Finanzgericht München Urteil, 05. Feb. 2015 - 12 K 560/15

bei uns veröffentlicht am05.02.2015

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2005 vom 19. Juli 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Februar 2015 wird die Einkommensteuer auf 1.935,00 € festgesetzt.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Gründe

Streitig ist, ob der Beklagte berechtigt war, einen bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid zu ändern.

I.

Die […] verheiratete Klägerin wurde aufgrund ihrer am 6. Februar 2007 abgegebenen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2005 für das Jahr der Eheschließung besonders veranlagt. Mit Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 4. Oktober 2007 setzte das Finanzamt [… ZZ] unter der Steuernummer […] (in der Folge StNr. 999) die Einkommensteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 1.904 € fest und ging von einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von 10.037 € aus. Außerdem stellte es mit Bescheid vom 4. Oktober 2007 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung den verbleibenden Verlustvortrag für Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften auf 221.298 € fest. Mit Einkommensteuerbescheid vom 24. September 2008 hob das Finanzamt ZZ [… Bearbeitungsstelle Q-Dorf] unter der Steuernummer […] (in der Folge StNr. 888) den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Mit Schreiben vom 13. August 2008 zeigten die steuerlichen Berater der Klägerin an, dass die Klägerin „am […] 2005 voraussichtlich doch endgültig einen gemeinsamen Wohnsitz mit ihrem Mann […] in der Schweiz begründet“ hat (Originalzitat). Das Schreiben wurde per Boten an das Finanzamt [… YY] übermittelt; angegeben war die Steuernummer [… 777/7]. Dieses Schreiben ist mit dem Eingangsstempel des Finanzamts YY vom „14. August 2008 Frühleerung“ versehen. In diesem Schreiben wurde ausgeführt, dass es Auffassungen gebe, die an die Verlagerung des Mittelpunkts des Lebensinteresses in die Schweiz eine Steuerpflicht nach dem Außensteuergesetz knüpfen und deshalb werde vorsorglich eine Kopie der Wohnsitzbescheinigung der Einwohnerkontrolle [… CH-Weiler] und eine entsprechende Steuererklärung nebst Berechnung des Wertes von Anteilen der Klägerin beigefügt. In der beigefügten Anlage GSE zur Einkommensteuererklärung 2005 wurde ein Veräußerungsgewinn nach § 6 Außensteuergesetz in der Fassung des Streitjahres (AStG) in Höhe von 1.045.535 € erklärt. Auf diesem Schreiben vom 13. August 2008 ist handschriftlich ohne Datumsangabe die StNr. 888 vermerkt.

Mit Schreiben vom 25. September 2008 wurden die mit dem Schreiben vom 13. August 2008 eingereichten Unterlagen vom Finanzamt ... an das Finanzamt ... wieder weitergereicht. Dieses Schreiben vom 25. September 2008 des Finanzamts ... trägt die Steuernummer 888. In diesem Schreiben wird gebeten, anhand der Unterlagen des Steuerberaters einen entsprechenden Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG festzustellen und eine geänderte Mitteilung an das Finanzamt... unter der oben angegebenen Steuernummer zu senden. Außerdem wird ausgeführt, dass für die Feststellung das Finanzamt zuständig sei, das für die „GbR [… …]“ zuständig sei; außerdem wird als weitere Steuernummer […] (in der Folge Steuernummer 777) angegeben. Auf dem Schreiben finden sich weiter die Eingangsstempel des Finanzamts ... vom 26. September 2008 und des Finanzamts YY Betriebsprüfungsstelle vom 30. Oktober 2008.

Durch die Änderungsverordnung vom 20. Juli 2009 (BStBl I 2009, 847) der Verordnung über Organisation und Zuständigkeiten in der Bayerischen Steuerverwaltung (BayZustVSt) vom 1. Dezember 2005 wurden mit Wirkung zum 1. August 2009 die verschiedenen Finanzämter in [… N-Stadt] zu einem Finanzamt […] (dem Beklagten ) zusammengefasst und nur noch als Abteilungen in diesem Finanzamt geführt.

Mit Schreiben vom 10. November 2009 reichte im Finanzamt die Abteilung YY [… Bearbeitungsstelle R-Dorf] die Unterlagen an die Abteilung ZZ zurück. In dem Schreiben führte der Bearbeiter unter der StNr. 777 aus, dass eine Feststellung in diesem Fall nicht zulässig sei. Die Unterlagen seien ursprünglich an die Betriebsprüfung weitergeleitet worden, die Gesellschaft sei jedoch nicht mit geprüft worden. Jedoch sollte die Gesellschaft ab 2005 nochmals zur Prüfung gemeldet werden.

Mit Schreiben vom 27. November 2009 ermittelte die Abteilung ZZ des Finanzamts beim Einwohnermeldeamt [… N-Stadt] nach dem Zeitpunkt, zu dem sich die Klägerin in die Schweiz abgemeldet habe. Dieses Schreiben ist unter der StNr. 999 verfasst worden.

Mit Einkommensteuerbescheid 2005 vom 17. März 2010 wurde unter der StNr. 999 in der Abteilung ZZ des Finanzamts die Einkommensteuerfestsetzung erneut geändert und nun die Einkommensteuer mit 1.935 € festgesetzt; dabei wurde von einem zu versteuernden Einkommen von 10.167 € ausgegangen. Als Änderungsvorschrift wird § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) genannt. Der Änderung lag zu Grunde, dass das Finanzamt die Kirchensteuererstattung im Jahr 2008 von 597 € mit einem Betrag von 130 € mit der bisher im Jahr 2005 als Sonderausgabe berücksichtigten Zahlung von Kirchensteuer in Höhe von 160 € verrechnete und den Sonderausgabenabzug für Kirchensteuer auf 30 € verminderte. In den Akten ist vermerkt, dass der Rücktrag der Kirchensteuererstattung nach 2006 mit 467 € und nach 2007 mit 130 € erfolgen soll (ESt-Akte 2007 Bl 35). Der Einkommensteueränderungsbescheid 2005 vom 17. März 2010 trägt die StNr. 999.

Mit Schreiben vom 26. November 2010 wandte sich die Abteilung ZZ des Finanzamts unter der StNr. 999 an die Abteilung Betriebsprüfung und bat um die Mitteilung der erforderlichen Angaben für die Wegzugsbesteuerung.

Mit Einkommensteuerbescheid 2005 vom 19. Juli 2011 änderte das Finanzamt erneut – unter der StNr. 999 – die Einkommensteuerfestsetzung und setzte die Einkommensteuer 2005 auf 435.620 € fest. In den Besteuerungsgrundlagen wurde nun der erklärte Vermögenszuwachs aus der Wegzugsbesteuerung gemäß § 6 AStG in Höhe von 1.045.535 € berücksichtigt; als Änderungsvorschrift ist § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO angegeben.

Ihren dagegen gerichteten Einspruch begründete die Klägerin damit, dass die angegebene Änderungsvorschrift des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht anwendbar sei. Sie habe nicht eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung beantragt und gebilligt. Sie habe vielmehr mit dem Schreiben vom 13. August 2008 vortragen lassen, dass sich ihr Mittelpunkt der Lebensinteressen in die Schweiz verlagert habe und dass aufgrund dieser Tatsachen die Rechtsauffassung vertreten werde, dass die Wegzugsbesteuerung in Betracht käme. Eine Änderung der Steuerfestsetzung könne somit allein gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfolgen. Wegen der Änderungsbescheide vom 24. September 2008 und vom 17. März 2010 fehle es aber an der nachträglich neu bekannt gewordenen Tatsache.

Mit Einspruchsentscheidung vom 5. Februar 2015 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Das Finanzamt war der Auffassung, dass eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zulässig sei. Für den zuständigen Bearbeiter des Falles sei die Verlegung des Wohnsitzes der Klägerin in die Schweiz beim Erlass des Einkommensteueränderungsbescheides 2005 vom 19. Juli 2011 eine neue Tatsache gewesen. Für den Einkommensteueränderungsbescheid 2005 vom 24. September 2008 sei die Bearbeitungsstelle in [… Q-Dorf] unter der StNr. 888 zuständig gewesen. Das Schreiben vom 13. August 2008 über die Mitteilung des Wegzuges habe aber der Bearbeitungsstelle in Q-Dorf nicht vorgelegen. Der Einkommensteueränderungsbescheid 2005 vom 17. März 2010 habe nur eine punktuelle Änderung zum Gegenstand gehabt. Bei dieser punktuellen Änderung des Sonderausgabenabzugs Kirchensteuer erfolge keine weitergehende Prüfung der Besteuerungsgrundlagen. Die Mitteilung im Schreiben vom 13. August 2008 habe deshalb bei der Änderung am 17. März 2010 noch nicht berücksichtigt werden müssen. Somit würde es sich bei der Tatsache des Wegzuges der Klägerin in die Schweiz beim Erlass des Einkommensteueränderungsbescheides 2005 vom 19. Juli 2011 um eine neue Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO handeln.

Dagegen richtet sich die Klage. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, dass die vom Finanzamt angeführte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu punktuellen Änderungen nur zur Änderung von Folgebescheiden gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ergangen sei. Im Streitfall liege aber eine Änderung wegen rückwirkender Ereignisse nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO für den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 17. März 2010 vor. Bei der Änderung wegen rückwirkender Ereignisse müsse jedoch eine umfassende Sachprüfung erfolgen. Damit sei die Mitteilung des Wegzuges der Klägerin für den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 19. Juli 2011 keine neue Tatsache mehr.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2005 vom 19. Juli 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Februar 2015 die Einkommensteuer auf 1.935,00 € festzusetzen, sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze und die vorgelegten Akten sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.

II,

Die Klage ist begründet.

1. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist jeder Lebenssachverhalt, der Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 19. Februar 2013 IX R 24/12, BFHE 240, 265, BStBl II 2013, 484, m.w.N., und BFH-Beschluss vom 19. Oktober 2011 X R 29/10, BFH/NV 2012, 227, m.w.N.). Nicht unter den Tatsachenbegriff fallen dagegen Schlussfolgerungen aller Art, rechtliche Würdigungen und Bewertungen, Rechtsansichten und juristische Subsumtionen, bei denen auf Grund von Tatsachen anhand gesetzlicher Vorschriften ein bestimmter Schluss gezogen wird (BFH-Urteile vom 28. Juni 2006 III R 13/06, BFHE 214, 287, BStBl II 2007, 714; vom 27. Januar 2011 III R 90/07, BFHE 232, 485, BStBl II 2011, 543). Nachträglich werden Tatsachen oder Beweismittel bekannt, wenn deren Kenntnis nach dem Zeitpunkt erlangt wird, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist. Grundsätzlich kommt es dabei auf den Wissensstand der zur Bearbeitung des Steuerfalls berufenen Dienststelle an. Dabei ist allerdings dieser Stelle grundsätzlich das bekannt, was sich aus den bei ihr geführten Akten ergibt, ohne dass es auf die individuelle Kenntnis des Bearbeiters ankommt (BFH-Urteile vom 28. April 1998 IX R 49/96, BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458; vom 18. Mai 2010 X R 49/08, BFH/NV 2010, 2225). Zu den Akten gehören alle Schriftstücke, die bei der Dienststelle vorliegen oder sie im Dienstgang erreichen (BFH-Urteile vom 5. November 1970 V R 71/67, BFHE 101, 156, BStBl II 1971, 220; vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492). Bekannt sind der zuständigen Dienststelle in diesem Sinn auch sämtliche Informationen, die dem Bearbeiter von vorgesetzten Dienststellen zur Verfügung gestellt werden (BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 VI R 61/09, BFHE 232, 5, BStBl II 2011, 479). Hinsichtlich archivierter Akten entspricht es der gefestigten BFH-Rechtsprechung, dass die zuständige Dienststelle des FA den Inhalt dieser Akten nur dann als bekannt gegen sich gelten lassen muss, wenn zur Hinzuziehung dieser Vorgänge nach den Umständen des Falles, insbesondere nach dem Inhalt der zu bearbeitenden Steuererklärung eine besondere Veranlassung bestand. Nur wenn diese Voraussetzung gegeben ist, führt die unterlassene Beiziehung der archivierten Akten zu einer Verletzung der Ermittlungspflicht (BFH-Urteile vom 13. Juli 1990 VI R 109/86, BFHE 161, 11, BStBl II 1990, 1048, und vom 11. Februar 1998 I R 82/97, BFHE 185, 568, BStBl II 1998, 552; vom 18. Mai 2010 X R 49/08, BFH/NV 2010, 2225; BFH-Beschluss vom 9. Dezember 1998 IV B 22/98, BFH/NV 1999, 900). Ist dem Bearbeiter der zuständigen Dienststelle im Zeitpunkt der Veranlagung der Inhalt der Akten nach diesen Grundsätzen bekannt, so können die hier aufgeführten Tatsachen nicht mehr nachträglich bekannt werden und damit auch nicht mehr Grundlage für die Änderung eines bestandskräftigen Bescheids gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sein (BFH-Urteile vom 13. Juni 2012 VI R 85/10, BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5; vom 8. Juli 2015 VI R 51/14, BFHE 250, 322, BStBl II 2017, 13).

2. Nach diesen Grundsätzen durfte der Einkommensteuerbescheid 2005 vom 17. März 2010 durch das FA nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden; der angefochtene Einkommensteueränderungsbescheid 2005 vom 19. Juli 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig.

a) Denn dem FA waren – unter der zuständigen Dienststelle für die StNr. 999 – bereits bei Erlass des Einkommensteuerbescheids vom 17. März 2010 sämtliche für die Wegzugsbesteuerung maßgeblichen Tatsachen bekannt, denn sie waren aktenkundige Tatsachen. Tatsachen sind in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin zum Dezember 2005 ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen in die Schweiz verlegt hat und die weiteren Voraussetzungen der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG erfüllt sind.

Im Übrigen sind sich die Beteiligten zu Recht dahin einig (vgl. die Sitzungsniederschrift), dass auch nach dem Einkommensteuerbescheid vom 24. September 2008 der Wegzug der Klägerin zunächst weiter eine neue Tatsache geblieben ist. Denn das Schreiben der Klägerin vom 13. August 2008 war zu diesem Zeitpunkt noch nicht der für die StNr. 888 zuständigen Dienststelle bekannt. Das Schreiben des Finanzamts vom 25. September 2008 ist zwar unter der StNr. 888 verfasst, das Schreiben wurde aber von einem Finanzbeamten in der Hauptstelle des Finanzamts in N-Stadt verfasst, ohne dass der Wegzug der Dienststelle für die StNr. 888 bekannt wurde.

aa) Nachträglich werden Tatsachen oder Beweismittel bekannt, wenn deren Kenntnis nach dem Zeitpunkt erlangt wird, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist (BFH-Urteil vom 13. Juni 2012 VI R 85/10, BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5). Maßgeblich ist grundsätzlich der letzte Bescheid, der für eine abschließende Sachprüfung in Betracht kommt.

Im Streitfall wurde der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid (hier der Bescheid vom 24. September 2008) geändert und im Einkommensteueränderungsbescheid (hier vom 17. März 2010) sind bestimmte Tatsachen nicht berücksichtigt worden (hier die Mitteilung über den Wegzug vom 13. August 2008). Damit sind diese Tatsachen bei einer beabsichtigten späteren Änderung nach § 173 AO nicht (mehr) neu, wenn nach § 88 AO Anlass bestand, sie bereits bei Erlass des Änderungsbescheids zu berücksichtigen. Der Änderungsbescheid vom 17. März 2010 tritt nämlich verfahrensrechtlich an die Stelle des ursprünglichen Bescheids (BFH-Urteil vom 13. September 2001 IV R 79/99, BFHE 196, 195, BStBl II 2002, 2).

bb) Diese Tatsache, dass die Voraussetzungen der Wegzugsbesteuerung vorliegen, hatte die Klägerin in dem Schreiben vom 13. August 2008 dem Finanzamt mitteilen lassen und dieses Schreiben lag dem zuständigen Bearbeiter für die StNr. 999 bereits im November 2009 vor. Am 16. November 2009 ging das Schreiben des Finanzamts vom 10. November 2009 unter StNr. 777 zusammen mit dem Schreiben der Klägerin vom 13. August 2008 und den weiteren Unterlagen zur Wegzugsbesteuerung in der Hauptstelle in N-Stadt ein. Auf diesem Schreiben vom 10. November 2009 wurde die StNr. 888 der Klägerin durchgestrichen und weiter vermerkt, dass die Akten unter StNr. 999 übernommen wurden (ESt-Akte 2007 Bl 57). Nachdem dieses Schreiben vom 10. November 2009 mit seinen Anlagen auf dem Dienstgang die zuständige Dienststelle erreicht hatte, ermittelte mit Schreiben vom 27. November 2009 der Bearbeiter in der für StNr. 999 zuständigen Dienststelle beim Einwohnermeldeamt wegen des Zeitpunkts der Abmeldung der Klägerin in die Schweiz (ESt-Akte 2007 Bl 61).

cc) Zwar mag das Schreiben der Klägerin vom 13. August 2008 zur Zeit der Erstellung des Änderungsbescheides vom 17. März 2010 im März 2010 sich – tatsächlich – nicht in den Akten der für die StNr. 999 zuständigen Dienststelle befunden haben, da der Bearbeiter das Schreiben zusammen mit den dazugehörigen Unterlagen an die Betriebsprüfungsstelle des Finanzamts geschickt hatte. Für diese Annahme spricht das Schreiben des zuständigen Bearbeiters für die StNr. 999 an die Betriebsprüfungsstelle vom 26. November 2010 mit einer Anfrage zum Sachstand wegen der Mitteilung von Angaben zur Wegzugsbesteuerung (ESt-Akte 2007 Bl 60) sowie dessen weiteres Schreiben vom 14. Dezember 2010 (ESt-Akte 2007 Bl 63) und die erst im Schreiben vom 15. Juni 2011 erfolgte Antwort des Betriebsprüfers (ESt-Akte 2007 Bl 106) an den Bearbeiter für die StNr. 999.

dd) Das Finanzamt muss aber den Inhalt des Schreibens vom 13. August 2008 nebst den beigefügten Anlagen im März 2010 als bekannt gegen sich gelten lassen, denn zur Hinzuziehung dieses Schreibens und der beigefügten Anlagen bestand nach den Umständen des Falles, insbesondere nach dem Inhalt der präsenten Akten, im März 2010 eine besondere Veranlassung. Aus dem Schreiben des Bearbeiters in der für die StNr. 999 zuständigen Dienststelle vom 26. November 2010 (ESt-Akte 2007 Bl 60) ergibt sich, dass ein Aktenvermerk vom 1. Dezember 2009 existierte, aus dem ersichtlich war, dass die Betriebsprüfung die erforderlichen Angaben zur Wegzugsbesteuerung mitteilen wollte. Dieser Aktenvermerk vom 1. Dezember 2009, der der Dienststelle für die StNr. 999 vorgelegen haben muss, befindet sich aber nicht mehr in den vom Finanzamt dem Gericht gemäß § 71 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgelegten Akten. In dem Unterlassen der Hinzuziehung des Schreibens vom 13. August 2008 und der Anlagen ist eine Verletzung der Ermittlungspflicht zu sehen. Denn der für die StNr. 999 zuständige Bearbeiter hatte zuvor im Jahr 2009 entschieden, dass die Mitteilung im Schreiben vom 13. August 2008 so bedeutsam ist, dass die Betriebsprüfung den Sachverhalt beurteilen soll. Er hätte deshalb nach dem Übermitteln der Anfrage an die Betriebsprüfungsstelle zumindest eine organisatorische Vorsorge treffen müssen (dazu BFH-Urteil vom 11. Februar 1998 I R 82/97, BFHE 185, 568, BStBl II 1998, 552, Rz. 17), dass durch ihn vor einer Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2005 der Vorgang der Wegzugsbesteuerung mit geprüft wird. Dazu hätte es bereits ausgereicht, wenn er in den Steuerakten eine Kopie der Anfrage an die Betriebsprüfung und des Schreibens vom 13. August 2008 quer in die Steuerakten eingeheftet hätte. Es kann nämlich nicht entscheidend sein, dass der zuständige Bearbeiter eine Mitteilung einer neuen Tatsache nicht in einer Akte ablegt und die Mitteilung an eine andere Stelle weiterleitet, die er für ebenfalls zuständig einstuft (BFH-Urteil vom 21. Juni 1968 VI R 135/66, BFHE 93, 33, BStBl II 1968, 698, Rz. 8).

