten, in der Geschäftsordnung des Bundestages näher ausgestalteten Fragerechts sowie die grundsätzliche Verpflichtung der Bundesregierung, auf Fragen im Parlament Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 <185>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <221 Rn. 99>). Das Recht auf Information stellt sowohl ein eigenes Recht der Fraktionen dar, das der Bundesregierung gegenüber geltend gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 91, 246 <250 f.>; 100, 266 <270>; 124, 161 <187>), als auch ein Recht des Deutschen Bundestages, auf welches sich die Antragstellerinnen im Wege der Prozessstandschaft berufen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <187>; 139, 194 <221 Rn. 99>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 92, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

81

2. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte der Antragstellerinnen - soweit sie die unzureichende Beantwortung von ihnen jeweils selbst gestellter Anfragen rügen - und Rechte des Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt (vgl. dazu BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 112, 363 <365>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <222 Rn. 100>). Vielmehr erscheint es möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihre Antworten den Informationsanspruch der Antragstellerinnen und des Deutschen Bundestages in unzulässiger Weise verkürzt hat. Die Antragstellerinnen haben die Möglichkeit einer solchen Verletzung hinreichend dargelegt und ausgeführt, weshalb sie das verfassungsrechtlich verankerte Informationsrecht als verletzt ansehen und dessen Grenzen, auf die sich die Antragsgegnerin beruft, für nicht einschlägig halten.

III.

82

Mit dem am 20. Mai 2015 eingegangenen Antrag wahren die Antragstellerinnen die Sechsmonatsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG. Die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 1. wurde am 24. November 2014, die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 2. am 9. Februar 2015 von der Antragsgegnerin beantwortet.

C.

83

Die Anträge sind teilweise begründet.

I.

84

1. Das aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abgeleitete Frage- und Informationsrecht ermöglicht es dem Bundestag und seinen Mitgliedern zum einen, sich die für ihre Tätigkeit notwendigen Informationen zu verschaffen (a)). Zum anderen dient es der Kontrollfunktion des Parlaments, die sowohl aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz (b)) als auch aus dem Demokratieprinzip folgt (c)).

85

a) Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ergibt sich ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; 137, 185 <230 f. Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; stRspr). Aus dem Frage- und Informationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der Bundesregierung daher die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit des Parlaments (vgl. BVerfGE 137, 185 <231 Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; jeweils m.w.N.; stRspr).

86

b) Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf eine Verteilung der politischen Macht, das Ineinandergreifender drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>; 139, 194 <223 f. Rn. 105>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereichen unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

87

c) Die Kontrollfunktion des Parlaments ist zugleich Ausfluss der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>; 139, 194 <224 Rn. 106>). Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung hergestellt (vgl. etwa BVerfGE 137, 185 <232 Rn. 131>; 139, 194 <224 f. Rn. 107>). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung (vgl. BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>; 137, 185 <232 f. Rn. 131>; 139, 194 <225 Rn. 107>).

88

Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 132>; vgl. ferner BVerfGE 130, 76 <128>).

89

2. Der Informationsanspruch der Abgeordneten, Fraktionen und des Deutschen Bundestages unterliegt gleichwohl Grenzen. Sie ergeben sich aus dem Verantwortungsbereich der Regierung (a)), dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung einschließt (b)), dem Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl) (c)) und Grundrechten Dritter (d)).

90

a) Der Informationsanspruch kann sich von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen, da es insoweit an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag fehlt (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>; 137, 185 <233 Rn. 134>; 139, 194 <225 Rn. 107>). Hinsichtlich der Tätigkeit und Erkenntnisse der Nachrichtendienste ist der Verantwortungsbereich der Bundesregierung berührt, wenn die Anfragen Tätigkeiten unmittelbar nachgeordneter Behörden betreffen oder sie sich auf den Kenntnisstand der Bundesregierung zu Aktivitäten anderer Geheimdienste beziehen. Die Bundesregierung ist insoweit nicht auf Auskünfte beschränkt, die die Koordinierungsfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz betreffen (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>). Sie kann sich auch nicht von vornherein unter Bezugnahme auf ihren Verantwortungsbereich darauf berufen, sich nicht zu der Tätigkeit der Landesverfassungsschutzbehörden äußern zu müssen. Bereits die durch § 5 Abs. 1 BVerfSchG dem Bundesamt für Verfassungsschutz eröffnete Möglichkeit, Daten der Landesverfassungsschutzbehörden zu nutzen, sowie die in § 6 BVerfSchG geregelte gegenseitige Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden sprechen dafür, dass der Verantwortungsbereich der Bundesregierung auch bei Fragen, die sich auf ihre Erkenntnisse über die Tätigkeit und Informationen von Verfassungsschutzbehörden der Länder beziehen, berührt sein kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>).

91

b) Begrenzt wird der Informationsanspruch des Bundestages, der einzelnen Abgeordneten und der Fraktionen auch durch den Grundsatz der Gewaltenteilung. In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient dieser Grundsatz zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (vgl. BVerfGE 9, 268 <279 f.>; 137, 185 <233 Rn. 135>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung (vgl. BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

92

Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 131, 152 <210>; 137, 185 <234 Rn. 136>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 119, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214>). Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen (vgl. BVerfGE 124, 78 <120 f.>; 137, 185 <234 Rn. 136>).

93

Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Der aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung, sondern wirkt über den Zeitpunkt einer Entscheidung hinaus (BVerfGE 110, 199 <215>; 137, 185 <234 f. Rn. 137>).

94

c) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl).

95

aa) Die insoweit zu Beweiserhebungen von Untersuchungsausschüssen entwickelten Maßstäbe sind auf das Fragerecht der Abgeordneten zu übertragen (so bereits BVerfGE 124, 161 <189> zu Kleinen Anfragen und BVerfGE 137, 185 <240 Rn. 149> zu Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages und schriftlichen Fragen), weil es sich mit Blick auf das parlamentarische Informationsinteresse und das gegebenenfalls entgegenstehende Geheimhaltungsinteresse der Exekutive um vergleichbare Sachverhalte handelt. Danach bildet eine Grenze des Beweiserhebungsrechts das Staatswohl, das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 137, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Untersuchungs- sowie dem Informations- und Fragerecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls (vgl. BVerfGE 124, 78 <123>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 138, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

96

bb) Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheimzuhalten sind (BVerfGE 124, 78 <124>). Mithin kann bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 137, 185 <241 Rn. 149>).

97

(1) Der Bundestag hat in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Erfüllung seiner Aufgaben festgelegt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 77, 1 <48>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 139, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 Rn. 149>). Die Geheimschutzordnung kann damit ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse sein (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 124, 78 <124 f.>; 137, 185 <264 Rn. 199>; siehe ferner BVerfGE 130, 318 <362>; 131, 152 <208>).

98

Die Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungs- noch das Haushalts- noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>). Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>; 137, 185 <241 Rn. 150>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 140, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 137, 185 <241 Rn. 150>).

99

(2) Die Staatspraxis kennt neben der Geheimschutzordnung als Mittel des Ausgleichs zwischen parlamentarischem Informationsinteresse und dem Geheimhaltungsinteresse das aus ausgewählten (derzeit neun) Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (vgl. Art. 45d GG, § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 PKGrG; vgl. dazu BVerfGE 130, 318 <359>). Durch die Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Bundestages auf die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums wird ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das zum Ausgleich der kollidierenden Interessen führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <262 Rn. 194>). Jedoch ist das Gremium ein zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle, das parlamentarische Informationsrechte nicht verdrängt (vgl. BVerfGE 124, 161 <190> mit Verweis auf § 1 Abs. 2 PKGrG). Die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes durch ein ständiges Gremium soll eine Lücke schließen, da weder Öffentlichkeit noch Parlament von geheimen Vorgängen entsprechende Kenntnis erlangen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <190 f.>). Die einzelnen Abgeordneten, die Fraktionen und das Plenum des Deutschen Bundestages können jedoch nicht auf Informationen zugreifen, die die Bundesregierung dem Parlamentarischen Kontrollgremium gegeben hat (vgl. BVerfGE 124, 161 <191>).

100

d) Schließlich können das Fragerecht der Abgeordneten, Fraktionen und des Bundestages sowie die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten haben (vgl. BVerfGE 67, 100 <142>; 76, 363 <387>; 124, 78 <125>; 137, 185 <243 Rn. 153>). Daher ist zwischen den betroffenen Grundrechten verdeckt handelnder Personen und dem Informationsinteresse des Parlaments ein Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz zu finden. Dabei können insbesondere das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (aa)), das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und der postmortale Persönlichkeitsschutz berührt sein (bb)). Zudem ist das Gebot des Vertrauensschutzes zu beachten (cc)) und auch insoweit zu berücksichtigen, ob das Parlament ausreichende Vorkehrungen zum Geheimnisschutz getroffen hat (dd)).

101

aa) Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nimmt im Gefüge des Grundgesetzes einen besonders hohen Rang ein (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 57, 250 <284>; 115, 118 <139>; 128, 282 <302>). Dieses Grundrecht verpflichtet den Staat dazu, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen zu schützen, das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 115, 320 <346>). Gefahren für dieses Rechtsgut können sich ergeben, wenn durch die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage die Identität einer V-Person preisgegeben wird oder Rückschlüsse darauf ermöglicht werden und als Folge Reaktionen der beobachteten Personen oder Organisationen zu befürchten sind (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 82; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 281; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>).

102

bb) Darüber hinaus sind Auswirkungen auf das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgende Persönlichkeitsrecht denkbar (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 83). Dieses Grundrecht gewährleistet den Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt als "unbenanntes" Freiheitsrecht die speziellen ("benannten") Freiheitsrechte, die ebenfalls konstituierende Elemente der Persönlichkeit schützen (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>; 119, 1 <24>). Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>). Zu den Schutzgütern zählen unter anderem die Privat- (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>), Geheim- und Intimsphäre sowie die persönliche Ehre (vgl. BVerfGE 54, 148 <153 f.>; 114, 339 <346>; 119, 1 <24>) und das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Eine wesentliche Gewährleistung ist der Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen einer Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Ferner gibt es dem Einzelnen in seiner Ausformung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten (vgl. BVerfGE 130, 1 <35>) sowie darüber zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 103, 21 <33>).

103

Das Fortwirken des Persönlichkeitsrechts nach dem Tode ist zu verneinen, weil Träger dieses Grundrechts nur die lebende Person ist. Mit ihrem Tode erlischt der Schutz aus diesem Grundrecht. Jedoch schützt der aus Art. 1 Abs. 1 GG folgende allgemeine Achtungsanspruch Verstorbene vor grober Herabwürdigung und Erniedrigung (vgl. BVerfGE 30, 173 <194>). Geschützt wird auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat (vgl. BVerfGK 9, 83 <88>; 13, 115 <117>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. April 2001 - 1 BvR 932/94 -, juris, Rn. 19). Das parlamentarische Auskunftsrecht kann aufgrund seiner hohen Bedeutung durch den postmortalen Persönlichkeitsschutz jedoch allenfalls in besonderen Ausnahmekonstellationen beschränkt werden.

104

cc) Durch Vertraulichkeitszusagen wird zudem ein Vertrauenstatbestand geschaffen. Dies hat insoweit grundrechtliche Relevanz, als eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG vorliegen kann, wenn das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes nicht hinreichend berücksichtigt wird (vgl. BVerfGE 59, 128 <164>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Februar 1993 - 2 BvR 196/92 -, juris, Rn. 10). Im Verhältnis zu dem parlamentarischen Auskunftsanspruch kann der durch eine Vertraulichkeitszusage begründete Vertrauensschutz jedenfalls dann einen Gesichtspunkt darstellen, der das Informationsrecht des Parlaments einzuschränken vermag, wenn durch die Beantwortung einer Anfrage Grundrechte der V-Person gefährdet würden. Ansonsten hätten es die Vertraulichkeit garantierenden Behörden in der Hand, über den Auskunftsanspruch des Parlaments zu disponieren.

105

dd) Auch zugunsten des Schutzes der Grundrechte Privater gestattet die Bedeutung, die das Informations- und das Kontrollrecht des Parlaments gegenüber der Regierung sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates haben, in aller Regel dann keine Verkürzung des grundsätzlichen Rechts auf Beantwortung der der Regierung gestellten Fragen, wenn Parlament und Regierung Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben, die das ungestörte Zusammenwirken beider Verfassungsorgane auf diesem Gebiet gewährleisten, und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>). Eine Ausnahme hiervon gilt nur für solche Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>; 76, 363 <388>).

106

3. Die Bundesregierung muss eine vollständige oder teilweise Auskunftsverweigerung hinreichend begründen (a)). Ein Nachschieben von Gründen ist nicht zulässig (b)).

107

a) Aus der verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung muss - auch im Hinblick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Verhältnis zwischen Verfassungsorganen(vgl. BVerfGE 119, 96 <125>) - den Bundestag in die Lage versetzen, seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrzunehmen. Dies ist nur dann möglich, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessen ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>). Eine Begründung der Antwortverweigerung ist daher nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <232 Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Anforderungen an die Begründung dürfen allerdings nicht so weit gehen, dass mit ihr Teile der verweigerten Information offengelegt werden müssen.

108

b) Die Begründung stellt nicht nur ein Instrument kritischer Selbstkontrolle dar, sondern soll die Berechtigung zur Antwortverweigerung plausibel machen und die Prüfung ermöglichen, ob rechtliche Schritte angezeigt sind (vgl. BVerfGE 124, 78 <139>). Ist die Verschaffung vollständiger Information zunächst ohne zureichende Begründung abgelehnt worden, so vermag eine erst im Organstreitverfahren gegebene ergänzende Begründung nichts an dem darin liegenden Rechtsverstoß zu ändern (vgl. BVerfGE 124, 78 <147>). Ein Nachschieben von Gründen ist mithin nicht zulässig. Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Versagung eines Rechts durch eine mit Gründen versehene Abwägungsentscheidung. Allein diese Entscheidung unter Einschluss der ihr zugrundeliegenden Abwägung und Begründung wird zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung gestellt (vgl. auch BbgVerfG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 6/04 -, NVwZ-RR 2005, S. 299 <302 f.>; SächsVerfGH, Urteil vom 5. November 2010 - Vf. 35-I-10 -, juris, Rn. 31 f.).

II.

109

Nach diesen Maßstäben ist die Bundesregierung zwar grundsätzlich verpflichtet, dem Parlament Antworten auf Anfragen aus dem Bereich der Tätigkeit von Nachrichtendiensten zu erteilen. Angesichts der Bedeutung, die dem Einsatz verdeckter Quellen bei der Informationsbeschaffung der Nachrichtendienste zukommt (1.), kann sich die Bundesregierung zur Auskunftsverweigerung trotz des erheblichen Informationsinteresses des Parlaments in diesem Bereich (2.) aber in der Regel auf eine Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte verdeckt handelnder Personen berufen, wenn deren Identität bei der Erteilung der begehrten Auskünfte offenbart würde oder ihre Identifizierung möglich erscheint. Nur in eng begrenzten, besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen kann, wenn die Gefährdung verfassungsrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint, das Informations- gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse überwiegen (3.).

110

1. a) Zur Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland lässt das Grundgesetz (Art. 45d, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b, Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ausdrücklich die Errichtung von Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten zu. Nachrichtendienste sind Ausdruck der Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine wehrhafte Demokratie, des Selbstbehauptungswillens des Rechtsstaates und damit Bestandteil des Sicherheitssystems der Bundesrepublik Deutschland (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 126, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Bei dem Einsatz von V-Leuten durch die Nachrichtendienste, also von Privatpersonen, deren planmäßige, dauerhafte Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten oder Polizeibehörden Dritten nicht bekannt ist (vgl. die Legaldefinitionen in § 9b Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG und § 20g Abs. 2 Nr. 4 BKAG), handelt es sich um eine vom Gesetzgeber gebilligte Methode zur verdeckten Informationsbeschaffung (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG). Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder die Sicherheit und den Bestand des Staates gerichtete Bestrebungen und Aktivitäten meist von Gruppierungen ausgehen, die konspirativ tätig sind, und dass die Nachrichtendienste ihre Aufgaben daher nur effektiv erfüllen können, wenn sie über nachrichtendienstliche Mittel verfügen, wozu auch der Einsatz von V-Leuten gehört (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 21; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 262 ff.). Der Gesetzgeber hat in der Begründung des Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vom 17. November 2015 bekräftigt, dass die planmäßige und systematische Informationsbeschaffung insbesondere durch V-Leute ein unverzichtbares Mittel zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sei (vgl. BTDrucks 18/4654, S. 25). Auch die Strafverfolgungsorgane können zur Bekämpfung besonders gefährlicher Kriminalität auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen sein, wenn sie ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten überhaupt gerecht werden sollen (vgl. BVerfGE 57, 250 <284>; 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>). Oftmals können nur auf diesem Wege interne Informationen über den Aufbau krimineller Organisationen, ihre Führungspersonen, ihre tatsächlichen Ziele sowie die Planung und Durchführung konkreter Maßnahmen gewonnen werden (vgl. BVerfGE 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>).

111

Neben V-Leuten zählen zu den geheimhaltungsbedürftigen Informationsquellen der Nachrichtendienste insbesondere Gewährspersonen (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG), die nur von Fall zu Fall für die Behörden tätig werden, und sonstige Informanten, die gelegentlich Hinweise geben (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 30 f.; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 266 ff.). Außerdem können hauptberufliche Mitarbeiter der Nachrichtendienste unter einer Legende in Organisationen oder Szenen eingeschleust werden, um diese für längere Zeit zu beobachten. Für diese Personen gelten die Ausführungen zu V-Leuten entsprechend. Es bedarf ihres Einsatzes ebenso wie des Einsatzes Verdeckter Ermittler durch die Strafverfolgungsbehörden, wenn und soweit anderenfalls die Wahrnehmung ihres Auftrags gerade im Hinblick auf besonders gefährliche Kriminalitätsfelder erheblich erschwert oder unmöglich gemacht würde (vgl. BVerfGE 129, 208 <256>).

112

b) Der Schutz von Informationsquellen und insbesondere von V-Leuten dient nicht nur den Interessen der betroffenen Personen, sondern hat auch für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste erhebliche Bedeutung.

113

aa) Wird eine V-Person enttarnt, führt dies in aller Regel dazu, dass ein etwaiger aktueller Einsatz nicht fortgeführt werden kann und die V-Person auch für künftige Einsätze nicht mehr zur Verfügung steht. Der dadurch entstehende Informationsverlust kann in der Regel nicht kompensiert werden, weil sich V-Leute nicht beliebig gewinnen lassen und ihre Anwerbung oftmals in einem schwierigen und langwierigen Prozess besteht (vgl. dazu Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 268, 280). Zu berücksichtigen ist, dass Auskünfte der Nachrichtendienste nicht unbedingt nur dann zu dem Verlust einer V-Person führen können, wenn diese enttarnt wird. Es kann bereits ausreichen, dass eine V-Person den subjektiven Eindruck gewinnt, die Vertraulichkeit ihrer Tätigkeit sei nicht hinreichend gesichert (vgl. Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>). Sie wird die Zusammenarbeit dann möglicherweise von sich aus beenden. Darüber hinaus kann die Enttarnung einer V-Person dazu führen, dass die Beobachtung einer bestimmten Gruppierung und die Umstände dieser Maßnahme bekannt werden. Dies wiederum kann zur Folge haben, dass bereits erlangte Informationen ihren Nutzen verlieren und die künftige Informationsgewinnung erschwert wird (so auch BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Gegebenenfalls treten diese Folgen nicht erst mit der Enttarnung der V-Person ein, sondern schon dann, wenn bekannt wird, dass eine V-Person eingesetzt worden ist.

114

bb) Werden quellenbezogene Informationen bekannt, kann die Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste auch über den konkreten Einzelfall hinaus für die Zukunft generell beeinträchtigt werden. Zum einen können Informationen bekannt werden, die für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste von Bedeutung sind. Dies betrifft insbesondere das Vorgehen der Behörden bei der Anwerbung und Führung von sowie der Kommunikation mit V-Leuten und sonstigen Quellen. Das Bekanntwerden derartiger Informationen kann es den zu beobachtenden Gruppierungen ermöglichen, Abwehrstrategien gegen ihre Infiltration und Beobachtung zu entwickeln. Zum anderen ist der Quellenschutz eine Voraussetzung für die weitere Nutzung aktiver und die Gewinnung neuer Informationsquellen (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Von besonderer Bedeutung ist dabei die Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen. Sie ist unverzichtbare Voraussetzung für die Anwerbung und Führung von V-Personen. Die Effektivität der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste unter Einsatz von V-Personen ist davon abhängig, dass das Vertrauen in die Einhaltung gegebener Vertraulichkeitszusagen nicht erschüttert wird. Werden Informationen über V-Leute und sonstige verdeckte Quellen herausgegeben, schwächt dies das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass eine V-Person oder eine sonstige Quelle enttarnt wird (vgl. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 280). Darüber hinaus kann auch in diesem Zusammenhang bereits der (subjektive) Eindruck ausreichen, die Vertraulichkeit sei nicht gesichert, um aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abzuhalten und die Gewinnung neuer Quellen zu erschweren (vgl. Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, S. 387 <391 f.>; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1266>).

115

2. Dem Geheimhaltungsinteresse steht ein gewichtiges Informationsinteresse des Parlaments an der Beantwortung Kleiner Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen und insbesondere von V-Leuten gegenüber.

116

Wie alle anderen Organe der vollziehenden Gewalt unterliegen auch die Nachrichtendienste der Kontrolle durch das Parlament. Der Bundestag ist daher berechtigt und verpflichtet, seine Kontrollaufgaben gegenüber der Regierung im nachrichtendienstlichen Bereich unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente vom Fragerecht des Abgeordneten bis hin zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen wahrzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 149, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Kontrollinstrumente stehen nicht in einem Alternativ- oder Spezialitätsverhältnis zueinander (vgl. § 1 Abs. 2 PKGrG; BTDrucks 8/1599, S. 6).

117

Bezieht sich eine parlamentarische Anfrage auf einen für Staat und Gesellschaft besonders bedeutsamen Bereich, hat die Öffentlichkeit ein gesteigertes Interesse an parlamentarischer Kontrolle. Bei dem Einsatz von V-Leuten zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sowie insbesondere zur Verhinderung und Aufklärung schwerwiegender Straftaten geht es um die Sicherheit des Staates und seiner Bevölkerung. Hierzu kann es erforderlich sein, Personen aus extremistischen oder kriminellen Milieus als V-Leute einzusetzen. Wenn öffentliche Stellen mit einer V-Person kooperiert haben, die im Verdacht steht, erhebliche, gegebenenfalls dem extremistischen Milieu zuzuordnende Straftaten begangen zu haben, ist zu berücksichtigen, dass das parlamentarische Informationsinteresse von besonderem Gewicht ist, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

118

Schließlich kommt der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste angesichts von Art und Umfang der ihnen an die Hand gegebenen nachrichtendienstlichen Mittel und wegen der mit der Anwendung dieser Mittel einhergehenden Schwere von Grundrechtseingriffen, der Unbemerkbarkeit des Handelns dieser Behörden und der fehlenden Transparenz des anschließenden Datenverarbeitungsvorgangs für die Betroffenen (vgl. BVerfGE 100, 313 <361>) eine besondere Aufklärungsfunktion zu (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 151, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

119

3. Wenn verfassungsrechtlich verankerte Geheimhaltungsinteressen und parlamentarische Auskunftsansprüche in Konflikt geraten, müssen die unterschiedlichen Interessen in der Weise in Ausgleich gebracht werden, dass beide soweit wie möglich ihre Wirkung entfalten. Insbesondere soweit Anfragen Umstände betreffen, die aus Gründen des Staatswohls geheimhaltungsbedürftig sind, stellt sich die Frage, ob und auf welche Weise dieses Anliegen mit dem jeweiligen parlamentarischen Informationsanspruch in Einklang gebracht werden kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <189>).

120

a) In Bezug auf die Tätigkeit von Nachrichtendiensten kommt eine grundsätzliche Begrenzung des Informationsanspruchs des Bundestages, wie sie im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Frage- und Informationsrecht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle für Anfragen zu Vorgängen vor Erlass einer positiven Genehmigungsentscheidung im Ansatz vorgenommen wurde (vgl. BVerfGE 137, 185 ff.), nicht in Betracht. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen, zu entsprechenden Voranfragen von Rüstungsunternehmen und zu abschlägig beschiedenen Anträgen können aus Gründen des Staatswohls verweigert werden, weil das vorzeitige Bekanntwerden sensibler Rüstungsexportgeschäfte zu Verwerfungen im Verhältnis zu dem jeweiligen Erwerberland führen, die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung beeinträchtigen und zu Einbußen für die inländische Rüstungsindustrie führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <251 ff. Rn. 173 ff.>).

121

Damit ist die Beantwortung von Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen durch die Nachrichtendienste nicht vergleichbar. Antworten auf solche parlamentarischen Anfragen beeinträchtigen berechtigte Geheimhaltungsinteressen nicht in jedem denkbaren Fall und lassen eine solche Beeinträchtigung auch nicht stets besorgen. Denn aus der Vielfalt der möglichen Sachverhaltskonstellationen folgt, dass weder aus der Beantwortung einzelner Fragen noch aus der Verweigerung einer Antwort zwingend Erkenntnisse über die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gewonnen werden können, die sich nachteilig auf ihre Funktionsfähigkeit auswirken. Die Konstellationen im Bereich ihrer verdeckten Tätigkeit sind derart vielfältig, dass eine Abwägung nicht in jedem Fall zu einem Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses führt.

122

b) Allerdings kann sich die Bundesregierung zur Begründung einer Antwortverweigerung bei Fragen zum Einsatz verdeckt handelnder Personen in der Regel auf entgegenstehende Gründe des Staatswohls und deren Grundrechte berufen, wenn die an sie gerichteten Fragen einen Bezug zu konkreten Personen aufweisen. Insbesondere bei Fragen, die möglicherweise noch aktive V-Leute betreffen oder sich auf aktuelle beziehungsweise noch nicht weit zurückliegende Ereignisse beziehen, ist regelmäßig von der Gefahr einer Enttarnung der V-Leute und damit zugleich von einer Gefährdung ihrer Grundrechte oder der Grundrechte ihnen nahestehender Personen auszugehen. Dies wiederum zieht die Möglichkeit nach sich, dass Rückschlüsse auf die Anwerbung von V-Leuten, die Art und Weise ihres Einsatzes und gegebenenfalls ihre Anzahl, also Erkenntnisse zu der Arbeitsweise der Nachrichtendienste bekannt werden könnten. Diese Risiken dürften regelmäßig auch noch nach der Abschaltung einer verdeckten Quelle fortbestehen. Das berechtigte Interesse an einer Antwortverweigerung besteht in diesen Fällen unabhängig davon, ob eine konkrete Person als V-Person eingesetzt worden ist oder nicht. Anderenfalls könnte aus der Antwortverweigerung in vergleichbaren Fällen im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die dort in Rede stehende Person eine V-Person (gewesen) ist.

123

Eine negative Auskunft zu einer bestimmten Person könnte zudem den Verdacht auf andere Personen lenken oder einen bereits bestehenden Verdacht erhärten und somit diese Personen oder ihr Umfeld gefährden. Aber auch unabhängig von der Gefährdung grundrechtlicher Belange in einem konkreten Einzelfall und ungeachtet des Zeitablaufs kann die Enttarnung von verdeckt handelnden Personen eine Gefährdung der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden darstellen, da durch die Herausgabe von Informationen über V-Leute oder sonstige verdeckte Quellen das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen geschwächt und damit noch aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abgehalten und die Gewinnung neuer Quellen erschwert werden können. Solche nachteiligen Auswirkungen müssen von der Bundesregierung nicht ohne weiteres in Kauf genommen werden - ebenso wenig wie die Gefährdung der Grundrechte von V-Leuten oder ihnen nahestehender Personen.

124

Selbst bei Fragen zum Einsatz konkreter Personen als V-Leute sind jedoch eng begrenzte Ausnahmefälle denkbar, in denen das parlamentarische Informationsinteresse überwiegt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn aufgrund besonderer Umstände eine Gefährdung grundrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint und eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht ernsthaft zu befürchten ist. Bei dieser Abwägung ist der Zeitablauf ein bedeutsamer - wenn auch nicht allein ausschlaggebender - Faktor. So kann sich im Einzelfall bei weit zurückliegenden Vorgängen die Geheimhaltungsbedürftigkeit erheblich vermindert oder erledigt haben (vgl. BVerfGE 124, 161 <194>).

125

c) Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Beantwortung bestimmter Fragen nicht in Betracht kommt, ist sie gehalten zu prüfen, ob eine Beantwortung unter Einstufung nach der Geheimschutzordnung möglich ist. Aus dieser Möglichkeit folgt jedoch nicht, dass jede Anfrage nach Vornahme einer entsprechenden Einstufung beantwortet werden muss. Gerade im Bereich verdeckt handelnder Personen, deren Einsatz für das Staatswohl von großer Bedeutung und zugleich in hohem Maße geheimhaltungsbedürftig ist, besteht hinsichtlich bestimmter Informationen ein legitimes Interesse, den Kreis der Geheimnisträger auf das notwendige Minimum zu beschränken. Je größer dieser Kreis ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Geheimnisse - sei es absichtlich oder versehentlich - weitergegeben oder ausgespäht werden (vgl. BVerfGE 70, 324 <364>). Besonders geheimhaltungsbedürftige Informationen aus dem Bereich des Quellenschutzes können dem Parlament daher auch dann vorenthalten werden, wenn beiderseits Vorkehrungen gegen ihr Bekanntwerden getroffen worden sind. Einfachrechtlich hat der Gesetzgeber dies in § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG anerkannt, wonach selbst dem zur Geheimhaltung verpflichteten Parlamentarischen Kontrollgremium bestimmte Informationen vorenthalten werden können. Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass das Staatswohl und der Grundrechtsschutz auch dem Parlament anvertraut sind und dieses insoweit nicht als außenstehend behandelt werden darf. Es geht allein darum, den Kreis der Geheimnisträger bei besonders geheimhaltungsbedürftigen Informationen unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Staatsgewalt möglichst klein zu halten. Dementsprechend beschränkt sich der Kreis der Geheimnisträger gerade im Bereich des Einsatzes verdeckt handelnder Personen auch innerhalb der Exekutive auf nur wenige Personen.

III.

126

Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (1.) und - jedenfalls teilweise - bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (2.) verkannt und hierdurch Rechte der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sowie des Deutschen Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.

127

Die Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen fällt in den Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin. Sie zielen auf Erkenntnisse der Antragsgegnerin selbst oder der ihr nachgeordneten Behörden. Im Übrigen hat sich die Antragsgegnerin - auch hinsichtlich der Fragen nach Informationen der Landesämter für Verfassungsschutz - nicht auf eine fehlende Zuständigkeit berufen. Als Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs kommen vorliegend nur das Staatswohl und die Grundrechte in Betracht.

128

1. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht genügt. Sie hat keine Gründe vorgebracht, die eine Auskunftsverweigerung aufgrund von Staatswohlbelangen rechtfertigen würden (a)), und ihren Ausführungen lässt sich nicht nachvollziehbar entnehmen, dass Grundrechte Lembkes oder Dritter gefährdet werden könnten (b)).

129

a) Die begehrte Information, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann gewesen sei, ist von dem parlamentarischen Auskunftsrecht grundsätzlich umfasst. Die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung rechtfertigt nicht die Verweigerung der Antwort.

130

Die Antragsgegnerin vertritt in ihrer ablehnenden Entscheidung die Auffassung, dass das Bekanntwerden des Namens einer V-Person Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste zuließe. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Quellen der Nachrichtendienste bekannt würden, was zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit führe. Eine solchermaßen abstrakt gehaltene Begründung mag im Regelfall ausreichen. Die Antragsgegnerin muss Fragen zum Einsatz bestimmter Personen als V-Leute durch die Nachrichtendienste aufgrund entgegenstehender Staatswohlbelange und Grundrechte grundsätzlich nicht beantworten. Jedoch handelt es sich hier um einen besonders gelagerten Ausnahmefall.

131

Dem parlamentarischen Informations- und Kontrollinteresse kommt besondere Bedeutung zu, weil es der Antragstellerin zu 1. im Zuge einer anstehenden Neuregelung des Einsatzes von V-Leuten darum ging festzustellen, ob es - auch in der Vergangenheit - zu einer Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten gekommen ist. Bei Heinz Lembke handelte es sich um eine Person, der erhebliche Straftaten im rechtsextremistischen Milieu vorgeworfen wurden. Insofern hatte die Antragstellerin zu 1. ein nachvollziehbares Interesse, auch mit Blick auf eine mögliche Verbindung von V-Leuten zu den Aktivitäten des NSU Verdachtsmomenten nachzugehen, wonach bereits im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten zur Verhinderung oder Aufklärung des Anschlags genutzt worden seien. Damit verfolgte die Antragstellerin zu 1. das Ziel, mögliche Rechtsverstöße oder Missstände beim Einsatz von V-Leuten mit Blick auf zukünftige gesetzliche Regelungen aufzuklären, was ihrem Informationsinteresse ein besonders hohes Gewicht verleiht.

132

Demgegenüber vermögen die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe für die Antwortverweigerungangesichts der besonderen Umstände des Falles nicht zu überzeugen. Ein aktueller oder künftiger Einsatz Lembkes als V-Person kommt offensichtlich nicht mehr in Betracht. Aus der Begründung der Antragsgegnerin ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl laufende oder künftige Aufklärungseinsätze oder Ermittlungen gefährdet werden könnten. Dies gilt selbst dann, wenn man unterstellt, dass Personen aus Lembkes damaligem Umfeld auch heute noch im Fokus der Nachrichtendienste stehen. Zu denken wäre hier etwa an Karl-Heinz Hoffmann. Dass die Wehrsportgruppe Hoffmann von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet wurde, lässt sich den veröffentlichten Berichten des Bundesamts für Verfassungsschutz entnehmen. Dass aktuelle Einsätze der Nachrichtendienste erschwert werden könnten, wenn den betroffenen Personen darüber hinaus bekannt würde, dass der 1981 verstorbene Heinz Lembke ein V-Mann war, ist weder plausibel begründet worden noch sonst ersichtlich.

133

Soweit die Antragsgegnerin nach Einleitung des Organstreitverfahrens vorgetragen hat, dass die Beantwortung der Frage 2 a) mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht gehört werden. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der nicht näher ausgeführte Vortrag, dass eine Antwort auf die Frage etwaigen Tatbeteiligten ermögliche, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren oder andere Verdunklungsmaßnahmen zu ergreifen, zur Begründung der Antwortverweigerung ausreichen würde. Dies kann jedoch dahinstehen, weil die Antragsgegnerin die Ablehnung der Beantwortung dieser Frage nicht hierauf gestützt, sondern erstmals in ihrer Antragserwiderung auf das Ermittlungsverfahren Bezug genommen hat. Dabei handelt es sich um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen.

134

Ferner ist nicht plausibel begründet, weshalb die Antragsgegnerin in diesem Fall von einer Beeinträchtigung der allgemeinen Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste ausgeht. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann war, Rückschlüsse auf die derzeitige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen sollte. Zum einen würden keine Einzelheiten des damaligen Verhältnisses der Behörden zu Lembke bekannt. Dies gilt etwa für den Zeitpunkt und die Umstände seiner Anwerbung oder die Art und Weise der Führung von V-Personen. Zum anderen läge eine etwaige V-Mann-Tätigkeit Lembkes bereits so lange zurück, dass sich keine konkreten Rückschlüsse auf die heutige Vorgehensweise der Behörden ziehen lassen dürften. Dies gilt auch, soweit die Antragsgegnerin vorträgt, eine Antwort müsse wegen drohender Konsequenzen für die Arbeit der betreffenden Landesbehörden unterbleiben. Auch insoweit hat die Antragsgegnerin nicht dargetan, welche negativen Auswirkungen auf die Arbeit der Landesbehörden sie vor dem Hintergrund des erheblichen Zeitablaufs von über 30 Jahren befürchtet.

135

Zudem ist nicht hinreichend dargelegt, warum die ausnahmsweise Nichteinhaltung der gegebenen Vertraulichkeitszusage gegenüber Lembke Rückwirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste haben könnte. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles, nämlich der durch Lembke mutmaßlich begangenen erheblichen Straftaten und seines Todes vor über 30 Jahren, hätte es konkreter Ausführungen bedurft, warum sich aktuelle oder potentielle V-Leute hiervon bei ihrer Entscheidung, als V-Person tätig zu werden, maßgeblich beeinflussen lassen könnten. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Bereitschaft aktueller oder potentieller V-Leute zur Zusammenarbeit mit den Behörden entscheidend davon abhängt, ob die Vertraulichkeit auch Jahrzehnte nach ihrem Ableben noch gesichert erscheint. Dies gilt umso mehr, als die Vertraulichkeit grundsätzlich auch nach einem derart langen Zeitablauf gewahrt und nur ausnahmsweise bei Vorliegen gewichtiger Gründe aufgehoben werden kann, die das Geheimhaltungsinteresse im Einzelfall überwiegen.

136

b) Die Antragsgegnerin hat auch keine Gründe vorgebracht, die eine Verweigerung der Antwort auf die Frage 2 a) aus Gründen des Grundrechtsschutzes rechtfertigen.

137

Mit Blick auf Lembke ist eine Gefährdung der in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG genannten Rechtsgüter ausgeschlossen, weil er bereits 1981 verstorben ist. Der postmortale Persönlichkeitsschutz aus Art. 1 Abs. 1 GG steht der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft Lembkes ebenfalls nicht entgegen. Unabhängig davon, wie die Antwort auf die Frage ausfällt, ist mit ihr keine Erniedrigung oder Herabwürdigung der Person Lembkes verbunden. Ob der grundrechtliche Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes oder zumindest dessen objektiv-rechtlicher Gehalt einer Antwort nach dem Tod Lembkes überhaupt entgegenstehen kann, kann offenbleiben. Jedenfalls müsste ein sich daraus ergebendes Geheimhaltungsinteresse vor dem Hintergrund des Zeitablaufs von über 30 Jahren hinter dem besonders gewichtigen Informations- und Kontrollinteresse der Antragstellerin zu 1. und des Bundestages zurückstehen. Außerdem hat sich die Antragsgegnerin bei der Begründung ihrer Antwortverweigerung mit Blick auf den Grundrechtsschutz lediglich auf Art. 2 Abs. 2 GG gestützt, so dass im Übrigen ein unzulässiges Nachschieben von Gründen vorliegt.

138

Auf die Möglichkeit der Gefährdung von Grundrechten Lembke nahestehender Personen hat sich die Antragsgegnerin ebenfalls erst nach Einleitung des Organstreitverfahrens berufen. Zudem ist das Vorliegen einer derartigen Gefahr im konkreten Fall nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Vielmehr erscheint es angesichts des Zeitablaufs und der Auflösung der Wehrsportgruppe Hoffmann sehr unwahrscheinlich, dass Angehörige von Lembke oder sonstige ihm nahestehende Personen gefährdet wären, wenn bekannt würde, dass er ein V-Mann war. Für die Annahme, dass Personen aus dem damaligen Umfeld Lembkes aus der Antwort der Antragsgegnerin Rückschlüsse auf eine etwaige V-Person-Tätigkeitanderer Personen ziehen könnten, liegen ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte vor. Allein die niemals vollständig auszuschließende, im vorliegenden Fall aber fernliegende Möglichkeit derartiger Rückschlüsse genügt für eine Antwortverweigerung nicht.

139

2. Die Antragsgegnerin hat auch ihrer Antwortpflicht hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 nur teilweise genügt. Während die Begründung die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 nicht trägt (a)), war die Antwortverweigerung hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 teilweise gerechtfertigt (b)).

140

Soweit die Antragsgegnerin eine Beantwortung der Fragen abgelehnt hat, hat sie dies im Wesentlichen aus denselben Gründen getan wie bei der Ablehnung einer Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Zum einen hat sie darauf verwiesen, dass anderenfalls Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden könnten. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre. Zum anderen müssten Leben und körperliche Unversehrtheit etwaiger V-Leute geschützt werden.

141

a) Bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar dargelegt, inwieweit das Staatswohl (aa)) oder die Grundrechte etwaiger V-Leute oder Dritter (bb)) durch eine vollständige Beantwortung gefährdet sein sollen. Sie hat die Fragen 14 bis 16 zusammenfassend dahingehend beantwortet, dass ihr zum Oktoberfestattentat aus den Jahren 1980 bis 1985 fünf Quellenmeldungen vorlägen. Hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin die Auskunft erteilt, in die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" hätten 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang gefunden. Eine Aufschlüsselung dieser Meldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden (Bundesamt für Verfassungsschutz, Landesämter für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst) hat die Antragsgegnerin sowohl hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 als auch hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 verweigert.

142

aa) Der Begründung der Antragsgegnerin lässt sich nicht entnehmen, weshalb sich aus der erbetenen Aufschlüsselungrelevante Erkenntnisse über die Identität von V-Leuten oder die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ergeben könnten. Dies erscheint vielmehr gleich aus mehreren Gründen fernliegend. Es lässt sich nicht nachvollziehen, wie sich aus einer nach Jahren und Ursprungsbehörden aufgeschlüsselten Angabe der Zahl der Quellenmeldungen Rückschlüsse auf die Identität einzelner V-Personen ziehen lassen sollen. Insbesondere ist nicht nach Meldungen von V-Leuten, sondern allgemein nach Meldungen von Quellen gefragt worden. Hierzu zählen auch Meldungen von Gewährsleuten oder sonstigen Informanten. Darüber hinaus ist nicht danach gefragt worden, in welcher Beziehung die Quellen zu bestimmten Gruppierungen - insbesondere der Wehrsportgruppe Hoffmann - standen. Bei einer vollständigen Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 würden somit weder Erkenntnisse zur Zusammenarbeit einer Quelle mit einer bestimmten Behörde noch zu ihrer Verbindung zu einer bestimmten Gruppierung offenbart werden. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass nicht nach der Anzahl der Quellen, sondern nach der Anzahl der Quellenmeldungen gefragt worden ist. Aus der Anzahl der Quellenmeldungen lassen sich keine belastbaren Rückschlüsse auf die Zahl der von einer Behörde geführten Quellen ziehen. Dies gilt selbst dann, wenn eine Behörde in einem Jahr nur eine einzige oder gar keine Quellenmeldung im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat oder der Wehrsportgruppe Hoffmann erhalten haben sollte. Hinzu kommt, dass im Rahmen der Fragen 15 und 20 (Anzahl der Meldungen von Quellen der Landesämter für Verfassungsschutz) keine Differenzierung nach Ländern erbeten worden ist, aus der sich möglicherweise Anhaltspunkte bezüglich der Herkunft der Quelle ergeben könnten; es ist lediglich um Mitteilung der Gesamtzahl der Quellenmeldungen von allen Landesämtern gebeten worden.

143

Dass eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen und dadurch deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigen könnte, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Dass Nachrichtendienste Informationen aus vertraulichen Quellen erlangen, ist allgemein bekannt. Aus den nach Jahren und Behörden aufgeschlüsselten Zahlen der Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat oder zur Wehrsportgruppe Hoffmann lassen sich allenfalls gewisse Rückschlüsse auf den Umfang der Beobachtung von Personen und Gruppierungen ziehen, die möglicherweise in irgendeinem Zusammenhang zum Oktoberfestattentat standen. Zu der Art und Weise, wie die Quellen damals geführt wurden, ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte. Erst recht lassen sich keine Rückschlüsse auf den heutigen Einsatz von Quellen ziehen.

144

bb) Die Begründung der Antragsgegnerin rechtfertigt auch keine Verweigerung der begehrten Aufschlüsselung zum Schutz der Grundrechte. Da die begehrten Informationen aus den genannten Gründen keinen hinreichend konkreten Bezug zu verdeckt tätigen Personen aufweisen, ist nicht zu besorgen, dass grundrechtlich geschützte Rechtsgüter etwaiger V-Leute oder Dritter gefährdet werden könnten.

145

b) Hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31, die auslegungsbedürftig sind (aa)), ist zu differenzieren. Soweit nach dem "Ob" des Einsatzes von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute gefragt wurde, werden die Antworten der Antragsgegnerin - mit Ausnahme der Fragen 24 und 25 zum Bundesnachrichtendienst - den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht (bb)). Die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute hält der verfassungsgerichtlichen Prüfung ebenfalls nur teilweise stand (cc)).

146

aa) Die Fragen 23, 25, 29 und 31 beziehen sich bei wörtlichem Verständnis auf die Tätigkeit von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat. Dieses fand am 26. September 1980 statt, die Wehrsportgruppe Hoffmann wurde jedoch schon am 30. Januar 1980 mit sofortiger Wirkung verboten und aufgelöst. Bereits etwa acht Monate vor dem Oktoberfestattentat gab es daher "Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann" im eigentlichen Sinne nicht mehr.

147

Die Fragen 23, 25, 29 und 31 sind jedoch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie gestellt wurden (vgl. BVerfGE 110, 199 <213>; 137, 185 <229 Rn. 124>), dahingehend auszulegen, dass um Auskunft gebeten wird, ob ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute tätig waren. Da die Fragen nur bei diesem Verständnis sinnvoll sind, hatte die Antragsgegnerin eine solche Auslegung vorzunehmen. Dabei hatte die Antragsgegnerin außerdem zu berücksichtigen, dass die Fragen nicht den Einsatz von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann in dem Zeitraum nach dem Oktoberfestattentat bis heute erfassen sollen. Vielmehr erlaubt eine Gesamtwürdigung des Begehrens der Antragstellerinnen nur ein Verständnis, wonach die Fragen auf den Einsatz ehemaliger Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann zeitnah zu dem Attentat gerichtet sind.

148

bb) Die Beantwortung der Fragen, ob unter den Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, hat die Antragsgegnerin aus Gründen des Staatswohls und des Grundrechtsschutzes abgelehnt. Insoweit genügen ihre Antworten den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil der abstrakte Verweis darauf, Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste könnten bekannt und Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten gefährdet werden, nicht ausreicht, um das Informationsinteresse des Parlaments einzuschränken ((1)). Die Verweigerung der Antworten auf die Fragen 24 und 25 zu einer Tätigkeit für den Bundesnachrichtendienst ist demgegenüber gerechtfertigt ((2)).

149

(1) Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, das Staatswohl könnte dadurch beeinträchtigt werden, dass durch eine Beantwortung der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann Rückschlüsse auf die aktuelle Arbeitsweise und die Organisation der Nachrichtendienste ermöglicht werden könnten, erscheint dies nicht nachvollziehbar. Der Umstand, dass Nachrichtendienste damals wie heute V-Leute einsetzen, ist allgemein bekannt. Welche darüber hinausgehenden Rückschlüsse die Antragsgegnerin für möglich hält, legt sie nicht plausibel dar.

150

Die abstrakt gehaltene Begründung der Antragsgegnerin, eine Beeinträchtigung des Staatswohls könne dadurch erfolgen, dass eine Auskunft, wonach unter den (ehemaligen) Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann eine oder mehrere V-Personen waren, zusammen mit entsprechendem Zusatzwissen zu einer Enttarnung führen könne, lässt sich zwar nicht vollständig von der Hand weisen. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Personen enttarnt werden könnten, aufgrund der hier gegebenen Umstände so gering, dass sie eine Einschränkung des parlamentarischen Informationsrechts nicht mehr zu rechtfertigen vermag. Die Wehrsportgruppe Hoffmann hatte zum Zeitpunkt ihrer Auflösung etwa 400 Mitglieder. Zwar war sie in lokale Untergruppen aufgeteilt. Selbst bei einer Bestätigung, dass (ehemalige) Mitglieder V-Leute waren, wäre noch keine Aussage über deren Zuordnung zu einer lokalen Untergruppe getroffen. Mitglieder der Wehrsportgruppe könnten sich - sollten sie den Verdacht gehabt haben, es seien V-Leute unter ihnen - lediglich bestätigt fühlen. Rückschlüsse auf einzelne Personen wären nicht möglich.

151

Auch die Gefahr einer Verunsicherung unter aktuellen oder potentiellen V-Leuten, die zu einer Erschwernis der Anwerbung und Führung von V-Leuten führen könnte, dürfte angesichts des Umstands, dass der Einsatz von V-Leuten in rechtsextremen Milieus allgemein bekannt ist, äußerst gering sein. Hinzu kommt, dass im Falle einer Verneinung der Fragen danach, ob die Antragsgegnerin den Einsatz von V-Leuten bei den Verfassungsschutzämtern ausschließen (Fragen 22 und 23) beziehungsweise "nach ihrer Kenntnis ausschließen" (Fragen 28 und 29) kann, nicht einmal eine sichere Bestätigung des Vorhandenseins von V-Leuten erlangt werden könnte. Dies gilt insbesondere, soweit sich die Fragen auf die Landesämter für Verfassungsschutzbeziehen. Aus der Mitteilung, die Antragsgegnerin könne nach ihrer Kenntnis nicht ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für ein Landesamt tätig waren, lässt sich nicht ohne weiteres der Schluss ziehen, dass es bei den Landesämtern solche V-Leute gab.

152

Soweit die Antragsgegnerin erstmals in ihrer Antragserwiderung vorgetragen hat, dass eine Beantwortung der Fragen auch mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht durchdringen. Insoweit kann auf die Ausführungen zu Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwiesen werden.

153

Mit Blick auf den Grundrechtsschutzkönnen Gefahren für Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Auch diesbezüglich ist aber zu berücksichtigen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Enttarnung von V-Leuten aufgrund der bloßen Auskunft darüber, ob (ehemalige) Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, sehr gering ist. Zwar erscheint es möglich, dass sich etwaige ehemalige V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann auch heute noch in einem gewaltbereiten rechtsextremen Umfeld bewegen und daher in besonderer Weise Gefahren ausgesetzt sind. Zumindest ein Teil der Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe - insbesondere auch Karl-Heinz Hoffmann selbst - hat sich von dem Gedankengut der Gruppe bis heute nicht gelöst und verfolgt weiterhin aktiv die öffentliche Diskussion über die damaligen Ereignisse. Dass sich die Gefahr für solche V-Leute durch eine bloße Bejahung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten aus der Wehrsportgruppe Hoffmann merklich erhöht, ist vor dem Hintergrund, dass der Einsatz von V-Leuten in diesen Milieus allgemein bekannt ist, aber sehr unwahrscheinlich.

154

(2) Etwas anderes gilt hinsichtlich der Fragen 24 und 25, die sich auf den Bundesnachrichtendienst beziehen. Die Gefahr einer Enttarnung vom Bundesnachrichtendienst möglicherweise eingesetzter V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann wäre schon dann erheblich, wenn die Antragsgegnerin ihre bloße Existenz bestätigte.

155

Angesichts der Zuständigkeit des Bundesnachrichtendienstes für die Gewinnung von Auslandserkenntnissen (vgl. § 1 Abs. 2 BNDG) kommen als etwaige V-Leute dieser Behörde insbesondere die Mitglieder der damals im Libanon operierenden "Wehrsportgruppe Ausland" in Betracht. Diese Nachfolgeorganisation der Wehrsportgruppe Hoffmann, der auch Hoffmann selbst angehörte, hatte nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes nur noch 15 Mitglieder. In Anbetracht dieser geringen Zahl würde die Gefahr einer Enttarnung bei einer positiven Beantwortung erheblich steigen. Daher durfte die Antragsgegnerin die Antwort auf diese Fragen verweigern. Angesichts der erheblichen Gefahr einer Enttarnung hätte die Auskunft auch nicht nach Maßgabe der Geheimschutzordnung erteilt werden müssen. Denn dabei wäre wegen der großen Anzahl der Geheimnisträger die Wahrscheinlichkeit erhöht worden, dass die mitgeteilten Informationen weitergegeben oder ausgespäht worden wären. Dieses Risiko musste die Antragsgegnerin wegen der Gefahren für das Staatswohl und die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter etwaiger V-Leute nicht in Kauf nehmen.

156

cc) Soweit mit den Fragen 23 und 28 bis 31 über das "Ob" hinausgehende Auskünfte zum Einsatz von V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann beziehungsweise von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe begehrt wurden, rechtfertigt die Begründung der Antragsgegnerin eine Antwortverweigerung nur teilweise. Auskünfte dazu, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat für das Bundesamt für Verfassungsschutz (Frage 23) sowie vor und nach dem Attentat für Landesämter für Verfassungsschutz (Fragen 30 und 31) tätig waren, durften mit der gegebenen Begründung nicht verweigert werden ((1)). Eine Antwort auf die Fragen, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe vor und nach dem Attentat für welches Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren (Fragen 28 und 29), hat die Antragsgegnerin dagegen zu Recht verweigert ((2)).

157

(1) Die Beantwortung der Fragen zu der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute im Bundesamt für Verfassungsschutz einerseits (Frage 23) und in den Landesämtern für Verfassungsschutz andererseits (Fragen 30 und 31) darf mit Blick auf die Bedeutung des parlamentarischen Informationsrechts aus den von der Antragsgegnerin genannten Gründen nicht verweigert werden. Zwar wird die Gefahr der Enttarnung von V-Personen umso größer, je mehr Details über ihren Einsatz mitgeteilt werden. Daher erhöht sich die Gefahr einer Enttarnung auch durch die Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute. Die Information, wie viele V-Leute eingesetzt waren, unterscheidet sich qualitativ von der bloßen Bestätigung eines mutmaßlich bereits bestehenden Verdachts der Öffentlichkeit, dass V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann eingesetzt waren. Die Anzahl von V-Leuten ist eine Information, die der Öffentlichkeit nicht bekannt sein kann. Jedoch erscheint es kaum möglich, allein aufgrund der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute aus der Wehrsportgruppe beim Bundesamt für Verfassungsschutz und beiden Landesämtern für Verfassungsschutz nach über 30 Jahren Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise dieser Behörden und die Identität einzelner V-Personen zu ziehen.

158

(2) Die Grenze der Geheimhaltungsbedürftigkeit wird jedoch durch die Fragen danach, wie viele V-Leute für welches Landesamt für Verfassungsschutztätig waren (Fragen 28 und 29), überschritten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe gelingen könnte, etwaige V-Leute zu enttarnen, steigt schon an, wenn deren genaue Anzahl bekannt wird. Dies gilt in verstärktem Maße, wenn bei den ehemaligen V-Leuten der Landesämter für Verfassungsschutz zusätzlich bekannt würde, für welches Landesamt sie tätig waren. Diese Information könnte eine Eingrenzung der damaligen Wohnorte etwaiger V-Leute oder ihre Zuordnung zu einzelnen Ortsgruppen der Wehrsportgruppe ermöglichen.

159

Vor diesem Hintergrund ist eine Beeinträchtigung von Belangen des Staatswohls in Gestalt der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht von der Hand zu weisen. Da möglicherweise noch immer aktive, zumindest aber noch lebende V-Leute enttarnt werden könnten, überwiegt das Geheimhaltungsinteresse. Würden ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe als V-Leute enttarnt, könnten diese künftig nicht mehr als solche eingesetzt werden. Dass damalige V-Leute heute noch für die Behörden tätig sind, ist angesichts des Zeitablaufs zwar nicht besonders wahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen. Es erscheint jedenfalls möglich, dass diese Personen noch immer in der rechtsextremen Szene aktiv und weiterhin zur Kooperation mit den Behörden bereit sind. Unabhängig davon, ob es zu einer Enttarnung kommt, könnte die Mitteilung der abgefragten Informationen das Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen schwächen und aktuelle oder potentielle V-Leute verunsichern. Auch die bereits erörterten Bedenken hinsichtlich des Grundrechtsschutzes kommen mit Blick auf die erbetenen Zusatzinformationen in verstärktem Maße zum Tragen.

160

Die Antragsgegnerin durfte daher entsprechende Auskünfte unter Berufung auf das Staatswohl und den Schutz der Grundrechte etwaiger V-Leute verweigern. Sie musste die Auskünfte auch nicht unter Anwendung der Geheimschutzordnung erteilen, weil die Wahrscheinlichkeit einer unerlaubten Informationsweitergabe steigt, je größer die Zahl der Geheimnisträger ist. Dieses Risiko muss aufgrund der möglichen Enttarnung von V-Leuten, der damit einhergehenden Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte dieser Personen nicht in Kauf genommen werden.

D.

161

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), sind hier nicht ersichtlich.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Mitglieder des Aufsichtsrats werden von der Hauptversammlung gewählt, soweit sie nicht in den Aufsichtsrat zu entsenden oder als Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz, dem Drittelbeteiligungsgesetz, dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung oder dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung zu wählen sind. An Wahlvorschläge ist die Hauptversammlung nur gemäß §§ 6 und 8 des Montan-Mitbestimmungsgesetzes gebunden.

(2) Ein Recht, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden, kann nur durch die Satzung und nur für bestimmte Aktionäre oder für die jeweiligen Inhaber bestimmter Aktien begründet werden. Inhabern bestimmter Aktien kann das Entsendungsrecht nur eingeräumt werden, wenn die Aktien auf Namen lauten und ihre Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist. Die Aktien der Entsendungsberechtigten gelten nicht als eine besondere Gattung. Die Entsendungsrechte können insgesamt höchstens für ein Drittel der sich aus dem Gesetz oder der Satzung ergebenden Zahl der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre eingeräumt werden.

(3) Stellvertreter von Aufsichtsratsmitgliedern können nicht bestellt werden. Jedoch kann für jedes Aufsichtsratsmitglied mit Ausnahme des weiteren Mitglieds, das nach dem Montan-Mitbestimmungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz auf Vorschlag der übrigen Aufsichtsratsmitglieder gewählt wird, ein Ersatzmitglied bestellt werden, das Mitglied des Aufsichtsrats wird, wenn das Aufsichtsratsmitglied vor Ablauf seiner Amtszeit wegfällt. Das Ersatzmitglied kann nur gleichzeitig mit dem Aufsichtsratsmitglied bestellt werden. Auf seine Bestellung sowie die Nichtigkeit und Anfechtung seiner Bestellung sind die für das Aufsichtsratsmitglied geltenden Vorschriften anzuwenden.

(1) Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen.

(2) Der Aufsichtsrat kann die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, einsehen und prüfen. Er kann damit auch einzelne Mitglieder oder für bestimmte Aufgaben besondere Sachverständige beauftragen. Er erteilt dem Abschlußprüfer den Prüfungsauftrag für den Jahres- und den Konzernabschluß gemäß § 290 des Handelsgesetzbuchs. Er kann darüber hinaus eine externe inhaltliche Überprüfung der nichtfinanziellen Erklärung oder des gesonderten nichtfinanziellen Berichts (§ 289b des Handelsgesetzbuchs), der nichtfinanziellen Konzernerklärung oder des gesonderten nichtfinanziellen Konzernberichts (§ 315b des Handelsgesetzbuchs) beauftragen.

(3) Der Aufsichtsrat hat eine Hauptversammlung einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es fordert. Für den Beschluß genügt die einfache Mehrheit.

(4) Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden. Die Satzung oder der Aufsichtsrat hat jedoch zu bestimmen, daß bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen. Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, so kann der Vorstand verlangen, daß die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt. Der Beschluß, durch den die Hauptversammlung zustimmt, bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfaßt. Die Satzung kann weder eine andere Mehrheit noch weitere Erfordernisse bestimmen.

(5) Der Aufsichtsrat von Gesellschaften, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, legt für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und im Vorstand Zielgrößen fest. Die Zielgrößen müssen den angestrebten Frauenanteil am jeweiligen Gesamtgremium beschreiben und bei Angaben in Prozent vollen Personenzahlen entsprechen. Legt der Aufsichtsrat für den Aufsichtsrat oder den Vorstand die Zielgröße Null fest, so hat er diesen Beschluss klar und verständlich zu begründen. Die Begründung muss ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung zugrunde liegen. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein. Wenn für den Aufsichtsrat bereits das Mindestanteilsgebot nach § 96 Absatz 2 oder 3 gilt, sind die Festlegungen nur für den Vorstand vorzunehmen. Gilt für den Vorstand das Beteiligungsgebot nach § 76 Absatz 3a, entfällt auch die Pflicht zur Zielgrößensetzung für den Vorstand.

(6) Die Aufsichtsratsmitglieder können ihre Aufgaben nicht durch andere wahrnehmen lassen.

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat

a) die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3117) sowie

b) die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 23 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3810)

nach Maßgabe der Gründe in ihren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.

2. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragstellerinnen sind Fraktionen des Deutschen Bundestages. Sie machen die unvollständige Beantwortung zweier Kleiner Anfragen der Antragstellerinnen zu Erkenntnissen der Nachrichtendienste über das Attentat auf das Münchner Oktoberfest am 26. September 1980 und einer diesbezüglich möglichen Verstrickung von Vertrauensleuten (im Folgenden: V-Leute) dieser Behörden geltend.

I.

2

1. Am 26. September 1980 um 22.20 Uhr explodierte am Haupteingang des Münchner Oktoberfests ein Sprengsatz. Neben dem Attentäter, dem 21 Jahre alten Gundolf Köhler aus Donaueschingen, starben 12 Personen im Alter zwischen 11 und 52 Jahren; 211 Menschen wurden verletzt. Das Oktoberfestattentat gilt als der schwerste rechtsterroristische Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Der Generalbundesanwalt schloss die Ermittlungen zu dem Attentat mit einem Schlussbericht vom 23. November 1982 ab. Darin hieß es, für eine Tatbeteiligung Dritter sprächen unterschiedliche Beweiserkenntnisse, die einen abschließenden Nachweis der Tatbeteiligung anderer Personen jedoch nicht zuließen. Hinweise darauf, dass Köhler nicht als Alleintäter gehandelt hatte, ergaben sich insbesondere aus den Aussagen zweier Zeugen.

3

2. Ungeklärt blieb nach Abschluss der Ermittlungen die Rolle des 1937 geborenen Karl-Heinz Hoffmann, des Gründers der so genannten "Wehrsportgruppe Hoffmann". Der von Hoffmann im Jahr 1973 ins Leben gerufene, nach militärischen Gesichtspunkten organisierte Verband wurde seit seiner Gründung vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Bei Hoffmann wurde im Rahmen einer bereits vor dem Attentat durchgeführten Durchsuchung Material sichergestellt, aus dem sich ergab, dass der Attentäter Köhler im Februar 1976 im Briefwechsel mit Hoffmann gestanden hatte; er soll auch an zwei Übungen der Wehrsportgruppe teilgenommen haben (vgl. Fromm, Die "Wehrsportgruppe Hoffmann": Darstellung, Analyse und Einordnung, 1998, S. 331 f.; Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 37).

4

Die Wehrsportgruppe hatte bis zu ihrem Verbot im Jahr 1980 circa 400 Mitglieder. In der Verbotsverfügung vom 16. Januar 1980 wurde die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 6), weshalb sich die Gruppierung nach dem Verbot auflöste. Sie wurde verboten, weil ihre Organisation und ihre Tätigkeit der allmählichen Herbeiführung einer neuen staatlichen Ordnung unter gleichzeitiger Aushöhlung der verfassungsmäßigen Ordnung dienten (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 100 ff.). Fünfzehn ehemalige Mitglieder schlossen sich nach dem Verbot als "Wehrsportgruppe Ausland" im Libanon zusammen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellte in dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1981 fest, es seien durch die "Wehrsportgruppe Ausland" Anschläge auf Personen und Einrichtungen im Bundesgebiet geplant und zum Teil bereits vorbereitet worden (vgl. Verfassungsschutzbericht 1981, S. 27 f.).

5

3. Auch der Name Heinz Lembke tauchte im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wiederholt auf. Er war "Milizionär" und "Wehrsportler" und nahm bis 1978 regelmäßig an Übungen der Reservistenkameradschaft der "Deutschen Aktionsgruppen" teil. Bei einer im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens am 29. September 1980 durchgeführten Durchsuchung seines Hauses konnten die Ermittler neben ein wenig Zündschnur und einem Gewehrmagazin zunächst weder Sprengstoff noch Waffen sicherstellen. Jedoch stieß ein Waldarbeiter am 26. Oktober 1981 in der Nähe des Hauses von Lembke auf wasserdicht verpackte Kisten mit Gewehrmunition, Sprengstoff und Sprengmitteln. Im Laufe der Ermittlungen konnten in weiteren nahezu 30 Depots Waffen sichergestellt werden. Lembke erhängte sich am 1. November 1981 in der Untersuchungshaft und soll folgende schriftliche Mitteilung hinterlassen haben: "Genossen! Ihr wisst, weshalb ich nicht mehr leben darf. Wolfszeit! Heil Euch, Heinz Hermann Ernst Lembke" (vgl. Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 217).

6

4. Im Dezember 2014 teilte der Generalbundesanwalt mit, er habe die Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wieder aufgenommen, Anlass dafür seien Angaben einer bis dahin unbekannten Zeugin.

II.

7

1. Am 8. Oktober 2014 richteten die Antragstellerin zu 1. und verschiedene Mitglieder des Bundestages eine Kleine Anfrage unter der Überschrift "Oktoberfest-Attentat - Wiederaufnahme der Ermittlungen zu Nazi-Hintermännern" an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3117).

8

a) Die Kleine Anfrage leiteten sie mit dem Hinweis darauf ein, dass noch immer gewichtige Zweifel am Ermittlungsergebnis bestünden, wonach Gundolf Köhler die Tat allein geplant und ausgeführt habe. Der Münchner Stadtrat und der Bayerische Landtag hätten bereits 2011 gefordert, der Generalbundesanwalt solle die Ermittlungen wieder aufnehmen. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 enthielt insbesondere Fragen zu dem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts und zu einem etwaigen Einsatz von Heinz Lembke als V-Mann einer Sicherheitsbehörde des Bundes oder eines Landes.

9

Die Frage 2 a)

"War Lembke ein V-Mann einer (gegebenenfalls welcher) Sicherheitsbehörde des Bundes oder - nach Kenntnis der Bundesregierung - eines Landes?"

wurde von der Antragsgegnerin nicht beantwortet. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) begründete die Antragsgegnerin die Verweigerung der Beantwortung dieser Frage wie folgt:

"Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann.

Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags Informationen und werten diese aus. Die Führung von V-Leuten gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Verfassungsschutzbehörden und dem Bundesnachrichtendienst zur Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu oder Namen einzelner V-Leute bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienstegezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellender Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich V-Leute regelmäßig in einem ex-tremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von V-Leuten ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn die betreffende Person kein V-Mann ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines V-Leute-Einsatzes geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der V-Leute folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann."

10

b) Mit Schreiben vom 3. März 2015 wandte sich MdB Britta Haßelmann in ihrer Funktion als Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 1. an den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz und bat erneut darum, die Frage 2 a) der Kleinen Anfrage zu beantworten. Die zur Verweigerung von der Antragsgegnerin genannten Gründe überzeugten nicht. Sie liefen darauf hinaus, immer und ausnahmslos jedwede Information über die Tätigkeit von V-Leuten zu verweigern. Dies sei nicht akzeptabel, weil eine gesetzliche Regulierung des Einsatzes von V-Leuten anstehe, wobei die Ursache für die rechtspolitische Diskussion auch die mögliche Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten sei. In der konkreten Frage gehe es um einen solchen Fall. Zudem sei dieser Fall ein historischer, in dem eine konkrete Beeinträchtigung der Arbeit der Sicherheitsbehörden nicht eintreten könne. Insgesamt sei die Antwortverweigerung daher eklatant unverhältnismäßig.

11

In seinem Antwortschreiben vom 7. April 2015 teilte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Christian Lange mit, aufgrund der Nachfrage habe die Antragsgegnerin die zu der Frage 2 a) beschriebene Abwägung noch einmal vorgenommen. Sie sei jedoch nach wie vor der Auffassung, dass Fragen zur Art und Weise der Quellenführung sowie zur V-Leute-Eigenschaft von Personen - auch wenn es sich um zeitlich weit zurückliegende Vorgänge handele - zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht beantwortet werden könnten. Sowohl die Werbung als auch die Führung von V-Leuten seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden zentrale Bedeutung zukomme. Eine besondere Geheimhaltung müsse deshalb auch dann gelten, wenn eine Person nicht als V-Person tätig gewesen sei oder der Vorgang zeitlich weit zurückliege. In diesen Fällen sei das Staatswohl ebenfalls betroffen, da auch hier - gegebenenfalls im Wege eines Umkehrschlusses aus einer Antwortverweigerung oder in der Gesamtschau der Antworten der Bundesregierung auf andere parlamentarische Anfragen - Rückschlüsse auf die Arbeitsweisen, Strategien und Methoden der Nachrichtendienste für die Gegenwart gezogen werden könnten und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt werden könne. Die in der Vergangenheit erfolgte Enttarnung von V-Leuten habe bereits dazu geführt, dass die Anwerbung von V-Leuten in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten und damit einhergehenden Informationsdefiziten verbunden sei. Zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Bundesamts für Verfassungsschutz sei daher durch die Bundesregierung selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens von geheimhaltungsbedürftigen Informationen zur Werbung und Führung von V-Leuten auszuschließen. Die Bewertung gelte auch unter Berücksichtigung der weiteren im Schreiben vom 3. März 2015 angeführten Argumente. Die im Gesetzentwurf zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vorgesehene Regelung zum Einsatz von V-Leuten gebe die wesentlichen Anforderungen vor. Nach dem aktuellen Gesetzentwurf schlössen im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilungen wegen eines Verbrechens oder zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden sei, die Anwerbung und den Einsatz als V-Person grundsätzlich aus.

12

2. Die Antragstellerin zu 2. und einige Mitglieder des Bundestages richteten am 21. Januar 2015 unter der Überschrift "Mutmaßliche Aktenvernichtungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann bei deutschen Geheimdiensten" ebenfalls eine Kleine Anfrage an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3810).

13

a) Darin führten sie aus, die Antragsgegnerin habe der Abgeordneten Petra Pau am 13. Januar 2015 die Auskunft erteilt, im Bundesamt für Verfassungsschutz seien nur sieben Ordner zum Oktoberfestattentat vorhanden. Daher liege die Vermutung nahe, dass in den vergangenen Jahren Informationen zu dem Attentat und zur Wehrsportgruppe Hoffmann vernichtet worden seien. Die Kleine Anfrage enthielt Fragen zu Umfang und Aufbau der Akten sowie zu Quellen des Bundesamts für Verfassungsschutz. Ferner wurde die Frage gestellt, ob und wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für das Bundesamt beziehungsweise Landesämter für Verfassungsschutz tätig geworden seien. Einige Fragen nach Quellenmeldungen beantwortete die Bundesregierung lediglich in nicht nach Ursprungsbehörden und Jahren aufgeschlüsselter Form. Die Beantwortung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten und weiterer Fragen nach Quellenmeldungen lehnte die Antragsgegnerin vollständig ab.

14

Die Fragen, welche die Antragsgegnerin nicht oder nur zum Teil beantwortete, lauteten wie folgt:

Frage 14: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zum Oktoberfestattentat vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 15: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 16: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 19: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zur Wehrsportgruppe Hoffmann vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 20: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zur Wehrsportgruppe Hoffmann liegen aus welchen Jahren im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 21: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zur Wehrsportgruppe Hoffmann aus welchen Jahren liegen im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 22: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren?"

Frage 23: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für das BfV tätig?"

Frage 24: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 25: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 28: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 29: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungs-schutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 30: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

Frage 31: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

15

In einer Vorbemerkung zu ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) führte die Antragsgegnerin aus:

"1. Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 nicht oder zumindest nicht vollständig erfolgen kann. Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann. Die Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags die erforderlichen Informationen und werten diese aus. Die Führung von Quellen gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Nachrichtendiensten bei der Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu, auch welche die quellenführende Stelle betreffend oder Namen einzelner Quellen bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von Quellen und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich Quellen hier in einem extremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von Quellen ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn kein Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann eine Quelle ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines Einsatzes von Quellen geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der Quellen folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet.

Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann.

2. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Komplexe "Oktoberfestattentat" und "Wehrsportgruppe Hoffmann" wegen des Inlandsbezugs nicht in den originären Aufgabenbereich des Bundesnachrichtendienstes (BND) als Auslandsnachrichtendienst fielen und fallen. Im Übrigen wurde der überwiegende Teil der im BND zum Oktoberfestattentat gebildeten Unterlagen an das Bundesarchiv abgegeben. Die Antworten auf die den BND betreffenden Fragen beruhen auf den im BND-Archiv noch vorhandenen, erschlossenen Altunterlagen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich im Zuge der fortschreitenden Erschließung der an das BND-Archiv in der Vergangenheit und künftig abgegebenen archivwürdigen Unterlagen weitergehende Erkenntnisse zum Anfragegegenstand ergeben.

3. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Einrichtung des Referats "Rechtsextremismus Terrorismus" im April 1981 im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nicht ausschließlich auf das Oktoberfestattentat zurückzuführen ist. Diesbezüglich wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 3 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/2544 verwiesen."

16

Die im Organstreitverfahren gerügten Antworten hatten folgenden Wortlaut:

"Die Fragen 14 bis 16 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Der Bundesregierung liegen insgesamt fünf Quellenmeldungen für den Zeitraum von 1980 bis 1985 vor. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 19 bis 21 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" im BfV wird gegenwärtig archivarisch aufbereitet, so dass nicht in allen Aktenbänden recherchiert werden konnte. Nach dem insoweit unter Vorbehalt stehenden Rechercheergebnis fanden 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang in die Sachakte. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 22 bis 25 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

"Die Fragen 28 bis 31 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

17

b) Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 2., MdB Dr. Petra Sitte, richtete am 4. März 2015 ein Schreiben an den Bundesminister des Innern, in dem sie um eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 sowie 19 bis 25 bat. Insbesondere die Weigerung, die Fragen 22 bis 25 zu beantworten, überzeuge nicht. Sie bedeute, dass nach Belieben Informationen über die Tätigkeiten von V-Leuten verweigert werden könnten. Angesichts der Tatsache, dass mindestens ein neonazistischer V-Mann in der Wehrsportgruppe Hoffmann seine V-Mann-Eigenschaft schon vor Jahren öffentlich gemacht habe, seien die in der Vorbemerkung zur Antwort genannten Gründe der Bundesregierung zur Antwortverweigerung nicht akzeptabel und unverhältnismäßig. Schließlich bestehe jederzeit die Möglichkeit, die Antworten nach der Geheimschutzordnung einzustufen. Der langjährige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, habe darauf hingewiesen, dass im Rahmen einer Abwägung die Aufklärung eines Mordes wichtiger sei als der Quellenschutz. Beim Oktoberfestattentat, dem schwersten rechtsterroristischen Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik, seien 22 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt worden.

18

Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium des Innern Dr. Günter Krings teilte mit Schreiben vom 14. März 2015 mit, es sei in der Antwort zu der Kleinen Anfrage ausführlich dargelegt worden, weshalb eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 21 und 22 bis 25 nicht erfolgen könne. An dieser Bewertung halte die Antragsgegnerin auch nach nochmaliger Abwägung fest. Sowohl die Werbung als auch die Führung von menschlichen Quellen seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste zentrale Bedeutung zukomme. Die nähere Aufgliederung der Quellenmeldungen würde dazu führen, dass taktische Verfahrensabläufe offenbar würden und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt sei. Soweit sich die Fragen auf menschliche Quellen der Sicherheitsbehörden bezögen, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beantwortung dieser Fragen zu einer Offenlegung der Identität der Quellen führe. Im Hinblick auf die daraus folgenden Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit dieser Personen sei daher der staatliche Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 GG besonders zu beachten. Daher scheide auch eine als Verschlusssache eingestufte Beantwortung aus. Hierdurch werde die strafrechtliche Aufklärung des Oktoberfestattentats nicht verhindert. Der Generalbundesanwalt habe mit Schreiben vom 17. Februar 2015 sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch den Bundesnachrichtendienst um umfassende Mitteilung der dort vorliegenden Erkenntnisse zum Oktoberfestattentat gebeten. Beide Behörden würden dem Generalbundesanwalt die erbetenen Informationen zur Verfügung stellen.

III.

19

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2015 haben die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitet. Mit ihren Anträgen begehren sie die Feststellung, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (BTDrucks 18/3117) sowie die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (BTDrucks 18/3810) in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt hat.

20

1. Die Antragstellerinnen halten ihre Anträge für zulässig. Sie sind der Auffassung, dass sie sowohl hinsichtlich der jeweils von ihnen selbst als auch bezüglich der von der jeweils anderen Antragstellerin gestellten Kleinen Anfrage antragsbefugt seien. Zum einen werde eine Verletzung des den Fraktionen selbst zustehenden Informationsrechts gerügt, das sich aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 GG ergebe und den Fraktionen dazu diene, den für die parlamentarische Arbeit erforderlichen Informationsstand zu erhalten. Zum anderen verletze die unzureichende Beantwortung einer Kleinen Anfrage die Rechte des Bundestages aus Art. 20 Abs. 2 GG. Diese Rechte könnten die Antragstellerinnen gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG prozessstandschaftlich geltend machen. Hinsichtlich der Antwort auf die von der jeweils anderen Antragstellerin gestellte Kleine Anfrage werde allein eine Verletzung der Rechte des Bundestages im Wege der Prozessstandschaft gerügt. Auch insoweit sei nicht nur die Antragsbefugnis, sondern auch ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Eine Fraktion könne Rechte des Bundestages auch dann im Organstreitverfahren verteidigen, wenn sie diesbezüglich zuvor nicht parlamentarisch tätig geworden sei.

21

2. Die Anträge seien begründet. Die Weigerung der Antragsgegnerin, die Kleinen Anfragen vollständig zu beantworten, verletze die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG.

22

a) Aus diesen Normen folge für den Deutschen Bundestag und seine Fraktionen ein Frage- und Informationsrecht, das grundsätzlich mit einer Auskunftspflicht der Bundesregierung korrespondiere. Grenzen des Informationsrechts könnten sich aus dem Staatswohl, den Grundrechten und dem Gewaltenteilungsprinzip ergeben. Mit Blick auf die verfahrensgegenständlichen Fragen der Antragstellerinnen sei jedoch kein ausreichendes Geheimhaltungsinteresse ersichtlich. Außerdem genügten die Begründungen, mit denen die Antragsgegnerin die vollständige Beantwortung der Kleinen Anfragen verweigert habe, nicht den hieran zu stellenden Anforderungen, da sie die Antragstellerinnen nicht in die Lage versetzten, die von der Antragsgegnerin vorgenommene Abwägung nachzuvollziehen.

23

Ob und inwieweit die Antragsgegnerin ausnahmsweise die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden und insbesondere zu V-Leuten verweigern dürfe, richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Es sei Sache der Bundesregierung, im Einzelfall darzulegen, warum das allgemein bestehende parlamentarische Informationsrecht aufgrund gegenläufiger Belange von höherem verfassungsrechtlichem Gewicht ausnahmsweise ausgeschlossen sei. Eine Bereichsausnahme sei im Hinblick auf Informationen zu V-Leuten verfassungsrechtlich nicht begründbar. Eine solche Ausnahme vom parlamentarischen Informationsrecht - wie sie das Bundesverfassungsgericht etwa für den Bereich der Rüstungsexporte anerkannt habe - könne nur in Betracht kommen, wenn sich ein Typ parlamentarischer Auskunftsbegehren trennscharf beschreiben lasse, bei dem einem noch so gewichtigen Informationsinteresse des Bundestages stets ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse gegenüberstehe. Dies sei bei parlamentarischen Anfragen mit Bezug zum Einsatz von V-Leuten nicht der Fall, denn nicht jede derartige Anfrage könne zur Enttarnung dieser Personen führen. Selbst wenn eine Enttarnung in Aussicht stehe, werde der weitere Einsatz der betroffenen V-Leute dann nicht gefährdet, wenn dieser bereits aus anderen Gründen ausgeschlossen sei. Ob die bloße Erkenntnis, beobachtet zu werden, für die beobachteten Personen einen für das Staatswohl relevanten Informationswert habe, hänge ebenfalls von unterschiedlichen Faktoren ab. Auch ermögliche nicht jede Information zum Einsatz von V-Leuten Rückschlüsse auf die Art und Weise der Beobachtung.

24

Eine das Staatswohl gefährdende Offenbarung der Arbeitsweisen der Sicherheitsbehörden sei ebenfalls nicht in jedem Fall zu befürchten. Zwar sei insoweit eine Prognose anzustellen, die - wie jede Prognose - mit Restunsicherheiten behaftet sei. Dieses Prognoserisiko rechtfertige jedoch keine abstrakte Vorrangregel zugunsten des Geheimhaltungsinteresses der Antragsgegnerin.

25

Eine Bereichsausnahme lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Quellenschutzes rechtfertigen. Der Quellenschutz könne dem Informationsrecht des Bundestages nur entgegengehalten werden, wenn die begehrte Information überhaupt dazu führen könne, dass eine bestimmte Person als Quelle enttarnt werde. Insoweit könne nicht schon die stets gegebene theoretische Möglichkeit ausreichen, dass sich Informationen mit hinreichendem Zusatzwissen auf bestimmte Personen beziehen ließen. Vielmehr müsse dies anhand eines Wahrscheinlichkeitsurteils in jedem Einzelfall ermittelt werden. Auch wenn danach im Einzelfall ein Bezug auf bestimmte Personen möglich sei, bedürfe es stets einer Abwägung zwischen dem Quellenschutz und dem Informationsinteresse des Bundestages. Im Rahmen dieser Abwägung werde der Quellenschutz in der Regel überwiegen, wenn der Sachverhalt aktuell sei und es sich bei der Quelle um eine lebende Person handele. Daneben könne eine Geheimhaltung auch zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter Dritter geboten sein, was jedoch im Einzelfall zumindest ansatzweise konkret dargelegt werden müsse. Der Schutz des sozialen Ansehens einer Quelle - worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten ohnehin nicht berufen habe - gehe dem Informationsinteresse des Bundestages ebenfalls nicht ohne einzelfallbezogene Abwägung vor. Dies gelte erst recht nach dem Tod der Quelle. Schließlich könne ein abstrakter Vorrang des Quellenschutzes auch nicht aus den gegenüber V-Leuten abgegebenen Vertraulichkeitszusagen hergeleitet werden, worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten im Übrigen ebenfalls nicht berufen habe. Das parlamentarische Auskunftsrecht stehe nicht zur Disposition der Sicherheitsbehörden.

26

b) Die Begründung, mit der die Antragsgegnerin die Beantwortung der Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verweigert habe, genüge diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich (bb)) und bei der vorzunehmenden Abwägung überwiege das parlamentarische Informationsinteresse (cc)).

27

aa) Bei der Begründung handele es sich um einen Textbaustein, dem jeder Einzelfallbezug fehle. Dies zeige sich auch daran, dass die Begründung der Antwortverweigerung mit derjenigen in Bezug auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 weitgehend wortgleich und auch die Beantwortung einer weiteren Kleinen Anfrage im Wesentlichen mit derselben Begründung verweigert worden sei. Außerdem passe die Antwort nicht zu der Frage, soweit die Antragsgegnerin hervorhebe, dass Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten geschützt werden müssten, da Lembke bereits 1981 verstorben sei. Ferner sei die Begründung unvollständig, da darin nur auf die Tätigkeit der Nachrichtendienste eingegangen worden sei, obwohl sich die Frage auf Sicherheitsbehörden und somit auch auf die Polizeibehörden bezogen habe. Eine derart formelhafte und unspezifische Begründung wäre nur dann hinzunehmen, wenn die Frage 2 a) auf Informationen gezielt hätte, die offenkundig geheimhaltungsbedürftig seien. Dies sei jedoch nicht der Fall.

28

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich. Ein solches lasse sich insbesondere nicht mit dem Staatswohl in seiner Ausprägung als Schutz der Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden begründen. Eine Gefährdung der aktuell zu dem Oktoberfestattentat geführten Ermittlungen durch eine Beantwortung der Frage 2 a) liege fern. Die Frage beziehe sich auf einen historischen Vorgang und auf einen Verstorbenen. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Enttarnung von Heinz Lembke als V-Mann aktuelle Ermittlungen gefährden könne, zumal seit langem bekannt sei, dass sich Lembke und sein Umfeld im Blickfeld der Sicherheitsbehörden befunden hätten. Eine Beantwortung der Frage nach der V-Mann- Eigenschaft von Lembke ermögliche auch keine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden. Da sich die Frage auf die V-Mann-Eigenschaft einer einzelnen Person beziehe, ergebe sich aus ihrer Beantwortung kein einzelfallübergreifender Informationswert. Dass die Sicherheitsbehörden damals wie heute V-Leute in der Neonaziszene eingesetzt hätten, sei ohnehin allgemein bekannt. Im Hinblick auf eigene Rechte von Heinz Lembke könne der allenfalls noch relevante postmortale Vertraulichkeitsschutz in Anbetracht der verstrichenen Zeit keine Bedeutung mehr haben. Jedenfalls aber könne dieser Vertraulichkeitsschutz bei der Abwägung nur geringes Gewicht haben. Konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung anderer Personen seien nicht ersichtlich.

29

cc) Selbst wenn sich aus einer Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden ergeben sollten, könne es sich dabei allenfalls um geringfügige Beeinträchtigungen handeln. Diesen stehe ein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegenüber, das bei der gebotenen Abwägung überwiege. Die Bedeutung der verfahrensgegenständlichen Frage gehe über den Einzelfall hinaus.

30

Für den Bundestag sei es von überragender Bedeutung, Einblicke in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu erhalten, um diese Tätigkeit und die Haltung der Antragsgegnerin hierzu kontrollieren zu können. Hierzu gebe es gerade in jüngerer Zeit mit Blick auf den Einsatz von V-Leuten in der rechtsextremen Szene Anlass. So werde das Versagen der Sicherheitsbehörden im Fall des so genannten Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) unter anderem auf einen überzogenen Quellenschutz bei den Nachrichtendiensten zurückgeführt. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 habe dazu gedient, Verdachtsmomenten nachzugehen, dass auch im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten genutzt worden seien, um den Anschlag zu verhindern und aufzuklären. Wenn sich dieser Verdacht erhärte, könne hierin möglicherweise ein über längere Zeit gleichbleibendes Muster erkannt werden. Um sich einen Einblick in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu verschaffen und diese zu kontrollieren, müsse der Bundestag zwangsläufig von Einzelfällen ausgehen, da ein detailliertes Gesamtbild weder verfügbar sei noch hergestellt werden könne. Umso bedeutsamer sei es, dass dem Bundestag Informationen zu Einzelfällen mitgeteilt würden, die nicht zwingend geheimhaltungsbedürftig seien.