b) Da die Voraussetzungen der Wegzugsbesteuerung Tatsachen und Beweismittel sind, die bei der abschließenden Zeichnung des Änderungsbescheids vom 17. März 2010 schon vorhanden waren, aber nicht berücksichtigt wurden, berechtigen sie nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom 17. März 2010 nicht mehr zur Korrektur nach § 173 AO. Es liegt auch nicht – wie das Finanzamt meint – eine der Ausnahmen von diesem Grundsatz vor.

aa) Nach § 88 AO ist das Finanzamt auch bei Erlass eines Änderungsbescheids zur Ermittlung des Sachverhaltes verpflichtet. Verletzt es diese Verpflichtung und bleiben ihm deshalb Tatsachen zunächst unbekannt, kann es diese nicht für eine spätere Änderung eines Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO benutzen (BFH-Urteil vom 13. November 1985 II R 208/82, BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241, ständige Rechtsprechung). Hiervon ist auch auszugehen, wenn das FA seine Ermittlungspflicht bei Erlass eines Änderungsbescheides vernachlässigt. Damit ließe sich nicht vereinbaren, dass es ihm bekannte Tatsachen bei Erlass des Änderungsbescheides nicht zu berücksichtigen braucht, sondern sie für eine erneute Änderung des Änderungsbescheids benutzen kann (BFH-Urteile vom 7. Juli 2004 XI R 10/03, BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911; vom 12. Januar 1989 IV R 8/88, BFHE 156, 4, BStBl II 1989, 438).

bb) Verpflichtet aber die beabsichtigte Änderung nach ihrer Art nicht zur weiteren Sachprüfung, bleibt eine spätere Änderung des (vorherigen) Änderungsbescheids nach § 173 AO möglich. Eine solche Pflicht zur (umfassenden) Berücksichtigung aller bis dahin bekanntgewordenen Tatsachen besteht insbesondere nicht bei Änderungen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, bei denen das Finanzamt den Grundlagenbescheid ohne eigene Sachprüfung übernehmen muss (BFH-Urteil vom 12. Januar 1989 IV R 8/88, BFHE 156, 4, BStBl II 1989, 438; BFH-Beschluss vom 23. März 1994 VIII B 50/93, BFH/NV 1994, 786; vom 9. August 2016 VIII R 27/14, BFHE 255, 51, HFR 2017, 41). Entsprechendes gilt in Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO. Auch in diesen Massenrechtsbehelfsverfahren, die allein darauf abzielen, dem Steuerpflichtigen eine spätere materielle Änderung zu ermöglichen, wenn das Musterverfahren Erfolg hat, ist das Finanzamt lediglich zu einer punktuellen Überprüfung des Steuerbescheids im Hinblick auf den Vorläufigkeitsausspruch verpflichtet (BFH-Beschluss vom 18 Dezember 2014 VI R 21/13, BFHE 248, 116, BStBl II 2017, 4; Klein/Rüsken, AO, 13. Aufl. 2016, § 173 Rz. 55 m.w.N.). Diese in der ständigen BFH-Rechtsprechung anerkannten Ausnahmen von einer Ermittlungspflicht vor Erlass eines Änderungsbescheides liegen aber bei dem Einkommensteueränderungsbescheid vom 17. März 2010 nicht vor.

cc) Aus der ständigen BFH-Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 7. Juli 2004 XI R 10/03, BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911, Rz. 20 m.w.N.) ist vielmehr der Grundsatz zu entnehmen, dass ansonsten grundsätzlich jeder Änderungsbescheid, der eine eigenständige Festsetzung der Steuer enthält, dazu führt, dass alle Tatsachen und Beweismittel, die bereits bei Erlass dieses Änderungsbescheides bekannt waren und berücksichtigt hätten werden müssen, jeden späteren Änderungsbescheid insoweit rechtswidrig machen, als er auf der verspäteten Auswertung dieser Tatsache beruht.

Aus diesem Grund hat nämlich der BFH bei der alleinigen Aufhebung eines Änderungsbescheides die spätere Berücksichtigung der damals bereits bekannten Tatsache durch einen neuen Änderungsbescheid nicht ausgeschlossen. Denn ein solcher Aufhebungsbescheid änderten nicht einen ursprünglichen Bescheid; vielmehr handelt es sich um einen bloßen actus contrarius, dessen Regelungswirkung sich allein auf die Beseitigung der Rechtswirkung des aufgehobenen Änderungsbescheids beschränkt (BFH-Urteil vom 13. September 2001 IV R 79/99, BFHE 196, 195, BStBl II 2002, 2). Auch ein Bescheid i.S. des 172 Abs. 2 AO, mit dem die Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheids abgelehnt wird, ist kein Änderungsbescheid, bei dessen Vorliegen der Zeitpunkt seines Erlasses für die Beurteilung, ob eine Tatsache nachträglich bekannt geworden ist, maßgeblich ist. Der Ablehnungsbescheid nimmt nämlich den ursprünglichen Bescheid nicht in seinen Regelungsgehalt auf. Er lässt dessen Wirksamkeit vielmehr unberührt (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 XI R 36/96, BFHE 181, 566, BStBl II 1997, 264).

cc) Die Tatsache des Wegzuges der Klägerin ist für den angegriffenen Einkommensteuerbescheid 2005 vom 19. Juli 2011 nach diesen Grundsätzen keine neue Tatsache mehr. Denn das Finanzamt hatte bereits bei der Prüfung, ob es den Einkommensteuerbescheid vom 17. März 2010 wegen eines rückwirkenden Ereignisses ändern darf, alle damals bekannten Tatsachen zu berücksichtigen.

dd) Dass der Rücktrag eines Kirchensteuererstattungsüberhanges gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO mit dem Ziel, den Sonderausgabenabzug im Zahlungsjahr (oder in anderen früheren Jahren) zu kürzen, wenn im Erstattungsjahr die Kürzung nicht oder nicht in voller Höhe möglich ist (vgl. dazu Bundesministerium der Finanzen , Schreiben vom 11. Juli 2002 – VV DEU BMF 2002-07-11 IV C 4-S. 2221-191/02, BStBl I 2002, 667), eine Änderung einer Einkommensteuerfestsetzung ist, die in der Verwaltungspraxis wie eine punktuelle Änderung i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO (und möglicherweise als Bagatelle) behandelt wird, ändert nichts an der Verpflichtung des Finanzamts zur umfassenden Berücksichtigung aller bereits bekannten (in den Akten befindlichen) Tatsachen vor einer solchen Änderung der Steuerfestsetzung.

Denn bei der Korrektur von bezahlten Sonderausgaben durch erstatte Sonderausgaben im Erstattungsjahr und dem Rücktrag eines Erstattungsüberhanges in das Zahlungsjahr (vgl. BFH-Urteil vom 25. Oktober 2016 X R 31/14, BFHE 255, 399, BStBl II 2017, 287; BFH-Beschluss vom 5. März 2013 X B 179/11, BFH/NV 2013, 926 m.w.N.) und der Prüfung von Verrechnungsmöglichkeiten in anderen Jahren fehlt es an der in § 182 Abs. 1 AO angeordneten Bindungswirkung eines zugrunde liegenden Feststellungsbescheides, die bei einer Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO die eigene Sachprüfung des Finanzbeamten ausschließt.

c) Die Einkommensteuerfestsetzung 2005 ist demgemäß auf den im Einkommensteuerbescheid 2005 vom 17. März 2010 festgesetzten Betrag von 1.935,00 € abzuändern.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Klägerin konnte es aufgrund der Schwierigkeit der Streitsache für notwendig halten, schon im Vorverfahren einen fachkundigen Berater mit der Interessenvertretung zu beauftragen (§ 139 Abs. 3 FGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

Urteilsbesprechung zu Finanzgericht München Urteil, 05. Feb. 2015 - 12 K 560/15

Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht München Urteil, 05. Feb. 2015 - 12 K 560/15

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd
Finanzgericht München Urteil, 05. Feb. 2015 - 12 K 560/15 zitiert 16 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Einkommensteuergesetz - EStG | § 17 Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften


(1) 1Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens

Abgabenordnung - AO 1977 | § 173 Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel


(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,1.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,2.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer

Abgabenordnung - AO 1977 | § 175 Änderung von Steuerbescheiden auf Grund von Grundlagenbescheiden und bei rückwirkenden Ereignissen


(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,1.soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,2.soweit ein Ereignis eintritt, das steu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 139


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Aufwendungen der Fin

Abgabenordnung - AO 1977 | § 165 Vorläufige Steuerfestsetzung, Aussetzung der Steuerfestsetzung


(1) Soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuer eingetreten sind, kann sie vorläufig festgesetzt werden. Diese Regelung ist auch anzuwenden, wenn1.ungewiss ist, ob und wann Verträge mit anderen Staaten über die Besteue

Abgabenordnung - AO 1977 | § 172 Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden


(1) Ein Steuerbescheid darf, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur aufgehoben oder geändert werden,1.wenn er Verbrauchsteuern betrifft,2.wenn er andere Steuern als Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben nach Artik

Abgabenordnung - AO 1977 | § 88 Untersuchungsgrundsatz


(1) Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei hat sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen. (2) Die Finanzbehörde bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen

Abgabenordnung - AO 1977 | § 182 Wirkungen der gesonderten Feststellung


(1) Feststellungsbescheide sind, auch wenn sie noch nicht unanfechtbar sind, für andere Feststellungsbescheide, für Steuermessbescheide, für Steuerbescheide und für Steueranmeldungen (Folgebescheide) bindend, soweit die in den Feststellungsbescheiden

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 71


(1) Die Klageschrift ist dem Beklagten von Amts wegen zuzustellen. Zugleich mit der Zustellung der Klage ist der Beklagte aufzufordern, sich schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu äußern. Hierfür kann eine Frist geset

Außensteuergesetz - AStG | § 6 Besteuerung des Vermögenszuwachses


(1) Vorbehaltlich der Vorschriften des Einkommensteuergesetzes, Körperschaftsteuergesetzes und Umwandlungssteuergesetzes stehen bei unbeschränkt Steuerpflichtigen der Veräußerung von Anteilen im Sinne des § 17 Absatz 1 Satz 1 des Einkommensteuergeset

Referenzen - Urteile

Finanzgericht München Urteil, 05. Feb. 2015 - 12 K 560/15 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

Finanzgericht München Urteil, 05. Feb. 2015 - 12 K 560/15 zitiert 9 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

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Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. April 2014  2 K 1972/12 aufgehoben.

Bundesfinanzhof Urteil, 08. Juli 2015 - VI R 51/14

bei uns veröffentlicht am 08.07.2015

Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 2. Juli 2014  2 K 716/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

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Tatbestand 1 I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob im Jahr 2007 Kirchensteuer erstattet wurde und --falls dies zu bejahen wäre-- in welchen Jahren der Kirchensteu

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Tatbestand 1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb im Jahre 2003 70 % der Anteile an einer GmbH von deren Muttergesellschaft entgeltlich für 0,70 € im Rahmen

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Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres 2007 verstorbenen Ehemanns (E). E hatte im Streitjahr (2000) Einkünfte a

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Tatbestand 1 I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Der Kläger ist britischer Staatsbürger, jedoch

Bundesfinanzhof Urteil, 13. Jan. 2011 - VI R 61/09

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Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob das Wohnsitzfinanzamt den Einkommensteuerbescheid eines Arbeitnehmers nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) ändern darf, obwoh

Bundesfinanzhof Urteil, 18. Mai 2010 - X R 49/08

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Tatbestand 1 I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre 1996 bis 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger er

Referenzen

(1)1Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt war.2Die verdeckte Einlage von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft steht der Veräußerung der Anteile gleich.3Anteile an einer Kapitalgesellschaft sind Aktien, Anteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Genussscheine oder ähnliche Beteiligungen und Anwartschaften auf solche Beteiligungen sowie Anteile an einer optierenden Gesellschaft im Sinne des § 1a des Körperschaftsteuergesetzes.4Hat der Veräußerer den veräußerten Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich erworben, so gilt Satz 1 entsprechend, wenn der Veräußerer zwar nicht selbst, aber der Rechtsvorgänger oder, sofern der Anteil nacheinander unentgeltlich übertragen worden ist, einer der Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre im Sinne von Satz 1 beteiligt war.

(2)1Veräußerungsgewinn im Sinne des Absatzes 1 ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt.2In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 tritt an die Stelle des Veräußerungspreises der Anteile ihr gemeiner Wert.3Weist der Veräußerer nach, dass ihm die Anteile bereits im Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Absatz 1 zuzurechnen waren und dass der bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Vermögenszuwachs auf Grund gesetzlicher Bestimmungen des Wegzugsstaats im Wegzugsstaat einer der Steuer nach § 6 des Außensteuergesetzes vergleichbaren Steuer unterlegen hat, tritt an die Stelle der Anschaffungskosten der Wert, den der Wegzugsstaat bei der Berechnung der der Steuer nach § 6 des Außensteuergesetzes vergleichbaren Steuer angesetzt hat, höchstens jedoch der gemeine Wert.4Satz 3 ist in den Fällen des § 6 Absatz 3 des Außensteuergesetzes nicht anzuwenden.5Hat der Veräußerer den veräußerten Anteil unentgeltlich erworben, so sind als Anschaffungskosten des Anteils die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers maßgebend, der den Anteil zuletzt entgeltlich erworben hat.6Ein Veräußerungsverlust ist nicht zu berücksichtigen, soweit er auf Anteile entfällt,

a)
die der Steuerpflichtige innerhalb der letzten fünf Jahre unentgeltlich erworben hatte.2Dies gilt nicht, soweit der Rechtsvorgänger anstelle des Steuerpflichtigen den Veräußerungsverlust hätte geltend machen können;
b)
die entgeltlich erworben worden sind und nicht innerhalb der gesamten letzten fünf Jahre zu einer Beteiligung des Steuerpflichtigen im Sinne von Absatz 1 Satz 1 gehört haben.2Dies gilt nicht für innerhalb der letzten fünf Jahre erworbene Anteile, deren Erwerb zur Begründung einer Beteiligung des Steuerpflichtigen im Sinne von Absatz 1 Satz 1 geführt hat oder die nach Begründung der Beteiligung im Sinne von Absatz 1 Satz 1 erworben worden sind.

(2a)1Anschaffungskosten sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um die Anteile im Sinne des Absatzes 1 zu erwerben.2Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten.3Zu den nachträglichen Anschaffungskosten im Sinne des Satzes 2 gehören insbesondere

1.
offene oder verdeckte Einlagen,
2.
Darlehensverluste, soweit die Gewährung des Darlehens oder das Stehenlassen des Darlehens in der Krise der Gesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst war, und
3.
Ausfälle von Bürgschaftsregressforderungen und vergleichbaren Forderungen, soweit die Hingabe oder das Stehenlassen der betreffenden Sicherheit gesellschaftsrechtlich veranlasst war.
4Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung liegt regelmäßig vor, wenn ein fremder Dritter das Darlehen oder Sicherungsmittel im Sinne der Nummern 2 oder 3 bei sonst gleichen Umständen zurückgefordert oder nicht gewährt hätte.5Leistet der Steuerpflichtige über den Nennbetrag seiner Anteile hinaus Einzahlungen in das Kapital der Gesellschaft, sind die Einzahlungen bei der Ermittlung der Anschaffungskosten gleichmäßig auf seine gesamten Anteile einschließlich seiner im Rahmen von Kapitalerhöhungen erhaltenen neuen Anteile aufzuteilen.

(3)1Der Veräußerungsgewinn wird zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er den Teil von 9 060 Euro übersteigt, der dem veräußerten Anteil an der Kapitalgesellschaft entspricht.2Der Freibetrag ermäßigt sich um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn den Teil von 36 100 Euro übersteigt, der dem veräußerten Anteil an der Kapitalgesellschaft entspricht.

(4)1Als Veräußerung im Sinne des Absatzes 1 gilt auch die Auflösung einer Kapitalgesellschaft, die Kapitalherabsetzung, wenn das Kapital zurückgezahlt wird, und die Ausschüttung oder Zurückzahlung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagenkonto im Sinne des § 27 des Körperschaftsteuergesetzes.2In diesen Fällen ist als Veräußerungspreis der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft anzusehen.3Satz 1 gilt nicht, soweit die Bezüge nach § 20 Absatz 1 Nummer 1 oder 2 zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen gehören.

(5)1Die Beschränkung oder der Ausschluss des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an einer Kapitalgesellschaft im Fall der Verlegung des Sitzes oder des Orts der Geschäftsleitung der Kapitalgesellschaft in einen anderen Staat stehen der Veräußerung der Anteile zum gemeinen Wert gleich.2Dies gilt nicht in den Fällen der Sitzverlegung einer Europäischen Gesellschaft nach Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 und der Sitzverlegung einer anderen Kapitalgesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union.3In diesen Fällen ist der Gewinn aus einer späteren Veräußerung der Anteile ungeachtet der Bestimmungen eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in der gleichen Art und Weise zu besteuern, wie die Veräußerung dieser Anteile zu besteuern gewesen wäre, wenn keine Sitzverlegung stattgefunden hätte.4§ 15 Absatz 1a Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(6) Als Anteile im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gelten auch Anteile an Kapitalgesellschaften, an denen der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft nicht unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt war, wenn

1.
die Anteile auf Grund eines Einbringungsvorgangs im Sinne des Umwandlungssteuergesetzes, bei dem nicht der gemeine Wert zum Ansatz kam, erworben wurden und
2.
zum Einbringungszeitpunkt für die eingebrachten Anteile die Voraussetzungen von Absatz 1 Satz 1 erfüllt waren oder die Anteile auf einer Sacheinlage im Sinne von § 20 Absatz 1 des Umwandlungssteuergesetzes vom 7. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2782, 2791) in der jeweils geltenden Fassung beruhen.

(7) Als Anteile im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gelten auch Anteile an einer Genossenschaft einschließlich der Europäischen Genossenschaft.

(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,
2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

(1) Vorbehaltlich der Vorschriften des Einkommensteuergesetzes, Körperschaftsteuergesetzes und Umwandlungssteuergesetzes stehen bei unbeschränkt Steuerpflichtigen der Veräußerung von Anteilen im Sinne des § 17 Absatz 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes zum gemeinen Wert gleich

1.
die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht infolge der Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts,
2.
die unentgeltliche Übertragung auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person sowie,
3.
vorbehaltlich der Nummern 1 und 2, der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile.
Die Veräußerung im Sinne des Satzes 1 erfolgt im Fall des
1.
Satzes 1 Nummer 1 im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht,
2.
Satzes 1 Nummer 2 im Zeitpunkt der Übertragung,
3.
Satzes 1 Nummer 3 unmittelbar vor dem Zeitpunkt, zu dem der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts eintritt.
Im Fall des Satzes 1 gelten die Anteile vom Steuerpflichtigen oder, bei unentgeltlicher Übertragung, von dessen Rechtsnachfolger als zum gemeinen Wert erworben, soweit die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Steuer entrichtet worden ist; andernfalls gelten diese weiterhin als zu den ursprünglichen Anschaffungskosten erworben.

(2) Unbeschränkt Steuerpflichtige im Sinne des Absatzes 1 sind natürliche Personen, die innerhalb der letzten zwölf Jahre vor den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 genannten Tatbeständen insgesamt mindestens sieben Jahre unbeschränkt steuerpflichtig im Sinne des § 1 Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes gewesen sind. Bei unentgeltlichem Erwerb von Anteilen ist für die Berechnung der nach Satz 1 maßgebenden Dauer der Steuerpflicht auch die unbeschränkte Steuerpflicht des Rechtsvorgängers oder, sofern der betreffende Anteil nacheinander unentgeltlich übertragen wurde, auch die unbeschränkte Steuerpflicht des jeweiligen Rechtsvorgängers einzubeziehen. Zeiträume, in denen die natürliche Person und der oder die Rechtsvorgänger gleichzeitig unbeschränkt steuerpflichtig waren, werden dabei nur einmal angesetzt. Entfällt der Steueranspruch nach Absatz 3 in der jeweils geltenden Fassung oder einer bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung, gelten der Steuerpflichtige sowie dessen unmittelbarer oder mittelbarer Rechtsnachfolger abweichend von den Sätzen 1 bis 3 als unbeschränkt Steuerpflichtige im Sinne des Absatzes 1.