31

Zudem bestehe an der Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden gerade im Neonazimilieu ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse. Neben den Vorgängen um den NSU sei insoweit auch das Oktoberfestattentat von Bedeutung, über das in jüngerer Zeit verstärkt berichtet worden sei.

32

Schließlich seien Informationen über mögliche Verbindungen von V-Leuten zu dem Oktoberfestattentat auch für die gesetzgeberische Funktion des Bundestages von Bedeutung. Die Frage der gesetzlichen Regulierung des Einsatzes von V-Leuten sei hochaktuell und umstritten. Insoweit sei es erforderlich, dass Informationen über die Praxis des Einsatzes von V-Leuten und eventuelle Missstände oder Fehleinschätzungen in der Vergangenheit verfügbar seien.

33

Die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke stehe im Kontext mit einer Vielzahl von weiteren Auskunftsbegehren der Antragstellerinnen, mit denen diese versuchten, Anhaltspunkten für Verbindungen deutscher Sicherheitsbehörden zu Personen und Gruppierungen aus dem Neonazimilieu nachzugehen, von denen schwerwiegende Gewalttaten ausgegangen seien. Sollte Lembke tatsächlich als V-Mann tätig gewesen sein und sollten sich Verbindungen zum Oktoberfestattentat erhärten lassen, würde dies massive Fragen nach dem Sinn und den Modalitäten des Einsatzes von V-Leuten im Neonazimilieu aufwerfen, deren potentielle politische Bedeutung für die parlamentarische Kontrolle und für gesetzgeberische Maßnahmen sich kaum überschätzen lasse.

34

c) Auch hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei die Antwort der Antragsgegnerin zu pauschal (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse sei nicht ersichtlich (bb)), jedenfalls habe eine vollständige Verweigerung der Beantwortung der Fragen nicht erfolgen dürfen (cc)).

35

aa) Die Verweigerung vollständiger Antworten auf die umstrittenen Fragen der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei unzureichend begründet worden. Die Antragsgegnerin habe denselben formelhaften Textbaustein wie in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwendet.

36

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei weder hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 zu Quellenmeldungen zum Attentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann noch bezüglich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann ersichtlich. Dass die Antragsgegnerin eine Aufschlüsselung der Quellenmeldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden in ihrer Antwort auf die Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 verweigert habe, lasse sich weder durch Belange des Staatswohls noch durch Grundrechte rechtfertigen.

37

Eine Gefährdung der aktuellen Aufklärungstätigkeit der Nachrichtendienste sei insoweit nicht ersichtlich, da bekannt sei, dass diese im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und im Umfeld der Wehrsportgruppe Hoffmann ermittelt und dabei auf menschliche Quellen zurückgegriffen hätten. Dies ergebe sich auch aus der Antwort der Antragsgegnerin. Hinreichend spezifische Rückschlüsse allgemeiner Art auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ließen sich aus der begehrten Aufschlüsselung nicht ziehen. Dass Nachrichtendienste befugt seien, V-Leute einzusetzen, und von dieser Befugnis gerade auch in der rechtsextremistischen Szene Gebrauch machten, sei allgemein bekannt. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Nachteile sich für die Nachrichtendienste aus der Mitteilung der Aufschlüsselung ergeben könnten. Hieraus könnten keine Schlüsse zu anderen Vorgängen und erst recht nicht zu der heutigen Aufklärungstätigkeit gezogen werden.

38

Es sei auch nicht ersichtlich, dass die begehrte Aufschlüsselung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder Leib und Leben von Menschen gefährden könne, da es an einem Bezug zu bestimmten Personen fehle. Die bloße Behauptung, aus irgendwelchen Informationen, die einen Bezug zum Einsatz von V-Leuten aufwiesen, könne auf die Identität einzelner V-Leute geschlossen werden, reiche nicht aus. Diese Behauptung müsse vielmehr durch eine Enttarnungsprognose fundiert werden, um verfassungsrechtlich tragfähig zu sein. Zwar könnten unter Hinzuziehung von Zusatzwissen gegebenenfalls gewisse Rückschlüsse in personeller Hinsicht möglich sein. Angesichts des erheblichen Umfangs der Ermittlungen zum Oktoberfestattentat und der großen Zahl von Angehörigen und Unterstützern der Wehrsportgruppe Hoffmann liege es aber fern, dass sich positiv ein Bezug zu bestimmten Personen herstellen lasse. Aus den begehrten Antworten wäre nicht einmal ersichtlich, in welchem Verhältnis die Quellen zu der rechtsextremen Szene beziehungsweise der Wehrsportgruppe Hoffmann stünden. Dass konkretere Angaben zu Quellenmeldungen unbedenklich seien, zeige zudem die Antwort auf Frage 18, wonach dem Bundesnachrichtendienst zum Oktoberfestattentat eine Quellenmeldung aus dem Jahr 1981 vorliege.

39

Hinsichtlich der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann (Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31) liege es ebenfalls nahe, dass kein Geheimhaltungsinteresse bestehe. Eine Gefährdung aktueller Ermittlungen sei nicht ersichtlich. Zwar liege es nahe, dass einzelne Personen aus dem Kreis der Wehrsportgruppe auch heute noch von den Nachrichtendiensten beobachtet würden. Aus den begehrten Angaben ließen sich jedoch keine Schlüsse ziehen, die diese Beobachtung beeinträchtigen könnten. Nach über 30 Jahren könne aus der damaligen Zahl der V-Leute kaum etwas zu ihrer heutigen Zahl hergeleitet werden.

40

Allgemeine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise von Nachrichtendiensten ließen sich aus den begehrten Informationen zu V-Leuten ebenfalls nicht ziehen. Aus ihnen lasse sich lediglich ableiten, wie weitgehend die Wehrsportgruppe Hoffmann mit V-Leuten infiltriert gewesen sei, nicht aber, wie die Kooperation abgelaufen sei und welchen Nutzen sie erbracht habe. Erkenntnisse über den heutigen Einsatz von V-Leuten im Neonazimilieu ergäben sich hieraus nicht. Zudem könne man nicht von der Infiltration einer Gruppierung auf die einer anderen schließen. Außerdem sei der erhebliche Zeitablauf zu berücksichtigen.

41

Eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung liege fern, da von der abgefragten Gesamtzahl von V-Leuten nicht auf einzelne Personen geschlossen werden könne. Angesichts des erheblichen Zeitablaufs könne auch nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das für eine denkbare Individualisierung erforderliche Zusatzwissen in den betroffenen Kreisen vorhanden oder beschaffbar sei. Sollte gleichwohl ein Identifizierungsrisiko zu bejahen sein, hätte die Antragsgegnerin die Antworten aufspalten, die Gesamtzahl der V-Leute veröffentlichen und die weiteren begehrten Informationen unter Einstufung herausgeben können.

42

cc) Selbst wenn man unterstelle, dass die verfahrensgegenständlichen Fragen ein Geheimhaltungsinteresse berührten, hätte die Antragsgegnerin die begehrten Informationen zumindest nicht vollständig verweigern dürfen. Insofern gelte nichts anderes als für Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Informationen darüber, in welchem Ausmaß die Nachrichtendienste neonazistische Gruppierungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat infiltriert hätten, seien besonders bedeutsam, damit der Bundestag etwaige Defizite abschätzen und den Einsatz von V-Leuten gegebenenfalls neu regulieren könne. Vor diesem Hintergrund sei ein geringfügiges Risiko für das Staatswohl hinzunehmen. Dieses allenfalls sehr geringe Risiko für damalige V-Leute hätte durch eine Einstufung als Verschlusssache abgeschirmt werden können.

43

d) Wo dies erforderlich sei, könne zwischen dem Informationsinteresse des Bundestages und einem gegenläufigen Geheimhaltungsinteresse praktische Konkordanz hergestellt werden, indem die begehrten Informationen als Verschlusssache zur Verfügung gestellt würden. Die Antragsgegnerin könne sich grundsätzlich nicht auf das Staatswohl berufen, um Informationen zurückzuhalten, wenn der Bundestag hinreichende Vorkehrungen dagegen treffe, dass diese Informationen bekannt würden. Gleiches gelte, wenn eine Geheimhaltung von Informationen zum Schutz von Grundrechten geboten sei. Antworten auf parlamentarische Anfragen zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden müssten somit in der Regel zumindest als Verschlusssache zur Verfügung gestellt werden.

44

Es sei davon auszugehen, dass Informationen, die nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingestuft worden seien, auch tatsächlich geheim blieben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall sei, habe die Antragsgegnerin nicht vorgebracht. Eine pauschale Befürchtung der Antragsgegnerin, im Bundestag könnten Sicherheitslücken bestehen, genüge nicht. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle eine Einstufung nach der Geheimschutzordnung als Mittel zur Auflösung des Interessenkonflikts zwischen dem parlamentarischen Informationsinteresse und dem exekutiven Geheimhaltungsinteresse verworfen, da die Anwendung der Geheimschutzordnung mit der Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments konfligiere. Für diesen Bereich habe das Bundesverfassungsgericht jedoch eine abstrakt-generelle Regel zur Reichweite des parlamentarischen Informationsrechts aufgestellt, weshalb die Öffentlichkeit bei Anwendung der Geheimschutzordnung systematisch und nicht nur im Einzelfall ausgeschlossen würde. Für den Bereich der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden bleibe der parlamentarische Geheimschutz hingegen ein taugliches Instrument zum Ausgleich des Interessenkonflikts, da hier eine Einzelfallabwägung vorzunehmen sei und im Einzelfall eine Einstufung als Verschlusssache dem Informationsinteresse des Bundestages besser Rechnung trage als die vollständige Verweigerung einer Antwort.

IV.

45

Nach Auffassung der Antragsgegnerin haben die Anträge keine Aussicht auf Erfolg.

46

1. Sie habe die Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 zu Recht aus Gründen des Staatswohls (a)) und des Grundrechtsschutzes (b)) verweigert, ohne dass insoweit eine Einzelfallabwägung vorgenommen werden müsse. Die Möglichkeit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages ändere hieran nichts (c)). Selbst wenn man von der Notwendigkeit einer Einzelfallabwägung ausgehe, müsse das Auskunftsinteresse im konkreten Fall hinter dem Geheimhaltungsinteresse zurückstehen (d)). Außerdem müsse sie keine Auskünfte zu V-Leuten der Länder erteilen (e)). Schließlich sei die Verweigerung der Beantwortung der Frage 2 a) auch in ausreichender Weise begründet worden (f)).

47

a) Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass gegenüber V-Leuten abgegebene Vertraulichkeitszusagen aus Gründen des Staatswohls stets eingehalten werden müssten. Das Bundesverfassungsgericht habe wiederholt betont, dass die Strafverfolgungsorgane auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen seien, um ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten gerecht werden zu können. Dies gelte in derselben Weise für die Nachrichtendienste und Polizeibehörden bei der Aufklärung verfassungsfeindlicher Bestrebungen und der sonstigen Gefahrenabwehr. Der Einsatz von V-Leuten gehöre zu den wichtigsten Mitteln verdeckter Informationsgewinnung. Er sei von herausragender Bedeutung, da verfassungsfeindliche Organisationen oftmals konspirativ agierten.

48

Die Geheimhaltung der Identität von V-Leuten sei mit Blick auf die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden unabdingbar. Zwar vertrete die Antragsgegnerin nicht die Auffassung, dass es bei parlamentarischen Anfragen eine Bereichsausnahme für sämtliche Informationen mit Bezug zu V-Leuten gebe; es bestehe jedoch eine generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit für Informationen, die alleine oder in Zusammenschau mit anderen Informationen zur Offenbarung der Identität von V-Personen führen könnten. Dies ergebe sich aus einer Abwägung des parlamentarischen Informationsinteresses mit den der Offenbarung derartiger Daten und Informationen entgegenstehenden Geheimhaltungsinteressen. Das gelte nicht nur für die Zeit während des Einsatzes, sondern auch nach dessen Beendigung. Dabei diene die Geheimhaltung der Identität zum einen dem Schutz der V-Leute selbst, zum anderen aber auch dem Schutz der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden. So schließe die Offenbarung der Identität einer V-Person deren weiteren Einsatz aus. Der damit verbundene Verlust des Zugangs zu Informationen könne irreversibel sein, da sich V-Leute nicht beliebig gewinnen oder ersetzen ließen. Mit der Enttarnung einer V-Person würden darüber hinaus den beobachteten Personen sowohl der Umstand als auch die Art und Weise ihrer Beobachtung bekannt, was die weitere Aufklärung erschwere. Des Weiteren könnten bei Bekanntwerden der Identität einer V-Person Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Behörden, insbesondere die Art und Weise der Werbung, der Quellenführung und der Zusammenarbeit, gezogen werden. Hierdurch könnten Zielpersonen in die Lage versetzt werden, Abwehrstrategien gegen die Gewinnung von V-Leuten zu entwickeln. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Mitarbeiter von Behörden enttarnt und gefährdet würden.

49

Die Tätigkeit der Nachrichtendienste zeichne sich dadurch aus, dass sie in weiten Teilen geheimhaltungsbedürftig sei. Daher müssten Einzelheiten zu Arbeitsweisen, Strategien, Methoden und Erkenntnisstand der Nachrichtendienste, deren Offenlegung ihre Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung gefährde, nicht mitgeteilt werden. Gleiches gelte für Polizeibehörden, soweit diese zum Einsatz verdeckter Maßnahmen befugt seien. Eine Beantwortung der Frage 2 a) würde aber Einzelheiten des Quellen- und Erkenntnisstandes offenbaren. Die Antragstellerinnen verkennten, dass es sich bei dem Schutz der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden im Interesse des Gemeinwohls um einen Belang höchsten Ranges handele. Vor diesem Hintergrund gingen sie unzutreffend davon aus, dass insoweit gewisse Beeinträchtigungen und Gefährdungen hinzunehmen seien. Die Antragsgegnerin müsse jedoch auch nicht-signifikante Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden verhindern und könne von den Antragstellerinnen nicht durch parlamentarische Anfragen gezwungen werden, derartige Folgen herbeizuführen.

50

Es treffe nicht zu, dass die amtliche Bestätigung von Überwachungsmaßnahmen keinen zusätzlichen Informationswert habe, wenn über diese Maßnahmen schon in anderen Publikationen berichtet worden sei. Das Staatswohl sei nicht erst dann gefährdet, wenn verfassungsfeindlichen Organisationen durch eine Auskunft der Antragsgegnerin ermöglicht werde, neue Vermeidungsstrategien zu ergreifen, sondern schon dann, wenn diese zu der generellen Erkenntnis gelangten, sich vorsehen zu müssen. Allein die Beendigung einer bestimmten Aufklärungstätigkeit führe nicht stets dazu, dass auch die Geheimhaltungsbedürftigkeit entfalle, da das Aufklärungsinteresse fortbestehen könne. Ob bei abgeschlossenen Sachverhalten etwas anderes gelte, sei unerheblich, da ein solcher hier nicht vorliege. Unabhängig davon dürfe nicht vorschnell von einem abgeschlossenen Sachverhalt ausgegangen werden, da selbst lange zurückliegende Vorgänge wieder unmittelbare Aktualität erlangen könnten. Auch sei zu bedenken, dass zwar möglicherweise eine Organisation ihr Ende gefunden habe, die an ihr beteiligten Personen aber gegebenenfalls ihre verfassungsfeindlichen oder sicherheitsgefährdenden Aktivitäten in anderer Form fortsetzten.

51

Durch die von einer Behörde abgegebene Vertraulichkeitszusage werde die Identität einer V-Person grundsätzlich dauerhaft geschützt. Eine derartige Zusage sei notwendig, weil V-Leuten im Falle ihrer Enttarnung Repressionen bis hin zu Gefahren für Leib und Leben drohten. Vor diesem Hintergrund bestehe eine Schutz- und Fürsorgepflicht des Staates. Die drohenden Gefahren dürften nicht unter Verweis auf staatliche Schutzprogramme heruntergespielt werden, da derartige Maßnahmen sehr aufwendig und für die Betroffenen mit äußerst gravierenden Belastungen verbunden seien.

52

Die Einhaltung abgegebener Vertraulichkeitszusagen sei für die Zusammenarbeit mit aktiven V-Leuten und die Gewinnung künftiger V-Leute unabdingbar. Würden Vertraulichkeitszusagen nicht eingehalten, könne dies die künftige Gewinnung von V-Leuten erschweren oder unmöglich machen. Werde die Identität einer V-Person bekannt, verunsichere dies andere Betroffene und schwäche das Vertrauen in die Wirksamkeit und Geltung von Vertraulichkeitszusagen. In der Vergangenheit hätten Enttarnungen dazu geführt, dass die Anwerbung in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten verbunden sei.

53

Das Geheimhaltungsbedürfnis sei auch nicht deshalb entfallen, weil Heinz Lembke bereits vor längerer Zeit verstorben sei. Vertraulichkeitszusagen seien grundsätzlich nicht auf die Lebenszeit der Betroffenen beschränkt, denn es könnten auch Angehörige in Gefahr geraten. Die Vorstellung von "Sippenhaft" sei in bestimmten Organisationen, Kreisen und Gesellschaften durchaus verbreitet. Außerdem sei es ein berechtigtes Anliegen von V-Leuten, dass ihr soziales Ansehen auch über den Tod hinaus geschützt werde. Diese wollten mit Rücksicht auf das eigene Andenken sowie auf ihre Angehörigen auch nach ihrem Tod nicht als "Spitzel" oder "Verräter" diffamiert und herabgesetzt werden. Dem stehe nicht entgegen, dass der postmortale Persönlichkeitsschutz schwächer ausgeprägt sei als das allgemeine Persönlichkeitsrecht, da es im Kontext von Vertraulichkeitszusagen nicht um allgemeine grundrechtliche Abwehr- und Schutzansprüche, sondern um die Einhaltung staatlicher Zusagen gehe, die ein besonderes Vertrauens- und Fürsorgeverhältnis begründeten.

54

Werde die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person bejaht, könne dies zudem zur Folge haben, dass auf Seiten der betroffenen Organisation eine Suche nach weiteren "Verrätern" ausgelöst werde. Werde die Frage hingegen verneint, könnten die betroffenen Kreise möglicherweise folgern, dass eine andere Person eine V-Person gewesen sein müsse, wodurch diese in Gefahr gerate. Vor diesem Hintergrund müssten vor der Beantwortung einer entsprechenden Frage umfangreiche Ermittlungen zu allen im Zusammenhang stehenden Personen und Personenzusammenschlüssen durchgeführt werden. Zum einen verursache dies einen unzumutbaren Aufwand, der über die Auskunftspflicht hinausgehe. Zum anderen könnten mit den erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen erhebliche Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen verbunden sein.

55

Dass der verfahrensgegenständliche Sachverhalt lange zurückliege, führe ebenfalls nicht dazu, dass das Geheimhaltungsbedürfnis entfalle. Mit Blick auf die Identität von V-Leuten nehme das Geheimhaltungsinteresse mit der Zeit nicht ab. Nähme man dagegen an, dass die Frage nach der V-Person-Eigenschaft beantwortet werden müsse, wenn der V-Person-Einsatz bereits längere Zeit zurückliege, könnte in Fällen einer Antwortverweigerung der Umkehrschluss gezogen werden, dass die betreffende Person vor nicht langer Zeit als V-Person tätig gewesen oder es womöglich noch immer sei.

56

Abgesehen davon beziehe sich die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht auf einen historischen Vorgang, bei dem das Geheimhaltungsinteresse gemindert oder entfallen sein könnte. Die Anfrage beruhe nicht auf einem historischen Interesse, sondern stehe im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Ermittlungen zu dem Oktoberfestattentat durch den Generalbundesanwalt. Diese Ermittlungen könnten durch die Beantwortung der Frage, ob Lembke V-Mann gewesen sei, gefährdet werden. Von den ehemaligen Angehörigen und Unterstützern der in den Blick zu nehmenden Organisationen und Gruppierungen würden diese Ermittlungen mit großem Interesse verfolgt. Karl-Heinz Hoffmann, der im Jahr 2011 ein Buch mit dem Titel "Die Oktoberfestlegende" veröffentlicht habe, befasse sich auf seiner Homepage regelmäßig und ausführlich mit dem Attentat und äußere sich dort unter anderem auch zu Lembke. Eine Antwort auf die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, ermögliche etwaigen Tatbeteiligten Rückschlüsse darauf, welche Umstände den Ermittlungsbehörden bekannt sein könnten. Dies erleichtere ihnen, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren.

57

Schließlich bestehe die Notwendigkeit, die Antwort auf Frage 2 a) zu verweigern, unabhängig davon, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei. Zum einen könne die Pflicht zur Beantwortung nicht davon abhängen, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, da anderenfalls in künftigen Fällen bei einer Verweigerung der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person die zutreffende Antwort durch einen Umkehrschluss ermittelt werden könne. Zum anderen könnten auch bei einer Verneinung der Frage möglicherweise Rückschlüsse im konkreten Fall gezogen werden, die bis hin zu einer Enttarnung etwaiger tatsächlicher V-Leute reichen könnten. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die betroffenen Personen und Gruppierungen über internes Wissen verfügten, das sie womöglich in die Lage versetze, im Falle des Ausschlusses einer Person auf die V-Person-Eigenschaft einer anderen Person zu schließen. Es sei nicht auszuschließen, dass in Zukunft weitere Informationen öffentlich würden, die in Verbindung mit der Beantwortung der aktuellen Frage Rückschlüsse auf die Identität von V-Leuten ermöglichten.

58

b) Die Beantwortung der Frage 2 a) sei darüber hinaus aus grundsätzlichen Erwägungen des Grundrechtsschutzes zu verweigern. Unter grundrechtlichen Aspekten betreffe die Wahrung von Vertraulichkeitszusagen nicht allein die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates für Leben, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit. Auch eine Betrachtung unter den Gesichtspunkten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einschließlich des postmortalen Persönlichkeitsschutzes greife zu kurz. Denn der Staat übernehme gegenüber den V-Leuten darüber hinausgehende besondere Verpflichtungen. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, dass Lembke bereits verstorben sei, da dem grundrechtlich geschützten Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen auch über den Tod hinaus Rechnung zu tragen sei.

59

c) Dem Geheimhaltungsbedürfnis könne überdies nicht mit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages Rechnung getragen werden. In Bezug auf die Identität von V-Personen und anderen schutzwürdigen Quellen der Nachrichtendienste und Polizeibehörden bestehe eine generelle Geheimhaltungsnotwendigkeit.

60

Zwar sei die Geheimschutzordnung des Bundestages grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass das Staatswohl nicht allein der Bundesregierung, sondern auch dem Bundestag anvertraut sei. Gleichwohl gebe es Informationen aus dem Bereich der Nachrichtendienste, die ungeachtet der Geheimschutzordnung des Bundestages diesem gegenüber nicht offenbart werden könnten.

61

Die Effektivität des Geheimschutzes hänge nicht allein von der normativen Ausgestaltung ab, sondern auch von der faktischen Wirksamkeit. Je größer der Kreis der Geheimnisträger sei, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit einer absichtlichen oder unabsichtlichen Weitergabe der Informationen. Der Gedanke, dem Geheimschutz durch eine Beschränkung der Zahl der Geheimnisträger effektiv Rechnung zu tragen, sei für den Bereich der nachrichtendienstlichen Informationen sowohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch in der Gesetzgebung angelegt. So habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die nachrichtendienstliche Tätigkeit von dem aus einer geringen Zahl von Abgeordneten bestehenden Parlamentarischen Kontrollgremium überwacht werde. Ebenso habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste des Bundes nicht im Plenum, sondern gemäß § 10a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) in einem Vertrauensgremium behandelt würden. Der (verfassungsändernde) Gesetzgeber habe bei der Regelung von Art. 45d GG sowie bei der Verabschiedung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) betont, dass die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit besonderer Geheimhaltung bedürfe. Aus § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG ergebe sich zudem, dass es Informationen gebe, die derart sensibel seien, dass sie selbst dem Parlamentarischen Kontrollgremium nicht zu offenbaren seien. Danach könne eine Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums unter anderem aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangsverweigert werden, worunter auch der Schutz von Quellen gefasst werde. Es gebe Kategorien von Geheimnissen, die sich aufgrund ihrer besonderen Natur bereits bei abstrakter Abwägung als generell geheimhaltungsbedürftig darstellten. Da hier bereits die fallgruppenbildenden Kriterien die Entscheidung determinierten, bedürfe es keiner Abwägung im Einzelfall. Eine solche generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehe in Bezug auf die Identität von V-Personen und andere schutzwürdige nachrichtendienstliche Quellen.

62

Vor diesem Hintergrund garantiere die Geheimschutzordnung des Bundestages im vorliegenden Fall keinen ausreichenden Geheimschutz. Bei der Identität von V-Leuten handele es sich um derart sensible Informationen, dass die Gefahr des Bekanntwerdens soweit wie möglich reduziert werden müsse. Der hiernach erforderliche ganz besondere Geheimschutz sei auch bei einer Einstufung der Antwort als "geheim" nicht gewährleistet, da die Antwort gleichwohl allen Mitgliedern des Bundestages zugänglich gemacht werde. Zudem machten die Antragstellerinnen geltend, dass sie die Antwort benötigten, um eine gesetzliche Regelung des Einsatzes von V-Leuten im Parlament und in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Sie zielten somit letztlich auf die Herstellung von Öffentlichkeit ab.

63

d) Die Antragsgegnerin vertrete zwar die Auffassung, dass die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer bestimmten Person schon aufgrund einer abstrakten Abwägung generell nicht beantwortet werden müsse. Doch selbst wenn man eine Einzelfallabwägung für erforderlich halte, sei die Verweigerung der Antwort auf die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke rechtmäßig, da das Geheimhaltungsinteresse das Auskunftsinteresse auch im konkreten Fall überwiege.

64

Hinsichtlich der Beantwortung der Frage 2 a) sei kein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegeben. Die diesbezüglichen Überlegungen der Antragstellerinnen blieben abstrakt. Sie könnten nicht begründen, weshalb die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, für die parlamentarische Kontrolle oder die Gesetzgebungstätigkeit von besonderer Bedeutung sein solle. Die Auffassung, wonach der Bundestag zur Kontrolle der Sicherheitsbehörden Einblicke in einzelne, konkrete Aufklärungsmaßnahmen einschließlich der Identität einzelner V-Personen erhalten müsse, überzeuge nicht und laufe auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Staatswohls hinaus. Dass die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, Bedeutung für die Gesetzgebungstätigkeit habe, sei nicht ersichtlich. Die Antragstellerinnen legten nicht dar, weshalb sie meinten, dass gerade diese Information für die heutige Bewertung des Einsatzes von V-Leuten relevant sei. Ihr Vortrag sei im Übrigen widersprüchlich, weil sie an anderer Stelle äußerten, dass eine Gefahr für das Staatswohl nicht zu besorgen sei, da eine Beantwortung der Frage keine Schlüsse auf die heutige Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden zulasse.

65

Demgegenüber werde der Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel durch gezielte Identifikationsfragen unterminiert. Auch wenn das Parlament nicht unmittelbar an von der Exekutive abgegebene Vertraulichkeitszusagen gebunden sei, folge hieraus nicht, dass es einen Auskunftsanspruch habe, der unter Verletzung dieser Zusagen zu erfüllen sei. Insoweit sei auch die Rechtsprechung zur Bedeutung von Vertraulichkeitszusagen im Strafverfahren zu berücksichtigen, wonach Auskünfte zu V-Leuten in entsprechender Anwendung von § 96 StPO verweigert werden könnten. Wenn der Weg in die Einzelfallabwägung einmal eröffnet sei, sei aus Sicht der Betroffenen kein Verlass mehr auf Vertraulichkeitszusagen. Dadurch würden die Fortführung und die Gewinnung von V-Leuten als nachrichtendienstliche Quelle zum Nachteil des Staatswohls erheblich beeinträchtigt.

66

e) Soweit sich die Frage 2 a) auf eine V-Mann-Tätigkeit Lembkes für Sicherheitsbehörden der Länder beziehe, müsse die Antwort auch deshalb verweigert werden, weil die Antragsgegnerin nicht beurteilen könne, welche Konsequenzen die Antwort für die Arbeit der betreffenden Landesbehörde hätte. Da sich die Antwortpflicht der Antragsgegnerin nur auf vorhandene Kenntnisse beziehe, sei sie nicht verpflichtet, Untersuchungen dazu zu veranlassen, welche Folgen eine Beantwortung der Frage für die Länder hätte.

67

f) Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen habe die Antragsgegnerin die Verweigerung der Antwort auch ausreichend begründet. Sie habe dargelegt, dass und weshalb es nicht möglich sei, Fragen nach der Identität von V-Leuten zu beantworten. In gewisser Weise müsse jede Auskunftsverweigerung abstrakt bleiben, da nicht verlangt werden könne, dass die Begründung so konkret sei, dass Rückschlüsse auf die verweigerte Antwort gezogen werden könnten. Auch der Einwand, dass Antworten auf andere Anfragen wortgleich seien, greife nicht durch. Wenn Fragen einen ähnlichen Inhalt hätten und die Beantwortung aus denselben Gründen abzulehnen sei, sei es nicht zu beanstanden, dass sich auch die Begründungen entsprächen.

68

Mit der Rüge, dass die Antragsgegnerin sich in ihrer Antwort nur auf Nachrichtendienste bezogen habe, obwohl nach "Sicherheitsbehörden" und damit - nach Auffassung der Antragstellerinnen - auch nach Polizeibehörden gefragt worden sei, könnten die Antragstellerinnen ebenfalls nicht gehört werden. Die Antragsgegnerin habe unter dem nicht klar definierten Begriff "Sicherheitsbehörden" allein Nachrichtendienste verstanden und verstehen dürfen. Dieses Verständnis ergebe sich aus dem systematischen Zusammenhang, da sich auch die Frage 2 b) nur auf "Geheimdienste" bezogen habe, und werde dadurch untermauert, dass die Antragstellerin zu 1. die Antwort der Antragsgegnerin in dem Schreiben vom 3. März 2015 insoweit nicht beanstandet habe.

69

2. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 habe die Antragsgegnerin zum Schutz des Staatswohls und der Grundrechte bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 die Zahl der Quellenmeldungen zu Recht zusammengefasst. Die Beantwortung der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 sei aus diesen Gründen vollständig abzulehnen gewesen.

70

a) Die auf die Tätigkeit von V-Leuten bezogenen Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 müssten aus Gründen des Staatswohls und zum Schutze der Grundrechte etwaiger V-Leute unbeantwortet bleiben. Aus Gründen des Staatswohls sei es - wie bereits mit Blick auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 ausgeführt - zum einen ausgeschlossen, die Identität von V-Leuten zu offenbaren. Darüber hinaus seien aber auch solche Angaben geheimhaltungsbedürftig, die - und sei es auch nur im Zusammenhang mit anderen Informationen - Rückschlüsse auf diese Personen erlaubten.

71

Insoweit sei zu berücksichtigen, dass gerade bei kleinen und konspirativ operierenden Gruppierungen schon geringe Anhaltspunkte ausreichen könnten, um bestimmte Personen als V-Leute zu identifizieren. Bei der Wehrsportgruppe Hoff-mann habe es sich um eine konspirativ agierende, straff hierarchisch organisierte paramilitärische Vereinigung gehandelt, so dass womöglich auch unverfänglich erscheinende Informationen eingeweihten Personen die Identifizierung etwaiger V-Leute ermöglichen könnten. Zwar treffe es zu, dass lediglich nach Gesamtzahlen gefragt worden sei. Ob von einer aggregierten Zahl gesprochen werden könne, hänge allerdings vom Inhalt der Antwort ab. Die Ausführungen der Antragstellerinnen zu der Wahrscheinlichkeit, dass die begehrten Informationen für die betroffenen Kreise einen Erkenntniswert haben könnten, beruhten auf Spekulationen und Mutmaßungen, die der Problematik nicht gerecht würden. Es liege in der Natur der Sache, dass keine exakte Aussage darüber getroffen werden könne, welche Konsequenzen die Offenbarung der begehrten Informationen habe.

72

Hinzu komme, dass Leib und Leben etwaiger V-Leute geschützt werden müssten. Im vorliegenden Fall sei ein gewaltbereites rechtsextremistisches Umfeld gegeben, so dass die Aufdeckung der Identität zu einer Gefährdung dieser grundrechtlich geschützten, hochrangigen Güter führen könne. Angesichts der Hochrangigkeit dieser Güter könne kein noch so geringes Risiko hingenommen werden. Das Staatswohlinteresse, den Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel funktionsfähig zu erhalten, sei derart bedeutsam, dass auch geringfügige Risiken nicht tolerierbar seien. Aus den bereits im Zusammenhang mit der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 genannten Gründen entfalle das Geheimhaltungsbedürfnis nicht, weil der Sachverhalt lange zurückliege. Mit Blick auf das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts dürfe etwaigen Beteiligten nicht ermöglicht werden, Absprachen zu treffen und sonstige Verschleierungsmaßnahmen vorzunehmen.

73

Eine Einstufung der Antworten als Verschlusssache reiche aus den genannten Gründen nicht aus, um die Gefahr eines Bekanntwerdens verlässlich auszuschließen und dem Geheimhaltungsbedürfnis Rechnung zu tragen.

74

b) Die Antragsgegnerin habe die Fragen 14 bis 16 und die Fragen 19 bis 21 jeweils zusammenfassend beantwortet und mitgeteilt, dass dem Bundesamt für Verfassungsschutz fünf Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat aus der Zeit von 1980 bis 1985 sowie 197 Quellenmeldungen zu der Wehrsportgruppe Hoffmann aus der Zeit von 1974 bis 1985 vorlägen. Eine nähere Aufschlüsselung nach Herkunft und Jahren müsse unterbleiben. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Zahl der Quellenmeldungen insgesamt sehr niedrig sei. Eine weitere Aufgliederung hätte die Mitteilung punktgenauer Informationen zur Folge. Unter Nutzung von Zusatzwissen sei es dann möglich, Bezüge zu bestimmten Personen herzustellen. Die Wehrsportgruppe Hoffmann habe zuletzt aus etwa 400 Mitgliedern bestanden, sei jedoch in mehrere Ortsgruppen untergliedert gewesen. Nach dem Verbot der Wehrsportgruppe Hoffmann zum Anfang des Jahres 1980 bis Mitte 1981 habe sich Karl-Heinz Hoffmann mit etwa 20 weiteren Personen im Libanon aufgehalten und dort die "Wehrsportgruppe Ausland" gegründet. Gerade in der Zeit vor und nach dem Oktoberfestattentat sei der Personenkreis somit sehr überschaubar gewesen.

75

c) Schließlich habe die Antragsgegnerin die Gründe für die unterbliebene oder lediglich teilweise Beantwortung auch ausreichend dargelegt.

V.

76

Die Antragstellerinnen und die Antragsgegnerin haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

B.

77

Die Anträge sind gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG zulässig.

I.

78

1. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind als Fraktionen nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG in Organstreitigkeiten parteifähig und berechtigt, sowohl eigene Rechte als auch Rechte des Deutschen Bundestages im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen (vgl. BVerfGE 2, 143 <165>; 67, 100 <125>; 131, 152 <190>; 139, 194 <220 Rn. 96>; stRspr). Die Bundesregierung ist nach § 63 BVerfGG taugliche Antragsgegnerin.

79

2. Die Anträge beziehen sich auf zulässige Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine rechtserhebliche Maßnahme als auch ein rechtserhebliches Unterlassen sein (vgl. BVerfGE 103, 81 <86>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <220 f. Rn. 98>; stRspr). Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer vollständigen Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht vollständigen Beantwortung handelt. Die teilweise Antwortverweigerung, die Nichtbeantwortung oder die nicht hinreichende Beantwortung der Kleinen Anfragen können die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihrem aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Auskunftsrecht verletzen. Damit sind die Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; 103, 81 <86>; 104, 310 <324>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <221 Rn. 98>).

II.

80

1. Die Antragstellerinnen sind antragsbefugt. Ein die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag einerseits und die Antragsgegnerin andererseits umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis liegt vor. Die Antragstellerinnen beanstanden Antworten der Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen. Der Organstreit betrifft damit die Reichweite des in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verfassungsrechtlich verankerten, in der Geschäftsordnung des Bundestages näher ausgestalteten Fragerechts sowie die grundsätzliche Verpflichtung der Bundesregierung, auf Fragen im Parlament Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 <185>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <221 Rn. 99>). Das Recht auf Information stellt sowohl ein eigenes Recht der Fraktionen dar, das der Bundesregierung gegenüber geltend gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 91, 246 <250 f.>; 100, 266 <270>; 124, 161 <187>), als auch ein Recht des Deutschen Bundestages, auf welches sich die Antragstellerinnen im Wege der Prozessstandschaft berufen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <187>; 139, 194 <221 Rn. 99>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 92, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

81

2. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte der Antragstellerinnen - soweit sie die unzureichende Beantwortung von ihnen jeweils selbst gestellter Anfragen rügen - und Rechte des Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt (vgl. dazu BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 112, 363 <365>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <222 Rn. 100>). Vielmehr erscheint es möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihre Antworten den Informationsanspruch der Antragstellerinnen und des Deutschen Bundestages in unzulässiger Weise verkürzt hat. Die Antragstellerinnen haben die Möglichkeit einer solchen Verletzung hinreichend dargelegt und ausgeführt, weshalb sie das verfassungsrechtlich verankerte Informationsrecht als verletzt ansehen und dessen Grenzen, auf die sich die Antragsgegnerin beruft, für nicht einschlägig halten.

III.

82

Mit dem am 20. Mai 2015 eingegangenen Antrag wahren die Antragstellerinnen die Sechsmonatsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG. Die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 1. wurde am 24. November 2014, die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 2. am 9. Februar 2015 von der Antragsgegnerin beantwortet.

C.

83

Die Anträge sind teilweise begründet.

I.

84

1. Das aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abgeleitete Frage- und Informationsrecht ermöglicht es dem Bundestag und seinen Mitgliedern zum einen, sich die für ihre Tätigkeit notwendigen Informationen zu verschaffen (a)). Zum anderen dient es der Kontrollfunktion des Parlaments, die sowohl aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz (b)) als auch aus dem Demokratieprinzip folgt (c)).

85

a) Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ergibt sich ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; 137, 185 <230 f. Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; stRspr). Aus dem Frage- und Informationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der Bundesregierung daher die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit des Parlaments (vgl. BVerfGE 137, 185 <231 Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; jeweils m.w.N.; stRspr).

86

b) Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf eine Verteilung der politischen Macht, das Ineinandergreifender drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>; 139, 194 <223 f. Rn. 105>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereichen unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

87

c) Die Kontrollfunktion des Parlaments ist zugleich Ausfluss der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>; 139, 194 <224 Rn. 106>). Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung hergestellt (vgl. etwa BVerfGE 137, 185 <232 Rn. 131>; 139, 194 <224 f. Rn. 107>). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung (vgl. BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>; 137, 185 <232 f. Rn. 131>; 139, 194 <225 Rn. 107>).

88

Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 132>; vgl. ferner BVerfGE 130, 76 <128>).

89

2. Der Informationsanspruch der Abgeordneten, Fraktionen und des Deutschen Bundestages unterliegt gleichwohl Grenzen. Sie ergeben sich aus dem Verantwortungsbereich der Regierung (a)), dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung einschließt (b)), dem Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl) (c)) und Grundrechten Dritter (d)).

90

a) Der Informationsanspruch kann sich von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen, da es insoweit an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag fehlt (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>; 137, 185 <233 Rn. 134>; 139, 194 <225 Rn. 107>). Hinsichtlich der Tätigkeit und Erkenntnisse der Nachrichtendienste ist der Verantwortungsbereich der Bundesregierung berührt, wenn die Anfragen Tätigkeiten unmittelbar nachgeordneter Behörden betreffen oder sie sich auf den Kenntnisstand der Bundesregierung zu Aktivitäten anderer Geheimdienste beziehen. Die Bundesregierung ist insoweit nicht auf Auskünfte beschränkt, die die Koordinierungsfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz betreffen (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>). Sie kann sich auch nicht von vornherein unter Bezugnahme auf ihren Verantwortungsbereich darauf berufen, sich nicht zu der Tätigkeit der Landesverfassungsschutzbehörden äußern zu müssen. Bereits die durch § 5 Abs. 1 BVerfSchG dem Bundesamt für Verfassungsschutz eröffnete Möglichkeit, Daten der Landesverfassungsschutzbehörden zu nutzen, sowie die in § 6 BVerfSchG geregelte gegenseitige Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden sprechen dafür, dass der Verantwortungsbereich der Bundesregierung auch bei Fragen, die sich auf ihre Erkenntnisse über die Tätigkeit und Informationen von Verfassungsschutzbehörden der Länder beziehen, berührt sein kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>).

91

b) Begrenzt wird der Informationsanspruch des Bundestages, der einzelnen Abgeordneten und der Fraktionen auch durch den Grundsatz der Gewaltenteilung. In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient dieser Grundsatz zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (vgl. BVerfGE 9, 268 <279 f.>; 137, 185 <233 Rn. 135>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung (vgl. BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

92

Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 131, 152 <210>; 137, 185 <234 Rn. 136>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 119, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214>). Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen (vgl. BVerfGE 124, 78 <120 f.>; 137, 185 <234 Rn. 136>).

93

Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Der aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung, sondern wirkt über den Zeitpunkt einer Entscheidung hinaus (BVerfGE 110, 199 <215>; 137, 185 <234 f. Rn. 137>).

94

c) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl).

95

aa) Die insoweit zu Beweiserhebungen von Untersuchungsausschüssen entwickelten Maßstäbe sind auf das Fragerecht der Abgeordneten zu übertragen (so bereits BVerfGE 124, 161 <189> zu Kleinen Anfragen und BVerfGE 137, 185 <240 Rn. 149> zu Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages und schriftlichen Fragen), weil es sich mit Blick auf das parlamentarische Informationsinteresse und das gegebenenfalls entgegenstehende Geheimhaltungsinteresse der Exekutive um vergleichbare Sachverhalte handelt. Danach bildet eine Grenze des Beweiserhebungsrechts das Staatswohl, das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 137, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Untersuchungs- sowie dem Informations- und Fragerecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls (vgl. BVerfGE 124, 78 <123>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 138, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

96

bb) Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheimzuhalten sind (BVerfGE 124, 78 <124>). Mithin kann bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 137, 185 <241 Rn. 149>).

97

(1) Der Bundestag hat in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Erfüllung seiner Aufgaben festgelegt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 77, 1 <48>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 139, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 Rn. 149>). Die Geheimschutzordnung kann damit ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse sein (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 124, 78 <124 f.>; 137, 185 <264 Rn. 199>; siehe ferner BVerfGE 130, 318 <362>; 131, 152 <208>).

98

Die Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungs- noch das Haushalts- noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>). Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>; 137, 185 <241 Rn. 150>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 140, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 137, 185 <241 Rn. 150>).

99

(2) Die Staatspraxis kennt neben der Geheimschutzordnung als Mittel des Ausgleichs zwischen parlamentarischem Informationsinteresse und dem Geheimhaltungsinteresse das aus ausgewählten (derzeit neun) Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (vgl. Art. 45d GG, § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 PKGrG; vgl. dazu BVerfGE 130, 318 <359>). Durch die Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Bundestages auf die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums wird ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das zum Ausgleich der kollidierenden Interessen führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <262 Rn. 194>). Jedoch ist das Gremium ein zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle, das parlamentarische Informationsrechte nicht verdrängt (vgl. BVerfGE 124, 161 <190> mit Verweis auf § 1 Abs. 2 PKGrG). Die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes durch ein ständiges Gremium soll eine Lücke schließen, da weder Öffentlichkeit noch Parlament von geheimen Vorgängen entsprechende Kenntnis erlangen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <190 f.>). Die einzelnen Abgeordneten, die Fraktionen und das Plenum des Deutschen Bundestages können jedoch nicht auf Informationen zugreifen, die die Bundesregierung dem Parlamentarischen Kontrollgremium gegeben hat (vgl. BVerfGE 124, 161 <191>).

100

d) Schließlich können das Fragerecht der Abgeordneten, Fraktionen und des Bundestages sowie die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten haben (vgl. BVerfGE 67, 100 <142>; 76, 363 <387>; 124, 78 <125>; 137, 185 <243 Rn. 153>). Daher ist zwischen den betroffenen Grundrechten verdeckt handelnder Personen und dem Informationsinteresse des Parlaments ein Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz zu finden. Dabei können insbesondere das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (aa)), das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und der postmortale Persönlichkeitsschutz berührt sein (bb)). Zudem ist das Gebot des Vertrauensschutzes zu beachten (cc)) und auch insoweit zu berücksichtigen, ob das Parlament ausreichende Vorkehrungen zum Geheimnisschutz getroffen hat (dd)).

101

aa) Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nimmt im Gefüge des Grundgesetzes einen besonders hohen Rang ein (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 57, 250 <284>; 115, 118 <139>; 128, 282 <302>). Dieses Grundrecht verpflichtet den Staat dazu, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen zu schützen, das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 115, 320 <346>). Gefahren für dieses Rechtsgut können sich ergeben, wenn durch die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage die Identität einer V-Person preisgegeben wird oder Rückschlüsse darauf ermöglicht werden und als Folge Reaktionen der beobachteten Personen oder Organisationen zu befürchten sind (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 82; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 281; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>).

102

bb) Darüber hinaus sind Auswirkungen auf das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgende Persönlichkeitsrecht denkbar (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 83). Dieses Grundrecht gewährleistet den Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt als "unbenanntes" Freiheitsrecht die speziellen ("benannten") Freiheitsrechte, die ebenfalls konstituierende Elemente der Persönlichkeit schützen (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>; 119, 1 <24>). Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>). Zu den Schutzgütern zählen unter anderem die Privat- (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>), Geheim- und Intimsphäre sowie die persönliche Ehre (vgl. BVerfGE 54, 148 <153 f.>; 114, 339 <346>; 119, 1 <24>) und das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Eine wesentliche Gewährleistung ist der Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen einer Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Ferner gibt es dem Einzelnen in seiner Ausformung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten (vgl. BVerfGE 130, 1 <35>) sowie darüber zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 103, 21 <33>).

103

Das Fortwirken des Persönlichkeitsrechts nach dem Tode ist zu verneinen, weil Träger dieses Grundrechts nur die lebende Person ist. Mit ihrem Tode erlischt der Schutz aus diesem Grundrecht. Jedoch schützt der aus Art. 1 Abs. 1 GG folgende allgemeine Achtungsanspruch Verstorbene vor grober Herabwürdigung und Erniedrigung (vgl. BVerfGE 30, 173 <194>). Geschützt wird auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat (vgl. BVerfGK 9, 83 <88>; 13, 115 <117>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. April 2001 - 1 BvR 932/94 -, juris, Rn. 19). Das parlamentarische Auskunftsrecht kann aufgrund seiner hohen Bedeutung durch den postmortalen Persönlichkeitsschutz jedoch allenfalls in besonderen Ausnahmekonstellationen beschränkt werden.

104

cc) Durch Vertraulichkeitszusagen wird zudem ein Vertrauenstatbestand geschaffen. Dies hat insoweit grundrechtliche Relevanz, als eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG vorliegen kann, wenn das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes nicht hinreichend berücksichtigt wird (vgl. BVerfGE 59, 128 <164>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Februar 1993 - 2 BvR 196/92 -, juris, Rn. 10). Im Verhältnis zu dem parlamentarischen Auskunftsanspruch kann der durch eine Vertraulichkeitszusage begründete Vertrauensschutz jedenfalls dann einen Gesichtspunkt darstellen, der das Informationsrecht des Parlaments einzuschränken vermag, wenn durch die Beantwortung einer Anfrage Grundrechte der V-Person gefährdet würden. Ansonsten hätten es die Vertraulichkeit garantierenden Behörden in der Hand, über den Auskunftsanspruch des Parlaments zu disponieren.

105

dd) Auch zugunsten des Schutzes der Grundrechte Privater gestattet die Bedeutung, die das Informations- und das Kontrollrecht des Parlaments gegenüber der Regierung sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates haben, in aller Regel dann keine Verkürzung des grundsätzlichen Rechts auf Beantwortung der der Regierung gestellten Fragen, wenn Parlament und Regierung Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben, die das ungestörte Zusammenwirken beider Verfassungsorgane auf diesem Gebiet gewährleisten, und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>). Eine Ausnahme hiervon gilt nur für solche Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>; 76, 363 <388>).

106

3. Die Bundesregierung muss eine vollständige oder teilweise Auskunftsverweigerung hinreichend begründen (a)). Ein Nachschieben von Gründen ist nicht zulässig (b)).

107

a) Aus der verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung muss - auch im Hinblick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Verhältnis zwischen Verfassungsorganen(vgl. BVerfGE 119, 96 <125>) - den Bundestag in die Lage versetzen, seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrzunehmen. Dies ist nur dann möglich, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessen ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>). Eine Begründung der Antwortverweigerung ist daher nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <232 Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Anforderungen an die Begründung dürfen allerdings nicht so weit gehen, dass mit ihr Teile der verweigerten Information offengelegt werden müssen.

108

b) Die Begründung stellt nicht nur ein Instrument kritischer Selbstkontrolle dar, sondern soll die Berechtigung zur Antwortverweigerung plausibel machen und die Prüfung ermöglichen, ob rechtliche Schritte angezeigt sind (vgl. BVerfGE 124, 78 <139>). Ist die Verschaffung vollständiger Information zunächst ohne zureichende Begründung abgelehnt worden, so vermag eine erst im Organstreitverfahren gegebene ergänzende Begründung nichts an dem darin liegenden Rechtsverstoß zu ändern (vgl. BVerfGE 124, 78 <147>). Ein Nachschieben von Gründen ist mithin nicht zulässig. Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Versagung eines Rechts durch eine mit Gründen versehene Abwägungsentscheidung. Allein diese Entscheidung unter Einschluss der ihr zugrundeliegenden Abwägung und Begründung wird zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung gestellt (vgl. auch BbgVerfG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 6/04 -, NVwZ-RR 2005, S. 299 <302 f.>; SächsVerfGH, Urteil vom 5. November 2010 - Vf. 35-I-10 -, juris, Rn. 31 f.).

II.

109

Nach diesen Maßstäben ist die Bundesregierung zwar grundsätzlich verpflichtet, dem Parlament Antworten auf Anfragen aus dem Bereich der Tätigkeit von Nachrichtendiensten zu erteilen. Angesichts der Bedeutung, die dem Einsatz verdeckter Quellen bei der Informationsbeschaffung der Nachrichtendienste zukommt (1.), kann sich die Bundesregierung zur Auskunftsverweigerung trotz des erheblichen Informationsinteresses des Parlaments in diesem Bereich (2.) aber in der Regel auf eine Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte verdeckt handelnder Personen berufen, wenn deren Identität bei der Erteilung der begehrten Auskünfte offenbart würde oder ihre Identifizierung möglich erscheint. Nur in eng begrenzten, besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen kann, wenn die Gefährdung verfassungsrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint, das Informations- gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse überwiegen (3.).

110

1. a) Zur Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland lässt das Grundgesetz (Art. 45d, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b, Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ausdrücklich die Errichtung von Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten zu. Nachrichtendienste sind Ausdruck der Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine wehrhafte Demokratie, des Selbstbehauptungswillens des Rechtsstaates und damit Bestandteil des Sicherheitssystems der Bundesrepublik Deutschland (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 126, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Bei dem Einsatz von V-Leuten durch die Nachrichtendienste, also von Privatpersonen, deren planmäßige, dauerhafte Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten oder Polizeibehörden Dritten nicht bekannt ist (vgl. die Legaldefinitionen in § 9b Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG und § 20g Abs. 2 Nr. 4 BKAG), handelt es sich um eine vom Gesetzgeber gebilligte Methode zur verdeckten Informationsbeschaffung (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG). Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder die Sicherheit und den Bestand des Staates gerichtete Bestrebungen und Aktivitäten meist von Gruppierungen ausgehen, die konspirativ tätig sind, und dass die Nachrichtendienste ihre Aufgaben daher nur effektiv erfüllen können, wenn sie über nachrichtendienstliche Mittel verfügen, wozu auch der Einsatz von V-Leuten gehört (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 21; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 262 ff.). Der Gesetzgeber hat in der Begründung des Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vom 17. November 2015 bekräftigt, dass die planmäßige und systematische Informationsbeschaffung insbesondere durch V-Leute ein unverzichtbares Mittel zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sei (vgl. BTDrucks 18/4654, S. 25). Auch die Strafverfolgungsorgane können zur Bekämpfung besonders gefährlicher Kriminalität auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen sein, wenn sie ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten überhaupt gerecht werden sollen (vgl. BVerfGE 57, 250 <284>; 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>). Oftmals können nur auf diesem Wege interne Informationen über den Aufbau krimineller Organisationen, ihre Führungspersonen, ihre tatsächlichen Ziele sowie die Planung und Durchführung konkreter Maßnahmen gewonnen werden (vgl. BVerfGE 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>).

111

Neben V-Leuten zählen zu den geheimhaltungsbedürftigen Informationsquellen der Nachrichtendienste insbesondere Gewährspersonen (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG), die nur von Fall zu Fall für die Behörden tätig werden, und sonstige Informanten, die gelegentlich Hinweise geben (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 30 f.; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 266 ff.). Außerdem können hauptberufliche Mitarbeiter der Nachrichtendienste unter einer Legende in Organisationen oder Szenen eingeschleust werden, um diese für längere Zeit zu beobachten. Für diese Personen gelten die Ausführungen zu V-Leuten entsprechend. Es bedarf ihres Einsatzes ebenso wie des Einsatzes Verdeckter Ermittler durch die Strafverfolgungsbehörden, wenn und soweit anderenfalls die Wahrnehmung ihres Auftrags gerade im Hinblick auf besonders gefährliche Kriminalitätsfelder erheblich erschwert oder unmöglich gemacht würde (vgl. BVerfGE 129, 208 <256>).

112

b) Der Schutz von Informationsquellen und insbesondere von V-Leuten dient nicht nur den Interessen der betroffenen Personen, sondern hat auch für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste erhebliche Bedeutung.

113

aa) Wird eine V-Person enttarnt, führt dies in aller Regel dazu, dass ein etwaiger aktueller Einsatz nicht fortgeführt werden kann und die V-Person auch für künftige Einsätze nicht mehr zur Verfügung steht. Der dadurch entstehende Informationsverlust kann in der Regel nicht kompensiert werden, weil sich V-Leute nicht beliebig gewinnen lassen und ihre Anwerbung oftmals in einem schwierigen und langwierigen Prozess besteht (vgl. dazu Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 268, 280). Zu berücksichtigen ist, dass Auskünfte der Nachrichtendienste nicht unbedingt nur dann zu dem Verlust einer V-Person führen können, wenn diese enttarnt wird. Es kann bereits ausreichen, dass eine V-Person den subjektiven Eindruck gewinnt, die Vertraulichkeit ihrer Tätigkeit sei nicht hinreichend gesichert (vgl. Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>). Sie wird die Zusammenarbeit dann möglicherweise von sich aus beenden. Darüber hinaus kann die Enttarnung einer V-Person dazu führen, dass die Beobachtung einer bestimmten Gruppierung und die Umstände dieser Maßnahme bekannt werden. Dies wiederum kann zur Folge haben, dass bereits erlangte Informationen ihren Nutzen verlieren und die künftige Informationsgewinnung erschwert wird (so auch BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Gegebenenfalls treten diese Folgen nicht erst mit der Enttarnung der V-Person ein, sondern schon dann, wenn bekannt wird, dass eine V-Person eingesetzt worden ist.

114

bb) Werden quellenbezogene Informationen bekannt, kann die Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste auch über den konkreten Einzelfall hinaus für die Zukunft generell beeinträchtigt werden. Zum einen können Informationen bekannt werden, die für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste von Bedeutung sind. Dies betrifft insbesondere das Vorgehen der Behörden bei der Anwerbung und Führung von sowie der Kommunikation mit V-Leuten und sonstigen Quellen. Das Bekanntwerden derartiger Informationen kann es den zu beobachtenden Gruppierungen ermöglichen, Abwehrstrategien gegen ihre Infiltration und Beobachtung zu entwickeln. Zum anderen ist der Quellenschutz eine Voraussetzung für die weitere Nutzung aktiver und die Gewinnung neuer Informationsquellen (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Von besonderer Bedeutung ist dabei die Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen. Sie ist unverzichtbare Voraussetzung für die Anwerbung und Führung von V-Personen. Die Effektivität der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste unter Einsatz von V-Personen ist davon abhängig, dass das Vertrauen in die Einhaltung gegebener Vertraulichkeitszusagen nicht erschüttert wird. Werden Informationen über V-Leute und sonstige verdeckte Quellen herausgegeben, schwächt dies das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass eine V-Person oder eine sonstige Quelle enttarnt wird (vgl. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 280). Darüber hinaus kann auch in diesem Zusammenhang bereits der (subjektive) Eindruck ausreichen, die Vertraulichkeit sei nicht gesichert, um aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abzuhalten und die Gewinnung neuer Quellen zu erschweren (vgl. Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, S. 387 <391 f.>; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1266>).

115

2. Dem Geheimhaltungsinteresse steht ein gewichtiges Informationsinteresse des Parlaments an der Beantwortung Kleiner Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen und insbesondere von V-Leuten gegenüber.

116

Wie alle anderen Organe der vollziehenden Gewalt unterliegen auch die Nachrichtendienste der Kontrolle durch das Parlament. Der Bundestag ist daher berechtigt und verpflichtet, seine Kontrollaufgaben gegenüber der Regierung im nachrichtendienstlichen Bereich unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente vom Fragerecht des Abgeordneten bis hin zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen wahrzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 149, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Kontrollinstrumente stehen nicht in einem Alternativ- oder Spezialitätsverhältnis zueinander (vgl. § 1 Abs. 2 PKGrG; BTDrucks 8/1599, S. 6).

117

Bezieht sich eine parlamentarische Anfrage auf einen für Staat und Gesellschaft besonders bedeutsamen Bereich, hat die Öffentlichkeit ein gesteigertes Interesse an parlamentarischer Kontrolle. Bei dem Einsatz von V-Leuten zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sowie insbesondere zur Verhinderung und Aufklärung schwerwiegender Straftaten geht es um die Sicherheit des Staates und seiner Bevölkerung. Hierzu kann es erforderlich sein, Personen aus extremistischen oder kriminellen Milieus als V-Leute einzusetzen. Wenn öffentliche Stellen mit einer V-Person kooperiert haben, die im Verdacht steht, erhebliche, gegebenenfalls dem extremistischen Milieu zuzuordnende Straftaten begangen zu haben, ist zu berücksichtigen, dass das parlamentarische Informationsinteresse von besonderem Gewicht ist, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

118

Schließlich kommt der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste angesichts von Art und Umfang der ihnen an die Hand gegebenen nachrichtendienstlichen Mittel und wegen der mit der Anwendung dieser Mittel einhergehenden Schwere von Grundrechtseingriffen, der Unbemerkbarkeit des Handelns dieser Behörden und der fehlenden Transparenz des anschließenden Datenverarbeitungsvorgangs für die Betroffenen (vgl. BVerfGE 100, 313 <361>) eine besondere Aufklärungsfunktion zu (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 151, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

119

3. Wenn verfassungsrechtlich verankerte Geheimhaltungsinteressen und parlamentarische Auskunftsansprüche in Konflikt geraten, müssen die unterschiedlichen Interessen in der Weise in Ausgleich gebracht werden, dass beide soweit wie möglich ihre Wirkung entfalten. Insbesondere soweit Anfragen Umstände betreffen, die aus Gründen des Staatswohls geheimhaltungsbedürftig sind, stellt sich die Frage, ob und auf welche Weise dieses Anliegen mit dem jeweiligen parlamentarischen Informationsanspruch in Einklang gebracht werden kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <189>).

120

a) In Bezug auf die Tätigkeit von Nachrichtendiensten kommt eine grundsätzliche Begrenzung des Informationsanspruchs des Bundestages, wie sie im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Frage- und Informationsrecht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle für Anfragen zu Vorgängen vor Erlass einer positiven Genehmigungsentscheidung im Ansatz vorgenommen wurde (vgl. BVerfGE 137, 185 ff.), nicht in Betracht. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen, zu entsprechenden Voranfragen von Rüstungsunternehmen und zu abschlägig beschiedenen Anträgen können aus Gründen des Staatswohls verweigert werden, weil das vorzeitige Bekanntwerden sensibler Rüstungsexportgeschäfte zu Verwerfungen im Verhältnis zu dem jeweiligen Erwerberland führen, die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung beeinträchtigen und zu Einbußen für die inländische Rüstungsindustrie führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <251 ff. Rn. 173 ff.>).

121

Damit ist die Beantwortung von Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen durch die Nachrichtendienste nicht vergleichbar. Antworten auf solche parlamentarischen Anfragen beeinträchtigen berechtigte Geheimhaltungsinteressen nicht in jedem denkbaren Fall und lassen eine solche Beeinträchtigung auch nicht stets besorgen. Denn aus der Vielfalt der möglichen Sachverhaltskonstellationen folgt, dass weder aus der Beantwortung einzelner Fragen noch aus der Verweigerung einer Antwort zwingend Erkenntnisse über die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gewonnen werden können, die sich nachteilig auf ihre Funktionsfähigkeit auswirken. Die Konstellationen im Bereich ihrer verdeckten Tätigkeit sind derart vielfältig, dass eine Abwägung nicht in jedem Fall zu einem Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses führt.

122

b) Allerdings kann sich die Bundesregierung zur Begründung einer Antwortverweigerung bei Fragen zum Einsatz verdeckt handelnder Personen in der Regel auf entgegenstehende Gründe des Staatswohls und deren Grundrechte berufen, wenn die an sie gerichteten Fragen einen Bezug zu konkreten Personen aufweisen. Insbesondere bei Fragen, die möglicherweise noch aktive V-Leute betreffen oder sich auf aktuelle beziehungsweise noch nicht weit zurückliegende Ereignisse beziehen, ist regelmäßig von der Gefahr einer Enttarnung der V-Leute und damit zugleich von einer Gefährdung ihrer Grundrechte oder der Grundrechte ihnen nahestehender Personen auszugehen. Dies wiederum zieht die Möglichkeit nach sich, dass Rückschlüsse auf die Anwerbung von V-Leuten, die Art und Weise ihres Einsatzes und gegebenenfalls ihre Anzahl, also Erkenntnisse zu der Arbeitsweise der Nachrichtendienste bekannt werden könnten. Diese Risiken dürften regelmäßig auch noch nach der Abschaltung einer verdeckten Quelle fortbestehen. Das berechtigte Interesse an einer Antwortverweigerung besteht in diesen Fällen unabhängig davon, ob eine konkrete Person als V-Person eingesetzt worden ist oder nicht. Anderenfalls könnte aus der Antwortverweigerung in vergleichbaren Fällen im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die dort in Rede stehende Person eine V-Person (gewesen) ist.

123

Eine negative Auskunft zu einer bestimmten Person könnte zudem den Verdacht auf andere Personen lenken oder einen bereits bestehenden Verdacht erhärten und somit diese Personen oder ihr Umfeld gefährden. Aber auch unabhängig von der Gefährdung grundrechtlicher Belange in einem konkreten Einzelfall und ungeachtet des Zeitablaufs kann die Enttarnung von verdeckt handelnden Personen eine Gefährdung der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden darstellen, da durch die Herausgabe von Informationen über V-Leute oder sonstige verdeckte Quellen das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen geschwächt und damit noch aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abgehalten und die Gewinnung neuer Quellen erschwert werden können. Solche nachteiligen Auswirkungen müssen von der Bundesregierung nicht ohne weiteres in Kauf genommen werden - ebenso wenig wie die Gefährdung der Grundrechte von V-Leuten oder ihnen nahestehender Personen.

124

Selbst bei Fragen zum Einsatz konkreter Personen als V-Leute sind jedoch eng begrenzte Ausnahmefälle denkbar, in denen das parlamentarische Informationsinteresse überwiegt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn aufgrund besonderer Umstände eine Gefährdung grundrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint und eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht ernsthaft zu befürchten ist. Bei dieser Abwägung ist der Zeitablauf ein bedeutsamer - wenn auch nicht allein ausschlaggebender - Faktor. So kann sich im Einzelfall bei weit zurückliegenden Vorgängen die Geheimhaltungsbedürftigkeit erheblich vermindert oder erledigt haben (vgl. BVerfGE 124, 161 <194>).

125

c) Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Beantwortung bestimmter Fragen nicht in Betracht kommt, ist sie gehalten zu prüfen, ob eine Beantwortung unter Einstufung nach der Geheimschutzordnung möglich ist. Aus dieser Möglichkeit folgt jedoch nicht, dass jede Anfrage nach Vornahme einer entsprechenden Einstufung beantwortet werden muss. Gerade im Bereich verdeckt handelnder Personen, deren Einsatz für das Staatswohl von großer Bedeutung und zugleich in hohem Maße geheimhaltungsbedürftig ist, besteht hinsichtlich bestimmter Informationen ein legitimes Interesse, den Kreis der Geheimnisträger auf das notwendige Minimum zu beschränken. Je größer dieser Kreis ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Geheimnisse - sei es absichtlich oder versehentlich - weitergegeben oder ausgespäht werden (vgl. BVerfGE 70, 324 <364>). Besonders geheimhaltungsbedürftige Informationen aus dem Bereich des Quellenschutzes können dem Parlament daher auch dann vorenthalten werden, wenn beiderseits Vorkehrungen gegen ihr Bekanntwerden getroffen worden sind. Einfachrechtlich hat der Gesetzgeber dies in § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG anerkannt, wonach selbst dem zur Geheimhaltung verpflichteten Parlamentarischen Kontrollgremium bestimmte Informationen vorenthalten werden können. Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass das Staatswohl und der Grundrechtsschutz auch dem Parlament anvertraut sind und dieses insoweit nicht als außenstehend behandelt werden darf. Es geht allein darum, den Kreis der Geheimnisträger bei besonders geheimhaltungsbedürftigen Informationen unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Staatsgewalt möglichst klein zu halten. Dementsprechend beschränkt sich der Kreis der Geheimnisträger gerade im Bereich des Einsatzes verdeckt handelnder Personen auch innerhalb der Exekutive auf nur wenige Personen.

III.

126

Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (1.) und - jedenfalls teilweise - bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (2.) verkannt und hierdurch Rechte der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sowie des Deutschen Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.

127

Die Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen fällt in den Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin. Sie zielen auf Erkenntnisse der Antragsgegnerin selbst oder der ihr nachgeordneten Behörden. Im Übrigen hat sich die Antragsgegnerin - auch hinsichtlich der Fragen nach Informationen der Landesämter für Verfassungsschutz - nicht auf eine fehlende Zuständigkeit berufen. Als Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs kommen vorliegend nur das Staatswohl und die Grundrechte in Betracht.

128

1. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht genügt. Sie hat keine Gründe vorgebracht, die eine Auskunftsverweigerung aufgrund von Staatswohlbelangen rechtfertigen würden (a)), und ihren Ausführungen lässt sich nicht nachvollziehbar entnehmen, dass Grundrechte Lembkes oder Dritter gefährdet werden könnten (b)).

129

a) Die begehrte Information, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann gewesen sei, ist von dem parlamentarischen Auskunftsrecht grundsätzlich umfasst. Die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung rechtfertigt nicht die Verweigerung der Antwort.

130

Die Antragsgegnerin vertritt in ihrer ablehnenden Entscheidung die Auffassung, dass das Bekanntwerden des Namens einer V-Person Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste zuließe. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Quellen der Nachrichtendienste bekannt würden, was zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit führe. Eine solchermaßen abstrakt gehaltene Begründung mag im Regelfall ausreichen. Die Antragsgegnerin muss Fragen zum Einsatz bestimmter Personen als V-Leute durch die Nachrichtendienste aufgrund entgegenstehender Staatswohlbelange und Grundrechte grundsätzlich nicht beantworten. Jedoch handelt es sich hier um einen besonders gelagerten Ausnahmefall.

131

Dem parlamentarischen Informations- und Kontrollinteresse kommt besondere Bedeutung zu, weil es der Antragstellerin zu 1. im Zuge einer anstehenden Neuregelung des Einsatzes von V-Leuten darum ging festzustellen, ob es - auch in der Vergangenheit - zu einer Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten gekommen ist. Bei Heinz Lembke handelte es sich um eine Person, der erhebliche Straftaten im rechtsextremistischen Milieu vorgeworfen wurden. Insofern hatte die Antragstellerin zu 1. ein nachvollziehbares Interesse, auch mit Blick auf eine mögliche Verbindung von V-Leuten zu den Aktivitäten des NSU Verdachtsmomenten nachzugehen, wonach bereits im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten zur Verhinderung oder Aufklärung des Anschlags genutzt worden seien. Damit verfolgte die Antragstellerin zu 1. das Ziel, mögliche Rechtsverstöße oder Missstände beim Einsatz von V-Leuten mit Blick auf zukünftige gesetzliche Regelungen aufzuklären, was ihrem Informationsinteresse ein besonders hohes Gewicht verleiht.

132

Demgegenüber vermögen die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe für die Antwortverweigerungangesichts der besonderen Umstände des Falles nicht zu überzeugen. Ein aktueller oder künftiger Einsatz Lembkes als V-Person kommt offensichtlich nicht mehr in Betracht. Aus der Begründung der Antragsgegnerin ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl laufende oder künftige Aufklärungseinsätze oder Ermittlungen gefährdet werden könnten. Dies gilt selbst dann, wenn man unterstellt, dass Personen aus Lembkes damaligem Umfeld auch heute noch im Fokus der Nachrichtendienste stehen. Zu denken wäre hier etwa an Karl-Heinz Hoffmann. Dass die Wehrsportgruppe Hoffmann von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet wurde, lässt sich den veröffentlichten Berichten des Bundesamts für Verfassungsschutz entnehmen. Dass aktuelle Einsätze der Nachrichtendienste erschwert werden könnten, wenn den betroffenen Personen darüber hinaus bekannt würde, dass der 1981 verstorbene Heinz Lembke ein V-Mann war, ist weder plausibel begründet worden noch sonst ersichtlich.

133

Soweit die Antragsgegnerin nach Einleitung des Organstreitverfahrens vorgetragen hat, dass die Beantwortung der Frage 2 a) mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht gehört werden. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der nicht näher ausgeführte Vortrag, dass eine Antwort auf die Frage etwaigen Tatbeteiligten ermögliche, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren oder andere Verdunklungsmaßnahmen zu ergreifen, zur Begründung der Antwortverweigerung ausreichen würde. Dies kann jedoch dahinstehen, weil die Antragsgegnerin die Ablehnung der Beantwortung dieser Frage nicht hierauf gestützt, sondern erstmals in ihrer Antragserwiderung auf das Ermittlungsverfahren Bezug genommen hat. Dabei handelt es sich um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen.

134

Ferner ist nicht plausibel begründet, weshalb die Antragsgegnerin in diesem Fall von einer Beeinträchtigung der allgemeinen Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste ausgeht. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann war, Rückschlüsse auf die derzeitige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen sollte. Zum einen würden keine Einzelheiten des damaligen Verhältnisses der Behörden zu Lembke bekannt. Dies gilt etwa für den Zeitpunkt und die Umstände seiner Anwerbung oder die Art und Weise der Führung von V-Personen. Zum anderen läge eine etwaige V-Mann-Tätigkeit Lembkes bereits so lange zurück, dass sich keine konkreten Rückschlüsse auf die heutige Vorgehensweise der Behörden ziehen lassen dürften. Dies gilt auch, soweit die Antragsgegnerin vorträgt, eine Antwort müsse wegen drohender Konsequenzen für die Arbeit der betreffenden Landesbehörden unterbleiben. Auch insoweit hat die Antragsgegnerin nicht dargetan, welche negativen Auswirkungen auf die Arbeit der Landesbehörden sie vor dem Hintergrund des erheblichen Zeitablaufs von über 30 Jahren befürchtet.

135

Zudem ist nicht hinreichend dargelegt, warum die ausnahmsweise Nichteinhaltung der gegebenen Vertraulichkeitszusage gegenüber Lembke Rückwirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste haben könnte. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles, nämlich der durch Lembke mutmaßlich begangenen erheblichen Straftaten und seines Todes vor über 30 Jahren, hätte es konkreter Ausführungen bedurft, warum sich aktuelle oder potentielle V-Leute hiervon bei ihrer Entscheidung, als V-Person tätig zu werden, maßgeblich beeinflussen lassen könnten. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Bereitschaft aktueller oder potentieller V-Leute zur Zusammenarbeit mit den Behörden entscheidend davon abhängt, ob die Vertraulichkeit auch Jahrzehnte nach ihrem Ableben noch gesichert erscheint. Dies gilt umso mehr, als die Vertraulichkeit grundsätzlich auch nach einem derart langen Zeitablauf gewahrt und nur ausnahmsweise bei Vorliegen gewichtiger Gründe aufgehoben werden kann, die das Geheimhaltungsinteresse im Einzelfall überwiegen.

136

b) Die Antragsgegnerin hat auch keine Gründe vorgebracht, die eine Verweigerung der Antwort auf die Frage 2 a) aus Gründen des Grundrechtsschutzes rechtfertigen.

137

Mit Blick auf Lembke ist eine Gefährdung der in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG genannten Rechtsgüter ausgeschlossen, weil er bereits 1981 verstorben ist. Der postmortale Persönlichkeitsschutz aus Art. 1 Abs. 1 GG steht der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft Lembkes ebenfalls nicht entgegen. Unabhängig davon, wie die Antwort auf die Frage ausfällt, ist mit ihr keine Erniedrigung oder Herabwürdigung der Person Lembkes verbunden. Ob der grundrechtliche Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes oder zumindest dessen objektiv-rechtlicher Gehalt einer Antwort nach dem Tod Lembkes überhaupt entgegenstehen kann, kann offenbleiben. Jedenfalls müsste ein sich daraus ergebendes Geheimhaltungsinteresse vor dem Hintergrund des Zeitablaufs von über 30 Jahren hinter dem besonders gewichtigen Informations- und Kontrollinteresse der Antragstellerin zu 1. und des Bundestages zurückstehen. Außerdem hat sich die Antragsgegnerin bei der Begründung ihrer Antwortverweigerung mit Blick auf den Grundrechtsschutz lediglich auf Art. 2 Abs. 2 GG gestützt, so dass im Übrigen ein unzulässiges Nachschieben von Gründen vorliegt.

138

Auf die Möglichkeit der Gefährdung von Grundrechten Lembke nahestehender Personen hat sich die Antragsgegnerin ebenfalls erst nach Einleitung des Organstreitverfahrens berufen. Zudem ist das Vorliegen einer derartigen Gefahr im konkreten Fall nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Vielmehr erscheint es angesichts des Zeitablaufs und der Auflösung der Wehrsportgruppe Hoffmann sehr unwahrscheinlich, dass Angehörige von Lembke oder sonstige ihm nahestehende Personen gefährdet wären, wenn bekannt würde, dass er ein V-Mann war. Für die Annahme, dass Personen aus dem damaligen Umfeld Lembkes aus der Antwort der Antragsgegnerin Rückschlüsse auf eine etwaige V-Person-Tätigkeitanderer Personen ziehen könnten, liegen ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte vor. Allein die niemals vollständig auszuschließende, im vorliegenden Fall aber fernliegende Möglichkeit derartiger Rückschlüsse genügt für eine Antwortverweigerung nicht.

139

2. Die Antragsgegnerin hat auch ihrer Antwortpflicht hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 nur teilweise genügt. Während die Begründung die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 nicht trägt (a)), war die Antwortverweigerung hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 teilweise gerechtfertigt (b)).

140

Soweit die Antragsgegnerin eine Beantwortung der Fragen abgelehnt hat, hat sie dies im Wesentlichen aus denselben Gründen getan wie bei der Ablehnung einer Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Zum einen hat sie darauf verwiesen, dass anderenfalls Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden könnten. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre. Zum anderen müssten Leben und körperliche Unversehrtheit etwaiger V-Leute geschützt werden.

141

a) Bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar dargelegt, inwieweit das Staatswohl (aa)) oder die Grundrechte etwaiger V-Leute oder Dritter (bb)) durch eine vollständige Beantwortung gefährdet sein sollen. Sie hat die Fragen 14 bis 16 zusammenfassend dahingehend beantwortet, dass ihr zum Oktoberfestattentat aus den Jahren 1980 bis 1985 fünf Quellenmeldungen vorlägen. Hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin die Auskunft erteilt, in die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" hätten 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang gefunden. Eine Aufschlüsselung dieser Meldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden (Bundesamt für Verfassungsschutz, Landesämter für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst) hat die Antragsgegnerin sowohl hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 als auch hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 verweigert.

142

aa) Der Begründung der Antragsgegnerin lässt sich nicht entnehmen, weshalb sich aus der erbetenen Aufschlüsselungrelevante Erkenntnisse über die Identität von V-Leuten oder die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ergeben könnten. Dies erscheint vielmehr gleich aus mehreren Gründen fernliegend. Es lässt sich nicht nachvollziehen, wie sich aus einer nach Jahren und Ursprungsbehörden aufgeschlüsselten Angabe der Zahl der Quellenmeldungen Rückschlüsse auf die Identität einzelner V-Personen ziehen lassen sollen. Insbesondere ist nicht nach Meldungen von V-Leuten, sondern allgemein nach Meldungen von Quellen gefragt worden. Hierzu zählen auch Meldungen von Gewährsleuten oder sonstigen Informanten. Darüber hinaus ist nicht danach gefragt worden, in welcher Beziehung die Quellen zu bestimmten Gruppierungen - insbesondere der Wehrsportgruppe Hoffmann - standen. Bei einer vollständigen Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 würden somit weder Erkenntnisse zur Zusammenarbeit einer Quelle mit einer bestimmten Behörde noch zu ihrer Verbindung zu einer bestimmten Gruppierung offenbart werden. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass nicht nach der Anzahl der Quellen, sondern nach der Anzahl der Quellenmeldungen gefragt worden ist. Aus der Anzahl der Quellenmeldungen lassen sich keine belastbaren Rückschlüsse auf die Zahl der von einer Behörde geführten Quellen ziehen. Dies gilt selbst dann, wenn eine Behörde in einem Jahr nur eine einzige oder gar keine Quellenmeldung im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat oder der Wehrsportgruppe Hoffmann erhalten haben sollte. Hinzu kommt, dass im Rahmen der Fragen 15 und 20 (Anzahl der Meldungen von Quellen der Landesämter für Verfassungsschutz) keine Differenzierung nach Ländern erbeten worden ist, aus der sich möglicherweise Anhaltspunkte bezüglich der Herkunft der Quelle ergeben könnten; es ist lediglich um Mitteilung der Gesamtzahl der Quellenmeldungen von allen Landesämtern gebeten worden.

143

Dass eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen und dadurch deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigen könnte, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Dass Nachrichtendienste Informationen aus vertraulichen Quellen erlangen, ist allgemein bekannt. Aus den nach Jahren und Behörden aufgeschlüsselten Zahlen der Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat oder zur Wehrsportgruppe Hoffmann lassen sich allenfalls gewisse Rückschlüsse auf den Umfang der Beobachtung von Personen und Gruppierungen ziehen, die möglicherweise in irgendeinem Zusammenhang zum Oktoberfestattentat standen. Zu der Art und Weise, wie die Quellen damals geführt wurden, ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte. Erst recht lassen sich keine Rückschlüsse auf den heutigen Einsatz von Quellen ziehen.

144

bb) Die Begründung der Antragsgegnerin rechtfertigt auch keine Verweigerung der begehrten Aufschlüsselung zum Schutz der Grundrechte. Da die begehrten Informationen aus den genannten Gründen keinen hinreichend konkreten Bezug zu verdeckt tätigen Personen aufweisen, ist nicht zu besorgen, dass grundrechtlich geschützte Rechtsgüter etwaiger V-Leute oder Dritter gefährdet werden könnten.

145

b) Hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31, die auslegungsbedürftig sind (aa)), ist zu differenzieren. Soweit nach dem "Ob" des Einsatzes von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute gefragt wurde, werden die Antworten der Antragsgegnerin - mit Ausnahme der Fragen 24 und 25 zum Bundesnachrichtendienst - den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht (bb)). Die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute hält der verfassungsgerichtlichen Prüfung ebenfalls nur teilweise stand (cc)).

146

aa) Die Fragen 23, 25, 29 und 31 beziehen sich bei wörtlichem Verständnis auf die Tätigkeit von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat. Dieses fand am 26. September 1980 statt, die Wehrsportgruppe Hoffmann wurde jedoch schon am 30. Januar 1980 mit sofortiger Wirkung verboten und aufgelöst. Bereits etwa acht Monate vor dem Oktoberfestattentat gab es daher "Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann" im eigentlichen Sinne nicht mehr.

147

Die Fragen 23, 25, 29 und 31 sind jedoch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie gestellt wurden (vgl. BVerfGE 110, 199 <213>; 137, 185 <229 Rn. 124>), dahingehend auszulegen, dass um Auskunft gebeten wird, ob ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute tätig waren. Da die Fragen nur bei diesem Verständnis sinnvoll sind, hatte die Antragsgegnerin eine solche Auslegung vorzunehmen. Dabei hatte die Antragsgegnerin außerdem zu berücksichtigen, dass die Fragen nicht den Einsatz von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann in dem Zeitraum nach dem Oktoberfestattentat bis heute erfassen sollen. Vielmehr erlaubt eine Gesamtwürdigung des Begehrens der Antragstellerinnen nur ein Verständnis, wonach die Fragen auf den Einsatz ehemaliger Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann zeitnah zu dem Attentat gerichtet sind.

148

bb) Die Beantwortung der Fragen, ob unter den Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, hat die Antragsgegnerin aus Gründen des Staatswohls und des Grundrechtsschutzes abgelehnt. Insoweit genügen ihre Antworten den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil der abstrakte Verweis darauf, Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste könnten bekannt und Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten gefährdet werden, nicht ausreicht, um das Informationsinteresse des Parlaments einzuschränken ((1)). Die Verweigerung der Antworten auf die Fragen 24 und 25 zu einer Tätigkeit für den Bundesnachrichtendienst ist demgegenüber gerechtfertigt ((2)).

149

(1) Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, das Staatswohl könnte dadurch beeinträchtigt werden, dass durch eine Beantwortung der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann Rückschlüsse auf die aktuelle Arbeitsweise und die Organisation der Nachrichtendienste ermöglicht werden könnten, erscheint dies nicht nachvollziehbar. Der Umstand, dass Nachrichtendienste damals wie heute V-Leute einsetzen, ist allgemein bekannt. Welche darüber hinausgehenden Rückschlüsse die Antragsgegnerin für möglich hält, legt sie nicht plausibel dar.

150

Die abstrakt gehaltene Begründung der Antragsgegnerin, eine Beeinträchtigung des Staatswohls könne dadurch erfolgen, dass eine Auskunft, wonach unter den (ehemaligen) Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann eine oder mehrere V-Personen waren, zusammen mit entsprechendem Zusatzwissen zu einer Enttarnung führen könne, lässt sich zwar nicht vollständig von der Hand weisen. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Personen enttarnt werden könnten, aufgrund der hier gegebenen Umstände so gering, dass sie eine Einschränkung des parlamentarischen Informationsrechts nicht mehr zu rechtfertigen vermag. Die Wehrsportgruppe Hoffmann hatte zum Zeitpunkt ihrer Auflösung etwa 400 Mitglieder. Zwar war sie in lokale Untergruppen aufgeteilt. Selbst bei einer Bestätigung, dass (ehemalige) Mitglieder V-Leute waren, wäre noch keine Aussage über deren Zuordnung zu einer lokalen Untergruppe getroffen. Mitglieder der Wehrsportgruppe könnten sich - sollten sie den Verdacht gehabt haben, es seien V-Leute unter ihnen - lediglich bestätigt fühlen. Rückschlüsse auf einzelne Personen wären nicht möglich.

151

Auch die Gefahr einer Verunsicherung unter aktuellen oder potentiellen V-Leuten, die zu einer Erschwernis der Anwerbung und Führung von V-Leuten führen könnte, dürfte angesichts des Umstands, dass der Einsatz von V-Leuten in rechtsextremen Milieus allgemein bekannt ist, äußerst gering sein. Hinzu kommt, dass im Falle einer Verneinung der Fragen danach, ob die Antragsgegnerin den Einsatz von V-Leuten bei den Verfassungsschutzämtern ausschließen (Fragen 22 und 23) beziehungsweise "nach ihrer Kenntnis ausschließen" (Fragen 28 und 29) kann, nicht einmal eine sichere Bestätigung des Vorhandenseins von V-Leuten erlangt werden könnte. Dies gilt insbesondere, soweit sich die Fragen auf die Landesämter für Verfassungsschutzbeziehen. Aus der Mitteilung, die Antragsgegnerin könne nach ihrer Kenntnis nicht ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für ein Landesamt tätig waren, lässt sich nicht ohne weiteres der Schluss ziehen, dass es bei den Landesämtern solche V-Leute gab.

152

Soweit die Antragsgegnerin erstmals in ihrer Antragserwiderung vorgetragen hat, dass eine Beantwortung der Fragen auch mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht durchdringen. Insoweit kann auf die Ausführungen zu Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwiesen werden.

153

Mit Blick auf den Grundrechtsschutzkönnen Gefahren für Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Auch diesbezüglich ist aber zu berücksichtigen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Enttarnung von V-Leuten aufgrund der bloßen Auskunft darüber, ob (ehemalige) Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, sehr gering ist. Zwar erscheint es möglich, dass sich etwaige ehemalige V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann auch heute noch in einem gewaltbereiten rechtsextremen Umfeld bewegen und daher in besonderer Weise Gefahren ausgesetzt sind. Zumindest ein Teil der Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe - insbesondere auch Karl-Heinz Hoffmann selbst - hat sich von dem Gedankengut der Gruppe bis heute nicht gelöst und verfolgt weiterhin aktiv die öffentliche Diskussion über die damaligen Ereignisse. Dass sich die Gefahr für solche V-Leute durch eine bloße Bejahung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten aus der Wehrsportgruppe Hoffmann merklich erhöht, ist vor dem Hintergrund, dass der Einsatz von V-Leuten in diesen Milieus allgemein bekannt ist, aber sehr unwahrscheinlich.