(3) Beruht die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 auf einer nur vorübergehenden Abwesenheit des Steuerpflichtigen und wird der Steuerpflichtige innerhalb von sieben Jahren seit Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht wieder unbeschränkt steuerpflichtig, entfällt der Steueranspruch nach Absatz 1, soweit

1.
die Anteile in der Zwischenzeit weder veräußert, übertragen noch in ein Betriebsvermögen eingelegt wurden,
2.
keine Gewinnausschüttungen oder keine Einlagenrückgewähr erfolgt sind, deren gemeiner Wert insgesamt mehr als ein Viertel des Werts im Sinne des Absatzes 1 beträgt, und
3.
das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile mindestens in dem Umfang wieder begründet wird, wie es im Zeitpunkt der Beendigung der Steuerpflicht bestand.
Abweichend von Satz 1 Nummer 1 ist eine unentgeltliche Übertragung durch den Steuerpflichtigen auf eine natürliche Person von Todes wegen unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 durch die betreffende Person oder, infolge aufeinanderfolgender unentgeltlicher Weiterübertragung zwischen natürlichen Personen von Todes wegen, durch deren unmittelbaren oder mittelbaren Rechtsnachfolger erfüllt werden. Das Finanzamt, das im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 19 der Abgabenordnung zuständig ist, kann die Frist auf Antrag des Steuerpflichtigen oder im Fall des Satzes 2 dessen Rechtsnachfolgers insgesamt um höchstens fünf Jahre verlängern, wenn die Absicht zur Rückkehr unverändert fortbesteht. Beruht ein Ausschluss des Besteuerungsrechts im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 auf einer nur vorübergehenden Abwesenheit des Steuerpflichtigen, gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend. Wird im Fall der unentgeltlichen Übertragung im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 auf eine natürliche Person die betreffende Person innerhalb von sieben Jahren seit der Übertragung unbeschränkt steuerpflichtig, gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4) Die festgesetzte Steuer, die auf die nach Absatz 1 realisierten Einkünfte entfällt, kann auf Antrag des Steuerpflichtigen in sieben gleichen Jahresraten entrichtet werden. Dem Antrag ist in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung stattzugeben. Die erste Jahresrate ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids zu entrichten; die übrigen Jahresraten sind jeweils am 31. Juli der Folgejahre fällig. Die Jahresraten sind nicht zu verzinsen. Die noch nicht entrichtete Steuer ist innerhalb eines Monats nach Eintritt der nachfolgenden Ereignisse fällig,

1.
wenn die Jahresrate nicht fristgemäß entrichtet wird,
2.
wenn der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach Absatz 5 nicht erfüllt,
3.
wenn der Steuerpflichtige Insolvenz anmeldet,
4.
soweit die Anteile veräußert oder übertragen werden oder
5.
soweit Gewinnausschüttungen oder eine Einlagenrückgewähr erfolgen und soweit deren gemeiner Wert insgesamt mehr als ein Viertel des Werts im Sinne des Absatzes 1 beträgt.
Abweichend von Satz 5 Nummer 4 ist eine unentgeltliche Übertragung durch den Steuerpflichtigen auf eine natürliche Person von Todes wegen unbeachtlich; insofern ist für Zwecke des Satzes 5 auf die betreffende Person oder, infolge aufeinanderfolgender unentgeltlicher Weiterübertragung zwischen natürlichen Personen von Todes wegen, auf deren unmittelbaren oder mittelbaren Rechtsnachfolger abzustellen. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die vorstehenden Sätze entsprechend; der Stundungszeitraum richtet sich nach der vom Finanzamt eingeräumten Frist; die Erhebung von Jahresraten entfällt auf Antrag des Steuerpflichtigen; über Satz 5 hinaus wird die noch nicht entrichtete Steuer auch innerhalb eines Monats nach Eintritt des Ereignisses fällig, wonach der Steueranspruch nicht mehr nach Absatz 3 entfallen kann oder der Wegfall der Rückkehrabsicht gegenüber dem Finanzamt mitgeteilt wird. Soweit die Steuer nicht nach Absatz 3 entfällt und der Steuerpflichtige auf die Leistung von Jahresraten verzichtet hat, sind für die Dauer des gewährten Zahlungsaufschubs Zinsen in entsprechender Anwendung des § 234 der Abgabenordnung zu erheben.

(5) Der Steuerpflichtige oder sein Gesamtrechtsnachfolger hat dem Finanzamt, das in den in Absatz 1 genannten Zeitpunkten nach § 19 der Abgabenordnung zuständig ist, nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck die Verwirklichung eines der Tatbestände des Absatzes 4 Satz 5 oder 7 mitzuteilen. Die Mitteilung ist innerhalb eines Monats nach dem meldepflichtigen Ereignis zu erstatten; sie ist vom Steuerpflichtigen eigenhändig zu unterschreiben. Der Steuerpflichtige oder sein Gesamtrechtsnachfolger hat dem nach Satz 1 zuständigen Finanzamt jährlich bis zum 31. Juli schriftlich seine aktuelle Anschrift mitzuteilen und zu bestätigen, dass die Anteile ihm oder im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 seinem Rechtsnachfolger weiterhin zuzurechnen sind.

(1) Ein Steuerbescheid darf, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur aufgehoben oder geändert werden,

1.
wenn er Verbrauchsteuern betrifft,
2.
wenn er andere Steuern als Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union oder Verbrauchsteuern betrifft,
a)
soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder seinem Antrag der Sache nach entsprochen wird; dies gilt jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen nur, soweit er vor Ablauf der Einspruchsfrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat oder soweit die Finanzbehörde einem Einspruch oder einer Klage abhilft,
b)
soweit er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist,
c)
soweit er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist,
d)
soweit dies sonst gesetzlich zugelassen ist; die §§ 130 und 131 gelten nicht.
Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch Einspruchsentscheidung bestätigt oder geändert worden ist. In den Fällen des Satzes 2 ist Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a ebenfalls anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Klagefrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat; Erklärungen und Beweismittel, die nach § 364b Abs. 2 in der Einspruchsentscheidung nicht berücksichtigt wurden, dürfen hierbei nicht berücksichtigt werden.

(2) Absatz 1 gilt auch für einen Verwaltungsakt, durch den ein Antrag auf Erlass, Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids ganz oder teilweise abgelehnt wird.

(3) Anhängige, außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellte Anträge auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht entsprochen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. § 367 Abs. 2b Satz 2 bis 6 gilt entsprechend.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,
2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb im Jahre 2003 70 % der Anteile an einer GmbH von deren Muttergesellschaft entgeltlich für 0,70 € im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens der GmbH. Der Nominalwert betrug 179.000 €. Im Anschluss an den Erwerb wurde eine Kapitalerhöhung vorgenommen, an der der Kläger mit 31.000 € beteiligt war. Im Streitjahr (2006) erhielt der Kläger Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto in Höhe von 1.400.000 €.

2

In seiner unter Mitwirkung einer Steuerberatungsgesellschaft angefertigten Steuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger in den vorgelegten Anlagen GSE und KAP keine Angaben zu der von der GmbH erhaltenen Ausschüttung oder über seine Anschaffungskosten der Beteiligung und legte auch keine Gewinnermittlung vor. Der Steuererklärung beigefügt war aber eine Steuerbescheinigung der GmbH. Darin bescheinigte die GmbH am 8. September des Streitjahres, an diesem Tag an den Kläger für das Jahr 2005 1.400.000 € aus dem steuerlichen Einlagekonto (§ 27 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG--) bezahlt zu haben.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 7. Januar 2008 keine Einkünfte aus § 17 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG). Infolge einer Außenprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, dass der Kläger durch die Ausschüttung einen Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 4 EStG von 1.368.999 € erzielt habe, der nach dem Halbeinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG zur Hälfte, also in Höhe von 684.499 € zu versteuern sei. Dementsprechend änderte das FA den Einkommensteuerbescheid unter Berufung auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) durch Änderungsbescheid vom 8. Juli 2010, erfasste bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb zusätzlich einen Veräußerungsgewinn von 684.499 € und setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr auf 357.249 € fest.

4

Die Klage, mit der sich der Kläger gegen die Änderbarkeit des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides wandte, hatte keinen Erfolg: Nicht allein die Ausschüttung des Eigenkapitals bilde den steuerbaren Tatbestand. Steuerbar sei der Vorgang erst dann, soweit die Ausschüttung die Anschaffungskosten übersteige. Dem FA sei im maßgebenden Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung aber nicht bekannt gewesen, dass der Veräußerungspreis die Anschaffungskosten überstiegen habe. Diese steuerrelevante Tatsache sei dem FA erst bei der Außenprüfung bekannt geworden. Das FA sei auch nicht nach Treu und Glauben daran gehindert gewesen, den Einkommensteuerbescheid zu ändern. Zwar habe es weitergehende Ermittlungen unterlassen, dem stünde aber die nicht genügende Mitwirkungspflicht des Klägers entgegen. Bei der auf das punktuelle Ereignis einer Einlagenrückgewähr bezogenen Kenntnis über einen Mittelzufluss sei nicht auf das Vorhandensein eines Gewinnes zu schließen.

5

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, die er auf Verletzung von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stützt. Das FA wusste durch die Steuerbescheinigung der GmbH und auch aus den Akten von den Leistungen des Klägers aus dem steuerlichen Einlagekonto. Es hätte die 1.400.000 € als dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Einnahmen ansetzen können und müssen. Zumindest hätte das FA die Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung vornehmen müssen.

6

Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr zu ändern, indem die Einkommensteuer des Streitjahres ohne Berücksichtigung von Einkünften aus Veräußerungsgewinn in Höhe von 684.499 € festgesetzt wird.

7

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet. Zutreffend hat das Finanzgericht (FG) das FA als berechtigt angesehen, den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen im Streitfall vor. Es sind Tatsachen nachträglich bekannt geworden, die zu einer höheren Einkommensteuer führen. Erst aufgrund der Außenprüfung erfuhr das FA von steuerbaren Einnahmen i.S. des § 17 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG.

9

1. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsachen im Sinne der Vorschrift sind Lebensvorgänge, die insgesamt oder teilweise einen gesetzlichen Steuertatbestand oder das einzelne Merkmal eines solchen Tatbestands erfüllen (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. Mai 2004 IV R 11/02, BFH/NV 2004, 1400, m.w.N.).

10

a) Wenn im Streitfall das FG es als "steuerrelevante Tatsache" ansieht, dass die aus dem Einlagekonto zugeflossenen Zahlungen die Anschaffungskosten überstiegen haben, so mag offenbleiben, ob es sich bei der Differenz von Einnahmen und Erwerbsaufwendungen um eine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO oder nicht vielmehr um eine Schlussfolgerung handelt (vgl. dazu Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 2; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 173 AO Rz 73, m.w.N.). Nach der Rechtsprechung sind Einkünfte als eine Tatsache anzusehen und einheitliche Einkünfte nicht in Einnahmen und Ausgaben aufzuspalten, wenn sich nachträglich, z.B. nach einer Schätzung, ergibt, dass Einkünfte einer Einkunftsart als Unterschied zwischen steuerbaren Einnahmen und Erwerbsaufwand nicht oder nicht richtig erklärt und berücksichtigt wurden (vgl. BFH-Urteile vom 1. Oktober 1993 III R 58/92, BFHE 172, 397, BStBl II 1994, 346, und vom 10. Juli 2008 IX R 4/08, BFH/NV 2008, 1803).

11

b) Indes geht es um diese Problematik hier nicht. Das FG hat den Sachverhalt zutreffend dahin gewürdigt, dass das FA bei Vornahme der ursprünglichen Veranlagung nicht wusste, dass der Kläger steuerbare Einnahmen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG erzielt hat. Zwar war ihm die Tatsache der Zurückzahlung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG bereits aufgrund der Steuerbescheinigung der GmbH bekannt, die der Steuererklärung beigefügt worden war. Ferner wusste das FA aufgrund eines in den Akten enthaltenen Vermerks vom 18. Oktober 2001, dass der Kläger i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG qualifiziert an der GmbH beteiligt war. Damit waren aber noch nicht alle Tatsachen schon im Zeitpunkt der ursprünglichen Veranlagung bekannt, um den Steuertatbestand bei der Steuerfestsetzung feststellen zu können.

12

aa) Der Umstand, dass dem FA keine Erwerbsaufwendungen erklärt waren, mag --insoweit ist der Revision beizupflichten-- das FA zwar noch nicht daran hindern, den Steueranspruch festzustellen. Werden keine Anschaffungskosten erklärt, können sie gegebenenfalls geschätzt werden (§ 162 AO). Besteht dafür keine Grundlage, muss das FA den Steuertatbestand erfassen, ohne Erwerbsaufwendungen zu berücksichtigen.

13

bb) Indes haben die Anschaffungskosten, deren Umfang das FA im Streitfall unstreitig nicht kannte, im Tatbestand des § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG eine die Steuerbarkeit der Einnahmen leitende Funktion. Wird eine qualifizierte Beteiligung nach § 17 Abs. 1 EStG veräußert, ist der Veräußerungspreis steuerbar, auch wenn die Veräußerung deshalb zu einem negativen Ergebnis (Verlust) führt, weil der Preis die Anschaffungskosten nicht übersteigt. Anders verhält es sich bei dem Ersatztatbestand der Zurückzahlung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG17 Abs. 4 Satz 1 EStG). Hier bilden die Anschaffungskosten Erwerbsaufwendungen nur, soweit die Zurückzahlung die Anschaffungskosten   übersteigen.   Der übersteigende Teil des Rückzahlungsbetrags allein ist steuerbare Einnahme und (nach aktueller Rechtslage) zu 60 % steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn i.S. von § 17 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 2 i.V.m. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG.

14

c) Sind die zurückgezahlten Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG aber niedriger als die Anschaffungskosten, mindern sie die Anschaffungskosten der Beteiligung erfolgsneutral (einhellige Auffassung, vgl. Ott, Festschrift für Korn, 2005, 105, 113; Eilers/R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 17 EStG Rz 325; Blümich/Ebling, § 17 EStG Rz 889; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 31. Aufl., § 17 Rz 238; Gosch in Kirchhof, EStG, 11. Aufl., § 17 Rz 136; Rundverfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt a.M. vom 17. April 2000 S 2143 A-36-St II 20, in Deutsches Steuerrecht 2000, 1093; zur alten Rechtslage s. auch BFH-Urteil vom 20. April 1999 VIII R 44/96, BFHE 188, 352, BStBl II 1999, 698), führen also per se nicht zu steuerbaren Einnahmen.

15

Erst dann, wenn der Steuerpflichtige   später  einen Steuertatbestand i.S. des § 17 EStG (Veräußerung nach § 17 Abs. 1 EStG oder Ersatztatbestand nach § 17 Abs. 4 EStG) erfüllt, erfasst das Gesetz die zurückgezahlte Einlage mit dem wegen geminderter Anschaffungskosten höheren Veräußerungsgewinn. Liegen die Voraussetzungen eines Steuertatbestands i.S. des § 17 Abs. 1 oder Abs. 4 EStG aber nicht vor, werden die zurückgezahlten Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto steuerneutral mit den (höheren) Anschaffungskosten verrechnet. Deshalb handelt es sich bei der Zurückzahlung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG nicht um eine steuerbare Einnahme, sondern um eine Position, welche die Anschaffungskosten der Beteiligung mindert.

16

d) Mithin wusste das FA mit seiner bloßen Erkenntnis des Rückzahlungsbetrags ohne Kenntnis der Anschaffungskosten nichts von einer steuerbaren Einnahme gemäß § 17 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG. Dieses Wissen hätte ihm erst der entsprechende Eintrag in der Anlage GSE oder eine Gewinnermittlung durch den Kläger vermittelt. Auch aus den weiteren Akten des FA ergaben sich nach den Feststellungen des FG, die den Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung binden, entgegen der Revision keinerlei Anhaltspunkte über die Höhe der Anschaffungskosten. In der Tat wurde der notarielle Vertrag über die Übertragung erst nach Abschluss der Veranlagung, Anfang März 2008, Bestandteil der Akten.

17

In Verbindung mit den fehlenden Angaben in der Steuererklärung konnte das FA deshalb --wie das FG zutreffend entschieden hat-- davon ausgehen, dass sich die Rückzahlung lediglich steuerneutral auswirke. Ihm ist die steuererhöhende Tatsache steuerbarer Einnahmen als der positiven Differenz der Rückgewähr von Einlagen gegenüber den Anschaffungskosten nachträglich durch die Außenprüfung bekannt geworden.

18

2. Das FA war auch nicht nach Treu und Glauben daran gehindert, die Berichtigung durchzuführen. Der Kläger kann sich nicht auf Treu und Glauben berufen, weil er seiner Mitwirkungspflicht nicht in vollem Umfang nachgekommen ist (vgl. zu den Voraussetzungen eingehend Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 173 AO Rz 68, m.w.N.). Er hat den steuerlich bedeutsamen Sachverhalt nicht richtig, vollständig und deutlich dargestellt und insbesondere weder einen Veräußerungstatbestand (im Rahmen der Anlage GSE) erklärt noch eine Gewinnermittlung vorgelegt. So hat er, indem er allein die Steuerbescheinigung vorlegte, den steuerrechtlich bedeutsamen Sachverhalt in der Schwebe gehalten und bei dem FA den Eindruck erweckt, es handele sich bei der Rückzahlung aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG um einen steuerneutralen Vorgang.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Der Kläger ist britischer Staatsbürger, jedoch in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Er erzielt seit 2004 als Mediendesigner Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt.

2

In den Streitjahren 2004 und 2006 zog er in seinen Gewinnermittlungen jeweils Übernachtungskosten anlässlich von Geschäftsreisen als Betriebsausgaben ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) führte die Veranlagungen zunächst erklärungsgemäß durch; die Bescheide für die Streitjahre ergingen nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

3

Im Rahmen einer späteren Außenprüfung erklärte der Kläger der Prüferin, hinsichtlich der Übernachtungskosten habe er die von der Finanzverwaltung hierfür festgelegten Pauschbeträge angesetzt (für 2004: 53 Nächte x 108 €/Nacht = 5.724 €; für 2006: 9 Nächte x 152 €/Nacht = 1.368 €). Tatsächlich habe er bei seiner Mutter übernachtet, die in einer Kleinstadt (K) nordwestlich von London wohne. Von dort aus habe er seine Kunden in und um London aufgesucht.

4

Erstmals nach Durchführung der Schlussbesprechung und Zusendung des Prüfungsberichts behauptete der Kläger, im Jahr 2004 nicht ausschließlich bei seiner Mutter übernachtet, sondern schätzungsweise 20 Übernachtungen im Hotel durchgeführt zu haben. Die Kosten hierfür schätze er auf 75 € pro Nacht. Zudem habe er anlässlich der Übernachtungen bei seiner Mutter Beiträge zu den Lebenshaltungskosten geleistet, die er --unter Vorlage einer schriftlichen Bestätigung der Mutter-- auf 25 bis 30 Britische Pfund (ca. 40 €) pro Nacht schätze ("25 to 30 pounds would be a good guess").

5

Die Prüferin setzte pauschale Übernachtungskosten von 25 € pro Nacht an und minderte die als Betriebsausgaben abziehbaren Übernachtungskosten auf 1.325 € (2004) bzw. 225 € (2006). Das FA erließ gegen die Kläger entsprechende, verfahrensrechtlich auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützte Änderungsbescheide zur Einkommensteuer 2004 und 2006.

6

Im Einspruchs- und Klageverfahren machten die Kläger erfolglos geltend, die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO lägen nicht vor. Das Finanzgericht (FG) führte aus, maßgebender nachträglich bekannt gewordener Lebenssachverhalt sei, dass der Kläger überwiegend bei seiner Mutter übernachtet habe, die hierfür kein Entgelt gefordert habe. Selbst wenn es sich dabei lediglich um eine Hilfstatsache handeln sollte, ließe sie doch den sicheren Schluss auf die Haupttatsache --das Entstehen bzw. Nichtentstehen tatsächlicher Übernachtungskosten-- zu. Auch die nunmehrige Schätzung der Höhe der Übernachtungskosten durch das FA sei nicht zu beanstanden. Die Pauschbeträge würden hier zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen. Die vom Kläger behauptete Beteiligung an den Lebenshaltungskosten sei mit dem Ansatz von 25 € eher großzügig berücksichtigt. Hinreichende Anhaltspunkte für tatsächliche Hotelübernachtungen fehlten.