154

(2) Etwas anderes gilt hinsichtlich der Fragen 24 und 25, die sich auf den Bundesnachrichtendienst beziehen. Die Gefahr einer Enttarnung vom Bundesnachrichtendienst möglicherweise eingesetzter V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann wäre schon dann erheblich, wenn die Antragsgegnerin ihre bloße Existenz bestätigte.

155

Angesichts der Zuständigkeit des Bundesnachrichtendienstes für die Gewinnung von Auslandserkenntnissen (vgl. § 1 Abs. 2 BNDG) kommen als etwaige V-Leute dieser Behörde insbesondere die Mitglieder der damals im Libanon operierenden "Wehrsportgruppe Ausland" in Betracht. Diese Nachfolgeorganisation der Wehrsportgruppe Hoffmann, der auch Hoffmann selbst angehörte, hatte nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes nur noch 15 Mitglieder. In Anbetracht dieser geringen Zahl würde die Gefahr einer Enttarnung bei einer positiven Beantwortung erheblich steigen. Daher durfte die Antragsgegnerin die Antwort auf diese Fragen verweigern. Angesichts der erheblichen Gefahr einer Enttarnung hätte die Auskunft auch nicht nach Maßgabe der Geheimschutzordnung erteilt werden müssen. Denn dabei wäre wegen der großen Anzahl der Geheimnisträger die Wahrscheinlichkeit erhöht worden, dass die mitgeteilten Informationen weitergegeben oder ausgespäht worden wären. Dieses Risiko musste die Antragsgegnerin wegen der Gefahren für das Staatswohl und die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter etwaiger V-Leute nicht in Kauf nehmen.

156

cc) Soweit mit den Fragen 23 und 28 bis 31 über das "Ob" hinausgehende Auskünfte zum Einsatz von V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann beziehungsweise von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe begehrt wurden, rechtfertigt die Begründung der Antragsgegnerin eine Antwortverweigerung nur teilweise. Auskünfte dazu, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat für das Bundesamt für Verfassungsschutz (Frage 23) sowie vor und nach dem Attentat für Landesämter für Verfassungsschutz (Fragen 30 und 31) tätig waren, durften mit der gegebenen Begründung nicht verweigert werden ((1)). Eine Antwort auf die Fragen, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe vor und nach dem Attentat für welches Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren (Fragen 28 und 29), hat die Antragsgegnerin dagegen zu Recht verweigert ((2)).

157

(1) Die Beantwortung der Fragen zu der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute im Bundesamt für Verfassungsschutz einerseits (Frage 23) und in den Landesämtern für Verfassungsschutz andererseits (Fragen 30 und 31) darf mit Blick auf die Bedeutung des parlamentarischen Informationsrechts aus den von der Antragsgegnerin genannten Gründen nicht verweigert werden. Zwar wird die Gefahr der Enttarnung von V-Personen umso größer, je mehr Details über ihren Einsatz mitgeteilt werden. Daher erhöht sich die Gefahr einer Enttarnung auch durch die Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute. Die Information, wie viele V-Leute eingesetzt waren, unterscheidet sich qualitativ von der bloßen Bestätigung eines mutmaßlich bereits bestehenden Verdachts der Öffentlichkeit, dass V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann eingesetzt waren. Die Anzahl von V-Leuten ist eine Information, die der Öffentlichkeit nicht bekannt sein kann. Jedoch erscheint es kaum möglich, allein aufgrund der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute aus der Wehrsportgruppe beim Bundesamt für Verfassungsschutz und beiden Landesämtern für Verfassungsschutz nach über 30 Jahren Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise dieser Behörden und die Identität einzelner V-Personen zu ziehen.

158

(2) Die Grenze der Geheimhaltungsbedürftigkeit wird jedoch durch die Fragen danach, wie viele V-Leute für welches Landesamt für Verfassungsschutztätig waren (Fragen 28 und 29), überschritten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe gelingen könnte, etwaige V-Leute zu enttarnen, steigt schon an, wenn deren genaue Anzahl bekannt wird. Dies gilt in verstärktem Maße, wenn bei den ehemaligen V-Leuten der Landesämter für Verfassungsschutz zusätzlich bekannt würde, für welches Landesamt sie tätig waren. Diese Information könnte eine Eingrenzung der damaligen Wohnorte etwaiger V-Leute oder ihre Zuordnung zu einzelnen Ortsgruppen der Wehrsportgruppe ermöglichen.

159

Vor diesem Hintergrund ist eine Beeinträchtigung von Belangen des Staatswohls in Gestalt der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht von der Hand zu weisen. Da möglicherweise noch immer aktive, zumindest aber noch lebende V-Leute enttarnt werden könnten, überwiegt das Geheimhaltungsinteresse. Würden ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe als V-Leute enttarnt, könnten diese künftig nicht mehr als solche eingesetzt werden. Dass damalige V-Leute heute noch für die Behörden tätig sind, ist angesichts des Zeitablaufs zwar nicht besonders wahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen. Es erscheint jedenfalls möglich, dass diese Personen noch immer in der rechtsextremen Szene aktiv und weiterhin zur Kooperation mit den Behörden bereit sind. Unabhängig davon, ob es zu einer Enttarnung kommt, könnte die Mitteilung der abgefragten Informationen das Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen schwächen und aktuelle oder potentielle V-Leute verunsichern. Auch die bereits erörterten Bedenken hinsichtlich des Grundrechtsschutzes kommen mit Blick auf die erbetenen Zusatzinformationen in verstärktem Maße zum Tragen.

160

Die Antragsgegnerin durfte daher entsprechende Auskünfte unter Berufung auf das Staatswohl und den Schutz der Grundrechte etwaiger V-Leute verweigern. Sie musste die Auskünfte auch nicht unter Anwendung der Geheimschutzordnung erteilen, weil die Wahrscheinlichkeit einer unerlaubten Informationsweitergabe steigt, je größer die Zahl der Geheimnisträger ist. Dieses Risiko muss aufgrund der möglichen Enttarnung von V-Leuten, der damit einhergehenden Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte dieser Personen nicht in Kauf genommen werden.

D.

161

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), sind hier nicht ersichtlich.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat

a) die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3117) sowie

b) die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 23 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3810)

nach Maßgabe der Gründe in ihren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.

2. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragstellerinnen sind Fraktionen des Deutschen Bundestages. Sie machen die unvollständige Beantwortung zweier Kleiner Anfragen der Antragstellerinnen zu Erkenntnissen der Nachrichtendienste über das Attentat auf das Münchner Oktoberfest am 26. September 1980 und einer diesbezüglich möglichen Verstrickung von Vertrauensleuten (im Folgenden: V-Leute) dieser Behörden geltend.

I.

2

1. Am 26. September 1980 um 22.20 Uhr explodierte am Haupteingang des Münchner Oktoberfests ein Sprengsatz. Neben dem Attentäter, dem 21 Jahre alten Gundolf Köhler aus Donaueschingen, starben 12 Personen im Alter zwischen 11 und 52 Jahren; 211 Menschen wurden verletzt. Das Oktoberfestattentat gilt als der schwerste rechtsterroristische Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Der Generalbundesanwalt schloss die Ermittlungen zu dem Attentat mit einem Schlussbericht vom 23. November 1982 ab. Darin hieß es, für eine Tatbeteiligung Dritter sprächen unterschiedliche Beweiserkenntnisse, die einen abschließenden Nachweis der Tatbeteiligung anderer Personen jedoch nicht zuließen. Hinweise darauf, dass Köhler nicht als Alleintäter gehandelt hatte, ergaben sich insbesondere aus den Aussagen zweier Zeugen.

3

2. Ungeklärt blieb nach Abschluss der Ermittlungen die Rolle des 1937 geborenen Karl-Heinz Hoffmann, des Gründers der so genannten "Wehrsportgruppe Hoffmann". Der von Hoffmann im Jahr 1973 ins Leben gerufene, nach militärischen Gesichtspunkten organisierte Verband wurde seit seiner Gründung vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Bei Hoffmann wurde im Rahmen einer bereits vor dem Attentat durchgeführten Durchsuchung Material sichergestellt, aus dem sich ergab, dass der Attentäter Köhler im Februar 1976 im Briefwechsel mit Hoffmann gestanden hatte; er soll auch an zwei Übungen der Wehrsportgruppe teilgenommen haben (vgl. Fromm, Die "Wehrsportgruppe Hoffmann": Darstellung, Analyse und Einordnung, 1998, S. 331 f.; Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 37).

4

Die Wehrsportgruppe hatte bis zu ihrem Verbot im Jahr 1980 circa 400 Mitglieder. In der Verbotsverfügung vom 16. Januar 1980 wurde die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 6), weshalb sich die Gruppierung nach dem Verbot auflöste. Sie wurde verboten, weil ihre Organisation und ihre Tätigkeit der allmählichen Herbeiführung einer neuen staatlichen Ordnung unter gleichzeitiger Aushöhlung der verfassungsmäßigen Ordnung dienten (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 100 ff.). Fünfzehn ehemalige Mitglieder schlossen sich nach dem Verbot als "Wehrsportgruppe Ausland" im Libanon zusammen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellte in dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1981 fest, es seien durch die "Wehrsportgruppe Ausland" Anschläge auf Personen und Einrichtungen im Bundesgebiet geplant und zum Teil bereits vorbereitet worden (vgl. Verfassungsschutzbericht 1981, S. 27 f.).

5

3. Auch der Name Heinz Lembke tauchte im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wiederholt auf. Er war "Milizionär" und "Wehrsportler" und nahm bis 1978 regelmäßig an Übungen der Reservistenkameradschaft der "Deutschen Aktionsgruppen" teil. Bei einer im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens am 29. September 1980 durchgeführten Durchsuchung seines Hauses konnten die Ermittler neben ein wenig Zündschnur und einem Gewehrmagazin zunächst weder Sprengstoff noch Waffen sicherstellen. Jedoch stieß ein Waldarbeiter am 26. Oktober 1981 in der Nähe des Hauses von Lembke auf wasserdicht verpackte Kisten mit Gewehrmunition, Sprengstoff und Sprengmitteln. Im Laufe der Ermittlungen konnten in weiteren nahezu 30 Depots Waffen sichergestellt werden. Lembke erhängte sich am 1. November 1981 in der Untersuchungshaft und soll folgende schriftliche Mitteilung hinterlassen haben: "Genossen! Ihr wisst, weshalb ich nicht mehr leben darf. Wolfszeit! Heil Euch, Heinz Hermann Ernst Lembke" (vgl. Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 217).

6

4. Im Dezember 2014 teilte der Generalbundesanwalt mit, er habe die Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wieder aufgenommen, Anlass dafür seien Angaben einer bis dahin unbekannten Zeugin.

II.

7

1. Am 8. Oktober 2014 richteten die Antragstellerin zu 1. und verschiedene Mitglieder des Bundestages eine Kleine Anfrage unter der Überschrift "Oktoberfest-Attentat - Wiederaufnahme der Ermittlungen zu Nazi-Hintermännern" an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3117).

8

a) Die Kleine Anfrage leiteten sie mit dem Hinweis darauf ein, dass noch immer gewichtige Zweifel am Ermittlungsergebnis bestünden, wonach Gundolf Köhler die Tat allein geplant und ausgeführt habe. Der Münchner Stadtrat und der Bayerische Landtag hätten bereits 2011 gefordert, der Generalbundesanwalt solle die Ermittlungen wieder aufnehmen. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 enthielt insbesondere Fragen zu dem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts und zu einem etwaigen Einsatz von Heinz Lembke als V-Mann einer Sicherheitsbehörde des Bundes oder eines Landes.

9

Die Frage 2 a)

"War Lembke ein V-Mann einer (gegebenenfalls welcher) Sicherheitsbehörde des Bundes oder - nach Kenntnis der Bundesregierung - eines Landes?"

wurde von der Antragsgegnerin nicht beantwortet. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) begründete die Antragsgegnerin die Verweigerung der Beantwortung dieser Frage wie folgt:

"Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann.

Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags Informationen und werten diese aus. Die Führung von V-Leuten gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Verfassungsschutzbehörden und dem Bundesnachrichtendienst zur Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu oder Namen einzelner V-Leute bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienstegezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellender Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich V-Leute regelmäßig in einem ex-tremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von V-Leuten ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn die betreffende Person kein V-Mann ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines V-Leute-Einsatzes geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der V-Leute folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann."

10

b) Mit Schreiben vom 3. März 2015 wandte sich MdB Britta Haßelmann in ihrer Funktion als Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 1. an den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz und bat erneut darum, die Frage 2 a) der Kleinen Anfrage zu beantworten. Die zur Verweigerung von der Antragsgegnerin genannten Gründe überzeugten nicht. Sie liefen darauf hinaus, immer und ausnahmslos jedwede Information über die Tätigkeit von V-Leuten zu verweigern. Dies sei nicht akzeptabel, weil eine gesetzliche Regulierung des Einsatzes von V-Leuten anstehe, wobei die Ursache für die rechtspolitische Diskussion auch die mögliche Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten sei. In der konkreten Frage gehe es um einen solchen Fall. Zudem sei dieser Fall ein historischer, in dem eine konkrete Beeinträchtigung der Arbeit der Sicherheitsbehörden nicht eintreten könne. Insgesamt sei die Antwortverweigerung daher eklatant unverhältnismäßig.

11

In seinem Antwortschreiben vom 7. April 2015 teilte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Christian Lange mit, aufgrund der Nachfrage habe die Antragsgegnerin die zu der Frage 2 a) beschriebene Abwägung noch einmal vorgenommen. Sie sei jedoch nach wie vor der Auffassung, dass Fragen zur Art und Weise der Quellenführung sowie zur V-Leute-Eigenschaft von Personen - auch wenn es sich um zeitlich weit zurückliegende Vorgänge handele - zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht beantwortet werden könnten. Sowohl die Werbung als auch die Führung von V-Leuten seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden zentrale Bedeutung zukomme. Eine besondere Geheimhaltung müsse deshalb auch dann gelten, wenn eine Person nicht als V-Person tätig gewesen sei oder der Vorgang zeitlich weit zurückliege. In diesen Fällen sei das Staatswohl ebenfalls betroffen, da auch hier - gegebenenfalls im Wege eines Umkehrschlusses aus einer Antwortverweigerung oder in der Gesamtschau der Antworten der Bundesregierung auf andere parlamentarische Anfragen - Rückschlüsse auf die Arbeitsweisen, Strategien und Methoden der Nachrichtendienste für die Gegenwart gezogen werden könnten und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt werden könne. Die in der Vergangenheit erfolgte Enttarnung von V-Leuten habe bereits dazu geführt, dass die Anwerbung von V-Leuten in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten und damit einhergehenden Informationsdefiziten verbunden sei. Zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Bundesamts für Verfassungsschutz sei daher durch die Bundesregierung selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens von geheimhaltungsbedürftigen Informationen zur Werbung und Führung von V-Leuten auszuschließen. Die Bewertung gelte auch unter Berücksichtigung der weiteren im Schreiben vom 3. März 2015 angeführten Argumente. Die im Gesetzentwurf zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vorgesehene Regelung zum Einsatz von V-Leuten gebe die wesentlichen Anforderungen vor. Nach dem aktuellen Gesetzentwurf schlössen im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilungen wegen eines Verbrechens oder zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden sei, die Anwerbung und den Einsatz als V-Person grundsätzlich aus.

12

2. Die Antragstellerin zu 2. und einige Mitglieder des Bundestages richteten am 21. Januar 2015 unter der Überschrift "Mutmaßliche Aktenvernichtungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann bei deutschen Geheimdiensten" ebenfalls eine Kleine Anfrage an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3810).

13

a) Darin führten sie aus, die Antragsgegnerin habe der Abgeordneten Petra Pau am 13. Januar 2015 die Auskunft erteilt, im Bundesamt für Verfassungsschutz seien nur sieben Ordner zum Oktoberfestattentat vorhanden. Daher liege die Vermutung nahe, dass in den vergangenen Jahren Informationen zu dem Attentat und zur Wehrsportgruppe Hoffmann vernichtet worden seien. Die Kleine Anfrage enthielt Fragen zu Umfang und Aufbau der Akten sowie zu Quellen des Bundesamts für Verfassungsschutz. Ferner wurde die Frage gestellt, ob und wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für das Bundesamt beziehungsweise Landesämter für Verfassungsschutz tätig geworden seien. Einige Fragen nach Quellenmeldungen beantwortete die Bundesregierung lediglich in nicht nach Ursprungsbehörden und Jahren aufgeschlüsselter Form. Die Beantwortung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten und weiterer Fragen nach Quellenmeldungen lehnte die Antragsgegnerin vollständig ab.

14

Die Fragen, welche die Antragsgegnerin nicht oder nur zum Teil beantwortete, lauteten wie folgt:

Frage 14: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zum Oktoberfestattentat vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 15: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 16: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 19: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zur Wehrsportgruppe Hoffmann vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 20: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zur Wehrsportgruppe Hoffmann liegen aus welchen Jahren im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 21: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zur Wehrsportgruppe Hoffmann aus welchen Jahren liegen im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 22: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren?"

Frage 23: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für das BfV tätig?"

Frage 24: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 25: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 28: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 29: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungs-schutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 30: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

Frage 31: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

15

In einer Vorbemerkung zu ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) führte die Antragsgegnerin aus:

"1. Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 nicht oder zumindest nicht vollständig erfolgen kann. Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann. Die Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags die erforderlichen Informationen und werten diese aus. Die Führung von Quellen gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Nachrichtendiensten bei der Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu, auch welche die quellenführende Stelle betreffend oder Namen einzelner Quellen bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von Quellen und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich Quellen hier in einem extremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von Quellen ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn kein Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann eine Quelle ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines Einsatzes von Quellen geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der Quellen folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet.

Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann.

2. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Komplexe "Oktoberfestattentat" und "Wehrsportgruppe Hoffmann" wegen des Inlandsbezugs nicht in den originären Aufgabenbereich des Bundesnachrichtendienstes (BND) als Auslandsnachrichtendienst fielen und fallen. Im Übrigen wurde der überwiegende Teil der im BND zum Oktoberfestattentat gebildeten Unterlagen an das Bundesarchiv abgegeben. Die Antworten auf die den BND betreffenden Fragen beruhen auf den im BND-Archiv noch vorhandenen, erschlossenen Altunterlagen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich im Zuge der fortschreitenden Erschließung der an das BND-Archiv in der Vergangenheit und künftig abgegebenen archivwürdigen Unterlagen weitergehende Erkenntnisse zum Anfragegegenstand ergeben.

3. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Einrichtung des Referats "Rechtsextremismus Terrorismus" im April 1981 im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nicht ausschließlich auf das Oktoberfestattentat zurückzuführen ist. Diesbezüglich wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 3 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/2544 verwiesen."

16

Die im Organstreitverfahren gerügten Antworten hatten folgenden Wortlaut:

"Die Fragen 14 bis 16 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Der Bundesregierung liegen insgesamt fünf Quellenmeldungen für den Zeitraum von 1980 bis 1985 vor. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 19 bis 21 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" im BfV wird gegenwärtig archivarisch aufbereitet, so dass nicht in allen Aktenbänden recherchiert werden konnte. Nach dem insoweit unter Vorbehalt stehenden Rechercheergebnis fanden 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang in die Sachakte. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 22 bis 25 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

"Die Fragen 28 bis 31 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

17

b) Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 2., MdB Dr. Petra Sitte, richtete am 4. März 2015 ein Schreiben an den Bundesminister des Innern, in dem sie um eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 sowie 19 bis 25 bat. Insbesondere die Weigerung, die Fragen 22 bis 25 zu beantworten, überzeuge nicht. Sie bedeute, dass nach Belieben Informationen über die Tätigkeiten von V-Leuten verweigert werden könnten. Angesichts der Tatsache, dass mindestens ein neonazistischer V-Mann in der Wehrsportgruppe Hoffmann seine V-Mann-Eigenschaft schon vor Jahren öffentlich gemacht habe, seien die in der Vorbemerkung zur Antwort genannten Gründe der Bundesregierung zur Antwortverweigerung nicht akzeptabel und unverhältnismäßig. Schließlich bestehe jederzeit die Möglichkeit, die Antworten nach der Geheimschutzordnung einzustufen. Der langjährige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, habe darauf hingewiesen, dass im Rahmen einer Abwägung die Aufklärung eines Mordes wichtiger sei als der Quellenschutz. Beim Oktoberfestattentat, dem schwersten rechtsterroristischen Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik, seien 22 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt worden.

18

Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium des Innern Dr. Günter Krings teilte mit Schreiben vom 14. März 2015 mit, es sei in der Antwort zu der Kleinen Anfrage ausführlich dargelegt worden, weshalb eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 21 und 22 bis 25 nicht erfolgen könne. An dieser Bewertung halte die Antragsgegnerin auch nach nochmaliger Abwägung fest. Sowohl die Werbung als auch die Führung von menschlichen Quellen seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste zentrale Bedeutung zukomme. Die nähere Aufgliederung der Quellenmeldungen würde dazu führen, dass taktische Verfahrensabläufe offenbar würden und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt sei. Soweit sich die Fragen auf menschliche Quellen der Sicherheitsbehörden bezögen, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beantwortung dieser Fragen zu einer Offenlegung der Identität der Quellen führe. Im Hinblick auf die daraus folgenden Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit dieser Personen sei daher der staatliche Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 GG besonders zu beachten. Daher scheide auch eine als Verschlusssache eingestufte Beantwortung aus. Hierdurch werde die strafrechtliche Aufklärung des Oktoberfestattentats nicht verhindert. Der Generalbundesanwalt habe mit Schreiben vom 17. Februar 2015 sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch den Bundesnachrichtendienst um umfassende Mitteilung der dort vorliegenden Erkenntnisse zum Oktoberfestattentat gebeten. Beide Behörden würden dem Generalbundesanwalt die erbetenen Informationen zur Verfügung stellen.

III.

19

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2015 haben die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitet. Mit ihren Anträgen begehren sie die Feststellung, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (BTDrucks 18/3117) sowie die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (BTDrucks 18/3810) in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt hat.

20

1. Die Antragstellerinnen halten ihre Anträge für zulässig. Sie sind der Auffassung, dass sie sowohl hinsichtlich der jeweils von ihnen selbst als auch bezüglich der von der jeweils anderen Antragstellerin gestellten Kleinen Anfrage antragsbefugt seien. Zum einen werde eine Verletzung des den Fraktionen selbst zustehenden Informationsrechts gerügt, das sich aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 GG ergebe und den Fraktionen dazu diene, den für die parlamentarische Arbeit erforderlichen Informationsstand zu erhalten. Zum anderen verletze die unzureichende Beantwortung einer Kleinen Anfrage die Rechte des Bundestages aus Art. 20 Abs. 2 GG. Diese Rechte könnten die Antragstellerinnen gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG prozessstandschaftlich geltend machen. Hinsichtlich der Antwort auf die von der jeweils anderen Antragstellerin gestellte Kleine Anfrage werde allein eine Verletzung der Rechte des Bundestages im Wege der Prozessstandschaft gerügt. Auch insoweit sei nicht nur die Antragsbefugnis, sondern auch ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Eine Fraktion könne Rechte des Bundestages auch dann im Organstreitverfahren verteidigen, wenn sie diesbezüglich zuvor nicht parlamentarisch tätig geworden sei.

21

2. Die Anträge seien begründet. Die Weigerung der Antragsgegnerin, die Kleinen Anfragen vollständig zu beantworten, verletze die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG.

22

a) Aus diesen Normen folge für den Deutschen Bundestag und seine Fraktionen ein Frage- und Informationsrecht, das grundsätzlich mit einer Auskunftspflicht der Bundesregierung korrespondiere. Grenzen des Informationsrechts könnten sich aus dem Staatswohl, den Grundrechten und dem Gewaltenteilungsprinzip ergeben. Mit Blick auf die verfahrensgegenständlichen Fragen der Antragstellerinnen sei jedoch kein ausreichendes Geheimhaltungsinteresse ersichtlich. Außerdem genügten die Begründungen, mit denen die Antragsgegnerin die vollständige Beantwortung der Kleinen Anfragen verweigert habe, nicht den hieran zu stellenden Anforderungen, da sie die Antragstellerinnen nicht in die Lage versetzten, die von der Antragsgegnerin vorgenommene Abwägung nachzuvollziehen.

23

Ob und inwieweit die Antragsgegnerin ausnahmsweise die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden und insbesondere zu V-Leuten verweigern dürfe, richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Es sei Sache der Bundesregierung, im Einzelfall darzulegen, warum das allgemein bestehende parlamentarische Informationsrecht aufgrund gegenläufiger Belange von höherem verfassungsrechtlichem Gewicht ausnahmsweise ausgeschlossen sei. Eine Bereichsausnahme sei im Hinblick auf Informationen zu V-Leuten verfassungsrechtlich nicht begründbar. Eine solche Ausnahme vom parlamentarischen Informationsrecht - wie sie das Bundesverfassungsgericht etwa für den Bereich der Rüstungsexporte anerkannt habe - könne nur in Betracht kommen, wenn sich ein Typ parlamentarischer Auskunftsbegehren trennscharf beschreiben lasse, bei dem einem noch so gewichtigen Informationsinteresse des Bundestages stets ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse gegenüberstehe. Dies sei bei parlamentarischen Anfragen mit Bezug zum Einsatz von V-Leuten nicht der Fall, denn nicht jede derartige Anfrage könne zur Enttarnung dieser Personen führen. Selbst wenn eine Enttarnung in Aussicht stehe, werde der weitere Einsatz der betroffenen V-Leute dann nicht gefährdet, wenn dieser bereits aus anderen Gründen ausgeschlossen sei. Ob die bloße Erkenntnis, beobachtet zu werden, für die beobachteten Personen einen für das Staatswohl relevanten Informationswert habe, hänge ebenfalls von unterschiedlichen Faktoren ab. Auch ermögliche nicht jede Information zum Einsatz von V-Leuten Rückschlüsse auf die Art und Weise der Beobachtung.

24

Eine das Staatswohl gefährdende Offenbarung der Arbeitsweisen der Sicherheitsbehörden sei ebenfalls nicht in jedem Fall zu befürchten. Zwar sei insoweit eine Prognose anzustellen, die - wie jede Prognose - mit Restunsicherheiten behaftet sei. Dieses Prognoserisiko rechtfertige jedoch keine abstrakte Vorrangregel zugunsten des Geheimhaltungsinteresses der Antragsgegnerin.

25

Eine Bereichsausnahme lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Quellenschutzes rechtfertigen. Der Quellenschutz könne dem Informationsrecht des Bundestages nur entgegengehalten werden, wenn die begehrte Information überhaupt dazu führen könne, dass eine bestimmte Person als Quelle enttarnt werde. Insoweit könne nicht schon die stets gegebene theoretische Möglichkeit ausreichen, dass sich Informationen mit hinreichendem Zusatzwissen auf bestimmte Personen beziehen ließen. Vielmehr müsse dies anhand eines Wahrscheinlichkeitsurteils in jedem Einzelfall ermittelt werden. Auch wenn danach im Einzelfall ein Bezug auf bestimmte Personen möglich sei, bedürfe es stets einer Abwägung zwischen dem Quellenschutz und dem Informationsinteresse des Bundestages. Im Rahmen dieser Abwägung werde der Quellenschutz in der Regel überwiegen, wenn der Sachverhalt aktuell sei und es sich bei der Quelle um eine lebende Person handele. Daneben könne eine Geheimhaltung auch zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter Dritter geboten sein, was jedoch im Einzelfall zumindest ansatzweise konkret dargelegt werden müsse. Der Schutz des sozialen Ansehens einer Quelle - worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten ohnehin nicht berufen habe - gehe dem Informationsinteresse des Bundestages ebenfalls nicht ohne einzelfallbezogene Abwägung vor. Dies gelte erst recht nach dem Tod der Quelle. Schließlich könne ein abstrakter Vorrang des Quellenschutzes auch nicht aus den gegenüber V-Leuten abgegebenen Vertraulichkeitszusagen hergeleitet werden, worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten im Übrigen ebenfalls nicht berufen habe. Das parlamentarische Auskunftsrecht stehe nicht zur Disposition der Sicherheitsbehörden.

26

b) Die Begründung, mit der die Antragsgegnerin die Beantwortung der Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verweigert habe, genüge diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich (bb)) und bei der vorzunehmenden Abwägung überwiege das parlamentarische Informationsinteresse (cc)).

27

aa) Bei der Begründung handele es sich um einen Textbaustein, dem jeder Einzelfallbezug fehle. Dies zeige sich auch daran, dass die Begründung der Antwortverweigerung mit derjenigen in Bezug auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 weitgehend wortgleich und auch die Beantwortung einer weiteren Kleinen Anfrage im Wesentlichen mit derselben Begründung verweigert worden sei. Außerdem passe die Antwort nicht zu der Frage, soweit die Antragsgegnerin hervorhebe, dass Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten geschützt werden müssten, da Lembke bereits 1981 verstorben sei. Ferner sei die Begründung unvollständig, da darin nur auf die Tätigkeit der Nachrichtendienste eingegangen worden sei, obwohl sich die Frage auf Sicherheitsbehörden und somit auch auf die Polizeibehörden bezogen habe. Eine derart formelhafte und unspezifische Begründung wäre nur dann hinzunehmen, wenn die Frage 2 a) auf Informationen gezielt hätte, die offenkundig geheimhaltungsbedürftig seien. Dies sei jedoch nicht der Fall.

28

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich. Ein solches lasse sich insbesondere nicht mit dem Staatswohl in seiner Ausprägung als Schutz der Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden begründen. Eine Gefährdung der aktuell zu dem Oktoberfestattentat geführten Ermittlungen durch eine Beantwortung der Frage 2 a) liege fern. Die Frage beziehe sich auf einen historischen Vorgang und auf einen Verstorbenen. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Enttarnung von Heinz Lembke als V-Mann aktuelle Ermittlungen gefährden könne, zumal seit langem bekannt sei, dass sich Lembke und sein Umfeld im Blickfeld der Sicherheitsbehörden befunden hätten. Eine Beantwortung der Frage nach der V-Mann- Eigenschaft von Lembke ermögliche auch keine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden. Da sich die Frage auf die V-Mann-Eigenschaft einer einzelnen Person beziehe, ergebe sich aus ihrer Beantwortung kein einzelfallübergreifender Informationswert. Dass die Sicherheitsbehörden damals wie heute V-Leute in der Neonaziszene eingesetzt hätten, sei ohnehin allgemein bekannt. Im Hinblick auf eigene Rechte von Heinz Lembke könne der allenfalls noch relevante postmortale Vertraulichkeitsschutz in Anbetracht der verstrichenen Zeit keine Bedeutung mehr haben. Jedenfalls aber könne dieser Vertraulichkeitsschutz bei der Abwägung nur geringes Gewicht haben. Konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung anderer Personen seien nicht ersichtlich.

29

cc) Selbst wenn sich aus einer Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden ergeben sollten, könne es sich dabei allenfalls um geringfügige Beeinträchtigungen handeln. Diesen stehe ein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegenüber, das bei der gebotenen Abwägung überwiege. Die Bedeutung der verfahrensgegenständlichen Frage gehe über den Einzelfall hinaus.

30

Für den Bundestag sei es von überragender Bedeutung, Einblicke in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu erhalten, um diese Tätigkeit und die Haltung der Antragsgegnerin hierzu kontrollieren zu können. Hierzu gebe es gerade in jüngerer Zeit mit Blick auf den Einsatz von V-Leuten in der rechtsextremen Szene Anlass. So werde das Versagen der Sicherheitsbehörden im Fall des so genannten Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) unter anderem auf einen überzogenen Quellenschutz bei den Nachrichtendiensten zurückgeführt. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 habe dazu gedient, Verdachtsmomenten nachzugehen, dass auch im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten genutzt worden seien, um den Anschlag zu verhindern und aufzuklären. Wenn sich dieser Verdacht erhärte, könne hierin möglicherweise ein über längere Zeit gleichbleibendes Muster erkannt werden. Um sich einen Einblick in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu verschaffen und diese zu kontrollieren, müsse der Bundestag zwangsläufig von Einzelfällen ausgehen, da ein detailliertes Gesamtbild weder verfügbar sei noch hergestellt werden könne. Umso bedeutsamer sei es, dass dem Bundestag Informationen zu Einzelfällen mitgeteilt würden, die nicht zwingend geheimhaltungsbedürftig seien.

31

Zudem bestehe an der Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden gerade im Neonazimilieu ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse. Neben den Vorgängen um den NSU sei insoweit auch das Oktoberfestattentat von Bedeutung, über das in jüngerer Zeit verstärkt berichtet worden sei.

32

Schließlich seien Informationen über mögliche Verbindungen von V-Leuten zu dem Oktoberfestattentat auch für die gesetzgeberische Funktion des Bundestages von Bedeutung. Die Frage der gesetzlichen Regulierung des Einsatzes von V-Leuten sei hochaktuell und umstritten. Insoweit sei es erforderlich, dass Informationen über die Praxis des Einsatzes von V-Leuten und eventuelle Missstände oder Fehleinschätzungen in der Vergangenheit verfügbar seien.

33

Die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke stehe im Kontext mit einer Vielzahl von weiteren Auskunftsbegehren der Antragstellerinnen, mit denen diese versuchten, Anhaltspunkten für Verbindungen deutscher Sicherheitsbehörden zu Personen und Gruppierungen aus dem Neonazimilieu nachzugehen, von denen schwerwiegende Gewalttaten ausgegangen seien. Sollte Lembke tatsächlich als V-Mann tätig gewesen sein und sollten sich Verbindungen zum Oktoberfestattentat erhärten lassen, würde dies massive Fragen nach dem Sinn und den Modalitäten des Einsatzes von V-Leuten im Neonazimilieu aufwerfen, deren potentielle politische Bedeutung für die parlamentarische Kontrolle und für gesetzgeberische Maßnahmen sich kaum überschätzen lasse.

34

c) Auch hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei die Antwort der Antragsgegnerin zu pauschal (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse sei nicht ersichtlich (bb)), jedenfalls habe eine vollständige Verweigerung der Beantwortung der Fragen nicht erfolgen dürfen (cc)).

35

aa) Die Verweigerung vollständiger Antworten auf die umstrittenen Fragen der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei unzureichend begründet worden. Die Antragsgegnerin habe denselben formelhaften Textbaustein wie in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwendet.

36

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei weder hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 zu Quellenmeldungen zum Attentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann noch bezüglich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann ersichtlich. Dass die Antragsgegnerin eine Aufschlüsselung der Quellenmeldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden in ihrer Antwort auf die Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 verweigert habe, lasse sich weder durch Belange des Staatswohls noch durch Grundrechte rechtfertigen.

37

Eine Gefährdung der aktuellen Aufklärungstätigkeit der Nachrichtendienste sei insoweit nicht ersichtlich, da bekannt sei, dass diese im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und im Umfeld der Wehrsportgruppe Hoffmann ermittelt und dabei auf menschliche Quellen zurückgegriffen hätten. Dies ergebe sich auch aus der Antwort der Antragsgegnerin. Hinreichend spezifische Rückschlüsse allgemeiner Art auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ließen sich aus der begehrten Aufschlüsselung nicht ziehen. Dass Nachrichtendienste befugt seien, V-Leute einzusetzen, und von dieser Befugnis gerade auch in der rechtsextremistischen Szene Gebrauch machten, sei allgemein bekannt. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Nachteile sich für die Nachrichtendienste aus der Mitteilung der Aufschlüsselung ergeben könnten. Hieraus könnten keine Schlüsse zu anderen Vorgängen und erst recht nicht zu der heutigen Aufklärungstätigkeit gezogen werden.

38

Es sei auch nicht ersichtlich, dass die begehrte Aufschlüsselung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder Leib und Leben von Menschen gefährden könne, da es an einem Bezug zu bestimmten Personen fehle. Die bloße Behauptung, aus irgendwelchen Informationen, die einen Bezug zum Einsatz von V-Leuten aufwiesen, könne auf die Identität einzelner V-Leute geschlossen werden, reiche nicht aus. Diese Behauptung müsse vielmehr durch eine Enttarnungsprognose fundiert werden, um verfassungsrechtlich tragfähig zu sein. Zwar könnten unter Hinzuziehung von Zusatzwissen gegebenenfalls gewisse Rückschlüsse in personeller Hinsicht möglich sein. Angesichts des erheblichen Umfangs der Ermittlungen zum Oktoberfestattentat und der großen Zahl von Angehörigen und Unterstützern der Wehrsportgruppe Hoffmann liege es aber fern, dass sich positiv ein Bezug zu bestimmten Personen herstellen lasse. Aus den begehrten Antworten wäre nicht einmal ersichtlich, in welchem Verhältnis die Quellen zu der rechtsextremen Szene beziehungsweise der Wehrsportgruppe Hoffmann stünden. Dass konkretere Angaben zu Quellenmeldungen unbedenklich seien, zeige zudem die Antwort auf Frage 18, wonach dem Bundesnachrichtendienst zum Oktoberfestattentat eine Quellenmeldung aus dem Jahr 1981 vorliege.

39

Hinsichtlich der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann (Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31) liege es ebenfalls nahe, dass kein Geheimhaltungsinteresse bestehe. Eine Gefährdung aktueller Ermittlungen sei nicht ersichtlich. Zwar liege es nahe, dass einzelne Personen aus dem Kreis der Wehrsportgruppe auch heute noch von den Nachrichtendiensten beobachtet würden. Aus den begehrten Angaben ließen sich jedoch keine Schlüsse ziehen, die diese Beobachtung beeinträchtigen könnten. Nach über 30 Jahren könne aus der damaligen Zahl der V-Leute kaum etwas zu ihrer heutigen Zahl hergeleitet werden.

40

Allgemeine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise von Nachrichtendiensten ließen sich aus den begehrten Informationen zu V-Leuten ebenfalls nicht ziehen. Aus ihnen lasse sich lediglich ableiten, wie weitgehend die Wehrsportgruppe Hoffmann mit V-Leuten infiltriert gewesen sei, nicht aber, wie die Kooperation abgelaufen sei und welchen Nutzen sie erbracht habe. Erkenntnisse über den heutigen Einsatz von V-Leuten im Neonazimilieu ergäben sich hieraus nicht. Zudem könne man nicht von der Infiltration einer Gruppierung auf die einer anderen schließen. Außerdem sei der erhebliche Zeitablauf zu berücksichtigen.

41

Eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung liege fern, da von der abgefragten Gesamtzahl von V-Leuten nicht auf einzelne Personen geschlossen werden könne. Angesichts des erheblichen Zeitablaufs könne auch nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das für eine denkbare Individualisierung erforderliche Zusatzwissen in den betroffenen Kreisen vorhanden oder beschaffbar sei. Sollte gleichwohl ein Identifizierungsrisiko zu bejahen sein, hätte die Antragsgegnerin die Antworten aufspalten, die Gesamtzahl der V-Leute veröffentlichen und die weiteren begehrten Informationen unter Einstufung herausgeben können.

42

cc) Selbst wenn man unterstelle, dass die verfahrensgegenständlichen Fragen ein Geheimhaltungsinteresse berührten, hätte die Antragsgegnerin die begehrten Informationen zumindest nicht vollständig verweigern dürfen. Insofern gelte nichts anderes als für Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Informationen darüber, in welchem Ausmaß die Nachrichtendienste neonazistische Gruppierungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat infiltriert hätten, seien besonders bedeutsam, damit der Bundestag etwaige Defizite abschätzen und den Einsatz von V-Leuten gegebenenfalls neu regulieren könne. Vor diesem Hintergrund sei ein geringfügiges Risiko für das Staatswohl hinzunehmen. Dieses allenfalls sehr geringe Risiko für damalige V-Leute hätte durch eine Einstufung als Verschlusssache abgeschirmt werden können.

43

d) Wo dies erforderlich sei, könne zwischen dem Informationsinteresse des Bundestages und einem gegenläufigen Geheimhaltungsinteresse praktische Konkordanz hergestellt werden, indem die begehrten Informationen als Verschlusssache zur Verfügung gestellt würden. Die Antragsgegnerin könne sich grundsätzlich nicht auf das Staatswohl berufen, um Informationen zurückzuhalten, wenn der Bundestag hinreichende Vorkehrungen dagegen treffe, dass diese Informationen bekannt würden. Gleiches gelte, wenn eine Geheimhaltung von Informationen zum Schutz von Grundrechten geboten sei. Antworten auf parlamentarische Anfragen zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden müssten somit in der Regel zumindest als Verschlusssache zur Verfügung gestellt werden.

44

Es sei davon auszugehen, dass Informationen, die nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingestuft worden seien, auch tatsächlich geheim blieben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall sei, habe die Antragsgegnerin nicht vorgebracht. Eine pauschale Befürchtung der Antragsgegnerin, im Bundestag könnten Sicherheitslücken bestehen, genüge nicht. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle eine Einstufung nach der Geheimschutzordnung als Mittel zur Auflösung des Interessenkonflikts zwischen dem parlamentarischen Informationsinteresse und dem exekutiven Geheimhaltungsinteresse verworfen, da die Anwendung der Geheimschutzordnung mit der Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments konfligiere. Für diesen Bereich habe das Bundesverfassungsgericht jedoch eine abstrakt-generelle Regel zur Reichweite des parlamentarischen Informationsrechts aufgestellt, weshalb die Öffentlichkeit bei Anwendung der Geheimschutzordnung systematisch und nicht nur im Einzelfall ausgeschlossen würde. Für den Bereich der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden bleibe der parlamentarische Geheimschutz hingegen ein taugliches Instrument zum Ausgleich des Interessenkonflikts, da hier eine Einzelfallabwägung vorzunehmen sei und im Einzelfall eine Einstufung als Verschlusssache dem Informationsinteresse des Bundestages besser Rechnung trage als die vollständige Verweigerung einer Antwort.

IV.

45

Nach Auffassung der Antragsgegnerin haben die Anträge keine Aussicht auf Erfolg.

46

1. Sie habe die Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 zu Recht aus Gründen des Staatswohls (a)) und des Grundrechtsschutzes (b)) verweigert, ohne dass insoweit eine Einzelfallabwägung vorgenommen werden müsse. Die Möglichkeit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages ändere hieran nichts (c)). Selbst wenn man von der Notwendigkeit einer Einzelfallabwägung ausgehe, müsse das Auskunftsinteresse im konkreten Fall hinter dem Geheimhaltungsinteresse zurückstehen (d)). Außerdem müsse sie keine Auskünfte zu V-Leuten der Länder erteilen (e)). Schließlich sei die Verweigerung der Beantwortung der Frage 2 a) auch in ausreichender Weise begründet worden (f)).

47

a) Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass gegenüber V-Leuten abgegebene Vertraulichkeitszusagen aus Gründen des Staatswohls stets eingehalten werden müssten. Das Bundesverfassungsgericht habe wiederholt betont, dass die Strafverfolgungsorgane auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen seien, um ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten gerecht werden zu können. Dies gelte in derselben Weise für die Nachrichtendienste und Polizeibehörden bei der Aufklärung verfassungsfeindlicher Bestrebungen und der sonstigen Gefahrenabwehr. Der Einsatz von V-Leuten gehöre zu den wichtigsten Mitteln verdeckter Informationsgewinnung. Er sei von herausragender Bedeutung, da verfassungsfeindliche Organisationen oftmals konspirativ agierten.

48

Die Geheimhaltung der Identität von V-Leuten sei mit Blick auf die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden unabdingbar. Zwar vertrete die Antragsgegnerin nicht die Auffassung, dass es bei parlamentarischen Anfragen eine Bereichsausnahme für sämtliche Informationen mit Bezug zu V-Leuten gebe; es bestehe jedoch eine generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit für Informationen, die alleine oder in Zusammenschau mit anderen Informationen zur Offenbarung der Identität von V-Personen führen könnten. Dies ergebe sich aus einer Abwägung des parlamentarischen Informationsinteresses mit den der Offenbarung derartiger Daten und Informationen entgegenstehenden Geheimhaltungsinteressen. Das gelte nicht nur für die Zeit während des Einsatzes, sondern auch nach dessen Beendigung. Dabei diene die Geheimhaltung der Identität zum einen dem Schutz der V-Leute selbst, zum anderen aber auch dem Schutz der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden. So schließe die Offenbarung der Identität einer V-Person deren weiteren Einsatz aus. Der damit verbundene Verlust des Zugangs zu Informationen könne irreversibel sein, da sich V-Leute nicht beliebig gewinnen oder ersetzen ließen. Mit der Enttarnung einer V-Person würden darüber hinaus den beobachteten Personen sowohl der Umstand als auch die Art und Weise ihrer Beobachtung bekannt, was die weitere Aufklärung erschwere. Des Weiteren könnten bei Bekanntwerden der Identität einer V-Person Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Behörden, insbesondere die Art und Weise der Werbung, der Quellenführung und der Zusammenarbeit, gezogen werden. Hierdurch könnten Zielpersonen in die Lage versetzt werden, Abwehrstrategien gegen die Gewinnung von V-Leuten zu entwickeln. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Mitarbeiter von Behörden enttarnt und gefährdet würden.

49

Die Tätigkeit der Nachrichtendienste zeichne sich dadurch aus, dass sie in weiten Teilen geheimhaltungsbedürftig sei. Daher müssten Einzelheiten zu Arbeitsweisen, Strategien, Methoden und Erkenntnisstand der Nachrichtendienste, deren Offenlegung ihre Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung gefährde, nicht mitgeteilt werden. Gleiches gelte für Polizeibehörden, soweit diese zum Einsatz verdeckter Maßnahmen befugt seien. Eine Beantwortung der Frage 2 a) würde aber Einzelheiten des Quellen- und Erkenntnisstandes offenbaren. Die Antragstellerinnen verkennten, dass es sich bei dem Schutz der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden im Interesse des Gemeinwohls um einen Belang höchsten Ranges handele. Vor diesem Hintergrund gingen sie unzutreffend davon aus, dass insoweit gewisse Beeinträchtigungen und Gefährdungen hinzunehmen seien. Die Antragsgegnerin müsse jedoch auch nicht-signifikante Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden verhindern und könne von den Antragstellerinnen nicht durch parlamentarische Anfragen gezwungen werden, derartige Folgen herbeizuführen.

50

Es treffe nicht zu, dass die amtliche Bestätigung von Überwachungsmaßnahmen keinen zusätzlichen Informationswert habe, wenn über diese Maßnahmen schon in anderen Publikationen berichtet worden sei. Das Staatswohl sei nicht erst dann gefährdet, wenn verfassungsfeindlichen Organisationen durch eine Auskunft der Antragsgegnerin ermöglicht werde, neue Vermeidungsstrategien zu ergreifen, sondern schon dann, wenn diese zu der generellen Erkenntnis gelangten, sich vorsehen zu müssen. Allein die Beendigung einer bestimmten Aufklärungstätigkeit führe nicht stets dazu, dass auch die Geheimhaltungsbedürftigkeit entfalle, da das Aufklärungsinteresse fortbestehen könne. Ob bei abgeschlossenen Sachverhalten etwas anderes gelte, sei unerheblich, da ein solcher hier nicht vorliege. Unabhängig davon dürfe nicht vorschnell von einem abgeschlossenen Sachverhalt ausgegangen werden, da selbst lange zurückliegende Vorgänge wieder unmittelbare Aktualität erlangen könnten. Auch sei zu bedenken, dass zwar möglicherweise eine Organisation ihr Ende gefunden habe, die an ihr beteiligten Personen aber gegebenenfalls ihre verfassungsfeindlichen oder sicherheitsgefährdenden Aktivitäten in anderer Form fortsetzten.

51

Durch die von einer Behörde abgegebene Vertraulichkeitszusage werde die Identität einer V-Person grundsätzlich dauerhaft geschützt. Eine derartige Zusage sei notwendig, weil V-Leuten im Falle ihrer Enttarnung Repressionen bis hin zu Gefahren für Leib und Leben drohten. Vor diesem Hintergrund bestehe eine Schutz- und Fürsorgepflicht des Staates. Die drohenden Gefahren dürften nicht unter Verweis auf staatliche Schutzprogramme heruntergespielt werden, da derartige Maßnahmen sehr aufwendig und für die Betroffenen mit äußerst gravierenden Belastungen verbunden seien.

52

Die Einhaltung abgegebener Vertraulichkeitszusagen sei für die Zusammenarbeit mit aktiven V-Leuten und die Gewinnung künftiger V-Leute unabdingbar. Würden Vertraulichkeitszusagen nicht eingehalten, könne dies die künftige Gewinnung von V-Leuten erschweren oder unmöglich machen. Werde die Identität einer V-Person bekannt, verunsichere dies andere Betroffene und schwäche das Vertrauen in die Wirksamkeit und Geltung von Vertraulichkeitszusagen. In der Vergangenheit hätten Enttarnungen dazu geführt, dass die Anwerbung in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten verbunden sei.

53

Das Geheimhaltungsbedürfnis sei auch nicht deshalb entfallen, weil Heinz Lembke bereits vor längerer Zeit verstorben sei. Vertraulichkeitszusagen seien grundsätzlich nicht auf die Lebenszeit der Betroffenen beschränkt, denn es könnten auch Angehörige in Gefahr geraten. Die Vorstellung von "Sippenhaft" sei in bestimmten Organisationen, Kreisen und Gesellschaften durchaus verbreitet. Außerdem sei es ein berechtigtes Anliegen von V-Leuten, dass ihr soziales Ansehen auch über den Tod hinaus geschützt werde. Diese wollten mit Rücksicht auf das eigene Andenken sowie auf ihre Angehörigen auch nach ihrem Tod nicht als "Spitzel" oder "Verräter" diffamiert und herabgesetzt werden. Dem stehe nicht entgegen, dass der postmortale Persönlichkeitsschutz schwächer ausgeprägt sei als das allgemeine Persönlichkeitsrecht, da es im Kontext von Vertraulichkeitszusagen nicht um allgemeine grundrechtliche Abwehr- und Schutzansprüche, sondern um die Einhaltung staatlicher Zusagen gehe, die ein besonderes Vertrauens- und Fürsorgeverhältnis begründeten.

54

Werde die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person bejaht, könne dies zudem zur Folge haben, dass auf Seiten der betroffenen Organisation eine Suche nach weiteren "Verrätern" ausgelöst werde. Werde die Frage hingegen verneint, könnten die betroffenen Kreise möglicherweise folgern, dass eine andere Person eine V-Person gewesen sein müsse, wodurch diese in Gefahr gerate. Vor diesem Hintergrund müssten vor der Beantwortung einer entsprechenden Frage umfangreiche Ermittlungen zu allen im Zusammenhang stehenden Personen und Personenzusammenschlüssen durchgeführt werden. Zum einen verursache dies einen unzumutbaren Aufwand, der über die Auskunftspflicht hinausgehe. Zum anderen könnten mit den erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen erhebliche Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen verbunden sein.

55

Dass der verfahrensgegenständliche Sachverhalt lange zurückliege, führe ebenfalls nicht dazu, dass das Geheimhaltungsbedürfnis entfalle. Mit Blick auf die Identität von V-Leuten nehme das Geheimhaltungsinteresse mit der Zeit nicht ab. Nähme man dagegen an, dass die Frage nach der V-Person-Eigenschaft beantwortet werden müsse, wenn der V-Person-Einsatz bereits längere Zeit zurückliege, könnte in Fällen einer Antwortverweigerung der Umkehrschluss gezogen werden, dass die betreffende Person vor nicht langer Zeit als V-Person tätig gewesen oder es womöglich noch immer sei.

56

Abgesehen davon beziehe sich die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht auf einen historischen Vorgang, bei dem das Geheimhaltungsinteresse gemindert oder entfallen sein könnte. Die Anfrage beruhe nicht auf einem historischen Interesse, sondern stehe im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Ermittlungen zu dem Oktoberfestattentat durch den Generalbundesanwalt. Diese Ermittlungen könnten durch die Beantwortung der Frage, ob Lembke V-Mann gewesen sei, gefährdet werden. Von den ehemaligen Angehörigen und Unterstützern der in den Blick zu nehmenden Organisationen und Gruppierungen würden diese Ermittlungen mit großem Interesse verfolgt. Karl-Heinz Hoffmann, der im Jahr 2011 ein Buch mit dem Titel "Die Oktoberfestlegende" veröffentlicht habe, befasse sich auf seiner Homepage regelmäßig und ausführlich mit dem Attentat und äußere sich dort unter anderem auch zu Lembke. Eine Antwort auf die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, ermögliche etwaigen Tatbeteiligten Rückschlüsse darauf, welche Umstände den Ermittlungsbehörden bekannt sein könnten. Dies erleichtere ihnen, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren.

57

Schließlich bestehe die Notwendigkeit, die Antwort auf Frage 2 a) zu verweigern, unabhängig davon, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei. Zum einen könne die Pflicht zur Beantwortung nicht davon abhängen, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, da anderenfalls in künftigen Fällen bei einer Verweigerung der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person die zutreffende Antwort durch einen Umkehrschluss ermittelt werden könne. Zum anderen könnten auch bei einer Verneinung der Frage möglicherweise Rückschlüsse im konkreten Fall gezogen werden, die bis hin zu einer Enttarnung etwaiger tatsächlicher V-Leute reichen könnten. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die betroffenen Personen und Gruppierungen über internes Wissen verfügten, das sie womöglich in die Lage versetze, im Falle des Ausschlusses einer Person auf die V-Person-Eigenschaft einer anderen Person zu schließen. Es sei nicht auszuschließen, dass in Zukunft weitere Informationen öffentlich würden, die in Verbindung mit der Beantwortung der aktuellen Frage Rückschlüsse auf die Identität von V-Leuten ermöglichten.

58

b) Die Beantwortung der Frage 2 a) sei darüber hinaus aus grundsätzlichen Erwägungen des Grundrechtsschutzes zu verweigern. Unter grundrechtlichen Aspekten betreffe die Wahrung von Vertraulichkeitszusagen nicht allein die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates für Leben, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit. Auch eine Betrachtung unter den Gesichtspunkten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einschließlich des postmortalen Persönlichkeitsschutzes greife zu kurz. Denn der Staat übernehme gegenüber den V-Leuten darüber hinausgehende besondere Verpflichtungen. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, dass Lembke bereits verstorben sei, da dem grundrechtlich geschützten Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen auch über den Tod hinaus Rechnung zu tragen sei.

59

c) Dem Geheimhaltungsbedürfnis könne überdies nicht mit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages Rechnung getragen werden. In Bezug auf die Identität von V-Personen und anderen schutzwürdigen Quellen der Nachrichtendienste und Polizeibehörden bestehe eine generelle Geheimhaltungsnotwendigkeit.

60

Zwar sei die Geheimschutzordnung des Bundestages grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass das Staatswohl nicht allein der Bundesregierung, sondern auch dem Bundestag anvertraut sei. Gleichwohl gebe es Informationen aus dem Bereich der Nachrichtendienste, die ungeachtet der Geheimschutzordnung des Bundestages diesem gegenüber nicht offenbart werden könnten.

61

Die Effektivität des Geheimschutzes hänge nicht allein von der normativen Ausgestaltung ab, sondern auch von der faktischen Wirksamkeit. Je größer der Kreis der Geheimnisträger sei, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit einer absichtlichen oder unabsichtlichen Weitergabe der Informationen. Der Gedanke, dem Geheimschutz durch eine Beschränkung der Zahl der Geheimnisträger effektiv Rechnung zu tragen, sei für den Bereich der nachrichtendienstlichen Informationen sowohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch in der Gesetzgebung angelegt. So habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die nachrichtendienstliche Tätigkeit von dem aus einer geringen Zahl von Abgeordneten bestehenden Parlamentarischen Kontrollgremium überwacht werde. Ebenso habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste des Bundes nicht im Plenum, sondern gemäß § 10a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) in einem Vertrauensgremium behandelt würden. Der (verfassungsändernde) Gesetzgeber habe bei der Regelung von Art. 45d GG sowie bei der Verabschiedung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) betont, dass die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit besonderer Geheimhaltung bedürfe. Aus § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG ergebe sich zudem, dass es Informationen gebe, die derart sensibel seien, dass sie selbst dem Parlamentarischen Kontrollgremium nicht zu offenbaren seien. Danach könne eine Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums unter anderem aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangsverweigert werden, worunter auch der Schutz von Quellen gefasst werde. Es gebe Kategorien von Geheimnissen, die sich aufgrund ihrer besonderen Natur bereits bei abstrakter Abwägung als generell geheimhaltungsbedürftig darstellten. Da hier bereits die fallgruppenbildenden Kriterien die Entscheidung determinierten, bedürfe es keiner Abwägung im Einzelfall. Eine solche generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehe in Bezug auf die Identität von V-Personen und andere schutzwürdige nachrichtendienstliche Quellen.

62

Vor diesem Hintergrund garantiere die Geheimschutzordnung des Bundestages im vorliegenden Fall keinen ausreichenden Geheimschutz. Bei der Identität von V-Leuten handele es sich um derart sensible Informationen, dass die Gefahr des Bekanntwerdens soweit wie möglich reduziert werden müsse. Der hiernach erforderliche ganz besondere Geheimschutz sei auch bei einer Einstufung der Antwort als "geheim" nicht gewährleistet, da die Antwort gleichwohl allen Mitgliedern des Bundestages zugänglich gemacht werde. Zudem machten die Antragstellerinnen geltend, dass sie die Antwort benötigten, um eine gesetzliche Regelung des Einsatzes von V-Leuten im Parlament und in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Sie zielten somit letztlich auf die Herstellung von Öffentlichkeit ab.

63

d) Die Antragsgegnerin vertrete zwar die Auffassung, dass die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer bestimmten Person schon aufgrund einer abstrakten Abwägung generell nicht beantwortet werden müsse. Doch selbst wenn man eine Einzelfallabwägung für erforderlich halte, sei die Verweigerung der Antwort auf die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke rechtmäßig, da das Geheimhaltungsinteresse das Auskunftsinteresse auch im konkreten Fall überwiege.

64

Hinsichtlich der Beantwortung der Frage 2 a) sei kein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegeben. Die diesbezüglichen Überlegungen der Antragstellerinnen blieben abstrakt. Sie könnten nicht begründen, weshalb die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, für die parlamentarische Kontrolle oder die Gesetzgebungstätigkeit von besonderer Bedeutung sein solle. Die Auffassung, wonach der Bundestag zur Kontrolle der Sicherheitsbehörden Einblicke in einzelne, konkrete Aufklärungsmaßnahmen einschließlich der Identität einzelner V-Personen erhalten müsse, überzeuge nicht und laufe auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Staatswohls hinaus. Dass die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, Bedeutung für die Gesetzgebungstätigkeit habe, sei nicht ersichtlich. Die Antragstellerinnen legten nicht dar, weshalb sie meinten, dass gerade diese Information für die heutige Bewertung des Einsatzes von V-Leuten relevant sei. Ihr Vortrag sei im Übrigen widersprüchlich, weil sie an anderer Stelle äußerten, dass eine Gefahr für das Staatswohl nicht zu besorgen sei, da eine Beantwortung der Frage keine Schlüsse auf die heutige Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden zulasse.

65

Demgegenüber werde der Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel durch gezielte Identifikationsfragen unterminiert. Auch wenn das Parlament nicht unmittelbar an von der Exekutive abgegebene Vertraulichkeitszusagen gebunden sei, folge hieraus nicht, dass es einen Auskunftsanspruch habe, der unter Verletzung dieser Zusagen zu erfüllen sei. Insoweit sei auch die Rechtsprechung zur Bedeutung von Vertraulichkeitszusagen im Strafverfahren zu berücksichtigen, wonach Auskünfte zu V-Leuten in entsprechender Anwendung von § 96 StPO verweigert werden könnten. Wenn der Weg in die Einzelfallabwägung einmal eröffnet sei, sei aus Sicht der Betroffenen kein Verlass mehr auf Vertraulichkeitszusagen. Dadurch würden die Fortführung und die Gewinnung von V-Leuten als nachrichtendienstliche Quelle zum Nachteil des Staatswohls erheblich beeinträchtigt.

66

e) Soweit sich die Frage 2 a) auf eine V-Mann-Tätigkeit Lembkes für Sicherheitsbehörden der Länder beziehe, müsse die Antwort auch deshalb verweigert werden, weil die Antragsgegnerin nicht beurteilen könne, welche Konsequenzen die Antwort für die Arbeit der betreffenden Landesbehörde hätte. Da sich die Antwortpflicht der Antragsgegnerin nur auf vorhandene Kenntnisse beziehe, sei sie nicht verpflichtet, Untersuchungen dazu zu veranlassen, welche Folgen eine Beantwortung der Frage für die Länder hätte.

67

f) Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen habe die Antragsgegnerin die Verweigerung der Antwort auch ausreichend begründet. Sie habe dargelegt, dass und weshalb es nicht möglich sei, Fragen nach der Identität von V-Leuten zu beantworten. In gewisser Weise müsse jede Auskunftsverweigerung abstrakt bleiben, da nicht verlangt werden könne, dass die Begründung so konkret sei, dass Rückschlüsse auf die verweigerte Antwort gezogen werden könnten. Auch der Einwand, dass Antworten auf andere Anfragen wortgleich seien, greife nicht durch. Wenn Fragen einen ähnlichen Inhalt hätten und die Beantwortung aus denselben Gründen abzulehnen sei, sei es nicht zu beanstanden, dass sich auch die Begründungen entsprächen.

68

Mit der Rüge, dass die Antragsgegnerin sich in ihrer Antwort nur auf Nachrichtendienste bezogen habe, obwohl nach "Sicherheitsbehörden" und damit - nach Auffassung der Antragstellerinnen - auch nach Polizeibehörden gefragt worden sei, könnten die Antragstellerinnen ebenfalls nicht gehört werden. Die Antragsgegnerin habe unter dem nicht klar definierten Begriff "Sicherheitsbehörden" allein Nachrichtendienste verstanden und verstehen dürfen. Dieses Verständnis ergebe sich aus dem systematischen Zusammenhang, da sich auch die Frage 2 b) nur auf "Geheimdienste" bezogen habe, und werde dadurch untermauert, dass die Antragstellerin zu 1. die Antwort der Antragsgegnerin in dem Schreiben vom 3. März 2015 insoweit nicht beanstandet habe.

69

2. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 habe die Antragsgegnerin zum Schutz des Staatswohls und der Grundrechte bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 die Zahl der Quellenmeldungen zu Recht zusammengefasst. Die Beantwortung der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 sei aus diesen Gründen vollständig abzulehnen gewesen.

70

a) Die auf die Tätigkeit von V-Leuten bezogenen Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 müssten aus Gründen des Staatswohls und zum Schutze der Grundrechte etwaiger V-Leute unbeantwortet bleiben. Aus Gründen des Staatswohls sei es - wie bereits mit Blick auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 ausgeführt - zum einen ausgeschlossen, die Identität von V-Leuten zu offenbaren. Darüber hinaus seien aber auch solche Angaben geheimhaltungsbedürftig, die - und sei es auch nur im Zusammenhang mit anderen Informationen - Rückschlüsse auf diese Personen erlaubten.

71

Insoweit sei zu berücksichtigen, dass gerade bei kleinen und konspirativ operierenden Gruppierungen schon geringe Anhaltspunkte ausreichen könnten, um bestimmte Personen als V-Leute zu identifizieren. Bei der Wehrsportgruppe Hoff-mann habe es sich um eine konspirativ agierende, straff hierarchisch organisierte paramilitärische Vereinigung gehandelt, so dass womöglich auch unverfänglich erscheinende Informationen eingeweihten Personen die Identifizierung etwaiger V-Leute ermöglichen könnten. Zwar treffe es zu, dass lediglich nach Gesamtzahlen gefragt worden sei. Ob von einer aggregierten Zahl gesprochen werden könne, hänge allerdings vom Inhalt der Antwort ab. Die Ausführungen der Antragstellerinnen zu der Wahrscheinlichkeit, dass die begehrten Informationen für die betroffenen Kreise einen Erkenntniswert haben könnten, beruhten auf Spekulationen und Mutmaßungen, die der Problematik nicht gerecht würden. Es liege in der Natur der Sache, dass keine exakte Aussage darüber getroffen werden könne, welche Konsequenzen die Offenbarung der begehrten Informationen habe.

72

Hinzu komme, dass Leib und Leben etwaiger V-Leute geschützt werden müssten. Im vorliegenden Fall sei ein gewaltbereites rechtsextremistisches Umfeld gegeben, so dass die Aufdeckung der Identität zu einer Gefährdung dieser grundrechtlich geschützten, hochrangigen Güter führen könne. Angesichts der Hochrangigkeit dieser Güter könne kein noch so geringes Risiko hingenommen werden. Das Staatswohlinteresse, den Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel funktionsfähig zu erhalten, sei derart bedeutsam, dass auch geringfügige Risiken nicht tolerierbar seien. Aus den bereits im Zusammenhang mit der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 genannten Gründen entfalle das Geheimhaltungsbedürfnis nicht, weil der Sachverhalt lange zurückliege. Mit Blick auf das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts dürfe etwaigen Beteiligten nicht ermöglicht werden, Absprachen zu treffen und sonstige Verschleierungsmaßnahmen vorzunehmen.

73

Eine Einstufung der Antworten als Verschlusssache reiche aus den genannten Gründen nicht aus, um die Gefahr eines Bekanntwerdens verlässlich auszuschließen und dem Geheimhaltungsbedürfnis Rechnung zu tragen.

74

b) Die Antragsgegnerin habe die Fragen 14 bis 16 und die Fragen 19 bis 21 jeweils zusammenfassend beantwortet und mitgeteilt, dass dem Bundesamt für Verfassungsschutz fünf Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat aus der Zeit von 1980 bis 1985 sowie 197 Quellenmeldungen zu der Wehrsportgruppe Hoffmann aus der Zeit von 1974 bis 1985 vorlägen. Eine nähere Aufschlüsselung nach Herkunft und Jahren müsse unterbleiben. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Zahl der Quellenmeldungen insgesamt sehr niedrig sei. Eine weitere Aufgliederung hätte die Mitteilung punktgenauer Informationen zur Folge. Unter Nutzung von Zusatzwissen sei es dann möglich, Bezüge zu bestimmten Personen herzustellen. Die Wehrsportgruppe Hoffmann habe zuletzt aus etwa 400 Mitgliedern bestanden, sei jedoch in mehrere Ortsgruppen untergliedert gewesen. Nach dem Verbot der Wehrsportgruppe Hoffmann zum Anfang des Jahres 1980 bis Mitte 1981 habe sich Karl-Heinz Hoffmann mit etwa 20 weiteren Personen im Libanon aufgehalten und dort die "Wehrsportgruppe Ausland" gegründet. Gerade in der Zeit vor und nach dem Oktoberfestattentat sei der Personenkreis somit sehr überschaubar gewesen.

75

c) Schließlich habe die Antragsgegnerin die Gründe für die unterbliebene oder lediglich teilweise Beantwortung auch ausreichend dargelegt.

V.

76

Die Antragstellerinnen und die Antragsgegnerin haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

B.

77

Die Anträge sind gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG zulässig.

I.

78

1. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind als Fraktionen nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG in Organstreitigkeiten parteifähig und berechtigt, sowohl eigene Rechte als auch Rechte des Deutschen Bundestages im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen (vgl. BVerfGE 2, 143 <165>; 67, 100 <125>; 131, 152 <190>; 139, 194 <220 Rn. 96>; stRspr). Die Bundesregierung ist nach § 63 BVerfGG taugliche Antragsgegnerin.

79

2. Die Anträge beziehen sich auf zulässige Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine rechtserhebliche Maßnahme als auch ein rechtserhebliches Unterlassen sein (vgl. BVerfGE 103, 81 <86>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <220 f. Rn. 98>; stRspr). Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer vollständigen Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht vollständigen Beantwortung handelt. Die teilweise Antwortverweigerung, die Nichtbeantwortung oder die nicht hinreichende Beantwortung der Kleinen Anfragen können die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihrem aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Auskunftsrecht verletzen. Damit sind die Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; 103, 81 <86>; 104, 310 <324>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <221 Rn. 98>).

II.

80

1. Die Antragstellerinnen sind antragsbefugt. Ein die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag einerseits und die Antragsgegnerin andererseits umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis liegt vor. Die Antragstellerinnen beanstanden Antworten der Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen. Der Organstreit betrifft damit die Reichweite des in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verfassungsrechtlich verankerten, in der Geschäftsordnung des Bundestages näher ausgestalteten Fragerechts sowie die grundsätzliche Verpflichtung der Bundesregierung, auf Fragen im Parlament Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 <185>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <221 Rn. 99>). Das Recht auf Information stellt sowohl ein eigenes Recht der Fraktionen dar, das der Bundesregierung gegenüber geltend gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 91, 246 <250 f.>; 100, 266 <270>; 124, 161 <187>), als auch ein Recht des Deutschen Bundestages, auf welches sich die Antragstellerinnen im Wege der Prozessstandschaft berufen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <187>; 139, 194 <221 Rn. 99>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 92, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

81

2. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte der Antragstellerinnen - soweit sie die unzureichende Beantwortung von ihnen jeweils selbst gestellter Anfragen rügen - und Rechte des Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt (vgl. dazu BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 112, 363 <365>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <222 Rn. 100>). Vielmehr erscheint es möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihre Antworten den Informationsanspruch der Antragstellerinnen und des Deutschen Bundestages in unzulässiger Weise verkürzt hat. Die Antragstellerinnen haben die Möglichkeit einer solchen Verletzung hinreichend dargelegt und ausgeführt, weshalb sie das verfassungsrechtlich verankerte Informationsrecht als verletzt ansehen und dessen Grenzen, auf die sich die Antragsgegnerin beruft, für nicht einschlägig halten.

III.

82

Mit dem am 20. Mai 2015 eingegangenen Antrag wahren die Antragstellerinnen die Sechsmonatsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG. Die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 1. wurde am 24. November 2014, die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 2. am 9. Februar 2015 von der Antragsgegnerin beantwortet.

C.

83

Die Anträge sind teilweise begründet.

I.

84

1. Das aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abgeleitete Frage- und Informationsrecht ermöglicht es dem Bundestag und seinen Mitgliedern zum einen, sich die für ihre Tätigkeit notwendigen Informationen zu verschaffen (a)). Zum anderen dient es der Kontrollfunktion des Parlaments, die sowohl aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz (b)) als auch aus dem Demokratieprinzip folgt (c)).

85

a) Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ergibt sich ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; 137, 185 <230 f. Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; stRspr). Aus dem Frage- und Informationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der Bundesregierung daher die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit des Parlaments (vgl. BVerfGE 137, 185 <231 Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; jeweils m.w.N.; stRspr).

86

b) Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf eine Verteilung der politischen Macht, das Ineinandergreifender drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>; 139, 194 <223 f. Rn. 105>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereichen unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

87

c) Die Kontrollfunktion des Parlaments ist zugleich Ausfluss der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>; 139, 194 <224 Rn. 106>). Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung hergestellt (vgl. etwa BVerfGE 137, 185 <232 Rn. 131>; 139, 194 <224 f. Rn. 107>). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung (vgl. BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>; 137, 185 <232 f. Rn. 131>; 139, 194 <225 Rn. 107>).

88

Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 132>; vgl. ferner BVerfGE 130, 76 <128>).

89

2. Der Informationsanspruch der Abgeordneten, Fraktionen und des Deutschen Bundestages unterliegt gleichwohl Grenzen. Sie ergeben sich aus dem Verantwortungsbereich der Regierung (a)), dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung einschließt (b)), dem Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl) (c)) und Grundrechten Dritter (d)).

90

a) Der Informationsanspruch kann sich von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen, da es insoweit an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag fehlt (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>; 137, 185 <233 Rn. 134>; 139, 194 <225 Rn. 107>). Hinsichtlich der Tätigkeit und Erkenntnisse der Nachrichtendienste ist der Verantwortungsbereich der Bundesregierung berührt, wenn die Anfragen Tätigkeiten unmittelbar nachgeordneter Behörden betreffen oder sie sich auf den Kenntnisstand der Bundesregierung zu Aktivitäten anderer Geheimdienste beziehen. Die Bundesregierung ist insoweit nicht auf Auskünfte beschränkt, die die Koordinierungsfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz betreffen (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>). Sie kann sich auch nicht von vornherein unter Bezugnahme auf ihren Verantwortungsbereich darauf berufen, sich nicht zu der Tätigkeit der Landesverfassungsschutzbehörden äußern zu müssen. Bereits die durch § 5 Abs. 1 BVerfSchG dem Bundesamt für Verfassungsschutz eröffnete Möglichkeit, Daten der Landesverfassungsschutzbehörden zu nutzen, sowie die in § 6 BVerfSchG geregelte gegenseitige Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden sprechen dafür, dass der Verantwortungsbereich der Bundesregierung auch bei Fragen, die sich auf ihre Erkenntnisse über die Tätigkeit und Informationen von Verfassungsschutzbehörden der Länder beziehen, berührt sein kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>).

91

b) Begrenzt wird der Informationsanspruch des Bundestages, der einzelnen Abgeordneten und der Fraktionen auch durch den Grundsatz der Gewaltenteilung. In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient dieser Grundsatz zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (vgl. BVerfGE 9, 268 <279 f.>; 137, 185 <233 Rn. 135>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung (vgl. BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

92

Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 131, 152 <210>; 137, 185 <234 Rn. 136>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 119, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214>). Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen (vgl. BVerfGE 124, 78 <120 f.>; 137, 185 <234 Rn. 136>).

93

Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Der aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung, sondern wirkt über den Zeitpunkt einer Entscheidung hinaus (BVerfGE 110, 199 <215>; 137, 185 <234 f. Rn. 137>).

94

c) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl).

95

aa) Die insoweit zu Beweiserhebungen von Untersuchungsausschüssen entwickelten Maßstäbe sind auf das Fragerecht der Abgeordneten zu übertragen (so bereits BVerfGE 124, 161 <189> zu Kleinen Anfragen und BVerfGE 137, 185 <240 Rn. 149> zu Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages und schriftlichen Fragen), weil es sich mit Blick auf das parlamentarische Informationsinteresse und das gegebenenfalls entgegenstehende Geheimhaltungsinteresse der Exekutive um vergleichbare Sachverhalte handelt. Danach bildet eine Grenze des Beweiserhebungsrechts das Staatswohl, das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 137, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Untersuchungs- sowie dem Informations- und Fragerecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls (vgl. BVerfGE 124, 78 <123>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 138, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

96

bb) Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheimzuhalten sind (BVerfGE 124, 78 <124>). Mithin kann bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 137, 185 <241 Rn. 149>).

97

(1) Der Bundestag hat in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Erfüllung seiner Aufgaben festgelegt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 77, 1 <48>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 139, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 Rn. 149>). Die Geheimschutzordnung kann damit ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse sein (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 124, 78 <124 f.>; 137, 185 <264 Rn. 199>; siehe ferner BVerfGE 130, 318 <362>; 131, 152 <208>).

98

Die Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungs- noch das Haushalts- noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>). Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>; 137, 185 <241 Rn. 150>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 140, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 137, 185 <241 Rn. 150>).

99

(2) Die Staatspraxis kennt neben der Geheimschutzordnung als Mittel des Ausgleichs zwischen parlamentarischem Informationsinteresse und dem Geheimhaltungsinteresse das aus ausgewählten (derzeit neun) Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (vgl. Art. 45d GG, § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 PKGrG; vgl. dazu BVerfGE 130, 318 <359>). Durch die Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Bundestages auf die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums wird ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das zum Ausgleich der kollidierenden Interessen führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <262 Rn. 194>). Jedoch ist das Gremium ein zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle, das parlamentarische Informationsrechte nicht verdrängt (vgl. BVerfGE 124, 161 <190> mit Verweis auf § 1 Abs. 2 PKGrG). Die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes durch ein ständiges Gremium soll eine Lücke schließen, da weder Öffentlichkeit noch Parlament von geheimen Vorgängen entsprechende Kenntnis erlangen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <190 f.>). Die einzelnen Abgeordneten, die Fraktionen und das Plenum des Deutschen Bundestages können jedoch nicht auf Informationen zugreifen, die die Bundesregierung dem Parlamentarischen Kontrollgremium gegeben hat (vgl. BVerfGE 124, 161 <191>).

100

d) Schließlich können das Fragerecht der Abgeordneten, Fraktionen und des Bundestages sowie die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten haben (vgl. BVerfGE 67, 100 <142>; 76, 363 <387>; 124, 78 <125>; 137, 185 <243 Rn. 153>). Daher ist zwischen den betroffenen Grundrechten verdeckt handelnder Personen und dem Informationsinteresse des Parlaments ein Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz zu finden. Dabei können insbesondere das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (aa)), das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und der postmortale Persönlichkeitsschutz berührt sein (bb)). Zudem ist das Gebot des Vertrauensschutzes zu beachten (cc)) und auch insoweit zu berücksichtigen, ob das Parlament ausreichende Vorkehrungen zum Geheimnisschutz getroffen hat (dd)).

101

aa) Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nimmt im Gefüge des Grundgesetzes einen besonders hohen Rang ein (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 57, 250 <284>; 115, 118 <139>; 128, 282 <302>). Dieses Grundrecht verpflichtet den Staat dazu, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen zu schützen, das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 115, 320 <346>). Gefahren für dieses Rechtsgut können sich ergeben, wenn durch die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage die Identität einer V-Person preisgegeben wird oder Rückschlüsse darauf ermöglicht werden und als Folge Reaktionen der beobachteten Personen oder Organisationen zu befürchten sind (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 82; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 281; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>).

102

bb) Darüber hinaus sind Auswirkungen auf das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgende Persönlichkeitsrecht denkbar (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 83). Dieses Grundrecht gewährleistet den Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt als "unbenanntes" Freiheitsrecht die speziellen ("benannten") Freiheitsrechte, die ebenfalls konstituierende Elemente der Persönlichkeit schützen (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>; 119, 1 <24>). Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>). Zu den Schutzgütern zählen unter anderem die Privat- (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>), Geheim- und Intimsphäre sowie die persönliche Ehre (vgl. BVerfGE 54, 148 <153 f.>; 114, 339 <346>; 119, 1 <24>) und das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Eine wesentliche Gewährleistung ist der Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen einer Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Ferner gibt es dem Einzelnen in seiner Ausformung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten (vgl. BVerfGE 130, 1 <35>) sowie darüber zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 103, 21 <33>).

103

Das Fortwirken des Persönlichkeitsrechts nach dem Tode ist zu verneinen, weil Träger dieses Grundrechts nur die lebende Person ist. Mit ihrem Tode erlischt der Schutz aus diesem Grundrecht. Jedoch schützt der aus Art. 1 Abs. 1 GG folgende allgemeine Achtungsanspruch Verstorbene vor grober Herabwürdigung und Erniedrigung (vgl. BVerfGE 30, 173 <194>). Geschützt wird auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat (vgl. BVerfGK 9, 83 <88>; 13, 115 <117>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. April 2001 - 1 BvR 932/94 -, juris, Rn. 19). Das parlamentarische Auskunftsrecht kann aufgrund seiner hohen Bedeutung durch den postmortalen Persönlichkeitsschutz jedoch allenfalls in besonderen Ausnahmekonstellationen beschränkt werden.

104

cc) Durch Vertraulichkeitszusagen wird zudem ein Vertrauenstatbestand geschaffen. Dies hat insoweit grundrechtliche Relevanz, als eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG vorliegen kann, wenn das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes nicht hinreichend berücksichtigt wird (vgl. BVerfGE 59, 128 <164>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Februar 1993 - 2 BvR 196/92 -, juris, Rn. 10). Im Verhältnis zu dem parlamentarischen Auskunftsanspruch kann der durch eine Vertraulichkeitszusage begründete Vertrauensschutz jedenfalls dann einen Gesichtspunkt darstellen, der das Informationsrecht des Parlaments einzuschränken vermag, wenn durch die Beantwortung einer Anfrage Grundrechte der V-Person gefährdet würden. Ansonsten hätten es die Vertraulichkeit garantierenden Behörden in der Hand, über den Auskunftsanspruch des Parlaments zu disponieren.

105

dd) Auch zugunsten des Schutzes der Grundrechte Privater gestattet die Bedeutung, die das Informations- und das Kontrollrecht des Parlaments gegenüber der Regierung sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates haben, in aller Regel dann keine Verkürzung des grundsätzlichen Rechts auf Beantwortung der der Regierung gestellten Fragen, wenn Parlament und Regierung Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben, die das ungestörte Zusammenwirken beider Verfassungsorgane auf diesem Gebiet gewährleisten, und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>). Eine Ausnahme hiervon gilt nur für solche Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>; 76, 363 <388>).

106

3. Die Bundesregierung muss eine vollständige oder teilweise Auskunftsverweigerung hinreichend begründen (a)). Ein Nachschieben von Gründen ist nicht zulässig (b)).

107

a) Aus der verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung muss - auch im Hinblick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Verhältnis zwischen Verfassungsorganen(vgl. BVerfGE 119, 96 <125>) - den Bundestag in die Lage versetzen, seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrzunehmen. Dies ist nur dann möglich, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessen ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>). Eine Begründung der Antwortverweigerung ist daher nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <232 Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Anforderungen an die Begründung dürfen allerdings nicht so weit gehen, dass mit ihr Teile der verweigerten Information offengelegt werden müssen.

108

b) Die Begründung stellt nicht nur ein Instrument kritischer Selbstkontrolle dar, sondern soll die Berechtigung zur Antwortverweigerung plausibel machen und die Prüfung ermöglichen, ob rechtliche Schritte angezeigt sind (vgl. BVerfGE 124, 78 <139>). Ist die Verschaffung vollständiger Information zunächst ohne zureichende Begründung abgelehnt worden, so vermag eine erst im Organstreitverfahren gegebene ergänzende Begründung nichts an dem darin liegenden Rechtsverstoß zu ändern (vgl. BVerfGE 124, 78 <147>). Ein Nachschieben von Gründen ist mithin nicht zulässig. Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Versagung eines Rechts durch eine mit Gründen versehene Abwägungsentscheidung. Allein diese Entscheidung unter Einschluss der ihr zugrundeliegenden Abwägung und Begründung wird zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung gestellt (vgl. auch BbgVerfG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 6/04 -, NVwZ-RR 2005, S. 299 <302 f.>; SächsVerfGH, Urteil vom 5. November 2010 - Vf. 35-I-10 -, juris, Rn. 31 f.).

II.

109

Nach diesen Maßstäben ist die Bundesregierung zwar grundsätzlich verpflichtet, dem Parlament Antworten auf Anfragen aus dem Bereich der Tätigkeit von Nachrichtendiensten zu erteilen. Angesichts der Bedeutung, die dem Einsatz verdeckter Quellen bei der Informationsbeschaffung der Nachrichtendienste zukommt (1.), kann sich die Bundesregierung zur Auskunftsverweigerung trotz des erheblichen Informationsinteresses des Parlaments in diesem Bereich (2.) aber in der Regel auf eine Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte verdeckt handelnder Personen berufen, wenn deren Identität bei der Erteilung der begehrten Auskünfte offenbart würde oder ihre Identifizierung möglich erscheint. Nur in eng begrenzten, besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen kann, wenn die Gefährdung verfassungsrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint, das Informations- gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse überwiegen (3.).

110

1. a) Zur Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland lässt das Grundgesetz (Art. 45d, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b, Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ausdrücklich die Errichtung von Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten zu. Nachrichtendienste sind Ausdruck der Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine wehrhafte Demokratie, des Selbstbehauptungswillens des Rechtsstaates und damit Bestandteil des Sicherheitssystems der Bundesrepublik Deutschland (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 126, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Bei dem Einsatz von V-Leuten durch die Nachrichtendienste, also von Privatpersonen, deren planmäßige, dauerhafte Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten oder Polizeibehörden Dritten nicht bekannt ist (vgl. die Legaldefinitionen in § 9b Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG und § 20g Abs. 2 Nr. 4 BKAG), handelt es sich um eine vom Gesetzgeber gebilligte Methode zur verdeckten Informationsbeschaffung (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG). Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder die Sicherheit und den Bestand des Staates gerichtete Bestrebungen und Aktivitäten meist von Gruppierungen ausgehen, die konspirativ tätig sind, und dass die Nachrichtendienste ihre Aufgaben daher nur effektiv erfüllen können, wenn sie über nachrichtendienstliche Mittel verfügen, wozu auch der Einsatz von V-Leuten gehört (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 21; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 262 ff.). Der Gesetzgeber hat in der Begründung des Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vom 17. November 2015 bekräftigt, dass die planmäßige und systematische Informationsbeschaffung insbesondere durch V-Leute ein unverzichtbares Mittel zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sei (vgl. BTDrucks 18/4654, S. 25). Auch die Strafverfolgungsorgane können zur Bekämpfung besonders gefährlicher Kriminalität auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen sein, wenn sie ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten überhaupt gerecht werden sollen (vgl. BVerfGE 57, 250 <284>; 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>). Oftmals können nur auf diesem Wege interne Informationen über den Aufbau krimineller Organisationen, ihre Führungspersonen, ihre tatsächlichen Ziele sowie die Planung und Durchführung konkreter Maßnahmen gewonnen werden (vgl. BVerfGE 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>).

111

Neben V-Leuten zählen zu den geheimhaltungsbedürftigen Informationsquellen der Nachrichtendienste insbesondere Gewährspersonen (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG), die nur von Fall zu Fall für die Behörden tätig werden, und sonstige Informanten, die gelegentlich Hinweise geben (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 30 f.; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 266 ff.). Außerdem können hauptberufliche Mitarbeiter der Nachrichtendienste unter einer Legende in Organisationen oder Szenen eingeschleust werden, um diese für längere Zeit zu beobachten. Für diese Personen gelten die Ausführungen zu V-Leuten entsprechend. Es bedarf ihres Einsatzes ebenso wie des Einsatzes Verdeckter Ermittler durch die Strafverfolgungsbehörden, wenn und soweit anderenfalls die Wahrnehmung ihres Auftrags gerade im Hinblick auf besonders gefährliche Kriminalitätsfelder erheblich erschwert oder unmöglich gemacht würde (vgl. BVerfGE 129, 208 <256>).

112

b) Der Schutz von Informationsquellen und insbesondere von V-Leuten dient nicht nur den Interessen der betroffenen Personen, sondern hat auch für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste erhebliche Bedeutung.