7

Mit ihrer Revision bringen die Kläger vor, es reiche für die Befugnis zur Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht aus, wenn das FG aus der Hilfstatsache, wonach ein Teil der Übernachtungen bei der Mutter erfolgt sei, den sicheren Schluss ableite, dass Kosten in Höhe der Verwaltungspauschalen nicht entstanden seien. Vielmehr wäre der sichere Schluss erforderlich gewesen, dass die Höhe der Übernachtungskosten sich auf genau 1.325 € bzw. 225 € belaufen habe. Denn der Ersatz einer Schätzung durch eine andere Schätzung sei in den Fällen des § 173 AO nicht zulässig. Die Vorinstanz habe den Fall so beurteilt, als hätten zuvor keine bestandskräftigen Steuerbescheide vorgelegen, und dem Kläger zu Unrecht die Darlegungs- und Beweislast aufgebürdet. Dieser habe sich auf die einschlägigen Verwaltungsanweisungen verlassen dürfen. Im Übrigen sei die Schätzung des FA zu hoch ausgefallen, weil die Mutter des Klägers einen Betrag von 40 € bestätigt habe.

8

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das angefochtene Urteil, die geänderten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2004 und 2006 vom 27. April 2009 und die Einspruchsentscheidung vom 8. Juli 2009 aufzuheben.

9

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a FGO durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung. Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

11

1. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das FG die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO als erfüllt angesehen.

12

a) Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO ist jeder Lebenssachverhalt, der Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. Oktober 2003 III R 24/02, BFHE 204, 10, BStBl II 2004, 394, unter II.1., m.w.N.). Schlussfolgerungen und Schätzungsergebnisse sind demgegenüber keine Tatsachen in diesem Sinne.

13

Hilfstatsachen dürfen nur herangezogen werden, wenn sie einen sicheren Schluss auf das Vorliegen der Haupttatsache zulassen; bloße Vermutungen oder Wahrscheinlichkeiten reichen hierfür nicht aus (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1994 IX R 11/91, BFHE 176, 221, BStBl II 1995, 192, unter 1.).

14

b) Das FG hat ausgeführt, maßgebender nachträglich bekannt gewordener Lebenssachverhalt sei, dass der Kläger --jedenfalls überwiegend-- bei seiner Mutter übernachtet und diese hierfür kein Entgelt gefordert habe. Es könne offenbleiben, ob es sich bei dem Umstand, dass die Übernachtungen nicht im Hotel, sondern bei der Mutter durchgeführt worden seien, lediglich um eine Hilfstatsache handele, da diese jedenfalls einen sicheren Schluss auf die Haupttatsache --das Nichtanfallen der als Betriebsausgaben abgesetzten Übernachtungskosten-- zulasse.

15

c) Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

16

aa) Die Beurteilung dessen, was im konkreten Fall als "Tatsache" --Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestands-- anzusehen ist, hat von der Regelung des § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auszugehen. Danach sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Der Abzug von Betriebsausgaben setzt daher stets das Vorliegen --in Fällen der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung den Abfluss (§ 11 Abs. 2 EStG)-- von Aufwendungen voraus. Daran fehlt es, wenn anlässlich von Übernachtungen bei der Mutter des Klägers nicht die vom Kläger angesetzten Kosten von 108 € bzw. 152 € täglich, sondern gar keine oder jedenfalls wesentlich geringere Aufwendungen angefallen sind.

17

bb) Allerdings beruft sich der Kläger im Ausgangspunkt zu Recht auf R 40 Abs. 2 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien in der in den Streitjahren geltenden Fassung (LStR 2004), wonach bei Übernachtungen im Ausland die Übernachtungskosten ohne Einzelnachweis der tatsächlichen Aufwendungen mit Pauschbeträgen angesetzt werden dürfen, die vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) bekannt gemacht werden (vgl. für die Zeit ab 1. Januar 2002 BMF-Schreiben vom 12. November 2001, BStBl I 2001, 818; ab 1. Januar 2005 BMF-Schreiben vom 9. November 2004, BStBl I 2004, 1052).

18

(1) Der Senat kann offenlassen, ob diese Pauschalierung auf eine hinreichende Rechtsgrundlage gestützt werden kann. In den genannten BMF-Schreiben wird insoweit zwar die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG herangezogen. Satz 4 dieser Regelung ermächtigt das BMF allerdings lediglich zur Festlegung von Pauschbeträgen für Verpflegungsmehraufwand, nicht hingegen für Übernachtungskosten.

19

Auch ist zweifelhaft, ob die Pauschbeträge auf die --unter dem Gesichtspunkt des "steuerlichen Massenverfahrens" dem Grunde nach gegebene-- allgemeine Typisierungsbefugnis der Finanzverwaltung gestützt werden können. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb gerade ein Nachweis der Kosten von im Ausland durchgeführten Hotelübernachtungen für die Steuerpflichtigen wesentlich schwieriger zu erbringen ist als der Nachweis sonstiger --in- oder ausländischer-- Betriebsausgaben, für die die Finanzverwaltung aber keine Pauschalierungen vorsieht.

20

Dementsprechend lässt die Finanzverwaltung ab 2009 einen Abzug von Übernachtungskosten beim Betriebsinhaber ausschließlich im Falle des Einzelnachweises zu und wendet die Pauschbeträge nur noch auf Erstattungen durch den Arbeitgeber an (vgl. BMF-Schreiben vom 17. Dezember 2008, BStBl I 2008, 1077).

21

(2) Jedenfalls steht die Anwendung der Pauschalen bereits nach der eigenen Auffassung der Finanzverwaltung unter dem Vorbehalt, dass sie nicht im Einzelfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt, was bei einer vom Normaltypus abweichenden Art der Reise der Fall sei (H 40 LStR 2004 "Übernachtungen im Ausland"). Dies entspricht auch der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BFH-Entscheidungen vom 11. Mai 1990 VI R 140/86, BFHE 160, 546, BStBl II 1990, 777, unter 2.c; vom 9. Mai 2005 VI B 3/05, BFH/NV 2005, 1550, und vom 23. März 2011 X R 44/09, BFHE 233, 297, BStBl II 2011, 884, unter II.3.d).

22

Selbst wenn der "gesetzliche Tatbestand", auf den für die Beurteilung, ob eine "Tatsache" i.S. des § 173 AO gegeben ist, abzustellen ist, aufgrund der Heranziehung der dargestellten Verwaltungsregelungen über die Vorschrift des § 4 Abs. 4 EStG hinaus zu erweitern wäre, so dass es auf einen Einzelnachweis und die tatsächliche Höhe der Aufwendungen grundsätzlich nicht ankäme, gehörte zu diesem "gesetzlichen Tatbestand" doch zugleich der Vorbehalt, dass es nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung kommen dürfe. Dies ist aber bei Übernachtungen, die nicht im Hotel, sondern bei nahen Angehörigen des Steuerpflichtigen durchgeführt werden, ersichtlich der Fall, da derartige Übernachtungen vom Normaltypus einer Geschäftsreise erheblich abweichen.

23

Der Umstand, dass der Kläger bei seiner Mutter übernachtet hat, ist in diesem Sinne Haupttatsache, die Teilstück des "gesetzlichen Tatbestands" einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung ist.

24

Anders als die Kläger meinen, ist diese rechtliche Beurteilung dessen, was "Merkmal des gesetzlichen Tatbestands" sowie "Tatsache" ist, unabhängig davon, ob der Kläger seine Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren verletzt hat oder nicht.

25

d) Die weiteren Einwendungen der Kläger können der Revision nicht zum Erfolg verhelfen.

26

aa) So trifft es zwar zu, dass im Falle von Schätzungen die Vorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht dazu berechtigt, auf eine neue Schätzungsmethode überzugehen. Allerdings dürfen auch im Rahmen einer Schätzung neue Erkenntnisse berücksichtigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1982 VIII R 225/80, BFHE 136, 28, BStBl II 1984, 504). Insofern geht der Einwand der Kläger fehl, dass in derartigen Fällen das neue Schätzungsergebnis "sicher" feststehen müsse und daher denknotwendig jede neue Schätzung ausgeschlossen sei.

27

Dies zeigt sich im Streitfall --von den Beteiligten bisher nicht angesprochen-- schon daran, dass die vom Kläger angesetzten Pauschbeträge von 108 € bzw. 152 €, bei denen es sich ebenfalls um Schätzungen handelt, ausschließlich für Übernachtungen innerhalb von London gelten. Für Übernachtungen in K, dem Wohnort der Mutter des Klägers, belaufen sich die Verwaltungspauschalen hingegen auf lediglich 57 € (Streitjahr 2004) bzw. 110 € (Streitjahr 2006). Es ist unzweifelhaft, dass das FA die Steuerbescheide dem Grunde nach schon deshalb auf der Grundlage des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern durfte, weil ihm nachträglich bekannt geworden ist, dass der Kläger nicht in London, sondern in K übernachtet hat, einem Ort, für den die Verwaltung geringere Übernachtungspauschalen ansetzt. Dies gilt ungeachtet dessen, dass sowohl die für London als auch die für den Rest des Vereinigten Königreichs geltenden Pauschalen jeweils Schätzungen i.S. des § 162 AO darstellen.

28

In diesem Sinne haben nunmehr FA und FG unter Berücksichtigung der nachträglich bekannt gewordenen Erkenntnisse unter Beibehaltung der Schätzungsmethode --Pauschbeträge statt Einzelnachweis-- die ursprüngliche Schätzung des Klägers (108 € bzw. 152 € je Übernachtung) in zulässiger Weise durch einen Pauschbetrag von 25 € ersetzt.

29

bb) Anders als die Kläger behaupten, hat das FG nicht etwa festgestellt, dass der Kläger im Jahr 2004 tatsächlich etwa 20 mal im Hotel übernachtet hätte. Vielmehr hat das FG ausdrücklich ausgeführt, es fehlten hinreichende Anhaltspunkte für tatsächliche Hotelübernachtungen.

30

cc) Die Vorinstanz hat auch nicht die Grundsätze über die Feststellungslast verkannt. Vielmehr hat sie sich die volle Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) davon verschafft, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gegeben sind. Eine Entscheidung nach den Grundsätzen der --hier beim FA liegenden-- Feststellungslast, bei der es sich lediglich um eine "ultima ratio" handelt, wäre nur dann in Betracht gekommen, wenn das FG sich keine eigene Überzeugung hätte bilden können (vgl. Senatsurteile vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462, unter 2., und in BFHE 233, 297, BStBl II 2011, 884, unter II.2.). Auch diese prozessualen Grundsätze sind im Ausgangspunkt unabhängig davon, ob ein Beteiligter seine Mitwirkungspflichten verletzt hat oder nicht.

31

2. Soweit die Kläger rügen, die Schätzung der Übernachtungskosten sei angesichts der von der Mutter des Klägers vorgelegten Bestätigung zu gering ausgefallen, ist der erkennende Senat an die entsprechenden Feststellungen des FG gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).

32

Die Kläger haben in Bezug auf diese Feststellungen keine zulässigen Verfahrensrügen vorgebracht. Die Schätzung ist angesichts des Fehlens von Belegen über die Höhe der tatsächlichen Kosten bzw. Kostenbeiträge auch erkennbar nicht willkürlich.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre 1996 bis 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielt aus einer Handelsvertretung Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich.

2

Für die Streitjahre ergingen nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Einkommensteuerbescheide und Gewerbesteuermessbescheide. Die Festsetzungen waren jeweils lediglich wegen einzelner verfassungsrechtlicher Fragen vorläufig. Auch die Gewerbesteuerzerlegungsbescheide für 1997 bis 1999 ergingen endgültig.

3

Im Rahmen einer Außenprüfung beim Kläger vertrat der Prüfer und ihm folgend der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, Zinsen in Höhe von 35.163,82 DM (für 1997), von 33.258,63 DM (für 1998) und von 28.105,73 DM (für 1999) seien nicht als Betriebsausgaben abziehbar. Die Zahlungen beruhten auf zwei Darlehen, die nicht im Zusammenhang mit betrieblichen Vorgängen ständen.

4

Die Kläger hatten mit notariellem Vertrag vom 9. Dezember 1983 das mit einem Zweifamilienhaus bebaute Grundstück X in Z zu einem Kaufpreis von 845.000 DM erworben. Zur Finanzierung des Kaufpreises nahm die Klägerin bei der Stadtsparkasse Z zwei Darlehen über 520.000 DM (Kontonummer: Y1; künftig SSK Y1) und 280.000 DM (Kontonummer: Y2; künftig SSK Y2) auf. Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärungen bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 1985 machten die Kläger die Gesamtzinsen beider Darlehen als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. In der Gewinnermittlung für die klägerische Handelsvertretung 1986 buchte der Kläger zunächst über das Privatentnahmekonto das Darlehen SSK Y1 in Höhe von 512.299,20 DM. In seiner Bilanz zum 31. Dezember 1986 sowie in den Folgejahren wies er dieses Darlehen in Höhe von 506.403,61 DM als Verbindlichkeit aus. Im Rahmen der Gewinnermittlung für das Jahr 1989 verfuhr der Kläger mit dem Darlehen über den Ursprungsbetrag von 280.000 DM (SSK Y2) entsprechend.

5

Das FA erließ nach § 173 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) am 4. September 2001 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1997 bis 1999, in denen der Gewinn des Klägers aus Gewerbebetrieb unter anderem um die genannten Zinsbeträge erhöht wurde. Eine entsprechende Korrektur der für diese Jahre ergangenen Gewerbesteuermessbescheide und Gewerbesteuerzerlegungsbescheide wurde vom FA nach § 35b des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) vorgenommen. Der gegen diese geänderten Einkommensteuerbescheide gerichtete Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als das FA in erneut geänderten Einkommensteuerbescheiden für 1997 bis 1999 die Zinsen aus den streitbefangenen Darlehen anteilig (der Höhe nach unstreitig) steuermindernd als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte.

6

Zudem erließ das FA unter dem 14. Dezember 2001 einen auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gestützten geänderten Einkommensteuerbescheid 1996. In diesem wurden die klägerischen Einkünfte aus Gewerbebetrieb um die Zinsen aus den streitbefangenen Darlehen erhöht, diese jedoch gleichzeitig aber anteilig in unstreitiger Höhe bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt.

7

Die Einsprüche blieben erfolglos.

8

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 231 veröffentlichten Urteil ab. Die zu beurteilenden Schuldzinsen seien nicht betrieblich veranlasst. Die ihnen zugrunde liegenden Darlehen seien nicht zu betrieblichen Zwecken verwandt worden. Ein solcher betrieblicher Zusammenhang sei auch nicht nachträglich durch eine Umwidmung hergestellt worden. Hierfür sei der bloße buchmäßige Ausweis der Darlehen in der Bilanz der Kläger nicht ausreichend. Durch eine bloße Willensentscheidung des Steuerpflichtigen könne ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit einer bestimmten Einkunftsart nicht hergestellt werden.

9

Das FA sei auch nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zum Erlass der geänderten Steuerbescheide berechtigt gewesen. Nachträglich sei bekannt geworden, dass ein privates, durch die Ehefrau des Klägers aufgenommenes, der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zuzuordnendes Darlehen nur aufgrund eines Willensaktes des Klägers als betriebliches Darlehen behandelt worden sei. Aus den Bilanzen des Klägers sei dieser Vorgang auch unter Einbeziehung der Akten der Vorjahre so nicht erkennbar gewesen. Denn im Falle einer steuerlich anzuerkennenden Umwidmung hätte der buchmäßige Ausweis der Darlehensverbindlichkeit in gleicher Weise erfolgen müssen.

10

Mit ihrer Revision machen die Kläger weiterhin geltend, das FA sei nicht berechtigt gewesen, die Steuerbescheide zu ändern und die in Frage stehenden Schuldzinsen nicht mehr als Betriebsausgaben abzuziehen. Eine Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO scheide im Streitfall aus. Sie, die Kläger, hätten in vollem Umfang ihrer steuerlichen Mitwirkungspflicht dadurch genügt, dass sie die Darlehen offen in der Bilanz 1986 bzw. 1989 neu als Verbindlichkeit ausgewiesen und im Gegenzug eine Buchung auf dem Privatentnahmekonto vorgenommen hätten. Durch die Einbuchung der bis dahin bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemachten Darlehen als nunmehr betriebliche Verbindlichkeiten und deren eindeutige Kennzeichnung im Rahmen der Beschriftung der Konten im Kontennachweis hätten sie diesen Vorgang für das FA offenkundig gemacht. Dass das FA die steuerliche Behandlung nicht beanstandet habe, beruhe ausschließlich darauf, dass es seiner Ermittlungspflicht nicht nachgekommen sei. Unerheblich sei der Vortrag des FA, in den Streitjahren habe kein Anlass für weiter gehende Ermittlungen vorgelegen. Da dem FA (aufgrund der Steuererklärungen 1986 und 1989) die Umwidmung der Darlehen bekannt gewesen sei, hätte es, sofern sie diese für fragwürdig gehalten hätte, seinerzeit weitere Nachforschungen anstellen müssen.

11

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung vom 18. August 2004 (bezogen auf die Einkommensteuer 1996 bis 1999) aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid 1996 vom 14. Dezember 2001 und die geänderten Einkommensteuerbescheide 1997 bis 1999 jeweils vom 7. Februar 2002 in der Weise zu ändern, dass Schuldzinsen von 32.733 DM (1996), von 35.163 DM (1997), von 33.258 DM (1998) und von 28.105 DM (1999) vollständig steuermindernd berücksichtigt werden.

12

Der Kläger beantragt des Weiteren,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 18. August 2004 (bezogen auf die Gewerbesteuermessbescheide 1997 bis 1999 und die Bescheide über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags 1997 bis 1999) die Gewerbesteuermessbescheide 1997 bis 1999 jeweils vom 11. September 2001 und die Gewerbesteuerzerlegungsbescheide 1997 bis 1999 jeweils vom 20. September 2001 in der Weise zu ändern, dass die für diese Jahre vorstehend genannten Schuldzinsen vollständig gewinnmindernd berücksichtigt werden.

13

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

14

Die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO lägen vor.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend erkannt, dass die zu beurteilenden Schuldzinsen keine Betriebsausgaben sind (unter 1.). Im Ergebnis zu Recht ist das FG auch davon ausgegangen, dass das FA gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zum Erlass geänderter Einkommensteuerbescheide berechtigt war (unter 2.). Daher konnte es auch die zuvor ergangenen Gewerbesteuermessbescheide und Gewerbesteuerzerlegungsbescheide entsprechend ändern (unter 3.).

16

1. Zutreffend hat das FG angenommen, dass die hier zu beurteilenden Schuldzinsen wegen fehlender betrieblicher Veranlassung (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) nicht als Betriebsausgaben abziehbar sind.

17

a) Schuldzinsen sind dann Betriebsausgaben, wenn die Zinsen für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn ein Steuerpflichtiger liquide Mittel seines Betriebs entnimmt und zur Tilgung privater Verbindlichkeiten verwendet und er betriebliche Vorgänge mittels eines Kredits finanziert (sog. Zweikonten-Modell; vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193; BFH-Urteil vom 20. Juni 2000 VIII R 57/98, BFH/NV 2001, 28, und Senatsurteil vom 21. September 2005 X R 46/04, BFHE 211, 238, BStBl II 2006, 125). Da allein die tatsächliche Verwendung der Darlehensvaluta maßgebend ist, sind Schuldzinsen nicht bereits deshalb betrieblich veranlasst, wenn der Steuerpflichtige mittels des Kredits ein privates Wirtschaftsgut finanziert, er aber in der Lage gewesen wäre, eine Finanzierung über das Zweikonten-Modell durchzuführen (BFH-Urteile in BFH/NV 2001, 28, und vom 29. August 2001 XI R 74/00, BFH/NV 2002, 188).

18

b) Auch ist es nach Auffassung des Großen Senats des BFH nicht möglich, einen betrieblichen Veranlassungszusammenhang durch eine bloße wirtschaftliche Umschuldung herzustellen. Ein zu privaten Zwecken aufgenommenes Darlehen kann nicht dadurch wirtschaftlich umgeschuldet werden, dass der Steuerpflichtige durch den bilanziellen Ausweis des Darlehens den Verwendungszweck des privaten Darlehens verändert (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, unter B.II.1. der Gründe). Denn für die Besteuerung ist allein --auf der Grundlage des tatsächlich verwirklichten Sachverhalts-- maßgebend, wofür die Darlehensmittel verwendet wurden. Auch kann ein wirtschaftlicher Zusammenhang des Darlehens mit dem Betrieb des Steuerpflichtigen nicht durch einen bloßen Willensakt desselben begründet werden (BFH-Urteile vom 12. September 1985 VIII R 336/82, BFHE 145, 327, BStBl II 1986, 255, und vom 17. Dezember 2003 XI R 19/01, BFH/NV 2004, 1277).

19

c) Allerdings wird eine Darlehensverbindlichkeit dann Bestandteil des Betriebsvermögens, wenn mittels des Darlehens ein privates Wirtschaftsgut finanziert worden ist, das durch eine Privateinlage in das (notwendige oder gewillkürte) Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen überführt wird. In einem solchen Fall teilt die Darlehensverbindlichkeit das steuerliche Schicksal des mit dem Darlehen finanzierten Wirtschaftsguts (Schmidt/Heinicke, EStG, 29. Aufl., § 4 Rz 229). Hingegen kann eine Darlehensverbindlichkeit nicht isoliert als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden (BFH-Urteile vom 17. April 1985 I R 101/81, BFHE 143, 563, BStBl II 1985, 510, und in BFHE 145, 327, BStBl II 1986, 255).

20

d) Schließlich kann hinsichtlich einer Darlehensverbindlichkeit ein betrieblicher Veranlassungszusammenhang nachträglich dadurch hergestellt werden, dass ein mittels des Darlehens finanziertes Wirtschaftsgut des Privatvermögens veräußert und der Kaufpreis in das Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen überführt wird (sog. Umwidmung; vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1996 VIII R 68/94, BFHE 182, 312, BStBl II 1997, 454).

21

e) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen sind im Streitfall die zu beurteilenden Schuldzinsen nicht betrieblich veranlasst. Die ihnen zugrunde liegenden Darlehen der Stadtsparkasse X stehen nicht im Zusammenhang mit der Finanzierung betrieblicher Vorgänge des Klägers. Nach den Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist und die von den Klägern auch nicht angegriffen wurden, wurde mittels dieser Darlehen der Kauf eines zum Privatvermögen der Kläger gehörenden bebauten Grundstücks finanziert. Dieses Grundstück wurde weder zu einem späteren Zeitpunkt in das Betriebsvermögen des Klägers überführt noch veräußert. Es blieb Privatvermögen.

22

2. Im Ergebnis zu Recht hat das FG angenommen, dass das FA gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zum Erlass geänderter Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre berechtigt war.

23

a) Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

24

Eine Tatsache wird nachträglich bekannt, wenn sie das FA im Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung des Eingabewertbogens für den Erlass des ursprünglichen Steuerbescheids noch nicht kannte (BFH-Urteil vom 18. März 1987 II R 226/84, BFHE 149, 141, BStBl II 1987, 416). Maßgebend hierfür ist die Kenntnis der zur Bearbeitung des Steuerfalls organisatorisch berufenen Dienststelle (BFH-Urteil vom 23. März 1983 I R 182/82, BFHE 138, 313, BStBl II 1983, 548). Bekannt ist der zuständigen Dienststelle der Inhalt der dort geführten Akten, ohne dass insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters abzustellen ist (BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492).

25

Das FA ist allerdings gehindert, einen Steuerbescheid gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern, wenn dem FA die Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre, sofern der Steuerpflichtige seinerseits seiner Mitwirkungspflicht in vollem Umfang genügt hat (BFH-Urteil vom 13. November 1985 II R 208/82, BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241). Gleiches gilt, wenn das FA seine Ermittlungspflicht und der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht verletzt haben, die Verletzung der Ermittlungspflicht im konkreten Einzelfall aber deutlich überwiegt (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BFHE 156, 339, BStBl II 1989, 585).

26

b) Es erscheint zweifelhaft, ob die Annahme des FG zutrifft, bei der damaligen Bearbeitung der Steuererklärungen 1986 und 1989 sei für das FA nicht erkennbar gewesen, dass der Kläger zu Unrecht private Darlehen in das Betriebsvermögen eingebucht hatte.

27

Die Zweifel ergeben sich vorliegend daraus, dass jedenfalls in Bezug auf das Jahr 1986 aus der vom Kläger eingereichten Bilanz und den hierzu gegebenen Erläuterungen, auf deren Inhalt das FG Bezug genommen und diesen damit festgestellt hat, für das FA erkennbar gewesen sein musste, dass weder eine Finanzierung nach dem Zweikonten-Modell erfolgt war noch eine sog. Umwidmung stattgefunden hatte.

28

c) Einer abschließenden Beurteilung dieser Problematik bedarf es indessen nicht, weil sich das angefochtene Urteil aus anderen Gründen als zutreffend erweist. Im Streitfall besteht nämlich die Besonderheit, dass die die Einbuchung der Darlehen in das Betriebsvermögen des Klägers betreffenden Vorgänge nicht aus den in den Streitjahren 1996 bis 1999 vom FA geführten aktuellen Akten, sondern lediglich aus den vom FA archivierten Akten der Jahre 1986 und 1989 ersichtlich sind.

29

Hinsichtlich archivierter Akten entspricht es der gefestigten BFH-Rechtsprechung, dass die zuständige Dienststelle des FA den Inhalt dieser Akten nur dann als bekannt gegen sich gelten lassen muss, wenn zur Hinzuziehung dieser Vorgänge nach den Umständen des Falles, insbesondere nach dem Inhalt der zu bearbeitenden Steuererklärung eine besondere Veranlassung bestand. Nur wenn diese Voraussetzung gegeben ist, führt die unterlassene Beiziehung der archivierten Akten zu einer Verletzung der Ermittlungspflicht (BFH-Urteile vom 13. Juli 1990 VI R 109/86, BFHE 161, 11, BStBl II 1990, 1048, und vom 11. Februar 1998 I R 82/97, BFHE 185, 568, BStBl II 1998, 552; BFH-Beschlüsse vom 9. Dezember 1998 IV B 22/98, BFH/NV 1999, 900, und vom 12. August 1999 VIII B 12/99, juris).

30

Eine besondere Veranlassung zur Beiziehung der archivierten Akten bestand im Streitfall nicht. Nach dem von den Klägern nicht bestrittenen Vorbringen des FA in seiner Einspruchsentscheidung vom 18. August 2004, auf die das FG im Tatbestand seines Urteils Bezug genommen hat, wiesen die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen der Streitjahre unter Berücksichtigung der vorliegenden aktuellen Akten keine gravierenden Abweichungen zu den Vorjahren auf. Auch waren keine besonderen oder auffälligen Positionen in der Gewinnermittlung erkennbar. Bei dieser Sachlage war das FA zur Beiziehung der archivierten Akten nicht gehalten.

31

d) Unerheblich ist, dass das FA den für das Streitjahr 1996 ergangenen Einkommensteueränderungsbescheid auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gestützt hat. Für die Rechtmäßigkeit eines Änderungsbescheids ist nicht entscheidend, ob die zutreffende Änderungsnorm genannt ist, sondern dass die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift erfüllt sind, die das FA zur Änderung verpflichtet (BFH-Urteil in BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241). Dies ist hier der Fall, weil die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt sind.

32

3. Das FA war auch zum Erlass geänderter Gewerbesteuermessbescheide und Gewerbesteuerzerlegungsbescheide für 1997 bis 1999 berechtigt.

33

Die Befugnis zur Änderung der Gewerbesteuermessbescheide folgt aus § 35b Abs. 1 Satz 1 GewStG. Danach ist ein Gewerbesteuermessbescheid zu ändern, wenn der Einkommensteuerbescheid geändert wird und die Änderung den Gewinn aus Gewerbebetrieb betrifft. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist die Änderung des Gewinns aus Gewerbebetrieb insoweit zu berücksichtigen, als sie die Höhe des Gewerbeertrags beeinflusst. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt, weil das FA zu Recht die Einkommensteuerbescheide 1997 bis 1999 geändert und die hier zu beurteilenden Schuldzinsen nicht mehr als Betriebsausgaben abgezogen hat.

34

Die Befugnis zur Änderung der Gewerbesteuerzerlegungsbescheide 1997 bis 1999 folgt aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Denn Änderungen des Gewerbesteuermessbescheids führen dazu, dass auch der Zerlegungsbescheid als Folgebescheid zu ändern ist (Blümich/Hofmeister, GewStG, § 28 Rz 26, m.w.N. aus der Rechtsprechung).

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob das Wohnsitzfinanzamt den Einkommensteuerbescheid eines Arbeitnehmers nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) ändern darf, obwohl eine positive Anrufungsauskunft im Lohnsteuerabzugsverfahren die Vorgehensweise des Arbeitgebers erlaubte, und ob sich das Wohnsitzfinanzamt Kenntnisse seiner vorgesetzten Behörde oder einer zentralen Außenprüfungsstelle zurechnen lassen muss.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Angestellter der A-GmbH. Er wurde im Streitjahr 2006 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Der Einkommensteuerbescheid für 2006 wurde am 16. Juli 2007 erklärungsgemäß erlassen.

3

Die A-GmbH war zunächst Mitglied der Zusatzversorgungskasse (ZVK) der Stadt X. Mit der Mitgliedschaft verfolgte sie den Zweck, ihren Arbeitnehmern beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis einen zusätzlichen Versorgungsanspruch zu verschaffen. Entsprechend einer am 10. Januar 2001 abgeschlossenen Vereinbarung übernahm die Zusatzversorgungskasse Y (YZVK) das Vermögen der ZVK. Die bisherigen Mitglieder der ZVK wurden mit Wirkung ab 1. Januar 2001 Mitglieder der YZVK. Sie hatten an die YZVK zum Ausgleich der mit der Übernahme für die YZVK verbundenen Nachteile eine Ausgleichszahlung zu leisten. Der Nachteilsausgleich belief sich für die A-GmbH auf 49 Mio. DM. Der Betrag war ab 2001 in 15 gleichen Raten zu zahlen. Die A-GmbH behandelte die Zahlungen des Nachteilsausgleichs als erhöhte Umlage und erhob die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz gemäß § 40b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Soweit die Zahlungen die Pauschalierungsgrenze überstiegen, unterwarf die A-GmbH die entsprechenden Beträge dem Regelbesteuerungsverfahren.

4

Im Anschluss an die Entscheidung des Senats vom 14. September 2005 VI R 148/98 (BFHE 210, 443, BStBl II 2006, 532) teilte die A-GmbH dem zuständigen Betriebsstättenfinanzamt mit Schreiben vom 6. Dezember 2005 mit, dass sie eine "Stornierung der zu Unrecht versteuerten geldwerten Vorteile aus Nachteilsausgleichszahlungen der Jahre 2002 - 2005" beabsichtige. Sie beantragte eine Auskunft gemäß § 42e EStG beim Betriebsstättenfinanzamt in der Weise, dass es ihr, der A-GmbH, erlaubt sei, sämtliche zu Unrecht versteuerten Nachteilsausgleichszahlungen im laufenden Lohnzahlungszeitraum in Form negativer Einnahmen zu korrigieren. Diesem Antrag entsprach das zuständige Finanzamt im Juni 2006. Die A-GmbH machte in der Lohnabrechnung für September 2006 von der Zusage Gebrauch und verrechnete die laufenden Bruttoarbeitslöhne ihrer Mitarbeiter mit negativen Einnahmen im Umfang der jeweils auf die Nachteilsausgleichszahlungen abgeführten Lohnsteuer. Im September 2006 wurde diese Anrufungsauskunft widerrufen. Die dagegen von der A-GmbH erhobene Klage war letztlich erfolgreich (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. September 2010 VI R 3/09, BFHE 230, 500) und der Widerruf der Anrufungsauskunft wurde aufgehoben.

5

Im November 2008 erhielt der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--), das Wohnsitzfinanzamt des Klägers, eine Kontrollmitteilung der Zentralen Außenprüfungsstelle Lohnsteuer (ZALST). Die ZALST informierte das FA darüber, dass die A-GmbH als Arbeitgeberin des Klägers im Lohnzeitraum September 2006 den Bruttoarbeitslohn des Klägers um 5.035,23 € gemindert habe. Die A-GmbH sei von negativen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in dieser Höhe ausgegangen. Allerdings entspreche dieser Betrag der Summe, welche die A-GmbH für den Kläger in den Jahren 2001 bis 2005 zu Unrecht als Arbeitslohn erfasst habe.

6

Das FA erließ daraufhin am 2. Januar 2009 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für 2006 und erhöhte den Bruttoarbeitslohn des Klägers um 5.035,23 €.

7

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.

8

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

9

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des FG Düsseldorf, ergangen aufgrund mündlicher Verhandlung vom 5. November 2009 unter dem Az. 11 K 832/09 E, aufzuheben,

2. den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 2. Januar 2009 in Gestalt der Teileinspruchsentscheidung vom 5. Februar 2009, i.d.F. vom 5. November 2009, aufzuheben.

10

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zu Recht hat das FG entschieden, dass eine Änderung des Einkommensteuerbescheids 2006 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO rechtmäßig war.

12

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

13

a) Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass die Abweichung des von der A-GmbH auf der Lohnsteuerbescheinigung des Klägers ausgewiesenen Bruttoarbeitslohns zu den tatsächlich zugeflossenen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit eine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO ist.

14

b) Entgegen der Auffassung der Revision ist diese Tatsache der Eintragung eines zu geringen Bruttoarbeitslohns in der Lohnsteuerbescheinigung dem FA erst nachträglich bekannt geworden.

15

aa) Eine Tatsache ist nachträglich bekannt geworden, wenn sie das FA bei Erlass des zu ändernden Steuerbescheids noch nicht kannte (BFH-Urteil vom 13. September 2001 IV R 79/99, BFHE 196, 195, BStBl II 2002, 2, m.w.N.). Maßgeblicher Zeitpunkt für den Kenntnisstand ist die abschließende Zeichnung des für die Steuerfestsetzung zuständigen Beamten (BFH-Urteil vom 27. November 2001 VIII R 3/01, BFH/NV 2002, 473). Daher wird eine Tatsache der Finanzbehörde bekannt, wenn diejenigen Personen, die innerhalb der zuständigen Finanzbehörde organisationsmäßig für die Bearbeitung des Steuerfalls berufen sind bzw. die den zu ändernden Steuerbescheid erlassen haben, positive Kenntnis darüber erlangen (BFH-Urteil vom 28. April 1998 IX R 49/96, BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458; BFH-Beschluss vom 16. Januar 2002 VIII B 96/01, BFH/NV 2002, 621, m.w.N.). Hierbei handelt es sich um den Vorsteher, den Sachgebietsleiter und den Sachbearbeiter, weil nur diese Personen die Finanzbehörde gegenüber dem Steuerpflichtigen repräsentieren und den Steuerbescheid verantworten (BFH-Urteil in BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458). Bekannt sind der zuständigen Dienststelle jedoch neben dem Inhalt der dort geführten Akten auch sämtliche Informationen, die dem Sachbearbeiter von vorgesetzten Dienststellen über ein elektronisches Informationssystem zur Verfügung gestellt werden, ohne dass es insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters ankommt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492, und die dort erwähnte Rechtsprechung). Wissen eines Außenprüfers führt nicht zu eigenen Kenntnissen der zuständigen Veranlagungsdienststelle, wenn der Außenprüfer nicht selbst die Steuern festsetzt (BFH-Urteil vom 3. Mai 1991 V R 36/90, BFH/NV 1992, 221). Kennt eine andere als die für die Bearbeitung des Steuerfalls zuständige Dienststelle die betreffende Tatsache, so ist sie deswegen nicht auch der zuständigen Dienststelle als bekannt zuzurechnen (BFH-Urteil in BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492).

16

bb) Nach diesen Grundsätzen ist dem FA die Tatsache der Eintragung eines zu geringen Bruttoarbeitslohns in der Lohnsteuerbescheinigung des Klägers nachträglich bekannt geworden. Die für die Veranlagung der Einkommensteuer des Klägers zuständige Dienststelle selbst hatte nach den Feststellungen des FG zum Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung der Erstveranlagung keine positive Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Lohnsteuerbescheinigung. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich diese Dienststelle fallbezogene elektronische Informationen als bekannt zurechnen lassen müsste. Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass im elektronischen Informationssystem der Finanzverwaltung zum Zeitpunkt der Erstveranlagung Bearbeiterhinweise oder Anweisungen für den Sachbearbeiter in Bezug auf die falschen Lohnsteuerbescheinigungen der A-GmbH abrufbar gewesen wären.

17

Zudem hat das FG zutreffend entschieden, dass mögliche Kenntnisse der ZALST oder der Oberfinanzdirektion (OFD) über die fehlerhafte Lohnsteuerbescheinigung des Klägers am Tag der abschließenden Zeichnung dem FA nicht zugerechnet werden können. Für eventuelle Kenntnisse der ZALST entfällt eine Zurechnung schon deswegen, weil diese nicht für die Veranlagung der Einkommensteuer der einzelnen Arbeitnehmer zuständig ist. Unterstellte Kenntnisse der OFD sind der Veranlagungsdienststelle deshalb nicht zuzurechnen, weil die OFD organisationsmäßig gerade nicht zur Bearbeitung konkreter Steuerfälle berufen ist. Gegenüber dem Steuerpflichtigen handelt auch dann nur das zuständige Veranlagungsfinanzamt, wenn die OFD von ihrem Recht, sich in die Bearbeitung bestimmter Einzelfälle einzuschalten (§ 13 Abs. 3 i.V.m. §§ 7 Abs. 2, 9 Abs. 2 des Landesorganisationsgesetzes --LOG NRW--), Gebrauch macht. Die OFD hat die Inhalte eines Steuerbescheids gegenüber einem Steuerpflichtigen nicht zu verantworten. Rechtsmittelgegner ist und bleibt das FA, auch wenn die OFD interne Weisungen im Einzelfall erteilt hat. Dann aber ist es sachgerecht, dass sich das FA eine etwaige Kenntnis der OFD nicht zurechnen lassen muss.

18

Nach alledem kann das Vorbringen der Revision, dass sich das FA nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht auf die nachträgliche Kenntnis von Tatsachen berufen könne, weil die Unkenntnis nur auf ein pflichtwidriges Verhalten der OFD zurückzuführen sei, nicht durchgreifen. Wenn sich das FA positive Kenntnisse der OFD nicht zurechnen lassen muss, kann eine auf pflichtwidrigem Unterlassen beruhende Unkenntnis der OFD nicht über den Grundsatz von Treu und Glauben zu einer Kenntniszurechnung beim FA führen. Selbst wenn daher die OFD verpflichtet gewesen wäre, den Sachverhalt zeitnah aufzuklären und die Wohnsitzfinanzämter vor den ersten Veranlagungen zu informieren, könnte dies nicht dazu führen, dass dem FA eine Berufung auf die nachträglich bekannt gewordene Tatsache verwehrt wäre.

19

c) Die nachträglich bekannt gewordene Tatsache war rechtserheblich für die fehlerhafte Erstveranlagung. Rechtserheblich ist eine Tatsache dann, wenn das FA bei Kenntnis zum Zeitpunkt der ursprünglichen Festsetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine höhere Steuer festgesetzt hätte (Beschluss des Großen Senats vom 23. November 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das FA bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache zutreffend entschieden hätte (Senatsurteil vom 11. Februar 2010 VI R 65/08, BFHE 228, 421, BStBl II 2010, 628).

20

In Anwendung dieser Grundsätze ist das FG zu Recht von der Rechtserheblichkeit der nachträglich bekannt gewordenen Tatsache der fehlerhaften Lohnsteuerbescheinigung des Klägers ausgegangen. Das FA hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die von der A-GmbH verrechneten negativen Einnahmen den Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit hinzugerechnet und damit eine höhere Steuer festgesetzt. Die von der A-GmbH vorgenommene Verrechnung des Bruttoarbeitslohns mit negativen Einnahmen war rechtswidrig.