113

aa) Wird eine V-Person enttarnt, führt dies in aller Regel dazu, dass ein etwaiger aktueller Einsatz nicht fortgeführt werden kann und die V-Person auch für künftige Einsätze nicht mehr zur Verfügung steht. Der dadurch entstehende Informationsverlust kann in der Regel nicht kompensiert werden, weil sich V-Leute nicht beliebig gewinnen lassen und ihre Anwerbung oftmals in einem schwierigen und langwierigen Prozess besteht (vgl. dazu Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 268, 280). Zu berücksichtigen ist, dass Auskünfte der Nachrichtendienste nicht unbedingt nur dann zu dem Verlust einer V-Person führen können, wenn diese enttarnt wird. Es kann bereits ausreichen, dass eine V-Person den subjektiven Eindruck gewinnt, die Vertraulichkeit ihrer Tätigkeit sei nicht hinreichend gesichert (vgl. Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>). Sie wird die Zusammenarbeit dann möglicherweise von sich aus beenden. Darüber hinaus kann die Enttarnung einer V-Person dazu führen, dass die Beobachtung einer bestimmten Gruppierung und die Umstände dieser Maßnahme bekannt werden. Dies wiederum kann zur Folge haben, dass bereits erlangte Informationen ihren Nutzen verlieren und die künftige Informationsgewinnung erschwert wird (so auch BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Gegebenenfalls treten diese Folgen nicht erst mit der Enttarnung der V-Person ein, sondern schon dann, wenn bekannt wird, dass eine V-Person eingesetzt worden ist.

114

bb) Werden quellenbezogene Informationen bekannt, kann die Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste auch über den konkreten Einzelfall hinaus für die Zukunft generell beeinträchtigt werden. Zum einen können Informationen bekannt werden, die für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste von Bedeutung sind. Dies betrifft insbesondere das Vorgehen der Behörden bei der Anwerbung und Führung von sowie der Kommunikation mit V-Leuten und sonstigen Quellen. Das Bekanntwerden derartiger Informationen kann es den zu beobachtenden Gruppierungen ermöglichen, Abwehrstrategien gegen ihre Infiltration und Beobachtung zu entwickeln. Zum anderen ist der Quellenschutz eine Voraussetzung für die weitere Nutzung aktiver und die Gewinnung neuer Informationsquellen (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Von besonderer Bedeutung ist dabei die Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen. Sie ist unverzichtbare Voraussetzung für die Anwerbung und Führung von V-Personen. Die Effektivität der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste unter Einsatz von V-Personen ist davon abhängig, dass das Vertrauen in die Einhaltung gegebener Vertraulichkeitszusagen nicht erschüttert wird. Werden Informationen über V-Leute und sonstige verdeckte Quellen herausgegeben, schwächt dies das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass eine V-Person oder eine sonstige Quelle enttarnt wird (vgl. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 280). Darüber hinaus kann auch in diesem Zusammenhang bereits der (subjektive) Eindruck ausreichen, die Vertraulichkeit sei nicht gesichert, um aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abzuhalten und die Gewinnung neuer Quellen zu erschweren (vgl. Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, S. 387 <391 f.>; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1266>).

115

2. Dem Geheimhaltungsinteresse steht ein gewichtiges Informationsinteresse des Parlaments an der Beantwortung Kleiner Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen und insbesondere von V-Leuten gegenüber.

116

Wie alle anderen Organe der vollziehenden Gewalt unterliegen auch die Nachrichtendienste der Kontrolle durch das Parlament. Der Bundestag ist daher berechtigt und verpflichtet, seine Kontrollaufgaben gegenüber der Regierung im nachrichtendienstlichen Bereich unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente vom Fragerecht des Abgeordneten bis hin zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen wahrzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 149, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Kontrollinstrumente stehen nicht in einem Alternativ- oder Spezialitätsverhältnis zueinander (vgl. § 1 Abs. 2 PKGrG; BTDrucks 8/1599, S. 6).

117

Bezieht sich eine parlamentarische Anfrage auf einen für Staat und Gesellschaft besonders bedeutsamen Bereich, hat die Öffentlichkeit ein gesteigertes Interesse an parlamentarischer Kontrolle. Bei dem Einsatz von V-Leuten zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sowie insbesondere zur Verhinderung und Aufklärung schwerwiegender Straftaten geht es um die Sicherheit des Staates und seiner Bevölkerung. Hierzu kann es erforderlich sein, Personen aus extremistischen oder kriminellen Milieus als V-Leute einzusetzen. Wenn öffentliche Stellen mit einer V-Person kooperiert haben, die im Verdacht steht, erhebliche, gegebenenfalls dem extremistischen Milieu zuzuordnende Straftaten begangen zu haben, ist zu berücksichtigen, dass das parlamentarische Informationsinteresse von besonderem Gewicht ist, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

118

Schließlich kommt der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste angesichts von Art und Umfang der ihnen an die Hand gegebenen nachrichtendienstlichen Mittel und wegen der mit der Anwendung dieser Mittel einhergehenden Schwere von Grundrechtseingriffen, der Unbemerkbarkeit des Handelns dieser Behörden und der fehlenden Transparenz des anschließenden Datenverarbeitungsvorgangs für die Betroffenen (vgl. BVerfGE 100, 313 <361>) eine besondere Aufklärungsfunktion zu (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 151, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

119

3. Wenn verfassungsrechtlich verankerte Geheimhaltungsinteressen und parlamentarische Auskunftsansprüche in Konflikt geraten, müssen die unterschiedlichen Interessen in der Weise in Ausgleich gebracht werden, dass beide soweit wie möglich ihre Wirkung entfalten. Insbesondere soweit Anfragen Umstände betreffen, die aus Gründen des Staatswohls geheimhaltungsbedürftig sind, stellt sich die Frage, ob und auf welche Weise dieses Anliegen mit dem jeweiligen parlamentarischen Informationsanspruch in Einklang gebracht werden kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <189>).

120

a) In Bezug auf die Tätigkeit von Nachrichtendiensten kommt eine grundsätzliche Begrenzung des Informationsanspruchs des Bundestages, wie sie im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Frage- und Informationsrecht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle für Anfragen zu Vorgängen vor Erlass einer positiven Genehmigungsentscheidung im Ansatz vorgenommen wurde (vgl. BVerfGE 137, 185 ff.), nicht in Betracht. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen, zu entsprechenden Voranfragen von Rüstungsunternehmen und zu abschlägig beschiedenen Anträgen können aus Gründen des Staatswohls verweigert werden, weil das vorzeitige Bekanntwerden sensibler Rüstungsexportgeschäfte zu Verwerfungen im Verhältnis zu dem jeweiligen Erwerberland führen, die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung beeinträchtigen und zu Einbußen für die inländische Rüstungsindustrie führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <251 ff. Rn. 173 ff.>).

121

Damit ist die Beantwortung von Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen durch die Nachrichtendienste nicht vergleichbar. Antworten auf solche parlamentarischen Anfragen beeinträchtigen berechtigte Geheimhaltungsinteressen nicht in jedem denkbaren Fall und lassen eine solche Beeinträchtigung auch nicht stets besorgen. Denn aus der Vielfalt der möglichen Sachverhaltskonstellationen folgt, dass weder aus der Beantwortung einzelner Fragen noch aus der Verweigerung einer Antwort zwingend Erkenntnisse über die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gewonnen werden können, die sich nachteilig auf ihre Funktionsfähigkeit auswirken. Die Konstellationen im Bereich ihrer verdeckten Tätigkeit sind derart vielfältig, dass eine Abwägung nicht in jedem Fall zu einem Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses führt.

122

b) Allerdings kann sich die Bundesregierung zur Begründung einer Antwortverweigerung bei Fragen zum Einsatz verdeckt handelnder Personen in der Regel auf entgegenstehende Gründe des Staatswohls und deren Grundrechte berufen, wenn die an sie gerichteten Fragen einen Bezug zu konkreten Personen aufweisen. Insbesondere bei Fragen, die möglicherweise noch aktive V-Leute betreffen oder sich auf aktuelle beziehungsweise noch nicht weit zurückliegende Ereignisse beziehen, ist regelmäßig von der Gefahr einer Enttarnung der V-Leute und damit zugleich von einer Gefährdung ihrer Grundrechte oder der Grundrechte ihnen nahestehender Personen auszugehen. Dies wiederum zieht die Möglichkeit nach sich, dass Rückschlüsse auf die Anwerbung von V-Leuten, die Art und Weise ihres Einsatzes und gegebenenfalls ihre Anzahl, also Erkenntnisse zu der Arbeitsweise der Nachrichtendienste bekannt werden könnten. Diese Risiken dürften regelmäßig auch noch nach der Abschaltung einer verdeckten Quelle fortbestehen. Das berechtigte Interesse an einer Antwortverweigerung besteht in diesen Fällen unabhängig davon, ob eine konkrete Person als V-Person eingesetzt worden ist oder nicht. Anderenfalls könnte aus der Antwortverweigerung in vergleichbaren Fällen im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die dort in Rede stehende Person eine V-Person (gewesen) ist.

123

Eine negative Auskunft zu einer bestimmten Person könnte zudem den Verdacht auf andere Personen lenken oder einen bereits bestehenden Verdacht erhärten und somit diese Personen oder ihr Umfeld gefährden. Aber auch unabhängig von der Gefährdung grundrechtlicher Belange in einem konkreten Einzelfall und ungeachtet des Zeitablaufs kann die Enttarnung von verdeckt handelnden Personen eine Gefährdung der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden darstellen, da durch die Herausgabe von Informationen über V-Leute oder sonstige verdeckte Quellen das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen geschwächt und damit noch aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abgehalten und die Gewinnung neuer Quellen erschwert werden können. Solche nachteiligen Auswirkungen müssen von der Bundesregierung nicht ohne weiteres in Kauf genommen werden - ebenso wenig wie die Gefährdung der Grundrechte von V-Leuten oder ihnen nahestehender Personen.

124

Selbst bei Fragen zum Einsatz konkreter Personen als V-Leute sind jedoch eng begrenzte Ausnahmefälle denkbar, in denen das parlamentarische Informationsinteresse überwiegt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn aufgrund besonderer Umstände eine Gefährdung grundrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint und eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht ernsthaft zu befürchten ist. Bei dieser Abwägung ist der Zeitablauf ein bedeutsamer - wenn auch nicht allein ausschlaggebender - Faktor. So kann sich im Einzelfall bei weit zurückliegenden Vorgängen die Geheimhaltungsbedürftigkeit erheblich vermindert oder erledigt haben (vgl. BVerfGE 124, 161 <194>).

125

c) Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Beantwortung bestimmter Fragen nicht in Betracht kommt, ist sie gehalten zu prüfen, ob eine Beantwortung unter Einstufung nach der Geheimschutzordnung möglich ist. Aus dieser Möglichkeit folgt jedoch nicht, dass jede Anfrage nach Vornahme einer entsprechenden Einstufung beantwortet werden muss. Gerade im Bereich verdeckt handelnder Personen, deren Einsatz für das Staatswohl von großer Bedeutung und zugleich in hohem Maße geheimhaltungsbedürftig ist, besteht hinsichtlich bestimmter Informationen ein legitimes Interesse, den Kreis der Geheimnisträger auf das notwendige Minimum zu beschränken. Je größer dieser Kreis ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Geheimnisse - sei es absichtlich oder versehentlich - weitergegeben oder ausgespäht werden (vgl. BVerfGE 70, 324 <364>). Besonders geheimhaltungsbedürftige Informationen aus dem Bereich des Quellenschutzes können dem Parlament daher auch dann vorenthalten werden, wenn beiderseits Vorkehrungen gegen ihr Bekanntwerden getroffen worden sind. Einfachrechtlich hat der Gesetzgeber dies in § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG anerkannt, wonach selbst dem zur Geheimhaltung verpflichteten Parlamentarischen Kontrollgremium bestimmte Informationen vorenthalten werden können. Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass das Staatswohl und der Grundrechtsschutz auch dem Parlament anvertraut sind und dieses insoweit nicht als außenstehend behandelt werden darf. Es geht allein darum, den Kreis der Geheimnisträger bei besonders geheimhaltungsbedürftigen Informationen unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Staatsgewalt möglichst klein zu halten. Dementsprechend beschränkt sich der Kreis der Geheimnisträger gerade im Bereich des Einsatzes verdeckt handelnder Personen auch innerhalb der Exekutive auf nur wenige Personen.

III.

126

Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (1.) und - jedenfalls teilweise - bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (2.) verkannt und hierdurch Rechte der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sowie des Deutschen Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.

127

Die Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen fällt in den Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin. Sie zielen auf Erkenntnisse der Antragsgegnerin selbst oder der ihr nachgeordneten Behörden. Im Übrigen hat sich die Antragsgegnerin - auch hinsichtlich der Fragen nach Informationen der Landesämter für Verfassungsschutz - nicht auf eine fehlende Zuständigkeit berufen. Als Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs kommen vorliegend nur das Staatswohl und die Grundrechte in Betracht.

128

1. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht genügt. Sie hat keine Gründe vorgebracht, die eine Auskunftsverweigerung aufgrund von Staatswohlbelangen rechtfertigen würden (a)), und ihren Ausführungen lässt sich nicht nachvollziehbar entnehmen, dass Grundrechte Lembkes oder Dritter gefährdet werden könnten (b)).

129

a) Die begehrte Information, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann gewesen sei, ist von dem parlamentarischen Auskunftsrecht grundsätzlich umfasst. Die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung rechtfertigt nicht die Verweigerung der Antwort.

130

Die Antragsgegnerin vertritt in ihrer ablehnenden Entscheidung die Auffassung, dass das Bekanntwerden des Namens einer V-Person Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste zuließe. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Quellen der Nachrichtendienste bekannt würden, was zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit führe. Eine solchermaßen abstrakt gehaltene Begründung mag im Regelfall ausreichen. Die Antragsgegnerin muss Fragen zum Einsatz bestimmter Personen als V-Leute durch die Nachrichtendienste aufgrund entgegenstehender Staatswohlbelange und Grundrechte grundsätzlich nicht beantworten. Jedoch handelt es sich hier um einen besonders gelagerten Ausnahmefall.

131

Dem parlamentarischen Informations- und Kontrollinteresse kommt besondere Bedeutung zu, weil es der Antragstellerin zu 1. im Zuge einer anstehenden Neuregelung des Einsatzes von V-Leuten darum ging festzustellen, ob es - auch in der Vergangenheit - zu einer Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten gekommen ist. Bei Heinz Lembke handelte es sich um eine Person, der erhebliche Straftaten im rechtsextremistischen Milieu vorgeworfen wurden. Insofern hatte die Antragstellerin zu 1. ein nachvollziehbares Interesse, auch mit Blick auf eine mögliche Verbindung von V-Leuten zu den Aktivitäten des NSU Verdachtsmomenten nachzugehen, wonach bereits im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten zur Verhinderung oder Aufklärung des Anschlags genutzt worden seien. Damit verfolgte die Antragstellerin zu 1. das Ziel, mögliche Rechtsverstöße oder Missstände beim Einsatz von V-Leuten mit Blick auf zukünftige gesetzliche Regelungen aufzuklären, was ihrem Informationsinteresse ein besonders hohes Gewicht verleiht.

132

Demgegenüber vermögen die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe für die Antwortverweigerungangesichts der besonderen Umstände des Falles nicht zu überzeugen. Ein aktueller oder künftiger Einsatz Lembkes als V-Person kommt offensichtlich nicht mehr in Betracht. Aus der Begründung der Antragsgegnerin ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl laufende oder künftige Aufklärungseinsätze oder Ermittlungen gefährdet werden könnten. Dies gilt selbst dann, wenn man unterstellt, dass Personen aus Lembkes damaligem Umfeld auch heute noch im Fokus der Nachrichtendienste stehen. Zu denken wäre hier etwa an Karl-Heinz Hoffmann. Dass die Wehrsportgruppe Hoffmann von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet wurde, lässt sich den veröffentlichten Berichten des Bundesamts für Verfassungsschutz entnehmen. Dass aktuelle Einsätze der Nachrichtendienste erschwert werden könnten, wenn den betroffenen Personen darüber hinaus bekannt würde, dass der 1981 verstorbene Heinz Lembke ein V-Mann war, ist weder plausibel begründet worden noch sonst ersichtlich.

133

Soweit die Antragsgegnerin nach Einleitung des Organstreitverfahrens vorgetragen hat, dass die Beantwortung der Frage 2 a) mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht gehört werden. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der nicht näher ausgeführte Vortrag, dass eine Antwort auf die Frage etwaigen Tatbeteiligten ermögliche, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren oder andere Verdunklungsmaßnahmen zu ergreifen, zur Begründung der Antwortverweigerung ausreichen würde. Dies kann jedoch dahinstehen, weil die Antragsgegnerin die Ablehnung der Beantwortung dieser Frage nicht hierauf gestützt, sondern erstmals in ihrer Antragserwiderung auf das Ermittlungsverfahren Bezug genommen hat. Dabei handelt es sich um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen.

134

Ferner ist nicht plausibel begründet, weshalb die Antragsgegnerin in diesem Fall von einer Beeinträchtigung der allgemeinen Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste ausgeht. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann war, Rückschlüsse auf die derzeitige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen sollte. Zum einen würden keine Einzelheiten des damaligen Verhältnisses der Behörden zu Lembke bekannt. Dies gilt etwa für den Zeitpunkt und die Umstände seiner Anwerbung oder die Art und Weise der Führung von V-Personen. Zum anderen läge eine etwaige V-Mann-Tätigkeit Lembkes bereits so lange zurück, dass sich keine konkreten Rückschlüsse auf die heutige Vorgehensweise der Behörden ziehen lassen dürften. Dies gilt auch, soweit die Antragsgegnerin vorträgt, eine Antwort müsse wegen drohender Konsequenzen für die Arbeit der betreffenden Landesbehörden unterbleiben. Auch insoweit hat die Antragsgegnerin nicht dargetan, welche negativen Auswirkungen auf die Arbeit der Landesbehörden sie vor dem Hintergrund des erheblichen Zeitablaufs von über 30 Jahren befürchtet.

135

Zudem ist nicht hinreichend dargelegt, warum die ausnahmsweise Nichteinhaltung der gegebenen Vertraulichkeitszusage gegenüber Lembke Rückwirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste haben könnte. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles, nämlich der durch Lembke mutmaßlich begangenen erheblichen Straftaten und seines Todes vor über 30 Jahren, hätte es konkreter Ausführungen bedurft, warum sich aktuelle oder potentielle V-Leute hiervon bei ihrer Entscheidung, als V-Person tätig zu werden, maßgeblich beeinflussen lassen könnten. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Bereitschaft aktueller oder potentieller V-Leute zur Zusammenarbeit mit den Behörden entscheidend davon abhängt, ob die Vertraulichkeit auch Jahrzehnte nach ihrem Ableben noch gesichert erscheint. Dies gilt umso mehr, als die Vertraulichkeit grundsätzlich auch nach einem derart langen Zeitablauf gewahrt und nur ausnahmsweise bei Vorliegen gewichtiger Gründe aufgehoben werden kann, die das Geheimhaltungsinteresse im Einzelfall überwiegen.

136

b) Die Antragsgegnerin hat auch keine Gründe vorgebracht, die eine Verweigerung der Antwort auf die Frage 2 a) aus Gründen des Grundrechtsschutzes rechtfertigen.

137

Mit Blick auf Lembke ist eine Gefährdung der in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG genannten Rechtsgüter ausgeschlossen, weil er bereits 1981 verstorben ist. Der postmortale Persönlichkeitsschutz aus Art. 1 Abs. 1 GG steht der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft Lembkes ebenfalls nicht entgegen. Unabhängig davon, wie die Antwort auf die Frage ausfällt, ist mit ihr keine Erniedrigung oder Herabwürdigung der Person Lembkes verbunden. Ob der grundrechtliche Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes oder zumindest dessen objektiv-rechtlicher Gehalt einer Antwort nach dem Tod Lembkes überhaupt entgegenstehen kann, kann offenbleiben. Jedenfalls müsste ein sich daraus ergebendes Geheimhaltungsinteresse vor dem Hintergrund des Zeitablaufs von über 30 Jahren hinter dem besonders gewichtigen Informations- und Kontrollinteresse der Antragstellerin zu 1. und des Bundestages zurückstehen. Außerdem hat sich die Antragsgegnerin bei der Begründung ihrer Antwortverweigerung mit Blick auf den Grundrechtsschutz lediglich auf Art. 2 Abs. 2 GG gestützt, so dass im Übrigen ein unzulässiges Nachschieben von Gründen vorliegt.

138

Auf die Möglichkeit der Gefährdung von Grundrechten Lembke nahestehender Personen hat sich die Antragsgegnerin ebenfalls erst nach Einleitung des Organstreitverfahrens berufen. Zudem ist das Vorliegen einer derartigen Gefahr im konkreten Fall nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Vielmehr erscheint es angesichts des Zeitablaufs und der Auflösung der Wehrsportgruppe Hoffmann sehr unwahrscheinlich, dass Angehörige von Lembke oder sonstige ihm nahestehende Personen gefährdet wären, wenn bekannt würde, dass er ein V-Mann war. Für die Annahme, dass Personen aus dem damaligen Umfeld Lembkes aus der Antwort der Antragsgegnerin Rückschlüsse auf eine etwaige V-Person-Tätigkeitanderer Personen ziehen könnten, liegen ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte vor. Allein die niemals vollständig auszuschließende, im vorliegenden Fall aber fernliegende Möglichkeit derartiger Rückschlüsse genügt für eine Antwortverweigerung nicht.

139

2. Die Antragsgegnerin hat auch ihrer Antwortpflicht hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 nur teilweise genügt. Während die Begründung die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 nicht trägt (a)), war die Antwortverweigerung hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 teilweise gerechtfertigt (b)).

140

Soweit die Antragsgegnerin eine Beantwortung der Fragen abgelehnt hat, hat sie dies im Wesentlichen aus denselben Gründen getan wie bei der Ablehnung einer Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Zum einen hat sie darauf verwiesen, dass anderenfalls Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden könnten. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre. Zum anderen müssten Leben und körperliche Unversehrtheit etwaiger V-Leute geschützt werden.

141

a) Bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar dargelegt, inwieweit das Staatswohl (aa)) oder die Grundrechte etwaiger V-Leute oder Dritter (bb)) durch eine vollständige Beantwortung gefährdet sein sollen. Sie hat die Fragen 14 bis 16 zusammenfassend dahingehend beantwortet, dass ihr zum Oktoberfestattentat aus den Jahren 1980 bis 1985 fünf Quellenmeldungen vorlägen. Hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin die Auskunft erteilt, in die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" hätten 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang gefunden. Eine Aufschlüsselung dieser Meldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden (Bundesamt für Verfassungsschutz, Landesämter für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst) hat die Antragsgegnerin sowohl hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 als auch hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 verweigert.

142

aa) Der Begründung der Antragsgegnerin lässt sich nicht entnehmen, weshalb sich aus der erbetenen Aufschlüsselungrelevante Erkenntnisse über die Identität von V-Leuten oder die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ergeben könnten. Dies erscheint vielmehr gleich aus mehreren Gründen fernliegend. Es lässt sich nicht nachvollziehen, wie sich aus einer nach Jahren und Ursprungsbehörden aufgeschlüsselten Angabe der Zahl der Quellenmeldungen Rückschlüsse auf die Identität einzelner V-Personen ziehen lassen sollen. Insbesondere ist nicht nach Meldungen von V-Leuten, sondern allgemein nach Meldungen von Quellen gefragt worden. Hierzu zählen auch Meldungen von Gewährsleuten oder sonstigen Informanten. Darüber hinaus ist nicht danach gefragt worden, in welcher Beziehung die Quellen zu bestimmten Gruppierungen - insbesondere der Wehrsportgruppe Hoffmann - standen. Bei einer vollständigen Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 würden somit weder Erkenntnisse zur Zusammenarbeit einer Quelle mit einer bestimmten Behörde noch zu ihrer Verbindung zu einer bestimmten Gruppierung offenbart werden. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass nicht nach der Anzahl der Quellen, sondern nach der Anzahl der Quellenmeldungen gefragt worden ist. Aus der Anzahl der Quellenmeldungen lassen sich keine belastbaren Rückschlüsse auf die Zahl der von einer Behörde geführten Quellen ziehen. Dies gilt selbst dann, wenn eine Behörde in einem Jahr nur eine einzige oder gar keine Quellenmeldung im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat oder der Wehrsportgruppe Hoffmann erhalten haben sollte. Hinzu kommt, dass im Rahmen der Fragen 15 und 20 (Anzahl der Meldungen von Quellen der Landesämter für Verfassungsschutz) keine Differenzierung nach Ländern erbeten worden ist, aus der sich möglicherweise Anhaltspunkte bezüglich der Herkunft der Quelle ergeben könnten; es ist lediglich um Mitteilung der Gesamtzahl der Quellenmeldungen von allen Landesämtern gebeten worden.

143

Dass eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen und dadurch deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigen könnte, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Dass Nachrichtendienste Informationen aus vertraulichen Quellen erlangen, ist allgemein bekannt. Aus den nach Jahren und Behörden aufgeschlüsselten Zahlen der Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat oder zur Wehrsportgruppe Hoffmann lassen sich allenfalls gewisse Rückschlüsse auf den Umfang der Beobachtung von Personen und Gruppierungen ziehen, die möglicherweise in irgendeinem Zusammenhang zum Oktoberfestattentat standen. Zu der Art und Weise, wie die Quellen damals geführt wurden, ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte. Erst recht lassen sich keine Rückschlüsse auf den heutigen Einsatz von Quellen ziehen.

144

bb) Die Begründung der Antragsgegnerin rechtfertigt auch keine Verweigerung der begehrten Aufschlüsselung zum Schutz der Grundrechte. Da die begehrten Informationen aus den genannten Gründen keinen hinreichend konkreten Bezug zu verdeckt tätigen Personen aufweisen, ist nicht zu besorgen, dass grundrechtlich geschützte Rechtsgüter etwaiger V-Leute oder Dritter gefährdet werden könnten.

145

b) Hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31, die auslegungsbedürftig sind (aa)), ist zu differenzieren. Soweit nach dem "Ob" des Einsatzes von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute gefragt wurde, werden die Antworten der Antragsgegnerin - mit Ausnahme der Fragen 24 und 25 zum Bundesnachrichtendienst - den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht (bb)). Die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute hält der verfassungsgerichtlichen Prüfung ebenfalls nur teilweise stand (cc)).

146

aa) Die Fragen 23, 25, 29 und 31 beziehen sich bei wörtlichem Verständnis auf die Tätigkeit von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat. Dieses fand am 26. September 1980 statt, die Wehrsportgruppe Hoffmann wurde jedoch schon am 30. Januar 1980 mit sofortiger Wirkung verboten und aufgelöst. Bereits etwa acht Monate vor dem Oktoberfestattentat gab es daher "Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann" im eigentlichen Sinne nicht mehr.

147

Die Fragen 23, 25, 29 und 31 sind jedoch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie gestellt wurden (vgl. BVerfGE 110, 199 <213>; 137, 185 <229 Rn. 124>), dahingehend auszulegen, dass um Auskunft gebeten wird, ob ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute tätig waren. Da die Fragen nur bei diesem Verständnis sinnvoll sind, hatte die Antragsgegnerin eine solche Auslegung vorzunehmen. Dabei hatte die Antragsgegnerin außerdem zu berücksichtigen, dass die Fragen nicht den Einsatz von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann in dem Zeitraum nach dem Oktoberfestattentat bis heute erfassen sollen. Vielmehr erlaubt eine Gesamtwürdigung des Begehrens der Antragstellerinnen nur ein Verständnis, wonach die Fragen auf den Einsatz ehemaliger Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann zeitnah zu dem Attentat gerichtet sind.

148

bb) Die Beantwortung der Fragen, ob unter den Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, hat die Antragsgegnerin aus Gründen des Staatswohls und des Grundrechtsschutzes abgelehnt. Insoweit genügen ihre Antworten den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil der abstrakte Verweis darauf, Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste könnten bekannt und Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten gefährdet werden, nicht ausreicht, um das Informationsinteresse des Parlaments einzuschränken ((1)). Die Verweigerung der Antworten auf die Fragen 24 und 25 zu einer Tätigkeit für den Bundesnachrichtendienst ist demgegenüber gerechtfertigt ((2)).

149

(1) Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, das Staatswohl könnte dadurch beeinträchtigt werden, dass durch eine Beantwortung der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann Rückschlüsse auf die aktuelle Arbeitsweise und die Organisation der Nachrichtendienste ermöglicht werden könnten, erscheint dies nicht nachvollziehbar. Der Umstand, dass Nachrichtendienste damals wie heute V-Leute einsetzen, ist allgemein bekannt. Welche darüber hinausgehenden Rückschlüsse die Antragsgegnerin für möglich hält, legt sie nicht plausibel dar.

150

Die abstrakt gehaltene Begründung der Antragsgegnerin, eine Beeinträchtigung des Staatswohls könne dadurch erfolgen, dass eine Auskunft, wonach unter den (ehemaligen) Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann eine oder mehrere V-Personen waren, zusammen mit entsprechendem Zusatzwissen zu einer Enttarnung führen könne, lässt sich zwar nicht vollständig von der Hand weisen. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Personen enttarnt werden könnten, aufgrund der hier gegebenen Umstände so gering, dass sie eine Einschränkung des parlamentarischen Informationsrechts nicht mehr zu rechtfertigen vermag. Die Wehrsportgruppe Hoffmann hatte zum Zeitpunkt ihrer Auflösung etwa 400 Mitglieder. Zwar war sie in lokale Untergruppen aufgeteilt. Selbst bei einer Bestätigung, dass (ehemalige) Mitglieder V-Leute waren, wäre noch keine Aussage über deren Zuordnung zu einer lokalen Untergruppe getroffen. Mitglieder der Wehrsportgruppe könnten sich - sollten sie den Verdacht gehabt haben, es seien V-Leute unter ihnen - lediglich bestätigt fühlen. Rückschlüsse auf einzelne Personen wären nicht möglich.

151

Auch die Gefahr einer Verunsicherung unter aktuellen oder potentiellen V-Leuten, die zu einer Erschwernis der Anwerbung und Führung von V-Leuten führen könnte, dürfte angesichts des Umstands, dass der Einsatz von V-Leuten in rechtsextremen Milieus allgemein bekannt ist, äußerst gering sein. Hinzu kommt, dass im Falle einer Verneinung der Fragen danach, ob die Antragsgegnerin den Einsatz von V-Leuten bei den Verfassungsschutzämtern ausschließen (Fragen 22 und 23) beziehungsweise "nach ihrer Kenntnis ausschließen" (Fragen 28 und 29) kann, nicht einmal eine sichere Bestätigung des Vorhandenseins von V-Leuten erlangt werden könnte. Dies gilt insbesondere, soweit sich die Fragen auf die Landesämter für Verfassungsschutzbeziehen. Aus der Mitteilung, die Antragsgegnerin könne nach ihrer Kenntnis nicht ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für ein Landesamt tätig waren, lässt sich nicht ohne weiteres der Schluss ziehen, dass es bei den Landesämtern solche V-Leute gab.

152

Soweit die Antragsgegnerin erstmals in ihrer Antragserwiderung vorgetragen hat, dass eine Beantwortung der Fragen auch mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht durchdringen. Insoweit kann auf die Ausführungen zu Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwiesen werden.

153

Mit Blick auf den Grundrechtsschutzkönnen Gefahren für Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Auch diesbezüglich ist aber zu berücksichtigen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Enttarnung von V-Leuten aufgrund der bloßen Auskunft darüber, ob (ehemalige) Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, sehr gering ist. Zwar erscheint es möglich, dass sich etwaige ehemalige V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann auch heute noch in einem gewaltbereiten rechtsextremen Umfeld bewegen und daher in besonderer Weise Gefahren ausgesetzt sind. Zumindest ein Teil der Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe - insbesondere auch Karl-Heinz Hoffmann selbst - hat sich von dem Gedankengut der Gruppe bis heute nicht gelöst und verfolgt weiterhin aktiv die öffentliche Diskussion über die damaligen Ereignisse. Dass sich die Gefahr für solche V-Leute durch eine bloße Bejahung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten aus der Wehrsportgruppe Hoffmann merklich erhöht, ist vor dem Hintergrund, dass der Einsatz von V-Leuten in diesen Milieus allgemein bekannt ist, aber sehr unwahrscheinlich.

154

(2) Etwas anderes gilt hinsichtlich der Fragen 24 und 25, die sich auf den Bundesnachrichtendienst beziehen. Die Gefahr einer Enttarnung vom Bundesnachrichtendienst möglicherweise eingesetzter V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann wäre schon dann erheblich, wenn die Antragsgegnerin ihre bloße Existenz bestätigte.

155

Angesichts der Zuständigkeit des Bundesnachrichtendienstes für die Gewinnung von Auslandserkenntnissen (vgl. § 1 Abs. 2 BNDG) kommen als etwaige V-Leute dieser Behörde insbesondere die Mitglieder der damals im Libanon operierenden "Wehrsportgruppe Ausland" in Betracht. Diese Nachfolgeorganisation der Wehrsportgruppe Hoffmann, der auch Hoffmann selbst angehörte, hatte nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes nur noch 15 Mitglieder. In Anbetracht dieser geringen Zahl würde die Gefahr einer Enttarnung bei einer positiven Beantwortung erheblich steigen. Daher durfte die Antragsgegnerin die Antwort auf diese Fragen verweigern. Angesichts der erheblichen Gefahr einer Enttarnung hätte die Auskunft auch nicht nach Maßgabe der Geheimschutzordnung erteilt werden müssen. Denn dabei wäre wegen der großen Anzahl der Geheimnisträger die Wahrscheinlichkeit erhöht worden, dass die mitgeteilten Informationen weitergegeben oder ausgespäht worden wären. Dieses Risiko musste die Antragsgegnerin wegen der Gefahren für das Staatswohl und die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter etwaiger V-Leute nicht in Kauf nehmen.

156

cc) Soweit mit den Fragen 23 und 28 bis 31 über das "Ob" hinausgehende Auskünfte zum Einsatz von V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann beziehungsweise von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe begehrt wurden, rechtfertigt die Begründung der Antragsgegnerin eine Antwortverweigerung nur teilweise. Auskünfte dazu, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat für das Bundesamt für Verfassungsschutz (Frage 23) sowie vor und nach dem Attentat für Landesämter für Verfassungsschutz (Fragen 30 und 31) tätig waren, durften mit der gegebenen Begründung nicht verweigert werden ((1)). Eine Antwort auf die Fragen, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe vor und nach dem Attentat für welches Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren (Fragen 28 und 29), hat die Antragsgegnerin dagegen zu Recht verweigert ((2)).

157

(1) Die Beantwortung der Fragen zu der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute im Bundesamt für Verfassungsschutz einerseits (Frage 23) und in den Landesämtern für Verfassungsschutz andererseits (Fragen 30 und 31) darf mit Blick auf die Bedeutung des parlamentarischen Informationsrechts aus den von der Antragsgegnerin genannten Gründen nicht verweigert werden. Zwar wird die Gefahr der Enttarnung von V-Personen umso größer, je mehr Details über ihren Einsatz mitgeteilt werden. Daher erhöht sich die Gefahr einer Enttarnung auch durch die Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute. Die Information, wie viele V-Leute eingesetzt waren, unterscheidet sich qualitativ von der bloßen Bestätigung eines mutmaßlich bereits bestehenden Verdachts der Öffentlichkeit, dass V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann eingesetzt waren. Die Anzahl von V-Leuten ist eine Information, die der Öffentlichkeit nicht bekannt sein kann. Jedoch erscheint es kaum möglich, allein aufgrund der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute aus der Wehrsportgruppe beim Bundesamt für Verfassungsschutz und beiden Landesämtern für Verfassungsschutz nach über 30 Jahren Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise dieser Behörden und die Identität einzelner V-Personen zu ziehen.

158

(2) Die Grenze der Geheimhaltungsbedürftigkeit wird jedoch durch die Fragen danach, wie viele V-Leute für welches Landesamt für Verfassungsschutztätig waren (Fragen 28 und 29), überschritten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe gelingen könnte, etwaige V-Leute zu enttarnen, steigt schon an, wenn deren genaue Anzahl bekannt wird. Dies gilt in verstärktem Maße, wenn bei den ehemaligen V-Leuten der Landesämter für Verfassungsschutz zusätzlich bekannt würde, für welches Landesamt sie tätig waren. Diese Information könnte eine Eingrenzung der damaligen Wohnorte etwaiger V-Leute oder ihre Zuordnung zu einzelnen Ortsgruppen der Wehrsportgruppe ermöglichen.

159

Vor diesem Hintergrund ist eine Beeinträchtigung von Belangen des Staatswohls in Gestalt der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht von der Hand zu weisen. Da möglicherweise noch immer aktive, zumindest aber noch lebende V-Leute enttarnt werden könnten, überwiegt das Geheimhaltungsinteresse. Würden ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe als V-Leute enttarnt, könnten diese künftig nicht mehr als solche eingesetzt werden. Dass damalige V-Leute heute noch für die Behörden tätig sind, ist angesichts des Zeitablaufs zwar nicht besonders wahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen. Es erscheint jedenfalls möglich, dass diese Personen noch immer in der rechtsextremen Szene aktiv und weiterhin zur Kooperation mit den Behörden bereit sind. Unabhängig davon, ob es zu einer Enttarnung kommt, könnte die Mitteilung der abgefragten Informationen das Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen schwächen und aktuelle oder potentielle V-Leute verunsichern. Auch die bereits erörterten Bedenken hinsichtlich des Grundrechtsschutzes kommen mit Blick auf die erbetenen Zusatzinformationen in verstärktem Maße zum Tragen.

160

Die Antragsgegnerin durfte daher entsprechende Auskünfte unter Berufung auf das Staatswohl und den Schutz der Grundrechte etwaiger V-Leute verweigern. Sie musste die Auskünfte auch nicht unter Anwendung der Geheimschutzordnung erteilen, weil die Wahrscheinlichkeit einer unerlaubten Informationsweitergabe steigt, je größer die Zahl der Geheimnisträger ist. Dieses Risiko muss aufgrund der möglichen Enttarnung von V-Leuten, der damit einhergehenden Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte dieser Personen nicht in Kauf genommen werden.

D.

161

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), sind hier nicht ersichtlich.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat

a) die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3117) sowie

b) die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 23 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3810)

nach Maßgabe der Gründe in ihren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.

2. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragstellerinnen sind Fraktionen des Deutschen Bundestages. Sie machen die unvollständige Beantwortung zweier Kleiner Anfragen der Antragstellerinnen zu Erkenntnissen der Nachrichtendienste über das Attentat auf das Münchner Oktoberfest am 26. September 1980 und einer diesbezüglich möglichen Verstrickung von Vertrauensleuten (im Folgenden: V-Leute) dieser Behörden geltend.

I.

2

1. Am 26. September 1980 um 22.20 Uhr explodierte am Haupteingang des Münchner Oktoberfests ein Sprengsatz. Neben dem Attentäter, dem 21 Jahre alten Gundolf Köhler aus Donaueschingen, starben 12 Personen im Alter zwischen 11 und 52 Jahren; 211 Menschen wurden verletzt. Das Oktoberfestattentat gilt als der schwerste rechtsterroristische Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Der Generalbundesanwalt schloss die Ermittlungen zu dem Attentat mit einem Schlussbericht vom 23. November 1982 ab. Darin hieß es, für eine Tatbeteiligung Dritter sprächen unterschiedliche Beweiserkenntnisse, die einen abschließenden Nachweis der Tatbeteiligung anderer Personen jedoch nicht zuließen. Hinweise darauf, dass Köhler nicht als Alleintäter gehandelt hatte, ergaben sich insbesondere aus den Aussagen zweier Zeugen.

3

2. Ungeklärt blieb nach Abschluss der Ermittlungen die Rolle des 1937 geborenen Karl-Heinz Hoffmann, des Gründers der so genannten "Wehrsportgruppe Hoffmann". Der von Hoffmann im Jahr 1973 ins Leben gerufene, nach militärischen Gesichtspunkten organisierte Verband wurde seit seiner Gründung vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Bei Hoffmann wurde im Rahmen einer bereits vor dem Attentat durchgeführten Durchsuchung Material sichergestellt, aus dem sich ergab, dass der Attentäter Köhler im Februar 1976 im Briefwechsel mit Hoffmann gestanden hatte; er soll auch an zwei Übungen der Wehrsportgruppe teilgenommen haben (vgl. Fromm, Die "Wehrsportgruppe Hoffmann": Darstellung, Analyse und Einordnung, 1998, S. 331 f.; Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 37).

4

Die Wehrsportgruppe hatte bis zu ihrem Verbot im Jahr 1980 circa 400 Mitglieder. In der Verbotsverfügung vom 16. Januar 1980 wurde die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 6), weshalb sich die Gruppierung nach dem Verbot auflöste. Sie wurde verboten, weil ihre Organisation und ihre Tätigkeit der allmählichen Herbeiführung einer neuen staatlichen Ordnung unter gleichzeitiger Aushöhlung der verfassungsmäßigen Ordnung dienten (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 100 ff.). Fünfzehn ehemalige Mitglieder schlossen sich nach dem Verbot als "Wehrsportgruppe Ausland" im Libanon zusammen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellte in dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1981 fest, es seien durch die "Wehrsportgruppe Ausland" Anschläge auf Personen und Einrichtungen im Bundesgebiet geplant und zum Teil bereits vorbereitet worden (vgl. Verfassungsschutzbericht 1981, S. 27 f.).

5

3. Auch der Name Heinz Lembke tauchte im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wiederholt auf. Er war "Milizionär" und "Wehrsportler" und nahm bis 1978 regelmäßig an Übungen der Reservistenkameradschaft der "Deutschen Aktionsgruppen" teil. Bei einer im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens am 29. September 1980 durchgeführten Durchsuchung seines Hauses konnten die Ermittler neben ein wenig Zündschnur und einem Gewehrmagazin zunächst weder Sprengstoff noch Waffen sicherstellen. Jedoch stieß ein Waldarbeiter am 26. Oktober 1981 in der Nähe des Hauses von Lembke auf wasserdicht verpackte Kisten mit Gewehrmunition, Sprengstoff und Sprengmitteln. Im Laufe der Ermittlungen konnten in weiteren nahezu 30 Depots Waffen sichergestellt werden. Lembke erhängte sich am 1. November 1981 in der Untersuchungshaft und soll folgende schriftliche Mitteilung hinterlassen haben: "Genossen! Ihr wisst, weshalb ich nicht mehr leben darf. Wolfszeit! Heil Euch, Heinz Hermann Ernst Lembke" (vgl. Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 217).

6

4. Im Dezember 2014 teilte der Generalbundesanwalt mit, er habe die Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wieder aufgenommen, Anlass dafür seien Angaben einer bis dahin unbekannten Zeugin.

II.

7

1. Am 8. Oktober 2014 richteten die Antragstellerin zu 1. und verschiedene Mitglieder des Bundestages eine Kleine Anfrage unter der Überschrift "Oktoberfest-Attentat - Wiederaufnahme der Ermittlungen zu Nazi-Hintermännern" an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3117).

8

a) Die Kleine Anfrage leiteten sie mit dem Hinweis darauf ein, dass noch immer gewichtige Zweifel am Ermittlungsergebnis bestünden, wonach Gundolf Köhler die Tat allein geplant und ausgeführt habe. Der Münchner Stadtrat und der Bayerische Landtag hätten bereits 2011 gefordert, der Generalbundesanwalt solle die Ermittlungen wieder aufnehmen. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 enthielt insbesondere Fragen zu dem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts und zu einem etwaigen Einsatz von Heinz Lembke als V-Mann einer Sicherheitsbehörde des Bundes oder eines Landes.

9

Die Frage 2 a)

"War Lembke ein V-Mann einer (gegebenenfalls welcher) Sicherheitsbehörde des Bundes oder - nach Kenntnis der Bundesregierung - eines Landes?"

wurde von der Antragsgegnerin nicht beantwortet. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) begründete die Antragsgegnerin die Verweigerung der Beantwortung dieser Frage wie folgt:

"Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann.

Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags Informationen und werten diese aus. Die Führung von V-Leuten gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Verfassungsschutzbehörden und dem Bundesnachrichtendienst zur Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu oder Namen einzelner V-Leute bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienstegezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellender Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich V-Leute regelmäßig in einem ex-tremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von V-Leuten ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn die betreffende Person kein V-Mann ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines V-Leute-Einsatzes geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der V-Leute folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann."

10

b) Mit Schreiben vom 3. März 2015 wandte sich MdB Britta Haßelmann in ihrer Funktion als Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 1. an den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz und bat erneut darum, die Frage 2 a) der Kleinen Anfrage zu beantworten. Die zur Verweigerung von der Antragsgegnerin genannten Gründe überzeugten nicht. Sie liefen darauf hinaus, immer und ausnahmslos jedwede Information über die Tätigkeit von V-Leuten zu verweigern. Dies sei nicht akzeptabel, weil eine gesetzliche Regulierung des Einsatzes von V-Leuten anstehe, wobei die Ursache für die rechtspolitische Diskussion auch die mögliche Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten sei. In der konkreten Frage gehe es um einen solchen Fall. Zudem sei dieser Fall ein historischer, in dem eine konkrete Beeinträchtigung der Arbeit der Sicherheitsbehörden nicht eintreten könne. Insgesamt sei die Antwortverweigerung daher eklatant unverhältnismäßig.

11

In seinem Antwortschreiben vom 7. April 2015 teilte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Christian Lange mit, aufgrund der Nachfrage habe die Antragsgegnerin die zu der Frage 2 a) beschriebene Abwägung noch einmal vorgenommen. Sie sei jedoch nach wie vor der Auffassung, dass Fragen zur Art und Weise der Quellenführung sowie zur V-Leute-Eigenschaft von Personen - auch wenn es sich um zeitlich weit zurückliegende Vorgänge handele - zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht beantwortet werden könnten. Sowohl die Werbung als auch die Führung von V-Leuten seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden zentrale Bedeutung zukomme. Eine besondere Geheimhaltung müsse deshalb auch dann gelten, wenn eine Person nicht als V-Person tätig gewesen sei oder der Vorgang zeitlich weit zurückliege. In diesen Fällen sei das Staatswohl ebenfalls betroffen, da auch hier - gegebenenfalls im Wege eines Umkehrschlusses aus einer Antwortverweigerung oder in der Gesamtschau der Antworten der Bundesregierung auf andere parlamentarische Anfragen - Rückschlüsse auf die Arbeitsweisen, Strategien und Methoden der Nachrichtendienste für die Gegenwart gezogen werden könnten und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt werden könne. Die in der Vergangenheit erfolgte Enttarnung von V-Leuten habe bereits dazu geführt, dass die Anwerbung von V-Leuten in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten und damit einhergehenden Informationsdefiziten verbunden sei. Zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Bundesamts für Verfassungsschutz sei daher durch die Bundesregierung selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens von geheimhaltungsbedürftigen Informationen zur Werbung und Führung von V-Leuten auszuschließen. Die Bewertung gelte auch unter Berücksichtigung der weiteren im Schreiben vom 3. März 2015 angeführten Argumente. Die im Gesetzentwurf zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vorgesehene Regelung zum Einsatz von V-Leuten gebe die wesentlichen Anforderungen vor. Nach dem aktuellen Gesetzentwurf schlössen im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilungen wegen eines Verbrechens oder zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden sei, die Anwerbung und den Einsatz als V-Person grundsätzlich aus.

12

2. Die Antragstellerin zu 2. und einige Mitglieder des Bundestages richteten am 21. Januar 2015 unter der Überschrift "Mutmaßliche Aktenvernichtungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann bei deutschen Geheimdiensten" ebenfalls eine Kleine Anfrage an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3810).

13

a) Darin führten sie aus, die Antragsgegnerin habe der Abgeordneten Petra Pau am 13. Januar 2015 die Auskunft erteilt, im Bundesamt für Verfassungsschutz seien nur sieben Ordner zum Oktoberfestattentat vorhanden. Daher liege die Vermutung nahe, dass in den vergangenen Jahren Informationen zu dem Attentat und zur Wehrsportgruppe Hoffmann vernichtet worden seien. Die Kleine Anfrage enthielt Fragen zu Umfang und Aufbau der Akten sowie zu Quellen des Bundesamts für Verfassungsschutz. Ferner wurde die Frage gestellt, ob und wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für das Bundesamt beziehungsweise Landesämter für Verfassungsschutz tätig geworden seien. Einige Fragen nach Quellenmeldungen beantwortete die Bundesregierung lediglich in nicht nach Ursprungsbehörden und Jahren aufgeschlüsselter Form. Die Beantwortung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten und weiterer Fragen nach Quellenmeldungen lehnte die Antragsgegnerin vollständig ab.

14

Die Fragen, welche die Antragsgegnerin nicht oder nur zum Teil beantwortete, lauteten wie folgt:

Frage 14: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zum Oktoberfestattentat vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 15: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 16: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 19: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zur Wehrsportgruppe Hoffmann vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 20: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zur Wehrsportgruppe Hoffmann liegen aus welchen Jahren im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 21: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zur Wehrsportgruppe Hoffmann aus welchen Jahren liegen im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 22: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren?"

Frage 23: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für das BfV tätig?"

Frage 24: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 25: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 28: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 29: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungs-schutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 30: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

Frage 31: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

15

In einer Vorbemerkung zu ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) führte die Antragsgegnerin aus:

"1. Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 nicht oder zumindest nicht vollständig erfolgen kann. Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann. Die Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags die erforderlichen Informationen und werten diese aus. Die Führung von Quellen gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Nachrichtendiensten bei der Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu, auch welche die quellenführende Stelle betreffend oder Namen einzelner Quellen bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von Quellen und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich Quellen hier in einem extremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von Quellen ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn kein Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann eine Quelle ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines Einsatzes von Quellen geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der Quellen folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet.

Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann.

2. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Komplexe "Oktoberfestattentat" und "Wehrsportgruppe Hoffmann" wegen des Inlandsbezugs nicht in den originären Aufgabenbereich des Bundesnachrichtendienstes (BND) als Auslandsnachrichtendienst fielen und fallen. Im Übrigen wurde der überwiegende Teil der im BND zum Oktoberfestattentat gebildeten Unterlagen an das Bundesarchiv abgegeben. Die Antworten auf die den BND betreffenden Fragen beruhen auf den im BND-Archiv noch vorhandenen, erschlossenen Altunterlagen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich im Zuge der fortschreitenden Erschließung der an das BND-Archiv in der Vergangenheit und künftig abgegebenen archivwürdigen Unterlagen weitergehende Erkenntnisse zum Anfragegegenstand ergeben.

3. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Einrichtung des Referats "Rechtsextremismus Terrorismus" im April 1981 im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nicht ausschließlich auf das Oktoberfestattentat zurückzuführen ist. Diesbezüglich wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 3 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/2544 verwiesen."

16

Die im Organstreitverfahren gerügten Antworten hatten folgenden Wortlaut:

"Die Fragen 14 bis 16 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Der Bundesregierung liegen insgesamt fünf Quellenmeldungen für den Zeitraum von 1980 bis 1985 vor. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 19 bis 21 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" im BfV wird gegenwärtig archivarisch aufbereitet, so dass nicht in allen Aktenbänden recherchiert werden konnte. Nach dem insoweit unter Vorbehalt stehenden Rechercheergebnis fanden 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang in die Sachakte. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 22 bis 25 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

"Die Fragen 28 bis 31 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

17

b) Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 2., MdB Dr. Petra Sitte, richtete am 4. März 2015 ein Schreiben an den Bundesminister des Innern, in dem sie um eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 sowie 19 bis 25 bat. Insbesondere die Weigerung, die Fragen 22 bis 25 zu beantworten, überzeuge nicht. Sie bedeute, dass nach Belieben Informationen über die Tätigkeiten von V-Leuten verweigert werden könnten. Angesichts der Tatsache, dass mindestens ein neonazistischer V-Mann in der Wehrsportgruppe Hoffmann seine V-Mann-Eigenschaft schon vor Jahren öffentlich gemacht habe, seien die in der Vorbemerkung zur Antwort genannten Gründe der Bundesregierung zur Antwortverweigerung nicht akzeptabel und unverhältnismäßig. Schließlich bestehe jederzeit die Möglichkeit, die Antworten nach der Geheimschutzordnung einzustufen. Der langjährige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, habe darauf hingewiesen, dass im Rahmen einer Abwägung die Aufklärung eines Mordes wichtiger sei als der Quellenschutz. Beim Oktoberfestattentat, dem schwersten rechtsterroristischen Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik, seien 22 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt worden.

18

Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium des Innern Dr. Günter Krings teilte mit Schreiben vom 14. März 2015 mit, es sei in der Antwort zu der Kleinen Anfrage ausführlich dargelegt worden, weshalb eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 21 und 22 bis 25 nicht erfolgen könne. An dieser Bewertung halte die Antragsgegnerin auch nach nochmaliger Abwägung fest. Sowohl die Werbung als auch die Führung von menschlichen Quellen seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste zentrale Bedeutung zukomme. Die nähere Aufgliederung der Quellenmeldungen würde dazu führen, dass taktische Verfahrensabläufe offenbar würden und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt sei. Soweit sich die Fragen auf menschliche Quellen der Sicherheitsbehörden bezögen, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beantwortung dieser Fragen zu einer Offenlegung der Identität der Quellen führe. Im Hinblick auf die daraus folgenden Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit dieser Personen sei daher der staatliche Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 GG besonders zu beachten. Daher scheide auch eine als Verschlusssache eingestufte Beantwortung aus. Hierdurch werde die strafrechtliche Aufklärung des Oktoberfestattentats nicht verhindert. Der Generalbundesanwalt habe mit Schreiben vom 17. Februar 2015 sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch den Bundesnachrichtendienst um umfassende Mitteilung der dort vorliegenden Erkenntnisse zum Oktoberfestattentat gebeten. Beide Behörden würden dem Generalbundesanwalt die erbetenen Informationen zur Verfügung stellen.

III.

19

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2015 haben die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitet. Mit ihren Anträgen begehren sie die Feststellung, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (BTDrucks 18/3117) sowie die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (BTDrucks 18/3810) in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt hat.

20

1. Die Antragstellerinnen halten ihre Anträge für zulässig. Sie sind der Auffassung, dass sie sowohl hinsichtlich der jeweils von ihnen selbst als auch bezüglich der von der jeweils anderen Antragstellerin gestellten Kleinen Anfrage antragsbefugt seien. Zum einen werde eine Verletzung des den Fraktionen selbst zustehenden Informationsrechts gerügt, das sich aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 GG ergebe und den Fraktionen dazu diene, den für die parlamentarische Arbeit erforderlichen Informationsstand zu erhalten. Zum anderen verletze die unzureichende Beantwortung einer Kleinen Anfrage die Rechte des Bundestages aus Art. 20 Abs. 2 GG. Diese Rechte könnten die Antragstellerinnen gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG prozessstandschaftlich geltend machen. Hinsichtlich der Antwort auf die von der jeweils anderen Antragstellerin gestellte Kleine Anfrage werde allein eine Verletzung der Rechte des Bundestages im Wege der Prozessstandschaft gerügt. Auch insoweit sei nicht nur die Antragsbefugnis, sondern auch ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Eine Fraktion könne Rechte des Bundestages auch dann im Organstreitverfahren verteidigen, wenn sie diesbezüglich zuvor nicht parlamentarisch tätig geworden sei.

21

2. Die Anträge seien begründet. Die Weigerung der Antragsgegnerin, die Kleinen Anfragen vollständig zu beantworten, verletze die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG.

22

a) Aus diesen Normen folge für den Deutschen Bundestag und seine Fraktionen ein Frage- und Informationsrecht, das grundsätzlich mit einer Auskunftspflicht der Bundesregierung korrespondiere. Grenzen des Informationsrechts könnten sich aus dem Staatswohl, den Grundrechten und dem Gewaltenteilungsprinzip ergeben. Mit Blick auf die verfahrensgegenständlichen Fragen der Antragstellerinnen sei jedoch kein ausreichendes Geheimhaltungsinteresse ersichtlich. Außerdem genügten die Begründungen, mit denen die Antragsgegnerin die vollständige Beantwortung der Kleinen Anfragen verweigert habe, nicht den hieran zu stellenden Anforderungen, da sie die Antragstellerinnen nicht in die Lage versetzten, die von der Antragsgegnerin vorgenommene Abwägung nachzuvollziehen.

23

Ob und inwieweit die Antragsgegnerin ausnahmsweise die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden und insbesondere zu V-Leuten verweigern dürfe, richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Es sei Sache der Bundesregierung, im Einzelfall darzulegen, warum das allgemein bestehende parlamentarische Informationsrecht aufgrund gegenläufiger Belange von höherem verfassungsrechtlichem Gewicht ausnahmsweise ausgeschlossen sei. Eine Bereichsausnahme sei im Hinblick auf Informationen zu V-Leuten verfassungsrechtlich nicht begründbar. Eine solche Ausnahme vom parlamentarischen Informationsrecht - wie sie das Bundesverfassungsgericht etwa für den Bereich der Rüstungsexporte anerkannt habe - könne nur in Betracht kommen, wenn sich ein Typ parlamentarischer Auskunftsbegehren trennscharf beschreiben lasse, bei dem einem noch so gewichtigen Informationsinteresse des Bundestages stets ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse gegenüberstehe. Dies sei bei parlamentarischen Anfragen mit Bezug zum Einsatz von V-Leuten nicht der Fall, denn nicht jede derartige Anfrage könne zur Enttarnung dieser Personen führen. Selbst wenn eine Enttarnung in Aussicht stehe, werde der weitere Einsatz der betroffenen V-Leute dann nicht gefährdet, wenn dieser bereits aus anderen Gründen ausgeschlossen sei. Ob die bloße Erkenntnis, beobachtet zu werden, für die beobachteten Personen einen für das Staatswohl relevanten Informationswert habe, hänge ebenfalls von unterschiedlichen Faktoren ab. Auch ermögliche nicht jede Information zum Einsatz von V-Leuten Rückschlüsse auf die Art und Weise der Beobachtung.

24

Eine das Staatswohl gefährdende Offenbarung der Arbeitsweisen der Sicherheitsbehörden sei ebenfalls nicht in jedem Fall zu befürchten. Zwar sei insoweit eine Prognose anzustellen, die - wie jede Prognose - mit Restunsicherheiten behaftet sei. Dieses Prognoserisiko rechtfertige jedoch keine abstrakte Vorrangregel zugunsten des Geheimhaltungsinteresses der Antragsgegnerin.

25

Eine Bereichsausnahme lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Quellenschutzes rechtfertigen. Der Quellenschutz könne dem Informationsrecht des Bundestages nur entgegengehalten werden, wenn die begehrte Information überhaupt dazu führen könne, dass eine bestimmte Person als Quelle enttarnt werde. Insoweit könne nicht schon die stets gegebene theoretische Möglichkeit ausreichen, dass sich Informationen mit hinreichendem Zusatzwissen auf bestimmte Personen beziehen ließen. Vielmehr müsse dies anhand eines Wahrscheinlichkeitsurteils in jedem Einzelfall ermittelt werden. Auch wenn danach im Einzelfall ein Bezug auf bestimmte Personen möglich sei, bedürfe es stets einer Abwägung zwischen dem Quellenschutz und dem Informationsinteresse des Bundestages. Im Rahmen dieser Abwägung werde der Quellenschutz in der Regel überwiegen, wenn der Sachverhalt aktuell sei und es sich bei der Quelle um eine lebende Person handele. Daneben könne eine Geheimhaltung auch zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter Dritter geboten sein, was jedoch im Einzelfall zumindest ansatzweise konkret dargelegt werden müsse. Der Schutz des sozialen Ansehens einer Quelle - worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten ohnehin nicht berufen habe - gehe dem Informationsinteresse des Bundestages ebenfalls nicht ohne einzelfallbezogene Abwägung vor. Dies gelte erst recht nach dem Tod der Quelle. Schließlich könne ein abstrakter Vorrang des Quellenschutzes auch nicht aus den gegenüber V-Leuten abgegebenen Vertraulichkeitszusagen hergeleitet werden, worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten im Übrigen ebenfalls nicht berufen habe. Das parlamentarische Auskunftsrecht stehe nicht zur Disposition der Sicherheitsbehörden.

26

b) Die Begründung, mit der die Antragsgegnerin die Beantwortung der Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verweigert habe, genüge diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich (bb)) und bei der vorzunehmenden Abwägung überwiege das parlamentarische Informationsinteresse (cc)).

27

aa) Bei der Begründung handele es sich um einen Textbaustein, dem jeder Einzelfallbezug fehle. Dies zeige sich auch daran, dass die Begründung der Antwortverweigerung mit derjenigen in Bezug auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 weitgehend wortgleich und auch die Beantwortung einer weiteren Kleinen Anfrage im Wesentlichen mit derselben Begründung verweigert worden sei. Außerdem passe die Antwort nicht zu der Frage, soweit die Antragsgegnerin hervorhebe, dass Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten geschützt werden müssten, da Lembke bereits 1981 verstorben sei. Ferner sei die Begründung unvollständig, da darin nur auf die Tätigkeit der Nachrichtendienste eingegangen worden sei, obwohl sich die Frage auf Sicherheitsbehörden und somit auch auf die Polizeibehörden bezogen habe. Eine derart formelhafte und unspezifische Begründung wäre nur dann hinzunehmen, wenn die Frage 2 a) auf Informationen gezielt hätte, die offenkundig geheimhaltungsbedürftig seien. Dies sei jedoch nicht der Fall.

28

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich. Ein solches lasse sich insbesondere nicht mit dem Staatswohl in seiner Ausprägung als Schutz der Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden begründen. Eine Gefährdung der aktuell zu dem Oktoberfestattentat geführten Ermittlungen durch eine Beantwortung der Frage 2 a) liege fern. Die Frage beziehe sich auf einen historischen Vorgang und auf einen Verstorbenen. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Enttarnung von Heinz Lembke als V-Mann aktuelle Ermittlungen gefährden könne, zumal seit langem bekannt sei, dass sich Lembke und sein Umfeld im Blickfeld der Sicherheitsbehörden befunden hätten. Eine Beantwortung der Frage nach der V-Mann- Eigenschaft von Lembke ermögliche auch keine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden. Da sich die Frage auf die V-Mann-Eigenschaft einer einzelnen Person beziehe, ergebe sich aus ihrer Beantwortung kein einzelfallübergreifender Informationswert. Dass die Sicherheitsbehörden damals wie heute V-Leute in der Neonaziszene eingesetzt hätten, sei ohnehin allgemein bekannt. Im Hinblick auf eigene Rechte von Heinz Lembke könne der allenfalls noch relevante postmortale Vertraulichkeitsschutz in Anbetracht der verstrichenen Zeit keine Bedeutung mehr haben. Jedenfalls aber könne dieser Vertraulichkeitsschutz bei der Abwägung nur geringes Gewicht haben. Konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung anderer Personen seien nicht ersichtlich.

29

cc) Selbst wenn sich aus einer Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden ergeben sollten, könne es sich dabei allenfalls um geringfügige Beeinträchtigungen handeln. Diesen stehe ein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegenüber, das bei der gebotenen Abwägung überwiege. Die Bedeutung der verfahrensgegenständlichen Frage gehe über den Einzelfall hinaus.

30

Für den Bundestag sei es von überragender Bedeutung, Einblicke in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu erhalten, um diese Tätigkeit und die Haltung der Antragsgegnerin hierzu kontrollieren zu können. Hierzu gebe es gerade in jüngerer Zeit mit Blick auf den Einsatz von V-Leuten in der rechtsextremen Szene Anlass. So werde das Versagen der Sicherheitsbehörden im Fall des so genannten Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) unter anderem auf einen überzogenen Quellenschutz bei den Nachrichtendiensten zurückgeführt. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 habe dazu gedient, Verdachtsmomenten nachzugehen, dass auch im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten genutzt worden seien, um den Anschlag zu verhindern und aufzuklären. Wenn sich dieser Verdacht erhärte, könne hierin möglicherweise ein über längere Zeit gleichbleibendes Muster erkannt werden. Um sich einen Einblick in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu verschaffen und diese zu kontrollieren, müsse der Bundestag zwangsläufig von Einzelfällen ausgehen, da ein detailliertes Gesamtbild weder verfügbar sei noch hergestellt werden könne. Umso bedeutsamer sei es, dass dem Bundestag Informationen zu Einzelfällen mitgeteilt würden, die nicht zwingend geheimhaltungsbedürftig seien.

31

Zudem bestehe an der Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden gerade im Neonazimilieu ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse. Neben den Vorgängen um den NSU sei insoweit auch das Oktoberfestattentat von Bedeutung, über das in jüngerer Zeit verstärkt berichtet worden sei.

32

Schließlich seien Informationen über mögliche Verbindungen von V-Leuten zu dem Oktoberfestattentat auch für die gesetzgeberische Funktion des Bundestages von Bedeutung. Die Frage der gesetzlichen Regulierung des Einsatzes von V-Leuten sei hochaktuell und umstritten. Insoweit sei es erforderlich, dass Informationen über die Praxis des Einsatzes von V-Leuten und eventuelle Missstände oder Fehleinschätzungen in der Vergangenheit verfügbar seien.

33

Die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke stehe im Kontext mit einer Vielzahl von weiteren Auskunftsbegehren der Antragstellerinnen, mit denen diese versuchten, Anhaltspunkten für Verbindungen deutscher Sicherheitsbehörden zu Personen und Gruppierungen aus dem Neonazimilieu nachzugehen, von denen schwerwiegende Gewalttaten ausgegangen seien. Sollte Lembke tatsächlich als V-Mann tätig gewesen sein und sollten sich Verbindungen zum Oktoberfestattentat erhärten lassen, würde dies massive Fragen nach dem Sinn und den Modalitäten des Einsatzes von V-Leuten im Neonazimilieu aufwerfen, deren potentielle politische Bedeutung für die parlamentarische Kontrolle und für gesetzgeberische Maßnahmen sich kaum überschätzen lasse.

34

c) Auch hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei die Antwort der Antragsgegnerin zu pauschal (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse sei nicht ersichtlich (bb)), jedenfalls habe eine vollständige Verweigerung der Beantwortung der Fragen nicht erfolgen dürfen (cc)).

35

aa) Die Verweigerung vollständiger Antworten auf die umstrittenen Fragen der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei unzureichend begründet worden. Die Antragsgegnerin habe denselben formelhaften Textbaustein wie in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwendet.

36

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei weder hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 zu Quellenmeldungen zum Attentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann noch bezüglich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann ersichtlich. Dass die Antragsgegnerin eine Aufschlüsselung der Quellenmeldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden in ihrer Antwort auf die Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 verweigert habe, lasse sich weder durch Belange des Staatswohls noch durch Grundrechte rechtfertigen.

37

Eine Gefährdung der aktuellen Aufklärungstätigkeit der Nachrichtendienste sei insoweit nicht ersichtlich, da bekannt sei, dass diese im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und im Umfeld der Wehrsportgruppe Hoffmann ermittelt und dabei auf menschliche Quellen zurückgegriffen hätten. Dies ergebe sich auch aus der Antwort der Antragsgegnerin. Hinreichend spezifische Rückschlüsse allgemeiner Art auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ließen sich aus der begehrten Aufschlüsselung nicht ziehen. Dass Nachrichtendienste befugt seien, V-Leute einzusetzen, und von dieser Befugnis gerade auch in der rechtsextremistischen Szene Gebrauch machten, sei allgemein bekannt. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Nachteile sich für die Nachrichtendienste aus der Mitteilung der Aufschlüsselung ergeben könnten. Hieraus könnten keine Schlüsse zu anderen Vorgängen und erst recht nicht zu der heutigen Aufklärungstätigkeit gezogen werden.

38

Es sei auch nicht ersichtlich, dass die begehrte Aufschlüsselung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder Leib und Leben von Menschen gefährden könne, da es an einem Bezug zu bestimmten Personen fehle. Die bloße Behauptung, aus irgendwelchen Informationen, die einen Bezug zum Einsatz von V-Leuten aufwiesen, könne auf die Identität einzelner V-Leute geschlossen werden, reiche nicht aus. Diese Behauptung müsse vielmehr durch eine Enttarnungsprognose fundiert werden, um verfassungsrechtlich tragfähig zu sein. Zwar könnten unter Hinzuziehung von Zusatzwissen gegebenenfalls gewisse Rückschlüsse in personeller Hinsicht möglich sein. Angesichts des erheblichen Umfangs der Ermittlungen zum Oktoberfestattentat und der großen Zahl von Angehörigen und Unterstützern der Wehrsportgruppe Hoffmann liege es aber fern, dass sich positiv ein Bezug zu bestimmten Personen herstellen lasse. Aus den begehrten Antworten wäre nicht einmal ersichtlich, in welchem Verhältnis die Quellen zu der rechtsextremen Szene beziehungsweise der Wehrsportgruppe Hoffmann stünden. Dass konkretere Angaben zu Quellenmeldungen unbedenklich seien, zeige zudem die Antwort auf Frage 18, wonach dem Bundesnachrichtendienst zum Oktoberfestattentat eine Quellenmeldung aus dem Jahr 1981 vorliege.

39

Hinsichtlich der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann (Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31) liege es ebenfalls nahe, dass kein Geheimhaltungsinteresse bestehe. Eine Gefährdung aktueller Ermittlungen sei nicht ersichtlich. Zwar liege es nahe, dass einzelne Personen aus dem Kreis der Wehrsportgruppe auch heute noch von den Nachrichtendiensten beobachtet würden. Aus den begehrten Angaben ließen sich jedoch keine Schlüsse ziehen, die diese Beobachtung beeinträchtigen könnten. Nach über 30 Jahren könne aus der damaligen Zahl der V-Leute kaum etwas zu ihrer heutigen Zahl hergeleitet werden.

40

Allgemeine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise von Nachrichtendiensten ließen sich aus den begehrten Informationen zu V-Leuten ebenfalls nicht ziehen. Aus ihnen lasse sich lediglich ableiten, wie weitgehend die Wehrsportgruppe Hoffmann mit V-Leuten infiltriert gewesen sei, nicht aber, wie die Kooperation abgelaufen sei und welchen Nutzen sie erbracht habe. Erkenntnisse über den heutigen Einsatz von V-Leuten im Neonazimilieu ergäben sich hieraus nicht. Zudem könne man nicht von der Infiltration einer Gruppierung auf die einer anderen schließen. Außerdem sei der erhebliche Zeitablauf zu berücksichtigen.

41

Eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung liege fern, da von der abgefragten Gesamtzahl von V-Leuten nicht auf einzelne Personen geschlossen werden könne. Angesichts des erheblichen Zeitablaufs könne auch nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das für eine denkbare Individualisierung erforderliche Zusatzwissen in den betroffenen Kreisen vorhanden oder beschaffbar sei. Sollte gleichwohl ein Identifizierungsrisiko zu bejahen sein, hätte die Antragsgegnerin die Antworten aufspalten, die Gesamtzahl der V-Leute veröffentlichen und die weiteren begehrten Informationen unter Einstufung herausgeben können.

42

cc) Selbst wenn man unterstelle, dass die verfahrensgegenständlichen Fragen ein Geheimhaltungsinteresse berührten, hätte die Antragsgegnerin die begehrten Informationen zumindest nicht vollständig verweigern dürfen. Insofern gelte nichts anderes als für Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Informationen darüber, in welchem Ausmaß die Nachrichtendienste neonazistische Gruppierungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat infiltriert hätten, seien besonders bedeutsam, damit der Bundestag etwaige Defizite abschätzen und den Einsatz von V-Leuten gegebenenfalls neu regulieren könne. Vor diesem Hintergrund sei ein geringfügiges Risiko für das Staatswohl hinzunehmen. Dieses allenfalls sehr geringe Risiko für damalige V-Leute hätte durch eine Einstufung als Verschlusssache abgeschirmt werden können.

43

d) Wo dies erforderlich sei, könne zwischen dem Informationsinteresse des Bundestages und einem gegenläufigen Geheimhaltungsinteresse praktische Konkordanz hergestellt werden, indem die begehrten Informationen als Verschlusssache zur Verfügung gestellt würden. Die Antragsgegnerin könne sich grundsätzlich nicht auf das Staatswohl berufen, um Informationen zurückzuhalten, wenn der Bundestag hinreichende Vorkehrungen dagegen treffe, dass diese Informationen bekannt würden. Gleiches gelte, wenn eine Geheimhaltung von Informationen zum Schutz von Grundrechten geboten sei. Antworten auf parlamentarische Anfragen zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden müssten somit in der Regel zumindest als Verschlusssache zur Verfügung gestellt werden.

44

Es sei davon auszugehen, dass Informationen, die nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingestuft worden seien, auch tatsächlich geheim blieben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall sei, habe die Antragsgegnerin nicht vorgebracht. Eine pauschale Befürchtung der Antragsgegnerin, im Bundestag könnten Sicherheitslücken bestehen, genüge nicht. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle eine Einstufung nach der Geheimschutzordnung als Mittel zur Auflösung des Interessenkonflikts zwischen dem parlamentarischen Informationsinteresse und dem exekutiven Geheimhaltungsinteresse verworfen, da die Anwendung der Geheimschutzordnung mit der Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments konfligiere. Für diesen Bereich habe das Bundesverfassungsgericht jedoch eine abstrakt-generelle Regel zur Reichweite des parlamentarischen Informationsrechts aufgestellt, weshalb die Öffentlichkeit bei Anwendung der Geheimschutzordnung systematisch und nicht nur im Einzelfall ausgeschlossen würde. Für den Bereich der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden bleibe der parlamentarische Geheimschutz hingegen ein taugliches Instrument zum Ausgleich des Interessenkonflikts, da hier eine Einzelfallabwägung vorzunehmen sei und im Einzelfall eine Einstufung als Verschlusssache dem Informationsinteresse des Bundestages besser Rechnung trage als die vollständige Verweigerung einer Antwort.

IV.

45

Nach Auffassung der Antragsgegnerin haben die Anträge keine Aussicht auf Erfolg.

46

1. Sie habe die Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 zu Recht aus Gründen des Staatswohls (a)) und des Grundrechtsschutzes (b)) verweigert, ohne dass insoweit eine Einzelfallabwägung vorgenommen werden müsse. Die Möglichkeit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages ändere hieran nichts (c)). Selbst wenn man von der Notwendigkeit einer Einzelfallabwägung ausgehe, müsse das Auskunftsinteresse im konkreten Fall hinter dem Geheimhaltungsinteresse zurückstehen (d)). Außerdem müsse sie keine Auskünfte zu V-Leuten der Länder erteilen (e)). Schließlich sei die Verweigerung der Beantwortung der Frage 2 a) auch in ausreichender Weise begründet worden (f)).

47

a) Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass gegenüber V-Leuten abgegebene Vertraulichkeitszusagen aus Gründen des Staatswohls stets eingehalten werden müssten. Das Bundesverfassungsgericht habe wiederholt betont, dass die Strafverfolgungsorgane auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen seien, um ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten gerecht werden zu können. Dies gelte in derselben Weise für die Nachrichtendienste und Polizeibehörden bei der Aufklärung verfassungsfeindlicher Bestrebungen und der sonstigen Gefahrenabwehr. Der Einsatz von V-Leuten gehöre zu den wichtigsten Mitteln verdeckter Informationsgewinnung. Er sei von herausragender Bedeutung, da verfassungsfeindliche Organisationen oftmals konspirativ agierten.

48

Die Geheimhaltung der Identität von V-Leuten sei mit Blick auf die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden unabdingbar. Zwar vertrete die Antragsgegnerin nicht die Auffassung, dass es bei parlamentarischen Anfragen eine Bereichsausnahme für sämtliche Informationen mit Bezug zu V-Leuten gebe; es bestehe jedoch eine generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit für Informationen, die alleine oder in Zusammenschau mit anderen Informationen zur Offenbarung der Identität von V-Personen führen könnten. Dies ergebe sich aus einer Abwägung des parlamentarischen Informationsinteresses mit den der Offenbarung derartiger Daten und Informationen entgegenstehenden Geheimhaltungsinteressen. Das gelte nicht nur für die Zeit während des Einsatzes, sondern auch nach dessen Beendigung. Dabei diene die Geheimhaltung der Identität zum einen dem Schutz der V-Leute selbst, zum anderen aber auch dem Schutz der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden. So schließe die Offenbarung der Identität einer V-Person deren weiteren Einsatz aus. Der damit verbundene Verlust des Zugangs zu Informationen könne irreversibel sein, da sich V-Leute nicht beliebig gewinnen oder ersetzen ließen. Mit der Enttarnung einer V-Person würden darüber hinaus den beobachteten Personen sowohl der Umstand als auch die Art und Weise ihrer Beobachtung bekannt, was die weitere Aufklärung erschwere. Des Weiteren könnten bei Bekanntwerden der Identität einer V-Person Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Behörden, insbesondere die Art und Weise der Werbung, der Quellenführung und der Zusammenarbeit, gezogen werden. Hierdurch könnten Zielpersonen in die Lage versetzt werden, Abwehrstrategien gegen die Gewinnung von V-Leuten zu entwickeln. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Mitarbeiter von Behörden enttarnt und gefährdet würden.

49

Die Tätigkeit der Nachrichtendienste zeichne sich dadurch aus, dass sie in weiten Teilen geheimhaltungsbedürftig sei. Daher müssten Einzelheiten zu Arbeitsweisen, Strategien, Methoden und Erkenntnisstand der Nachrichtendienste, deren Offenlegung ihre Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung gefährde, nicht mitgeteilt werden. Gleiches gelte für Polizeibehörden, soweit diese zum Einsatz verdeckter Maßnahmen befugt seien. Eine Beantwortung der Frage 2 a) würde aber Einzelheiten des Quellen- und Erkenntnisstandes offenbaren. Die Antragstellerinnen verkennten, dass es sich bei dem Schutz der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden im Interesse des Gemeinwohls um einen Belang höchsten Ranges handele. Vor diesem Hintergrund gingen sie unzutreffend davon aus, dass insoweit gewisse Beeinträchtigungen und Gefährdungen hinzunehmen seien. Die Antragsgegnerin müsse jedoch auch nicht-signifikante Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden verhindern und könne von den Antragstellerinnen nicht durch parlamentarische Anfragen gezwungen werden, derartige Folgen herbeizuführen.

50

Es treffe nicht zu, dass die amtliche Bestätigung von Überwachungsmaßnahmen keinen zusätzlichen Informationswert habe, wenn über diese Maßnahmen schon in anderen Publikationen berichtet worden sei. Das Staatswohl sei nicht erst dann gefährdet, wenn verfassungsfeindlichen Organisationen durch eine Auskunft der Antragsgegnerin ermöglicht werde, neue Vermeidungsstrategien zu ergreifen, sondern schon dann, wenn diese zu der generellen Erkenntnis gelangten, sich vorsehen zu müssen. Allein die Beendigung einer bestimmten Aufklärungstätigkeit führe nicht stets dazu, dass auch die Geheimhaltungsbedürftigkeit entfalle, da das Aufklärungsinteresse fortbestehen könne. Ob bei abgeschlossenen Sachverhalten etwas anderes gelte, sei unerheblich, da ein solcher hier nicht vorliege. Unabhängig davon dürfe nicht vorschnell von einem abgeschlossenen Sachverhalt ausgegangen werden, da selbst lange zurückliegende Vorgänge wieder unmittelbare Aktualität erlangen könnten. Auch sei zu bedenken, dass zwar möglicherweise eine Organisation ihr Ende gefunden habe, die an ihr beteiligten Personen aber gegebenenfalls ihre verfassungsfeindlichen oder sicherheitsgefährdenden Aktivitäten in anderer Form fortsetzten.

51

Durch die von einer Behörde abgegebene Vertraulichkeitszusage werde die Identität einer V-Person grundsätzlich dauerhaft geschützt. Eine derartige Zusage sei notwendig, weil V-Leuten im Falle ihrer Enttarnung Repressionen bis hin zu Gefahren für Leib und Leben drohten. Vor diesem Hintergrund bestehe eine Schutz- und Fürsorgepflicht des Staates. Die drohenden Gefahren dürften nicht unter Verweis auf staatliche Schutzprogramme heruntergespielt werden, da derartige Maßnahmen sehr aufwendig und für die Betroffenen mit äußerst gravierenden Belastungen verbunden seien.

52

Die Einhaltung abgegebener Vertraulichkeitszusagen sei für die Zusammenarbeit mit aktiven V-Leuten und die Gewinnung künftiger V-Leute unabdingbar. Würden Vertraulichkeitszusagen nicht eingehalten, könne dies die künftige Gewinnung von V-Leuten erschweren oder unmöglich machen. Werde die Identität einer V-Person bekannt, verunsichere dies andere Betroffene und schwäche das Vertrauen in die Wirksamkeit und Geltung von Vertraulichkeitszusagen. In der Vergangenheit hätten Enttarnungen dazu geführt, dass die Anwerbung in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten verbunden sei.

53

Das Geheimhaltungsbedürfnis sei auch nicht deshalb entfallen, weil Heinz Lembke bereits vor längerer Zeit verstorben sei. Vertraulichkeitszusagen seien grundsätzlich nicht auf die Lebenszeit der Betroffenen beschränkt, denn es könnten auch Angehörige in Gefahr geraten. Die Vorstellung von "Sippenhaft" sei in bestimmten Organisationen, Kreisen und Gesellschaften durchaus verbreitet. Außerdem sei es ein berechtigtes Anliegen von V-Leuten, dass ihr soziales Ansehen auch über den Tod hinaus geschützt werde. Diese wollten mit Rücksicht auf das eigene Andenken sowie auf ihre Angehörigen auch nach ihrem Tod nicht als "Spitzel" oder "Verräter" diffamiert und herabgesetzt werden. Dem stehe nicht entgegen, dass der postmortale Persönlichkeitsschutz schwächer ausgeprägt sei als das allgemeine Persönlichkeitsrecht, da es im Kontext von Vertraulichkeitszusagen nicht um allgemeine grundrechtliche Abwehr- und Schutzansprüche, sondern um die Einhaltung staatlicher Zusagen gehe, die ein besonderes Vertrauens- und Fürsorgeverhältnis begründeten.

54

Werde die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person bejaht, könne dies zudem zur Folge haben, dass auf Seiten der betroffenen Organisation eine Suche nach weiteren "Verrätern" ausgelöst werde. Werde die Frage hingegen verneint, könnten die betroffenen Kreise möglicherweise folgern, dass eine andere Person eine V-Person gewesen sein müsse, wodurch diese in Gefahr gerate. Vor diesem Hintergrund müssten vor der Beantwortung einer entsprechenden Frage umfangreiche Ermittlungen zu allen im Zusammenhang stehenden Personen und Personenzusammenschlüssen durchgeführt werden. Zum einen verursache dies einen unzumutbaren Aufwand, der über die Auskunftspflicht hinausgehe. Zum anderen könnten mit den erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen erhebliche Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen verbunden sein.

55

Dass der verfahrensgegenständliche Sachverhalt lange zurückliege, führe ebenfalls nicht dazu, dass das Geheimhaltungsbedürfnis entfalle. Mit Blick auf die Identität von V-Leuten nehme das Geheimhaltungsinteresse mit der Zeit nicht ab. Nähme man dagegen an, dass die Frage nach der V-Person-Eigenschaft beantwortet werden müsse, wenn der V-Person-Einsatz bereits längere Zeit zurückliege, könnte in Fällen einer Antwortverweigerung der Umkehrschluss gezogen werden, dass die betreffende Person vor nicht langer Zeit als V-Person tätig gewesen oder es womöglich noch immer sei.

56

Abgesehen davon beziehe sich die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht auf einen historischen Vorgang, bei dem das Geheimhaltungsinteresse gemindert oder entfallen sein könnte. Die Anfrage beruhe nicht auf einem historischen Interesse, sondern stehe im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Ermittlungen zu dem Oktoberfestattentat durch den Generalbundesanwalt. Diese Ermittlungen könnten durch die Beantwortung der Frage, ob Lembke V-Mann gewesen sei, gefährdet werden. Von den ehemaligen Angehörigen und Unterstützern der in den Blick zu nehmenden Organisationen und Gruppierungen würden diese Ermittlungen mit großem Interesse verfolgt. Karl-Heinz Hoffmann, der im Jahr 2011 ein Buch mit dem Titel "Die Oktoberfestlegende" veröffentlicht habe, befasse sich auf seiner Homepage regelmäßig und ausführlich mit dem Attentat und äußere sich dort unter anderem auch zu Lembke. Eine Antwort auf die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, ermögliche etwaigen Tatbeteiligten Rückschlüsse darauf, welche Umstände den Ermittlungsbehörden bekannt sein könnten. Dies erleichtere ihnen, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren.

57

Schließlich bestehe die Notwendigkeit, die Antwort auf Frage 2 a) zu verweigern, unabhängig davon, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei. Zum einen könne die Pflicht zur Beantwortung nicht davon abhängen, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, da anderenfalls in künftigen Fällen bei einer Verweigerung der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person die zutreffende Antwort durch einen Umkehrschluss ermittelt werden könne. Zum anderen könnten auch bei einer Verneinung der Frage möglicherweise Rückschlüsse im konkreten Fall gezogen werden, die bis hin zu einer Enttarnung etwaiger tatsächlicher V-Leute reichen könnten. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die betroffenen Personen und Gruppierungen über internes Wissen verfügten, das sie womöglich in die Lage versetze, im Falle des Ausschlusses einer Person auf die V-Person-Eigenschaft einer anderen Person zu schließen. Es sei nicht auszuschließen, dass in Zukunft weitere Informationen öffentlich würden, die in Verbindung mit der Beantwortung der aktuellen Frage Rückschlüsse auf die Identität von V-Leuten ermöglichten.

58

b) Die Beantwortung der Frage 2 a) sei darüber hinaus aus grundsätzlichen Erwägungen des Grundrechtsschutzes zu verweigern. Unter grundrechtlichen Aspekten betreffe die Wahrung von Vertraulichkeitszusagen nicht allein die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates für Leben, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit. Auch eine Betrachtung unter den Gesichtspunkten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einschließlich des postmortalen Persönlichkeitsschutzes greife zu kurz. Denn der Staat übernehme gegenüber den V-Leuten darüber hinausgehende besondere Verpflichtungen. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, dass Lembke bereits verstorben sei, da dem grundrechtlich geschützten Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen auch über den Tod hinaus Rechnung zu tragen sei.

59

c) Dem Geheimhaltungsbedürfnis könne überdies nicht mit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages Rechnung getragen werden. In Bezug auf die Identität von V-Personen und anderen schutzwürdigen Quellen der Nachrichtendienste und Polizeibehörden bestehe eine generelle Geheimhaltungsnotwendigkeit.