21

d) Weder die der A-GmbH erteilte Anrufungsauskunft noch die Vorschrift des § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG standen einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO entgegen.

22

aa) Der Kläger hatte im Veranlagungsjahr 2006 weder negative Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit noch Werbungskosten. Beide Tatbestände setzen voraus, dass beim Arbeitnehmer Güter abfließen oder Aufwendungen entstehen (Senatsurteile vom 12. November 2009 VI R 20/07, BFHE 227, 435, BStBl II 2010, 845; vom 17. September 2009 VI R 17/08, BFHE 226, 317, BStBl II 2010, 299; Senatsbeschluss vom 10. August 2010 VI R 1/08, BFHE 230, 173, BStBl II 2010, 1074). Beim Kläger war dies nach den Feststellungen des FG im Jahr 2006 nicht der Fall.

23

Entgegen der Auffassung der Revision ist der tatsächliche Abfluss von Gütern auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Besteuerung der Zusatzbeiträge in den Vorjahren auf fiktiven Einnahmen beruht habe. Die Auffassung des Klägers beruht auf der Annahme, dass zu Unrecht versteuerte Einnahmen bei späterer (besserer) Erkenntnis zu Ausgaben oder negativen Einnahmen desselben Steuerpflichtigen führen müssen. Dies würde ein allgemeines Korrespondenzprinzip voraussetzen, welches eine von Zu- und Abfluss losgelöste Gesamtbetrachtung eines Vorganges ermöglichen müsste. Indes ist ein solches generelles Korrespondenzprinzip dem Einkommensteuergesetz im Allgemeinen (BFH-Urteil vom 26. Februar 2002 IX R 20/98, BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796) und zur Beurteilung von Arbeitslohn im Besonderen fremd (Senatsbeschluss vom 19. Februar 2004 VI B 146/02, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2004, 560). Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung erfordert eine Jahresbetrachtung. Enthalten Bescheide aus vorangegangenen Veranlagungszeiträumen materielle Fehler, können diese keinesfalls dadurch korrigiert werden, dass in dem nächsten noch offenen Jahr ein weiterer materieller Fehler --als Ausgleich-- bewusst eingearbeitet wird (BFH-Urteil in BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796). Die Abgabenordnung regelt mit ihren Änderungsvorschriften, wann der materiellen Gerechtigkeit Vorrang vor dem Rechtsfrieden einzuräumen ist. Kann eine Änderung bestandskräftiger Bescheide nicht mehr erfolgen, so mag dies unbillig erscheinen. Jedoch rechtfertigt dies keinen neuen materiellen Fehler.

24

bb) Auch die Anrufungsauskunft nach § 42e EStG, die der A-GmbH vom zuständigen Betriebsstättenfinanzamt erteilt wurde, steht einer Änderung des bisher falschen Ansatzes des Bruttoarbeitslohns durch das FA nicht entgegen. Denn das FA ist an die Inhalte dieser Anrufungsauskunft nicht gebunden. Die Anrufungsauskunft nach § 42e EStG, die nach der neueren Senatsrechtsprechung ein feststellender Verwaltungsakt ist (Urteil vom 30. April 2009 VI R 54/07, BFHE 225, 50, BStBl II 2010, 996), bindet ausschließlich das erteilende Betriebsstättenfinanzamt im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens (Senatsurteil vom 9. Oktober 1992 VI R 97/90, BFHE 169, 202, BStBl II 1993, 166; Senatsbeschluss vom 22. Mai 2007 VI B 143/06, BFH/NV 2007, 1658). Hieran ändert die Qualifikation der Anrufungsauskunft als Verwaltungsakt nichts (vgl. Blümich/Heuermann, § 42e EStG Rz 30, 38). Auch als Verwaltungsakt wird die Anrufungsauskunft ohne Mitwirkung des Wohnsitzfinanzamts erteilt. Hätte der Gesetzgeber eine über das Betriebsstättenfinanzamt hinausgehende Bindungswirkung herbeiführen wollen, dann hätte er entweder die für die Arbeitnehmer zuständigen Wohnsitzfinanzämter in das Verfahren der Anrufungsauskunft einbeziehen oder die Anrufungsauskunft selbst als Grundlagenbescheid ausgestalten müssen. Zudem ist das Lohnsteuerabzugsverfahren ein Vorauszahlungsverfahren (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April 1997  2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1), dessen Besonderheiten und Regelungen nicht in das Veranlagungsverfahren hineinwirken (Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 38 Rz A 7).

25

cc) Schließlich steht § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG der Änderung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann ein Arbeitnehmer für seine Lohnsteuer nur in bestimmten Fällen als Gesamtschuldner neben dem Arbeitgeber in Anspruch genommen werden. Es kann offenbleiben, ob der Kläger vorliegend als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden könnte. Denn der Senat hat bereits entschieden, dass diese Vorschrift trotz ihres irreführenden Wortlauts keine Auswirkungen auf das Veranlagungsverfahren hat (Urteil vom 17. Mai 1985 VI R 137/82, BFHE 144, 217, BStBl II 1985, 660). Es handelt sich um eine Regelung des Lohnsteuerabzugsverfahrens. Damit gelten die Beschränkungen für eine Inanspruchnahme des Arbeitnehmers nur innerhalb dieses Verfahrens. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber diesen Grundsatz durchbrechen wollte und die Vorschrift zur gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme des Arbeitnehmers lediglich systematisch unzutreffend eingeordnet hat, sind nicht erkennbar. Daher kann der Arbeitnehmer im Veranlagungsverfahren uneingeschränkt in Anspruch genommen werden.

26

e) Zu Recht ging das FG auch davon aus, dass das FA nicht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben an einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gehindert war. Der Grundsatz von Treu und Glauben, der auch im Steuerrecht anzuwenden ist, kann zwar einer Steuernachforderung und damit auch einer Änderung zu Lasten eines Steuerpflichtigen entgegenstehen. Dies setzt aber voraus, dass die Nachforderung dem vorausgegangenen Verhalten der Verwaltung widerspricht und der Steuerpflichtige im berechtigten Vertrauen auf dieses Verhalten vermögensrechtliche Dispositionen getroffen hat, die sich nicht mehr rückgängig machen lassen (BFH-Urteile vom 5. Februar 1980 VII R 101/77, BFHE 130, 90; vom 11. August 1972 VI R 262/69, BFHE 107, 127, BStBl II 1973, 35). Solche Dispositionen hat der Kläger nicht getroffen. Er hat auch keinen Vermögensschaden dadurch erlitten, dass er nachträglich zu der gesetzlich geschuldeten Steuer herangezogen wurde (Senatsurteil vom 10. Juli 1964 VI 299/63 U, BFHE 80, 314, BStBl III 1964, 587).

27

Im Streitfall fehlt es bereits an einem vom FA gesetzten Vertrauenstatbestand. Denn das FA hat nicht zu erkennen gegeben, dass es die Einkommensteuerfestsetzung des Klägers später nicht noch einmal ändern wird. Auch das Verhalten der OFD, die den Sachverhalt nicht aufgeklärt und die Wohnsitzfinanzämter nicht entsprechend informiert hat, begründet keinen Vertrauenstatbestand, auf den sich der Kläger gegenüber dem FA berufen könnte.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre 1996 bis 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielt aus einer Handelsvertretung Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich.

2

Für die Streitjahre ergingen nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Einkommensteuerbescheide und Gewerbesteuermessbescheide. Die Festsetzungen waren jeweils lediglich wegen einzelner verfassungsrechtlicher Fragen vorläufig. Auch die Gewerbesteuerzerlegungsbescheide für 1997 bis 1999 ergingen endgültig.

3

Im Rahmen einer Außenprüfung beim Kläger vertrat der Prüfer und ihm folgend der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, Zinsen in Höhe von 35.163,82 DM (für 1997), von 33.258,63 DM (für 1998) und von 28.105,73 DM (für 1999) seien nicht als Betriebsausgaben abziehbar. Die Zahlungen beruhten auf zwei Darlehen, die nicht im Zusammenhang mit betrieblichen Vorgängen ständen.

4

Die Kläger hatten mit notariellem Vertrag vom 9. Dezember 1983 das mit einem Zweifamilienhaus bebaute Grundstück X in Z zu einem Kaufpreis von 845.000 DM erworben. Zur Finanzierung des Kaufpreises nahm die Klägerin bei der Stadtsparkasse Z zwei Darlehen über 520.000 DM (Kontonummer: Y1; künftig SSK Y1) und 280.000 DM (Kontonummer: Y2; künftig SSK Y2) auf. Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärungen bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 1985 machten die Kläger die Gesamtzinsen beider Darlehen als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. In der Gewinnermittlung für die klägerische Handelsvertretung 1986 buchte der Kläger zunächst über das Privatentnahmekonto das Darlehen SSK Y1 in Höhe von 512.299,20 DM. In seiner Bilanz zum 31. Dezember 1986 sowie in den Folgejahren wies er dieses Darlehen in Höhe von 506.403,61 DM als Verbindlichkeit aus. Im Rahmen der Gewinnermittlung für das Jahr 1989 verfuhr der Kläger mit dem Darlehen über den Ursprungsbetrag von 280.000 DM (SSK Y2) entsprechend.

5

Das FA erließ nach § 173 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) am 4. September 2001 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1997 bis 1999, in denen der Gewinn des Klägers aus Gewerbebetrieb unter anderem um die genannten Zinsbeträge erhöht wurde. Eine entsprechende Korrektur der für diese Jahre ergangenen Gewerbesteuermessbescheide und Gewerbesteuerzerlegungsbescheide wurde vom FA nach § 35b des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) vorgenommen. Der gegen diese geänderten Einkommensteuerbescheide gerichtete Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als das FA in erneut geänderten Einkommensteuerbescheiden für 1997 bis 1999 die Zinsen aus den streitbefangenen Darlehen anteilig (der Höhe nach unstreitig) steuermindernd als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte.

6

Zudem erließ das FA unter dem 14. Dezember 2001 einen auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gestützten geänderten Einkommensteuerbescheid 1996. In diesem wurden die klägerischen Einkünfte aus Gewerbebetrieb um die Zinsen aus den streitbefangenen Darlehen erhöht, diese jedoch gleichzeitig aber anteilig in unstreitiger Höhe bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt.

7

Die Einsprüche blieben erfolglos.

8

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 231 veröffentlichten Urteil ab. Die zu beurteilenden Schuldzinsen seien nicht betrieblich veranlasst. Die ihnen zugrunde liegenden Darlehen seien nicht zu betrieblichen Zwecken verwandt worden. Ein solcher betrieblicher Zusammenhang sei auch nicht nachträglich durch eine Umwidmung hergestellt worden. Hierfür sei der bloße buchmäßige Ausweis der Darlehen in der Bilanz der Kläger nicht ausreichend. Durch eine bloße Willensentscheidung des Steuerpflichtigen könne ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit einer bestimmten Einkunftsart nicht hergestellt werden.

9

Das FA sei auch nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zum Erlass der geänderten Steuerbescheide berechtigt gewesen. Nachträglich sei bekannt geworden, dass ein privates, durch die Ehefrau des Klägers aufgenommenes, der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zuzuordnendes Darlehen nur aufgrund eines Willensaktes des Klägers als betriebliches Darlehen behandelt worden sei. Aus den Bilanzen des Klägers sei dieser Vorgang auch unter Einbeziehung der Akten der Vorjahre so nicht erkennbar gewesen. Denn im Falle einer steuerlich anzuerkennenden Umwidmung hätte der buchmäßige Ausweis der Darlehensverbindlichkeit in gleicher Weise erfolgen müssen.

10

Mit ihrer Revision machen die Kläger weiterhin geltend, das FA sei nicht berechtigt gewesen, die Steuerbescheide zu ändern und die in Frage stehenden Schuldzinsen nicht mehr als Betriebsausgaben abzuziehen. Eine Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO scheide im Streitfall aus. Sie, die Kläger, hätten in vollem Umfang ihrer steuerlichen Mitwirkungspflicht dadurch genügt, dass sie die Darlehen offen in der Bilanz 1986 bzw. 1989 neu als Verbindlichkeit ausgewiesen und im Gegenzug eine Buchung auf dem Privatentnahmekonto vorgenommen hätten. Durch die Einbuchung der bis dahin bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemachten Darlehen als nunmehr betriebliche Verbindlichkeiten und deren eindeutige Kennzeichnung im Rahmen der Beschriftung der Konten im Kontennachweis hätten sie diesen Vorgang für das FA offenkundig gemacht. Dass das FA die steuerliche Behandlung nicht beanstandet habe, beruhe ausschließlich darauf, dass es seiner Ermittlungspflicht nicht nachgekommen sei. Unerheblich sei der Vortrag des FA, in den Streitjahren habe kein Anlass für weiter gehende Ermittlungen vorgelegen. Da dem FA (aufgrund der Steuererklärungen 1986 und 1989) die Umwidmung der Darlehen bekannt gewesen sei, hätte es, sofern sie diese für fragwürdig gehalten hätte, seinerzeit weitere Nachforschungen anstellen müssen.

11

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung vom 18. August 2004 (bezogen auf die Einkommensteuer 1996 bis 1999) aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid 1996 vom 14. Dezember 2001 und die geänderten Einkommensteuerbescheide 1997 bis 1999 jeweils vom 7. Februar 2002 in der Weise zu ändern, dass Schuldzinsen von 32.733 DM (1996), von 35.163 DM (1997), von 33.258 DM (1998) und von 28.105 DM (1999) vollständig steuermindernd berücksichtigt werden.

12

Der Kläger beantragt des Weiteren,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 18. August 2004 (bezogen auf die Gewerbesteuermessbescheide 1997 bis 1999 und die Bescheide über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags 1997 bis 1999) die Gewerbesteuermessbescheide 1997 bis 1999 jeweils vom 11. September 2001 und die Gewerbesteuerzerlegungsbescheide 1997 bis 1999 jeweils vom 20. September 2001 in der Weise zu ändern, dass die für diese Jahre vorstehend genannten Schuldzinsen vollständig gewinnmindernd berücksichtigt werden.

13

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

14

Die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO lägen vor.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend erkannt, dass die zu beurteilenden Schuldzinsen keine Betriebsausgaben sind (unter 1.). Im Ergebnis zu Recht ist das FG auch davon ausgegangen, dass das FA gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zum Erlass geänderter Einkommensteuerbescheide berechtigt war (unter 2.). Daher konnte es auch die zuvor ergangenen Gewerbesteuermessbescheide und Gewerbesteuerzerlegungsbescheide entsprechend ändern (unter 3.).

16

1. Zutreffend hat das FG angenommen, dass die hier zu beurteilenden Schuldzinsen wegen fehlender betrieblicher Veranlassung (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) nicht als Betriebsausgaben abziehbar sind.

17

a) Schuldzinsen sind dann Betriebsausgaben, wenn die Zinsen für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn ein Steuerpflichtiger liquide Mittel seines Betriebs entnimmt und zur Tilgung privater Verbindlichkeiten verwendet und er betriebliche Vorgänge mittels eines Kredits finanziert (sog. Zweikonten-Modell; vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193; BFH-Urteil vom 20. Juni 2000 VIII R 57/98, BFH/NV 2001, 28, und Senatsurteil vom 21. September 2005 X R 46/04, BFHE 211, 238, BStBl II 2006, 125). Da allein die tatsächliche Verwendung der Darlehensvaluta maßgebend ist, sind Schuldzinsen nicht bereits deshalb betrieblich veranlasst, wenn der Steuerpflichtige mittels des Kredits ein privates Wirtschaftsgut finanziert, er aber in der Lage gewesen wäre, eine Finanzierung über das Zweikonten-Modell durchzuführen (BFH-Urteile in BFH/NV 2001, 28, und vom 29. August 2001 XI R 74/00, BFH/NV 2002, 188).

18

b) Auch ist es nach Auffassung des Großen Senats des BFH nicht möglich, einen betrieblichen Veranlassungszusammenhang durch eine bloße wirtschaftliche Umschuldung herzustellen. Ein zu privaten Zwecken aufgenommenes Darlehen kann nicht dadurch wirtschaftlich umgeschuldet werden, dass der Steuerpflichtige durch den bilanziellen Ausweis des Darlehens den Verwendungszweck des privaten Darlehens verändert (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, unter B.II.1. der Gründe). Denn für die Besteuerung ist allein --auf der Grundlage des tatsächlich verwirklichten Sachverhalts-- maßgebend, wofür die Darlehensmittel verwendet wurden. Auch kann ein wirtschaftlicher Zusammenhang des Darlehens mit dem Betrieb des Steuerpflichtigen nicht durch einen bloßen Willensakt desselben begründet werden (BFH-Urteile vom 12. September 1985 VIII R 336/82, BFHE 145, 327, BStBl II 1986, 255, und vom 17. Dezember 2003 XI R 19/01, BFH/NV 2004, 1277).

19

c) Allerdings wird eine Darlehensverbindlichkeit dann Bestandteil des Betriebsvermögens, wenn mittels des Darlehens ein privates Wirtschaftsgut finanziert worden ist, das durch eine Privateinlage in das (notwendige oder gewillkürte) Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen überführt wird. In einem solchen Fall teilt die Darlehensverbindlichkeit das steuerliche Schicksal des mit dem Darlehen finanzierten Wirtschaftsguts (Schmidt/Heinicke, EStG, 29. Aufl., § 4 Rz 229). Hingegen kann eine Darlehensverbindlichkeit nicht isoliert als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden (BFH-Urteile vom 17. April 1985 I R 101/81, BFHE 143, 563, BStBl II 1985, 510, und in BFHE 145, 327, BStBl II 1986, 255).

20

d) Schließlich kann hinsichtlich einer Darlehensverbindlichkeit ein betrieblicher Veranlassungszusammenhang nachträglich dadurch hergestellt werden, dass ein mittels des Darlehens finanziertes Wirtschaftsgut des Privatvermögens veräußert und der Kaufpreis in das Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen überführt wird (sog. Umwidmung; vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1996 VIII R 68/94, BFHE 182, 312, BStBl II 1997, 454).

21

e) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen sind im Streitfall die zu beurteilenden Schuldzinsen nicht betrieblich veranlasst. Die ihnen zugrunde liegenden Darlehen der Stadtsparkasse X stehen nicht im Zusammenhang mit der Finanzierung betrieblicher Vorgänge des Klägers. Nach den Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist und die von den Klägern auch nicht angegriffen wurden, wurde mittels dieser Darlehen der Kauf eines zum Privatvermögen der Kläger gehörenden bebauten Grundstücks finanziert. Dieses Grundstück wurde weder zu einem späteren Zeitpunkt in das Betriebsvermögen des Klägers überführt noch veräußert. Es blieb Privatvermögen.

22

2. Im Ergebnis zu Recht hat das FG angenommen, dass das FA gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zum Erlass geänderter Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre berechtigt war.

23

a) Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

24

Eine Tatsache wird nachträglich bekannt, wenn sie das FA im Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung des Eingabewertbogens für den Erlass des ursprünglichen Steuerbescheids noch nicht kannte (BFH-Urteil vom 18. März 1987 II R 226/84, BFHE 149, 141, BStBl II 1987, 416). Maßgebend hierfür ist die Kenntnis der zur Bearbeitung des Steuerfalls organisatorisch berufenen Dienststelle (BFH-Urteil vom 23. März 1983 I R 182/82, BFHE 138, 313, BStBl II 1983, 548). Bekannt ist der zuständigen Dienststelle der Inhalt der dort geführten Akten, ohne dass insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters abzustellen ist (BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492).

25

Das FA ist allerdings gehindert, einen Steuerbescheid gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern, wenn dem FA die Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre, sofern der Steuerpflichtige seinerseits seiner Mitwirkungspflicht in vollem Umfang genügt hat (BFH-Urteil vom 13. November 1985 II R 208/82, BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241). Gleiches gilt, wenn das FA seine Ermittlungspflicht und der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht verletzt haben, die Verletzung der Ermittlungspflicht im konkreten Einzelfall aber deutlich überwiegt (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BFHE 156, 339, BStBl II 1989, 585).

26

b) Es erscheint zweifelhaft, ob die Annahme des FG zutrifft, bei der damaligen Bearbeitung der Steuererklärungen 1986 und 1989 sei für das FA nicht erkennbar gewesen, dass der Kläger zu Unrecht private Darlehen in das Betriebsvermögen eingebucht hatte.

27

Die Zweifel ergeben sich vorliegend daraus, dass jedenfalls in Bezug auf das Jahr 1986 aus der vom Kläger eingereichten Bilanz und den hierzu gegebenen Erläuterungen, auf deren Inhalt das FG Bezug genommen und diesen damit festgestellt hat, für das FA erkennbar gewesen sein musste, dass weder eine Finanzierung nach dem Zweikonten-Modell erfolgt war noch eine sog. Umwidmung stattgefunden hatte.

28

c) Einer abschließenden Beurteilung dieser Problematik bedarf es indessen nicht, weil sich das angefochtene Urteil aus anderen Gründen als zutreffend erweist. Im Streitfall besteht nämlich die Besonderheit, dass die die Einbuchung der Darlehen in das Betriebsvermögen des Klägers betreffenden Vorgänge nicht aus den in den Streitjahren 1996 bis 1999 vom FA geführten aktuellen Akten, sondern lediglich aus den vom FA archivierten Akten der Jahre 1986 und 1989 ersichtlich sind.

29

Hinsichtlich archivierter Akten entspricht es der gefestigten BFH-Rechtsprechung, dass die zuständige Dienststelle des FA den Inhalt dieser Akten nur dann als bekannt gegen sich gelten lassen muss, wenn zur Hinzuziehung dieser Vorgänge nach den Umständen des Falles, insbesondere nach dem Inhalt der zu bearbeitenden Steuererklärung eine besondere Veranlassung bestand. Nur wenn diese Voraussetzung gegeben ist, führt die unterlassene Beiziehung der archivierten Akten zu einer Verletzung der Ermittlungspflicht (BFH-Urteile vom 13. Juli 1990 VI R 109/86, BFHE 161, 11, BStBl II 1990, 1048, und vom 11. Februar 1998 I R 82/97, BFHE 185, 568, BStBl II 1998, 552; BFH-Beschlüsse vom 9. Dezember 1998 IV B 22/98, BFH/NV 1999, 900, und vom 12. August 1999 VIII B 12/99, juris).

30

Eine besondere Veranlassung zur Beiziehung der archivierten Akten bestand im Streitfall nicht. Nach dem von den Klägern nicht bestrittenen Vorbringen des FA in seiner Einspruchsentscheidung vom 18. August 2004, auf die das FG im Tatbestand seines Urteils Bezug genommen hat, wiesen die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen der Streitjahre unter Berücksichtigung der vorliegenden aktuellen Akten keine gravierenden Abweichungen zu den Vorjahren auf. Auch waren keine besonderen oder auffälligen Positionen in der Gewinnermittlung erkennbar. Bei dieser Sachlage war das FA zur Beiziehung der archivierten Akten nicht gehalten.

31

d) Unerheblich ist, dass das FA den für das Streitjahr 1996 ergangenen Einkommensteueränderungsbescheid auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gestützt hat. Für die Rechtmäßigkeit eines Änderungsbescheids ist nicht entscheidend, ob die zutreffende Änderungsnorm genannt ist, sondern dass die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift erfüllt sind, die das FA zur Änderung verpflichtet (BFH-Urteil in BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241). Dies ist hier der Fall, weil die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt sind.

32

3. Das FA war auch zum Erlass geänderter Gewerbesteuermessbescheide und Gewerbesteuerzerlegungsbescheide für 1997 bis 1999 berechtigt.

33

Die Befugnis zur Änderung der Gewerbesteuermessbescheide folgt aus § 35b Abs. 1 Satz 1 GewStG. Danach ist ein Gewerbesteuermessbescheid zu ändern, wenn der Einkommensteuerbescheid geändert wird und die Änderung den Gewinn aus Gewerbebetrieb betrifft. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist die Änderung des Gewinns aus Gewerbebetrieb insoweit zu berücksichtigen, als sie die Höhe des Gewerbeertrags beeinflusst. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt, weil das FA zu Recht die Einkommensteuerbescheide 1997 bis 1999 geändert und die hier zu beurteilenden Schuldzinsen nicht mehr als Betriebsausgaben abgezogen hat.

34

Die Befugnis zur Änderung der Gewerbesteuerzerlegungsbescheide 1997 bis 1999 folgt aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Denn Änderungen des Gewerbesteuermessbescheids führen dazu, dass auch der Zerlegungsbescheid als Folgebescheid zu ändern ist (Blümich/Hofmeister, GewStG, § 28 Rz 26, m.w.N. aus der Rechtsprechung).

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres 2007 verstorbenen Ehemanns (E). E hatte im Streitjahr (2000) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. In ihrer am 22. Oktober 2001 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Eheleute Unterhaltsaufwendungen für ihren Sohn (S) als außergewöhnliche Belastungen geltend. Aus der Erklärung ergab sich, dass S als Student in Frankreich lebte und dort einen gemeinsamen Haushalt mit Ehefrau und zwei Kindern unterhielt. Die Klägerin und E teilten die eigenen Einkünfte des S, die sich im Streitjahr tatsächlich auf 31.047 DM beliefen, durch vier und gaben sie nur in Höhe von 7.762 DM an. Darüber hinaus gaben sie in der Anlage N der Steuererklärung die von E im Streitjahr bezogenen und auf der Lohnsteuerbescheinigung ausgewiesenen pauschalbesteuerten Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 7.020 DM nicht an.

2

In dem am 24. Oktober 2001 vom zuständigen Sachbearbeiter freigegebenen Einkommensteuerbescheid vom 7. November 2001 berücksichtigte das FA die Unterhaltsaufwendungen für S in Höhe von 6.938 DM als außergewöhnliche Belastungen. Das FA ging dabei von eigenen Einkünften des S in Höhe von 7.762 DM aus. Im Bereich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ließ es die erwähnten Arbeitgeberleistungen unberücksichtigt.

3

S hatte seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr am 9. Oktober 2001 beim FA abgegeben. Er war vom selben Sachbearbeiter bereits mit Bescheid vom 29. Oktober 2001 veranlagt worden, nachdem dieser am 12. Oktober 2001 die abschließende Zeichnung vorgenommen hatte. Der Gesamtbetrag der Einkünfte belief sich auf 31.047 DM.

4

Das FA änderte den Bescheid vom 7. November 2001 am 19. Dezember 2002 gemäß § 129 der Abgabenordnung (AO) und § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Es berücksichtigte die Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und kürzte die Werbungskosten des E bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend. Darüber hinaus ließ das FA in diesem Bescheid wegen der Höhe der Einkünfte des S die Unterhaltsaufwendungen nicht mehr zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zu.

5

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurück. Allerdings berücksichtigte das FA im während des Klageverfahrens gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Bescheid vom 2. Juli 2009 die Unterhaltskosten als außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 3.920 DM.

6

Das FG vertrat die Auffassung, das FA habe die Änderung des Bescheids zu Recht auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO hinsichtlich der außergewöhnlichen Belastungen und auf § 129 AO bezüglich der Werbungskosten gestützt.

7

Der Sachbearbeiter des FA habe erst im Verfahren betreffend die Änderung des ursprünglichen Steuerbescheids Kenntnis davon erlangt, dass S über höhere zu berücksichtigende Einkünfte verfügt habe. Aus dem Vortrag der Beteiligten und aus den Akten folge nichts Gegenteiliges. Der vom FA vorgetragene und mit dem Akteninhalt übereinstimmende Geschehensablauf spreche dafür, dass erst im Zuge der Überprüfung, wie der pauschalbesteuerte Aufwendungsersatz für beruflich veranlasste Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in den Vorjahren behandelt worden sei, der neue Sachbearbeiter auch die Einkünfte des S überprüft habe.

8

Dem FA könne die Kenntnis des (früheren) Sachbearbeiters aus den Akten des S für den Steuerfall der Klägerin nicht zugerechnet werden. Zwar seien der zuständigen Dienststelle des FA der Inhalt der dort geführten Akten sowie die dem zuständigen Sachbearbeiter für seine Arbeit zugänglichen Dateien bzw. elektronischen Akten zuzurechnen, ohne dass es auf dessen individuelle Kenntnis im Einzelfall ankomme. Dabei komme es jedoch nur auf die denselben Steuerfall, d.h. die dasselbe Steuersubjekt betreffenden Akten an. Eine Tatsache sei nicht bekannt, wenn der Bearbeiter von ihr im Zusammenhang mit der Bearbeitung eines anderen Steuerfalls Kenntnis erlangt habe, weil dies die Anforderungen an das Erinnerungsvermögen der innerhalb des FA zuständigen Personen überspanne. Dem Sachbearbeiter müsse und könne der Inhalt sämtlicher in seinem Veranlagungsbezirk geführten Akten nicht bei der Bearbeitung einer jeden Steuerfestsetzung bekannt sein.

9

Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht könne dem FA nicht entgegengehalten werden. Für den Sachbearbeiter des FA habe keine besondere Veranlassung bestanden, bei der Veranlagung der Klägerin und des E die Steuerakten des S beizuziehen, um die Akten zu überprüfen. Die Angaben zu den Unterhaltsaufwendungen seien aus sich heraus nachvollziehbar gewesen, so dass eine besondere Überprüfung nicht angezeigt gewesen sei.

10

Die Voraussetzungen des § 129 AO lägen vor. Bei der erstmaligen Veranlagung habe der Sachbearbeiter offenkundig die pauschalversteuerten Arbeitgeberleistungen übersehen, obwohl diese aus der der Steuererklärung beigefügten Lohnsteuerkarte ohne weiteres ersichtlich gewesen seien. Es sei aber nicht ersichtlich, dass der Sachbearbeiter den Fahrtkostenersatz aufgrund eines Tatsachen- oder Rechtsirrtums unberücksichtigt gelassen habe. Für einen Tatsachen- oder Rechtsirrtum bestehe nicht der geringste vernünftige Grund. Im Gegenteil: Die offenbare Unrichtigkeit sei so offenkundig, dass sie jeglichen begründeten Zweifel hieran ausschließe.

11

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

12

Sie beantragt, das angefochtene Urteil, den geänderten Einkommensteuerbescheid 2000 vom 19. Dezember 2002 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

13

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FA durfte zwar den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid wegen des ursprünglich nicht berücksichtigten Aufwendungsersatzes gemäß § 129 AO ändern. Zur Frage, ob das FA auch berechtigt war, denselben Bescheid im Hinblick auf die Berücksichtigung von Unterhaltskosten als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu berichtigen, fehlt es jedoch an ausreichenden Feststellungen.

15

1. Soweit das FA im angefochtenen Bescheid bei den Einkünften des Klägers die Werbungskosten gekürzt hat, ergibt sich die Änderungsbefugnis aus § 129 AO. Die Würdigung des FG, dem FA sei insoweit beim Erlass des ursprünglichen Bescheids ein die Berichtigung ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum nicht unterlaufen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

16

a) Nach § 129 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden. Offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 AO sind mechanische Versehen, wie beispielsweise Eingabe- und Übertragungsfehler. Nicht erfasst sind hingegen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigung, die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. der Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen. Nach § 129 AO zu berichtigende Fehler müssen auf einem "Versehen" beruhen; hingegen dürfen sie nicht auf die unzulängliche Erfassung oder rechtliche Würdigung eines Sachverhalts zurückzuführen sein.

17

Besteht die Möglichkeit, dass der Fehler auf Mängel bei der Ermittlung oder Würdigung des Sachverhalts zurückgeht, kommt eine Berichtigung nach § 129 AO nicht in Betracht. Diese Möglichkeit darf allerdings nicht nur theoretischer Natur sein. Vielmehr muss sie sich durch vom Gericht festgestellte Tatsachen belegen lassen. Deuten die Gesamtumstände des Falles auf ein mechanisches Versehen hin und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen ist, so kann berichtigt werden.

18

Mechanische Versehen können auch Übertragungsfehler sein. Eine offenbare Unrichtigkeit kann daher auch vorliegen, wenn der Veranlagungsbeamte den Eingabewertbogen falsch ausfüllt oder Daten versehentlich nicht in ein Computerprogramm eingibt. Ob ein mechanisches Versehen, ein Irrtum über den Programmablauf oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage beurteilt werden. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterliegt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. Juli 2010 IV R 56/07, BFH/NV 2010, 2004, m.w.N.; Klein/Brockmeyer/Ratschow, AO, 11. Aufl., § 129 Rz 4).

19

Ein Fehler ist dann "offenbar" i.S. des § 129 AO, wenn er auf der Hand liegt, durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte. Maßgebend ist, ob der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (Senatsentscheidung vom 8. Dezember 2011 VI R 45/10, BFH/NV 2012, 694).

20

b) Im Streitfall hat das FG die Nichtberücksichtigung der Arbeitgeberleistungen als Folge eines versehentlichen Erfassungsfehlers im Wesentlichen mit der Begründung angenommen, für einen Tatsachen- oder Rechtsirrtum bestehe "nicht der geringste vernünftige Grund". Für das FG war offensichtlich maßgeblich, dass sich nach Aktenlage ein Hinweis auf einen solchen, die Berichtigung ausschließenden Irrtum nicht belegen lässt. Vor diesem Hintergrund ist die Schlussfolgerung, die Nichtberücksichtigung der Arbeitgeberleistungen sei ein offen zutage liegender Umstand, noch nachvollziehbar. Ohne eine entsprechende Kenntlichmachung in den Akten kann nicht davon ausgegangen werden, der Bearbeiter hätte den Ansatz bewusst außer Betracht lassen wollen.

21

2. Anhand der Feststellungen des FG kann jedoch nicht abschließend beurteilt werden, ob das FA den angefochtenen Bescheid wegen neuer Tatsachen ändern durfte.

22

a) Gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Die Änderung eines Bescheids ist nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (ständige Rechtsprechung des BFH, s. etwa Urteil vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835; Klein/Rüsken, a.a.O., § 173 Rz 80 ff.)

23

b) Nachträglich werden Tatsachen oder Beweismittel bekannt, wenn deren Kenntnis nach dem Zeitpunkt erlangt wird, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist.

24

Nach der Rechtsprechung des BFH kommt es dabei nicht auf die Kenntnis der "Finanzbehörde" als solche, sondern auf die Kenntnis der zur Bearbeitung des Steuerfalls organisatorisch berufenen Dienststelle an (a.A. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 31).

25

Dabei ist allerdings dieser Stelle grundsätzlich das bekannt, was sich aus den bei ihr geführten Akten ergibt, ohne dass es auf die individuelle Kenntnis des Bearbeiters ankommt (BFH-Urteil vom 28. April 1998 IX R 49/96, BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458; kritisch zur Rechtsprechung von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 173 AO Rz 183 ff.). Zu den Akten gehören alle Schriftstücke, die bei der Dienststelle vorliegen oder sie im Dienstgang erreichen. Bekannt sind der zuständigen Dienststelle in diesem Sinn auch sämtliche Informationen, die dem Bearbeiter von vorgesetzten Dienststellen zur Verfügung gestellt werden (Senatsentscheidung vom 13. Januar 2011 VI R 61/09, BFHE 232, 5, BStBl II 2011, 479). Ist dem Bearbeiter der zuständigen Dienststelle im Zeitpunkt der Veranlagung der Inhalt der Akten nach diesen Grundsätzen bekannt, so können die hier aufgeführten Tatsachen nicht mehr nachträglich bekannt werden und damit auch nicht mehr Grundlage für die Änderung eines bestandskräftigen Bescheids gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sein (BFH-Urteile vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492; vom 5. November 1970 V R 71/67, BFHE 101, 156, BStBl II 1971, 220).

26

Ergibt sich die Tatsache oder das Beweismittel nicht aus den Akten, kommt es auf die Kenntnis derjenigen Person oder Stelle innerhalb der Finanzbehörde an, die für die Bearbeitung des Streitfalls organisationsmäßig berufen war (BFH-Urteil in BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458). Zu diesen Personen zählen regelmäßig der Sachbearbeiter, der Sachgebietsleiter und der Vorsteher (BFH-Urteil vom 14. November 2007 XI R 48/06, BFH/NV 2008, 367). Bekannt sind diejenigen Tatsachen und Beweismittel, die der zuständige Finanzbeamte in Ausübung seines Amtes erlangt. Rein privates Wissen des Beamten ist demgegenüber der Finanzbehörde nicht zuzurechnen (BFH-Urteil in BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458).

27

c) Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht die Auffassung vertreten, dass dem FA nur der Inhalt der Akten als bekannt gelten kann, die in der zuständigen Dienststelle für den zu veranlagenden Steuerpflichtigen geführt werden (BFH-Urteil in BFHE 101, 156, BStBl II 1971, 220; Urteil des FG Köln vom 13. März 2003  6 K 5158/99, Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 1060; von Groll in HHSp, § 173 AO Rz 188; Frotscher in Schwarz, AO, § 173 Rz 123; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 173 Rz 56.4 unter Bezugnahme auf ein Urteil des FG Düsseldorf vom 31. Oktober 1991  14 K 185/87 E; Klein/Rüsken, a.a.O., § 173 Rz 65). Tatsachen, die sich aus den Akten anderer Steuerpflichtiger ergeben, gelten auch dann nicht als bekannt, wenn für deren Bearbeitung dieselbe Person zuständig ist. Denn maßgeblich ist grundsätzlich die tatsächliche Kenntnis der Finanzbehörde, nicht das Kennenkönnen oder Kennenmüssen. Soweit die Rechtsprechung aktenkundige Tatsachen stets als bekannt voraussetzt, handelt es sich um eine wesentliche Einschränkung und Ausnahme vom Grundsatz der subjektiven Gegebenheiten. Der Ausnahmecharakter gebietet die Beschränkung auf zugängliche (s. dazu von Groll in HHSp, § 173 AO Rz 190) und den Steuerpflichtigen unmittelbar betreffende Akten.

28

d) Der Streitfall ist gleichwohl nicht spruchreif. Denn das FG hat nicht aufgeklärt, ob der für die Veranlagung der Klägerin und des S zuständige Sachbearbeiter in sonstiger Weise im maßgeblichen Zeitpunkt positive Kenntnis von der Höhe der Einkünfte des S hatte (s. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 367). Hierzu bestand deshalb Anlass, weil der für die Klägerin und E zuständige Sachbearbeiter nur wenige Tage zuvor den S veranlagt hat. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass ihm die hieraus bekannt gewordene Höhe der Einkünfte des S noch im Gedächtnis war oder ihm die Bruchstücke seiner Erinnerung jedenfalls Anlass gaben, die Steuerakten des S beizuziehen. Denn der zuständige Bearbeiter muss sich jedenfalls das Wissen aus einem anderen steuerlichen Verfahren dann zurechnen lassen, wenn zur Hinzuziehung des entsprechenden Vorgangs nach den Umständen des Falles, insbesondere nach dem Inhalt der zu bearbeitenden Steuererklärung oder der präsenten Akten, eine besondere Veranlassung bestand mit der Folge, dass das Unterlassen der Beiziehung eine Verletzung der Ermittlungspflicht nach sich zöge (BFH-Urteil vom 13. Juli 1990 VI R 109/86, BFHE 161, 11, BStBl II 1990, 1047).

29

Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang aufklären müssen, ob der zuständige Sachbearbeiter im Zeitpunkt der Veranlagung der Klägerin und des E aufgrund der wenige Tage zuvor erfolgten Bearbeitung des Steuerfalls des S positive Kenntnis von dessen verwandtschaftlichen Beziehungen zur Klägerin sowie von dessen Einkünften im Streitjahr besaß. Kann der Sachverhalt nicht (mehr) aufgeklärt werden, ist nach den Regeln der Beweislast zu entscheiden (s. dazu Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 173 AO Rz 53, m.w.N.).

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 2. Juli 2014  2 K 716/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid 2007 vom 4. Februar 2009 hätte geändert werden dürfen.

2

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten und wurden für das Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin war im Streitjahr vom 1. Januar bis zum 30. Juni bei der Wohnungsbaugesellschaft A mbH (A) und vom 1. Juli bis zum 31. Dezember bei der Steuerberaterin B (B) beschäftigt. In ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung erklärten die Kläger in der Anlage N zu den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von ./. 20.201 € und Entschädigungen in Höhe von 174.034 €. Die Arbeitgeber der Klägerin übermittelten dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) elektronisch für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2007 einen Bruttoarbeitslohn von ./. 26.980,08 € und einen ermäßigt besteuerten Arbeitslohn in Höhe von 174.034,28 € und vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2007 einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 6.920 €.