60

Zwar sei die Geheimschutzordnung des Bundestages grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass das Staatswohl nicht allein der Bundesregierung, sondern auch dem Bundestag anvertraut sei. Gleichwohl gebe es Informationen aus dem Bereich der Nachrichtendienste, die ungeachtet der Geheimschutzordnung des Bundestages diesem gegenüber nicht offenbart werden könnten.

61

Die Effektivität des Geheimschutzes hänge nicht allein von der normativen Ausgestaltung ab, sondern auch von der faktischen Wirksamkeit. Je größer der Kreis der Geheimnisträger sei, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit einer absichtlichen oder unabsichtlichen Weitergabe der Informationen. Der Gedanke, dem Geheimschutz durch eine Beschränkung der Zahl der Geheimnisträger effektiv Rechnung zu tragen, sei für den Bereich der nachrichtendienstlichen Informationen sowohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch in der Gesetzgebung angelegt. So habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die nachrichtendienstliche Tätigkeit von dem aus einer geringen Zahl von Abgeordneten bestehenden Parlamentarischen Kontrollgremium überwacht werde. Ebenso habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste des Bundes nicht im Plenum, sondern gemäß § 10a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) in einem Vertrauensgremium behandelt würden. Der (verfassungsändernde) Gesetzgeber habe bei der Regelung von Art. 45d GG sowie bei der Verabschiedung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) betont, dass die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit besonderer Geheimhaltung bedürfe. Aus § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG ergebe sich zudem, dass es Informationen gebe, die derart sensibel seien, dass sie selbst dem Parlamentarischen Kontrollgremium nicht zu offenbaren seien. Danach könne eine Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums unter anderem aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangsverweigert werden, worunter auch der Schutz von Quellen gefasst werde. Es gebe Kategorien von Geheimnissen, die sich aufgrund ihrer besonderen Natur bereits bei abstrakter Abwägung als generell geheimhaltungsbedürftig darstellten. Da hier bereits die fallgruppenbildenden Kriterien die Entscheidung determinierten, bedürfe es keiner Abwägung im Einzelfall. Eine solche generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehe in Bezug auf die Identität von V-Personen und andere schutzwürdige nachrichtendienstliche Quellen.

62

Vor diesem Hintergrund garantiere die Geheimschutzordnung des Bundestages im vorliegenden Fall keinen ausreichenden Geheimschutz. Bei der Identität von V-Leuten handele es sich um derart sensible Informationen, dass die Gefahr des Bekanntwerdens soweit wie möglich reduziert werden müsse. Der hiernach erforderliche ganz besondere Geheimschutz sei auch bei einer Einstufung der Antwort als "geheim" nicht gewährleistet, da die Antwort gleichwohl allen Mitgliedern des Bundestages zugänglich gemacht werde. Zudem machten die Antragstellerinnen geltend, dass sie die Antwort benötigten, um eine gesetzliche Regelung des Einsatzes von V-Leuten im Parlament und in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Sie zielten somit letztlich auf die Herstellung von Öffentlichkeit ab.

63

d) Die Antragsgegnerin vertrete zwar die Auffassung, dass die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer bestimmten Person schon aufgrund einer abstrakten Abwägung generell nicht beantwortet werden müsse. Doch selbst wenn man eine Einzelfallabwägung für erforderlich halte, sei die Verweigerung der Antwort auf die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke rechtmäßig, da das Geheimhaltungsinteresse das Auskunftsinteresse auch im konkreten Fall überwiege.

64

Hinsichtlich der Beantwortung der Frage 2 a) sei kein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegeben. Die diesbezüglichen Überlegungen der Antragstellerinnen blieben abstrakt. Sie könnten nicht begründen, weshalb die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, für die parlamentarische Kontrolle oder die Gesetzgebungstätigkeit von besonderer Bedeutung sein solle. Die Auffassung, wonach der Bundestag zur Kontrolle der Sicherheitsbehörden Einblicke in einzelne, konkrete Aufklärungsmaßnahmen einschließlich der Identität einzelner V-Personen erhalten müsse, überzeuge nicht und laufe auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Staatswohls hinaus. Dass die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, Bedeutung für die Gesetzgebungstätigkeit habe, sei nicht ersichtlich. Die Antragstellerinnen legten nicht dar, weshalb sie meinten, dass gerade diese Information für die heutige Bewertung des Einsatzes von V-Leuten relevant sei. Ihr Vortrag sei im Übrigen widersprüchlich, weil sie an anderer Stelle äußerten, dass eine Gefahr für das Staatswohl nicht zu besorgen sei, da eine Beantwortung der Frage keine Schlüsse auf die heutige Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden zulasse.

65

Demgegenüber werde der Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel durch gezielte Identifikationsfragen unterminiert. Auch wenn das Parlament nicht unmittelbar an von der Exekutive abgegebene Vertraulichkeitszusagen gebunden sei, folge hieraus nicht, dass es einen Auskunftsanspruch habe, der unter Verletzung dieser Zusagen zu erfüllen sei. Insoweit sei auch die Rechtsprechung zur Bedeutung von Vertraulichkeitszusagen im Strafverfahren zu berücksichtigen, wonach Auskünfte zu V-Leuten in entsprechender Anwendung von § 96 StPO verweigert werden könnten. Wenn der Weg in die Einzelfallabwägung einmal eröffnet sei, sei aus Sicht der Betroffenen kein Verlass mehr auf Vertraulichkeitszusagen. Dadurch würden die Fortführung und die Gewinnung von V-Leuten als nachrichtendienstliche Quelle zum Nachteil des Staatswohls erheblich beeinträchtigt.

66

e) Soweit sich die Frage 2 a) auf eine V-Mann-Tätigkeit Lembkes für Sicherheitsbehörden der Länder beziehe, müsse die Antwort auch deshalb verweigert werden, weil die Antragsgegnerin nicht beurteilen könne, welche Konsequenzen die Antwort für die Arbeit der betreffenden Landesbehörde hätte. Da sich die Antwortpflicht der Antragsgegnerin nur auf vorhandene Kenntnisse beziehe, sei sie nicht verpflichtet, Untersuchungen dazu zu veranlassen, welche Folgen eine Beantwortung der Frage für die Länder hätte.

67

f) Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen habe die Antragsgegnerin die Verweigerung der Antwort auch ausreichend begründet. Sie habe dargelegt, dass und weshalb es nicht möglich sei, Fragen nach der Identität von V-Leuten zu beantworten. In gewisser Weise müsse jede Auskunftsverweigerung abstrakt bleiben, da nicht verlangt werden könne, dass die Begründung so konkret sei, dass Rückschlüsse auf die verweigerte Antwort gezogen werden könnten. Auch der Einwand, dass Antworten auf andere Anfragen wortgleich seien, greife nicht durch. Wenn Fragen einen ähnlichen Inhalt hätten und die Beantwortung aus denselben Gründen abzulehnen sei, sei es nicht zu beanstanden, dass sich auch die Begründungen entsprächen.

68

Mit der Rüge, dass die Antragsgegnerin sich in ihrer Antwort nur auf Nachrichtendienste bezogen habe, obwohl nach "Sicherheitsbehörden" und damit - nach Auffassung der Antragstellerinnen - auch nach Polizeibehörden gefragt worden sei, könnten die Antragstellerinnen ebenfalls nicht gehört werden. Die Antragsgegnerin habe unter dem nicht klar definierten Begriff "Sicherheitsbehörden" allein Nachrichtendienste verstanden und verstehen dürfen. Dieses Verständnis ergebe sich aus dem systematischen Zusammenhang, da sich auch die Frage 2 b) nur auf "Geheimdienste" bezogen habe, und werde dadurch untermauert, dass die Antragstellerin zu 1. die Antwort der Antragsgegnerin in dem Schreiben vom 3. März 2015 insoweit nicht beanstandet habe.

69

2. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 habe die Antragsgegnerin zum Schutz des Staatswohls und der Grundrechte bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 die Zahl der Quellenmeldungen zu Recht zusammengefasst. Die Beantwortung der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 sei aus diesen Gründen vollständig abzulehnen gewesen.

70

a) Die auf die Tätigkeit von V-Leuten bezogenen Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 müssten aus Gründen des Staatswohls und zum Schutze der Grundrechte etwaiger V-Leute unbeantwortet bleiben. Aus Gründen des Staatswohls sei es - wie bereits mit Blick auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 ausgeführt - zum einen ausgeschlossen, die Identität von V-Leuten zu offenbaren. Darüber hinaus seien aber auch solche Angaben geheimhaltungsbedürftig, die - und sei es auch nur im Zusammenhang mit anderen Informationen - Rückschlüsse auf diese Personen erlaubten.

71

Insoweit sei zu berücksichtigen, dass gerade bei kleinen und konspirativ operierenden Gruppierungen schon geringe Anhaltspunkte ausreichen könnten, um bestimmte Personen als V-Leute zu identifizieren. Bei der Wehrsportgruppe Hoff-mann habe es sich um eine konspirativ agierende, straff hierarchisch organisierte paramilitärische Vereinigung gehandelt, so dass womöglich auch unverfänglich erscheinende Informationen eingeweihten Personen die Identifizierung etwaiger V-Leute ermöglichen könnten. Zwar treffe es zu, dass lediglich nach Gesamtzahlen gefragt worden sei. Ob von einer aggregierten Zahl gesprochen werden könne, hänge allerdings vom Inhalt der Antwort ab. Die Ausführungen der Antragstellerinnen zu der Wahrscheinlichkeit, dass die begehrten Informationen für die betroffenen Kreise einen Erkenntniswert haben könnten, beruhten auf Spekulationen und Mutmaßungen, die der Problematik nicht gerecht würden. Es liege in der Natur der Sache, dass keine exakte Aussage darüber getroffen werden könne, welche Konsequenzen die Offenbarung der begehrten Informationen habe.

72

Hinzu komme, dass Leib und Leben etwaiger V-Leute geschützt werden müssten. Im vorliegenden Fall sei ein gewaltbereites rechtsextremistisches Umfeld gegeben, so dass die Aufdeckung der Identität zu einer Gefährdung dieser grundrechtlich geschützten, hochrangigen Güter führen könne. Angesichts der Hochrangigkeit dieser Güter könne kein noch so geringes Risiko hingenommen werden. Das Staatswohlinteresse, den Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel funktionsfähig zu erhalten, sei derart bedeutsam, dass auch geringfügige Risiken nicht tolerierbar seien. Aus den bereits im Zusammenhang mit der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 genannten Gründen entfalle das Geheimhaltungsbedürfnis nicht, weil der Sachverhalt lange zurückliege. Mit Blick auf das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts dürfe etwaigen Beteiligten nicht ermöglicht werden, Absprachen zu treffen und sonstige Verschleierungsmaßnahmen vorzunehmen.

73

Eine Einstufung der Antworten als Verschlusssache reiche aus den genannten Gründen nicht aus, um die Gefahr eines Bekanntwerdens verlässlich auszuschließen und dem Geheimhaltungsbedürfnis Rechnung zu tragen.

74

b) Die Antragsgegnerin habe die Fragen 14 bis 16 und die Fragen 19 bis 21 jeweils zusammenfassend beantwortet und mitgeteilt, dass dem Bundesamt für Verfassungsschutz fünf Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat aus der Zeit von 1980 bis 1985 sowie 197 Quellenmeldungen zu der Wehrsportgruppe Hoffmann aus der Zeit von 1974 bis 1985 vorlägen. Eine nähere Aufschlüsselung nach Herkunft und Jahren müsse unterbleiben. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Zahl der Quellenmeldungen insgesamt sehr niedrig sei. Eine weitere Aufgliederung hätte die Mitteilung punktgenauer Informationen zur Folge. Unter Nutzung von Zusatzwissen sei es dann möglich, Bezüge zu bestimmten Personen herzustellen. Die Wehrsportgruppe Hoffmann habe zuletzt aus etwa 400 Mitgliedern bestanden, sei jedoch in mehrere Ortsgruppen untergliedert gewesen. Nach dem Verbot der Wehrsportgruppe Hoffmann zum Anfang des Jahres 1980 bis Mitte 1981 habe sich Karl-Heinz Hoffmann mit etwa 20 weiteren Personen im Libanon aufgehalten und dort die "Wehrsportgruppe Ausland" gegründet. Gerade in der Zeit vor und nach dem Oktoberfestattentat sei der Personenkreis somit sehr überschaubar gewesen.

75

c) Schließlich habe die Antragsgegnerin die Gründe für die unterbliebene oder lediglich teilweise Beantwortung auch ausreichend dargelegt.

V.

76

Die Antragstellerinnen und die Antragsgegnerin haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

B.

77

Die Anträge sind gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG zulässig.

I.

78

1. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind als Fraktionen nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG in Organstreitigkeiten parteifähig und berechtigt, sowohl eigene Rechte als auch Rechte des Deutschen Bundestages im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen (vgl. BVerfGE 2, 143 <165>; 67, 100 <125>; 131, 152 <190>; 139, 194 <220 Rn. 96>; stRspr). Die Bundesregierung ist nach § 63 BVerfGG taugliche Antragsgegnerin.

79

2. Die Anträge beziehen sich auf zulässige Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine rechtserhebliche Maßnahme als auch ein rechtserhebliches Unterlassen sein (vgl. BVerfGE 103, 81 <86>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <220 f. Rn. 98>; stRspr). Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer vollständigen Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht vollständigen Beantwortung handelt. Die teilweise Antwortverweigerung, die Nichtbeantwortung oder die nicht hinreichende Beantwortung der Kleinen Anfragen können die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihrem aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Auskunftsrecht verletzen. Damit sind die Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; 103, 81 <86>; 104, 310 <324>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <221 Rn. 98>).

II.

80

1. Die Antragstellerinnen sind antragsbefugt. Ein die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag einerseits und die Antragsgegnerin andererseits umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis liegt vor. Die Antragstellerinnen beanstanden Antworten der Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen. Der Organstreit betrifft damit die Reichweite des in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verfassungsrechtlich verankerten, in der Geschäftsordnung des Bundestages näher ausgestalteten Fragerechts sowie die grundsätzliche Verpflichtung der Bundesregierung, auf Fragen im Parlament Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 <185>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <221 Rn. 99>). Das Recht auf Information stellt sowohl ein eigenes Recht der Fraktionen dar, das der Bundesregierung gegenüber geltend gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 91, 246 <250 f.>; 100, 266 <270>; 124, 161 <187>), als auch ein Recht des Deutschen Bundestages, auf welches sich die Antragstellerinnen im Wege der Prozessstandschaft berufen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <187>; 139, 194 <221 Rn. 99>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 92, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

81

2. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte der Antragstellerinnen - soweit sie die unzureichende Beantwortung von ihnen jeweils selbst gestellter Anfragen rügen - und Rechte des Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt (vgl. dazu BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 112, 363 <365>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <222 Rn. 100>). Vielmehr erscheint es möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihre Antworten den Informationsanspruch der Antragstellerinnen und des Deutschen Bundestages in unzulässiger Weise verkürzt hat. Die Antragstellerinnen haben die Möglichkeit einer solchen Verletzung hinreichend dargelegt und ausgeführt, weshalb sie das verfassungsrechtlich verankerte Informationsrecht als verletzt ansehen und dessen Grenzen, auf die sich die Antragsgegnerin beruft, für nicht einschlägig halten.

III.

82

Mit dem am 20. Mai 2015 eingegangenen Antrag wahren die Antragstellerinnen die Sechsmonatsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG. Die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 1. wurde am 24. November 2014, die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 2. am 9. Februar 2015 von der Antragsgegnerin beantwortet.

C.

83

Die Anträge sind teilweise begründet.

I.

84

1. Das aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abgeleitete Frage- und Informationsrecht ermöglicht es dem Bundestag und seinen Mitgliedern zum einen, sich die für ihre Tätigkeit notwendigen Informationen zu verschaffen (a)). Zum anderen dient es der Kontrollfunktion des Parlaments, die sowohl aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz (b)) als auch aus dem Demokratieprinzip folgt (c)).

85

a) Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ergibt sich ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; 137, 185 <230 f. Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; stRspr). Aus dem Frage- und Informationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der Bundesregierung daher die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit des Parlaments (vgl. BVerfGE 137, 185 <231 Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; jeweils m.w.N.; stRspr).

86

b) Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf eine Verteilung der politischen Macht, das Ineinandergreifender drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>; 139, 194 <223 f. Rn. 105>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereichen unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

87

c) Die Kontrollfunktion des Parlaments ist zugleich Ausfluss der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>; 139, 194 <224 Rn. 106>). Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung hergestellt (vgl. etwa BVerfGE 137, 185 <232 Rn. 131>; 139, 194 <224 f. Rn. 107>). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung (vgl. BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>; 137, 185 <232 f. Rn. 131>; 139, 194 <225 Rn. 107>).

88

Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 132>; vgl. ferner BVerfGE 130, 76 <128>).

89

2. Der Informationsanspruch der Abgeordneten, Fraktionen und des Deutschen Bundestages unterliegt gleichwohl Grenzen. Sie ergeben sich aus dem Verantwortungsbereich der Regierung (a)), dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung einschließt (b)), dem Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl) (c)) und Grundrechten Dritter (d)).

90

a) Der Informationsanspruch kann sich von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen, da es insoweit an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag fehlt (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>; 137, 185 <233 Rn. 134>; 139, 194 <225 Rn. 107>). Hinsichtlich der Tätigkeit und Erkenntnisse der Nachrichtendienste ist der Verantwortungsbereich der Bundesregierung berührt, wenn die Anfragen Tätigkeiten unmittelbar nachgeordneter Behörden betreffen oder sie sich auf den Kenntnisstand der Bundesregierung zu Aktivitäten anderer Geheimdienste beziehen. Die Bundesregierung ist insoweit nicht auf Auskünfte beschränkt, die die Koordinierungsfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz betreffen (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>). Sie kann sich auch nicht von vornherein unter Bezugnahme auf ihren Verantwortungsbereich darauf berufen, sich nicht zu der Tätigkeit der Landesverfassungsschutzbehörden äußern zu müssen. Bereits die durch § 5 Abs. 1 BVerfSchG dem Bundesamt für Verfassungsschutz eröffnete Möglichkeit, Daten der Landesverfassungsschutzbehörden zu nutzen, sowie die in § 6 BVerfSchG geregelte gegenseitige Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden sprechen dafür, dass der Verantwortungsbereich der Bundesregierung auch bei Fragen, die sich auf ihre Erkenntnisse über die Tätigkeit und Informationen von Verfassungsschutzbehörden der Länder beziehen, berührt sein kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>).

91

b) Begrenzt wird der Informationsanspruch des Bundestages, der einzelnen Abgeordneten und der Fraktionen auch durch den Grundsatz der Gewaltenteilung. In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient dieser Grundsatz zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (vgl. BVerfGE 9, 268 <279 f.>; 137, 185 <233 Rn. 135>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung (vgl. BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

92

Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 131, 152 <210>; 137, 185 <234 Rn. 136>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 119, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214>). Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen (vgl. BVerfGE 124, 78 <120 f.>; 137, 185 <234 Rn. 136>).

93

Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Der aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung, sondern wirkt über den Zeitpunkt einer Entscheidung hinaus (BVerfGE 110, 199 <215>; 137, 185 <234 f. Rn. 137>).

94

c) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl).

95

aa) Die insoweit zu Beweiserhebungen von Untersuchungsausschüssen entwickelten Maßstäbe sind auf das Fragerecht der Abgeordneten zu übertragen (so bereits BVerfGE 124, 161 <189> zu Kleinen Anfragen und BVerfGE 137, 185 <240 Rn. 149> zu Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages und schriftlichen Fragen), weil es sich mit Blick auf das parlamentarische Informationsinteresse und das gegebenenfalls entgegenstehende Geheimhaltungsinteresse der Exekutive um vergleichbare Sachverhalte handelt. Danach bildet eine Grenze des Beweiserhebungsrechts das Staatswohl, das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 137, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Untersuchungs- sowie dem Informations- und Fragerecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls (vgl. BVerfGE 124, 78 <123>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 138, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

96

bb) Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheimzuhalten sind (BVerfGE 124, 78 <124>). Mithin kann bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 137, 185 <241 Rn. 149>).

97

(1) Der Bundestag hat in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Erfüllung seiner Aufgaben festgelegt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 77, 1 <48>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 139, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 Rn. 149>). Die Geheimschutzordnung kann damit ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse sein (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 124, 78 <124 f.>; 137, 185 <264 Rn. 199>; siehe ferner BVerfGE 130, 318 <362>; 131, 152 <208>).

98

Die Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungs- noch das Haushalts- noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>). Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>; 137, 185 <241 Rn. 150>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 140, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 137, 185 <241 Rn. 150>).

99

(2) Die Staatspraxis kennt neben der Geheimschutzordnung als Mittel des Ausgleichs zwischen parlamentarischem Informationsinteresse und dem Geheimhaltungsinteresse das aus ausgewählten (derzeit neun) Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (vgl. Art. 45d GG, § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 PKGrG; vgl. dazu BVerfGE 130, 318 <359>). Durch die Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Bundestages auf die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums wird ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das zum Ausgleich der kollidierenden Interessen führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <262 Rn. 194>). Jedoch ist das Gremium ein zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle, das parlamentarische Informationsrechte nicht verdrängt (vgl. BVerfGE 124, 161 <190> mit Verweis auf § 1 Abs. 2 PKGrG). Die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes durch ein ständiges Gremium soll eine Lücke schließen, da weder Öffentlichkeit noch Parlament von geheimen Vorgängen entsprechende Kenntnis erlangen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <190 f.>). Die einzelnen Abgeordneten, die Fraktionen und das Plenum des Deutschen Bundestages können jedoch nicht auf Informationen zugreifen, die die Bundesregierung dem Parlamentarischen Kontrollgremium gegeben hat (vgl. BVerfGE 124, 161 <191>).

100

d) Schließlich können das Fragerecht der Abgeordneten, Fraktionen und des Bundestages sowie die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten haben (vgl. BVerfGE 67, 100 <142>; 76, 363 <387>; 124, 78 <125>; 137, 185 <243 Rn. 153>). Daher ist zwischen den betroffenen Grundrechten verdeckt handelnder Personen und dem Informationsinteresse des Parlaments ein Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz zu finden. Dabei können insbesondere das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (aa)), das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und der postmortale Persönlichkeitsschutz berührt sein (bb)). Zudem ist das Gebot des Vertrauensschutzes zu beachten (cc)) und auch insoweit zu berücksichtigen, ob das Parlament ausreichende Vorkehrungen zum Geheimnisschutz getroffen hat (dd)).

101

aa) Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nimmt im Gefüge des Grundgesetzes einen besonders hohen Rang ein (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 57, 250 <284>; 115, 118 <139>; 128, 282 <302>). Dieses Grundrecht verpflichtet den Staat dazu, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen zu schützen, das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 115, 320 <346>). Gefahren für dieses Rechtsgut können sich ergeben, wenn durch die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage die Identität einer V-Person preisgegeben wird oder Rückschlüsse darauf ermöglicht werden und als Folge Reaktionen der beobachteten Personen oder Organisationen zu befürchten sind (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 82; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 281; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>).

102

bb) Darüber hinaus sind Auswirkungen auf das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgende Persönlichkeitsrecht denkbar (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 83). Dieses Grundrecht gewährleistet den Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt als "unbenanntes" Freiheitsrecht die speziellen ("benannten") Freiheitsrechte, die ebenfalls konstituierende Elemente der Persönlichkeit schützen (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>; 119, 1 <24>). Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>). Zu den Schutzgütern zählen unter anderem die Privat- (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>), Geheim- und Intimsphäre sowie die persönliche Ehre (vgl. BVerfGE 54, 148 <153 f.>; 114, 339 <346>; 119, 1 <24>) und das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Eine wesentliche Gewährleistung ist der Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen einer Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Ferner gibt es dem Einzelnen in seiner Ausformung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten (vgl. BVerfGE 130, 1 <35>) sowie darüber zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 103, 21 <33>).

103

Das Fortwirken des Persönlichkeitsrechts nach dem Tode ist zu verneinen, weil Träger dieses Grundrechts nur die lebende Person ist. Mit ihrem Tode erlischt der Schutz aus diesem Grundrecht. Jedoch schützt der aus Art. 1 Abs. 1 GG folgende allgemeine Achtungsanspruch Verstorbene vor grober Herabwürdigung und Erniedrigung (vgl. BVerfGE 30, 173 <194>). Geschützt wird auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat (vgl. BVerfGK 9, 83 <88>; 13, 115 <117>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. April 2001 - 1 BvR 932/94 -, juris, Rn. 19). Das parlamentarische Auskunftsrecht kann aufgrund seiner hohen Bedeutung durch den postmortalen Persönlichkeitsschutz jedoch allenfalls in besonderen Ausnahmekonstellationen beschränkt werden.

104

cc) Durch Vertraulichkeitszusagen wird zudem ein Vertrauenstatbestand geschaffen. Dies hat insoweit grundrechtliche Relevanz, als eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG vorliegen kann, wenn das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes nicht hinreichend berücksichtigt wird (vgl. BVerfGE 59, 128 <164>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Februar 1993 - 2 BvR 196/92 -, juris, Rn. 10). Im Verhältnis zu dem parlamentarischen Auskunftsanspruch kann der durch eine Vertraulichkeitszusage begründete Vertrauensschutz jedenfalls dann einen Gesichtspunkt darstellen, der das Informationsrecht des Parlaments einzuschränken vermag, wenn durch die Beantwortung einer Anfrage Grundrechte der V-Person gefährdet würden. Ansonsten hätten es die Vertraulichkeit garantierenden Behörden in der Hand, über den Auskunftsanspruch des Parlaments zu disponieren.

105

dd) Auch zugunsten des Schutzes der Grundrechte Privater gestattet die Bedeutung, die das Informations- und das Kontrollrecht des Parlaments gegenüber der Regierung sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates haben, in aller Regel dann keine Verkürzung des grundsätzlichen Rechts auf Beantwortung der der Regierung gestellten Fragen, wenn Parlament und Regierung Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben, die das ungestörte Zusammenwirken beider Verfassungsorgane auf diesem Gebiet gewährleisten, und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>). Eine Ausnahme hiervon gilt nur für solche Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>; 76, 363 <388>).

106

3. Die Bundesregierung muss eine vollständige oder teilweise Auskunftsverweigerung hinreichend begründen (a)). Ein Nachschieben von Gründen ist nicht zulässig (b)).

107

a) Aus der verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung muss - auch im Hinblick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Verhältnis zwischen Verfassungsorganen(vgl. BVerfGE 119, 96 <125>) - den Bundestag in die Lage versetzen, seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrzunehmen. Dies ist nur dann möglich, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessen ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>). Eine Begründung der Antwortverweigerung ist daher nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <232 Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Anforderungen an die Begründung dürfen allerdings nicht so weit gehen, dass mit ihr Teile der verweigerten Information offengelegt werden müssen.

108

b) Die Begründung stellt nicht nur ein Instrument kritischer Selbstkontrolle dar, sondern soll die Berechtigung zur Antwortverweigerung plausibel machen und die Prüfung ermöglichen, ob rechtliche Schritte angezeigt sind (vgl. BVerfGE 124, 78 <139>). Ist die Verschaffung vollständiger Information zunächst ohne zureichende Begründung abgelehnt worden, so vermag eine erst im Organstreitverfahren gegebene ergänzende Begründung nichts an dem darin liegenden Rechtsverstoß zu ändern (vgl. BVerfGE 124, 78 <147>). Ein Nachschieben von Gründen ist mithin nicht zulässig. Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Versagung eines Rechts durch eine mit Gründen versehene Abwägungsentscheidung. Allein diese Entscheidung unter Einschluss der ihr zugrundeliegenden Abwägung und Begründung wird zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung gestellt (vgl. auch BbgVerfG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 6/04 -, NVwZ-RR 2005, S. 299 <302 f.>; SächsVerfGH, Urteil vom 5. November 2010 - Vf. 35-I-10 -, juris, Rn. 31 f.).

II.

109

Nach diesen Maßstäben ist die Bundesregierung zwar grundsätzlich verpflichtet, dem Parlament Antworten auf Anfragen aus dem Bereich der Tätigkeit von Nachrichtendiensten zu erteilen. Angesichts der Bedeutung, die dem Einsatz verdeckter Quellen bei der Informationsbeschaffung der Nachrichtendienste zukommt (1.), kann sich die Bundesregierung zur Auskunftsverweigerung trotz des erheblichen Informationsinteresses des Parlaments in diesem Bereich (2.) aber in der Regel auf eine Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte verdeckt handelnder Personen berufen, wenn deren Identität bei der Erteilung der begehrten Auskünfte offenbart würde oder ihre Identifizierung möglich erscheint. Nur in eng begrenzten, besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen kann, wenn die Gefährdung verfassungsrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint, das Informations- gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse überwiegen (3.).

110

1. a) Zur Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland lässt das Grundgesetz (Art. 45d, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b, Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ausdrücklich die Errichtung von Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten zu. Nachrichtendienste sind Ausdruck der Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine wehrhafte Demokratie, des Selbstbehauptungswillens des Rechtsstaates und damit Bestandteil des Sicherheitssystems der Bundesrepublik Deutschland (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 126, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Bei dem Einsatz von V-Leuten durch die Nachrichtendienste, also von Privatpersonen, deren planmäßige, dauerhafte Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten oder Polizeibehörden Dritten nicht bekannt ist (vgl. die Legaldefinitionen in § 9b Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG und § 20g Abs. 2 Nr. 4 BKAG), handelt es sich um eine vom Gesetzgeber gebilligte Methode zur verdeckten Informationsbeschaffung (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG). Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder die Sicherheit und den Bestand des Staates gerichtete Bestrebungen und Aktivitäten meist von Gruppierungen ausgehen, die konspirativ tätig sind, und dass die Nachrichtendienste ihre Aufgaben daher nur effektiv erfüllen können, wenn sie über nachrichtendienstliche Mittel verfügen, wozu auch der Einsatz von V-Leuten gehört (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 21; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 262 ff.). Der Gesetzgeber hat in der Begründung des Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vom 17. November 2015 bekräftigt, dass die planmäßige und systematische Informationsbeschaffung insbesondere durch V-Leute ein unverzichtbares Mittel zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sei (vgl. BTDrucks 18/4654, S. 25). Auch die Strafverfolgungsorgane können zur Bekämpfung besonders gefährlicher Kriminalität auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen sein, wenn sie ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten überhaupt gerecht werden sollen (vgl. BVerfGE 57, 250 <284>; 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>). Oftmals können nur auf diesem Wege interne Informationen über den Aufbau krimineller Organisationen, ihre Führungspersonen, ihre tatsächlichen Ziele sowie die Planung und Durchführung konkreter Maßnahmen gewonnen werden (vgl. BVerfGE 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>).

111

Neben V-Leuten zählen zu den geheimhaltungsbedürftigen Informationsquellen der Nachrichtendienste insbesondere Gewährspersonen (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG), die nur von Fall zu Fall für die Behörden tätig werden, und sonstige Informanten, die gelegentlich Hinweise geben (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 30 f.; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 266 ff.). Außerdem können hauptberufliche Mitarbeiter der Nachrichtendienste unter einer Legende in Organisationen oder Szenen eingeschleust werden, um diese für längere Zeit zu beobachten. Für diese Personen gelten die Ausführungen zu V-Leuten entsprechend. Es bedarf ihres Einsatzes ebenso wie des Einsatzes Verdeckter Ermittler durch die Strafverfolgungsbehörden, wenn und soweit anderenfalls die Wahrnehmung ihres Auftrags gerade im Hinblick auf besonders gefährliche Kriminalitätsfelder erheblich erschwert oder unmöglich gemacht würde (vgl. BVerfGE 129, 208 <256>).

112

b) Der Schutz von Informationsquellen und insbesondere von V-Leuten dient nicht nur den Interessen der betroffenen Personen, sondern hat auch für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste erhebliche Bedeutung.

113

aa) Wird eine V-Person enttarnt, führt dies in aller Regel dazu, dass ein etwaiger aktueller Einsatz nicht fortgeführt werden kann und die V-Person auch für künftige Einsätze nicht mehr zur Verfügung steht. Der dadurch entstehende Informationsverlust kann in der Regel nicht kompensiert werden, weil sich V-Leute nicht beliebig gewinnen lassen und ihre Anwerbung oftmals in einem schwierigen und langwierigen Prozess besteht (vgl. dazu Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 268, 280). Zu berücksichtigen ist, dass Auskünfte der Nachrichtendienste nicht unbedingt nur dann zu dem Verlust einer V-Person führen können, wenn diese enttarnt wird. Es kann bereits ausreichen, dass eine V-Person den subjektiven Eindruck gewinnt, die Vertraulichkeit ihrer Tätigkeit sei nicht hinreichend gesichert (vgl. Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>). Sie wird die Zusammenarbeit dann möglicherweise von sich aus beenden. Darüber hinaus kann die Enttarnung einer V-Person dazu führen, dass die Beobachtung einer bestimmten Gruppierung und die Umstände dieser Maßnahme bekannt werden. Dies wiederum kann zur Folge haben, dass bereits erlangte Informationen ihren Nutzen verlieren und die künftige Informationsgewinnung erschwert wird (so auch BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Gegebenenfalls treten diese Folgen nicht erst mit der Enttarnung der V-Person ein, sondern schon dann, wenn bekannt wird, dass eine V-Person eingesetzt worden ist.

114

bb) Werden quellenbezogene Informationen bekannt, kann die Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste auch über den konkreten Einzelfall hinaus für die Zukunft generell beeinträchtigt werden. Zum einen können Informationen bekannt werden, die für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste von Bedeutung sind. Dies betrifft insbesondere das Vorgehen der Behörden bei der Anwerbung und Führung von sowie der Kommunikation mit V-Leuten und sonstigen Quellen. Das Bekanntwerden derartiger Informationen kann es den zu beobachtenden Gruppierungen ermöglichen, Abwehrstrategien gegen ihre Infiltration und Beobachtung zu entwickeln. Zum anderen ist der Quellenschutz eine Voraussetzung für die weitere Nutzung aktiver und die Gewinnung neuer Informationsquellen (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Von besonderer Bedeutung ist dabei die Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen. Sie ist unverzichtbare Voraussetzung für die Anwerbung und Führung von V-Personen. Die Effektivität der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste unter Einsatz von V-Personen ist davon abhängig, dass das Vertrauen in die Einhaltung gegebener Vertraulichkeitszusagen nicht erschüttert wird. Werden Informationen über V-Leute und sonstige verdeckte Quellen herausgegeben, schwächt dies das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass eine V-Person oder eine sonstige Quelle enttarnt wird (vgl. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 280). Darüber hinaus kann auch in diesem Zusammenhang bereits der (subjektive) Eindruck ausreichen, die Vertraulichkeit sei nicht gesichert, um aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abzuhalten und die Gewinnung neuer Quellen zu erschweren (vgl. Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, S. 387 <391 f.>; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1266>).

115

2. Dem Geheimhaltungsinteresse steht ein gewichtiges Informationsinteresse des Parlaments an der Beantwortung Kleiner Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen und insbesondere von V-Leuten gegenüber.

116

Wie alle anderen Organe der vollziehenden Gewalt unterliegen auch die Nachrichtendienste der Kontrolle durch das Parlament. Der Bundestag ist daher berechtigt und verpflichtet, seine Kontrollaufgaben gegenüber der Regierung im nachrichtendienstlichen Bereich unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente vom Fragerecht des Abgeordneten bis hin zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen wahrzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 149, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Kontrollinstrumente stehen nicht in einem Alternativ- oder Spezialitätsverhältnis zueinander (vgl. § 1 Abs. 2 PKGrG; BTDrucks 8/1599, S. 6).

117

Bezieht sich eine parlamentarische Anfrage auf einen für Staat und Gesellschaft besonders bedeutsamen Bereich, hat die Öffentlichkeit ein gesteigertes Interesse an parlamentarischer Kontrolle. Bei dem Einsatz von V-Leuten zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sowie insbesondere zur Verhinderung und Aufklärung schwerwiegender Straftaten geht es um die Sicherheit des Staates und seiner Bevölkerung. Hierzu kann es erforderlich sein, Personen aus extremistischen oder kriminellen Milieus als V-Leute einzusetzen. Wenn öffentliche Stellen mit einer V-Person kooperiert haben, die im Verdacht steht, erhebliche, gegebenenfalls dem extremistischen Milieu zuzuordnende Straftaten begangen zu haben, ist zu berücksichtigen, dass das parlamentarische Informationsinteresse von besonderem Gewicht ist, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

118

Schließlich kommt der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste angesichts von Art und Umfang der ihnen an die Hand gegebenen nachrichtendienstlichen Mittel und wegen der mit der Anwendung dieser Mittel einhergehenden Schwere von Grundrechtseingriffen, der Unbemerkbarkeit des Handelns dieser Behörden und der fehlenden Transparenz des anschließenden Datenverarbeitungsvorgangs für die Betroffenen (vgl. BVerfGE 100, 313 <361>) eine besondere Aufklärungsfunktion zu (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 151, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

119

3. Wenn verfassungsrechtlich verankerte Geheimhaltungsinteressen und parlamentarische Auskunftsansprüche in Konflikt geraten, müssen die unterschiedlichen Interessen in der Weise in Ausgleich gebracht werden, dass beide soweit wie möglich ihre Wirkung entfalten. Insbesondere soweit Anfragen Umstände betreffen, die aus Gründen des Staatswohls geheimhaltungsbedürftig sind, stellt sich die Frage, ob und auf welche Weise dieses Anliegen mit dem jeweiligen parlamentarischen Informationsanspruch in Einklang gebracht werden kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <189>).

120

a) In Bezug auf die Tätigkeit von Nachrichtendiensten kommt eine grundsätzliche Begrenzung des Informationsanspruchs des Bundestages, wie sie im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Frage- und Informationsrecht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle für Anfragen zu Vorgängen vor Erlass einer positiven Genehmigungsentscheidung im Ansatz vorgenommen wurde (vgl. BVerfGE 137, 185 ff.), nicht in Betracht. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen, zu entsprechenden Voranfragen von Rüstungsunternehmen und zu abschlägig beschiedenen Anträgen können aus Gründen des Staatswohls verweigert werden, weil das vorzeitige Bekanntwerden sensibler Rüstungsexportgeschäfte zu Verwerfungen im Verhältnis zu dem jeweiligen Erwerberland führen, die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung beeinträchtigen und zu Einbußen für die inländische Rüstungsindustrie führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <251 ff. Rn. 173 ff.>).

121

Damit ist die Beantwortung von Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen durch die Nachrichtendienste nicht vergleichbar. Antworten auf solche parlamentarischen Anfragen beeinträchtigen berechtigte Geheimhaltungsinteressen nicht in jedem denkbaren Fall und lassen eine solche Beeinträchtigung auch nicht stets besorgen. Denn aus der Vielfalt der möglichen Sachverhaltskonstellationen folgt, dass weder aus der Beantwortung einzelner Fragen noch aus der Verweigerung einer Antwort zwingend Erkenntnisse über die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gewonnen werden können, die sich nachteilig auf ihre Funktionsfähigkeit auswirken. Die Konstellationen im Bereich ihrer verdeckten Tätigkeit sind derart vielfältig, dass eine Abwägung nicht in jedem Fall zu einem Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses führt.

122

b) Allerdings kann sich die Bundesregierung zur Begründung einer Antwortverweigerung bei Fragen zum Einsatz verdeckt handelnder Personen in der Regel auf entgegenstehende Gründe des Staatswohls und deren Grundrechte berufen, wenn die an sie gerichteten Fragen einen Bezug zu konkreten Personen aufweisen. Insbesondere bei Fragen, die möglicherweise noch aktive V-Leute betreffen oder sich auf aktuelle beziehungsweise noch nicht weit zurückliegende Ereignisse beziehen, ist regelmäßig von der Gefahr einer Enttarnung der V-Leute und damit zugleich von einer Gefährdung ihrer Grundrechte oder der Grundrechte ihnen nahestehender Personen auszugehen. Dies wiederum zieht die Möglichkeit nach sich, dass Rückschlüsse auf die Anwerbung von V-Leuten, die Art und Weise ihres Einsatzes und gegebenenfalls ihre Anzahl, also Erkenntnisse zu der Arbeitsweise der Nachrichtendienste bekannt werden könnten. Diese Risiken dürften regelmäßig auch noch nach der Abschaltung einer verdeckten Quelle fortbestehen. Das berechtigte Interesse an einer Antwortverweigerung besteht in diesen Fällen unabhängig davon, ob eine konkrete Person als V-Person eingesetzt worden ist oder nicht. Anderenfalls könnte aus der Antwortverweigerung in vergleichbaren Fällen im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die dort in Rede stehende Person eine V-Person (gewesen) ist.

123

Eine negative Auskunft zu einer bestimmten Person könnte zudem den Verdacht auf andere Personen lenken oder einen bereits bestehenden Verdacht erhärten und somit diese Personen oder ihr Umfeld gefährden. Aber auch unabhängig von der Gefährdung grundrechtlicher Belange in einem konkreten Einzelfall und ungeachtet des Zeitablaufs kann die Enttarnung von verdeckt handelnden Personen eine Gefährdung der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden darstellen, da durch die Herausgabe von Informationen über V-Leute oder sonstige verdeckte Quellen das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen geschwächt und damit noch aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abgehalten und die Gewinnung neuer Quellen erschwert werden können. Solche nachteiligen Auswirkungen müssen von der Bundesregierung nicht ohne weiteres in Kauf genommen werden - ebenso wenig wie die Gefährdung der Grundrechte von V-Leuten oder ihnen nahestehender Personen.

124

Selbst bei Fragen zum Einsatz konkreter Personen als V-Leute sind jedoch eng begrenzte Ausnahmefälle denkbar, in denen das parlamentarische Informationsinteresse überwiegt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn aufgrund besonderer Umstände eine Gefährdung grundrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint und eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht ernsthaft zu befürchten ist. Bei dieser Abwägung ist der Zeitablauf ein bedeutsamer - wenn auch nicht allein ausschlaggebender - Faktor. So kann sich im Einzelfall bei weit zurückliegenden Vorgängen die Geheimhaltungsbedürftigkeit erheblich vermindert oder erledigt haben (vgl. BVerfGE 124, 161 <194>).

125

c) Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Beantwortung bestimmter Fragen nicht in Betracht kommt, ist sie gehalten zu prüfen, ob eine Beantwortung unter Einstufung nach der Geheimschutzordnung möglich ist. Aus dieser Möglichkeit folgt jedoch nicht, dass jede Anfrage nach Vornahme einer entsprechenden Einstufung beantwortet werden muss. Gerade im Bereich verdeckt handelnder Personen, deren Einsatz für das Staatswohl von großer Bedeutung und zugleich in hohem Maße geheimhaltungsbedürftig ist, besteht hinsichtlich bestimmter Informationen ein legitimes Interesse, den Kreis der Geheimnisträger auf das notwendige Minimum zu beschränken. Je größer dieser Kreis ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Geheimnisse - sei es absichtlich oder versehentlich - weitergegeben oder ausgespäht werden (vgl. BVerfGE 70, 324 <364>). Besonders geheimhaltungsbedürftige Informationen aus dem Bereich des Quellenschutzes können dem Parlament daher auch dann vorenthalten werden, wenn beiderseits Vorkehrungen gegen ihr Bekanntwerden getroffen worden sind. Einfachrechtlich hat der Gesetzgeber dies in § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG anerkannt, wonach selbst dem zur Geheimhaltung verpflichteten Parlamentarischen Kontrollgremium bestimmte Informationen vorenthalten werden können. Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass das Staatswohl und der Grundrechtsschutz auch dem Parlament anvertraut sind und dieses insoweit nicht als außenstehend behandelt werden darf. Es geht allein darum, den Kreis der Geheimnisträger bei besonders geheimhaltungsbedürftigen Informationen unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Staatsgewalt möglichst klein zu halten. Dementsprechend beschränkt sich der Kreis der Geheimnisträger gerade im Bereich des Einsatzes verdeckt handelnder Personen auch innerhalb der Exekutive auf nur wenige Personen.

III.

126

Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (1.) und - jedenfalls teilweise - bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (2.) verkannt und hierdurch Rechte der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sowie des Deutschen Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.

127

Die Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen fällt in den Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin. Sie zielen auf Erkenntnisse der Antragsgegnerin selbst oder der ihr nachgeordneten Behörden. Im Übrigen hat sich die Antragsgegnerin - auch hinsichtlich der Fragen nach Informationen der Landesämter für Verfassungsschutz - nicht auf eine fehlende Zuständigkeit berufen. Als Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs kommen vorliegend nur das Staatswohl und die Grundrechte in Betracht.

128

1. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht genügt. Sie hat keine Gründe vorgebracht, die eine Auskunftsverweigerung aufgrund von Staatswohlbelangen rechtfertigen würden (a)), und ihren Ausführungen lässt sich nicht nachvollziehbar entnehmen, dass Grundrechte Lembkes oder Dritter gefährdet werden könnten (b)).

129

a) Die begehrte Information, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann gewesen sei, ist von dem parlamentarischen Auskunftsrecht grundsätzlich umfasst. Die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung rechtfertigt nicht die Verweigerung der Antwort.

130

Die Antragsgegnerin vertritt in ihrer ablehnenden Entscheidung die Auffassung, dass das Bekanntwerden des Namens einer V-Person Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste zuließe. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Quellen der Nachrichtendienste bekannt würden, was zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit führe. Eine solchermaßen abstrakt gehaltene Begründung mag im Regelfall ausreichen. Die Antragsgegnerin muss Fragen zum Einsatz bestimmter Personen als V-Leute durch die Nachrichtendienste aufgrund entgegenstehender Staatswohlbelange und Grundrechte grundsätzlich nicht beantworten. Jedoch handelt es sich hier um einen besonders gelagerten Ausnahmefall.

131

Dem parlamentarischen Informations- und Kontrollinteresse kommt besondere Bedeutung zu, weil es der Antragstellerin zu 1. im Zuge einer anstehenden Neuregelung des Einsatzes von V-Leuten darum ging festzustellen, ob es - auch in der Vergangenheit - zu einer Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten gekommen ist. Bei Heinz Lembke handelte es sich um eine Person, der erhebliche Straftaten im rechtsextremistischen Milieu vorgeworfen wurden. Insofern hatte die Antragstellerin zu 1. ein nachvollziehbares Interesse, auch mit Blick auf eine mögliche Verbindung von V-Leuten zu den Aktivitäten des NSU Verdachtsmomenten nachzugehen, wonach bereits im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten zur Verhinderung oder Aufklärung des Anschlags genutzt worden seien. Damit verfolgte die Antragstellerin zu 1. das Ziel, mögliche Rechtsverstöße oder Missstände beim Einsatz von V-Leuten mit Blick auf zukünftige gesetzliche Regelungen aufzuklären, was ihrem Informationsinteresse ein besonders hohes Gewicht verleiht.

132

Demgegenüber vermögen die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe für die Antwortverweigerungangesichts der besonderen Umstände des Falles nicht zu überzeugen. Ein aktueller oder künftiger Einsatz Lembkes als V-Person kommt offensichtlich nicht mehr in Betracht. Aus der Begründung der Antragsgegnerin ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl laufende oder künftige Aufklärungseinsätze oder Ermittlungen gefährdet werden könnten. Dies gilt selbst dann, wenn man unterstellt, dass Personen aus Lembkes damaligem Umfeld auch heute noch im Fokus der Nachrichtendienste stehen. Zu denken wäre hier etwa an Karl-Heinz Hoffmann. Dass die Wehrsportgruppe Hoffmann von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet wurde, lässt sich den veröffentlichten Berichten des Bundesamts für Verfassungsschutz entnehmen. Dass aktuelle Einsätze der Nachrichtendienste erschwert werden könnten, wenn den betroffenen Personen darüber hinaus bekannt würde, dass der 1981 verstorbene Heinz Lembke ein V-Mann war, ist weder plausibel begründet worden noch sonst ersichtlich.

133

Soweit die Antragsgegnerin nach Einleitung des Organstreitverfahrens vorgetragen hat, dass die Beantwortung der Frage 2 a) mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht gehört werden. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der nicht näher ausgeführte Vortrag, dass eine Antwort auf die Frage etwaigen Tatbeteiligten ermögliche, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren oder andere Verdunklungsmaßnahmen zu ergreifen, zur Begründung der Antwortverweigerung ausreichen würde. Dies kann jedoch dahinstehen, weil die Antragsgegnerin die Ablehnung der Beantwortung dieser Frage nicht hierauf gestützt, sondern erstmals in ihrer Antragserwiderung auf das Ermittlungsverfahren Bezug genommen hat. Dabei handelt es sich um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen.

134

Ferner ist nicht plausibel begründet, weshalb die Antragsgegnerin in diesem Fall von einer Beeinträchtigung der allgemeinen Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste ausgeht. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann war, Rückschlüsse auf die derzeitige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen sollte. Zum einen würden keine Einzelheiten des damaligen Verhältnisses der Behörden zu Lembke bekannt. Dies gilt etwa für den Zeitpunkt und die Umstände seiner Anwerbung oder die Art und Weise der Führung von V-Personen. Zum anderen läge eine etwaige V-Mann-Tätigkeit Lembkes bereits so lange zurück, dass sich keine konkreten Rückschlüsse auf die heutige Vorgehensweise der Behörden ziehen lassen dürften. Dies gilt auch, soweit die Antragsgegnerin vorträgt, eine Antwort müsse wegen drohender Konsequenzen für die Arbeit der betreffenden Landesbehörden unterbleiben. Auch insoweit hat die Antragsgegnerin nicht dargetan, welche negativen Auswirkungen auf die Arbeit der Landesbehörden sie vor dem Hintergrund des erheblichen Zeitablaufs von über 30 Jahren befürchtet.

135

Zudem ist nicht hinreichend dargelegt, warum die ausnahmsweise Nichteinhaltung der gegebenen Vertraulichkeitszusage gegenüber Lembke Rückwirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste haben könnte. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles, nämlich der durch Lembke mutmaßlich begangenen erheblichen Straftaten und seines Todes vor über 30 Jahren, hätte es konkreter Ausführungen bedurft, warum sich aktuelle oder potentielle V-Leute hiervon bei ihrer Entscheidung, als V-Person tätig zu werden, maßgeblich beeinflussen lassen könnten. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Bereitschaft aktueller oder potentieller V-Leute zur Zusammenarbeit mit den Behörden entscheidend davon abhängt, ob die Vertraulichkeit auch Jahrzehnte nach ihrem Ableben noch gesichert erscheint. Dies gilt umso mehr, als die Vertraulichkeit grundsätzlich auch nach einem derart langen Zeitablauf gewahrt und nur ausnahmsweise bei Vorliegen gewichtiger Gründe aufgehoben werden kann, die das Geheimhaltungsinteresse im Einzelfall überwiegen.

136

b) Die Antragsgegnerin hat auch keine Gründe vorgebracht, die eine Verweigerung der Antwort auf die Frage 2 a) aus Gründen des Grundrechtsschutzes rechtfertigen.

137

Mit Blick auf Lembke ist eine Gefährdung der in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG genannten Rechtsgüter ausgeschlossen, weil er bereits 1981 verstorben ist. Der postmortale Persönlichkeitsschutz aus Art. 1 Abs. 1 GG steht der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft Lembkes ebenfalls nicht entgegen. Unabhängig davon, wie die Antwort auf die Frage ausfällt, ist mit ihr keine Erniedrigung oder Herabwürdigung der Person Lembkes verbunden. Ob der grundrechtliche Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes oder zumindest dessen objektiv-rechtlicher Gehalt einer Antwort nach dem Tod Lembkes überhaupt entgegenstehen kann, kann offenbleiben. Jedenfalls müsste ein sich daraus ergebendes Geheimhaltungsinteresse vor dem Hintergrund des Zeitablaufs von über 30 Jahren hinter dem besonders gewichtigen Informations- und Kontrollinteresse der Antragstellerin zu 1. und des Bundestages zurückstehen. Außerdem hat sich die Antragsgegnerin bei der Begründung ihrer Antwortverweigerung mit Blick auf den Grundrechtsschutz lediglich auf Art. 2 Abs. 2 GG gestützt, so dass im Übrigen ein unzulässiges Nachschieben von Gründen vorliegt.

138

Auf die Möglichkeit der Gefährdung von Grundrechten Lembke nahestehender Personen hat sich die Antragsgegnerin ebenfalls erst nach Einleitung des Organstreitverfahrens berufen. Zudem ist das Vorliegen einer derartigen Gefahr im konkreten Fall nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Vielmehr erscheint es angesichts des Zeitablaufs und der Auflösung der Wehrsportgruppe Hoffmann sehr unwahrscheinlich, dass Angehörige von Lembke oder sonstige ihm nahestehende Personen gefährdet wären, wenn bekannt würde, dass er ein V-Mann war. Für die Annahme, dass Personen aus dem damaligen Umfeld Lembkes aus der Antwort der Antragsgegnerin Rückschlüsse auf eine etwaige V-Person-Tätigkeitanderer Personen ziehen könnten, liegen ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte vor. Allein die niemals vollständig auszuschließende, im vorliegenden Fall aber fernliegende Möglichkeit derartiger Rückschlüsse genügt für eine Antwortverweigerung nicht.

139

2. Die Antragsgegnerin hat auch ihrer Antwortpflicht hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 nur teilweise genügt. Während die Begründung die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 nicht trägt (a)), war die Antwortverweigerung hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 teilweise gerechtfertigt (b)).

140

Soweit die Antragsgegnerin eine Beantwortung der Fragen abgelehnt hat, hat sie dies im Wesentlichen aus denselben Gründen getan wie bei der Ablehnung einer Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Zum einen hat sie darauf verwiesen, dass anderenfalls Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden könnten. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre. Zum anderen müssten Leben und körperliche Unversehrtheit etwaiger V-Leute geschützt werden.

141

a) Bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar dargelegt, inwieweit das Staatswohl (aa)) oder die Grundrechte etwaiger V-Leute oder Dritter (bb)) durch eine vollständige Beantwortung gefährdet sein sollen. Sie hat die Fragen 14 bis 16 zusammenfassend dahingehend beantwortet, dass ihr zum Oktoberfestattentat aus den Jahren 1980 bis 1985 fünf Quellenmeldungen vorlägen. Hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin die Auskunft erteilt, in die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" hätten 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang gefunden. Eine Aufschlüsselung dieser Meldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden (Bundesamt für Verfassungsschutz, Landesämter für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst) hat die Antragsgegnerin sowohl hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 als auch hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 verweigert.

142

aa) Der Begründung der Antragsgegnerin lässt sich nicht entnehmen, weshalb sich aus der erbetenen Aufschlüsselungrelevante Erkenntnisse über die Identität von V-Leuten oder die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ergeben könnten. Dies erscheint vielmehr gleich aus mehreren Gründen fernliegend. Es lässt sich nicht nachvollziehen, wie sich aus einer nach Jahren und Ursprungsbehörden aufgeschlüsselten Angabe der Zahl der Quellenmeldungen Rückschlüsse auf die Identität einzelner V-Personen ziehen lassen sollen. Insbesondere ist nicht nach Meldungen von V-Leuten, sondern allgemein nach Meldungen von Quellen gefragt worden. Hierzu zählen auch Meldungen von Gewährsleuten oder sonstigen Informanten. Darüber hinaus ist nicht danach gefragt worden, in welcher Beziehung die Quellen zu bestimmten Gruppierungen - insbesondere der Wehrsportgruppe Hoffmann - standen. Bei einer vollständigen Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 würden somit weder Erkenntnisse zur Zusammenarbeit einer Quelle mit einer bestimmten Behörde noch zu ihrer Verbindung zu einer bestimmten Gruppierung offenbart werden. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass nicht nach der Anzahl der Quellen, sondern nach der Anzahl der Quellenmeldungen gefragt worden ist. Aus der Anzahl der Quellenmeldungen lassen sich keine belastbaren Rückschlüsse auf die Zahl der von einer Behörde geführten Quellen ziehen. Dies gilt selbst dann, wenn eine Behörde in einem Jahr nur eine einzige oder gar keine Quellenmeldung im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat oder der Wehrsportgruppe Hoffmann erhalten haben sollte. Hinzu kommt, dass im Rahmen der Fragen 15 und 20 (Anzahl der Meldungen von Quellen der Landesämter für Verfassungsschutz) keine Differenzierung nach Ländern erbeten worden ist, aus der sich möglicherweise Anhaltspunkte bezüglich der Herkunft der Quelle ergeben könnten; es ist lediglich um Mitteilung der Gesamtzahl der Quellenmeldungen von allen Landesämtern gebeten worden.

143

Dass eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen und dadurch deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigen könnte, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Dass Nachrichtendienste Informationen aus vertraulichen Quellen erlangen, ist allgemein bekannt. Aus den nach Jahren und Behörden aufgeschlüsselten Zahlen der Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat oder zur Wehrsportgruppe Hoffmann lassen sich allenfalls gewisse Rückschlüsse auf den Umfang der Beobachtung von Personen und Gruppierungen ziehen, die möglicherweise in irgendeinem Zusammenhang zum Oktoberfestattentat standen. Zu der Art und Weise, wie die Quellen damals geführt wurden, ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte. Erst recht lassen sich keine Rückschlüsse auf den heutigen Einsatz von Quellen ziehen.

144

bb) Die Begründung der Antragsgegnerin rechtfertigt auch keine Verweigerung der begehrten Aufschlüsselung zum Schutz der Grundrechte. Da die begehrten Informationen aus den genannten Gründen keinen hinreichend konkreten Bezug zu verdeckt tätigen Personen aufweisen, ist nicht zu besorgen, dass grundrechtlich geschützte Rechtsgüter etwaiger V-Leute oder Dritter gefährdet werden könnten.

145

b) Hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31, die auslegungsbedürftig sind (aa)), ist zu differenzieren. Soweit nach dem "Ob" des Einsatzes von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute gefragt wurde, werden die Antworten der Antragsgegnerin - mit Ausnahme der Fragen 24 und 25 zum Bundesnachrichtendienst - den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht (bb)). Die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute hält der verfassungsgerichtlichen Prüfung ebenfalls nur teilweise stand (cc)).

146

aa) Die Fragen 23, 25, 29 und 31 beziehen sich bei wörtlichem Verständnis auf die Tätigkeit von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat. Dieses fand am 26. September 1980 statt, die Wehrsportgruppe Hoffmann wurde jedoch schon am 30. Januar 1980 mit sofortiger Wirkung verboten und aufgelöst. Bereits etwa acht Monate vor dem Oktoberfestattentat gab es daher "Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann" im eigentlichen Sinne nicht mehr.

147

Die Fragen 23, 25, 29 und 31 sind jedoch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie gestellt wurden (vgl. BVerfGE 110, 199 <213>; 137, 185 <229 Rn. 124>), dahingehend auszulegen, dass um Auskunft gebeten wird, ob ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute tätig waren. Da die Fragen nur bei diesem Verständnis sinnvoll sind, hatte die Antragsgegnerin eine solche Auslegung vorzunehmen. Dabei hatte die Antragsgegnerin außerdem zu berücksichtigen, dass die Fragen nicht den Einsatz von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann in dem Zeitraum nach dem Oktoberfestattentat bis heute erfassen sollen. Vielmehr erlaubt eine Gesamtwürdigung des Begehrens der Antragstellerinnen nur ein Verständnis, wonach die Fragen auf den Einsatz ehemaliger Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann zeitnah zu dem Attentat gerichtet sind.

148

bb) Die Beantwortung der Fragen, ob unter den Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, hat die Antragsgegnerin aus Gründen des Staatswohls und des Grundrechtsschutzes abgelehnt. Insoweit genügen ihre Antworten den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil der abstrakte Verweis darauf, Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste könnten bekannt und Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten gefährdet werden, nicht ausreicht, um das Informationsinteresse des Parlaments einzuschränken ((1)). Die Verweigerung der Antworten auf die Fragen 24 und 25 zu einer Tätigkeit für den Bundesnachrichtendienst ist demgegenüber gerechtfertigt ((2)).

149

(1) Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, das Staatswohl könnte dadurch beeinträchtigt werden, dass durch eine Beantwortung der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann Rückschlüsse auf die aktuelle Arbeitsweise und die Organisation der Nachrichtendienste ermöglicht werden könnten, erscheint dies nicht nachvollziehbar. Der Umstand, dass Nachrichtendienste damals wie heute V-Leute einsetzen, ist allgemein bekannt. Welche darüber hinausgehenden Rückschlüsse die Antragsgegnerin für möglich hält, legt sie nicht plausibel dar.

150

Die abstrakt gehaltene Begründung der Antragsgegnerin, eine Beeinträchtigung des Staatswohls könne dadurch erfolgen, dass eine Auskunft, wonach unter den (ehemaligen) Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann eine oder mehrere V-Personen waren, zusammen mit entsprechendem Zusatzwissen zu einer Enttarnung führen könne, lässt sich zwar nicht vollständig von der Hand weisen. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Personen enttarnt werden könnten, aufgrund der hier gegebenen Umstände so gering, dass sie eine Einschränkung des parlamentarischen Informationsrechts nicht mehr zu rechtfertigen vermag. Die Wehrsportgruppe Hoffmann hatte zum Zeitpunkt ihrer Auflösung etwa 400 Mitglieder. Zwar war sie in lokale Untergruppen aufgeteilt. Selbst bei einer Bestätigung, dass (ehemalige) Mitglieder V-Leute waren, wäre noch keine Aussage über deren Zuordnung zu einer lokalen Untergruppe getroffen. Mitglieder der Wehrsportgruppe könnten sich - sollten sie den Verdacht gehabt haben, es seien V-Leute unter ihnen - lediglich bestätigt fühlen. Rückschlüsse auf einzelne Personen wären nicht möglich.

151

Auch die Gefahr einer Verunsicherung unter aktuellen oder potentiellen V-Leuten, die zu einer Erschwernis der Anwerbung und Führung von V-Leuten führen könnte, dürfte angesichts des Umstands, dass der Einsatz von V-Leuten in rechtsextremen Milieus allgemein bekannt ist, äußerst gering sein. Hinzu kommt, dass im Falle einer Verneinung der Fragen danach, ob die Antragsgegnerin den Einsatz von V-Leuten bei den Verfassungsschutzämtern ausschließen (Fragen 22 und 23) beziehungsweise "nach ihrer Kenntnis ausschließen" (Fragen 28 und 29) kann, nicht einmal eine sichere Bestätigung des Vorhandenseins von V-Leuten erlangt werden könnte. Dies gilt insbesondere, soweit sich die Fragen auf die Landesämter für Verfassungsschutzbeziehen. Aus der Mitteilung, die Antragsgegnerin könne nach ihrer Kenntnis nicht ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für ein Landesamt tätig waren, lässt sich nicht ohne weiteres der Schluss ziehen, dass es bei den Landesämtern solche V-Leute gab.

152

Soweit die Antragsgegnerin erstmals in ihrer Antragserwiderung vorgetragen hat, dass eine Beantwortung der Fragen auch mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht durchdringen. Insoweit kann auf die Ausführungen zu Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwiesen werden.

153

Mit Blick auf den Grundrechtsschutzkönnen Gefahren für Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Auch diesbezüglich ist aber zu berücksichtigen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Enttarnung von V-Leuten aufgrund der bloßen Auskunft darüber, ob (ehemalige) Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, sehr gering ist. Zwar erscheint es möglich, dass sich etwaige ehemalige V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann auch heute noch in einem gewaltbereiten rechtsextremen Umfeld bewegen und daher in besonderer Weise Gefahren ausgesetzt sind. Zumindest ein Teil der Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe - insbesondere auch Karl-Heinz Hoffmann selbst - hat sich von dem Gedankengut der Gruppe bis heute nicht gelöst und verfolgt weiterhin aktiv die öffentliche Diskussion über die damaligen Ereignisse. Dass sich die Gefahr für solche V-Leute durch eine bloße Bejahung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten aus der Wehrsportgruppe Hoffmann merklich erhöht, ist vor dem Hintergrund, dass der Einsatz von V-Leuten in diesen Milieus allgemein bekannt ist, aber sehr unwahrscheinlich.

154

(2) Etwas anderes gilt hinsichtlich der Fragen 24 und 25, die sich auf den Bundesnachrichtendienst beziehen. Die Gefahr einer Enttarnung vom Bundesnachrichtendienst möglicherweise eingesetzter V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann wäre schon dann erheblich, wenn die Antragsgegnerin ihre bloße Existenz bestätigte.

155

Angesichts der Zuständigkeit des Bundesnachrichtendienstes für die Gewinnung von Auslandserkenntnissen (vgl. § 1 Abs. 2 BNDG) kommen als etwaige V-Leute dieser Behörde insbesondere die Mitglieder der damals im Libanon operierenden "Wehrsportgruppe Ausland" in Betracht. Diese Nachfolgeorganisation der Wehrsportgruppe Hoffmann, der auch Hoffmann selbst angehörte, hatte nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes nur noch 15 Mitglieder. In Anbetracht dieser geringen Zahl würde die Gefahr einer Enttarnung bei einer positiven Beantwortung erheblich steigen. Daher durfte die Antragsgegnerin die Antwort auf diese Fragen verweigern. Angesichts der erheblichen Gefahr einer Enttarnung hätte die Auskunft auch nicht nach Maßgabe der Geheimschutzordnung erteilt werden müssen. Denn dabei wäre wegen der großen Anzahl der Geheimnisträger die Wahrscheinlichkeit erhöht worden, dass die mitgeteilten Informationen weitergegeben oder ausgespäht worden wären. Dieses Risiko musste die Antragsgegnerin wegen der Gefahren für das Staatswohl und die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter etwaiger V-Leute nicht in Kauf nehmen.

156

cc) Soweit mit den Fragen 23 und 28 bis 31 über das "Ob" hinausgehende Auskünfte zum Einsatz von V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann beziehungsweise von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe begehrt wurden, rechtfertigt die Begründung der Antragsgegnerin eine Antwortverweigerung nur teilweise. Auskünfte dazu, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat für das Bundesamt für Verfassungsschutz (Frage 23) sowie vor und nach dem Attentat für Landesämter für Verfassungsschutz (Fragen 30 und 31) tätig waren, durften mit der gegebenen Begründung nicht verweigert werden ((1)). Eine Antwort auf die Fragen, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe vor und nach dem Attentat für welches Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren (Fragen 28 und 29), hat die Antragsgegnerin dagegen zu Recht verweigert ((2)).

157

(1) Die Beantwortung der Fragen zu der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute im Bundesamt für Verfassungsschutz einerseits (Frage 23) und in den Landesämtern für Verfassungsschutz andererseits (Fragen 30 und 31) darf mit Blick auf die Bedeutung des parlamentarischen Informationsrechts aus den von der Antragsgegnerin genannten Gründen nicht verweigert werden. Zwar wird die Gefahr der Enttarnung von V-Personen umso größer, je mehr Details über ihren Einsatz mitgeteilt werden. Daher erhöht sich die Gefahr einer Enttarnung auch durch die Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute. Die Information, wie viele V-Leute eingesetzt waren, unterscheidet sich qualitativ von der bloßen Bestätigung eines mutmaßlich bereits bestehenden Verdachts der Öffentlichkeit, dass V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann eingesetzt waren. Die Anzahl von V-Leuten ist eine Information, die der Öffentlichkeit nicht bekannt sein kann. Jedoch erscheint es kaum möglich, allein aufgrund der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute aus der Wehrsportgruppe beim Bundesamt für Verfassungsschutz und beiden Landesämtern für Verfassungsschutz nach über 30 Jahren Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise dieser Behörden und die Identität einzelner V-Personen zu ziehen.

158

(2) Die Grenze der Geheimhaltungsbedürftigkeit wird jedoch durch die Fragen danach, wie viele V-Leute für welches Landesamt für Verfassungsschutztätig waren (Fragen 28 und 29), überschritten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe gelingen könnte, etwaige V-Leute zu enttarnen, steigt schon an, wenn deren genaue Anzahl bekannt wird. Dies gilt in verstärktem Maße, wenn bei den ehemaligen V-Leuten der Landesämter für Verfassungsschutz zusätzlich bekannt würde, für welches Landesamt sie tätig waren. Diese Information könnte eine Eingrenzung der damaligen Wohnorte etwaiger V-Leute oder ihre Zuordnung zu einzelnen Ortsgruppen der Wehrsportgruppe ermöglichen.

159

Vor diesem Hintergrund ist eine Beeinträchtigung von Belangen des Staatswohls in Gestalt der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht von der Hand zu weisen. Da möglicherweise noch immer aktive, zumindest aber noch lebende V-Leute enttarnt werden könnten, überwiegt das Geheimhaltungsinteresse. Würden ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe als V-Leute enttarnt, könnten diese künftig nicht mehr als solche eingesetzt werden. Dass damalige V-Leute heute noch für die Behörden tätig sind, ist angesichts des Zeitablaufs zwar nicht besonders wahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen. Es erscheint jedenfalls möglich, dass diese Personen noch immer in der rechtsextremen Szene aktiv und weiterhin zur Kooperation mit den Behörden bereit sind. Unabhängig davon, ob es zu einer Enttarnung kommt, könnte die Mitteilung der abgefragten Informationen das Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen schwächen und aktuelle oder potentielle V-Leute verunsichern. Auch die bereits erörterten Bedenken hinsichtlich des Grundrechtsschutzes kommen mit Blick auf die erbetenen Zusatzinformationen in verstärktem Maße zum Tragen.

160

Die Antragsgegnerin durfte daher entsprechende Auskünfte unter Berufung auf das Staatswohl und den Schutz der Grundrechte etwaiger V-Leute verweigern. Sie musste die Auskünfte auch nicht unter Anwendung der Geheimschutzordnung erteilen, weil die Wahrscheinlichkeit einer unerlaubten Informationsweitergabe steigt, je größer die Zahl der Geheimnisträger ist. Dieses Risiko muss aufgrund der möglichen Enttarnung von V-Leuten, der damit einhergehenden Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte dieser Personen nicht in Kauf genommen werden.

D.

161

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), sind hier nicht ersichtlich.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat

a) die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3117) sowie

b) die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 23 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3810)

nach Maßgabe der Gründe in ihren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.

2. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragstellerinnen sind Fraktionen des Deutschen Bundestages. Sie machen die unvollständige Beantwortung zweier Kleiner Anfragen der Antragstellerinnen zu Erkenntnissen der Nachrichtendienste über das Attentat auf das Münchner Oktoberfest am 26. September 1980 und einer diesbezüglich möglichen Verstrickung von Vertrauensleuten (im Folgenden: V-Leute) dieser Behörden geltend.

I.

2

1. Am 26. September 1980 um 22.20 Uhr explodierte am Haupteingang des Münchner Oktoberfests ein Sprengsatz. Neben dem Attentäter, dem 21 Jahre alten Gundolf Köhler aus Donaueschingen, starben 12 Personen im Alter zwischen 11 und 52 Jahren; 211 Menschen wurden verletzt. Das Oktoberfestattentat gilt als der schwerste rechtsterroristische Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Der Generalbundesanwalt schloss die Ermittlungen zu dem Attentat mit einem Schlussbericht vom 23. November 1982 ab. Darin hieß es, für eine Tatbeteiligung Dritter sprächen unterschiedliche Beweiserkenntnisse, die einen abschließenden Nachweis der Tatbeteiligung anderer Personen jedoch nicht zuließen. Hinweise darauf, dass Köhler nicht als Alleintäter gehandelt hatte, ergaben sich insbesondere aus den Aussagen zweier Zeugen.

3

2. Ungeklärt blieb nach Abschluss der Ermittlungen die Rolle des 1937 geborenen Karl-Heinz Hoffmann, des Gründers der so genannten "Wehrsportgruppe Hoffmann". Der von Hoffmann im Jahr 1973 ins Leben gerufene, nach militärischen Gesichtspunkten organisierte Verband wurde seit seiner Gründung vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Bei Hoffmann wurde im Rahmen einer bereits vor dem Attentat durchgeführten Durchsuchung Material sichergestellt, aus dem sich ergab, dass der Attentäter Köhler im Februar 1976 im Briefwechsel mit Hoffmann gestanden hatte; er soll auch an zwei Übungen der Wehrsportgruppe teilgenommen haben (vgl. Fromm, Die "Wehrsportgruppe Hoffmann": Darstellung, Analyse und Einordnung, 1998, S. 331 f.; Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 37).

4

Die Wehrsportgruppe hatte bis zu ihrem Verbot im Jahr 1980 circa 400 Mitglieder. In der Verbotsverfügung vom 16. Januar 1980 wurde die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 6), weshalb sich die Gruppierung nach dem Verbot auflöste. Sie wurde verboten, weil ihre Organisation und ihre Tätigkeit der allmählichen Herbeiführung einer neuen staatlichen Ordnung unter gleichzeitiger Aushöhlung der verfassungsmäßigen Ordnung dienten (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 100 ff.). Fünfzehn ehemalige Mitglieder schlossen sich nach dem Verbot als "Wehrsportgruppe Ausland" im Libanon zusammen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellte in dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1981 fest, es seien durch die "Wehrsportgruppe Ausland" Anschläge auf Personen und Einrichtungen im Bundesgebiet geplant und zum Teil bereits vorbereitet worden (vgl. Verfassungsschutzbericht 1981, S. 27 f.).

5

3. Auch der Name Heinz Lembke tauchte im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wiederholt auf. Er war "Milizionär" und "Wehrsportler" und nahm bis 1978 regelmäßig an Übungen der Reservistenkameradschaft der "Deutschen Aktionsgruppen" teil. Bei einer im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens am 29. September 1980 durchgeführten Durchsuchung seines Hauses konnten die Ermittler neben ein wenig Zündschnur und einem Gewehrmagazin zunächst weder Sprengstoff noch Waffen sicherstellen. Jedoch stieß ein Waldarbeiter am 26. Oktober 1981 in der Nähe des Hauses von Lembke auf wasserdicht verpackte Kisten mit Gewehrmunition, Sprengstoff und Sprengmitteln. Im Laufe der Ermittlungen konnten in weiteren nahezu 30 Depots Waffen sichergestellt werden. Lembke erhängte sich am 1. November 1981 in der Untersuchungshaft und soll folgende schriftliche Mitteilung hinterlassen haben: "Genossen! Ihr wisst, weshalb ich nicht mehr leben darf. Wolfszeit! Heil Euch, Heinz Hermann Ernst Lembke" (vgl. Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 217).

6

4. Im Dezember 2014 teilte der Generalbundesanwalt mit, er habe die Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wieder aufgenommen, Anlass dafür seien Angaben einer bis dahin unbekannten Zeugin.

II.

7

1. Am 8. Oktober 2014 richteten die Antragstellerin zu 1. und verschiedene Mitglieder des Bundestages eine Kleine Anfrage unter der Überschrift "Oktoberfest-Attentat - Wiederaufnahme der Ermittlungen zu Nazi-Hintermännern" an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3117).

8

a) Die Kleine Anfrage leiteten sie mit dem Hinweis darauf ein, dass noch immer gewichtige Zweifel am Ermittlungsergebnis bestünden, wonach Gundolf Köhler die Tat allein geplant und ausgeführt habe. Der Münchner Stadtrat und der Bayerische Landtag hätten bereits 2011 gefordert, der Generalbundesanwalt solle die Ermittlungen wieder aufnehmen. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 enthielt insbesondere Fragen zu dem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts und zu einem etwaigen Einsatz von Heinz Lembke als V-Mann einer Sicherheitsbehörde des Bundes oder eines Landes.

9

Die Frage 2 a)

"War Lembke ein V-Mann einer (gegebenenfalls welcher) Sicherheitsbehörde des Bundes oder - nach Kenntnis der Bundesregierung - eines Landes?"

wurde von der Antragsgegnerin nicht beantwortet. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) begründete die Antragsgegnerin die Verweigerung der Beantwortung dieser Frage wie folgt:

"Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann.

Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags Informationen und werten diese aus. Die Führung von V-Leuten gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Verfassungsschutzbehörden und dem Bundesnachrichtendienst zur Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu oder Namen einzelner V-Leute bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienstegezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellender Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich V-Leute regelmäßig in einem ex-tremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von V-Leuten ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn die betreffende Person kein V-Mann ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines V-Leute-Einsatzes geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der V-Leute folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann."

10

b) Mit Schreiben vom 3. März 2015 wandte sich MdB Britta Haßelmann in ihrer Funktion als Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 1. an den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz und bat erneut darum, die Frage 2 a) der Kleinen Anfrage zu beantworten. Die zur Verweigerung von der Antragsgegnerin genannten Gründe überzeugten nicht. Sie liefen darauf hinaus, immer und ausnahmslos jedwede Information über die Tätigkeit von V-Leuten zu verweigern. Dies sei nicht akzeptabel, weil eine gesetzliche Regulierung des Einsatzes von V-Leuten anstehe, wobei die Ursache für die rechtspolitische Diskussion auch die mögliche Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten sei. In der konkreten Frage gehe es um einen solchen Fall. Zudem sei dieser Fall ein historischer, in dem eine konkrete Beeinträchtigung der Arbeit der Sicherheitsbehörden nicht eintreten könne. Insgesamt sei die Antwortverweigerung daher eklatant unverhältnismäßig.

11

In seinem Antwortschreiben vom 7. April 2015 teilte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Christian Lange mit, aufgrund der Nachfrage habe die Antragsgegnerin die zu der Frage 2 a) beschriebene Abwägung noch einmal vorgenommen. Sie sei jedoch nach wie vor der Auffassung, dass Fragen zur Art und Weise der Quellenführung sowie zur V-Leute-Eigenschaft von Personen - auch wenn es sich um zeitlich weit zurückliegende Vorgänge handele - zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht beantwortet werden könnten. Sowohl die Werbung als auch die Führung von V-Leuten seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden zentrale Bedeutung zukomme. Eine besondere Geheimhaltung müsse deshalb auch dann gelten, wenn eine Person nicht als V-Person tätig gewesen sei oder der Vorgang zeitlich weit zurückliege. In diesen Fällen sei das Staatswohl ebenfalls betroffen, da auch hier - gegebenenfalls im Wege eines Umkehrschlusses aus einer Antwortverweigerung oder in der Gesamtschau der Antworten der Bundesregierung auf andere parlamentarische Anfragen - Rückschlüsse auf die Arbeitsweisen, Strategien und Methoden der Nachrichtendienste für die Gegenwart gezogen werden könnten und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt werden könne. Die in der Vergangenheit erfolgte Enttarnung von V-Leuten habe bereits dazu geführt, dass die Anwerbung von V-Leuten in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten und damit einhergehenden Informationsdefiziten verbunden sei. Zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Bundesamts für Verfassungsschutz sei daher durch die Bundesregierung selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens von geheimhaltungsbedürftigen Informationen zur Werbung und Führung von V-Leuten auszuschließen. Die Bewertung gelte auch unter Berücksichtigung der weiteren im Schreiben vom 3. März 2015 angeführten Argumente. Die im Gesetzentwurf zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vorgesehene Regelung zum Einsatz von V-Leuten gebe die wesentlichen Anforderungen vor. Nach dem aktuellen Gesetzentwurf schlössen im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilungen wegen eines Verbrechens oder zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden sei, die Anwerbung und den Einsatz als V-Person grundsätzlich aus.

12

2. Die Antragstellerin zu 2. und einige Mitglieder des Bundestages richteten am 21. Januar 2015 unter der Überschrift "Mutmaßliche Aktenvernichtungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann bei deutschen Geheimdiensten" ebenfalls eine Kleine Anfrage an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3810).

13

a) Darin führten sie aus, die Antragsgegnerin habe der Abgeordneten Petra Pau am 13. Januar 2015 die Auskunft erteilt, im Bundesamt für Verfassungsschutz seien nur sieben Ordner zum Oktoberfestattentat vorhanden. Daher liege die Vermutung nahe, dass in den vergangenen Jahren Informationen zu dem Attentat und zur Wehrsportgruppe Hoffmann vernichtet worden seien. Die Kleine Anfrage enthielt Fragen zu Umfang und Aufbau der Akten sowie zu Quellen des Bundesamts für Verfassungsschutz. Ferner wurde die Frage gestellt, ob und wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für das Bundesamt beziehungsweise Landesämter für Verfassungsschutz tätig geworden seien. Einige Fragen nach Quellenmeldungen beantwortete die Bundesregierung lediglich in nicht nach Ursprungsbehörden und Jahren aufgeschlüsselter Form. Die Beantwortung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten und weiterer Fragen nach Quellenmeldungen lehnte die Antragsgegnerin vollständig ab.

14

Die Fragen, welche die Antragsgegnerin nicht oder nur zum Teil beantwortete, lauteten wie folgt:

Frage 14: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zum Oktoberfestattentat vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 15: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 16: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 19: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zur Wehrsportgruppe Hoffmann vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 20: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zur Wehrsportgruppe Hoffmann liegen aus welchen Jahren im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 21: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zur Wehrsportgruppe Hoffmann aus welchen Jahren liegen im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 22: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren?"

Frage 23: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für das BfV tätig?"

Frage 24: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 25: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 28: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 29: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungs-schutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 30: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

Frage 31: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

15

In einer Vorbemerkung zu ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) führte die Antragsgegnerin aus:

"1. Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 nicht oder zumindest nicht vollständig erfolgen kann. Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann. Die Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags die erforderlichen Informationen und werten diese aus. Die Führung von Quellen gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Nachrichtendiensten bei der Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu, auch welche die quellenführende Stelle betreffend oder Namen einzelner Quellen bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von Quellen und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich Quellen hier in einem extremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von Quellen ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn kein Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann eine Quelle ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines Einsatzes von Quellen geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der Quellen folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet.

Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann.

2. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Komplexe "Oktoberfestattentat" und "Wehrsportgruppe Hoffmann" wegen des Inlandsbezugs nicht in den originären Aufgabenbereich des Bundesnachrichtendienstes (BND) als Auslandsnachrichtendienst fielen und fallen. Im Übrigen wurde der überwiegende Teil der im BND zum Oktoberfestattentat gebildeten Unterlagen an das Bundesarchiv abgegeben. Die Antworten auf die den BND betreffenden Fragen beruhen auf den im BND-Archiv noch vorhandenen, erschlossenen Altunterlagen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich im Zuge der fortschreitenden Erschließung der an das BND-Archiv in der Vergangenheit und künftig abgegebenen archivwürdigen Unterlagen weitergehende Erkenntnisse zum Anfragegegenstand ergeben.

3. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Einrichtung des Referats "Rechtsextremismus Terrorismus" im April 1981 im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nicht ausschließlich auf das Oktoberfestattentat zurückzuführen ist. Diesbezüglich wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 3 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/2544 verwiesen."

16

Die im Organstreitverfahren gerügten Antworten hatten folgenden Wortlaut:

"Die Fragen 14 bis 16 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Der Bundesregierung liegen insgesamt fünf Quellenmeldungen für den Zeitraum von 1980 bis 1985 vor. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 19 bis 21 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" im BfV wird gegenwärtig archivarisch aufbereitet, so dass nicht in allen Aktenbänden recherchiert werden konnte. Nach dem insoweit unter Vorbehalt stehenden Rechercheergebnis fanden 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang in die Sachakte. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 22 bis 25 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

"Die Fragen 28 bis 31 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

17

b) Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 2., MdB Dr. Petra Sitte, richtete am 4. März 2015 ein Schreiben an den Bundesminister des Innern, in dem sie um eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 sowie 19 bis 25 bat. Insbesondere die Weigerung, die Fragen 22 bis 25 zu beantworten, überzeuge nicht. Sie bedeute, dass nach Belieben Informationen über die Tätigkeiten von V-Leuten verweigert werden könnten. Angesichts der Tatsache, dass mindestens ein neonazistischer V-Mann in der Wehrsportgruppe Hoffmann seine V-Mann-Eigenschaft schon vor Jahren öffentlich gemacht habe, seien die in der Vorbemerkung zur Antwort genannten Gründe der Bundesregierung zur Antwortverweigerung nicht akzeptabel und unverhältnismäßig. Schließlich bestehe jederzeit die Möglichkeit, die Antworten nach der Geheimschutzordnung einzustufen. Der langjährige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, habe darauf hingewiesen, dass im Rahmen einer Abwägung die Aufklärung eines Mordes wichtiger sei als der Quellenschutz. Beim Oktoberfestattentat, dem schwersten rechtsterroristischen Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik, seien 22 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt worden.

18

Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium des Innern Dr. Günter Krings teilte mit Schreiben vom 14. März 2015 mit, es sei in der Antwort zu der Kleinen Anfrage ausführlich dargelegt worden, weshalb eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 21 und 22 bis 25 nicht erfolgen könne. An dieser Bewertung halte die Antragsgegnerin auch nach nochmaliger Abwägung fest. Sowohl die Werbung als auch die Führung von menschlichen Quellen seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste zentrale Bedeutung zukomme. Die nähere Aufgliederung der Quellenmeldungen würde dazu führen, dass taktische Verfahrensabläufe offenbar würden und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt sei. Soweit sich die Fragen auf menschliche Quellen der Sicherheitsbehörden bezögen, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beantwortung dieser Fragen zu einer Offenlegung der Identität der Quellen führe. Im Hinblick auf die daraus folgenden Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit dieser Personen sei daher der staatliche Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 GG besonders zu beachten. Daher scheide auch eine als Verschlusssache eingestufte Beantwortung aus. Hierdurch werde die strafrechtliche Aufklärung des Oktoberfestattentats nicht verhindert. Der Generalbundesanwalt habe mit Schreiben vom 17. Februar 2015 sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch den Bundesnachrichtendienst um umfassende Mitteilung der dort vorliegenden Erkenntnisse zum Oktoberfestattentat gebeten. Beide Behörden würden dem Generalbundesanwalt die erbetenen Informationen zur Verfügung stellen.

III.

19

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2015 haben die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitet. Mit ihren Anträgen begehren sie die Feststellung, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (BTDrucks 18/3117) sowie die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (BTDrucks 18/3810) in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt hat.

20

1. Die Antragstellerinnen halten ihre Anträge für zulässig. Sie sind der Auffassung, dass sie sowohl hinsichtlich der jeweils von ihnen selbst als auch bezüglich der von der jeweils anderen Antragstellerin gestellten Kleinen Anfrage antragsbefugt seien. Zum einen werde eine Verletzung des den Fraktionen selbst zustehenden Informationsrechts gerügt, das sich aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 GG ergebe und den Fraktionen dazu diene, den für die parlamentarische Arbeit erforderlichen Informationsstand zu erhalten. Zum anderen verletze die unzureichende Beantwortung einer Kleinen Anfrage die Rechte des Bundestages aus Art. 20 Abs. 2 GG. Diese Rechte könnten die Antragstellerinnen gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG prozessstandschaftlich geltend machen. Hinsichtlich der Antwort auf die von der jeweils anderen Antragstellerin gestellte Kleine Anfrage werde allein eine Verletzung der Rechte des Bundestages im Wege der Prozessstandschaft gerügt. Auch insoweit sei nicht nur die Antragsbefugnis, sondern auch ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Eine Fraktion könne Rechte des Bundestages auch dann im Organstreitverfahren verteidigen, wenn sie diesbezüglich zuvor nicht parlamentarisch tätig geworden sei.

21

2. Die Anträge seien begründet. Die Weigerung der Antragsgegnerin, die Kleinen Anfragen vollständig zu beantworten, verletze die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG.

22

a) Aus diesen Normen folge für den Deutschen Bundestag und seine Fraktionen ein Frage- und Informationsrecht, das grundsätzlich mit einer Auskunftspflicht der Bundesregierung korrespondiere. Grenzen des Informationsrechts könnten sich aus dem Staatswohl, den Grundrechten und dem Gewaltenteilungsprinzip ergeben. Mit Blick auf die verfahrensgegenständlichen Fragen der Antragstellerinnen sei jedoch kein ausreichendes Geheimhaltungsinteresse ersichtlich. Außerdem genügten die Begründungen, mit denen die Antragsgegnerin die vollständige Beantwortung der Kleinen Anfragen verweigert habe, nicht den hieran zu stellenden Anforderungen, da sie die Antragstellerinnen nicht in die Lage versetzten, die von der Antragsgegnerin vorgenommene Abwägung nachzuvollziehen.

23

Ob und inwieweit die Antragsgegnerin ausnahmsweise die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden und insbesondere zu V-Leuten verweigern dürfe, richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Es sei Sache der Bundesregierung, im Einzelfall darzulegen, warum das allgemein bestehende parlamentarische Informationsrecht aufgrund gegenläufiger Belange von höherem verfassungsrechtlichem Gewicht ausnahmsweise ausgeschlossen sei. Eine Bereichsausnahme sei im Hinblick auf Informationen zu V-Leuten verfassungsrechtlich nicht begründbar. Eine solche Ausnahme vom parlamentarischen Informationsrecht - wie sie das Bundesverfassungsgericht etwa für den Bereich der Rüstungsexporte anerkannt habe - könne nur in Betracht kommen, wenn sich ein Typ parlamentarischer Auskunftsbegehren trennscharf beschreiben lasse, bei dem einem noch so gewichtigen Informationsinteresse des Bundestages stets ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse gegenüberstehe. Dies sei bei parlamentarischen Anfragen mit Bezug zum Einsatz von V-Leuten nicht der Fall, denn nicht jede derartige Anfrage könne zur Enttarnung dieser Personen führen. Selbst wenn eine Enttarnung in Aussicht stehe, werde der weitere Einsatz der betroffenen V-Leute dann nicht gefährdet, wenn dieser bereits aus anderen Gründen ausgeschlossen sei. Ob die bloße Erkenntnis, beobachtet zu werden, für die beobachteten Personen einen für das Staatswohl relevanten Informationswert habe, hänge ebenfalls von unterschiedlichen Faktoren ab. Auch ermögliche nicht jede Information zum Einsatz von V-Leuten Rückschlüsse auf die Art und Weise der Beobachtung.

24

Eine das Staatswohl gefährdende Offenbarung der Arbeitsweisen der Sicherheitsbehörden sei ebenfalls nicht in jedem Fall zu befürchten. Zwar sei insoweit eine Prognose anzustellen, die - wie jede Prognose - mit Restunsicherheiten behaftet sei. Dieses Prognoserisiko rechtfertige jedoch keine abstrakte Vorrangregel zugunsten des Geheimhaltungsinteresses der Antragsgegnerin.

25

Eine Bereichsausnahme lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Quellenschutzes rechtfertigen. Der Quellenschutz könne dem Informationsrecht des Bundestages nur entgegengehalten werden, wenn die begehrte Information überhaupt dazu führen könne, dass eine bestimmte Person als Quelle enttarnt werde. Insoweit könne nicht schon die stets gegebene theoretische Möglichkeit ausreichen, dass sich Informationen mit hinreichendem Zusatzwissen auf bestimmte Personen beziehen ließen. Vielmehr müsse dies anhand eines Wahrscheinlichkeitsurteils in jedem Einzelfall ermittelt werden. Auch wenn danach im Einzelfall ein Bezug auf bestimmte Personen möglich sei, bedürfe es stets einer Abwägung zwischen dem Quellenschutz und dem Informationsinteresse des Bundestages. Im Rahmen dieser Abwägung werde der Quellenschutz in der Regel überwiegen, wenn der Sachverhalt aktuell sei und es sich bei der Quelle um eine lebende Person handele. Daneben könne eine Geheimhaltung auch zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter Dritter geboten sein, was jedoch im Einzelfall zumindest ansatzweise konkret dargelegt werden müsse. Der Schutz des sozialen Ansehens einer Quelle - worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten ohnehin nicht berufen habe - gehe dem Informationsinteresse des Bundestages ebenfalls nicht ohne einzelfallbezogene Abwägung vor. Dies gelte erst recht nach dem Tod der Quelle. Schließlich könne ein abstrakter Vorrang des Quellenschutzes auch nicht aus den gegenüber V-Leuten abgegebenen Vertraulichkeitszusagen hergeleitet werden, worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten im Übrigen ebenfalls nicht berufen habe. Das parlamentarische Auskunftsrecht stehe nicht zur Disposition der Sicherheitsbehörden.

26

b) Die Begründung, mit der die Antragsgegnerin die Beantwortung der Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verweigert habe, genüge diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich (bb)) und bei der vorzunehmenden Abwägung überwiege das parlamentarische Informationsinteresse (cc)).

27

aa) Bei der Begründung handele es sich um einen Textbaustein, dem jeder Einzelfallbezug fehle. Dies zeige sich auch daran, dass die Begründung der Antwortverweigerung mit derjenigen in Bezug auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 weitgehend wortgleich und auch die Beantwortung einer weiteren Kleinen Anfrage im Wesentlichen mit derselben Begründung verweigert worden sei. Außerdem passe die Antwort nicht zu der Frage, soweit die Antragsgegnerin hervorhebe, dass Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten geschützt werden müssten, da Lembke bereits 1981 verstorben sei. Ferner sei die Begründung unvollständig, da darin nur auf die Tätigkeit der Nachrichtendienste eingegangen worden sei, obwohl sich die Frage auf Sicherheitsbehörden und somit auch auf die Polizeibehörden bezogen habe. Eine derart formelhafte und unspezifische Begründung wäre nur dann hinzunehmen, wenn die Frage 2 a) auf Informationen gezielt hätte, die offenkundig geheimhaltungsbedürftig seien. Dies sei jedoch nicht der Fall.

28

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich. Ein solches lasse sich insbesondere nicht mit dem Staatswohl in seiner Ausprägung als Schutz der Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden begründen. Eine Gefährdung der aktuell zu dem Oktoberfestattentat geführten Ermittlungen durch eine Beantwortung der Frage 2 a) liege fern. Die Frage beziehe sich auf einen historischen Vorgang und auf einen Verstorbenen. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Enttarnung von Heinz Lembke als V-Mann aktuelle Ermittlungen gefährden könne, zumal seit langem bekannt sei, dass sich Lembke und sein Umfeld im Blickfeld der Sicherheitsbehörden befunden hätten. Eine Beantwortung der Frage nach der V-Mann- Eigenschaft von Lembke ermögliche auch keine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden. Da sich die Frage auf die V-Mann-Eigenschaft einer einzelnen Person beziehe, ergebe sich aus ihrer Beantwortung kein einzelfallübergreifender Informationswert. Dass die Sicherheitsbehörden damals wie heute V-Leute in der Neonaziszene eingesetzt hätten, sei ohnehin allgemein bekannt. Im Hinblick auf eigene Rechte von Heinz Lembke könne der allenfalls noch relevante postmortale Vertraulichkeitsschutz in Anbetracht der verstrichenen Zeit keine Bedeutung mehr haben. Jedenfalls aber könne dieser Vertraulichkeitsschutz bei der Abwägung nur geringes Gewicht haben. Konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung anderer Personen seien nicht ersichtlich.

29

cc) Selbst wenn sich aus einer Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden ergeben sollten, könne es sich dabei allenfalls um geringfügige Beeinträchtigungen handeln. Diesen stehe ein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegenüber, das bei der gebotenen Abwägung überwiege. Die Bedeutung der verfahrensgegenständlichen Frage gehe über den Einzelfall hinaus.

30

Für den Bundestag sei es von überragender Bedeutung, Einblicke in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu erhalten, um diese Tätigkeit und die Haltung der Antragsgegnerin hierzu kontrollieren zu können. Hierzu gebe es gerade in jüngerer Zeit mit Blick auf den Einsatz von V-Leuten in der rechtsextremen Szene Anlass. So werde das Versagen der Sicherheitsbehörden im Fall des so genannten Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) unter anderem auf einen überzogenen Quellenschutz bei den Nachrichtendiensten zurückgeführt. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 habe dazu gedient, Verdachtsmomenten nachzugehen, dass auch im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten genutzt worden seien, um den Anschlag zu verhindern und aufzuklären. Wenn sich dieser Verdacht erhärte, könne hierin möglicherweise ein über längere Zeit gleichbleibendes Muster erkannt werden. Um sich einen Einblick in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu verschaffen und diese zu kontrollieren, müsse der Bundestag zwangsläufig von Einzelfällen ausgehen, da ein detailliertes Gesamtbild weder verfügbar sei noch hergestellt werden könne. Umso bedeutsamer sei es, dass dem Bundestag Informationen zu Einzelfällen mitgeteilt würden, die nicht zwingend geheimhaltungsbedürftig seien.

31

Zudem bestehe an der Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden gerade im Neonazimilieu ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse. Neben den Vorgängen um den NSU sei insoweit auch das Oktoberfestattentat von Bedeutung, über das in jüngerer Zeit verstärkt berichtet worden sei.

32

Schließlich seien Informationen über mögliche Verbindungen von V-Leuten zu dem Oktoberfestattentat auch für die gesetzgeberische Funktion des Bundestages von Bedeutung. Die Frage der gesetzlichen Regulierung des Einsatzes von V-Leuten sei hochaktuell und umstritten. Insoweit sei es erforderlich, dass Informationen über die Praxis des Einsatzes von V-Leuten und eventuelle Missstände oder Fehleinschätzungen in der Vergangenheit verfügbar seien.

33

Die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke stehe im Kontext mit einer Vielzahl von weiteren Auskunftsbegehren der Antragstellerinnen, mit denen diese versuchten, Anhaltspunkten für Verbindungen deutscher Sicherheitsbehörden zu Personen und Gruppierungen aus dem Neonazimilieu nachzugehen, von denen schwerwiegende Gewalttaten ausgegangen seien. Sollte Lembke tatsächlich als V-Mann tätig gewesen sein und sollten sich Verbindungen zum Oktoberfestattentat erhärten lassen, würde dies massive Fragen nach dem Sinn und den Modalitäten des Einsatzes von V-Leuten im Neonazimilieu aufwerfen, deren potentielle politische Bedeutung für die parlamentarische Kontrolle und für gesetzgeberische Maßnahmen sich kaum überschätzen lasse.

34

c) Auch hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei die Antwort der Antragsgegnerin zu pauschal (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse sei nicht ersichtlich (bb)), jedenfalls habe eine vollständige Verweigerung der Beantwortung der Fragen nicht erfolgen dürfen (cc)).

35

aa) Die Verweigerung vollständiger Antworten auf die umstrittenen Fragen der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei unzureichend begründet worden. Die Antragsgegnerin habe denselben formelhaften Textbaustein wie in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwendet.

36

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei weder hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 zu Quellenmeldungen zum Attentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann noch bezüglich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann ersichtlich. Dass die Antragsgegnerin eine Aufschlüsselung der Quellenmeldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden in ihrer Antwort auf die Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 verweigert habe, lasse sich weder durch Belange des Staatswohls noch durch Grundrechte rechtfertigen.

37

Eine Gefährdung der aktuellen Aufklärungstätigkeit der Nachrichtendienste sei insoweit nicht ersichtlich, da bekannt sei, dass diese im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und im Umfeld der Wehrsportgruppe Hoffmann ermittelt und dabei auf menschliche Quellen zurückgegriffen hätten. Dies ergebe sich auch aus der Antwort der Antragsgegnerin. Hinreichend spezifische Rückschlüsse allgemeiner Art auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ließen sich aus der begehrten Aufschlüsselung nicht ziehen. Dass Nachrichtendienste befugt seien, V-Leute einzusetzen, und von dieser Befugnis gerade auch in der rechtsextremistischen Szene Gebrauch machten, sei allgemein bekannt. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Nachteile sich für die Nachrichtendienste aus der Mitteilung der Aufschlüsselung ergeben könnten. Hieraus könnten keine Schlüsse zu anderen Vorgängen und erst recht nicht zu der heutigen Aufklärungstätigkeit gezogen werden.

38

Es sei auch nicht ersichtlich, dass die begehrte Aufschlüsselung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder Leib und Leben von Menschen gefährden könne, da es an einem Bezug zu bestimmten Personen fehle. Die bloße Behauptung, aus irgendwelchen Informationen, die einen Bezug zum Einsatz von V-Leuten aufwiesen, könne auf die Identität einzelner V-Leute geschlossen werden, reiche nicht aus. Diese Behauptung müsse vielmehr durch eine Enttarnungsprognose fundiert werden, um verfassungsrechtlich tragfähig zu sein. Zwar könnten unter Hinzuziehung von Zusatzwissen gegebenenfalls gewisse Rückschlüsse in personeller Hinsicht möglich sein. Angesichts des erheblichen Umfangs der Ermittlungen zum Oktoberfestattentat und der großen Zahl von Angehörigen und Unterstützern der Wehrsportgruppe Hoffmann liege es aber fern, dass sich positiv ein Bezug zu bestimmten Personen herstellen lasse. Aus den begehrten Antworten wäre nicht einmal ersichtlich, in welchem Verhältnis die Quellen zu der rechtsextremen Szene beziehungsweise der Wehrsportgruppe Hoffmann stünden. Dass konkretere Angaben zu Quellenmeldungen unbedenklich seien, zeige zudem die Antwort auf Frage 18, wonach dem Bundesnachrichtendienst zum Oktoberfestattentat eine Quellenmeldung aus dem Jahr 1981 vorliege.

39

Hinsichtlich der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann (Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31) liege es ebenfalls nahe, dass kein Geheimhaltungsinteresse bestehe. Eine Gefährdung aktueller Ermittlungen sei nicht ersichtlich. Zwar liege es nahe, dass einzelne Personen aus dem Kreis der Wehrsportgruppe auch heute noch von den Nachrichtendiensten beobachtet würden. Aus den begehrten Angaben ließen sich jedoch keine Schlüsse ziehen, die diese Beobachtung beeinträchtigen könnten. Nach über 30 Jahren könne aus der damaligen Zahl der V-Leute kaum etwas zu ihrer heutigen Zahl hergeleitet werden.

40

Allgemeine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise von Nachrichtendiensten ließen sich aus den begehrten Informationen zu V-Leuten ebenfalls nicht ziehen. Aus ihnen lasse sich lediglich ableiten, wie weitgehend die Wehrsportgruppe Hoffmann mit V-Leuten infiltriert gewesen sei, nicht aber, wie die Kooperation abgelaufen sei und welchen Nutzen sie erbracht habe. Erkenntnisse über den heutigen Einsatz von V-Leuten im Neonazimilieu ergäben sich hieraus nicht. Zudem könne man nicht von der Infiltration einer Gruppierung auf die einer anderen schließen. Außerdem sei der erhebliche Zeitablauf zu berücksichtigen.

41

Eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung liege fern, da von der abgefragten Gesamtzahl von V-Leuten nicht auf einzelne Personen geschlossen werden könne. Angesichts des erheblichen Zeitablaufs könne auch nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das für eine denkbare Individualisierung erforderliche Zusatzwissen in den betroffenen Kreisen vorhanden oder beschaffbar sei. Sollte gleichwohl ein Identifizierungsrisiko zu bejahen sein, hätte die Antragsgegnerin die Antworten aufspalten, die Gesamtzahl der V-Leute veröffentlichen und die weiteren begehrten Informationen unter Einstufung herausgeben können.

42

cc) Selbst wenn man unterstelle, dass die verfahrensgegenständlichen Fragen ein Geheimhaltungsinteresse berührten, hätte die Antragsgegnerin die begehrten Informationen zumindest nicht vollständig verweigern dürfen. Insofern gelte nichts anderes als für Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Informationen darüber, in welchem Ausmaß die Nachrichtendienste neonazistische Gruppierungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat infiltriert hätten, seien besonders bedeutsam, damit der Bundestag etwaige Defizite abschätzen und den Einsatz von V-Leuten gegebenenfalls neu regulieren könne. Vor diesem Hintergrund sei ein geringfügiges Risiko für das Staatswohl hinzunehmen. Dieses allenfalls sehr geringe Risiko für damalige V-Leute hätte durch eine Einstufung als Verschlusssache abgeschirmt werden können.

43

d) Wo dies erforderlich sei, könne zwischen dem Informationsinteresse des Bundestages und einem gegenläufigen Geheimhaltungsinteresse praktische Konkordanz hergestellt werden, indem die begehrten Informationen als Verschlusssache zur Verfügung gestellt würden. Die Antragsgegnerin könne sich grundsätzlich nicht auf das Staatswohl berufen, um Informationen zurückzuhalten, wenn der Bundestag hinreichende Vorkehrungen dagegen treffe, dass diese Informationen bekannt würden. Gleiches gelte, wenn eine Geheimhaltung von Informationen zum Schutz von Grundrechten geboten sei. Antworten auf parlamentarische Anfragen zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden müssten somit in der Regel zumindest als Verschlusssache zur Verfügung gestellt werden.

44

Es sei davon auszugehen, dass Informationen, die nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingestuft worden seien, auch tatsächlich geheim blieben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall sei, habe die Antragsgegnerin nicht vorgebracht. Eine pauschale Befürchtung der Antragsgegnerin, im Bundestag könnten Sicherheitslücken bestehen, genüge nicht. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle eine Einstufung nach der Geheimschutzordnung als Mittel zur Auflösung des Interessenkonflikts zwischen dem parlamentarischen Informationsinteresse und dem exekutiven Geheimhaltungsinteresse verworfen, da die Anwendung der Geheimschutzordnung mit der Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments konfligiere. Für diesen Bereich habe das Bundesverfassungsgericht jedoch eine abstrakt-generelle Regel zur Reichweite des parlamentarischen Informationsrechts aufgestellt, weshalb die Öffentlichkeit bei Anwendung der Geheimschutzordnung systematisch und nicht nur im Einzelfall ausgeschlossen würde. Für den Bereich der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden bleibe der parlamentarische Geheimschutz hingegen ein taugliches Instrument zum Ausgleich des Interessenkonflikts, da hier eine Einzelfallabwägung vorzunehmen sei und im Einzelfall eine Einstufung als Verschlusssache dem Informationsinteresse des Bundestages besser Rechnung trage als die vollständige Verweigerung einer Antwort.

IV.

45

Nach Auffassung der Antragsgegnerin haben die Anträge keine Aussicht auf Erfolg.

46

1. Sie habe die Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 zu Recht aus Gründen des Staatswohls (a)) und des Grundrechtsschutzes (b)) verweigert, ohne dass insoweit eine Einzelfallabwägung vorgenommen werden müsse. Die Möglichkeit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages ändere hieran nichts (c)). Selbst wenn man von der Notwendigkeit einer Einzelfallabwägung ausgehe, müsse das Auskunftsinteresse im konkreten Fall hinter dem Geheimhaltungsinteresse zurückstehen (d)). Außerdem müsse sie keine Auskünfte zu V-Leuten der Länder erteilen (e)). Schließlich sei die Verweigerung der Beantwortung der Frage 2 a) auch in ausreichender Weise begründet worden (f)).

47

a) Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass gegenüber V-Leuten abgegebene Vertraulichkeitszusagen aus Gründen des Staatswohls stets eingehalten werden müssten. Das Bundesverfassungsgericht habe wiederholt betont, dass die Strafverfolgungsorgane auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen seien, um ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten gerecht werden zu können. Dies gelte in derselben Weise für die Nachrichtendienste und Polizeibehörden bei der Aufklärung verfassungsfeindlicher Bestrebungen und der sonstigen Gefahrenabwehr. Der Einsatz von V-Leuten gehöre zu den wichtigsten Mitteln verdeckter Informationsgewinnung. Er sei von herausragender Bedeutung, da verfassungsfeindliche Organisationen oftmals konspirativ agierten.

48

Die Geheimhaltung der Identität von V-Leuten sei mit Blick auf die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden unabdingbar. Zwar vertrete die Antragsgegnerin nicht die Auffassung, dass es bei parlamentarischen Anfragen eine Bereichsausnahme für sämtliche Informationen mit Bezug zu V-Leuten gebe; es bestehe jedoch eine generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit für Informationen, die alleine oder in Zusammenschau mit anderen Informationen zur Offenbarung der Identität von V-Personen führen könnten. Dies ergebe sich aus einer Abwägung des parlamentarischen Informationsinteresses mit den der Offenbarung derartiger Daten und Informationen entgegenstehenden Geheimhaltungsinteressen. Das gelte nicht nur für die Zeit während des Einsatzes, sondern auch nach dessen Beendigung. Dabei diene die Geheimhaltung der Identität zum einen dem Schutz der V-Leute selbst, zum anderen aber auch dem Schutz der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden. So schließe die Offenbarung der Identität einer V-Person deren weiteren Einsatz aus. Der damit verbundene Verlust des Zugangs zu Informationen könne irreversibel sein, da sich V-Leute nicht beliebig gewinnen oder ersetzen ließen. Mit der Enttarnung einer V-Person würden darüber hinaus den beobachteten Personen sowohl der Umstand als auch die Art und Weise ihrer Beobachtung bekannt, was die weitere Aufklärung erschwere. Des Weiteren könnten bei Bekanntwerden der Identität einer V-Person Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Behörden, insbesondere die Art und Weise der Werbung, der Quellenführung und der Zusammenarbeit, gezogen werden. Hierdurch könnten Zielpersonen in die Lage versetzt werden, Abwehrstrategien gegen die Gewinnung von V-Leuten zu entwickeln. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Mitarbeiter von Behörden enttarnt und gefährdet würden.

49

Die Tätigkeit der Nachrichtendienste zeichne sich dadurch aus, dass sie in weiten Teilen geheimhaltungsbedürftig sei. Daher müssten Einzelheiten zu Arbeitsweisen, Strategien, Methoden und Erkenntnisstand der Nachrichtendienste, deren Offenlegung ihre Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung gefährde, nicht mitgeteilt werden. Gleiches gelte für Polizeibehörden, soweit diese zum Einsatz verdeckter Maßnahmen befugt seien. Eine Beantwortung der Frage 2 a) würde aber Einzelheiten des Quellen- und Erkenntnisstandes offenbaren. Die Antragstellerinnen verkennten, dass es sich bei dem Schutz der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden im Interesse des Gemeinwohls um einen Belang höchsten Ranges handele. Vor diesem Hintergrund gingen sie unzutreffend davon aus, dass insoweit gewisse Beeinträchtigungen und Gefährdungen hinzunehmen seien. Die Antragsgegnerin müsse jedoch auch nicht-signifikante Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden verhindern und könne von den Antragstellerinnen nicht durch parlamentarische Anfragen gezwungen werden, derartige Folgen herbeizuführen.

50

Es treffe nicht zu, dass die amtliche Bestätigung von Überwachungsmaßnahmen keinen zusätzlichen Informationswert habe, wenn über diese Maßnahmen schon in anderen Publikationen berichtet worden sei. Das Staatswohl sei nicht erst dann gefährdet, wenn verfassungsfeindlichen Organisationen durch eine Auskunft der Antragsgegnerin ermöglicht werde, neue Vermeidungsstrategien zu ergreifen, sondern schon dann, wenn diese zu der generellen Erkenntnis gelangten, sich vorsehen zu müssen. Allein die Beendigung einer bestimmten Aufklärungstätigkeit führe nicht stets dazu, dass auch die Geheimhaltungsbedürftigkeit entfalle, da das Aufklärungsinteresse fortbestehen könne. Ob bei abgeschlossenen Sachverhalten etwas anderes gelte, sei unerheblich, da ein solcher hier nicht vorliege. Unabhängig davon dürfe nicht vorschnell von einem abgeschlossenen Sachverhalt ausgegangen werden, da selbst lange zurückliegende Vorgänge wieder unmittelbare Aktualität erlangen könnten. Auch sei zu bedenken, dass zwar möglicherweise eine Organisation ihr Ende gefunden habe, die an ihr beteiligten Personen aber gegebenenfalls ihre verfassungsfeindlichen oder sicherheitsgefährdenden Aktivitäten in anderer Form fortsetzten.

51

Durch die von einer Behörde abgegebene Vertraulichkeitszusage werde die Identität einer V-Person grundsätzlich dauerhaft geschützt. Eine derartige Zusage sei notwendig, weil V-Leuten im Falle ihrer Enttarnung Repressionen bis hin zu Gefahren für Leib und Leben drohten. Vor diesem Hintergrund bestehe eine Schutz- und Fürsorgepflicht des Staates. Die drohenden Gefahren dürften nicht unter Verweis auf staatliche Schutzprogramme heruntergespielt werden, da derartige Maßnahmen sehr aufwendig und für die Betroffenen mit äußerst gravierenden Belastungen verbunden seien.

52

Die Einhaltung abgegebener Vertraulichkeitszusagen sei für die Zusammenarbeit mit aktiven V-Leuten und die Gewinnung künftiger V-Leute unabdingbar. Würden Vertraulichkeitszusagen nicht eingehalten, könne dies die künftige Gewinnung von V-Leuten erschweren oder unmöglich machen. Werde die Identität einer V-Person bekannt, verunsichere dies andere Betroffene und schwäche das Vertrauen in die Wirksamkeit und Geltung von Vertraulichkeitszusagen. In der Vergangenheit hätten Enttarnungen dazu geführt, dass die Anwerbung in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten verbunden sei.

53

Das Geheimhaltungsbedürfnis sei auch nicht deshalb entfallen, weil Heinz Lembke bereits vor längerer Zeit verstorben sei. Vertraulichkeitszusagen seien grundsätzlich nicht auf die Lebenszeit der Betroffenen beschränkt, denn es könnten auch Angehörige in Gefahr geraten. Die Vorstellung von "Sippenhaft" sei in bestimmten Organisationen, Kreisen und Gesellschaften durchaus verbreitet. Außerdem sei es ein berechtigtes Anliegen von V-Leuten, dass ihr soziales Ansehen auch über den Tod hinaus geschützt werde. Diese wollten mit Rücksicht auf das eigene Andenken sowie auf ihre Angehörigen auch nach ihrem Tod nicht als "Spitzel" oder "Verräter" diffamiert und herabgesetzt werden. Dem stehe nicht entgegen, dass der postmortale Persönlichkeitsschutz schwächer ausgeprägt sei als das allgemeine Persönlichkeitsrecht, da es im Kontext von Vertraulichkeitszusagen nicht um allgemeine grundrechtliche Abwehr- und Schutzansprüche, sondern um die Einhaltung staatlicher Zusagen gehe, die ein besonderes Vertrauens- und Fürsorgeverhältnis begründeten.

54

Werde die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person bejaht, könne dies zudem zur Folge haben, dass auf Seiten der betroffenen Organisation eine Suche nach weiteren "Verrätern" ausgelöst werde. Werde die Frage hingegen verneint, könnten die betroffenen Kreise möglicherweise folgern, dass eine andere Person eine V-Person gewesen sein müsse, wodurch diese in Gefahr gerate. Vor diesem Hintergrund müssten vor der Beantwortung einer entsprechenden Frage umfangreiche Ermittlungen zu allen im Zusammenhang stehenden Personen und Personenzusammenschlüssen durchgeführt werden. Zum einen verursache dies einen unzumutbaren Aufwand, der über die Auskunftspflicht hinausgehe. Zum anderen könnten mit den erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen erhebliche Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen verbunden sein.

55

Dass der verfahrensgegenständliche Sachverhalt lange zurückliege, führe ebenfalls nicht dazu, dass das Geheimhaltungsbedürfnis entfalle. Mit Blick auf die Identität von V-Leuten nehme das Geheimhaltungsinteresse mit der Zeit nicht ab. Nähme man dagegen an, dass die Frage nach der V-Person-Eigenschaft beantwortet werden müsse, wenn der V-Person-Einsatz bereits längere Zeit zurückliege, könnte in Fällen einer Antwortverweigerung der Umkehrschluss gezogen werden, dass die betreffende Person vor nicht langer Zeit als V-Person tätig gewesen oder es womöglich noch immer sei.

56

Abgesehen davon beziehe sich die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht auf einen historischen Vorgang, bei dem das Geheimhaltungsinteresse gemindert oder entfallen sein könnte. Die Anfrage beruhe nicht auf einem historischen Interesse, sondern stehe im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Ermittlungen zu dem Oktoberfestattentat durch den Generalbundesanwalt. Diese Ermittlungen könnten durch die Beantwortung der Frage, ob Lembke V-Mann gewesen sei, gefährdet werden. Von den ehemaligen Angehörigen und Unterstützern der in den Blick zu nehmenden Organisationen und Gruppierungen würden diese Ermittlungen mit großem Interesse verfolgt. Karl-Heinz Hoffmann, der im Jahr 2011 ein Buch mit dem Titel "Die Oktoberfestlegende" veröffentlicht habe, befasse sich auf seiner Homepage regelmäßig und ausführlich mit dem Attentat und äußere sich dort unter anderem auch zu Lembke. Eine Antwort auf die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, ermögliche etwaigen Tatbeteiligten Rückschlüsse darauf, welche Umstände den Ermittlungsbehörden bekannt sein könnten. Dies erleichtere ihnen, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren.

57

Schließlich bestehe die Notwendigkeit, die Antwort auf Frage 2 a) zu verweigern, unabhängig davon, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei. Zum einen könne die Pflicht zur Beantwortung nicht davon abhängen, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, da anderenfalls in künftigen Fällen bei einer Verweigerung der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person die zutreffende Antwort durch einen Umkehrschluss ermittelt werden könne. Zum anderen könnten auch bei einer Verneinung der Frage möglicherweise Rückschlüsse im konkreten Fall gezogen werden, die bis hin zu einer Enttarnung etwaiger tatsächlicher V-Leute reichen könnten. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die betroffenen Personen und Gruppierungen über internes Wissen verfügten, das sie womöglich in die Lage versetze, im Falle des Ausschlusses einer Person auf die V-Person-Eigenschaft einer anderen Person zu schließen. Es sei nicht auszuschließen, dass in Zukunft weitere Informationen öffentlich würden, die in Verbindung mit der Beantwortung der aktuellen Frage Rückschlüsse auf die Identität von V-Leuten ermöglichten.

58

b) Die Beantwortung der Frage 2 a) sei darüber hinaus aus grundsätzlichen Erwägungen des Grundrechtsschutzes zu verweigern. Unter grundrechtlichen Aspekten betreffe die Wahrung von Vertraulichkeitszusagen nicht allein die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates für Leben, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit. Auch eine Betrachtung unter den Gesichtspunkten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einschließlich des postmortalen Persönlichkeitsschutzes greife zu kurz. Denn der Staat übernehme gegenüber den V-Leuten darüber hinausgehende besondere Verpflichtungen. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, dass Lembke bereits verstorben sei, da dem grundrechtlich geschützten Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen auch über den Tod hinaus Rechnung zu tragen sei.

59

c) Dem Geheimhaltungsbedürfnis könne überdies nicht mit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages Rechnung getragen werden. In Bezug auf die Identität von V-Personen und anderen schutzwürdigen Quellen der Nachrichtendienste und Polizeibehörden bestehe eine generelle Geheimhaltungsnotwendigkeit.

60

Zwar sei die Geheimschutzordnung des Bundestages grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass das Staatswohl nicht allein der Bundesregierung, sondern auch dem Bundestag anvertraut sei. Gleichwohl gebe es Informationen aus dem Bereich der Nachrichtendienste, die ungeachtet der Geheimschutzordnung des Bundestages diesem gegenüber nicht offenbart werden könnten.

61

Die Effektivität des Geheimschutzes hänge nicht allein von der normativen Ausgestaltung ab, sondern auch von der faktischen Wirksamkeit. Je größer der Kreis der Geheimnisträger sei, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit einer absichtlichen oder unabsichtlichen Weitergabe der Informationen. Der Gedanke, dem Geheimschutz durch eine Beschränkung der Zahl der Geheimnisträger effektiv Rechnung zu tragen, sei für den Bereich der nachrichtendienstlichen Informationen sowohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch in der Gesetzgebung angelegt. So habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die nachrichtendienstliche Tätigkeit von dem aus einer geringen Zahl von Abgeordneten bestehenden Parlamentarischen Kontrollgremium überwacht werde. Ebenso habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste des Bundes nicht im Plenum, sondern gemäß § 10a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) in einem Vertrauensgremium behandelt würden. Der (verfassungsändernde) Gesetzgeber habe bei der Regelung von Art. 45d GG sowie bei der Verabschiedung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) betont, dass die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit besonderer Geheimhaltung bedürfe. Aus § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG ergebe sich zudem, dass es Informationen gebe, die derart sensibel seien, dass sie selbst dem Parlamentarischen Kontrollgremium nicht zu offenbaren seien. Danach könne eine Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums unter anderem aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangsverweigert werden, worunter auch der Schutz von Quellen gefasst werde. Es gebe Kategorien von Geheimnissen, die sich aufgrund ihrer besonderen Natur bereits bei abstrakter Abwägung als generell geheimhaltungsbedürftig darstellten. Da hier bereits die fallgruppenbildenden Kriterien die Entscheidung determinierten, bedürfe es keiner Abwägung im Einzelfall. Eine solche generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehe in Bezug auf die Identität von V-Personen und andere schutzwürdige nachrichtendienstliche Quellen.

62

Vor diesem Hintergrund garantiere die Geheimschutzordnung des Bundestages im vorliegenden Fall keinen ausreichenden Geheimschutz. Bei der Identität von V-Leuten handele es sich um derart sensible Informationen, dass die Gefahr des Bekanntwerdens soweit wie möglich reduziert werden müsse. Der hiernach erforderliche ganz besondere Geheimschutz sei auch bei einer Einstufung der Antwort als "geheim" nicht gewährleistet, da die Antwort gleichwohl allen Mitgliedern des Bundestages zugänglich gemacht werde. Zudem machten die Antragstellerinnen geltend, dass sie die Antwort benötigten, um eine gesetzliche Regelung des Einsatzes von V-Leuten im Parlament und in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Sie zielten somit letztlich auf die Herstellung von Öffentlichkeit ab.

63

d) Die Antragsgegnerin vertrete zwar die Auffassung, dass die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer bestimmten Person schon aufgrund einer abstrakten Abwägung generell nicht beantwortet werden müsse. Doch selbst wenn man eine Einzelfallabwägung für erforderlich halte, sei die Verweigerung der Antwort auf die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke rechtmäßig, da das Geheimhaltungsinteresse das Auskunftsinteresse auch im konkreten Fall überwiege.

64

Hinsichtlich der Beantwortung der Frage 2 a) sei kein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegeben. Die diesbezüglichen Überlegungen der Antragstellerinnen blieben abstrakt. Sie könnten nicht begründen, weshalb die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, für die parlamentarische Kontrolle oder die Gesetzgebungstätigkeit von besonderer Bedeutung sein solle. Die Auffassung, wonach der Bundestag zur Kontrolle der Sicherheitsbehörden Einblicke in einzelne, konkrete Aufklärungsmaßnahmen einschließlich der Identität einzelner V-Personen erhalten müsse, überzeuge nicht und laufe auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Staatswohls hinaus. Dass die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, Bedeutung für die Gesetzgebungstätigkeit habe, sei nicht ersichtlich. Die Antragstellerinnen legten nicht dar, weshalb sie meinten, dass gerade diese Information für die heutige Bewertung des Einsatzes von V-Leuten relevant sei. Ihr Vortrag sei im Übrigen widersprüchlich, weil sie an anderer Stelle äußerten, dass eine Gefahr für das Staatswohl nicht zu besorgen sei, da eine Beantwortung der Frage keine Schlüsse auf die heutige Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden zulasse.

65

Demgegenüber werde der Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel durch gezielte Identifikationsfragen unterminiert. Auch wenn das Parlament nicht unmittelbar an von der Exekutive abgegebene Vertraulichkeitszusagen gebunden sei, folge hieraus nicht, dass es einen Auskunftsanspruch habe, der unter Verletzung dieser Zusagen zu erfüllen sei. Insoweit sei auch die Rechtsprechung zur Bedeutung von Vertraulichkeitszusagen im Strafverfahren zu berücksichtigen, wonach Auskünfte zu V-Leuten in entsprechender Anwendung von § 96 StPO verweigert werden könnten. Wenn der Weg in die Einzelfallabwägung einmal eröffnet sei, sei aus Sicht der Betroffenen kein Verlass mehr auf Vertraulichkeitszusagen. Dadurch würden die Fortführung und die Gewinnung von V-Leuten als nachrichtendienstliche Quelle zum Nachteil des Staatswohls erheblich beeinträchtigt.

66

e) Soweit sich die Frage 2 a) auf eine V-Mann-Tätigkeit Lembkes für Sicherheitsbehörden der Länder beziehe, müsse die Antwort auch deshalb verweigert werden, weil die Antragsgegnerin nicht beurteilen könne, welche Konsequenzen die Antwort für die Arbeit der betreffenden Landesbehörde hätte. Da sich die Antwortpflicht der Antragsgegnerin nur auf vorhandene Kenntnisse beziehe, sei sie nicht verpflichtet, Untersuchungen dazu zu veranlassen, welche Folgen eine Beantwortung der Frage für die Länder hätte.

67

f) Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen habe die Antragsgegnerin die Verweigerung der Antwort auch ausreichend begründet. Sie habe dargelegt, dass und weshalb es nicht möglich sei, Fragen nach der Identität von V-Leuten zu beantworten. In gewisser Weise müsse jede Auskunftsverweigerung abstrakt bleiben, da nicht verlangt werden könne, dass die Begründung so konkret sei, dass Rückschlüsse auf die verweigerte Antwort gezogen werden könnten. Auch der Einwand, dass Antworten auf andere Anfragen wortgleich seien, greife nicht durch. Wenn Fragen einen ähnlichen Inhalt hätten und die Beantwortung aus denselben Gründen abzulehnen sei, sei es nicht zu beanstanden, dass sich auch die Begründungen entsprächen.

68

Mit der Rüge, dass die Antragsgegnerin sich in ihrer Antwort nur auf Nachrichtendienste bezogen habe, obwohl nach "Sicherheitsbehörden" und damit - nach Auffassung der Antragstellerinnen - auch nach Polizeibehörden gefragt worden sei, könnten die Antragstellerinnen ebenfalls nicht gehört werden. Die Antragsgegnerin habe unter dem nicht klar definierten Begriff "Sicherheitsbehörden" allein Nachrichtendienste verstanden und verstehen dürfen. Dieses Verständnis ergebe sich aus dem systematischen Zusammenhang, da sich auch die Frage 2 b) nur auf "Geheimdienste" bezogen habe, und werde dadurch untermauert, dass die Antragstellerin zu 1. die Antwort der Antragsgegnerin in dem Schreiben vom 3. März 2015 insoweit nicht beanstandet habe.

69

2. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 habe die Antragsgegnerin zum Schutz des Staatswohls und der Grundrechte bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 die Zahl der Quellenmeldungen zu Recht zusammengefasst. Die Beantwortung der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 sei aus diesen Gründen vollständig abzulehnen gewesen.

70

a) Die auf die Tätigkeit von V-Leuten bezogenen Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 müssten aus Gründen des Staatswohls und zum Schutze der Grundrechte etwaiger V-Leute unbeantwortet bleiben. Aus Gründen des Staatswohls sei es - wie bereits mit Blick auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 ausgeführt - zum einen ausgeschlossen, die Identität von V-Leuten zu offenbaren. Darüber hinaus seien aber auch solche Angaben geheimhaltungsbedürftig, die - und sei es auch nur im Zusammenhang mit anderen Informationen - Rückschlüsse auf diese Personen erlaubten.

71

Insoweit sei zu berücksichtigen, dass gerade bei kleinen und konspirativ operierenden Gruppierungen schon geringe Anhaltspunkte ausreichen könnten, um bestimmte Personen als V-Leute zu identifizieren. Bei der Wehrsportgruppe Hoff-mann habe es sich um eine konspirativ agierende, straff hierarchisch organisierte paramilitärische Vereinigung gehandelt, so dass womöglich auch unverfänglich erscheinende Informationen eingeweihten Personen die Identifizierung etwaiger V-Leute ermöglichen könnten. Zwar treffe es zu, dass lediglich nach Gesamtzahlen gefragt worden sei. Ob von einer aggregierten Zahl gesprochen werden könne, hänge allerdings vom Inhalt der Antwort ab. Die Ausführungen der Antragstellerinnen zu der Wahrscheinlichkeit, dass die begehrten Informationen für die betroffenen Kreise einen Erkenntniswert haben könnten, beruhten auf Spekulationen und Mutmaßungen, die der Problematik nicht gerecht würden. Es liege in der Natur der Sache, dass keine exakte Aussage darüber getroffen werden könne, welche Konsequenzen die Offenbarung der begehrten Informationen habe.

72

Hinzu komme, dass Leib und Leben etwaiger V-Leute geschützt werden müssten. Im vorliegenden Fall sei ein gewaltbereites rechtsextremistisches Umfeld gegeben, so dass die Aufdeckung der Identität zu einer Gefährdung dieser grundrechtlich geschützten, hochrangigen Güter führen könne. Angesichts der Hochrangigkeit dieser Güter könne kein noch so geringes Risiko hingenommen werden. Das Staatswohlinteresse, den Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel funktionsfähig zu erhalten, sei derart bedeutsam, dass auch geringfügige Risiken nicht tolerierbar seien. Aus den bereits im Zusammenhang mit der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 genannten Gründen entfalle das Geheimhaltungsbedürfnis nicht, weil der Sachverhalt lange zurückliege. Mit Blick auf das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts dürfe etwaigen Beteiligten nicht ermöglicht werden, Absprachen zu treffen und sonstige Verschleierungsmaßnahmen vorzunehmen.

73

Eine Einstufung der Antworten als Verschlusssache reiche aus den genannten Gründen nicht aus, um die Gefahr eines Bekanntwerdens verlässlich auszuschließen und dem Geheimhaltungsbedürfnis Rechnung zu tragen.

74

b) Die Antragsgegnerin habe die Fragen 14 bis 16 und die Fragen 19 bis 21 jeweils zusammenfassend beantwortet und mitgeteilt, dass dem Bundesamt für Verfassungsschutz fünf Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat aus der Zeit von 1980 bis 1985 sowie 197 Quellenmeldungen zu der Wehrsportgruppe Hoffmann aus der Zeit von 1974 bis 1985 vorlägen. Eine nähere Aufschlüsselung nach Herkunft und Jahren müsse unterbleiben. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Zahl der Quellenmeldungen insgesamt sehr niedrig sei. Eine weitere Aufgliederung hätte die Mitteilung punktgenauer Informationen zur Folge. Unter Nutzung von Zusatzwissen sei es dann möglich, Bezüge zu bestimmten Personen herzustellen. Die Wehrsportgruppe Hoffmann habe zuletzt aus etwa 400 Mitgliedern bestanden, sei jedoch in mehrere Ortsgruppen untergliedert gewesen. Nach dem Verbot der Wehrsportgruppe Hoffmann zum Anfang des Jahres 1980 bis Mitte 1981 habe sich Karl-Heinz Hoffmann mit etwa 20 weiteren Personen im Libanon aufgehalten und dort die "Wehrsportgruppe Ausland" gegründet. Gerade in der Zeit vor und nach dem Oktoberfestattentat sei der Personenkreis somit sehr überschaubar gewesen.

75

c) Schließlich habe die Antragsgegnerin die Gründe für die unterbliebene oder lediglich teilweise Beantwortung auch ausreichend dargelegt.

V.

76

Die Antragstellerinnen und die Antragsgegnerin haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

B.

77

Die Anträge sind gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG zulässig.

I.

78

1. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind als Fraktionen nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG in Organstreitigkeiten parteifähig und berechtigt, sowohl eigene Rechte als auch Rechte des Deutschen Bundestages im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen (vgl. BVerfGE 2, 143 <165>; 67, 100 <125>; 131, 152 <190>; 139, 194 <220 Rn. 96>; stRspr). Die Bundesregierung ist nach § 63 BVerfGG taugliche Antragsgegnerin.

79

2. Die Anträge beziehen sich auf zulässige Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine rechtserhebliche Maßnahme als auch ein rechtserhebliches Unterlassen sein (vgl. BVerfGE 103, 81 <86>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <220 f. Rn. 98>; stRspr). Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer vollständigen Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht vollständigen Beantwortung handelt. Die teilweise Antwortverweigerung, die Nichtbeantwortung oder die nicht hinreichende Beantwortung der Kleinen Anfragen können die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihrem aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Auskunftsrecht verletzen. Damit sind die Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; 103, 81 <86>; 104, 310 <324>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <221 Rn. 98>).

II.

80

1. Die Antragstellerinnen sind antragsbefugt. Ein die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag einerseits und die Antragsgegnerin andererseits umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis liegt vor. Die Antragstellerinnen beanstanden Antworten der Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen. Der Organstreit betrifft damit die Reichweite des in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verfassungsrechtlich verankerten, in der Geschäftsordnung des Bundestages näher ausgestalteten Fragerechts sowie die grundsätzliche Verpflichtung der Bundesregierung, auf Fragen im Parlament Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 <185>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <221 Rn. 99>). Das Recht auf Information stellt sowohl ein eigenes Recht der Fraktionen dar, das der Bundesregierung gegenüber geltend gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 91, 246 <250 f.>; 100, 266 <270>; 124, 161 <187>), als auch ein Recht des Deutschen Bundestages, auf welches sich die Antragstellerinnen im Wege der Prozessstandschaft berufen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <187>; 139, 194 <221 Rn. 99>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 92, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

81

2. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte der Antragstellerinnen - soweit sie die unzureichende Beantwortung von ihnen jeweils selbst gestellter Anfragen rügen - und Rechte des Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt (vgl. dazu BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 112, 363 <365>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <222 Rn. 100>). Vielmehr erscheint es möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihre Antworten den Informationsanspruch der Antragstellerinnen und des Deutschen Bundestages in unzulässiger Weise verkürzt hat. Die Antragstellerinnen haben die Möglichkeit einer solchen Verletzung hinreichend dargelegt und ausgeführt, weshalb sie das verfassungsrechtlich verankerte Informationsrecht als verletzt ansehen und dessen Grenzen, auf die sich die Antragsgegnerin beruft, für nicht einschlägig halten.

III.

82

Mit dem am 20. Mai 2015 eingegangenen Antrag wahren die Antragstellerinnen die Sechsmonatsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG. Die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 1. wurde am 24. November 2014, die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 2. am 9. Februar 2015 von der Antragsgegnerin beantwortet.

C.

83

Die Anträge sind teilweise begründet.

I.

84

1. Das aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abgeleitete Frage- und Informationsrecht ermöglicht es dem Bundestag und seinen Mitgliedern zum einen, sich die für ihre Tätigkeit notwendigen Informationen zu verschaffen (a)). Zum anderen dient es der Kontrollfunktion des Parlaments, die sowohl aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz (b)) als auch aus dem Demokratieprinzip folgt (c)).

85

a) Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ergibt sich ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; 137, 185 <230 f. Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; stRspr). Aus dem Frage- und Informationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der Bundesregierung daher die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit des Parlaments (vgl. BVerfGE 137, 185 <231 Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; jeweils m.w.N.; stRspr).

86

b) Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf eine Verteilung der politischen Macht, das Ineinandergreifender drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>; 139, 194 <223 f. Rn. 105>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereichen unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

87

c) Die Kontrollfunktion des Parlaments ist zugleich Ausfluss der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>; 139, 194 <224 Rn. 106>). Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung hergestellt (vgl. etwa BVerfGE 137, 185 <232 Rn. 131>; 139, 194 <224 f. Rn. 107>). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung (vgl. BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>; 137, 185 <232 f. Rn. 131>; 139, 194 <225 Rn. 107>).

88

Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 132>; vgl. ferner BVerfGE 130, 76 <128>).

89

2. Der Informationsanspruch der Abgeordneten, Fraktionen und des Deutschen Bundestages unterliegt gleichwohl Grenzen. Sie ergeben sich aus dem Verantwortungsbereich der Regierung (a)), dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung einschließt (b)), dem Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl) (c)) und Grundrechten Dritter (d)).

90

a) Der Informationsanspruch kann sich von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen, da es insoweit an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag fehlt (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>; 137, 185 <233 Rn. 134>; 139, 194 <225 Rn. 107>). Hinsichtlich der Tätigkeit und Erkenntnisse der Nachrichtendienste ist der Verantwortungsbereich der Bundesregierung berührt, wenn die Anfragen Tätigkeiten unmittelbar nachgeordneter Behörden betreffen oder sie sich auf den Kenntnisstand der Bundesregierung zu Aktivitäten anderer Geheimdienste beziehen. Die Bundesregierung ist insoweit nicht auf Auskünfte beschränkt, die die Koordinierungsfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz betreffen (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>). Sie kann sich auch nicht von vornherein unter Bezugnahme auf ihren Verantwortungsbereich darauf berufen, sich nicht zu der Tätigkeit der Landesverfassungsschutzbehörden äußern zu müssen. Bereits die durch § 5 Abs. 1 BVerfSchG dem Bundesamt für Verfassungsschutz eröffnete Möglichkeit, Daten der Landesverfassungsschutzbehörden zu nutzen, sowie die in § 6 BVerfSchG geregelte gegenseitige Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden sprechen dafür, dass der Verantwortungsbereich der Bundesregierung auch bei Fragen, die sich auf ihre Erkenntnisse über die Tätigkeit und Informationen von Verfassungsschutzbehörden der Länder beziehen, berührt sein kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>).

91

b) Begrenzt wird der Informationsanspruch des Bundestages, der einzelnen Abgeordneten und der Fraktionen auch durch den Grundsatz der Gewaltenteilung. In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient dieser Grundsatz zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (vgl. BVerfGE 9, 268 <279 f.>; 137, 185 <233 Rn. 135>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung (vgl. BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

92

Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 131, 152 <210>; 137, 185 <234 Rn. 136>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 119, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214>). Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen (vgl. BVerfGE 124, 78 <120 f.>; 137, 185 <234 Rn. 136>).

93

Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Der aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung, sondern wirkt über den Zeitpunkt einer Entscheidung hinaus (BVerfGE 110, 199 <215>; 137, 185 <234 f. Rn. 137>).

94

c) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl).

95

aa) Die insoweit zu Beweiserhebungen von Untersuchungsausschüssen entwickelten Maßstäbe sind auf das Fragerecht der Abgeordneten zu übertragen (so bereits BVerfGE 124, 161 <189> zu Kleinen Anfragen und BVerfGE 137, 185 <240 Rn. 149> zu Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages und schriftlichen Fragen), weil es sich mit Blick auf das parlamentarische Informationsinteresse und das gegebenenfalls entgegenstehende Geheimhaltungsinteresse der Exekutive um vergleichbare Sachverhalte handelt. Danach bildet eine Grenze des Beweiserhebungsrechts das Staatswohl, das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 137, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Untersuchungs- sowie dem Informations- und Fragerecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls (vgl. BVerfGE 124, 78 <123>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 138, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

96

bb) Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheimzuhalten sind (BVerfGE 124, 78 <124>). Mithin kann bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 137, 185 <241 Rn. 149>).

97

(1) Der Bundestag hat in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Erfüllung seiner Aufgaben festgelegt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 77, 1 <48>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 139, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 Rn. 149>). Die Geheimschutzordnung kann damit ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse sein (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 124, 78 <124 f.>; 137, 185 <264 Rn. 199>; siehe ferner BVerfGE 130, 318 <362>; 131, 152 <208>).

98

Die Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungs- noch das Haushalts- noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>). Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>; 137, 185 <241 Rn. 150>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 140, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 137, 185 <241 Rn. 150>).

99

(2) Die Staatspraxis kennt neben der Geheimschutzordnung als Mittel des Ausgleichs zwischen parlamentarischem Informationsinteresse und dem Geheimhaltungsinteresse das aus ausgewählten (derzeit neun) Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (vgl. Art. 45d GG, § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 PKGrG; vgl. dazu BVerfGE 130, 318 <359>). Durch die Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Bundestages auf die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums wird ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das zum Ausgleich der kollidierenden Interessen führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <262 Rn. 194>). Jedoch ist das Gremium ein zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle, das parlamentarische Informationsrechte nicht verdrängt (vgl. BVerfGE 124, 161 <190> mit Verweis auf § 1 Abs. 2 PKGrG). Die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes durch ein ständiges Gremium soll eine Lücke schließen, da weder Öffentlichkeit noch Parlament von geheimen Vorgängen entsprechende Kenntnis erlangen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <190 f.>). Die einzelnen Abgeordneten, die Fraktionen und das Plenum des Deutschen Bundestages können jedoch nicht auf Informationen zugreifen, die die Bundesregierung dem Parlamentarischen Kontrollgremium gegeben hat (vgl. BVerfGE 124, 161 <191>).

100

d) Schließlich können das Fragerecht der Abgeordneten, Fraktionen und des Bundestages sowie die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten haben (vgl. BVerfGE 67, 100 <142>; 76, 363 <387>; 124, 78 <125>; 137, 185 <243 Rn. 153>). Daher ist zwischen den betroffenen Grundrechten verdeckt handelnder Personen und dem Informationsinteresse des Parlaments ein Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz zu finden. Dabei können insbesondere das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (aa)), das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und der postmortale Persönlichkeitsschutz berührt sein (bb)). Zudem ist das Gebot des Vertrauensschutzes zu beachten (cc)) und auch insoweit zu berücksichtigen, ob das Parlament ausreichende Vorkehrungen zum Geheimnisschutz getroffen hat (dd)).

101

aa) Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nimmt im Gefüge des Grundgesetzes einen besonders hohen Rang ein (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 57, 250 <284>; 115, 118 <139>; 128, 282 <302>). Dieses Grundrecht verpflichtet den Staat dazu, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen zu schützen, das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 115, 320 <346>). Gefahren für dieses Rechtsgut können sich ergeben, wenn durch die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage die Identität einer V-Person preisgegeben wird oder Rückschlüsse darauf ermöglicht werden und als Folge Reaktionen der beobachteten Personen oder Organisationen zu befürchten sind (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 82; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 281; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>).

102

bb) Darüber hinaus sind Auswirkungen auf das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgende Persönlichkeitsrecht denkbar (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 83). Dieses Grundrecht gewährleistet den Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt als "unbenanntes" Freiheitsrecht die speziellen ("benannten") Freiheitsrechte, die ebenfalls konstituierende Elemente der Persönlichkeit schützen (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>; 119, 1 <24>). Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>). Zu den Schutzgütern zählen unter anderem die Privat- (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>), Geheim- und Intimsphäre sowie die persönliche Ehre (vgl. BVerfGE 54, 148 <153 f.>; 114, 339 <346>; 119, 1 <24>) und das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Eine wesentliche Gewährleistung ist der Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen einer Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Ferner gibt es dem Einzelnen in seiner Ausformung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten (vgl. BVerfGE 130, 1 <35>) sowie darüber zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 103, 21 <33>).

103

Das Fortwirken des Persönlichkeitsrechts nach dem Tode ist zu verneinen, weil Träger dieses Grundrechts nur die lebende Person ist. Mit ihrem Tode erlischt der Schutz aus diesem Grundrecht. Jedoch schützt der aus Art. 1 Abs. 1 GG folgende allgemeine Achtungsanspruch Verstorbene vor grober Herabwürdigung und Erniedrigung (vgl. BVerfGE 30, 173 <194>). Geschützt wird auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat (vgl. BVerfGK 9, 83 <88>; 13, 115 <117>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. April 2001 - 1 BvR 932/94 -, juris, Rn. 19). Das parlamentarische Auskunftsrecht kann aufgrund seiner hohen Bedeutung durch den postmortalen Persönlichkeitsschutz jedoch allenfalls in besonderen Ausnahmekonstellationen beschränkt werden.

104

cc) Durch Vertraulichkeitszusagen wird zudem ein Vertrauenstatbestand geschaffen. Dies hat insoweit grundrechtliche Relevanz, als eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG vorliegen kann, wenn das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes nicht hinreichend berücksichtigt wird (vgl. BVerfGE 59, 128 <164>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Februar 1993 - 2 BvR 196/92 -, juris, Rn. 10). Im Verhältnis zu dem parlamentarischen Auskunftsanspruch kann der durch eine Vertraulichkeitszusage begründete Vertrauensschutz jedenfalls dann einen Gesichtspunkt darstellen, der das Informationsrecht des Parlaments einzuschränken vermag, wenn durch die Beantwortung einer Anfrage Grundrechte der V-Person gefährdet würden. Ansonsten hätten es die Vertraulichkeit garantierenden Behörden in der Hand, über den Auskunftsanspruch des Parlaments zu disponieren.

105

dd) Auch zugunsten des Schutzes der Grundrechte Privater gestattet die Bedeutung, die das Informations- und das Kontrollrecht des Parlaments gegenüber der Regierung sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates haben, in aller Regel dann keine Verkürzung des grundsätzlichen Rechts auf Beantwortung der der Regierung gestellten Fragen, wenn Parlament und Regierung Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben, die das ungestörte Zusammenwirken beider Verfassungsorgane auf diesem Gebiet gewährleisten, und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>). Eine Ausnahme hiervon gilt nur für solche Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>; 76, 363 <388>).

106

3. Die Bundesregierung muss eine vollständige oder teilweise Auskunftsverweigerung hinreichend begründen (a)). Ein Nachschieben von Gründen ist nicht zulässig (b)).

107

a) Aus der verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung muss - auch im Hinblick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Verhältnis zwischen Verfassungsorganen(vgl. BVerfGE 119, 96 <125>) - den Bundestag in die Lage versetzen, seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrzunehmen. Dies ist nur dann möglich, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessen ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>). Eine Begründung der Antwortverweigerung ist daher nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <232 Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Anforderungen an die Begründung dürfen allerdings nicht so weit gehen, dass mit ihr Teile der verweigerten Information offengelegt werden müssen.

108

b) Die Begründung stellt nicht nur ein Instrument kritischer Selbstkontrolle dar, sondern soll die Berechtigung zur Antwortverweigerung plausibel machen und die Prüfung ermöglichen, ob rechtliche Schritte angezeigt sind (vgl. BVerfGE 124, 78 <139>). Ist die Verschaffung vollständiger Information zunächst ohne zureichende Begründung abgelehnt worden, so vermag eine erst im Organstreitverfahren gegebene ergänzende Begründung nichts an dem darin liegenden Rechtsverstoß zu ändern (vgl. BVerfGE 124, 78 <147>). Ein Nachschieben von Gründen ist mithin nicht zulässig. Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Versagung eines Rechts durch eine mit Gründen versehene Abwägungsentscheidung. Allein diese Entscheidung unter Einschluss der ihr zugrundeliegenden Abwägung und Begründung wird zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung gestellt (vgl. auch BbgVerfG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 6/04 -, NVwZ-RR 2005, S. 299 <302 f.>; SächsVerfGH, Urteil vom 5. November 2010 - Vf. 35-I-10 -, juris, Rn. 31 f.).

II.

109

Nach diesen Maßstäben ist die Bundesregierung zwar grundsätzlich verpflichtet, dem Parlament Antworten auf Anfragen aus dem Bereich der Tätigkeit von Nachrichtendiensten zu erteilen. Angesichts der Bedeutung, die dem Einsatz verdeckter Quellen bei der Informationsbeschaffung der Nachrichtendienste zukommt (1.), kann sich die Bundesregierung zur Auskunftsverweigerung trotz des erheblichen Informationsinteresses des Parlaments in diesem Bereich (2.) aber in der Regel auf eine Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte verdeckt handelnder Personen berufen, wenn deren Identität bei der Erteilung der begehrten Auskünfte offenbart würde oder ihre Identifizierung möglich erscheint. Nur in eng begrenzten, besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen kann, wenn die Gefährdung verfassungsrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint, das Informations- gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse überwiegen (3.).

110

1. a) Zur Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland lässt das Grundgesetz (Art. 45d, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b, Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ausdrücklich die Errichtung von Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten zu. Nachrichtendienste sind Ausdruck der Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine wehrhafte Demokratie, des Selbstbehauptungswillens des Rechtsstaates und damit Bestandteil des Sicherheitssystems der Bundesrepublik Deutschland (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 126, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Bei dem Einsatz von V-Leuten durch die Nachrichtendienste, also von Privatpersonen, deren planmäßige, dauerhafte Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten oder Polizeibehörden Dritten nicht bekannt ist (vgl. die Legaldefinitionen in § 9b Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG und § 20g Abs. 2 Nr. 4 BKAG), handelt es sich um eine vom Gesetzgeber gebilligte Methode zur verdeckten Informationsbeschaffung (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG). Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder die Sicherheit und den Bestand des Staates gerichtete Bestrebungen und Aktivitäten meist von Gruppierungen ausgehen, die konspirativ tätig sind, und dass die Nachrichtendienste ihre Aufgaben daher nur effektiv erfüllen können, wenn sie über nachrichtendienstliche Mittel verfügen, wozu auch der Einsatz von V-Leuten gehört (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 21; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 262 ff.). Der Gesetzgeber hat in der Begründung des Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vom 17. November 2015 bekräftigt, dass die planmäßige und systematische Informationsbeschaffung insbesondere durch V-Leute ein unverzichtbares Mittel zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sei (vgl. BTDrucks 18/4654, S. 25). Auch die Strafverfolgungsorgane können zur Bekämpfung besonders gefährlicher Kriminalität auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen sein, wenn sie ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten überhaupt gerecht werden sollen (vgl. BVerfGE 57, 250 <284>; 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>). Oftmals können nur auf diesem Wege interne Informationen über den Aufbau krimineller Organisationen, ihre Führungspersonen, ihre tatsächlichen Ziele sowie die Planung und Durchführung konkreter Maßnahmen gewonnen werden (vgl. BVerfGE 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>).

111

Neben V-Leuten zählen zu den geheimhaltungsbedürftigen Informationsquellen der Nachrichtendienste insbesondere Gewährspersonen (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG), die nur von Fall zu Fall für die Behörden tätig werden, und sonstige Informanten, die gelegentlich Hinweise geben (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 30 f.; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 266 ff.). Außerdem können hauptberufliche Mitarbeiter der Nachrichtendienste unter einer Legende in Organisationen oder Szenen eingeschleust werden, um diese für längere Zeit zu beobachten. Für diese Personen gelten die Ausführungen zu V-Leuten entsprechend. Es bedarf ihres Einsatzes ebenso wie des Einsatzes Verdeckter Ermittler durch die Strafverfolgungsbehörden, wenn und soweit anderenfalls die Wahrnehmung ihres Auftrags gerade im Hinblick auf besonders gefährliche Kriminalitätsfelder erheblich erschwert oder unmöglich gemacht würde (vgl. BVerfGE 129, 208 <256>).

112

b) Der Schutz von Informationsquellen und insbesondere von V-Leuten dient nicht nur den Interessen der betroffenen Personen, sondern hat auch für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste erhebliche Bedeutung.

113

aa) Wird eine V-Person enttarnt, führt dies in aller Regel dazu, dass ein etwaiger aktueller Einsatz nicht fortgeführt werden kann und die V-Person auch für künftige Einsätze nicht mehr zur Verfügung steht. Der dadurch entstehende Informationsverlust kann in der Regel nicht kompensiert werden, weil sich V-Leute nicht beliebig gewinnen lassen und ihre Anwerbung oftmals in einem schwierigen und langwierigen Prozess besteht (vgl. dazu Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 268, 280). Zu berücksichtigen ist, dass Auskünfte der Nachrichtendienste nicht unbedingt nur dann zu dem Verlust einer V-Person führen können, wenn diese enttarnt wird. Es kann bereits ausreichen, dass eine V-Person den subjektiven Eindruck gewinnt, die Vertraulichkeit ihrer Tätigkeit sei nicht hinreichend gesichert (vgl. Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>). Sie wird die Zusammenarbeit dann möglicherweise von sich aus beenden. Darüber hinaus kann die Enttarnung einer V-Person dazu führen, dass die Beobachtung einer bestimmten Gruppierung und die Umstände dieser Maßnahme bekannt werden. Dies wiederum kann zur Folge haben, dass bereits erlangte Informationen ihren Nutzen verlieren und die künftige Informationsgewinnung erschwert wird (so auch BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Gegebenenfalls treten diese Folgen nicht erst mit der Enttarnung der V-Person ein, sondern schon dann, wenn bekannt wird, dass eine V-Person eingesetzt worden ist.

114

bb) Werden quellenbezogene Informationen bekannt, kann die Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste auch über den konkreten Einzelfall hinaus für die Zukunft generell beeinträchtigt werden. Zum einen können Informationen bekannt werden, die für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste von Bedeutung sind. Dies betrifft insbesondere das Vorgehen der Behörden bei der Anwerbung und Führung von sowie der Kommunikation mit V-Leuten und sonstigen Quellen. Das Bekanntwerden derartiger Informationen kann es den zu beobachtenden Gruppierungen ermöglichen, Abwehrstrategien gegen ihre Infiltration und Beobachtung zu entwickeln. Zum anderen ist der Quellenschutz eine Voraussetzung für die weitere Nutzung aktiver und die Gewinnung neuer Informationsquellen (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Von besonderer Bedeutung ist dabei die Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen. Sie ist unverzichtbare Voraussetzung für die Anwerbung und Führung von V-Personen. Die Effektivität der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste unter Einsatz von V-Personen ist davon abhängig, dass das Vertrauen in die Einhaltung gegebener Vertraulichkeitszusagen nicht erschüttert wird. Werden Informationen über V-Leute und sonstige verdeckte Quellen herausgegeben, schwächt dies das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass eine V-Person oder eine sonstige Quelle enttarnt wird (vgl. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 280). Darüber hinaus kann auch in diesem Zusammenhang bereits der (subjektive) Eindruck ausreichen, die Vertraulichkeit sei nicht gesichert, um aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abzuhalten und die Gewinnung neuer Quellen zu erschweren (vgl. Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, S. 387 <391 f.>; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1266>).

115

2. Dem Geheimhaltungsinteresse steht ein gewichtiges Informationsinteresse des Parlaments an der Beantwortung Kleiner Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen und insbesondere von V-Leuten gegenüber.

116

Wie alle anderen Organe der vollziehenden Gewalt unterliegen auch die Nachrichtendienste der Kontrolle durch das Parlament. Der Bundestag ist daher berechtigt und verpflichtet, seine Kontrollaufgaben gegenüber der Regierung im nachrichtendienstlichen Bereich unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente vom Fragerecht des Abgeordneten bis hin zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen wahrzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 149, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Kontrollinstrumente stehen nicht in einem Alternativ- oder Spezialitätsverhältnis zueinander (vgl. § 1 Abs. 2 PKGrG; BTDrucks 8/1599, S. 6).

117

Bezieht sich eine parlamentarische Anfrage auf einen für Staat und Gesellschaft besonders bedeutsamen Bereich, hat die Öffentlichkeit ein gesteigertes Interesse an parlamentarischer Kontrolle. Bei dem Einsatz von V-Leuten zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sowie insbesondere zur Verhinderung und Aufklärung schwerwiegender Straftaten geht es um die Sicherheit des Staates und seiner Bevölkerung. Hierzu kann es erforderlich sein, Personen aus extremistischen oder kriminellen Milieus als V-Leute einzusetzen. Wenn öffentliche Stellen mit einer V-Person kooperiert haben, die im Verdacht steht, erhebliche, gegebenenfalls dem extremistischen Milieu zuzuordnende Straftaten begangen zu haben, ist zu berücksichtigen, dass das parlamentarische Informationsinteresse von besonderem Gewicht ist, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

118

Schließlich kommt der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste angesichts von Art und Umfang der ihnen an die Hand gegebenen nachrichtendienstlichen Mittel und wegen der mit der Anwendung dieser Mittel einhergehenden Schwere von Grundrechtseingriffen, der Unbemerkbarkeit des Handelns dieser Behörden und der fehlenden Transparenz des anschließenden Datenverarbeitungsvorgangs für die Betroffenen (vgl. BVerfGE 100, 313 <361>) eine besondere Aufklärungsfunktion zu (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 151, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

119

3. Wenn verfassungsrechtlich verankerte Geheimhaltungsinteressen und parlamentarische Auskunftsansprüche in Konflikt geraten, müssen die unterschiedlichen Interessen in der Weise in Ausgleich gebracht werden, dass beide soweit wie möglich ihre Wirkung entfalten. Insbesondere soweit Anfragen Umstände betreffen, die aus Gründen des Staatswohls geheimhaltungsbedürftig sind, stellt sich die Frage, ob und auf welche Weise dieses Anliegen mit dem jeweiligen parlamentarischen Informationsanspruch in Einklang gebracht werden kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <189>).

120

a) In Bezug auf die Tätigkeit von Nachrichtendiensten kommt eine grundsätzliche Begrenzung des Informationsanspruchs des Bundestages, wie sie im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Frage- und Informationsrecht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle für Anfragen zu Vorgängen vor Erlass einer positiven Genehmigungsentscheidung im Ansatz vorgenommen wurde (vgl. BVerfGE 137, 185 ff.), nicht in Betracht. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen, zu entsprechenden Voranfragen von Rüstungsunternehmen und zu abschlägig beschiedenen Anträgen können aus Gründen des Staatswohls verweigert werden, weil das vorzeitige Bekanntwerden sensibler Rüstungsexportgeschäfte zu Verwerfungen im Verhältnis zu dem jeweiligen Erwerberland führen, die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung beeinträchtigen und zu Einbußen für die inländische Rüstungsindustrie führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <251 ff. Rn. 173 ff.>).

121

Damit ist die Beantwortung von Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen durch die Nachrichtendienste nicht vergleichbar. Antworten auf solche parlamentarischen Anfragen beeinträchtigen berechtigte Geheimhaltungsinteressen nicht in jedem denkbaren Fall und lassen eine solche Beeinträchtigung auch nicht stets besorgen. Denn aus der Vielfalt der möglichen Sachverhaltskonstellationen folgt, dass weder aus der Beantwortung einzelner Fragen noch aus der Verweigerung einer Antwort zwingend Erkenntnisse über die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gewonnen werden können, die sich nachteilig auf ihre Funktionsfähigkeit auswirken. Die Konstellationen im Bereich ihrer verdeckten Tätigkeit sind derart vielfältig, dass eine Abwägung nicht in jedem Fall zu einem Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses führt.

122

b) Allerdings kann sich die Bundesregierung zur Begründung einer Antwortverweigerung bei Fragen zum Einsatz verdeckt handelnder Personen in der Regel auf entgegenstehende Gründe des Staatswohls und deren Grundrechte berufen, wenn die an sie gerichteten Fragen einen Bezug zu konkreten Personen aufweisen. Insbesondere bei Fragen, die möglicherweise noch aktive V-Leute betreffen oder sich auf aktuelle beziehungsweise noch nicht weit zurückliegende Ereignisse beziehen, ist regelmäßig von der Gefahr einer Enttarnung der V-Leute und damit zugleich von einer Gefährdung ihrer Grundrechte oder der Grundrechte ihnen nahestehender Personen auszugehen. Dies wiederum zieht die Möglichkeit nach sich, dass Rückschlüsse auf die Anwerbung von V-Leuten, die Art und Weise ihres Einsatzes und gegebenenfalls ihre Anzahl, also Erkenntnisse zu der Arbeitsweise der Nachrichtendienste bekannt werden könnten. Diese Risiken dürften regelmäßig auch noch nach der Abschaltung einer verdeckten Quelle fortbestehen. Das berechtigte Interesse an einer Antwortverweigerung besteht in diesen Fällen unabhängig davon, ob eine konkrete Person als V-Person eingesetzt worden ist oder nicht. Anderenfalls könnte aus der Antwortverweigerung in vergleichbaren Fällen im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die dort in Rede stehende Person eine V-Person (gewesen) ist.

123

Eine negative Auskunft zu einer bestimmten Person könnte zudem den Verdacht auf andere Personen lenken oder einen bereits bestehenden Verdacht erhärten und somit diese Personen oder ihr Umfeld gefährden. Aber auch unabhängig von der Gefährdung grundrechtlicher Belange in einem konkreten Einzelfall und ungeachtet des Zeitablaufs kann die Enttarnung von verdeckt handelnden Personen eine Gefährdung der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden darstellen, da durch die Herausgabe von Informationen über V-Leute oder sonstige verdeckte Quellen das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen geschwächt und damit noch aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abgehalten und die Gewinnung neuer Quellen erschwert werden können. Solche nachteiligen Auswirkungen müssen von der Bundesregierung nicht ohne weiteres in Kauf genommen werden - ebenso wenig wie die Gefährdung der Grundrechte von V-Leuten oder ihnen nahestehender Personen.

124

Selbst bei Fragen zum Einsatz konkreter Personen als V-Leute sind jedoch eng begrenzte Ausnahmefälle denkbar, in denen das parlamentarische Informationsinteresse überwiegt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn aufgrund besonderer Umstände eine Gefährdung grundrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint und eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht ernsthaft zu befürchten ist. Bei dieser Abwägung ist der Zeitablauf ein bedeutsamer - wenn auch nicht allein ausschlaggebender - Faktor. So kann sich im Einzelfall bei weit zurückliegenden Vorgängen die Geheimhaltungsbedürftigkeit erheblich vermindert oder erledigt haben (vgl. BVerfGE 124, 161 <194>).

125

c) Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Beantwortung bestimmter Fragen nicht in Betracht kommt, ist sie gehalten zu prüfen, ob eine Beantwortung unter Einstufung nach der Geheimschutzordnung möglich ist. Aus dieser Möglichkeit folgt jedoch nicht, dass jede Anfrage nach Vornahme einer entsprechenden Einstufung beantwortet werden muss. Gerade im Bereich verdeckt handelnder Personen, deren Einsatz für das Staatswohl von großer Bedeutung und zugleich in hohem Maße geheimhaltungsbedürftig ist, besteht hinsichtlich bestimmter Informationen ein legitimes Interesse, den Kreis der Geheimnisträger auf das notwendige Minimum zu beschränken. Je größer dieser Kreis ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Geheimnisse - sei es absichtlich oder versehentlich - weitergegeben oder ausgespäht werden (vgl. BVerfGE 70, 324 <364>). Besonders geheimhaltungsbedürftige Informationen aus dem Bereich des Quellenschutzes können dem Parlament daher auch dann vorenthalten werden, wenn beiderseits Vorkehrungen gegen ihr Bekanntwerden getroffen worden sind. Einfachrechtlich hat der Gesetzgeber dies in § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG anerkannt, wonach selbst dem zur Geheimhaltung verpflichteten Parlamentarischen Kontrollgremium bestimmte Informationen vorenthalten werden können. Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass das Staatswohl und der Grundrechtsschutz auch dem Parlament anvertraut sind und dieses insoweit nicht als außenstehend behandelt werden darf. Es geht allein darum, den Kreis der Geheimnisträger bei besonders geheimhaltungsbedürftigen Informationen unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Staatsgewalt möglichst klein zu halten. Dementsprechend beschränkt sich der Kreis der Geheimnisträger gerade im Bereich des Einsatzes verdeckt handelnder Personen auch innerhalb der Exekutive auf nur wenige Personen.

III.

126

Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (1.) und - jedenfalls teilweise - bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (2.) verkannt und hierdurch Rechte der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sowie des Deutschen Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.

127

Die Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen fällt in den Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin. Sie zielen auf Erkenntnisse der Antragsgegnerin selbst oder der ihr nachgeordneten Behörden. Im Übrigen hat sich die Antragsgegnerin - auch hinsichtlich der Fragen nach Informationen der Landesämter für Verfassungsschutz - nicht auf eine fehlende Zuständigkeit berufen. Als Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs kommen vorliegend nur das Staatswohl und die Grundrechte in Betracht.

128

1. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht genügt. Sie hat keine Gründe vorgebracht, die eine Auskunftsverweigerung aufgrund von Staatswohlbelangen rechtfertigen würden (a)), und ihren Ausführungen lässt sich nicht nachvollziehbar entnehmen, dass Grundrechte Lembkes oder Dritter gefährdet werden könnten (b)).

129

a) Die begehrte Information, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann gewesen sei, ist von dem parlamentarischen Auskunftsrecht grundsätzlich umfasst. Die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung rechtfertigt nicht die Verweigerung der Antwort.

130

Die Antragsgegnerin vertritt in ihrer ablehnenden Entscheidung die Auffassung, dass das Bekanntwerden des Namens einer V-Person Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste zuließe. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Quellen der Nachrichtendienste bekannt würden, was zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit führe. Eine solchermaßen abstrakt gehaltene Begründung mag im Regelfall ausreichen. Die Antragsgegnerin muss Fragen zum Einsatz bestimmter Personen als V-Leute durch die Nachrichtendienste aufgrund entgegenstehender Staatswohlbelange und Grundrechte grundsätzlich nicht beantworten. Jedoch handelt es sich hier um einen besonders gelagerten Ausnahmefall.

131

Dem parlamentarischen Informations- und Kontrollinteresse kommt besondere Bedeutung zu, weil es der Antragstellerin zu 1. im Zuge einer anstehenden Neuregelung des Einsatzes von V-Leuten darum ging festzustellen, ob es - auch in der Vergangenheit - zu einer Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten gekommen ist. Bei Heinz Lembke handelte es sich um eine Person, der erhebliche Straftaten im rechtsextremistischen Milieu vorgeworfen wurden. Insofern hatte die Antragstellerin zu 1. ein nachvollziehbares Interesse, auch mit Blick auf eine mögliche Verbindung von V-Leuten zu den Aktivitäten des NSU Verdachtsmomenten nachzugehen, wonach bereits im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten zur Verhinderung oder Aufklärung des Anschlags genutzt worden seien. Damit verfolgte die Antragstellerin zu 1. das Ziel, mögliche Rechtsverstöße oder Missstände beim Einsatz von V-Leuten mit Blick auf zukünftige gesetzliche Regelungen aufzuklären, was ihrem Informationsinteresse ein besonders hohes Gewicht verleiht.

132

Demgegenüber vermögen die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe für die Antwortverweigerungangesichts der besonderen Umstände des Falles nicht zu überzeugen. Ein aktueller oder künftiger Einsatz Lembkes als V-Person kommt offensichtlich nicht mehr in Betracht. Aus der Begründung der Antragsgegnerin ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl laufende oder künftige Aufklärungseinsätze oder Ermittlungen gefährdet werden könnten. Dies gilt selbst dann, wenn man unterstellt, dass Personen aus Lembkes damaligem Umfeld auch heute noch im Fokus der Nachrichtendienste stehen. Zu denken wäre hier etwa an Karl-Heinz Hoffmann. Dass die Wehrsportgruppe Hoffmann von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet wurde, lässt sich den veröffentlichten Berichten des Bundesamts für Verfassungsschutz entnehmen. Dass aktuelle Einsätze der Nachrichtendienste erschwert werden könnten, wenn den betroffenen Personen darüber hinaus bekannt würde, dass der 1981 verstorbene Heinz Lembke ein V-Mann war, ist weder plausibel begründet worden noch sonst ersichtlich.

133

Soweit die Antragsgegnerin nach Einleitung des Organstreitverfahrens vorgetragen hat, dass die Beantwortung der Frage 2 a) mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht gehört werden. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der nicht näher ausgeführte Vortrag, dass eine Antwort auf die Frage etwaigen Tatbeteiligten ermögliche, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren oder andere Verdunklungsmaßnahmen zu ergreifen, zur Begründung der Antwortverweigerung ausreichen würde. Dies kann jedoch dahinstehen, weil die Antragsgegnerin die Ablehnung der Beantwortung dieser Frage nicht hierauf gestützt, sondern erstmals in ihrer Antragserwiderung auf das Ermittlungsverfahren Bezug genommen hat. Dabei handelt es sich um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen.

134

Ferner ist nicht plausibel begründet, weshalb die Antragsgegnerin in diesem Fall von einer Beeinträchtigung der allgemeinen Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste ausgeht. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann war, Rückschlüsse auf die derzeitige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen sollte. Zum einen würden keine Einzelheiten des damaligen Verhältnisses der Behörden zu Lembke bekannt. Dies gilt etwa für den Zeitpunkt und die Umstände seiner Anwerbung oder die Art und Weise der Führung von V-Personen. Zum anderen läge eine etwaige V-Mann-Tätigkeit Lembkes bereits so lange zurück, dass sich keine konkreten Rückschlüsse auf die heutige Vorgehensweise der Behörden ziehen lassen dürften. Dies gilt auch, soweit die Antragsgegnerin vorträgt, eine Antwort müsse wegen drohender Konsequenzen für die Arbeit der betreffenden Landesbehörden unterbleiben. Auch insoweit hat die Antragsgegnerin nicht dargetan, welche negativen Auswirkungen auf die Arbeit der Landesbehörden sie vor dem Hintergrund des erheblichen Zeitablaufs von über 30 Jahren befürchtet.

135

Zudem ist nicht hinreichend dargelegt, warum die ausnahmsweise Nichteinhaltung der gegebenen Vertraulichkeitszusage gegenüber Lembke Rückwirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste haben könnte. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles, nämlich der durch Lembke mutmaßlich begangenen erheblichen Straftaten und seines Todes vor über 30 Jahren, hätte es konkreter Ausführungen bedurft, warum sich aktuelle oder potentielle V-Leute hiervon bei ihrer Entscheidung, als V-Person tätig zu werden, maßgeblich beeinflussen lassen könnten. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Bereitschaft aktueller oder potentieller V-Leute zur Zusammenarbeit mit den Behörden entscheidend davon abhängt, ob die Vertraulichkeit auch Jahrzehnte nach ihrem Ableben noch gesichert erscheint. Dies gilt umso mehr, als die Vertraulichkeit grundsätzlich auch nach einem derart langen Zeitablauf gewahrt und nur ausnahmsweise bei Vorliegen gewichtiger Gründe aufgehoben werden kann, die das Geheimhaltungsinteresse im Einzelfall überwiegen.

136

b) Die Antragsgegnerin hat auch keine Gründe vorgebracht, die eine Verweigerung der Antwort auf die Frage 2 a) aus Gründen des Grundrechtsschutzes rechtfertigen.

137

Mit Blick auf Lembke ist eine Gefährdung der in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG genannten Rechtsgüter ausgeschlossen, weil er bereits 1981 verstorben ist. Der postmortale Persönlichkeitsschutz aus Art. 1 Abs. 1 GG steht der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft Lembkes ebenfalls nicht entgegen. Unabhängig davon, wie die Antwort auf die Frage ausfällt, ist mit ihr keine Erniedrigung oder Herabwürdigung der Person Lembkes verbunden. Ob der grundrechtliche Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes oder zumindest dessen objektiv-rechtlicher Gehalt einer Antwort nach dem Tod Lembkes überhaupt entgegenstehen kann, kann offenbleiben. Jedenfalls müsste ein sich daraus ergebendes Geheimhaltungsinteresse vor dem Hintergrund des Zeitablaufs von über 30 Jahren hinter dem besonders gewichtigen Informations- und Kontrollinteresse der Antragstellerin zu 1. und des Bundestages zurückstehen. Außerdem hat sich die Antragsgegnerin bei der Begründung ihrer Antwortverweigerung mit Blick auf den Grundrechtsschutz lediglich auf Art. 2 Abs. 2 GG gestützt, so dass im Übrigen ein unzulässiges Nachschieben von Gründen vorliegt.

138

Auf die Möglichkeit der Gefährdung von Grundrechten Lembke nahestehender Personen hat sich die Antragsgegnerin ebenfalls erst nach Einleitung des Organstreitverfahrens berufen. Zudem ist das Vorliegen einer derartigen Gefahr im konkreten Fall nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Vielmehr erscheint es angesichts des Zeitablaufs und der Auflösung der Wehrsportgruppe Hoffmann sehr unwahrscheinlich, dass Angehörige von Lembke oder sonstige ihm nahestehende Personen gefährdet wären, wenn bekannt würde, dass er ein V-Mann war. Für die Annahme, dass Personen aus dem damaligen Umfeld Lembkes aus der Antwort der Antragsgegnerin Rückschlüsse auf eine etwaige V-Person-Tätigkeitanderer Personen ziehen könnten, liegen ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte vor. Allein die niemals vollständig auszuschließende, im vorliegenden Fall aber fernliegende Möglichkeit derartiger Rückschlüsse genügt für eine Antwortverweigerung nicht.

139

2. Die Antragsgegnerin hat auch ihrer Antwortpflicht hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 nur teilweise genügt. Während die Begründung die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 nicht trägt (a)), war die Antwortverweigerung hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 teilweise gerechtfertigt (b)).

140

Soweit die Antragsgegnerin eine Beantwortung der Fragen abgelehnt hat, hat sie dies im Wesentlichen aus denselben Gründen getan wie bei der Ablehnung einer Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Zum einen hat sie darauf verwiesen, dass anderenfalls Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden könnten. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre. Zum anderen müssten Leben und körperliche Unversehrtheit etwaiger V-Leute geschützt werden.

141

a) Bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar dargelegt, inwieweit das Staatswohl (aa)) oder die Grundrechte etwaiger V-Leute oder Dritter (bb)) durch eine vollständige Beantwortung gefährdet sein sollen. Sie hat die Fragen 14 bis 16 zusammenfassend dahingehend beantwortet, dass ihr zum Oktoberfestattentat aus den Jahren 1980 bis 1985 fünf Quellenmeldungen vorlägen. Hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin die Auskunft erteilt, in die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" hätten 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang gefunden. Eine Aufschlüsselung dieser Meldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden (Bundesamt für Verfassungsschutz, Landesämter für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst) hat die Antragsgegnerin sowohl hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 als auch hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 verweigert.

142

aa) Der Begründung der Antragsgegnerin lässt sich nicht entnehmen, weshalb sich aus der erbetenen Aufschlüsselungrelevante Erkenntnisse über die Identität von V-Leuten oder die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ergeben könnten. Dies erscheint vielmehr gleich aus mehreren Gründen fernliegend. Es lässt sich nicht nachvollziehen, wie sich aus einer nach Jahren und Ursprungsbehörden aufgeschlüsselten Angabe der Zahl der Quellenmeldungen Rückschlüsse auf die Identität einzelner V-Personen ziehen lassen sollen. Insbesondere ist nicht nach Meldungen von V-Leuten, sondern allgemein nach Meldungen von Quellen gefragt worden. Hierzu zählen auch Meldungen von Gewährsleuten oder sonstigen Informanten. Darüber hinaus ist nicht danach gefragt worden, in welcher Beziehung die Quellen zu bestimmten Gruppierungen - insbesondere der Wehrsportgruppe Hoffmann - standen. Bei einer vollständigen Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 würden somit weder Erkenntnisse zur Zusammenarbeit einer Quelle mit einer bestimmten Behörde noch zu ihrer Verbindung zu einer bestimmten Gruppierung offenbart werden. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass nicht nach der Anzahl der Quellen, sondern nach der Anzahl der Quellenmeldungen gefragt worden ist. Aus der Anzahl der Quellenmeldungen lassen sich keine belastbaren Rückschlüsse auf die Zahl der von einer Behörde geführten Quellen ziehen. Dies gilt selbst dann, wenn eine Behörde in einem Jahr nur eine einzige oder gar keine Quellenmeldung im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat oder der Wehrsportgruppe Hoffmann erhalten haben sollte. Hinzu kommt, dass im Rahmen der Fragen 15 und 20 (Anzahl der Meldungen von Quellen der Landesämter für Verfassungsschutz) keine Differenzierung nach Ländern erbeten worden ist, aus der sich möglicherweise Anhaltspunkte bezüglich der Herkunft der Quelle ergeben könnten; es ist lediglich um Mitteilung der Gesamtzahl der Quellenmeldungen von allen Landesämtern gebeten worden.

143

Dass eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen und dadurch deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigen könnte, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Dass Nachrichtendienste Informationen aus vertraulichen Quellen erlangen, ist allgemein bekannt. Aus den nach Jahren und Behörden aufgeschlüsselten Zahlen der Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat oder zur Wehrsportgruppe Hoffmann lassen sich allenfalls gewisse Rückschlüsse auf den Umfang der Beobachtung von Personen und Gruppierungen ziehen, die möglicherweise in irgendeinem Zusammenhang zum Oktoberfestattentat standen. Zu der Art und Weise, wie die Quellen damals geführt wurden, ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte. Erst recht lassen sich keine Rückschlüsse auf den heutigen Einsatz von Quellen ziehen.

144

bb) Die Begründung der Antragsgegnerin rechtfertigt auch keine Verweigerung der begehrten Aufschlüsselung zum Schutz der Grundrechte. Da die begehrten Informationen aus den genannten Gründen keinen hinreichend konkreten Bezug zu verdeckt tätigen Personen aufweisen, ist nicht zu besorgen, dass grundrechtlich geschützte Rechtsgüter etwaiger V-Leute oder Dritter gefährdet werden könnten.

145

b) Hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31, die auslegungsbedürftig sind (aa)), ist zu differenzieren. Soweit nach dem "Ob" des Einsatzes von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute gefragt wurde, werden die Antworten der Antragsgegnerin - mit Ausnahme der Fragen 24 und 25 zum Bundesnachrichtendienst - den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht (bb)). Die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute hält der verfassungsgerichtlichen Prüfung ebenfalls nur teilweise stand (cc)).

146

aa) Die Fragen 23, 25, 29 und 31 beziehen sich bei wörtlichem Verständnis auf die Tätigkeit von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat. Dieses fand am 26. September 1980 statt, die Wehrsportgruppe Hoffmann wurde jedoch schon am 30. Januar 1980 mit sofortiger Wirkung verboten und aufgelöst. Bereits etwa acht Monate vor dem Oktoberfestattentat gab es daher "Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann" im eigentlichen Sinne nicht mehr.

147

Die Fragen 23, 25, 29 und 31 sind jedoch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie gestellt wurden (vgl. BVerfGE 110, 199 <213>; 137, 185 <229 Rn. 124>), dahingehend auszulegen, dass um Auskunft gebeten wird, ob ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute tätig waren. Da die Fragen nur bei diesem Verständnis sinnvoll sind, hatte die Antragsgegnerin eine solche Auslegung vorzunehmen. Dabei hatte die Antragsgegnerin außerdem zu berücksichtigen, dass die Fragen nicht den Einsatz von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann in dem Zeitraum nach dem Oktoberfestattentat bis heute erfassen sollen. Vielmehr erlaubt eine Gesamtwürdigung des Begehrens der Antragstellerinnen nur ein Verständnis, wonach die Fragen auf den Einsatz ehemaliger Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann zeitnah zu dem Attentat gerichtet sind.

148

bb) Die Beantwortung der Fragen, ob unter den Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, hat die Antragsgegnerin aus Gründen des Staatswohls und des Grundrechtsschutzes abgelehnt. Insoweit genügen ihre Antworten den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil der abstrakte Verweis darauf, Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste könnten bekannt und Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten gefährdet werden, nicht ausreicht, um das Informationsinteresse des Parlaments einzuschränken ((1)). Die Verweigerung der Antworten auf die Fragen 24 und 25 zu einer Tätigkeit für den Bundesnachrichtendienst ist demgegenüber gerechtfertigt ((2)).

149

(1) Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, das Staatswohl könnte dadurch beeinträchtigt werden, dass durch eine Beantwortung der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann Rückschlüsse auf die aktuelle Arbeitsweise und die Organisation der Nachrichtendienste ermöglicht werden könnten, erscheint dies nicht nachvollziehbar. Der Umstand, dass Nachrichtendienste damals wie heute V-Leute einsetzen, ist allgemein bekannt. Welche darüber hinausgehenden Rückschlüsse die Antragsgegnerin für möglich hält, legt sie nicht plausibel dar.

150

Die abstrakt gehaltene Begründung der Antragsgegnerin, eine Beeinträchtigung des Staatswohls könne dadurch erfolgen, dass eine Auskunft, wonach unter den (ehemaligen) Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann eine oder mehrere V-Personen waren, zusammen mit entsprechendem Zusatzwissen zu einer Enttarnung führen könne, lässt sich zwar nicht vollständig von der Hand weisen. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Personen enttarnt werden könnten, aufgrund der hier gegebenen Umstände so gering, dass sie eine Einschränkung des parlamentarischen Informationsrechts nicht mehr zu rechtfertigen vermag. Die Wehrsportgruppe Hoffmann hatte zum Zeitpunkt ihrer Auflösung etwa 400 Mitglieder. Zwar war sie in lokale Untergruppen aufgeteilt. Selbst bei einer Bestätigung, dass (ehemalige) Mitglieder V-Leute waren, wäre noch keine Aussage über deren Zuordnung zu einer lokalen Untergruppe getroffen. Mitglieder der Wehrsportgruppe könnten sich - sollten sie den Verdacht gehabt haben, es seien V-Leute unter ihnen - lediglich bestätigt fühlen. Rückschlüsse auf einzelne Personen wären nicht möglich.

151

Auch die Gefahr einer Verunsicherung unter aktuellen oder potentiellen V-Leuten, die zu einer Erschwernis der Anwerbung und Führung von V-Leuten führen könnte, dürfte angesichts des Umstands, dass der Einsatz von V-Leuten in rechtsextremen Milieus allgemein bekannt ist, äußerst gering sein. Hinzu kommt, dass im Falle einer Verneinung der Fragen danach, ob die Antragsgegnerin den Einsatz von V-Leuten bei den Verfassungsschutzämtern ausschließen (Fragen 22 und 23) beziehungsweise "nach ihrer Kenntnis ausschließen" (Fragen 28 und 29) kann, nicht einmal eine sichere Bestätigung des Vorhandenseins von V-Leuten erlangt werden könnte. Dies gilt insbesondere, soweit sich die Fragen auf die Landesämter für Verfassungsschutzbeziehen. Aus der Mitteilung, die Antragsgegnerin könne nach ihrer Kenntnis nicht ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für ein Landesamt tätig waren, lässt sich nicht ohne weiteres der Schluss ziehen, dass es bei den Landesämtern solche V-Leute gab.

152

Soweit die Antragsgegnerin erstmals in ihrer Antragserwiderung vorgetragen hat, dass eine Beantwortung der Fragen auch mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht durchdringen. Insoweit kann auf die Ausführungen zu Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwiesen werden.

153

Mit Blick auf den Grundrechtsschutzkönnen Gefahren für Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Auch diesbezüglich ist aber zu berücksichtigen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Enttarnung von V-Leuten aufgrund der bloßen Auskunft darüber, ob (ehemalige) Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, sehr gering ist. Zwar erscheint es möglich, dass sich etwaige ehemalige V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann auch heute noch in einem gewaltbereiten rechtsextremen Umfeld bewegen und daher in besonderer Weise Gefahren ausgesetzt sind. Zumindest ein Teil der Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe - insbesondere auch Karl-Heinz Hoffmann selbst - hat sich von dem Gedankengut der Gruppe bis heute nicht gelöst und verfolgt weiterhin aktiv die öffentliche Diskussion über die damaligen Ereignisse. Dass sich die Gefahr für solche V-Leute durch eine bloße Bejahung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten aus der Wehrsportgruppe Hoffmann merklich erhöht, ist vor dem Hintergrund, dass der Einsatz von V-Leuten in diesen Milieus allgemein bekannt ist, aber sehr unwahrscheinlich.

154

(2) Etwas anderes gilt hinsichtlich der Fragen 24 und 25, die sich auf den Bundesnachrichtendienst beziehen. Die Gefahr einer Enttarnung vom Bundesnachrichtendienst möglicherweise eingesetzter V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann wäre schon dann erheblich, wenn die Antragsgegnerin ihre bloße Existenz bestätigte.

155

Angesichts der Zuständigkeit des Bundesnachrichtendienstes für die Gewinnung von Auslandserkenntnissen (vgl. § 1 Abs. 2 BNDG) kommen als etwaige V-Leute dieser Behörde insbesondere die Mitglieder der damals im Libanon operierenden "Wehrsportgruppe Ausland" in Betracht. Diese Nachfolgeorganisation der Wehrsportgruppe Hoffmann, der auch Hoffmann selbst angehörte, hatte nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes nur noch 15 Mitglieder. In Anbetracht dieser geringen Zahl würde die Gefahr einer Enttarnung bei einer positiven Beantwortung erheblich steigen. Daher durfte die Antragsgegnerin die Antwort auf diese Fragen verweigern. Angesichts der erheblichen Gefahr einer Enttarnung hätte die Auskunft auch nicht nach Maßgabe der Geheimschutzordnung erteilt werden müssen. Denn dabei wäre wegen der großen Anzahl der Geheimnisträger die Wahrscheinlichkeit erhöht worden, dass die mitgeteilten Informationen weitergegeben oder ausgespäht worden wären. Dieses Risiko musste die Antragsgegnerin wegen der Gefahren für das Staatswohl und die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter etwaiger V-Leute nicht in Kauf nehmen.

156

cc) Soweit mit den Fragen 23 und 28 bis 31 über das "Ob" hinausgehende Auskünfte zum Einsatz von V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann beziehungsweise von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe begehrt wurden, rechtfertigt die Begründung der Antragsgegnerin eine Antwortverweigerung nur teilweise. Auskünfte dazu, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat für das Bundesamt für Verfassungsschutz (Frage 23) sowie vor und nach dem Attentat für Landesämter für Verfassungsschutz (Fragen 30 und 31) tätig waren, durften mit der gegebenen Begründung nicht verweigert werden ((1)). Eine Antwort auf die Fragen, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe vor und nach dem Attentat für welches Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren (Fragen 28 und 29), hat die Antragsgegnerin dagegen zu Recht verweigert ((2)).

157

(1) Die Beantwortung der Fragen zu der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute im Bundesamt für Verfassungsschutz einerseits (Frage 23) und in den Landesämtern für Verfassungsschutz andererseits (Fragen 30 und 31) darf mit Blick auf die Bedeutung des parlamentarischen Informationsrechts aus den von der Antragsgegnerin genannten Gründen nicht verweigert werden. Zwar wird die Gefahr der Enttarnung von V-Personen umso größer, je mehr Details über ihren Einsatz mitgeteilt werden. Daher erhöht sich die Gefahr einer Enttarnung auch durch die Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute. Die Information, wie viele V-Leute eingesetzt waren, unterscheidet sich qualitativ von der bloßen Bestätigung eines mutmaßlich bereits bestehenden Verdachts der Öffentlichkeit, dass V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann eingesetzt waren. Die Anzahl von V-Leuten ist eine Information, die der Öffentlichkeit nicht bekannt sein kann. Jedoch erscheint es kaum möglich, allein aufgrund der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute aus der Wehrsportgruppe beim Bundesamt für Verfassungsschutz und beiden Landesämtern für Verfassungsschutz nach über 30 Jahren Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise dieser Behörden und die Identität einzelner V-Personen zu ziehen.

158

(2) Die Grenze der Geheimhaltungsbedürftigkeit wird jedoch durch die Fragen danach, wie viele V-Leute für welches Landesamt für Verfassungsschutztätig waren (Fragen 28 und 29), überschritten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe gelingen könnte, etwaige V-Leute zu enttarnen, steigt schon an, wenn deren genaue Anzahl bekannt wird. Dies gilt in verstärktem Maße, wenn bei den ehemaligen V-Leuten der Landesämter für Verfassungsschutz zusätzlich bekannt würde, für welches Landesamt sie tätig waren. Diese Information könnte eine Eingrenzung der damaligen Wohnorte etwaiger V-Leute oder ihre Zuordnung zu einzelnen Ortsgruppen der Wehrsportgruppe ermöglichen.

159

Vor diesem Hintergrund ist eine Beeinträchtigung von Belangen des Staatswohls in Gestalt der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht von der Hand zu weisen. Da möglicherweise noch immer aktive, zumindest aber noch lebende V-Leute enttarnt werden könnten, überwiegt das Geheimhaltungsinteresse. Würden ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe als V-Leute enttarnt, könnten diese künftig nicht mehr als solche eingesetzt werden. Dass damalige V-Leute heute noch für die Behörden tätig sind, ist angesichts des Zeitablaufs zwar nicht besonders wahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen. Es erscheint jedenfalls möglich, dass diese Personen noch immer in der rechtsextremen Szene aktiv und weiterhin zur Kooperation mit den Behörden bereit sind. Unabhängig davon, ob es zu einer Enttarnung kommt, könnte die Mitteilung der abgefragten Informationen das Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen schwächen und aktuelle oder potentielle V-Leute verunsichern. Auch die bereits erörterten Bedenken hinsichtlich des Grundrechtsschutzes kommen mit Blick auf die erbetenen Zusatzinformationen in verstärktem Maße zum Tragen.

160

Die Antragsgegnerin durfte daher entsprechende Auskünfte unter Berufung auf das Staatswohl und den Schutz der Grundrechte etwaiger V-Leute verweigern. Sie musste die Auskünfte auch nicht unter Anwendung der Geheimschutzordnung erteilen, weil die Wahrscheinlichkeit einer unerlaubten Informationsweitergabe steigt, je größer die Zahl der Geheimnisträger ist. Dieses Risiko muss aufgrund der möglichen Enttarnung von V-Leuten, der damit einhergehenden Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte dieser Personen nicht in Kauf genommen werden.

D.

161

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), sind hier nicht ersichtlich.

(1) Wer ein Geheimnis, das ihm als

1.
Amtsträger,
2.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten,
3.
Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt oder
4.
Europäischer Amtsträger,
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Hat der Täter durch die Tat fahrlässig wichtige öffentliche Interessen gefährdet, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer, abgesehen von den Fällen des Absatzes 1, unbefugt einen Gegenstand oder eine Nachricht, zu deren Geheimhaltung er

1.
auf Grund des Beschlusses eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes oder eines seiner Ausschüsse verpflichtet ist oder
2.
von einer anderen amtlichen Stelle unter Hinweis auf die Strafbarkeit der Verletzung der Geheimhaltungspflicht förmlich verpflichtet worden ist,
an einen anderen gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(3a) Beihilfehandlungen einer in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung genannten Person sind nicht rechtswidrig, wenn sie sich auf die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des Geheimnisses oder des Gegenstandes oder der Nachricht, zu deren Geheimhaltung eine besondere Verpflichtung besteht, beschränken.

(4) Die Tat wird nur mit Ermächtigung verfolgt. Die Ermächtigung wird erteilt

1.
von dem Präsidenten des Gesetzgebungsorgans
a)
in den Fällen des Absatzes 1, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit bei einem oder für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes bekanntgeworden ist,
b)
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1;
2.
von der obersten Bundesbehörde
a)
in den Fällen des Absatzes 1, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit sonst bei einer oder für eine Behörde oder bei einer anderen amtlichen Stelle des Bundes oder für eine solche Stelle bekanntgeworden ist,
b)
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2, wenn der Täter von einer amtlichen Stelle des Bundes verpflichtet worden ist;
3.
von der Bundesregierung in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4, wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit bei einer Dienststelle der Europäischen Union bekannt geworden ist;
4.
von der obersten Landesbehörde in allen übrigen Fällen der Absätze 1 und 2 Nr. 2.
In den Fällen des Satzes 2 Nummer 3 wird die Tat nur verfolgt, wenn zudem ein Strafverlangen der Dienststelle vorliegt.

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat

a) die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3117) sowie

b) die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 23 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (Bundestagsdrucksache 18/3810)

nach Maßgabe der Gründe in ihren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.

2. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragstellerinnen sind Fraktionen des Deutschen Bundestages. Sie machen die unvollständige Beantwortung zweier Kleiner Anfragen der Antragstellerinnen zu Erkenntnissen der Nachrichtendienste über das Attentat auf das Münchner Oktoberfest am 26. September 1980 und einer diesbezüglich möglichen Verstrickung von Vertrauensleuten (im Folgenden: V-Leute) dieser Behörden geltend.

I.

2

1. Am 26. September 1980 um 22.20 Uhr explodierte am Haupteingang des Münchner Oktoberfests ein Sprengsatz. Neben dem Attentäter, dem 21 Jahre alten Gundolf Köhler aus Donaueschingen, starben 12 Personen im Alter zwischen 11 und 52 Jahren; 211 Menschen wurden verletzt. Das Oktoberfestattentat gilt als der schwerste rechtsterroristische Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Der Generalbundesanwalt schloss die Ermittlungen zu dem Attentat mit einem Schlussbericht vom 23. November 1982 ab. Darin hieß es, für eine Tatbeteiligung Dritter sprächen unterschiedliche Beweiserkenntnisse, die einen abschließenden Nachweis der Tatbeteiligung anderer Personen jedoch nicht zuließen. Hinweise darauf, dass Köhler nicht als Alleintäter gehandelt hatte, ergaben sich insbesondere aus den Aussagen zweier Zeugen.

3

2. Ungeklärt blieb nach Abschluss der Ermittlungen die Rolle des 1937 geborenen Karl-Heinz Hoffmann, des Gründers der so genannten "Wehrsportgruppe Hoffmann". Der von Hoffmann im Jahr 1973 ins Leben gerufene, nach militärischen Gesichtspunkten organisierte Verband wurde seit seiner Gründung vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Bei Hoffmann wurde im Rahmen einer bereits vor dem Attentat durchgeführten Durchsuchung Material sichergestellt, aus dem sich ergab, dass der Attentäter Köhler im Februar 1976 im Briefwechsel mit Hoffmann gestanden hatte; er soll auch an zwei Übungen der Wehrsportgruppe teilgenommen haben (vgl. Fromm, Die "Wehrsportgruppe Hoffmann": Darstellung, Analyse und Einordnung, 1998, S. 331 f.; Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 37).

4

Die Wehrsportgruppe hatte bis zu ihrem Verbot im Jahr 1980 circa 400 Mitglieder. In der Verbotsverfügung vom 16. Januar 1980 wurde die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 6), weshalb sich die Gruppierung nach dem Verbot auflöste. Sie wurde verboten, weil ihre Organisation und ihre Tätigkeit der allmählichen Herbeiführung einer neuen staatlichen Ordnung unter gleichzeitiger Aushöhlung der verfassungsmäßigen Ordnung dienten (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 - 1 A 3/80 -, juris, Rn. 100 ff.). Fünfzehn ehemalige Mitglieder schlossen sich nach dem Verbot als "Wehrsportgruppe Ausland" im Libanon zusammen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellte in dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1981 fest, es seien durch die "Wehrsportgruppe Ausland" Anschläge auf Personen und Einrichtungen im Bundesgebiet geplant und zum Teil bereits vorbereitet worden (vgl. Verfassungsschutzbericht 1981, S. 27 f.).

5

3. Auch der Name Heinz Lembke tauchte im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wiederholt auf. Er war "Milizionär" und "Wehrsportler" und nahm bis 1978 regelmäßig an Übungen der Reservistenkameradschaft der "Deutschen Aktionsgruppen" teil. Bei einer im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens am 29. September 1980 durchgeführten Durchsuchung seines Hauses konnten die Ermittler neben ein wenig Zündschnur und einem Gewehrmagazin zunächst weder Sprengstoff noch Waffen sicherstellen. Jedoch stieß ein Waldarbeiter am 26. Oktober 1981 in der Nähe des Hauses von Lembke auf wasserdicht verpackte Kisten mit Gewehrmunition, Sprengstoff und Sprengmitteln. Im Laufe der Ermittlungen konnten in weiteren nahezu 30 Depots Waffen sichergestellt werden. Lembke erhängte sich am 1. November 1981 in der Untersuchungshaft und soll folgende schriftliche Mitteilung hinterlassen haben: "Genossen! Ihr wisst, weshalb ich nicht mehr leben darf. Wolfszeit! Heil Euch, Heinz Hermann Ernst Lembke" (vgl. Chaussy, Oktoberfest - Das Attentat, 2014, S. 217).

6

4. Im Dezember 2014 teilte der Generalbundesanwalt mit, er habe die Ermittlungen zum Oktoberfestattentat wieder aufgenommen, Anlass dafür seien Angaben einer bis dahin unbekannten Zeugin.

II.

7

1. Am 8. Oktober 2014 richteten die Antragstellerin zu 1. und verschiedene Mitglieder des Bundestages eine Kleine Anfrage unter der Überschrift "Oktoberfest-Attentat - Wiederaufnahme der Ermittlungen zu Nazi-Hintermännern" an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3117).

8

a) Die Kleine Anfrage leiteten sie mit dem Hinweis darauf ein, dass noch immer gewichtige Zweifel am Ermittlungsergebnis bestünden, wonach Gundolf Köhler die Tat allein geplant und ausgeführt habe. Der Münchner Stadtrat und der Bayerische Landtag hätten bereits 2011 gefordert, der Generalbundesanwalt solle die Ermittlungen wieder aufnehmen. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 enthielt insbesondere Fragen zu dem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts und zu einem etwaigen Einsatz von Heinz Lembke als V-Mann einer Sicherheitsbehörde des Bundes oder eines Landes.

9

Die Frage 2 a)

"War Lembke ein V-Mann einer (gegebenenfalls welcher) Sicherheitsbehörde des Bundes oder - nach Kenntnis der Bundesregierung - eines Landes?"

wurde von der Antragsgegnerin nicht beantwortet. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) begründete die Antragsgegnerin die Verweigerung der Beantwortung dieser Frage wie folgt:

"Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann.

Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags Informationen und werten diese aus. Die Führung von V-Leuten gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Verfassungsschutzbehörden und dem Bundesnachrichtendienst zur Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu oder Namen einzelner V-Leute bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienstegezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellender Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich V-Leute regelmäßig in einem ex-tremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von V-Leuten ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn die betreffende Person kein V-Mann ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines V-Leute-Einsatzes geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der V-Leute folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann."

10

b) Mit Schreiben vom 3. März 2015 wandte sich MdB Britta Haßelmann in ihrer Funktion als Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 1. an den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz und bat erneut darum, die Frage 2 a) der Kleinen Anfrage zu beantworten. Die zur Verweigerung von der Antragsgegnerin genannten Gründe überzeugten nicht. Sie liefen darauf hinaus, immer und ausnahmslos jedwede Information über die Tätigkeit von V-Leuten zu verweigern. Dies sei nicht akzeptabel, weil eine gesetzliche Regulierung des Einsatzes von V-Leuten anstehe, wobei die Ursache für die rechtspolitische Diskussion auch die mögliche Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten sei. In der konkreten Frage gehe es um einen solchen Fall. Zudem sei dieser Fall ein historischer, in dem eine konkrete Beeinträchtigung der Arbeit der Sicherheitsbehörden nicht eintreten könne. Insgesamt sei die Antwortverweigerung daher eklatant unverhältnismäßig.

11

In seinem Antwortschreiben vom 7. April 2015 teilte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Christian Lange mit, aufgrund der Nachfrage habe die Antragsgegnerin die zu der Frage 2 a) beschriebene Abwägung noch einmal vorgenommen. Sie sei jedoch nach wie vor der Auffassung, dass Fragen zur Art und Weise der Quellenführung sowie zur V-Leute-Eigenschaft von Personen - auch wenn es sich um zeitlich weit zurückliegende Vorgänge handele - zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht beantwortet werden könnten. Sowohl die Werbung als auch die Führung von V-Leuten seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden zentrale Bedeutung zukomme. Eine besondere Geheimhaltung müsse deshalb auch dann gelten, wenn eine Person nicht als V-Person tätig gewesen sei oder der Vorgang zeitlich weit zurückliege. In diesen Fällen sei das Staatswohl ebenfalls betroffen, da auch hier - gegebenenfalls im Wege eines Umkehrschlusses aus einer Antwortverweigerung oder in der Gesamtschau der Antworten der Bundesregierung auf andere parlamentarische Anfragen - Rückschlüsse auf die Arbeitsweisen, Strategien und Methoden der Nachrichtendienste für die Gegenwart gezogen werden könnten und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt werden könne. Die in der Vergangenheit erfolgte Enttarnung von V-Leuten habe bereits dazu geführt, dass die Anwerbung von V-Leuten in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten und damit einhergehenden Informationsdefiziten verbunden sei. Zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Bundesamts für Verfassungsschutz sei daher durch die Bundesregierung selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens von geheimhaltungsbedürftigen Informationen zur Werbung und Führung von V-Leuten auszuschließen. Die Bewertung gelte auch unter Berücksichtigung der weiteren im Schreiben vom 3. März 2015 angeführten Argumente. Die im Gesetzentwurf zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vorgesehene Regelung zum Einsatz von V-Leuten gebe die wesentlichen Anforderungen vor. Nach dem aktuellen Gesetzentwurf schlössen im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilungen wegen eines Verbrechens oder zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden sei, die Anwerbung und den Einsatz als V-Person grundsätzlich aus.

12

2. Die Antragstellerin zu 2. und einige Mitglieder des Bundestages richteten am 21. Januar 2015 unter der Überschrift "Mutmaßliche Aktenvernichtungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann bei deutschen Geheimdiensten" ebenfalls eine Kleine Anfrage an die Antragsgegnerin (BTDrucks 18/3810).

13

a) Darin führten sie aus, die Antragsgegnerin habe der Abgeordneten Petra Pau am 13. Januar 2015 die Auskunft erteilt, im Bundesamt für Verfassungsschutz seien nur sieben Ordner zum Oktoberfestattentat vorhanden. Daher liege die Vermutung nahe, dass in den vergangenen Jahren Informationen zu dem Attentat und zur Wehrsportgruppe Hoffmann vernichtet worden seien. Die Kleine Anfrage enthielt Fragen zu Umfang und Aufbau der Akten sowie zu Quellen des Bundesamts für Verfassungsschutz. Ferner wurde die Frage gestellt, ob und wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für das Bundesamt beziehungsweise Landesämter für Verfassungsschutz tätig geworden seien. Einige Fragen nach Quellenmeldungen beantwortete die Bundesregierung lediglich in nicht nach Ursprungsbehörden und Jahren aufgeschlüsselter Form. Die Beantwortung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten und weiterer Fragen nach Quellenmeldungen lehnte die Antragsgegnerin vollständig ab.

14

Die Fragen, welche die Antragsgegnerin nicht oder nur zum Teil beantwortete, lauteten wie folgt:

Frage 14: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zum Oktoberfestattentat vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 15: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 16: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zum Oktoberfestattentat liegen im BfV aus welchen Jahren vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 19: "Wie viele Quellenmeldungen eigener Quellen liegen aus welchen Jahren im BfV zur Wehrsportgruppe Hoffmann vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 20: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen von Landesämtern für Verfassungsschutz zur Wehrsportgruppe Hoffmann liegen aus welchen Jahren im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 21: "Wie viele Quellenmeldungen von Quellen des MAD zur Wehrsportgruppe Hoffmann aus welchen Jahren liegen im BfV vor (bitte unter Angabe der jeweiligen Anzahl pro Jahr)?"

Frage 22: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren?"

Frage 23: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für das BfV tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für das BfV tätig?"

Frage 24: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 25: "Kann die Bundesregierung ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für den BND tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren für den BND tätig?"

Frage 28: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 29: "Kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für ein Landesamt für Verfassungs-schutz tätig waren, und wenn nein, wie viele V-Leute waren nach Kenntnis der Bundesregierung für welche Landesämter für Verfassungsschutz tätig?"

Frage 30: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

Frage 31: "Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob und ggf. wie viele Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute für Landesämter für Verfassungsschutz tätig waren?"

15

In einer Vorbemerkung zu ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) führte die Antragsgegnerin aus:

"1. Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 nicht oder zumindest nicht vollständig erfolgen kann. Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann. Die Nachrichtendienste sammeln im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags die erforderlichen Informationen und werten diese aus. Die Führung von Quellen gehört zu den wichtigsten nachrichtendienstlichen Mitteln, die den Nachrichtendiensten bei der Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen. Würden Einzelheiten hierzu, auch welche die quellenführende Stelle betreffend oder Namen einzelner Quellen bekannt, könnten dadurch Rückschlüsse auf den Einsatz von Quellen und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden. Es entstünde die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre.

Zudem ist zu beachten, dass sich Quellen hier in einem extremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von Quellen ausgeschlossen werden. Die Auskunft muss auch dann verweigert werden, wenn kein Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann eine Quelle ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, da ansonsten in allen übrigen Fällen aus der Antwortverweigerung auf das Vorliegen eines Einsatzes von Quellen geschlossen werden könnte.

Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie der Quellen folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet.

Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann.

2. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Komplexe "Oktoberfestattentat" und "Wehrsportgruppe Hoffmann" wegen des Inlandsbezugs nicht in den originären Aufgabenbereich des Bundesnachrichtendienstes (BND) als Auslandsnachrichtendienst fielen und fallen. Im Übrigen wurde der überwiegende Teil der im BND zum Oktoberfestattentat gebildeten Unterlagen an das Bundesarchiv abgegeben. Die Antworten auf die den BND betreffenden Fragen beruhen auf den im BND-Archiv noch vorhandenen, erschlossenen Altunterlagen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich im Zuge der fortschreitenden Erschließung der an das BND-Archiv in der Vergangenheit und künftig abgegebenen archivwürdigen Unterlagen weitergehende Erkenntnisse zum Anfragegegenstand ergeben.

3. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Einrichtung des Referats "Rechtsextremismus Terrorismus" im April 1981 im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nicht ausschließlich auf das Oktoberfestattentat zurückzuführen ist. Diesbezüglich wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 3 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/2544 verwiesen."

16

Die im Organstreitverfahren gerügten Antworten hatten folgenden Wortlaut:

"Die Fragen 14 bis 16 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Der Bundesregierung liegen insgesamt fünf Quellenmeldungen für den Zeitraum von 1980 bis 1985 vor. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 19 bis 21 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" im BfV wird gegenwärtig archivarisch aufbereitet, so dass nicht in allen Aktenbänden recherchiert werden konnte. Nach dem insoweit unter Vorbehalt stehenden Rechercheergebnis fanden 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang in die Sachakte. Eine nähere Aufgliederung scheidet aus den in Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung genannten Gründen aus."

"Die Fragen 22 bis 25 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

"Die Fragen 28 bis 31 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

17

b) Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 2., MdB Dr. Petra Sitte, richtete am 4. März 2015 ein Schreiben an den Bundesminister des Innern, in dem sie um eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 sowie 19 bis 25 bat. Insbesondere die Weigerung, die Fragen 22 bis 25 zu beantworten, überzeuge nicht. Sie bedeute, dass nach Belieben Informationen über die Tätigkeiten von V-Leuten verweigert werden könnten. Angesichts der Tatsache, dass mindestens ein neonazistischer V-Mann in der Wehrsportgruppe Hoffmann seine V-Mann-Eigenschaft schon vor Jahren öffentlich gemacht habe, seien die in der Vorbemerkung zur Antwort genannten Gründe der Bundesregierung zur Antwortverweigerung nicht akzeptabel und unverhältnismäßig. Schließlich bestehe jederzeit die Möglichkeit, die Antworten nach der Geheimschutzordnung einzustufen. Der langjährige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, habe darauf hingewiesen, dass im Rahmen einer Abwägung die Aufklärung eines Mordes wichtiger sei als der Quellenschutz. Beim Oktoberfestattentat, dem schwersten rechtsterroristischen Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik, seien 22 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt worden.

18

Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium des Innern Dr. Günter Krings teilte mit Schreiben vom 14. März 2015 mit, es sei in der Antwort zu der Kleinen Anfrage ausführlich dargelegt worden, weshalb eine Beantwortung der Fragen 14 bis 16, 19 bis 21 und 22 bis 25 nicht erfolgen könne. An dieser Bewertung halte die Antragsgegnerin auch nach nochmaliger Abwägung fest. Sowohl die Werbung als auch die Führung von menschlichen Quellen seien elementare nachrichtendienstliche Mittel, denen für die Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste zentrale Bedeutung zukomme. Die nähere Aufgliederung der Quellenmeldungen würde dazu führen, dass taktische Verfahrensabläufe offenbar würden und damit die künftige verdeckte Informationsbeschaffung empfindlich beeinträchtigt sei. Soweit sich die Fragen auf menschliche Quellen der Sicherheitsbehörden bezögen, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beantwortung dieser Fragen zu einer Offenlegung der Identität der Quellen führe. Im Hinblick auf die daraus folgenden Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit dieser Personen sei daher der staatliche Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 GG besonders zu beachten. Daher scheide auch eine als Verschlusssache eingestufte Beantwortung aus. Hierdurch werde die strafrechtliche Aufklärung des Oktoberfestattentats nicht verhindert. Der Generalbundesanwalt habe mit Schreiben vom 17. Februar 2015 sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch den Bundesnachrichtendienst um umfassende Mitteilung der dort vorliegenden Erkenntnisse zum Oktoberfestattentat gebeten. Beide Behörden würden dem Generalbundesanwalt die erbetenen Informationen zur Verfügung stellen.

III.

19

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2015 haben die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeleitet. Mit ihren Anträgen begehren sie die Feststellung, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu 1. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 24. November 2014 (BTDrucks 18/3259) auf Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (BTDrucks 18/3117) sowie die Antragstellerin zu 2. und den Deutschen Bundestag durch ihre Antwort vom 9. Februar 2015 (BTDrucks 18/3985) auf die Fragen 14 bis 16, 19 bis 25 und 28 bis 31 der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (BTDrucks 18/3810) in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt hat.

20

1. Die Antragstellerinnen halten ihre Anträge für zulässig. Sie sind der Auffassung, dass sie sowohl hinsichtlich der jeweils von ihnen selbst als auch bezüglich der von der jeweils anderen Antragstellerin gestellten Kleinen Anfrage antragsbefugt seien. Zum einen werde eine Verletzung des den Fraktionen selbst zustehenden Informationsrechts gerügt, das sich aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 GG ergebe und den Fraktionen dazu diene, den für die parlamentarische Arbeit erforderlichen Informationsstand zu erhalten. Zum anderen verletze die unzureichende Beantwortung einer Kleinen Anfrage die Rechte des Bundestages aus Art. 20 Abs. 2 GG. Diese Rechte könnten die Antragstellerinnen gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG prozessstandschaftlich geltend machen. Hinsichtlich der Antwort auf die von der jeweils anderen Antragstellerin gestellte Kleine Anfrage werde allein eine Verletzung der Rechte des Bundestages im Wege der Prozessstandschaft gerügt. Auch insoweit sei nicht nur die Antragsbefugnis, sondern auch ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Eine Fraktion könne Rechte des Bundestages auch dann im Organstreitverfahren verteidigen, wenn sie diesbezüglich zuvor nicht parlamentarisch tätig geworden sei.

21

2. Die Anträge seien begründet. Die Weigerung der Antragsgegnerin, die Kleinen Anfragen vollständig zu beantworten, verletze die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG.

22

a) Aus diesen Normen folge für den Deutschen Bundestag und seine Fraktionen ein Frage- und Informationsrecht, das grundsätzlich mit einer Auskunftspflicht der Bundesregierung korrespondiere. Grenzen des Informationsrechts könnten sich aus dem Staatswohl, den Grundrechten und dem Gewaltenteilungsprinzip ergeben. Mit Blick auf die verfahrensgegenständlichen Fragen der Antragstellerinnen sei jedoch kein ausreichendes Geheimhaltungsinteresse ersichtlich. Außerdem genügten die Begründungen, mit denen die Antragsgegnerin die vollständige Beantwortung der Kleinen Anfragen verweigert habe, nicht den hieran zu stellenden Anforderungen, da sie die Antragstellerinnen nicht in die Lage versetzten, die von der Antragsgegnerin vorgenommene Abwägung nachzuvollziehen.

23

Ob und inwieweit die Antragsgegnerin ausnahmsweise die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden und insbesondere zu V-Leuten verweigern dürfe, richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Es sei Sache der Bundesregierung, im Einzelfall darzulegen, warum das allgemein bestehende parlamentarische Informationsrecht aufgrund gegenläufiger Belange von höherem verfassungsrechtlichem Gewicht ausnahmsweise ausgeschlossen sei. Eine Bereichsausnahme sei im Hinblick auf Informationen zu V-Leuten verfassungsrechtlich nicht begründbar. Eine solche Ausnahme vom parlamentarischen Informationsrecht - wie sie das Bundesverfassungsgericht etwa für den Bereich der Rüstungsexporte anerkannt habe - könne nur in Betracht kommen, wenn sich ein Typ parlamentarischer Auskunftsbegehren trennscharf beschreiben lasse, bei dem einem noch so gewichtigen Informationsinteresse des Bundestages stets ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse gegenüberstehe. Dies sei bei parlamentarischen Anfragen mit Bezug zum Einsatz von V-Leuten nicht der Fall, denn nicht jede derartige Anfrage könne zur Enttarnung dieser Personen führen. Selbst wenn eine Enttarnung in Aussicht stehe, werde der weitere Einsatz der betroffenen V-Leute dann nicht gefährdet, wenn dieser bereits aus anderen Gründen ausgeschlossen sei. Ob die bloße Erkenntnis, beobachtet zu werden, für die beobachteten Personen einen für das Staatswohl relevanten Informationswert habe, hänge ebenfalls von unterschiedlichen Faktoren ab. Auch ermögliche nicht jede Information zum Einsatz von V-Leuten Rückschlüsse auf die Art und Weise der Beobachtung.

24

Eine das Staatswohl gefährdende Offenbarung der Arbeitsweisen der Sicherheitsbehörden sei ebenfalls nicht in jedem Fall zu befürchten. Zwar sei insoweit eine Prognose anzustellen, die - wie jede Prognose - mit Restunsicherheiten behaftet sei. Dieses Prognoserisiko rechtfertige jedoch keine abstrakte Vorrangregel zugunsten des Geheimhaltungsinteresses der Antragsgegnerin.

25

Eine Bereichsausnahme lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Quellenschutzes rechtfertigen. Der Quellenschutz könne dem Informationsrecht des Bundestages nur entgegengehalten werden, wenn die begehrte Information überhaupt dazu führen könne, dass eine bestimmte Person als Quelle enttarnt werde. Insoweit könne nicht schon die stets gegebene theoretische Möglichkeit ausreichen, dass sich Informationen mit hinreichendem Zusatzwissen auf bestimmte Personen beziehen ließen. Vielmehr müsse dies anhand eines Wahrscheinlichkeitsurteils in jedem Einzelfall ermittelt werden. Auch wenn danach im Einzelfall ein Bezug auf bestimmte Personen möglich sei, bedürfe es stets einer Abwägung zwischen dem Quellenschutz und dem Informationsinteresse des Bundestages. Im Rahmen dieser Abwägung werde der Quellenschutz in der Regel überwiegen, wenn der Sachverhalt aktuell sei und es sich bei der Quelle um eine lebende Person handele. Daneben könne eine Geheimhaltung auch zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter Dritter geboten sein, was jedoch im Einzelfall zumindest ansatzweise konkret dargelegt werden müsse. Der Schutz des sozialen Ansehens einer Quelle - worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten ohnehin nicht berufen habe - gehe dem Informationsinteresse des Bundestages ebenfalls nicht ohne einzelfallbezogene Abwägung vor. Dies gelte erst recht nach dem Tod der Quelle. Schließlich könne ein abstrakter Vorrang des Quellenschutzes auch nicht aus den gegenüber V-Leuten abgegebenen Vertraulichkeitszusagen hergeleitet werden, worauf sich die Antragsgegnerin in ihren Antworten im Übrigen ebenfalls nicht berufen habe. Das parlamentarische Auskunftsrecht stehe nicht zur Disposition der Sicherheitsbehörden.

26

b) Die Begründung, mit der die Antragsgegnerin die Beantwortung der Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verweigert habe, genüge diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich (bb)) und bei der vorzunehmenden Abwägung überwiege das parlamentarische Informationsinteresse (cc)).

27

aa) Bei der Begründung handele es sich um einen Textbaustein, dem jeder Einzelfallbezug fehle. Dies zeige sich auch daran, dass die Begründung der Antwortverweigerung mit derjenigen in Bezug auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 weitgehend wortgleich und auch die Beantwortung einer weiteren Kleinen Anfrage im Wesentlichen mit derselben Begründung verweigert worden sei. Außerdem passe die Antwort nicht zu der Frage, soweit die Antragsgegnerin hervorhebe, dass Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten geschützt werden müssten, da Lembke bereits 1981 verstorben sei. Ferner sei die Begründung unvollständig, da darin nur auf die Tätigkeit der Nachrichtendienste eingegangen worden sei, obwohl sich die Frage auf Sicherheitsbehörden und somit auch auf die Polizeibehörden bezogen habe. Eine derart formelhafte und unspezifische Begründung wäre nur dann hinzunehmen, wenn die Frage 2 a) auf Informationen gezielt hätte, die offenkundig geheimhaltungsbedürftig seien. Dies sei jedoch nicht der Fall.

28

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich. Ein solches lasse sich insbesondere nicht mit dem Staatswohl in seiner Ausprägung als Schutz der Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden begründen. Eine Gefährdung der aktuell zu dem Oktoberfestattentat geführten Ermittlungen durch eine Beantwortung der Frage 2 a) liege fern. Die Frage beziehe sich auf einen historischen Vorgang und auf einen Verstorbenen. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Enttarnung von Heinz Lembke als V-Mann aktuelle Ermittlungen gefährden könne, zumal seit langem bekannt sei, dass sich Lembke und sein Umfeld im Blickfeld der Sicherheitsbehörden befunden hätten. Eine Beantwortung der Frage nach der V-Mann- Eigenschaft von Lembke ermögliche auch keine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden. Da sich die Frage auf die V-Mann-Eigenschaft einer einzelnen Person beziehe, ergebe sich aus ihrer Beantwortung kein einzelfallübergreifender Informationswert. Dass die Sicherheitsbehörden damals wie heute V-Leute in der Neonaziszene eingesetzt hätten, sei ohnehin allgemein bekannt. Im Hinblick auf eigene Rechte von Heinz Lembke könne der allenfalls noch relevante postmortale Vertraulichkeitsschutz in Anbetracht der verstrichenen Zeit keine Bedeutung mehr haben. Jedenfalls aber könne dieser Vertraulichkeitsschutz bei der Abwägung nur geringes Gewicht haben. Konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung anderer Personen seien nicht ersichtlich.

29

cc) Selbst wenn sich aus einer Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden ergeben sollten, könne es sich dabei allenfalls um geringfügige Beeinträchtigungen handeln. Diesen stehe ein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegenüber, das bei der gebotenen Abwägung überwiege. Die Bedeutung der verfahrensgegenständlichen Frage gehe über den Einzelfall hinaus.

30

Für den Bundestag sei es von überragender Bedeutung, Einblicke in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu erhalten, um diese Tätigkeit und die Haltung der Antragsgegnerin hierzu kontrollieren zu können. Hierzu gebe es gerade in jüngerer Zeit mit Blick auf den Einsatz von V-Leuten in der rechtsextremen Szene Anlass. So werde das Versagen der Sicherheitsbehörden im Fall des so genannten Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) unter anderem auf einen überzogenen Quellenschutz bei den Nachrichtendiensten zurückgeführt. Die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 habe dazu gedient, Verdachtsmomenten nachzugehen, dass auch im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten genutzt worden seien, um den Anschlag zu verhindern und aufzuklären. Wenn sich dieser Verdacht erhärte, könne hierin möglicherweise ein über längere Zeit gleichbleibendes Muster erkannt werden. Um sich einen Einblick in die verdeckte Tätigkeit der Sicherheitsbehörden zu verschaffen und diese zu kontrollieren, müsse der Bundestag zwangsläufig von Einzelfällen ausgehen, da ein detailliertes Gesamtbild weder verfügbar sei noch hergestellt werden könne. Umso bedeutsamer sei es, dass dem Bundestag Informationen zu Einzelfällen mitgeteilt würden, die nicht zwingend geheimhaltungsbedürftig seien.

31

Zudem bestehe an der Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden gerade im Neonazimilieu ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse. Neben den Vorgängen um den NSU sei insoweit auch das Oktoberfestattentat von Bedeutung, über das in jüngerer Zeit verstärkt berichtet worden sei.

32

Schließlich seien Informationen über mögliche Verbindungen von V-Leuten zu dem Oktoberfestattentat auch für die gesetzgeberische Funktion des Bundestages von Bedeutung. Die Frage der gesetzlichen Regulierung des Einsatzes von V-Leuten sei hochaktuell und umstritten. Insoweit sei es erforderlich, dass Informationen über die Praxis des Einsatzes von V-Leuten und eventuelle Missstände oder Fehleinschätzungen in der Vergangenheit verfügbar seien.

33

Die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke stehe im Kontext mit einer Vielzahl von weiteren Auskunftsbegehren der Antragstellerinnen, mit denen diese versuchten, Anhaltspunkten für Verbindungen deutscher Sicherheitsbehörden zu Personen und Gruppierungen aus dem Neonazimilieu nachzugehen, von denen schwerwiegende Gewalttaten ausgegangen seien. Sollte Lembke tatsächlich als V-Mann tätig gewesen sein und sollten sich Verbindungen zum Oktoberfestattentat erhärten lassen, würde dies massive Fragen nach dem Sinn und den Modalitäten des Einsatzes von V-Leuten im Neonazimilieu aufwerfen, deren potentielle politische Bedeutung für die parlamentarische Kontrolle und für gesetzgeberische Maßnahmen sich kaum überschätzen lasse.

34

c) Auch hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei die Antwort der Antragsgegnerin zu pauschal (aa)), ein Geheimhaltungsinteresse sei nicht ersichtlich (bb)), jedenfalls habe eine vollständige Verweigerung der Beantwortung der Fragen nicht erfolgen dürfen (cc)).

35

aa) Die Verweigerung vollständiger Antworten auf die umstrittenen Fragen der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 sei unzureichend begründet worden. Die Antragsgegnerin habe denselben formelhaften Textbaustein wie in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwendet.

36

bb) Ein Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin sei weder hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 zu Quellenmeldungen zum Attentat und der Wehrsportgruppe Hoffmann noch bezüglich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann ersichtlich. Dass die Antragsgegnerin eine Aufschlüsselung der Quellenmeldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden in ihrer Antwort auf die Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 verweigert habe, lasse sich weder durch Belange des Staatswohls noch durch Grundrechte rechtfertigen.

37

Eine Gefährdung der aktuellen Aufklärungstätigkeit der Nachrichtendienste sei insoweit nicht ersichtlich, da bekannt sei, dass diese im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat und im Umfeld der Wehrsportgruppe Hoffmann ermittelt und dabei auf menschliche Quellen zurückgegriffen hätten. Dies ergebe sich auch aus der Antwort der Antragsgegnerin. Hinreichend spezifische Rückschlüsse allgemeiner Art auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ließen sich aus der begehrten Aufschlüsselung nicht ziehen. Dass Nachrichtendienste befugt seien, V-Leute einzusetzen, und von dieser Befugnis gerade auch in der rechtsextremistischen Szene Gebrauch machten, sei allgemein bekannt. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Nachteile sich für die Nachrichtendienste aus der Mitteilung der Aufschlüsselung ergeben könnten. Hieraus könnten keine Schlüsse zu anderen Vorgängen und erst recht nicht zu der heutigen Aufklärungstätigkeit gezogen werden.

38

Es sei auch nicht ersichtlich, dass die begehrte Aufschlüsselung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder Leib und Leben von Menschen gefährden könne, da es an einem Bezug zu bestimmten Personen fehle. Die bloße Behauptung, aus irgendwelchen Informationen, die einen Bezug zum Einsatz von V-Leuten aufwiesen, könne auf die Identität einzelner V-Leute geschlossen werden, reiche nicht aus. Diese Behauptung müsse vielmehr durch eine Enttarnungsprognose fundiert werden, um verfassungsrechtlich tragfähig zu sein. Zwar könnten unter Hinzuziehung von Zusatzwissen gegebenenfalls gewisse Rückschlüsse in personeller Hinsicht möglich sein. Angesichts des erheblichen Umfangs der Ermittlungen zum Oktoberfestattentat und der großen Zahl von Angehörigen und Unterstützern der Wehrsportgruppe Hoffmann liege es aber fern, dass sich positiv ein Bezug zu bestimmten Personen herstellen lasse. Aus den begehrten Antworten wäre nicht einmal ersichtlich, in welchem Verhältnis die Quellen zu der rechtsextremen Szene beziehungsweise der Wehrsportgruppe Hoffmann stünden. Dass konkretere Angaben zu Quellenmeldungen unbedenklich seien, zeige zudem die Antwort auf Frage 18, wonach dem Bundesnachrichtendienst zum Oktoberfestattentat eine Quellenmeldung aus dem Jahr 1981 vorliege.

39

Hinsichtlich der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann (Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31) liege es ebenfalls nahe, dass kein Geheimhaltungsinteresse bestehe. Eine Gefährdung aktueller Ermittlungen sei nicht ersichtlich. Zwar liege es nahe, dass einzelne Personen aus dem Kreis der Wehrsportgruppe auch heute noch von den Nachrichtendiensten beobachtet würden. Aus den begehrten Angaben ließen sich jedoch keine Schlüsse ziehen, die diese Beobachtung beeinträchtigen könnten. Nach über 30 Jahren könne aus der damaligen Zahl der V-Leute kaum etwas zu ihrer heutigen Zahl hergeleitet werden.

40

Allgemeine Rückschlüsse auf die Arbeitsweise von Nachrichtendiensten ließen sich aus den begehrten Informationen zu V-Leuten ebenfalls nicht ziehen. Aus ihnen lasse sich lediglich ableiten, wie weitgehend die Wehrsportgruppe Hoffmann mit V-Leuten infiltriert gewesen sei, nicht aber, wie die Kooperation abgelaufen sei und welchen Nutzen sie erbracht habe. Erkenntnisse über den heutigen Einsatz von V-Leuten im Neonazimilieu ergäben sich hieraus nicht. Zudem könne man nicht von der Infiltration einer Gruppierung auf die einer anderen schließen. Außerdem sei der erhebliche Zeitablauf zu berücksichtigen.

41

Eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung liege fern, da von der abgefragten Gesamtzahl von V-Leuten nicht auf einzelne Personen geschlossen werden könne. Angesichts des erheblichen Zeitablaufs könne auch nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das für eine denkbare Individualisierung erforderliche Zusatzwissen in den betroffenen Kreisen vorhanden oder beschaffbar sei. Sollte gleichwohl ein Identifizierungsrisiko zu bejahen sein, hätte die Antragsgegnerin die Antworten aufspalten, die Gesamtzahl der V-Leute veröffentlichen und die weiteren begehrten Informationen unter Einstufung herausgeben können.

42

cc) Selbst wenn man unterstelle, dass die verfahrensgegenständlichen Fragen ein Geheimhaltungsinteresse berührten, hätte die Antragsgegnerin die begehrten Informationen zumindest nicht vollständig verweigern dürfen. Insofern gelte nichts anderes als für Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Informationen darüber, in welchem Ausmaß die Nachrichtendienste neonazistische Gruppierungen im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat infiltriert hätten, seien besonders bedeutsam, damit der Bundestag etwaige Defizite abschätzen und den Einsatz von V-Leuten gegebenenfalls neu regulieren könne. Vor diesem Hintergrund sei ein geringfügiges Risiko für das Staatswohl hinzunehmen. Dieses allenfalls sehr geringe Risiko für damalige V-Leute hätte durch eine Einstufung als Verschlusssache abgeschirmt werden können.

43

d) Wo dies erforderlich sei, könne zwischen dem Informationsinteresse des Bundestages und einem gegenläufigen Geheimhaltungsinteresse praktische Konkordanz hergestellt werden, indem die begehrten Informationen als Verschlusssache zur Verfügung gestellt würden. Die Antragsgegnerin könne sich grundsätzlich nicht auf das Staatswohl berufen, um Informationen zurückzuhalten, wenn der Bundestag hinreichende Vorkehrungen dagegen treffe, dass diese Informationen bekannt würden. Gleiches gelte, wenn eine Geheimhaltung von Informationen zum Schutz von Grundrechten geboten sei. Antworten auf parlamentarische Anfragen zu der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden müssten somit in der Regel zumindest als Verschlusssache zur Verfügung gestellt werden.

44

Es sei davon auszugehen, dass Informationen, die nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingestuft worden seien, auch tatsächlich geheim blieben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall sei, habe die Antragsgegnerin nicht vorgebracht. Eine pauschale Befürchtung der Antragsgegnerin, im Bundestag könnten Sicherheitslücken bestehen, genüge nicht. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle eine Einstufung nach der Geheimschutzordnung als Mittel zur Auflösung des Interessenkonflikts zwischen dem parlamentarischen Informationsinteresse und dem exekutiven Geheimhaltungsinteresse verworfen, da die Anwendung der Geheimschutzordnung mit der Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments konfligiere. Für diesen Bereich habe das Bundesverfassungsgericht jedoch eine abstrakt-generelle Regel zur Reichweite des parlamentarischen Informationsrechts aufgestellt, weshalb die Öffentlichkeit bei Anwendung der Geheimschutzordnung systematisch und nicht nur im Einzelfall ausgeschlossen würde. Für den Bereich der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden bleibe der parlamentarische Geheimschutz hingegen ein taugliches Instrument zum Ausgleich des Interessenkonflikts, da hier eine Einzelfallabwägung vorzunehmen sei und im Einzelfall eine Einstufung als Verschlusssache dem Informationsinteresse des Bundestages besser Rechnung trage als die vollständige Verweigerung einer Antwort.

IV.

45

Nach Auffassung der Antragsgegnerin haben die Anträge keine Aussicht auf Erfolg.

46

1. Sie habe die Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 zu Recht aus Gründen des Staatswohls (a)) und des Grundrechtsschutzes (b)) verweigert, ohne dass insoweit eine Einzelfallabwägung vorgenommen werden müsse. Die Möglichkeit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages ändere hieran nichts (c)). Selbst wenn man von der Notwendigkeit einer Einzelfallabwägung ausgehe, müsse das Auskunftsinteresse im konkreten Fall hinter dem Geheimhaltungsinteresse zurückstehen (d)). Außerdem müsse sie keine Auskünfte zu V-Leuten der Länder erteilen (e)). Schließlich sei die Verweigerung der Beantwortung der Frage 2 a) auch in ausreichender Weise begründet worden (f)).

47

a) Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass gegenüber V-Leuten abgegebene Vertraulichkeitszusagen aus Gründen des Staatswohls stets eingehalten werden müssten. Das Bundesverfassungsgericht habe wiederholt betont, dass die Strafverfolgungsorgane auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen seien, um ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten gerecht werden zu können. Dies gelte in derselben Weise für die Nachrichtendienste und Polizeibehörden bei der Aufklärung verfassungsfeindlicher Bestrebungen und der sonstigen Gefahrenabwehr. Der Einsatz von V-Leuten gehöre zu den wichtigsten Mitteln verdeckter Informationsgewinnung. Er sei von herausragender Bedeutung, da verfassungsfeindliche Organisationen oftmals konspirativ agierten.

48

Die Geheimhaltung der Identität von V-Leuten sei mit Blick auf die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden unabdingbar. Zwar vertrete die Antragsgegnerin nicht die Auffassung, dass es bei parlamentarischen Anfragen eine Bereichsausnahme für sämtliche Informationen mit Bezug zu V-Leuten gebe; es bestehe jedoch eine generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit für Informationen, die alleine oder in Zusammenschau mit anderen Informationen zur Offenbarung der Identität von V-Personen führen könnten. Dies ergebe sich aus einer Abwägung des parlamentarischen Informationsinteresses mit den der Offenbarung derartiger Daten und Informationen entgegenstehenden Geheimhaltungsinteressen. Das gelte nicht nur für die Zeit während des Einsatzes, sondern auch nach dessen Beendigung. Dabei diene die Geheimhaltung der Identität zum einen dem Schutz der V-Leute selbst, zum anderen aber auch dem Schutz der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden. So schließe die Offenbarung der Identität einer V-Person deren weiteren Einsatz aus. Der damit verbundene Verlust des Zugangs zu Informationen könne irreversibel sein, da sich V-Leute nicht beliebig gewinnen oder ersetzen ließen. Mit der Enttarnung einer V-Person würden darüber hinaus den beobachteten Personen sowohl der Umstand als auch die Art und Weise ihrer Beobachtung bekannt, was die weitere Aufklärung erschwere. Des Weiteren könnten bei Bekanntwerden der Identität einer V-Person Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Behörden, insbesondere die Art und Weise der Werbung, der Quellenführung und der Zusammenarbeit, gezogen werden. Hierdurch könnten Zielpersonen in die Lage versetzt werden, Abwehrstrategien gegen die Gewinnung von V-Leuten zu entwickeln. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Mitarbeiter von Behörden enttarnt und gefährdet würden.

49

Die Tätigkeit der Nachrichtendienste zeichne sich dadurch aus, dass sie in weiten Teilen geheimhaltungsbedürftig sei. Daher müssten Einzelheiten zu Arbeitsweisen, Strategien, Methoden und Erkenntnisstand der Nachrichtendienste, deren Offenlegung ihre Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung gefährde, nicht mitgeteilt werden. Gleiches gelte für Polizeibehörden, soweit diese zum Einsatz verdeckter Maßnahmen befugt seien. Eine Beantwortung der Frage 2 a) würde aber Einzelheiten des Quellen- und Erkenntnisstandes offenbaren. Die Antragstellerinnen verkennten, dass es sich bei dem Schutz der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste und Polizeibehörden im Interesse des Gemeinwohls um einen Belang höchsten Ranges handele. Vor diesem Hintergrund gingen sie unzutreffend davon aus, dass insoweit gewisse Beeinträchtigungen und Gefährdungen hinzunehmen seien. Die Antragsgegnerin müsse jedoch auch nicht-signifikante Nachteile für die Arbeit der Sicherheitsbehörden verhindern und könne von den Antragstellerinnen nicht durch parlamentarische Anfragen gezwungen werden, derartige Folgen herbeizuführen.

50

Es treffe nicht zu, dass die amtliche Bestätigung von Überwachungsmaßnahmen keinen zusätzlichen Informationswert habe, wenn über diese Maßnahmen schon in anderen Publikationen berichtet worden sei. Das Staatswohl sei nicht erst dann gefährdet, wenn verfassungsfeindlichen Organisationen durch eine Auskunft der Antragsgegnerin ermöglicht werde, neue Vermeidungsstrategien zu ergreifen, sondern schon dann, wenn diese zu der generellen Erkenntnis gelangten, sich vorsehen zu müssen. Allein die Beendigung einer bestimmten Aufklärungstätigkeit führe nicht stets dazu, dass auch die Geheimhaltungsbedürftigkeit entfalle, da das Aufklärungsinteresse fortbestehen könne. Ob bei abgeschlossenen Sachverhalten etwas anderes gelte, sei unerheblich, da ein solcher hier nicht vorliege. Unabhängig davon dürfe nicht vorschnell von einem abgeschlossenen Sachverhalt ausgegangen werden, da selbst lange zurückliegende Vorgänge wieder unmittelbare Aktualität erlangen könnten. Auch sei zu bedenken, dass zwar möglicherweise eine Organisation ihr Ende gefunden habe, die an ihr beteiligten Personen aber gegebenenfalls ihre verfassungsfeindlichen oder sicherheitsgefährdenden Aktivitäten in anderer Form fortsetzten.

51

Durch die von einer Behörde abgegebene Vertraulichkeitszusage werde die Identität einer V-Person grundsätzlich dauerhaft geschützt. Eine derartige Zusage sei notwendig, weil V-Leuten im Falle ihrer Enttarnung Repressionen bis hin zu Gefahren für Leib und Leben drohten. Vor diesem Hintergrund bestehe eine Schutz- und Fürsorgepflicht des Staates. Die drohenden Gefahren dürften nicht unter Verweis auf staatliche Schutzprogramme heruntergespielt werden, da derartige Maßnahmen sehr aufwendig und für die Betroffenen mit äußerst gravierenden Belastungen verbunden seien.

52

Die Einhaltung abgegebener Vertraulichkeitszusagen sei für die Zusammenarbeit mit aktiven V-Leuten und die Gewinnung künftiger V-Leute unabdingbar. Würden Vertraulichkeitszusagen nicht eingehalten, könne dies die künftige Gewinnung von V-Leuten erschweren oder unmöglich machen. Werde die Identität einer V-Person bekannt, verunsichere dies andere Betroffene und schwäche das Vertrauen in die Wirksamkeit und Geltung von Vertraulichkeitszusagen. In der Vergangenheit hätten Enttarnungen dazu geführt, dass die Anwerbung in der rechtsextremistischen Szene mit zunehmenden Schwierigkeiten verbunden sei.

53

Das Geheimhaltungsbedürfnis sei auch nicht deshalb entfallen, weil Heinz Lembke bereits vor längerer Zeit verstorben sei. Vertraulichkeitszusagen seien grundsätzlich nicht auf die Lebenszeit der Betroffenen beschränkt, denn es könnten auch Angehörige in Gefahr geraten. Die Vorstellung von "Sippenhaft" sei in bestimmten Organisationen, Kreisen und Gesellschaften durchaus verbreitet. Außerdem sei es ein berechtigtes Anliegen von V-Leuten, dass ihr soziales Ansehen auch über den Tod hinaus geschützt werde. Diese wollten mit Rücksicht auf das eigene Andenken sowie auf ihre Angehörigen auch nach ihrem Tod nicht als "Spitzel" oder "Verräter" diffamiert und herabgesetzt werden. Dem stehe nicht entgegen, dass der postmortale Persönlichkeitsschutz schwächer ausgeprägt sei als das allgemeine Persönlichkeitsrecht, da es im Kontext von Vertraulichkeitszusagen nicht um allgemeine grundrechtliche Abwehr- und Schutzansprüche, sondern um die Einhaltung staatlicher Zusagen gehe, die ein besonderes Vertrauens- und Fürsorgeverhältnis begründeten.

54

Werde die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person bejaht, könne dies zudem zur Folge haben, dass auf Seiten der betroffenen Organisation eine Suche nach weiteren "Verrätern" ausgelöst werde. Werde die Frage hingegen verneint, könnten die betroffenen Kreise möglicherweise folgern, dass eine andere Person eine V-Person gewesen sein müsse, wodurch diese in Gefahr gerate. Vor diesem Hintergrund müssten vor der Beantwortung einer entsprechenden Frage umfangreiche Ermittlungen zu allen im Zusammenhang stehenden Personen und Personenzusammenschlüssen durchgeführt werden. Zum einen verursache dies einen unzumutbaren Aufwand, der über die Auskunftspflicht hinausgehe. Zum anderen könnten mit den erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen erhebliche Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen verbunden sein.

55

Dass der verfahrensgegenständliche Sachverhalt lange zurückliege, führe ebenfalls nicht dazu, dass das Geheimhaltungsbedürfnis entfalle. Mit Blick auf die Identität von V-Leuten nehme das Geheimhaltungsinteresse mit der Zeit nicht ab. Nähme man dagegen an, dass die Frage nach der V-Person-Eigenschaft beantwortet werden müsse, wenn der V-Person-Einsatz bereits längere Zeit zurückliege, könnte in Fällen einer Antwortverweigerung der Umkehrschluss gezogen werden, dass die betreffende Person vor nicht langer Zeit als V-Person tätig gewesen oder es womöglich noch immer sei.

56

Abgesehen davon beziehe sich die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht auf einen historischen Vorgang, bei dem das Geheimhaltungsinteresse gemindert oder entfallen sein könnte. Die Anfrage beruhe nicht auf einem historischen Interesse, sondern stehe im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Ermittlungen zu dem Oktoberfestattentat durch den Generalbundesanwalt. Diese Ermittlungen könnten durch die Beantwortung der Frage, ob Lembke V-Mann gewesen sei, gefährdet werden. Von den ehemaligen Angehörigen und Unterstützern der in den Blick zu nehmenden Organisationen und Gruppierungen würden diese Ermittlungen mit großem Interesse verfolgt. Karl-Heinz Hoffmann, der im Jahr 2011 ein Buch mit dem Titel "Die Oktoberfestlegende" veröffentlicht habe, befasse sich auf seiner Homepage regelmäßig und ausführlich mit dem Attentat und äußere sich dort unter anderem auch zu Lembke. Eine Antwort auf die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, ermögliche etwaigen Tatbeteiligten Rückschlüsse darauf, welche Umstände den Ermittlungsbehörden bekannt sein könnten. Dies erleichtere ihnen, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren.

57

Schließlich bestehe die Notwendigkeit, die Antwort auf Frage 2 a) zu verweigern, unabhängig davon, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei. Zum einen könne die Pflicht zur Beantwortung nicht davon abhängen, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, da anderenfalls in künftigen Fällen bei einer Verweigerung der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer Person die zutreffende Antwort durch einen Umkehrschluss ermittelt werden könne. Zum anderen könnten auch bei einer Verneinung der Frage möglicherweise Rückschlüsse im konkreten Fall gezogen werden, die bis hin zu einer Enttarnung etwaiger tatsächlicher V-Leute reichen könnten. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die betroffenen Personen und Gruppierungen über internes Wissen verfügten, das sie womöglich in die Lage versetze, im Falle des Ausschlusses einer Person auf die V-Person-Eigenschaft einer anderen Person zu schließen. Es sei nicht auszuschließen, dass in Zukunft weitere Informationen öffentlich würden, die in Verbindung mit der Beantwortung der aktuellen Frage Rückschlüsse auf die Identität von V-Leuten ermöglichten.

58

b) Die Beantwortung der Frage 2 a) sei darüber hinaus aus grundsätzlichen Erwägungen des Grundrechtsschutzes zu verweigern. Unter grundrechtlichen Aspekten betreffe die Wahrung von Vertraulichkeitszusagen nicht allein die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates für Leben, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit. Auch eine Betrachtung unter den Gesichtspunkten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einschließlich des postmortalen Persönlichkeitsschutzes greife zu kurz. Denn der Staat übernehme gegenüber den V-Leuten darüber hinausgehende besondere Verpflichtungen. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, dass Lembke bereits verstorben sei, da dem grundrechtlich geschützten Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen auch über den Tod hinaus Rechnung zu tragen sei.

59

c) Dem Geheimhaltungsbedürfnis könne überdies nicht mit einer Einstufung der Antwort nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages Rechnung getragen werden. In Bezug auf die Identität von V-Personen und anderen schutzwürdigen Quellen der Nachrichtendienste und Polizeibehörden bestehe eine generelle Geheimhaltungsnotwendigkeit.

60

Zwar sei die Geheimschutzordnung des Bundestages grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass das Staatswohl nicht allein der Bundesregierung, sondern auch dem Bundestag anvertraut sei. Gleichwohl gebe es Informationen aus dem Bereich der Nachrichtendienste, die ungeachtet der Geheimschutzordnung des Bundestages diesem gegenüber nicht offenbart werden könnten.

61

Die Effektivität des Geheimschutzes hänge nicht allein von der normativen Ausgestaltung ab, sondern auch von der faktischen Wirksamkeit. Je größer der Kreis der Geheimnisträger sei, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit einer absichtlichen oder unabsichtlichen Weitergabe der Informationen. Der Gedanke, dem Geheimschutz durch eine Beschränkung der Zahl der Geheimnisträger effektiv Rechnung zu tragen, sei für den Bereich der nachrichtendienstlichen Informationen sowohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch in der Gesetzgebung angelegt. So habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die nachrichtendienstliche Tätigkeit von dem aus einer geringen Zahl von Abgeordneten bestehenden Parlamentarischen Kontrollgremium überwacht werde. Ebenso habe das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass die Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste des Bundes nicht im Plenum, sondern gemäß § 10a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) in einem Vertrauensgremium behandelt würden. Der (verfassungsändernde) Gesetzgeber habe bei der Regelung von Art. 45d GG sowie bei der Verabschiedung des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) betont, dass die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit besonderer Geheimhaltung bedürfe. Aus § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG ergebe sich zudem, dass es Informationen gebe, die derart sensibel seien, dass sie selbst dem Parlamentarischen Kontrollgremium nicht zu offenbaren seien. Danach könne eine Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums unter anderem aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangsverweigert werden, worunter auch der Schutz von Quellen gefasst werde. Es gebe Kategorien von Geheimnissen, die sich aufgrund ihrer besonderen Natur bereits bei abstrakter Abwägung als generell geheimhaltungsbedürftig darstellten. Da hier bereits die fallgruppenbildenden Kriterien die Entscheidung determinierten, bedürfe es keiner Abwägung im Einzelfall. Eine solche generelle Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehe in Bezug auf die Identität von V-Personen und andere schutzwürdige nachrichtendienstliche Quellen.

62

Vor diesem Hintergrund garantiere die Geheimschutzordnung des Bundestages im vorliegenden Fall keinen ausreichenden Geheimschutz. Bei der Identität von V-Leuten handele es sich um derart sensible Informationen, dass die Gefahr des Bekanntwerdens soweit wie möglich reduziert werden müsse. Der hiernach erforderliche ganz besondere Geheimschutz sei auch bei einer Einstufung der Antwort als "geheim" nicht gewährleistet, da die Antwort gleichwohl allen Mitgliedern des Bundestages zugänglich gemacht werde. Zudem machten die Antragstellerinnen geltend, dass sie die Antwort benötigten, um eine gesetzliche Regelung des Einsatzes von V-Leuten im Parlament und in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Sie zielten somit letztlich auf die Herstellung von Öffentlichkeit ab.

63

d) Die Antragsgegnerin vertrete zwar die Auffassung, dass die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft einer bestimmten Person schon aufgrund einer abstrakten Abwägung generell nicht beantwortet werden müsse. Doch selbst wenn man eine Einzelfallabwägung für erforderlich halte, sei die Verweigerung der Antwort auf die Frage nach der V-Mann-Eigenschaft von Lembke rechtmäßig, da das Geheimhaltungsinteresse das Auskunftsinteresse auch im konkreten Fall überwiege.

64

Hinsichtlich der Beantwortung der Frage 2 a) sei kein gewichtiges parlamentarisches Informationsinteresse gegeben. Die diesbezüglichen Überlegungen der Antragstellerinnen blieben abstrakt. Sie könnten nicht begründen, weshalb die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, für die parlamentarische Kontrolle oder die Gesetzgebungstätigkeit von besonderer Bedeutung sein solle. Die Auffassung, wonach der Bundestag zur Kontrolle der Sicherheitsbehörden Einblicke in einzelne, konkrete Aufklärungsmaßnahmen einschließlich der Identität einzelner V-Personen erhalten müsse, überzeuge nicht und laufe auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Staatswohls hinaus. Dass die Frage, ob Lembke ein V-Mann gewesen sei, Bedeutung für die Gesetzgebungstätigkeit habe, sei nicht ersichtlich. Die Antragstellerinnen legten nicht dar, weshalb sie meinten, dass gerade diese Information für die heutige Bewertung des Einsatzes von V-Leuten relevant sei. Ihr Vortrag sei im Übrigen widersprüchlich, weil sie an anderer Stelle äußerten, dass eine Gefahr für das Staatswohl nicht zu besorgen sei, da eine Beantwortung der Frage keine Schlüsse auf die heutige Ermittlungspraxis der Sicherheitsbehörden zulasse.

65

Demgegenüber werde der Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel durch gezielte Identifikationsfragen unterminiert. Auch wenn das Parlament nicht unmittelbar an von der Exekutive abgegebene Vertraulichkeitszusagen gebunden sei, folge hieraus nicht, dass es einen Auskunftsanspruch habe, der unter Verletzung dieser Zusagen zu erfüllen sei. Insoweit sei auch die Rechtsprechung zur Bedeutung von Vertraulichkeitszusagen im Strafverfahren zu berücksichtigen, wonach Auskünfte zu V-Leuten in entsprechender Anwendung von § 96 StPO verweigert werden könnten. Wenn der Weg in die Einzelfallabwägung einmal eröffnet sei, sei aus Sicht der Betroffenen kein Verlass mehr auf Vertraulichkeitszusagen. Dadurch würden die Fortführung und die Gewinnung von V-Leuten als nachrichtendienstliche Quelle zum Nachteil des Staatswohls erheblich beeinträchtigt.

66

e) Soweit sich die Frage 2 a) auf eine V-Mann-Tätigkeit Lembkes für Sicherheitsbehörden der Länder beziehe, müsse die Antwort auch deshalb verweigert werden, weil die Antragsgegnerin nicht beurteilen könne, welche Konsequenzen die Antwort für die Arbeit der betreffenden Landesbehörde hätte. Da sich die Antwortpflicht der Antragsgegnerin nur auf vorhandene Kenntnisse beziehe, sei sie nicht verpflichtet, Untersuchungen dazu zu veranlassen, welche Folgen eine Beantwortung der Frage für die Länder hätte.

67

f) Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen habe die Antragsgegnerin die Verweigerung der Antwort auch ausreichend begründet. Sie habe dargelegt, dass und weshalb es nicht möglich sei, Fragen nach der Identität von V-Leuten zu beantworten. In gewisser Weise müsse jede Auskunftsverweigerung abstrakt bleiben, da nicht verlangt werden könne, dass die Begründung so konkret sei, dass Rückschlüsse auf die verweigerte Antwort gezogen werden könnten. Auch der Einwand, dass Antworten auf andere Anfragen wortgleich seien, greife nicht durch. Wenn Fragen einen ähnlichen Inhalt hätten und die Beantwortung aus denselben Gründen abzulehnen sei, sei es nicht zu beanstanden, dass sich auch die Begründungen entsprächen.

68

Mit der Rüge, dass die Antragsgegnerin sich in ihrer Antwort nur auf Nachrichtendienste bezogen habe, obwohl nach "Sicherheitsbehörden" und damit - nach Auffassung der Antragstellerinnen - auch nach Polizeibehörden gefragt worden sei, könnten die Antragstellerinnen ebenfalls nicht gehört werden. Die Antragsgegnerin habe unter dem nicht klar definierten Begriff "Sicherheitsbehörden" allein Nachrichtendienste verstanden und verstehen dürfen. Dieses Verständnis ergebe sich aus dem systematischen Zusammenhang, da sich auch die Frage 2 b) nur auf "Geheimdienste" bezogen habe, und werde dadurch untermauert, dass die Antragstellerin zu 1. die Antwort der Antragsgegnerin in dem Schreiben vom 3. März 2015 insoweit nicht beanstandet habe.

69

2. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 21. Januar 2015 habe die Antragsgegnerin zum Schutz des Staatswohls und der Grundrechte bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 die Zahl der Quellenmeldungen zu Recht zusammengefasst. Die Beantwortung der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 sei aus diesen Gründen vollständig abzulehnen gewesen.

70

a) Die auf die Tätigkeit von V-Leuten bezogenen Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 müssten aus Gründen des Staatswohls und zum Schutze der Grundrechte etwaiger V-Leute unbeantwortet bleiben. Aus Gründen des Staatswohls sei es - wie bereits mit Blick auf die Kleine Anfrage vom 8. Oktober 2014 ausgeführt - zum einen ausgeschlossen, die Identität von V-Leuten zu offenbaren. Darüber hinaus seien aber auch solche Angaben geheimhaltungsbedürftig, die - und sei es auch nur im Zusammenhang mit anderen Informationen - Rückschlüsse auf diese Personen erlaubten.

71

Insoweit sei zu berücksichtigen, dass gerade bei kleinen und konspirativ operierenden Gruppierungen schon geringe Anhaltspunkte ausreichen könnten, um bestimmte Personen als V-Leute zu identifizieren. Bei der Wehrsportgruppe Hoff-mann habe es sich um eine konspirativ agierende, straff hierarchisch organisierte paramilitärische Vereinigung gehandelt, so dass womöglich auch unverfänglich erscheinende Informationen eingeweihten Personen die Identifizierung etwaiger V-Leute ermöglichen könnten. Zwar treffe es zu, dass lediglich nach Gesamtzahlen gefragt worden sei. Ob von einer aggregierten Zahl gesprochen werden könne, hänge allerdings vom Inhalt der Antwort ab. Die Ausführungen der Antragstellerinnen zu der Wahrscheinlichkeit, dass die begehrten Informationen für die betroffenen Kreise einen Erkenntniswert haben könnten, beruhten auf Spekulationen und Mutmaßungen, die der Problematik nicht gerecht würden. Es liege in der Natur der Sache, dass keine exakte Aussage darüber getroffen werden könne, welche Konsequenzen die Offenbarung der begehrten Informationen habe.

72

Hinzu komme, dass Leib und Leben etwaiger V-Leute geschützt werden müssten. Im vorliegenden Fall sei ein gewaltbereites rechtsextremistisches Umfeld gegeben, so dass die Aufdeckung der Identität zu einer Gefährdung dieser grundrechtlich geschützten, hochrangigen Güter führen könne. Angesichts der Hochrangigkeit dieser Güter könne kein noch so geringes Risiko hingenommen werden. Das Staatswohlinteresse, den Einsatz von V-Leuten als Aufklärungsmittel funktionsfähig zu erhalten, sei derart bedeutsam, dass auch geringfügige Risiken nicht tolerierbar seien. Aus den bereits im Zusammenhang mit der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 genannten Gründen entfalle das Geheimhaltungsbedürfnis nicht, weil der Sachverhalt lange zurückliege. Mit Blick auf das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts dürfe etwaigen Beteiligten nicht ermöglicht werden, Absprachen zu treffen und sonstige Verschleierungsmaßnahmen vorzunehmen.

73

Eine Einstufung der Antworten als Verschlusssache reiche aus den genannten Gründen nicht aus, um die Gefahr eines Bekanntwerdens verlässlich auszuschließen und dem Geheimhaltungsbedürfnis Rechnung zu tragen.

74

b) Die Antragsgegnerin habe die Fragen 14 bis 16 und die Fragen 19 bis 21 jeweils zusammenfassend beantwortet und mitgeteilt, dass dem Bundesamt für Verfassungsschutz fünf Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat aus der Zeit von 1980 bis 1985 sowie 197 Quellenmeldungen zu der Wehrsportgruppe Hoffmann aus der Zeit von 1974 bis 1985 vorlägen. Eine nähere Aufschlüsselung nach Herkunft und Jahren müsse unterbleiben. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Zahl der Quellenmeldungen insgesamt sehr niedrig sei. Eine weitere Aufgliederung hätte die Mitteilung punktgenauer Informationen zur Folge. Unter Nutzung von Zusatzwissen sei es dann möglich, Bezüge zu bestimmten Personen herzustellen. Die Wehrsportgruppe Hoffmann habe zuletzt aus etwa 400 Mitgliedern bestanden, sei jedoch in mehrere Ortsgruppen untergliedert gewesen. Nach dem Verbot der Wehrsportgruppe Hoffmann zum Anfang des Jahres 1980 bis Mitte 1981 habe sich Karl-Heinz Hoffmann mit etwa 20 weiteren Personen im Libanon aufgehalten und dort die "Wehrsportgruppe Ausland" gegründet. Gerade in der Zeit vor und nach dem Oktoberfestattentat sei der Personenkreis somit sehr überschaubar gewesen.

75

c) Schließlich habe die Antragsgegnerin die Gründe für die unterbliebene oder lediglich teilweise Beantwortung auch ausreichend dargelegt.

V.

76

Die Antragstellerinnen und die Antragsgegnerin haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

B.

77

Die Anträge sind gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG zulässig.

I.

78

1. Die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sind als Fraktionen nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG in Organstreitigkeiten parteifähig und berechtigt, sowohl eigene Rechte als auch Rechte des Deutschen Bundestages im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen (vgl. BVerfGE 2, 143 <165>; 67, 100 <125>; 131, 152 <190>; 139, 194 <220 Rn. 96>; stRspr). Die Bundesregierung ist nach § 63 BVerfGG taugliche Antragsgegnerin.

79

2. Die Anträge beziehen sich auf zulässige Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine rechtserhebliche Maßnahme als auch ein rechtserhebliches Unterlassen sein (vgl. BVerfGE 103, 81 <86>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <220 f. Rn. 98>; stRspr). Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer vollständigen Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht vollständigen Beantwortung handelt. Die teilweise Antwortverweigerung, die Nichtbeantwortung oder die nicht hinreichende Beantwortung der Kleinen Anfragen können die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag in ihrem aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Auskunftsrecht verletzen. Damit sind die Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; 103, 81 <86>; 104, 310 <324>; 137, 185 <223 Rn. 105>; 139, 194 <221 Rn. 98>).

II.

80

1. Die Antragstellerinnen sind antragsbefugt. Ein die Antragstellerinnen und den Deutschen Bundestag einerseits und die Antragsgegnerin andererseits umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis liegt vor. Die Antragstellerinnen beanstanden Antworten der Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen. Der Organstreit betrifft damit die Reichweite des in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verfassungsrechtlich verankerten, in der Geschäftsordnung des Bundestages näher ausgestalteten Fragerechts sowie die grundsätzliche Verpflichtung der Bundesregierung, auf Fragen im Parlament Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 <185>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <221 Rn. 99>). Das Recht auf Information stellt sowohl ein eigenes Recht der Fraktionen dar, das der Bundesregierung gegenüber geltend gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 91, 246 <250 f.>; 100, 266 <270>; 124, 161 <187>), als auch ein Recht des Deutschen Bundestages, auf welches sich die Antragstellerinnen im Wege der Prozessstandschaft berufen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <187>; 139, 194 <221 Rn. 99>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 92, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

81

2. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte der Antragstellerinnen - soweit sie die unzureichende Beantwortung von ihnen jeweils selbst gestellter Anfragen rügen - und Rechte des Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt (vgl. dazu BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 112, 363 <365>; 137, 185 <224 Rn. 107>; 139, 194 <222 Rn. 100>). Vielmehr erscheint es möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihre Antworten den Informationsanspruch der Antragstellerinnen und des Deutschen Bundestages in unzulässiger Weise verkürzt hat. Die Antragstellerinnen haben die Möglichkeit einer solchen Verletzung hinreichend dargelegt und ausgeführt, weshalb sie das verfassungsrechtlich verankerte Informationsrecht als verletzt ansehen und dessen Grenzen, auf die sich die Antragsgegnerin beruft, für nicht einschlägig halten.

III.

82

Mit dem am 20. Mai 2015 eingegangenen Antrag wahren die Antragstellerinnen die Sechsmonatsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG. Die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 1. wurde am 24. November 2014, die Kleine Anfrage der Antragstellerin zu 2. am 9. Februar 2015 von der Antragsgegnerin beantwortet.

C.

83

Die Anträge sind teilweise begründet.

I.

84

1. Das aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abgeleitete Frage- und Informationsrecht ermöglicht es dem Bundestag und seinen Mitgliedern zum einen, sich die für ihre Tätigkeit notwendigen Informationen zu verschaffen (a)). Zum anderen dient es der Kontrollfunktion des Parlaments, die sowohl aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz (b)) als auch aus dem Demokratieprinzip folgt (c)).

85

a) Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ergibt sich ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; 137, 185 <230 f. Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; stRspr). Aus dem Frage- und Informationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der Bundesregierung daher die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit des Parlaments (vgl. BVerfGE 137, 185 <231 Rn. 129>; 139, 194 <223 Rn. 104>; jeweils m.w.N.; stRspr).

86

b) Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf eine Verteilung der politischen Macht, das Ineinandergreifender drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>; 139, 194 <223 f. Rn. 105>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereichen unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

87

c) Die Kontrollfunktion des Parlaments ist zugleich Ausfluss der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>; 139, 194 <224 Rn. 106>). Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung hergestellt (vgl. etwa BVerfGE 137, 185 <232 Rn. 131>; 139, 194 <224 f. Rn. 107>). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung (vgl. BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>; 137, 185 <232 f. Rn. 131>; 139, 194 <225 Rn. 107>).

88

Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 132>; vgl. ferner BVerfGE 130, 76 <128>).

89

2. Der Informationsanspruch der Abgeordneten, Fraktionen und des Deutschen Bundestages unterliegt gleichwohl Grenzen. Sie ergeben sich aus dem Verantwortungsbereich der Regierung (a)), dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung einschließt (b)), dem Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl) (c)) und Grundrechten Dritter (d)).

90

a) Der Informationsanspruch kann sich von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen, da es insoweit an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag fehlt (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>; 137, 185 <233 Rn. 134>; 139, 194 <225 Rn. 107>). Hinsichtlich der Tätigkeit und Erkenntnisse der Nachrichtendienste ist der Verantwortungsbereich der Bundesregierung berührt, wenn die Anfragen Tätigkeiten unmittelbar nachgeordneter Behörden betreffen oder sie sich auf den Kenntnisstand der Bundesregierung zu Aktivitäten anderer Geheimdienste beziehen. Die Bundesregierung ist insoweit nicht auf Auskünfte beschränkt, die die Koordinierungsfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz betreffen (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>). Sie kann sich auch nicht von vornherein unter Bezugnahme auf ihren Verantwortungsbereich darauf berufen, sich nicht zu der Tätigkeit der Landesverfassungsschutzbehörden äußern zu müssen. Bereits die durch § 5 Abs. 1 BVerfSchG dem Bundesamt für Verfassungsschutz eröffnete Möglichkeit, Daten der Landesverfassungsschutzbehörden zu nutzen, sowie die in § 6 BVerfSchG geregelte gegenseitige Unterrichtung der Verfassungsschutzbehörden sprechen dafür, dass der Verantwortungsbereich der Bundesregierung auch bei Fragen, die sich auf ihre Erkenntnisse über die Tätigkeit und Informationen von Verfassungsschutzbehörden der Länder beziehen, berührt sein kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <196>).

91

b) Begrenzt wird der Informationsanspruch des Bundestages, der einzelnen Abgeordneten und der Fraktionen auch durch den Grundsatz der Gewaltenteilung. In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient dieser Grundsatz zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 124, 78 <120>; 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (vgl. BVerfGE 9, 268 <279 f.>; 137, 185 <233 Rn. 135>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung (vgl. BVerfGE 137, 185 <233 Rn. 135>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 118, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

92

Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 131, 152 <210>; 137, 185 <234 Rn. 136>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 119, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214>). Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen (vgl. BVerfGE 124, 78 <120 f.>; 137, 185 <234 Rn. 136>).

93

Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Der aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung, sondern wirkt über den Zeitpunkt einer Entscheidung hinaus (BVerfGE 110, 199 <215>; 137, 185 <234 f. Rn. 137>).

94

c) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl).

95

aa) Die insoweit zu Beweiserhebungen von Untersuchungsausschüssen entwickelten Maßstäbe sind auf das Fragerecht der Abgeordneten zu übertragen (so bereits BVerfGE 124, 161 <189> zu Kleinen Anfragen und BVerfGE 137, 185 <240 Rn. 149> zu Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages und schriftlichen Fragen), weil es sich mit Blick auf das parlamentarische Informationsinteresse und das gegebenenfalls entgegenstehende Geheimhaltungsinteresse der Exekutive um vergleichbare Sachverhalte handelt. Danach bildet eine Grenze des Beweiserhebungsrechts das Staatswohl, das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 137, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Untersuchungs- sowie dem Informations- und Fragerecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls (vgl. BVerfGE 124, 78 <123>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 138, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

96

bb) Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheimzuhalten sind (BVerfGE 124, 78 <124>). Mithin kann bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 137, 185 <241 Rn. 149>).

97

(1) Der Bundestag hat in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Erfüllung seiner Aufgaben festgelegt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 77, 1 <48>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 139, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 137, 185 <240 Rn. 149>). Die Geheimschutzordnung kann damit ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse sein (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 124, 78 <124 f.>; 137, 185 <264 Rn. 199>; siehe ferner BVerfGE 130, 318 <362>; 131, 152 <208>).

98

Die Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungs- noch das Haushalts- noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 137, 185 <240 f. Rn. 149>). Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>; 137, 185 <241 Rn. 149>). Die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>; 137, 185 <241 Rn. 150>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 140, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>; 137, 185 <241 Rn. 150>).

99

(2) Die Staatspraxis kennt neben der Geheimschutzordnung als Mittel des Ausgleichs zwischen parlamentarischem Informationsinteresse und dem Geheimhaltungsinteresse das aus ausgewählten (derzeit neun) Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (vgl. Art. 45d GG, § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 PKGrG; vgl. dazu BVerfGE 130, 318 <359>). Durch die Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Bundestages auf die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums wird ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das zum Ausgleich der kollidierenden Interessen führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <262 Rn. 194>). Jedoch ist das Gremium ein zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle, das parlamentarische Informationsrechte nicht verdrängt (vgl. BVerfGE 124, 161 <190> mit Verweis auf § 1 Abs. 2 PKGrG). Die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes durch ein ständiges Gremium soll eine Lücke schließen, da weder Öffentlichkeit noch Parlament von geheimen Vorgängen entsprechende Kenntnis erlangen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <190 f.>). Die einzelnen Abgeordneten, die Fraktionen und das Plenum des Deutschen Bundestages können jedoch nicht auf Informationen zugreifen, die die Bundesregierung dem Parlamentarischen Kontrollgremium gegeben hat (vgl. BVerfGE 124, 161 <191>).

100

d) Schließlich können das Fragerecht der Abgeordneten, Fraktionen und des Bundestages sowie die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten haben (vgl. BVerfGE 67, 100 <142>; 76, 363 <387>; 124, 78 <125>; 137, 185 <243 Rn. 153>). Daher ist zwischen den betroffenen Grundrechten verdeckt handelnder Personen und dem Informationsinteresse des Parlaments ein Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz zu finden. Dabei können insbesondere das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (aa)), das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und der postmortale Persönlichkeitsschutz berührt sein (bb)). Zudem ist das Gebot des Vertrauensschutzes zu beachten (cc)) und auch insoweit zu berücksichtigen, ob das Parlament ausreichende Vorkehrungen zum Geheimnisschutz getroffen hat (dd)).

101

aa) Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nimmt im Gefüge des Grundgesetzes einen besonders hohen Rang ein (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 57, 250 <284>; 115, 118 <139>; 128, 282 <302>). Dieses Grundrecht verpflichtet den Staat dazu, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen zu schützen, das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren (vgl. BVerfGE 49, 24 <53>; 115, 320 <346>). Gefahren für dieses Rechtsgut können sich ergeben, wenn durch die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage die Identität einer V-Person preisgegeben wird oder Rückschlüsse darauf ermöglicht werden und als Folge Reaktionen der beobachteten Personen oder Organisationen zu befürchten sind (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 82; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 281; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>).

102

bb) Darüber hinaus sind Auswirkungen auf das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgende Persönlichkeitsrecht denkbar (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 83). Dieses Grundrecht gewährleistet den Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt als "unbenanntes" Freiheitsrecht die speziellen ("benannten") Freiheitsrechte, die ebenfalls konstituierende Elemente der Persönlichkeit schützen (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>; 119, 1 <24>). Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vgl. BVerfGE 79, 256 <268>). Zu den Schutzgütern zählen unter anderem die Privat- (vgl. BVerfGE 121, 69 <90>), Geheim- und Intimsphäre sowie die persönliche Ehre (vgl. BVerfGE 54, 148 <153 f.>; 114, 339 <346>; 119, 1 <24>) und das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Eine wesentliche Gewährleistung ist der Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen einer Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken (vgl. BVerfGE 119, 1 <24>). Ferner gibt es dem Einzelnen in seiner Ausformung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Befugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten (vgl. BVerfGE 130, 1 <35>) sowie darüber zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 103, 21 <33>).

103

Das Fortwirken des Persönlichkeitsrechts nach dem Tode ist zu verneinen, weil Träger dieses Grundrechts nur die lebende Person ist. Mit ihrem Tode erlischt der Schutz aus diesem Grundrecht. Jedoch schützt der aus Art. 1 Abs. 1 GG folgende allgemeine Achtungsanspruch Verstorbene vor grober Herabwürdigung und Erniedrigung (vgl. BVerfGE 30, 173 <194>). Geschützt wird auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat (vgl. BVerfGK 9, 83 <88>; 13, 115 <117>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. April 2001 - 1 BvR 932/94 -, juris, Rn. 19). Das parlamentarische Auskunftsrecht kann aufgrund seiner hohen Bedeutung durch den postmortalen Persönlichkeitsschutz jedoch allenfalls in besonderen Ausnahmekonstellationen beschränkt werden.

104

cc) Durch Vertraulichkeitszusagen wird zudem ein Vertrauenstatbestand geschaffen. Dies hat insoweit grundrechtliche Relevanz, als eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG vorliegen kann, wenn das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes nicht hinreichend berücksichtigt wird (vgl. BVerfGE 59, 128 <164>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Februar 1993 - 2 BvR 196/92 -, juris, Rn. 10). Im Verhältnis zu dem parlamentarischen Auskunftsanspruch kann der durch eine Vertraulichkeitszusage begründete Vertrauensschutz jedenfalls dann einen Gesichtspunkt darstellen, der das Informationsrecht des Parlaments einzuschränken vermag, wenn durch die Beantwortung einer Anfrage Grundrechte der V-Person gefährdet würden. Ansonsten hätten es die Vertraulichkeit garantierenden Behörden in der Hand, über den Auskunftsanspruch des Parlaments zu disponieren.

105

dd) Auch zugunsten des Schutzes der Grundrechte Privater gestattet die Bedeutung, die das Informations- und das Kontrollrecht des Parlaments gegenüber der Regierung sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates haben, in aller Regel dann keine Verkürzung des grundsätzlichen Rechts auf Beantwortung der der Regierung gestellten Fragen, wenn Parlament und Regierung Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben, die das ungestörte Zusammenwirken beider Verfassungsorgane auf diesem Gebiet gewährleisten, und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>). Eine Ausnahme hiervon gilt nur für solche Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <144>; 76, 363 <388>).

106

3. Die Bundesregierung muss eine vollständige oder teilweise Auskunftsverweigerung hinreichend begründen (a)). Ein Nachschieben von Gründen ist nicht zulässig (b)).

107

a) Aus der verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Bundesregierung muss - auch im Hinblick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Verhältnis zwischen Verfassungsorganen(vgl. BVerfGE 119, 96 <125>) - den Bundestag in die Lage versetzen, seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrzunehmen. Dies ist nur dann möglich, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessen ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <231 f. Rn. 121>). Eine Begründung der Antwortverweigerung ist daher nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>; 137, 185 <244 Rn. 156>; 139, 194 <232 Rn. 121>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 143, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Anforderungen an die Begründung dürfen allerdings nicht so weit gehen, dass mit ihr Teile der verweigerten Information offengelegt werden müssen.

108

b) Die Begründung stellt nicht nur ein Instrument kritischer Selbstkontrolle dar, sondern soll die Berechtigung zur Antwortverweigerung plausibel machen und die Prüfung ermöglichen, ob rechtliche Schritte angezeigt sind (vgl. BVerfGE 124, 78 <139>). Ist die Verschaffung vollständiger Information zunächst ohne zureichende Begründung abgelehnt worden, so vermag eine erst im Organstreitverfahren gegebene ergänzende Begründung nichts an dem darin liegenden Rechtsverstoß zu ändern (vgl. BVerfGE 124, 78 <147>). Ein Nachschieben von Gründen ist mithin nicht zulässig. Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Versagung eines Rechts durch eine mit Gründen versehene Abwägungsentscheidung. Allein diese Entscheidung unter Einschluss der ihr zugrundeliegenden Abwägung und Begründung wird zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung gestellt (vgl. auch BbgVerfG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 6/04 -, NVwZ-RR 2005, S. 299 <302 f.>; SächsVerfGH, Urteil vom 5. November 2010 - Vf. 35-I-10 -, juris, Rn. 31 f.).

II.

109

Nach diesen Maßstäben ist die Bundesregierung zwar grundsätzlich verpflichtet, dem Parlament Antworten auf Anfragen aus dem Bereich der Tätigkeit von Nachrichtendiensten zu erteilen. Angesichts der Bedeutung, die dem Einsatz verdeckter Quellen bei der Informationsbeschaffung der Nachrichtendienste zukommt (1.), kann sich die Bundesregierung zur Auskunftsverweigerung trotz des erheblichen Informationsinteresses des Parlaments in diesem Bereich (2.) aber in der Regel auf eine Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte verdeckt handelnder Personen berufen, wenn deren Identität bei der Erteilung der begehrten Auskünfte offenbart würde oder ihre Identifizierung möglich erscheint. Nur in eng begrenzten, besonders gelagerten Ausnahmekonstellationen kann, wenn die Gefährdung verfassungsrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint, das Informations- gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse überwiegen (3.).

110

1. a) Zur Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland lässt das Grundgesetz (Art. 45d, Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b, Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG) ausdrücklich die Errichtung von Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten zu. Nachrichtendienste sind Ausdruck der Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine wehrhafte Demokratie, des Selbstbehauptungswillens des Rechtsstaates und damit Bestandteil des Sicherheitssystems der Bundesrepublik Deutschland (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 126, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Bei dem Einsatz von V-Leuten durch die Nachrichtendienste, also von Privatpersonen, deren planmäßige, dauerhafte Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten oder Polizeibehörden Dritten nicht bekannt ist (vgl. die Legaldefinitionen in § 9b Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG und § 20g Abs. 2 Nr. 4 BKAG), handelt es sich um eine vom Gesetzgeber gebilligte Methode zur verdeckten Informationsbeschaffung (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG). Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder die Sicherheit und den Bestand des Staates gerichtete Bestrebungen und Aktivitäten meist von Gruppierungen ausgehen, die konspirativ tätig sind, und dass die Nachrichtendienste ihre Aufgaben daher nur effektiv erfüllen können, wenn sie über nachrichtendienstliche Mittel verfügen, wozu auch der Einsatz von V-Leuten gehört (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 21; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 262 ff.). Der Gesetzgeber hat in der Begründung des Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vom 17. November 2015 bekräftigt, dass die planmäßige und systematische Informationsbeschaffung insbesondere durch V-Leute ein unverzichtbares Mittel zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sei (vgl. BTDrucks 18/4654, S. 25). Auch die Strafverfolgungsorgane können zur Bekämpfung besonders gefährlicher Kriminalität auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen sein, wenn sie ihrem Auftrag der rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten überhaupt gerecht werden sollen (vgl. BVerfGE 57, 250 <284>; 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>). Oftmals können nur auf diesem Wege interne Informationen über den Aufbau krimineller Organisationen, ihre Führungspersonen, ihre tatsächlichen Ziele sowie die Planung und Durchführung konkreter Maßnahmen gewonnen werden (vgl. BVerfGE 109, 13 <34 f.>; 38 <60 f.>).

111

Neben V-Leuten zählen zu den geheimhaltungsbedürftigen Informationsquellen der Nachrichtendienste insbesondere Gewährspersonen (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG), die nur von Fall zu Fall für die Behörden tätig werden, und sonstige Informanten, die gelegentlich Hinweise geben (vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG, Rn. 30 f.; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 266 ff.). Außerdem können hauptberufliche Mitarbeiter der Nachrichtendienste unter einer Legende in Organisationen oder Szenen eingeschleust werden, um diese für längere Zeit zu beobachten. Für diese Personen gelten die Ausführungen zu V-Leuten entsprechend. Es bedarf ihres Einsatzes ebenso wie des Einsatzes Verdeckter Ermittler durch die Strafverfolgungsbehörden, wenn und soweit anderenfalls die Wahrnehmung ihres Auftrags gerade im Hinblick auf besonders gefährliche Kriminalitätsfelder erheblich erschwert oder unmöglich gemacht würde (vgl. BVerfGE 129, 208 <256>).

112

b) Der Schutz von Informationsquellen und insbesondere von V-Leuten dient nicht nur den Interessen der betroffenen Personen, sondern hat auch für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste erhebliche Bedeutung.

113

aa) Wird eine V-Person enttarnt, führt dies in aller Regel dazu, dass ein etwaiger aktueller Einsatz nicht fortgeführt werden kann und die V-Person auch für künftige Einsätze nicht mehr zur Verfügung steht. Der dadurch entstehende Informationsverlust kann in der Regel nicht kompensiert werden, weil sich V-Leute nicht beliebig gewinnen lassen und ihre Anwerbung oftmals in einem schwierigen und langwierigen Prozess besteht (vgl. dazu Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 268, 280). Zu berücksichtigen ist, dass Auskünfte der Nachrichtendienste nicht unbedingt nur dann zu dem Verlust einer V-Person führen können, wenn diese enttarnt wird. Es kann bereits ausreichen, dass eine V-Person den subjektiven Eindruck gewinnt, die Vertraulichkeit ihrer Tätigkeit sei nicht hinreichend gesichert (vgl. Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1267>). Sie wird die Zusammenarbeit dann möglicherweise von sich aus beenden. Darüber hinaus kann die Enttarnung einer V-Person dazu führen, dass die Beobachtung einer bestimmten Gruppierung und die Umstände dieser Maßnahme bekannt werden. Dies wiederum kann zur Folge haben, dass bereits erlangte Informationen ihren Nutzen verlieren und die künftige Informationsgewinnung erschwert wird (so auch BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Gegebenenfalls treten diese Folgen nicht erst mit der Enttarnung der V-Person ein, sondern schon dann, wenn bekannt wird, dass eine V-Person eingesetzt worden ist.

114

bb) Werden quellenbezogene Informationen bekannt, kann die Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste auch über den konkreten Einzelfall hinaus für die Zukunft generell beeinträchtigt werden. Zum einen können Informationen bekannt werden, die für die Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste von Bedeutung sind. Dies betrifft insbesondere das Vorgehen der Behörden bei der Anwerbung und Führung von sowie der Kommunikation mit V-Leuten und sonstigen Quellen. Das Bekanntwerden derartiger Informationen kann es den zu beobachtenden Gruppierungen ermöglichen, Abwehrstrategien gegen ihre Infiltration und Beobachtung zu entwickeln. Zum anderen ist der Quellenschutz eine Voraussetzung für die weitere Nutzung aktiver und die Gewinnung neuer Informationsquellen (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, juris, Rn. 79). Von besonderer Bedeutung ist dabei die Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen. Sie ist unverzichtbare Voraussetzung für die Anwerbung und Führung von V-Personen. Die Effektivität der Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste unter Einsatz von V-Personen ist davon abhängig, dass das Vertrauen in die Einhaltung gegebener Vertraulichkeitszusagen nicht erschüttert wird. Werden Informationen über V-Leute und sonstige verdeckte Quellen herausgegeben, schwächt dies das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass eine V-Person oder eine sonstige Quelle enttarnt wird (vgl. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 280). Darüber hinaus kann auch in diesem Zusammenhang bereits der (subjektive) Eindruck ausreichen, die Vertraulichkeit sei nicht gesichert, um aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abzuhalten und die Gewinnung neuer Quellen zu erschweren (vgl. Peitsch/Polzin, NVwZ 2000, S. 387 <391 f.>; Warg, NVwZ 2014, S. 1263 <1266>).

115

2. Dem Geheimhaltungsinteresse steht ein gewichtiges Informationsinteresse des Parlaments an der Beantwortung Kleiner Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen und insbesondere von V-Leuten gegenüber.

116

Wie alle anderen Organe der vollziehenden Gewalt unterliegen auch die Nachrichtendienste der Kontrolle durch das Parlament. Der Bundestag ist daher berechtigt und verpflichtet, seine Kontrollaufgaben gegenüber der Regierung im nachrichtendienstlichen Bereich unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente vom Fragerecht des Abgeordneten bis hin zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen wahrzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 149, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Die Kontrollinstrumente stehen nicht in einem Alternativ- oder Spezialitätsverhältnis zueinander (vgl. § 1 Abs. 2 PKGrG; BTDrucks 8/1599, S. 6).

117

Bezieht sich eine parlamentarische Anfrage auf einen für Staat und Gesellschaft besonders bedeutsamen Bereich, hat die Öffentlichkeit ein gesteigertes Interesse an parlamentarischer Kontrolle. Bei dem Einsatz von V-Leuten zur Aufklärung extremistischer Bestrebungen sowie insbesondere zur Verhinderung und Aufklärung schwerwiegender Straftaten geht es um die Sicherheit des Staates und seiner Bevölkerung. Hierzu kann es erforderlich sein, Personen aus extremistischen oder kriminellen Milieus als V-Leute einzusetzen. Wenn öffentliche Stellen mit einer V-Person kooperiert haben, die im Verdacht steht, erhebliche, gegebenenfalls dem extremistischen Milieu zuzuordnende Straftaten begangen zu haben, ist zu berücksichtigen, dass das parlamentarische Informationsinteresse von besonderem Gewicht ist, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; 137, 185 <231 f. Rn. 130>; 139, 194 <224 Rn. 105>).

118

Schließlich kommt der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste angesichts von Art und Umfang der ihnen an die Hand gegebenen nachrichtendienstlichen Mittel und wegen der mit der Anwendung dieser Mittel einhergehenden Schwere von Grundrechtseingriffen, der Unbemerkbarkeit des Handelns dieser Behörden und der fehlenden Transparenz des anschließenden Datenverarbeitungsvorgangs für die Betroffenen (vgl. BVerfGE 100, 313 <361>) eine besondere Aufklärungsfunktion zu (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, juris, Rn. 151, zur Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen).

119

3. Wenn verfassungsrechtlich verankerte Geheimhaltungsinteressen und parlamentarische Auskunftsansprüche in Konflikt geraten, müssen die unterschiedlichen Interessen in der Weise in Ausgleich gebracht werden, dass beide soweit wie möglich ihre Wirkung entfalten. Insbesondere soweit Anfragen Umstände betreffen, die aus Gründen des Staatswohls geheimhaltungsbedürftig sind, stellt sich die Frage, ob und auf welche Weise dieses Anliegen mit dem jeweiligen parlamentarischen Informationsanspruch in Einklang gebracht werden kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <189>).

120

a) In Bezug auf die Tätigkeit von Nachrichtendiensten kommt eine grundsätzliche Begrenzung des Informationsanspruchs des Bundestages, wie sie im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Frage- und Informationsrecht im Bereich der Rüstungsexportkontrolle für Anfragen zu Vorgängen vor Erlass einer positiven Genehmigungsentscheidung im Ansatz vorgenommen wurde (vgl. BVerfGE 137, 185 ff.), nicht in Betracht. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen, zu entsprechenden Voranfragen von Rüstungsunternehmen und zu abschlägig beschiedenen Anträgen können aus Gründen des Staatswohls verweigert werden, weil das vorzeitige Bekanntwerden sensibler Rüstungsexportgeschäfte zu Verwerfungen im Verhältnis zu dem jeweiligen Erwerberland führen, die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung beeinträchtigen und zu Einbußen für die inländische Rüstungsindustrie führen kann (vgl. BVerfGE 137, 185 <251 ff. Rn. 173 ff.>).

121

Damit ist die Beantwortung von Anfragen zum Einsatz verdeckter Quellen durch die Nachrichtendienste nicht vergleichbar. Antworten auf solche parlamentarischen Anfragen beeinträchtigen berechtigte Geheimhaltungsinteressen nicht in jedem denkbaren Fall und lassen eine solche Beeinträchtigung auch nicht stets besorgen. Denn aus der Vielfalt der möglichen Sachverhaltskonstellationen folgt, dass weder aus der Beantwortung einzelner Fragen noch aus der Verweigerung einer Antwort zwingend Erkenntnisse über die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gewonnen werden können, die sich nachteilig auf ihre Funktionsfähigkeit auswirken. Die Konstellationen im Bereich ihrer verdeckten Tätigkeit sind derart vielfältig, dass eine Abwägung nicht in jedem Fall zu einem Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses führt.

122

b) Allerdings kann sich die Bundesregierung zur Begründung einer Antwortverweigerung bei Fragen zum Einsatz verdeckt handelnder Personen in der Regel auf entgegenstehende Gründe des Staatswohls und deren Grundrechte berufen, wenn die an sie gerichteten Fragen einen Bezug zu konkreten Personen aufweisen. Insbesondere bei Fragen, die möglicherweise noch aktive V-Leute betreffen oder sich auf aktuelle beziehungsweise noch nicht weit zurückliegende Ereignisse beziehen, ist regelmäßig von der Gefahr einer Enttarnung der V-Leute und damit zugleich von einer Gefährdung ihrer Grundrechte oder der Grundrechte ihnen nahestehender Personen auszugehen. Dies wiederum zieht die Möglichkeit nach sich, dass Rückschlüsse auf die Anwerbung von V-Leuten, die Art und Weise ihres Einsatzes und gegebenenfalls ihre Anzahl, also Erkenntnisse zu der Arbeitsweise der Nachrichtendienste bekannt werden könnten. Diese Risiken dürften regelmäßig auch noch nach der Abschaltung einer verdeckten Quelle fortbestehen. Das berechtigte Interesse an einer Antwortverweigerung besteht in diesen Fällen unabhängig davon, ob eine konkrete Person als V-Person eingesetzt worden ist oder nicht. Anderenfalls könnte aus der Antwortverweigerung in vergleichbaren Fällen im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die dort in Rede stehende Person eine V-Person (gewesen) ist.

123

Eine negative Auskunft zu einer bestimmten Person könnte zudem den Verdacht auf andere Personen lenken oder einen bereits bestehenden Verdacht erhärten und somit diese Personen oder ihr Umfeld gefährden. Aber auch unabhängig von der Gefährdung grundrechtlicher Belange in einem konkreten Einzelfall und ungeachtet des Zeitablaufs kann die Enttarnung von verdeckt handelnden Personen eine Gefährdung der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden darstellen, da durch die Herausgabe von Informationen über V-Leute oder sonstige verdeckte Quellen das Vertrauen in die Wirksamkeit von Geheimhaltungszusagen geschwächt und damit noch aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abgehalten und die Gewinnung neuer Quellen erschwert werden können. Solche nachteiligen Auswirkungen müssen von der Bundesregierung nicht ohne weiteres in Kauf genommen werden - ebenso wenig wie die Gefährdung der Grundrechte von V-Leuten oder ihnen nahestehender Personen.

124

Selbst bei Fragen zum Einsatz konkreter Personen als V-Leute sind jedoch eng begrenzte Ausnahmefälle denkbar, in denen das parlamentarische Informationsinteresse überwiegt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn aufgrund besonderer Umstände eine Gefährdung grundrechtlich geschützter Belange ausgeschlossen ist oder zumindest fernliegend erscheint und eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht ernsthaft zu befürchten ist. Bei dieser Abwägung ist der Zeitablauf ein bedeutsamer - wenn auch nicht allein ausschlaggebender - Faktor. So kann sich im Einzelfall bei weit zurückliegenden Vorgängen die Geheimhaltungsbedürftigkeit erheblich vermindert oder erledigt haben (vgl. BVerfGE 124, 161 <194>).

125

c) Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Beantwortung bestimmter Fragen nicht in Betracht kommt, ist sie gehalten zu prüfen, ob eine Beantwortung unter Einstufung nach der Geheimschutzordnung möglich ist. Aus dieser Möglichkeit folgt jedoch nicht, dass jede Anfrage nach Vornahme einer entsprechenden Einstufung beantwortet werden muss. Gerade im Bereich verdeckt handelnder Personen, deren Einsatz für das Staatswohl von großer Bedeutung und zugleich in hohem Maße geheimhaltungsbedürftig ist, besteht hinsichtlich bestimmter Informationen ein legitimes Interesse, den Kreis der Geheimnisträger auf das notwendige Minimum zu beschränken. Je größer dieser Kreis ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Geheimnisse - sei es absichtlich oder versehentlich - weitergegeben oder ausgespäht werden (vgl. BVerfGE 70, 324 <364>). Besonders geheimhaltungsbedürftige Informationen aus dem Bereich des Quellenschutzes können dem Parlament daher auch dann vorenthalten werden, wenn beiderseits Vorkehrungen gegen ihr Bekanntwerden getroffen worden sind. Einfachrechtlich hat der Gesetzgeber dies in § 6 Abs. 2 Satz 1 PKGrG anerkannt, wonach selbst dem zur Geheimhaltung verpflichteten Parlamentarischen Kontrollgremium bestimmte Informationen vorenthalten werden können. Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass das Staatswohl und der Grundrechtsschutz auch dem Parlament anvertraut sind und dieses insoweit nicht als außenstehend behandelt werden darf. Es geht allein darum, den Kreis der Geheimnisträger bei besonders geheimhaltungsbedürftigen Informationen unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Staatsgewalt möglichst klein zu halten. Dementsprechend beschränkt sich der Kreis der Geheimnisträger gerade im Bereich des Einsatzes verdeckt handelnder Personen auch innerhalb der Exekutive auf nur wenige Personen.

III.

126

Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 (1.) und - jedenfalls teilweise - bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 (2.) verkannt und hierdurch Rechte der Antragstellerinnen zu 1. und zu 2. sowie des Deutschen Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.

127

Die Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen fällt in den Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin. Sie zielen auf Erkenntnisse der Antragsgegnerin selbst oder der ihr nachgeordneten Behörden. Im Übrigen hat sich die Antragsgegnerin - auch hinsichtlich der Fragen nach Informationen der Landesämter für Verfassungsschutz - nicht auf eine fehlende Zuständigkeit berufen. Als Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs kommen vorliegend nur das Staatswohl und die Grundrechte in Betracht.

128

1. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 nicht genügt. Sie hat keine Gründe vorgebracht, die eine Auskunftsverweigerung aufgrund von Staatswohlbelangen rechtfertigen würden (a)), und ihren Ausführungen lässt sich nicht nachvollziehbar entnehmen, dass Grundrechte Lembkes oder Dritter gefährdet werden könnten (b)).

129

a) Die begehrte Information, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann gewesen sei, ist von dem parlamentarischen Auskunftsrecht grundsätzlich umfasst. Die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung rechtfertigt nicht die Verweigerung der Antwort.

130

Die Antragsgegnerin vertritt in ihrer ablehnenden Entscheidung die Auffassung, dass das Bekanntwerden des Namens einer V-Person Rückschlüsse auf den Einsatz von V-Leuten und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste zuließe. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Quellen der Nachrichtendienste bekannt würden, was zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit führe. Eine solchermaßen abstrakt gehaltene Begründung mag im Regelfall ausreichen. Die Antragsgegnerin muss Fragen zum Einsatz bestimmter Personen als V-Leute durch die Nachrichtendienste aufgrund entgegenstehender Staatswohlbelange und Grundrechte grundsätzlich nicht beantworten. Jedoch handelt es sich hier um einen besonders gelagerten Ausnahmefall.

131

Dem parlamentarischen Informations- und Kontrollinteresse kommt besondere Bedeutung zu, weil es der Antragstellerin zu 1. im Zuge einer anstehenden Neuregelung des Einsatzes von V-Leuten darum ging festzustellen, ob es - auch in der Vergangenheit - zu einer Verstrickung von V-Leuten in rechtsterroristische Straftaten gekommen ist. Bei Heinz Lembke handelte es sich um eine Person, der erhebliche Straftaten im rechtsextremistischen Milieu vorgeworfen wurden. Insofern hatte die Antragstellerin zu 1. ein nachvollziehbares Interesse, auch mit Blick auf eine mögliche Verbindung von V-Leuten zu den Aktivitäten des NSU Verdachtsmomenten nachzugehen, wonach bereits im Fall des Oktoberfestattentats wegen eines falsch verstandenen Quellenschutzes nicht alle Möglichkeiten zur Verhinderung oder Aufklärung des Anschlags genutzt worden seien. Damit verfolgte die Antragstellerin zu 1. das Ziel, mögliche Rechtsverstöße oder Missstände beim Einsatz von V-Leuten mit Blick auf zukünftige gesetzliche Regelungen aufzuklären, was ihrem Informationsinteresse ein besonders hohes Gewicht verleiht.

132

Demgegenüber vermögen die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe für die Antwortverweigerungangesichts der besonderen Umstände des Falles nicht zu überzeugen. Ein aktueller oder künftiger Einsatz Lembkes als V-Person kommt offensichtlich nicht mehr in Betracht. Aus der Begründung der Antragsgegnerin ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl laufende oder künftige Aufklärungseinsätze oder Ermittlungen gefährdet werden könnten. Dies gilt selbst dann, wenn man unterstellt, dass Personen aus Lembkes damaligem Umfeld auch heute noch im Fokus der Nachrichtendienste stehen. Zu denken wäre hier etwa an Karl-Heinz Hoffmann. Dass die Wehrsportgruppe Hoffmann von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet wurde, lässt sich den veröffentlichten Berichten des Bundesamts für Verfassungsschutz entnehmen. Dass aktuelle Einsätze der Nachrichtendienste erschwert werden könnten, wenn den betroffenen Personen darüber hinaus bekannt würde, dass der 1981 verstorbene Heinz Lembke ein V-Mann war, ist weder plausibel begründet worden noch sonst ersichtlich.

133

Soweit die Antragsgegnerin nach Einleitung des Organstreitverfahrens vorgetragen hat, dass die Beantwortung der Frage 2 a) mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht gehört werden. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der nicht näher ausgeführte Vortrag, dass eine Antwort auf die Frage etwaigen Tatbeteiligten ermögliche, unwiderlegbare Einlassungen zu konstruieren oder andere Verdunklungsmaßnahmen zu ergreifen, zur Begründung der Antwortverweigerung ausreichen würde. Dies kann jedoch dahinstehen, weil die Antragsgegnerin die Ablehnung der Beantwortung dieser Frage nicht hierauf gestützt, sondern erstmals in ihrer Antragserwiderung auf das Ermittlungsverfahren Bezug genommen hat. Dabei handelt es sich um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen.

134

Ferner ist nicht plausibel begründet, weshalb die Antragsgegnerin in diesem Fall von einer Beeinträchtigung der allgemeinen Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste ausgeht. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Lembke ein V-Mann war, Rückschlüsse auf die derzeitige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen sollte. Zum einen würden keine Einzelheiten des damaligen Verhältnisses der Behörden zu Lembke bekannt. Dies gilt etwa für den Zeitpunkt und die Umstände seiner Anwerbung oder die Art und Weise der Führung von V-Personen. Zum anderen läge eine etwaige V-Mann-Tätigkeit Lembkes bereits so lange zurück, dass sich keine konkreten Rückschlüsse auf die heutige Vorgehensweise der Behörden ziehen lassen dürften. Dies gilt auch, soweit die Antragsgegnerin vorträgt, eine Antwort müsse wegen drohender Konsequenzen für die Arbeit der betreffenden Landesbehörden unterbleiben. Auch insoweit hat die Antragsgegnerin nicht dargetan, welche negativen Auswirkungen auf die Arbeit der Landesbehörden sie vor dem Hintergrund des erheblichen Zeitablaufs von über 30 Jahren befürchtet.

135

Zudem ist nicht hinreichend dargelegt, warum die ausnahmsweise Nichteinhaltung der gegebenen Vertraulichkeitszusage gegenüber Lembke Rückwirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste haben könnte. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles, nämlich der durch Lembke mutmaßlich begangenen erheblichen Straftaten und seines Todes vor über 30 Jahren, hätte es konkreter Ausführungen bedurft, warum sich aktuelle oder potentielle V-Leute hiervon bei ihrer Entscheidung, als V-Person tätig zu werden, maßgeblich beeinflussen lassen könnten. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Bereitschaft aktueller oder potentieller V-Leute zur Zusammenarbeit mit den Behörden entscheidend davon abhängt, ob die Vertraulichkeit auch Jahrzehnte nach ihrem Ableben noch gesichert erscheint. Dies gilt umso mehr, als die Vertraulichkeit grundsätzlich auch nach einem derart langen Zeitablauf gewahrt und nur ausnahmsweise bei Vorliegen gewichtiger Gründe aufgehoben werden kann, die das Geheimhaltungsinteresse im Einzelfall überwiegen.

136

b) Die Antragsgegnerin hat auch keine Gründe vorgebracht, die eine Verweigerung der Antwort auf die Frage 2 a) aus Gründen des Grundrechtsschutzes rechtfertigen.

137

Mit Blick auf Lembke ist eine Gefährdung der in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG genannten Rechtsgüter ausgeschlossen, weil er bereits 1981 verstorben ist. Der postmortale Persönlichkeitsschutz aus Art. 1 Abs. 1 GG steht der Beantwortung der Frage nach der V-Mann-Eigenschaft Lembkes ebenfalls nicht entgegen. Unabhängig davon, wie die Antwort auf die Frage ausfällt, ist mit ihr keine Erniedrigung oder Herabwürdigung der Person Lembkes verbunden. Ob der grundrechtliche Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes oder zumindest dessen objektiv-rechtlicher Gehalt einer Antwort nach dem Tod Lembkes überhaupt entgegenstehen kann, kann offenbleiben. Jedenfalls müsste ein sich daraus ergebendes Geheimhaltungsinteresse vor dem Hintergrund des Zeitablaufs von über 30 Jahren hinter dem besonders gewichtigen Informations- und Kontrollinteresse der Antragstellerin zu 1. und des Bundestages zurückstehen. Außerdem hat sich die Antragsgegnerin bei der Begründung ihrer Antwortverweigerung mit Blick auf den Grundrechtsschutz lediglich auf Art. 2 Abs. 2 GG gestützt, so dass im Übrigen ein unzulässiges Nachschieben von Gründen vorliegt.

138

Auf die Möglichkeit der Gefährdung von Grundrechten Lembke nahestehender Personen hat sich die Antragsgegnerin ebenfalls erst nach Einleitung des Organstreitverfahrens berufen. Zudem ist das Vorliegen einer derartigen Gefahr im konkreten Fall nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Vielmehr erscheint es angesichts des Zeitablaufs und der Auflösung der Wehrsportgruppe Hoffmann sehr unwahrscheinlich, dass Angehörige von Lembke oder sonstige ihm nahestehende Personen gefährdet wären, wenn bekannt würde, dass er ein V-Mann war. Für die Annahme, dass Personen aus dem damaligen Umfeld Lembkes aus der Antwort der Antragsgegnerin Rückschlüsse auf eine etwaige V-Person-Tätigkeitanderer Personen ziehen könnten, liegen ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte vor. Allein die niemals vollständig auszuschließende, im vorliegenden Fall aber fernliegende Möglichkeit derartiger Rückschlüsse genügt für eine Antwortverweigerung nicht.

139

2. Die Antragsgegnerin hat auch ihrer Antwortpflicht hinsichtlich der Kleinen Anfrage vom 21. Januar 2015 nur teilweise genügt. Während die Begründung die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 nicht trägt (a)), war die Antwortverweigerung hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31 teilweise gerechtfertigt (b)).

140

Soweit die Antragsgegnerin eine Beantwortung der Fragen abgelehnt hat, hat sie dies im Wesentlichen aus denselben Gründen getan wie bei der Ablehnung einer Beantwortung der Frage 2 a) der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014. Zum einen hat sie darauf verwiesen, dass anderenfalls Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Nachrichtendienste gezogen werden könnten. Dies begründe die Gefahr, dass Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste bekannt würden und damit ihre Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wäre. Zum anderen müssten Leben und körperliche Unversehrtheit etwaiger V-Leute geschützt werden.

141

a) Bei der Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar dargelegt, inwieweit das Staatswohl (aa)) oder die Grundrechte etwaiger V-Leute oder Dritter (bb)) durch eine vollständige Beantwortung gefährdet sein sollen. Sie hat die Fragen 14 bis 16 zusammenfassend dahingehend beantwortet, dass ihr zum Oktoberfestattentat aus den Jahren 1980 bis 1985 fünf Quellenmeldungen vorlägen. Hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 hat die Antragsgegnerin die Auskunft erteilt, in die Sachakte zur "Wehrsportgruppe Hoffmann" hätten 197 Quellenmeldungen im Zeitraum von 1974 bis 1985 Eingang gefunden. Eine Aufschlüsselung dieser Meldungen nach Jahren und Ursprungsbehörden (Bundesamt für Verfassungsschutz, Landesämter für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst) hat die Antragsgegnerin sowohl hinsichtlich der Fragen 14 bis 16 als auch hinsichtlich der Fragen 19 bis 21 verweigert.

142

aa) Der Begründung der Antragsgegnerin lässt sich nicht entnehmen, weshalb sich aus der erbetenen Aufschlüsselungrelevante Erkenntnisse über die Identität von V-Leuten oder die Arbeitsweise der Nachrichtendienste ergeben könnten. Dies erscheint vielmehr gleich aus mehreren Gründen fernliegend. Es lässt sich nicht nachvollziehen, wie sich aus einer nach Jahren und Ursprungsbehörden aufgeschlüsselten Angabe der Zahl der Quellenmeldungen Rückschlüsse auf die Identität einzelner V-Personen ziehen lassen sollen. Insbesondere ist nicht nach Meldungen von V-Leuten, sondern allgemein nach Meldungen von Quellen gefragt worden. Hierzu zählen auch Meldungen von Gewährsleuten oder sonstigen Informanten. Darüber hinaus ist nicht danach gefragt worden, in welcher Beziehung die Quellen zu bestimmten Gruppierungen - insbesondere der Wehrsportgruppe Hoffmann - standen. Bei einer vollständigen Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 würden somit weder Erkenntnisse zur Zusammenarbeit einer Quelle mit einer bestimmten Behörde noch zu ihrer Verbindung zu einer bestimmten Gruppierung offenbart werden. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass nicht nach der Anzahl der Quellen, sondern nach der Anzahl der Quellenmeldungen gefragt worden ist. Aus der Anzahl der Quellenmeldungen lassen sich keine belastbaren Rückschlüsse auf die Zahl der von einer Behörde geführten Quellen ziehen. Dies gilt selbst dann, wenn eine Behörde in einem Jahr nur eine einzige oder gar keine Quellenmeldung im Zusammenhang mit dem Oktoberfestattentat oder der Wehrsportgruppe Hoffmann erhalten haben sollte. Hinzu kommt, dass im Rahmen der Fragen 15 und 20 (Anzahl der Meldungen von Quellen der Landesämter für Verfassungsschutz) keine Differenzierung nach Ländern erbeten worden ist, aus der sich möglicherweise Anhaltspunkte bezüglich der Herkunft der Quelle ergeben könnten; es ist lediglich um Mitteilung der Gesamtzahl der Quellenmeldungen von allen Landesämtern gebeten worden.

143

Dass eine vollständige Beantwortung der Fragen 14 bis 16 und 19 bis 21 Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise der Nachrichtendienste ermöglichen und dadurch deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigen könnte, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Dass Nachrichtendienste Informationen aus vertraulichen Quellen erlangen, ist allgemein bekannt. Aus den nach Jahren und Behörden aufgeschlüsselten Zahlen der Quellenmeldungen zum Oktoberfestattentat oder zur Wehrsportgruppe Hoffmann lassen sich allenfalls gewisse Rückschlüsse auf den Umfang der Beobachtung von Personen und Gruppierungen ziehen, die möglicherweise in irgendeinem Zusammenhang zum Oktoberfestattentat standen. Zu der Art und Weise, wie die Quellen damals geführt wurden, ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte. Erst recht lassen sich keine Rückschlüsse auf den heutigen Einsatz von Quellen ziehen.

144

bb) Die Begründung der Antragsgegnerin rechtfertigt auch keine Verweigerung der begehrten Aufschlüsselung zum Schutz der Grundrechte. Da die begehrten Informationen aus den genannten Gründen keinen hinreichend konkreten Bezug zu verdeckt tätigen Personen aufweisen, ist nicht zu besorgen, dass grundrechtlich geschützte Rechtsgüter etwaiger V-Leute oder Dritter gefährdet werden könnten.

145

b) Hinsichtlich der Fragen 22 bis 25 und 28 bis 31, die auslegungsbedürftig sind (aa)), ist zu differenzieren. Soweit nach dem "Ob" des Einsatzes von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute gefragt wurde, werden die Antworten der Antragsgegnerin - mit Ausnahme der Fragen 24 und 25 zum Bundesnachrichtendienst - den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht (bb)). Die Ablehnung einer Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute hält der verfassungsgerichtlichen Prüfung ebenfalls nur teilweise stand (cc)).

146

aa) Die Fragen 23, 25, 29 und 31 beziehen sich bei wörtlichem Verständnis auf die Tätigkeit von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat. Dieses fand am 26. September 1980 statt, die Wehrsportgruppe Hoffmann wurde jedoch schon am 30. Januar 1980 mit sofortiger Wirkung verboten und aufgelöst. Bereits etwa acht Monate vor dem Oktoberfestattentat gab es daher "Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann" im eigentlichen Sinne nicht mehr.

147

Die Fragen 23, 25, 29 und 31 sind jedoch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie gestellt wurden (vgl. BVerfGE 110, 199 <213>; 137, 185 <229 Rn. 124>), dahingehend auszulegen, dass um Auskunft gebeten wird, ob ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat als V-Leute tätig waren. Da die Fragen nur bei diesem Verständnis sinnvoll sind, hatte die Antragsgegnerin eine solche Auslegung vorzunehmen. Dabei hatte die Antragsgegnerin außerdem zu berücksichtigen, dass die Fragen nicht den Einsatz von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann in dem Zeitraum nach dem Oktoberfestattentat bis heute erfassen sollen. Vielmehr erlaubt eine Gesamtwürdigung des Begehrens der Antragstellerinnen nur ein Verständnis, wonach die Fragen auf den Einsatz ehemaliger Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann zeitnah zu dem Attentat gerichtet sind.

148

bb) Die Beantwortung der Fragen, ob unter den Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, hat die Antragsgegnerin aus Gründen des Staatswohls und des Grundrechtsschutzes abgelehnt. Insoweit genügen ihre Antworten den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil der abstrakte Verweis darauf, Fähigkeiten, Methoden und Informationsquellen der Nachrichtendienste könnten bekannt und Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten gefährdet werden, nicht ausreicht, um das Informationsinteresse des Parlaments einzuschränken ((1)). Die Verweigerung der Antworten auf die Fragen 24 und 25 zu einer Tätigkeit für den Bundesnachrichtendienst ist demgegenüber gerechtfertigt ((2)).

149

(1) Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, das Staatswohl könnte dadurch beeinträchtigt werden, dass durch eine Beantwortung der Fragen zu V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann Rückschlüsse auf die aktuelle Arbeitsweise und die Organisation der Nachrichtendienste ermöglicht werden könnten, erscheint dies nicht nachvollziehbar. Der Umstand, dass Nachrichtendienste damals wie heute V-Leute einsetzen, ist allgemein bekannt. Welche darüber hinausgehenden Rückschlüsse die Antragsgegnerin für möglich hält, legt sie nicht plausibel dar.

150

Die abstrakt gehaltene Begründung der Antragsgegnerin, eine Beeinträchtigung des Staatswohls könne dadurch erfolgen, dass eine Auskunft, wonach unter den (ehemaligen) Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann eine oder mehrere V-Personen waren, zusammen mit entsprechendem Zusatzwissen zu einer Enttarnung führen könne, lässt sich zwar nicht vollständig von der Hand weisen. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Personen enttarnt werden könnten, aufgrund der hier gegebenen Umstände so gering, dass sie eine Einschränkung des parlamentarischen Informationsrechts nicht mehr zu rechtfertigen vermag. Die Wehrsportgruppe Hoffmann hatte zum Zeitpunkt ihrer Auflösung etwa 400 Mitglieder. Zwar war sie in lokale Untergruppen aufgeteilt. Selbst bei einer Bestätigung, dass (ehemalige) Mitglieder V-Leute waren, wäre noch keine Aussage über deren Zuordnung zu einer lokalen Untergruppe getroffen. Mitglieder der Wehrsportgruppe könnten sich - sollten sie den Verdacht gehabt haben, es seien V-Leute unter ihnen - lediglich bestätigt fühlen. Rückschlüsse auf einzelne Personen wären nicht möglich.

151

Auch die Gefahr einer Verunsicherung unter aktuellen oder potentiellen V-Leuten, die zu einer Erschwernis der Anwerbung und Führung von V-Leuten führen könnte, dürfte angesichts des Umstands, dass der Einsatz von V-Leuten in rechtsextremen Milieus allgemein bekannt ist, äußerst gering sein. Hinzu kommt, dass im Falle einer Verneinung der Fragen danach, ob die Antragsgegnerin den Einsatz von V-Leuten bei den Verfassungsschutzämtern ausschließen (Fragen 22 und 23) beziehungsweise "nach ihrer Kenntnis ausschließen" (Fragen 28 und 29) kann, nicht einmal eine sichere Bestätigung des Vorhandenseins von V-Leuten erlangt werden könnte. Dies gilt insbesondere, soweit sich die Fragen auf die Landesämter für Verfassungsschutzbeziehen. Aus der Mitteilung, die Antragsgegnerin könne nach ihrer Kenntnis nicht ausschließen, dass Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann als V-Leute für ein Landesamt tätig waren, lässt sich nicht ohne weiteres der Schluss ziehen, dass es bei den Landesämtern solche V-Leute gab.

152

Soweit die Antragsgegnerin erstmals in ihrer Antragserwiderung vorgetragen hat, dass eine Beantwortung der Fragen auch mit Blick auf das wieder aufgenommene Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts unterbleiben müsse, kann sie damit nicht durchdringen. Insoweit kann auf die Ausführungen zu Frage 2 a) aus der Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 2014 verwiesen werden.

153

Mit Blick auf den Grundrechtsschutzkönnen Gefahren für Leben und körperliche Unversehrtheit von V-Leuten zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Auch diesbezüglich ist aber zu berücksichtigen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Enttarnung von V-Leuten aufgrund der bloßen Auskunft darüber, ob (ehemalige) Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann V-Leute waren, sehr gering ist. Zwar erscheint es möglich, dass sich etwaige ehemalige V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann auch heute noch in einem gewaltbereiten rechtsextremen Umfeld bewegen und daher in besonderer Weise Gefahren ausgesetzt sind. Zumindest ein Teil der Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe - insbesondere auch Karl-Heinz Hoffmann selbst - hat sich von dem Gedankengut der Gruppe bis heute nicht gelöst und verfolgt weiterhin aktiv die öffentliche Diskussion über die damaligen Ereignisse. Dass sich die Gefahr für solche V-Leute durch eine bloße Bejahung der Fragen nach dem Einsatz von V-Leuten aus der Wehrsportgruppe Hoffmann merklich erhöht, ist vor dem Hintergrund, dass der Einsatz von V-Leuten in diesen Milieus allgemein bekannt ist, aber sehr unwahrscheinlich.

154

(2) Etwas anderes gilt hinsichtlich der Fragen 24 und 25, die sich auf den Bundesnachrichtendienst beziehen. Die Gefahr einer Enttarnung vom Bundesnachrichtendienst möglicherweise eingesetzter V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann wäre schon dann erheblich, wenn die Antragsgegnerin ihre bloße Existenz bestätigte.

155

Angesichts der Zuständigkeit des Bundesnachrichtendienstes für die Gewinnung von Auslandserkenntnissen (vgl. § 1 Abs. 2 BNDG) kommen als etwaige V-Leute dieser Behörde insbesondere die Mitglieder der damals im Libanon operierenden "Wehrsportgruppe Ausland" in Betracht. Diese Nachfolgeorganisation der Wehrsportgruppe Hoffmann, der auch Hoffmann selbst angehörte, hatte nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes nur noch 15 Mitglieder. In Anbetracht dieser geringen Zahl würde die Gefahr einer Enttarnung bei einer positiven Beantwortung erheblich steigen. Daher durfte die Antragsgegnerin die Antwort auf diese Fragen verweigern. Angesichts der erheblichen Gefahr einer Enttarnung hätte die Auskunft auch nicht nach Maßgabe der Geheimschutzordnung erteilt werden müssen. Denn dabei wäre wegen der großen Anzahl der Geheimnisträger die Wahrscheinlichkeit erhöht worden, dass die mitgeteilten Informationen weitergegeben oder ausgespäht worden wären. Dieses Risiko musste die Antragsgegnerin wegen der Gefahren für das Staatswohl und die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter etwaiger V-Leute nicht in Kauf nehmen.

156

cc) Soweit mit den Fragen 23 und 28 bis 31 über das "Ob" hinausgehende Auskünfte zum Einsatz von V-Leuten in der Wehrsportgruppe Hoffmann beziehungsweise von ehemaligen Mitgliedern der Wehrsportgruppe begehrt wurden, rechtfertigt die Begründung der Antragsgegnerin eine Antwortverweigerung nur teilweise. Auskünfte dazu, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe Hoffmann nach dem Oktoberfestattentat für das Bundesamt für Verfassungsschutz (Frage 23) sowie vor und nach dem Attentat für Landesämter für Verfassungsschutz (Fragen 30 und 31) tätig waren, durften mit der gegebenen Begründung nicht verweigert werden ((1)). Eine Antwort auf die Fragen, wie viele V-Leute aus der Wehrsportgruppe vor und nach dem Attentat für welches Landesamt für Verfassungsschutz tätig waren (Fragen 28 und 29), hat die Antragsgegnerin dagegen zu Recht verweigert ((2)).

157

(1) Die Beantwortung der Fragen zu der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute im Bundesamt für Verfassungsschutz einerseits (Frage 23) und in den Landesämtern für Verfassungsschutz andererseits (Fragen 30 und 31) darf mit Blick auf die Bedeutung des parlamentarischen Informationsrechts aus den von der Antragsgegnerin genannten Gründen nicht verweigert werden. Zwar wird die Gefahr der Enttarnung von V-Personen umso größer, je mehr Details über ihren Einsatz mitgeteilt werden. Daher erhöht sich die Gefahr einer Enttarnung auch durch die Beantwortung der Fragen nach der Anzahl eingesetzter V-Leute. Die Information, wie viele V-Leute eingesetzt waren, unterscheidet sich qualitativ von der bloßen Bestätigung eines mutmaßlich bereits bestehenden Verdachts der Öffentlichkeit, dass V-Leute in der Wehrsportgruppe Hoffmann eingesetzt waren. Die Anzahl von V-Leuten ist eine Information, die der Öffentlichkeit nicht bekannt sein kann. Jedoch erscheint es kaum möglich, allein aufgrund der Gesamtzahl eingesetzter V-Leute aus der Wehrsportgruppe beim Bundesamt für Verfassungsschutz und beiden Landesämtern für Verfassungsschutz nach über 30 Jahren Rückschlüsse auf die heutige Arbeitsweise dieser Behörden und die Identität einzelner V-Personen zu ziehen.

158

(2) Die Grenze der Geheimhaltungsbedürftigkeit wird jedoch durch die Fragen danach, wie viele V-Leute für welches Landesamt für Verfassungsschutztätig waren (Fragen 28 und 29), überschritten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es Personen aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe gelingen könnte, etwaige V-Leute zu enttarnen, steigt schon an, wenn deren genaue Anzahl bekannt wird. Dies gilt in verstärktem Maße, wenn bei den ehemaligen V-Leuten der Landesämter für Verfassungsschutz zusätzlich bekannt würde, für welches Landesamt sie tätig waren. Diese Information könnte eine Eingrenzung der damaligen Wohnorte etwaiger V-Leute oder ihre Zuordnung zu einzelnen Ortsgruppen der Wehrsportgruppe ermöglichen.

159

Vor diesem Hintergrund ist eine Beeinträchtigung von Belangen des Staatswohls in Gestalt der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nicht von der Hand zu weisen. Da möglicherweise noch immer aktive, zumindest aber noch lebende V-Leute enttarnt werden könnten, überwiegt das Geheimhaltungsinteresse. Würden ehemalige Mitglieder der Wehrsportgruppe als V-Leute enttarnt, könnten diese künftig nicht mehr als solche eingesetzt werden. Dass damalige V-Leute heute noch für die Behörden tätig sind, ist angesichts des Zeitablaufs zwar nicht besonders wahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen. Es erscheint jedenfalls möglich, dass diese Personen noch immer in der rechtsextremen Szene aktiv und weiterhin zur Kooperation mit den Behörden bereit sind. Unabhängig davon, ob es zu einer Enttarnung kommt, könnte die Mitteilung der abgefragten Informationen das Vertrauen in die Geltung von Vertraulichkeitszusagen schwächen und aktuelle oder potentielle V-Leute verunsichern. Auch die bereits erörterten Bedenken hinsichtlich des Grundrechtsschutzes kommen mit Blick auf die erbetenen Zusatzinformationen in verstärktem Maße zum Tragen.

160

Die Antragsgegnerin durfte daher entsprechende Auskünfte unter Berufung auf das Staatswohl und den Schutz der Grundrechte etwaiger V-Leute verweigern. Sie musste die Auskünfte auch nicht unter Anwendung der Geheimschutzordnung erteilen, weil die Wahrscheinlichkeit einer unerlaubten Informationsweitergabe steigt, je größer die Zahl der Geheimnisträger ist. Dieses Risiko muss aufgrund der möglichen Enttarnung von V-Leuten, der damit einhergehenden Gefährdung des Staatswohls und der Grundrechte dieser Personen nicht in Kauf genommen werden.

D.

161

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), sind hier nicht ersichtlich.

(1) Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Durch Bundesgesetz können Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden.

(2) Der Bund nimmt die über den Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgehenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahr, die ihm durch Bundesgesetz übertragen werden.

(3) Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt. Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen nach Satz 2 erfolgt auf Grund eines Gesetzes; die Mehrheit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim Bund. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(4) Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(5) Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, die Übertragung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte sowie die Stillegung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes regeln oder Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Durch Bundesgesetz können Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden.

(2) Der Bund nimmt die über den Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgehenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahr, die ihm durch Bundesgesetz übertragen werden.

(3) Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt. Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen nach Satz 2 erfolgt auf Grund eines Gesetzes; die Mehrheit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim Bund. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(4) Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(5) Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, die Übertragung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte sowie die Stillegung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes regeln oder Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Nach Maßgabe eines Bundesgesetzes, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen.

(2) Dienstleistungen im Sinne des Absatzes 1 werden als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und durch andere private Anbieter erbracht. Hoheitsaufgaben im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation werden in bundeseigener Verwaltung ausgeführt.

(3) Unbeschadet des Absatzes 2 Satz 2 führt der Bund in der Rechtsform einer bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts einzelne Aufgaben in bezug auf die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen nach Maßgabe eines Bundesgesetzes aus.

(1) Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Durch Bundesgesetz können Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden.

(2) Der Bund nimmt die über den Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgehenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahr, die ihm durch Bundesgesetz übertragen werden.

(3) Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt. Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen nach Satz 2 erfolgt auf Grund eines Gesetzes; die Mehrheit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim Bund. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(4) Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(5) Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, die Übertragung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte sowie die Stillegung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes regeln oder Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben.

(1) Nach Maßgabe eines Bundesgesetzes, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen.

(2) Dienstleistungen im Sinne des Absatzes 1 werden als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und durch andere private Anbieter erbracht. Hoheitsaufgaben im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation werden in bundeseigener Verwaltung ausgeführt.

(3) Unbeschadet des Absatzes 2 Satz 2 führt der Bund in der Rechtsform einer bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts einzelne Aufgaben in bezug auf die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen nach Maßgabe eines Bundesgesetzes aus.

(1) Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Durch Bundesgesetz können Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden.

(2) Der Bund nimmt die über den Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgehenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahr, die ihm durch Bundesgesetz übertragen werden.

(3) Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt. Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen nach Satz 2 erfolgt auf Grund eines Gesetzes; die Mehrheit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim Bund. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(4) Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(5) Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, die Übertragung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte sowie die Stillegung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes regeln oder Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder gelten § 93 mit Ausnahme des Absatzes 2 Satz 3 über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder und § 15b der Insolvenzordnung sinngemäß. Die Aufsichtsratsmitglieder sind insbesondere zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen verpflichtet. Sie sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn sie eine unangemessene Vergütung festsetzen (§ 87 Absatz 1).

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Berufsangehörige haben ihren Beruf unabhängig, gewissenhaft, verschwiegen und eigenverantwortlich auszuüben. Sie haben sich insbesondere bei der Erstattung von Prüfungsberichten und Gutachten unparteiisch zu verhalten.

(2) Berufsangehörige haben sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit ihrem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs unvereinbar ist. Sie haben sich der besonderen Berufspflichten bewusst zu sein, die ihnen aus der Befugnis erwachsen, gesetzlich vorgeschriebene Bestätigungsvermerke zu erteilen. Sie haben sich auch außerhalb der Berufstätigkeit des Vertrauens und der Achtung würdig zu erweisen, die der Beruf erfordert. Sie sind verpflichtet, sich fortzubilden.

(3) Wer Abschlussprüfer eines Unternehmens von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 des Handelsgesetzbuchs war oder wer als verantwortlicher Prüfungspartner im Sinne der Sätze 3 oder 4 bei der Abschlussprüfung eines solchen Unternehmens tätig war, darf dort innerhalb von zwei Jahren nach der Beendigung der Prüfungstätigkeit keine wichtige Führungstätigkeit ausüben, nicht als Mitglied des Aufsichtsrats, des Prüfungsausschusses des Aufsichtsrats oder des Verwaltungsrats tätig sein und sich nicht zur Übernahme einer der vorgenannten Tätigkeiten verpflichten. Satz 1 gilt mit der Maßgabe, dass die Frist ein Jahr beträgt, entsprechend für

1.
Personen, die als Abschlussprüfer oder verantwortliche Prüfungspartner gesetzliche Abschlussprüfungen eines sonstigen Unternehmens durchgeführt haben,
2.
Partner und Mitarbeiter des Abschlussprüfers, die zwar nicht selbst als Abschlussprüfer oder verantwortlicher Prüfungspartner tätig, aber unmittelbar am Prüfungsauftrag beteiligt waren und die als Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder EU- oder EWR-Abschlussprüfer zugelassen sind, und
3.
alle anderen Berufsangehörigen, vereidigten Buchprüfer oder EU- oder EWR-Abschlussprüfer, deren Leistungen der Abschlussprüfer des Unternehmens in Anspruch nehmen oder kontrollieren kann und die unmittelbar am Prüfungsauftrag beteiligt waren.
Verantwortlicher Prüfungspartner ist, wer den Bestätigungsvermerk nach § 322 des Handelsgesetzbuchs unterzeichnet oder als Wirtschaftsprüfer von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als für die Durchführung einer Abschlussprüfung vorrangig verantwortlich bestimmt worden ist. Als verantwortlicher Prüfungspartner gilt auf Konzernebene auch, wer als Wirtschaftsprüfer auf der Ebene bedeutender Tochterunternehmen als für die Durchführung von deren Abschlussprüfung vorrangig verantwortlich bestimmt worden ist.

(4) Berufsangehörige haben während der gesamten Prüfung eine kritische Grundhaltung zu wahren. Dazu gehört es,

1.
Angaben zu hinterfragen,
2.
ungeachtet ihrer bisherigen Erfahrung mit der Aufrichtigkeit und Integrität des Führungspersonals des geprüften Unternehmens und der mit der Unternehmensüberwachung betrauten Personen die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass es auf Grund von Sachverhalten oder Verhaltensweisen, die auf Unregelmäßigkeiten wie Betrug oder Unrichtigkeiten hindeuten, zu einer wesentlichen falschen Darstellung gekommen sein könnte,
3.
auf Gegebenheiten zu achten, die auf eine falsche Darstellung hindeuten könnten, und
4.
die Prüfungsnachweise kritisch zu beurteilen.
Ihre kritische Grundhaltung haben Berufsangehörige insbesondere bei der Beurteilung der Schätzungen des Unternehmens in Bezug auf Zeitwertangaben, Wertminderungen von Vermögensgegenständen, Rückstellungen und künftige Cashflows, die für die Beurteilung der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit von Bedeutung sind, beizubehalten.

(5) Berufsangehörige haben bei der Durchführung von Abschlussprüfungen ausreichend Zeit für den Auftrag aufzuwenden und die zur angemessenen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Mittel, insbesondere – soweit erforderlich – Personal mit den notwendigen Kenntnissen und Fähigkeiten, einzusetzen.

(6) Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben darüber hinaus bei Durchführung der Abschlussprüfung

1.
den verantwortlichen Prüfungspartner insbesondere anhand der Kriterien der Prüfungsqualität, Unabhängigkeit und Kompetenz auszuwählen,
2.
dem verantwortlichen Prüfungspartner die zur angemessenen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Mittel, insbesondere Personal mit den notwendigen Kenntnissen und Fähigkeiten, zur Verfügung zu stellen und
3.
den verantwortlichen Prüfungspartner aktiv an der Durchführung der Abschlussprüfung zu beteiligen.
Die für die Durchführung einer gesetzlichen Abschlussprüfung bei einem Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 des Handelsgesetzbuchs verantwortlichen Prüfungspartner beenden ihre Teilnahme an der Abschlussprüfung des geprüften Unternehmens abweichend von Artikel 17 Absatz 7 Unterabsatz 1 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909/EG der Kommission (ABl. L 158 vom 27.5.2014, S. 77; L 170 vom 11.6.2014, S. 66) spätestens fünf Jahre nach dem Datum ihrer Bestellung.

(1) Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Durch Bundesgesetz können Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden.

(2) Der Bund nimmt die über den Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgehenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahr, die ihm durch Bundesgesetz übertragen werden.

(3) Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt. Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen nach Satz 2 erfolgt auf Grund eines Gesetzes; die Mehrheit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim Bund. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(4) Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.

(5) Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, die Übertragung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte sowie die Stillegung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes regeln oder Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben.

(1) Die Bundesanstalt und die Deutsche Bundesbank arbeiten nach Maßgabe dieses Gesetzes zusammen. Unbeschadet weiterer gesetzlicher Maßgaben umfasst die Zusammenarbeit die laufende Überwachung der Institute durch die Deutsche Bundesbank. Die laufende Überwachung beinhaltet insbesondere die Auswertung der von den Instituten eingereichten Unterlagen, der Prüfungsberichte nach § 26 und der Jahresabschlussunterlagen sowie die Durchführung und Auswertung der bankgeschäftlichen Prüfungen zur Beurteilung der angemessenen Eigenkapitalausstattung und Risikosteuerungsverfahren der Institute und das Bewerten von Prüfungsfeststellungen. Die laufende Überwachung durch die Deutsche Bundesbank erfolgt in der Regel durch ihre Hauptverwaltungen.

(1a) Innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus im Sinne des Artikels 2 Nummer 9 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 ist Absatz 1 auch dann anzuwenden, wenn die Bundesanstalt die Europäische Zentralbank bei ihren Aufgaben im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 und 3 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 unterstützt. Bei der Zusammenarbeit nach Absatz 1 informieren sich die Bundesanstalt und die Deutsche Bundesbank unverzüglich über Anfragen der Europäischen Zentralbank und tauschen von dieser erhaltene Informationen aus. Übermittelt die Bundesanstalt oder die Deutsche Bundesbank im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz Beobachtungen, Feststellungen, Daten oder sonstige Informationen an die Europäische Zentralbank, übermittelt sie diese zeitgleich auch an die jeweils andere Stelle. Die Absätze 2 bis 5 finden auch im Rahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus entsprechende Anwendung.

(2) Die Deutsche Bundesbank hat die Richtlinien der Bundesanstalt zu beachten. Die Richtlinien der Bundesanstalt zur laufenden Aufsicht ergehen im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank. Innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus beachtet die Bundesanstalt bei Erlass der Richtlinien die Vorgaben der Europäischen Zentralbank nach Artikel 6 Absatz 5 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013. Kann ein Einvernehmen nicht innerhalb einer angemessenen Frist hergestellt werden, erlässt das Bundesministerium der Finanzen solche Richtlinien im Benehmen mit der Deutschen Bundesbank und unter Beachtung der innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus erlassenen Vorgaben der Europäischen Zentralbank nach Artikel 6 Absatz 5 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013. Die aufsichtsrechtlichen Maßnahmen, insbesondere Allgemeinverfügungen und Verwaltungsakte einschließlich Prüfungsanordnungen nach § 44 Absatz 1 Satz 2 und § 44b Absatz 2 Satz 1, trifft die Bundesanstalt gegenüber den Instituten oder Auslagerungsunternehmen. Die Bundesanstalt legt die von der Deutschen Bundesbank getroffenen Prüfungsfeststellungen und Bewertungen in der Regel ihren aufsichtsrechtlichen Maßnahmen zugrunde.

(3) Die Bundesanstalt und die Deutsche Bundesbank haben einander Beobachtungen und Feststellungen mitzuteilen, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Die Deutsche Bundesbank hat insoweit der Bundesanstalt auch die Angaben zur Verfügung zu stellen, die jene auf Grund statistischer Erhebungen nach § 18 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank erlangt. Sie hat vor Anordnung einer solchen Erhebung die Bundesanstalt zu hören; § 18 Satz 5 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank gilt entsprechend.

(4) Die Zusammenarbeit nach den Absätzen 1 und 1a sowie die Mitteilungen nach Absatz 3 schließen die Übermittlung der zur Erfüllung der Aufgaben der empfangenden Stelle erforderlichen personenbezogenen Daten ein. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz dürfen die Bundesanstalt und die Deutsche Bundesbank gegenseitig die bei der anderen Stelle jeweils gespeicherten Daten im automatisierten Verfahren abrufen. Die Deutsche Bundesbank hat bei jedem zehnten von der Bundesanstalt durchgeführten Abruf personenbezogener Daten den Zeitpunkt, die Angaben, welche die Feststellung der aufgerufenen Datensätze ermöglichen, sowie die für den Abruf verantwortliche Person zu protokollieren. Die Protokolldaten dürfen nur für Zwecke der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsmäßigen Betriebs der Datenverarbeitungsanlage verarbeitet werden. Sie sind am Ende des auf das Jahr der Protokollierung folgenden Kalenderjahres zu löschen, soweit sie nicht für ein laufendes Kontrollverfahren benötigt werden. Die Sätze 3 bis 5 gelten entsprechend für die Datenabrufe der Deutschen Bundesbank bei der Bundesanstalt. Im Übrigen bleiben die allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften unberührt.

(5) Die Bundesanstalt und die Deutsche Bundesbank können gemeinsame Dateisysteme einrichten. Jede der beiden Stellen darf nur die von ihr eingegebenen Daten verändern oder löschen oder ihre Verarbeitung einschränken und ist nur hinsichtlich der von ihr eingegebenen Daten Verantwortlicher. Hat eine der beiden Stellen Anhaltspunkte dafür, dass von der anderen Stelle eingegebene Daten unrichtig sind, teilt sie dies der anderen Stelle unverzüglich mit. Bei der Errichtung eines gemeinsamen Dateisystems ist festzulegen, welche Stelle die technischen und organisatorischen Maßnahmen nach den Artikeln 24, 25 und 32 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung zu treffen hat. Die nach Satz 4 bestimmte Stelle hat sicherzustellen, dass die Beschäftigten Zugang zu personenbezogenen Daten nur in dem Umfang erhalten, der zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist.

(1) Die Bundesanstalt übt die Aufsicht über die Institute nach den Vorschriften dieses Gesetzes, den dazu erlassenen Rechtsverordnungen, der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in ihrer jeweils geltenden Fassung und der auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 und der Richtlinie 2013/36/EU erlassenen Rechtsakte sowie nach den Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 und der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 aus. Die Bundesanstalt ist die zuständige Behörde für die Anwendung von Artikel 124 Absatz 2, Artikel 164 Absatz 6 und Artikel 458 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 sowie die zuständige Behörde nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 2013/36/EU, soweit nicht die Europäische Zentralbank nach der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 als zuständige Behörde gilt. Die Deutsche Bundesbank ist zuständige Stelle nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 2013/36/EU im Rahmen der ihr nach § 7 Absatz 1 auch in Verbindung mit Absatz 1a zugewiesenen Aufgaben, soweit nicht die Europäische Zentralbank nach der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 als zuständige Behörde gilt.

(1a) Die Bundesanstalt übt die Aufsicht über zentrale Gegenparteien zusätzlich auch nach der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 sowie den auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsakten aus.

(1b) Für CRR-Institute ist die Bundesanstalt sektoral zuständige Behörde im Sinne des Artikels 25a der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 in der jeweils geltenden Fassung und setzt die Einhaltung der Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 in der jeweils geltenden Fassung durch, soweit nicht § 29 des Wertpapierhandelsgesetzes anzuwenden ist.

(1c) Die Bundesanstalt ist zuständige Behörde im Sinne der Artikel 11, 17 Absatz 1 und des Artikels 55 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 1).

(1d) Die Bundesanstalt ist die nach diesem Gesetz zuständige Behörde im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP) (ABl. L 352 vom 9.12.2014, S. 1, L 358 vom 13.12.2014, S. 50) in der jeweils geltenden Fassung für Institute, die PRIP im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 dieser Verordnung herstellen, verkaufen oder über diese beraten, sofern es sich bei diesen PRIP zugleich um strukturierte Einlagen im Sinne des § 2 Absatz 15 des Wertpapierhandelsgesetzes handelt.

(1e) Die Bundesanstalt ist zuständige Behörde für

1.
Originatoren, ursprüngliche Kreditgeber und Verbriefungszweckgesellschaften im Sinne des Artikels 29 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2017/2402,
2.
Originatoren, Sponsoren und Verbriefungszweckgesellschaften nach Artikel 29 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2017/2402 und
3.
Dritte im Sinne des Artikels 28 der Verordnung (EU) 2017/2402
und setzt ihnen gegenüber in Fällen der Nummer 1 die Einhaltung der Anforderungen nach den Artikeln 6 bis 9, in Fällen der Nummer 2 die Einhaltung der Anforderungen nach den Artikeln 18 bis 27 und in Fällen der Nummer 3 die Einhaltung der Anforderungen nach Artikel 28 der Verordnung (EU) 2017/2402 und der auf Grundlage der Verordnung (EU) 2017/2402 erlassenen Rechtsakte nach den Vorschriften dieses Gesetzes durch, soweit nicht § 295 Absatz 1 Nummer 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes oder § 5 Absatz 12 des Kapitalanlagegesetzbuchs anzuwenden sind.

(1f) Die Bundesanstalt ist zuständige Behörde im Sinne des Artikels 2 Nummer 18 der Verordnung (EU) 2019/1238 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über ein Paneuropäisches Privates Pensionsprodukt (PEPP) (ABl. L 198 vom 25.7.2019, S. 1) nach den Vorschriften dieses Gesetzes, soweit nicht § 295 Absatz 1 Nummer 7 des Versicherungsaufsichtsgesetzes, § 32a Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes oder § 5 Absatz 13 des Kapitalanlagegesetzbuchs anzuwenden sind.

(2) Die Bundesanstalt hat Mißständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen entgegenzuwirken, welche die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsmäßige Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können.

(3) Die Bundesanstalt kann im Rahmen der ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben gegenüber den Instituten und ihren Geschäftsleitern Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, um Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen zu verhindern oder zu unterbinden oder um Missstände in einem Institut zu verhindern oder zu beseitigen, welche die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte gefährden können oder die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen. Die Anordnungsbefugnis nach Satz 1 besteht auch gegenüber Finanzholding-Gesellschaften oder gemischten Finanzholding-Gesellschaften sowie gegenüber den Personen, die die Geschäfte dieser Gesellschaften tatsächlich führen.

(4) Die Bundesanstalt hat bei der Ausübung ihrer Aufgaben in angemessener Weise die möglichen Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf die Stabilität des Finanzsystems in den jeweils betroffenen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums zu berücksichtigen.

(5) (weggefallen)

(1) Zusätzlich zu den Angaben, die nach den Artikeln 435 bis 455 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in der jeweils geltenden Fassung zu machen sind, sind die rechtliche und die organisatorische Struktur sowie die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung der Gruppe darzustellen. Die CRR-Kreditinstitute haben darüber hinaus auf konsolidierter Basis, aufgeschlüsselt nach Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Drittstaaten, in denen die Institute über Niederlassungen verfügen, folgende Angaben in eine Anlage zum Jahresabschluss im Sinne des § 26 Absatz 1 Satz 2 aufzunehmen, von einem Abschlussprüfer nach Maßgabe des § 340k des Handelsgesetzbuchs prüfen zu lassen und offenzulegen:

1.
die Firmenbezeichnungen, die Art der Tätigkeiten und die geografische Lage der Niederlassungen,
2.
den Umsatz,
3.
die Anzahl der Lohn- und Gehaltsempfänger in Vollzeitäquivalenten,
4.
Gewinn oder Verlust vor Steuern,
5.
Steuern auf Gewinn oder Verlust,
6.
erhaltene öffentliche Beihilfen.
Ist das CRR-Kreditinstitut in den Konzernabschluss eines anderen Mutterunternehmens mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einbezogen, das den Anforderungen der Richtlinie 2013/36/EU unterworfen ist, braucht es die Angaben nach Satz 2 nicht zu machen. In ihrem Jahresbericht legen die CRR-Kreditinstitute ihre Kapitalrendite, berechnet als Quotient aus Nettogewinn und Bilanzsumme offen. Global systemrelevante Institute, die im Inland zugelassen sind, sind verpflichtet, der Europäischen Kommission die in Satz 2 Nummer 4 bis 6 genannten Angaben bis zum 1. Juli 2014 auf vertraulicher Basis zu übermitteln. Das Nähere zu den Anforderungen in Satz 2 bis 5 regelt die Rechtsverordnung nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 10.

(2) Kommt ein Institut seinen Offenlegungspflichten in anderen als den in Artikel 432 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in der jeweils geltenden Fassung genannten Fällen nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nach, kann die Bundesanstalt im Einzelfall Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, die ordnungsgemäße Offenlegung der Informationen zu veranlassen. Die Bundesanstalt kann von den Artikeln 433 bis 434 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in der jeweils geltenden Fassung abweichende Zeitpunkte und Orte für die Veröffentlichung festlegen oder die Offenlegung zusätzlicher Informationen verlangen.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die bei der Bundesanstalt beschäftigten und die nach § 4 Absatz 3 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes beauftragten Personen, die nach § 45c bestellten Sonderbeauftragten, die nach § 37 Absatz 1 Satz 2 und § 38 Absatz 2 Satz 2 und 3 bestellten Abwickler, die gerichtlich bestellten Treuhänder nach § 2c Absatz 2 Satz 2 sowie die im Dienst der Deutschen Bundesbank stehenden Personen, soweit sie zur Durchführung dieses Gesetzes tätig werden, dürfen die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des Instituts, der zuständigen Behörden oder eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, nicht unbefugt offenbaren oder verwerten, auch wenn sie nicht mehr im Dienst sind oder ihre Tätigkeit beendet ist. Dies gilt auch für die in Satz 1 genannten Personen, sofern ihnen Tatsachen im Rahmen der Anbahnung einer Beauftragung oder Bestellung anvertraut werden. Die von den beaufsichtigten Instituten und Unternehmen zu beachtenden allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften bleiben unberührt. Dies gilt auch für andere Personen, die durch dienstliche Berichterstattung Kenntnis von den in Satz 1 bezeichneten Tatsachen erhalten. Ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere nicht vor, wenn Tatsachen weitergegeben werden an

1.
Strafverfolgungsbehörden oder für Straf- und Bußgeldsachen zuständige Gerichte,
2.
kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Überwachung von Instituten, Wertpapierinstitute, Kapitalverwaltungsgesellschaften, extern verwalteten Investmentgesellschaften, EU-Verwaltungsgesellschaften oder ausländischen AIF-Verwaltungsgesellschaften, Finanzunternehmen, Versicherungsunternehmen, der Finanzmärkte oder des Zahlungsverkehrs betraute Stellen sowie von diesen beauftragte Personen,
3.
mit der Liquidation, oder dem Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Instituts befaßte Stellen,
4.
mit der gesetzlichen Prüfung der Rechnungslegung von Instituten oder Finanzunternehmen betraute Personen sowie Stellen, welche die vorgenannten Personen beaufsichtigen,
5.
eine Einlagensicherungseinrichtung oder Anlegerentschädigungseinrichtung,
6.
Wertpapier- oder Terminbörsen,
7.
Zentralnotenbanken,
8.
Betreiber von Systemen nach § 1 Abs. 16,
9.
die zuständigen Stellen in anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums sowie in Drittstaaten, mit denen die Bundesanstalt im Rahmen von Aufsichtskollegien nach § 8e zusammenarbeitet,
10.
die Europäische Zentralbank, das Europäische System der Zentralbanken, die Europäische Bankenaufsichtsbehörde, die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, den Gemeinsamen Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden, den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken oder die Europäische Kommission,
11.
Behörden, die für die Aufsicht über Zahlungs- und Abwicklungssysteme zuständig sind,
12.
Parlamentarische Untersuchungsausschüsse nach § 1 des Untersuchungsausschussgesetzes auf Grund einer Entscheidung über ein Ersuchen nach § 18 Absatz 2 des Untersuchungsausschussgesetzes,
13.
das Bundesverfassungsgericht,
14.
den Bundesrechnungshof, sofern sich sein Untersuchungsauftrag auf die Entscheidungen und sonstigen Tätigkeiten der Bundesanstalt nach diesem Gesetz oder der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 bezieht,
15.
Verwaltungsgerichte in verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten, in denen die Bundesanstalt Beklagte ist, mit Ausnahme von Klagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz,
16.
die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich für die Zwecke quantitativer Folgenabschätzungen sowie an den Rat für Finanzstabilität für die Zwecke seiner Überwachungsaufgaben,
17.
den Internationalen Währungsfonds oder die Weltbank für die Zwecke der Bewertungen im Rahmen des Programms zur Bewertung des Finanzsektors,
18.
den Ausschuss für Finanzstabilität oder den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken,
19.
die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, das Gremium zum Finanzmarktstabilisierungsfonds im Sinne des § 10a Absatz 1 des Stabilisierungsfondsgesetzes oder den Lenkungsausschuss im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des Stabilisierungsfondsgesetzes,
20.
Behörden im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Nummer 17 und 18 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014,
21.
Behörden, die für die Überwachung der Einhaltung der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates durch die in Artikel 2 Absatz 1 Nummer 1 und 2 der Richtlinie aufgeführten Verpflichteten zuständig sind, und zentrale Meldestellen oder andere Behörden, die kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Bekämpfung, Aufklärung und Verhinderung von Geldwäsche oder von Terrorismusfinanzierung betraut sind,
22.
zuständige Behörden oder Stellen, die für die Anwendung der Regelungen zur strukturellen Trennung innerhalb einer Bankengruppe verantwortlich sind,
23.
das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik,
24.
zuständige Behörden im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe r der Verordnung (EU) 2020/1503 oder
25.
natürliche oder juristische Personen, die als Sonderbeauftragte nach § 45c, als Abwickler nach § 37 Absatz 1 Satz 2 oder § 38 Absatz 2 Satz 2 oder 3 oder als Treuhänder nach § 2c Absatz 2 Satz 2 oder in einem vergleichbaren Verhältnis tätig werden; das Gleiche gilt für die Informationsweitergabe an diesen Personenkreis, die im Rahmen der Anbahnung einer Beauftragung oder Bestellung notwendig ist,
soweit diese Stellen oder Personen die Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben oder zur Prüfung, ob sie eine der in Nummer 25 genannten Aufgaben ausüben können, benötigen. Für die bei den in Satz 5 Nummer 1 bis 11, 13 bis 19, 21, 23 und 25 genannten Stellen oder Personen beschäftigten Personen und die von diesen Stellen oder Personen beauftragten Personen sowie für die Mitglieder der in Satz 5 Nummer 12 und 19 genannten Ausschüsse gilt die Verschwiegenheitspflicht nach Satz 1 entsprechend. Befindet sich eine in Satz 5 Nummer 1 bis 11, 16 bis 18, 21 und 22 genannte Stelle in einem anderen Staat, so dürfen die Tatsachen nur weitergegeben werden, wenn die bei dieser Stelle beschäftigten und die von dieser Stelle beauftragten Personen einer dem Satz 1 weitgehend entsprechenden Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Die ausländische Stelle ist darauf hinzuweisen, daß sie Informationen nur zu dem Zweck verarbeiten darf, zu deren Erfüllung sie ihr übermittelt werden. Eine Weitergabe an die in Satz 5 Nummer 16 und 17 genannten Stellen darf nur erfolgen, wenn
1.
die Anfrage unter Berücksichtigung der übertragenen spezifischen Aufgaben hinreichend begründet und hinreichend genau in Bezug auf Art, Umfang und Format der angeforderten Informationen und in Bezug auf die Mittel für deren Übermittlung ist,
2.
die angeforderten Informationen
a)
unbedingt erforderlich sind, damit die anfragende Stelle ihre spezifischen Aufgaben wahrnehmen kann, und
b)
nicht über die der anfragenden Stelle übertragenen gesetzlichen Aufgaben hinausgehen und
3.
die Informationen ausschließlich den Personen übermittelt werden, die bei der anfragenden Stelle unmittelbar mit der Wahrnehmung der spezifischen Aufgabe befasst sind, für deren Erfüllung die angeforderten Informationen unbedingt erforderlich sind.
Andere Informationen als aggregierte und anonymisierte Informationen dürfen mit den in Satz 5 Nummer 16 und 17 genannten Stellen nur in den Räumlichkeiten der Aufsichtsbehörde und der Deutschen Bundesbank ausgetauscht werden. Informationen, die aus einem anderen Staat stammen, dürfen nur mit ausdrücklicher Zustimmung der zuständigen Stellen, die diese Informationen mitgeteilt haben, und nur für solche Zwecke weitergegeben werden, denen diese Stellen zugestimmt haben.

(2) Ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten von Tatsachen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 liegt nicht vor, wenn die Ergebnisse von im Einklang mit Artikel 100 der Richtlinie 2013/36/EU oder Artikel 32 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 in der jeweils geltenden Fassung durchgeführten Stresstests veröffentlicht oder der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde zur Veröffentlichung EU-weiter Stresstestergebnisse übermittelt werden.

(3) Betrifft die Weitergabe von Tatsachen nach Absatz 1 personenbezogene Daten, sind die allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften anzuwenden.

(4) Tritt eine Krisensituation ein, so kann die Bundesanstalt zu Aufsichtszwecken Tatsachen auch an die zuständigen Stellen in anderen Staaten weitergeben.

(5) Die §§ 93, 97 und 105 Absatz 1, § 111 Absatz 5 in Verbindung mit § 105 Absatz 1 sowie § 116 Absatz 1 der Abgabenordnung gelten für die in Absatz 1 bezeichneten Personen nur, soweit die Finanzbehörden die Kenntnisse für die Durchführung eines Verfahrens wegen einer Steuerstraftat sowie eines damit zusammenhängenden Besteuerungsverfahrens benötigen. Die in Satz 1 genannten Vorschriften sind jedoch nicht anzuwenden, soweit Tatsachen betroffen sind,

1.
die den in Absatz 1 Satz 1 oder Satz 3 bezeichneten Personen durch die zuständige Aufsichtsstelle eines anderen Staates oder durch von dieser Stelle beauftragte Personen mitgeteilt worden sind oder
2.
von denen bei der Bundesanstalt beschäftigte Personen dadurch Kenntnis erlangen, dass sie an der Aufsicht über direkt von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigte Institute mitwirken, insbesondere in gemeinsamen Aufsichtsteams nach Artikel 2 Nummer 6 der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank, und die nach den Regeln der Europäischen Zentralbank geheim sind.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.