3

Nachdem das FA die Kläger aufgefordert hatte, Unterlagen zur Berechnung und Zahlungsweise des ermäßigt besteuerten Arbeitslohns der Klägerin und eine Aufstellung einzureichen, aus der sich der negative Bruttoarbeitslohn der Klägerin ergebe, reichten die Kläger mit Schriftsatz vom 23. September 2008 einen Aufhebungsvertrag der Klägerin mit der A vom 6. Juni 2007 ein. Danach sollte die Klägerin aus Anlass der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2007 eine Abfindung in Höhe von 174.034,28 € erhalten, von der ein Teilbetrag in Höhe von 50.017 € in eine Direktversicherung für die Klägerin einbezahlt werden sollte. Des Weiteren reichten die Kläger eine Bescheinigung der A vom 19. September 2008 mit einer "Aufstellung der bescheinigten Summe in der Lohnsteuerbescheinigung Zeile 3" ein. Danach hatte die A bei der Berechnung des in Zeile 3 der Lohnsteuerbescheinigung eingetragenen Bruttoarbeitslohns die "Einzahlung aus Abfindung in Direktversicherung" in Höhe von 50.017 € als Abzugsposten berücksichtigt und gelangte so zu einem Wert in Höhe von ./. 26.980,08 €.

4

Mit Einkommensteuerbescheid vom 25. November 2008 setzte daraufhin das FA die Einkommensteuer fest. In den Erläuterungen wies das FA darauf hin, dass der Bruttoarbeitslohn der Klägerin 29.956 € betrage. Der Betrag für die Direktversicherung in Höhe von 50.017 € sei nach § 3 Nr. 63 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei und von der Abfindung abzuziehen, so dass 124.017 € als ermäßigt besteuerter Arbeitslohn zu berücksichtigen seien. Ein Abzug des steuerfreien Betrags vom Bruttoarbeitslohn sei nicht vorzunehmen, da die Zahlungen im Rahmen der Auflösung des Dienstverhältnisses erfolgt und auch von der vereinbarten Abfindung einbehalten worden seien.

5

Dagegen legten die Kläger Einspruch ein, den sie damit begründeten, dass die Klägerin eine Abfindung in Höhe von 174.034,28 € erhalten habe, die nach R 34.1 der Einkommensteuer-Richtlinie zu berücksichtigen sei. Hierzu reichten sie eine Berechnung der Einkommensteuer, des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer ein, in der sie für die Klägerin einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von ./. 20.061 € und einen ermäßigt besteuerten Arbeitslohn in Höhe von 174.034 € ansetzten. Eine andere Sachbearbeiterin des FA half dem Einspruch mit Änderungsbescheid vom 4. Februar 2009 ab.

6

Am 14. Mai 2009 stellte das FA im Rahmen einer bei der A durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung fest, dass durch eine falsche Lohnsteuerverschlüsselung Beiträge zur Direktversicherung nicht mit der Abfindung, sondern mit dem Bruttoarbeitslohn verrechnet worden waren. Dadurch wurde auf der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung ein negativer Bruttoarbeitslohn ausgewiesen. Tatsächlich hätte A einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 23.036,92 € und eine Abfindung in Höhe von 124.017,28 € bescheinigen müssen.

7

Daraufhin erließ das FA am 8. April 2010 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid und berücksichtigte dabei --wie im ursprünglichen Bescheid vom 25. November 2008-- einen Bruttoarbeitslohn der Klägerin in Höhe von 29.956 € und eine Entschädigung in Höhe von 124.017 €.

8

Der hiergegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt.

9

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

10

Es beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

11

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid 2007 vom 4. Februar 2009 weder nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO noch nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO geändert werden durfte.

13

1. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

14

a) Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist jeder Lebenssachverhalt, der Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 18. Dezember 2014 VI R 21/13, BFHE 248, 116; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Februar 2013 IX R 24/12, BFHE 240, 265, BStBl II 2013, 484, m.w.N., und BFH-Beschluss vom 19. Oktober 2011 X R 29/10, BFH/NV 2012, 227, m.w.N.). Nicht unter den Tatsachenbegriff fallen dagegen Schlussfolgerungen aller Art, rechtliche Würdigungen und Bewertungen, Rechtsansichten und juristische Subsumtionen, bei denen auf Grund von Tatsachen anhand gesetzlicher Vorschriften ein bestimmter Schluss gezogen wird (BFH-Urteile vom 13. Oktober 1983 I R 11/79, BFHE 140, 2, BStBl II 1984, 181; vom 24. Juli 1984 VIII R 304/81, BFHE 141, 485, BStBl II 1984, 785; vom 27. Oktober 1992 VIII R 41/89, BFHE 170, 1, BStBl II 1993, 569; vom 23. November 2001 VI R 125/00, BFHE 197, 387, BStBl II 2002, 296; vom 28. Juni 2006 III R 13/06, BFHE 214, 287, BStBl II 2007, 714; vom 27. Januar 2011 III R 90/07, BFHE 232, 485, BStBl II 2011, 543). Nachträglich werden Tatsachen oder Beweismittel bekannt, wenn deren Kenntnis nach dem Zeitpunkt erlangt wird, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist. Grundsätzlich kommt es dabei auf den Wissensstand der zur Bearbeitung des Steuerfalls berufenen Dienststelle an, wobei aktenkundige Tatsachen stets als bekannt gelten (Senatsurteil vom 13. Juni 2012 VI R 85/10, BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5, m.w.N.).

15

b) Nach diesen Grundsätzen konnte der Einkommensteuerbescheid 2007 vom 4. Februar 2009 durch das FA nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden.

16

aa) Denn dem FA waren bereits bei Erlass des Einkommensteuerbescheids vom 4. Februar 2009 sämtliche für die Besteuerung maßgeblichen Tatsachen bekannt. Tatsachen sind in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin mit der A am 6. Juni 2007 einen Auflösungsvertrag geschlossen hatte, dass nach diesem die Klägerin aus Anlass der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2007 von der A eine Abfindungssumme in Höhe von 174.034,28 € erhielt und dass die A von dieser Abfindungssumme einen Teilbetrag in Höhe von 50.017 € in eine Direktversicherung für die Klägerin einzubezahlen hatte. Tatsache ist des Weiteren, dass die A in der Lohnsteuerbescheinigung bei der Berechnung des Bruttoarbeitslohns der Klägerin die Einzahlung in die Direktversicherung in Höhe von 50.017 € als Abzugsposten berücksichtigt hat. Diese Tatsachen waren bereits seit Einreichung des Klägerschriftsatzes vom 23. September 2008 aktenkundig und damit dem FA bekannt. Auf die individuelle Kenntnis der neu zuständigen Sachbearbeiterin kommt es nicht an (Senatsurteil in BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5).

17

bb) Keine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist dagegen, dass das FA nach erneuter Prüfung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Einzahlung in die Direktversicherung mit der Entschädigung und nicht mit dem Bruttoarbeitslohn zu verrechnen ist. Es geht nunmehr davon aus, dass die Einzahlung in die Direktversicherung nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei und statt vom Bruttoarbeitslohn von der Entschädigungssumme in Höhe von 174.034,28 € abzuziehen war. Diese Beurteilung ist das Ergebnis einer Subsumtion des § 3 Nr. 63 EStG und einer Auslegung des Abfindungsvertrags und nicht Folge neuer, nachträglich bekannt gewordener Tatsachen. Das FA ist vielmehr zu einer anderen rechtlichen Würdigung gelangt, als es im Abhilfebescheid vertreten hat.

18

2. Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO darf ein Steuerbescheid geändert werden, soweit er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist.

19

a) Unter arglistiger Täuschung i.S. des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO ist die bewusste und vorsätzliche Irreführung zu verstehen, wie jedes vorsätzliche Verschweigen oder Vortäuschen von Tatsachen, durch das die Willensbildung der Behörde unzulässig beeinflusst wird (Wedelstädt in Beermann/ Gosch, AO § 172 Rz 194, m.w.N.). Für Arglist reicht bereits das Bewusstsein aus, wahrheitswidrige Angaben zu machen. Nicht erforderlich ist dagegen die Absicht, damit das Finanzamt zu einer Entscheidung zu veranlassen (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994 XI R 80/92, BFHE 176, 308, BStBl II 1995, 293). Ein Mitverschulden der Finanzbehörde ist unerheblich, insbesondere der Umstand, dass es die Unrichtigkeit hätte durchschauen können (Wedelstädt, a.a.O., AO § 172 Rz 197; Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 172 Rz 55).

20

b) Diesen Grundsätzen entsprechend durfte der Einkommensteuerbescheid 2007 vom 4. Februar 2009 nicht nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO geändert werden.

21

Eine arglistige Täuschung liegt im Streitfall nicht vor. In der (erneuten) Bezugnahme auf die Angaben in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung im Rahmen des Einspruchsverfahrens ist keine Irreführung über Tatsachen oder das Bewusstsein, wahrheitswidrige Angaben zu machen, zu sehen. Denn nachdem der Sachverhalt dem FA bereits vollständig offengelegt war, haben die Kläger hierdurch dem FA lediglich eine andere rechtliche Würdigung hinsichtlich der lohnsteuerlichen Behandlung der Einzahlung in die Direktversicherung mitgeteilt. Der schlichte Vortrag einer anderen Rechtsauffassung im Rahmen des Einspruchsverfahrens ist jedoch nicht "arglistig" oder in sonstiger Weise "unlauter". Zudem entfaltet die Lohnsteuerbescheinigung lediglich einen Beweiswert dahingehend, wie der Lohnsteuerabzug tatsächlich stattgefunden hat (Senatsurteil vom 30. Oktober 2008 VI R 10/05, BFHE 223, 202, BStBl II 2009, 354) und gerade nicht darüber, wie er hätte durchgeführt werden müssen, so dass auch aus diesem Grund durch die Bezugnahme auf die Lohnsteuerbescheinigung keine "unrichtigen (tatsächlichen) Angaben" gemacht wurden. Eine etwaige Hoffnung der Kläger, das FA werde sich ohne eine weitere Sachprüfung ihrer Rechtsauffassung anschließen, ist keine arglistige Täuschung (FG Köln, Urteil vom 12. Juni 1996  10 K 1473/91, Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 1073).

22

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Vorbehaltlich der Vorschriften des Einkommensteuergesetzes, Körperschaftsteuergesetzes und Umwandlungssteuergesetzes stehen bei unbeschränkt Steuerpflichtigen der Veräußerung von Anteilen im Sinne des § 17 Absatz 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes zum gemeinen Wert gleich

1.
die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht infolge der Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts,
2.
die unentgeltliche Übertragung auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person sowie,
3.
vorbehaltlich der Nummern 1 und 2, der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile.
Die Veräußerung im Sinne des Satzes 1 erfolgt im Fall des
1.
Satzes 1 Nummer 1 im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht,
2.
Satzes 1 Nummer 2 im Zeitpunkt der Übertragung,
3.
Satzes 1 Nummer 3 unmittelbar vor dem Zeitpunkt, zu dem der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts eintritt.
Im Fall des Satzes 1 gelten die Anteile vom Steuerpflichtigen oder, bei unentgeltlicher Übertragung, von dessen Rechtsnachfolger als zum gemeinen Wert erworben, soweit die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Steuer entrichtet worden ist; andernfalls gelten diese weiterhin als zu den ursprünglichen Anschaffungskosten erworben.

(2) Unbeschränkt Steuerpflichtige im Sinne des Absatzes 1 sind natürliche Personen, die innerhalb der letzten zwölf Jahre vor den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 genannten Tatbeständen insgesamt mindestens sieben Jahre unbeschränkt steuerpflichtig im Sinne des § 1 Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes gewesen sind. Bei unentgeltlichem Erwerb von Anteilen ist für die Berechnung der nach Satz 1 maßgebenden Dauer der Steuerpflicht auch die unbeschränkte Steuerpflicht des Rechtsvorgängers oder, sofern der betreffende Anteil nacheinander unentgeltlich übertragen wurde, auch die unbeschränkte Steuerpflicht des jeweiligen Rechtsvorgängers einzubeziehen. Zeiträume, in denen die natürliche Person und der oder die Rechtsvorgänger gleichzeitig unbeschränkt steuerpflichtig waren, werden dabei nur einmal angesetzt. Entfällt der Steueranspruch nach Absatz 3 in der jeweils geltenden Fassung oder einer bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung, gelten der Steuerpflichtige sowie dessen unmittelbarer oder mittelbarer Rechtsnachfolger abweichend von den Sätzen 1 bis 3 als unbeschränkt Steuerpflichtige im Sinne des Absatzes 1.

(3) Beruht die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 auf einer nur vorübergehenden Abwesenheit des Steuerpflichtigen und wird der Steuerpflichtige innerhalb von sieben Jahren seit Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht wieder unbeschränkt steuerpflichtig, entfällt der Steueranspruch nach Absatz 1, soweit

1.
die Anteile in der Zwischenzeit weder veräußert, übertragen noch in ein Betriebsvermögen eingelegt wurden,
2.
keine Gewinnausschüttungen oder keine Einlagenrückgewähr erfolgt sind, deren gemeiner Wert insgesamt mehr als ein Viertel des Werts im Sinne des Absatzes 1 beträgt, und
3.
das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile mindestens in dem Umfang wieder begründet wird, wie es im Zeitpunkt der Beendigung der Steuerpflicht bestand.
Abweichend von Satz 1 Nummer 1 ist eine unentgeltliche Übertragung durch den Steuerpflichtigen auf eine natürliche Person von Todes wegen unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 durch die betreffende Person oder, infolge aufeinanderfolgender unentgeltlicher Weiterübertragung zwischen natürlichen Personen von Todes wegen, durch deren unmittelbaren oder mittelbaren Rechtsnachfolger erfüllt werden. Das Finanzamt, das im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 19 der Abgabenordnung zuständig ist, kann die Frist auf Antrag des Steuerpflichtigen oder im Fall des Satzes 2 dessen Rechtsnachfolgers insgesamt um höchstens fünf Jahre verlängern, wenn die Absicht zur Rückkehr unverändert fortbesteht. Beruht ein Ausschluss des Besteuerungsrechts im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 auf einer nur vorübergehenden Abwesenheit des Steuerpflichtigen, gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend. Wird im Fall der unentgeltlichen Übertragung im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 auf eine natürliche Person die betreffende Person innerhalb von sieben Jahren seit der Übertragung unbeschränkt steuerpflichtig, gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4) Die festgesetzte Steuer, die auf die nach Absatz 1 realisierten Einkünfte entfällt, kann auf Antrag des Steuerpflichtigen in sieben gleichen Jahresraten entrichtet werden. Dem Antrag ist in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung stattzugeben. Die erste Jahresrate ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids zu entrichten; die übrigen Jahresraten sind jeweils am 31. Juli der Folgejahre fällig. Die Jahresraten sind nicht zu verzinsen. Die noch nicht entrichtete Steuer ist innerhalb eines Monats nach Eintritt der nachfolgenden Ereignisse fällig,

1.
wenn die Jahresrate nicht fristgemäß entrichtet wird,
2.
wenn der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach Absatz 5 nicht erfüllt,
3.
wenn der Steuerpflichtige Insolvenz anmeldet,
4.
soweit die Anteile veräußert oder übertragen werden oder
5.
soweit Gewinnausschüttungen oder eine Einlagenrückgewähr erfolgen und soweit deren gemeiner Wert insgesamt mehr als ein Viertel des Werts im Sinne des Absatzes 1 beträgt.
Abweichend von Satz 5 Nummer 4 ist eine unentgeltliche Übertragung durch den Steuerpflichtigen auf eine natürliche Person von Todes wegen unbeachtlich; insofern ist für Zwecke des Satzes 5 auf die betreffende Person oder, infolge aufeinanderfolgender unentgeltlicher Weiterübertragung zwischen natürlichen Personen von Todes wegen, auf deren unmittelbaren oder mittelbaren Rechtsnachfolger abzustellen. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die vorstehenden Sätze entsprechend; der Stundungszeitraum richtet sich nach der vom Finanzamt eingeräumten Frist; die Erhebung von Jahresraten entfällt auf Antrag des Steuerpflichtigen; über Satz 5 hinaus wird die noch nicht entrichtete Steuer auch innerhalb eines Monats nach Eintritt des Ereignisses fällig, wonach der Steueranspruch nicht mehr nach Absatz 3 entfallen kann oder der Wegfall der Rückkehrabsicht gegenüber dem Finanzamt mitgeteilt wird. Soweit die Steuer nicht nach Absatz 3 entfällt und der Steuerpflichtige auf die Leistung von Jahresraten verzichtet hat, sind für die Dauer des gewährten Zahlungsaufschubs Zinsen in entsprechender Anwendung des § 234 der Abgabenordnung zu erheben.

(5) Der Steuerpflichtige oder sein Gesamtrechtsnachfolger hat dem Finanzamt, das in den in Absatz 1 genannten Zeitpunkten nach § 19 der Abgabenordnung zuständig ist, nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck die Verwirklichung eines der Tatbestände des Absatzes 4 Satz 5 oder 7 mitzuteilen. Die Mitteilung ist innerhalb eines Monats nach dem meldepflichtigen Ereignis zu erstatten; sie ist vom Steuerpflichtigen eigenhändig zu unterschreiben. Der Steuerpflichtige oder sein Gesamtrechtsnachfolger hat dem nach Satz 1 zuständigen Finanzamt jährlich bis zum 31. Juli schriftlich seine aktuelle Anschrift mitzuteilen und zu bestätigen, dass die Anteile ihm oder im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 seinem Rechtsnachfolger weiterhin zuzurechnen sind.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres 2007 verstorbenen Ehemanns (E). E hatte im Streitjahr (2000) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. In ihrer am 22. Oktober 2001 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Eheleute Unterhaltsaufwendungen für ihren Sohn (S) als außergewöhnliche Belastungen geltend. Aus der Erklärung ergab sich, dass S als Student in Frankreich lebte und dort einen gemeinsamen Haushalt mit Ehefrau und zwei Kindern unterhielt. Die Klägerin und E teilten die eigenen Einkünfte des S, die sich im Streitjahr tatsächlich auf 31.047 DM beliefen, durch vier und gaben sie nur in Höhe von 7.762 DM an. Darüber hinaus gaben sie in der Anlage N der Steuererklärung die von E im Streitjahr bezogenen und auf der Lohnsteuerbescheinigung ausgewiesenen pauschalbesteuerten Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 7.020 DM nicht an.

2

In dem am 24. Oktober 2001 vom zuständigen Sachbearbeiter freigegebenen Einkommensteuerbescheid vom 7. November 2001 berücksichtigte das FA die Unterhaltsaufwendungen für S in Höhe von 6.938 DM als außergewöhnliche Belastungen. Das FA ging dabei von eigenen Einkünften des S in Höhe von 7.762 DM aus. Im Bereich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ließ es die erwähnten Arbeitgeberleistungen unberücksichtigt.

3

S hatte seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr am 9. Oktober 2001 beim FA abgegeben. Er war vom selben Sachbearbeiter bereits mit Bescheid vom 29. Oktober 2001 veranlagt worden, nachdem dieser am 12. Oktober 2001 die abschließende Zeichnung vorgenommen hatte. Der Gesamtbetrag der Einkünfte belief sich auf 31.047 DM.

4

Das FA änderte den Bescheid vom 7. November 2001 am 19. Dezember 2002 gemäß § 129 der Abgabenordnung (AO) und § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Es berücksichtigte die Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und kürzte die Werbungskosten des E bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend. Darüber hinaus ließ das FA in diesem Bescheid wegen der Höhe der Einkünfte des S die Unterhaltsaufwendungen nicht mehr zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zu.

5

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurück. Allerdings berücksichtigte das FA im während des Klageverfahrens gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Bescheid vom 2. Juli 2009 die Unterhaltskosten als außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 3.920 DM.

6

Das FG vertrat die Auffassung, das FA habe die Änderung des Bescheids zu Recht auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO hinsichtlich der außergewöhnlichen Belastungen und auf § 129 AO bezüglich der Werbungskosten gestützt.

7

Der Sachbearbeiter des FA habe erst im Verfahren betreffend die Änderung des ursprünglichen Steuerbescheids Kenntnis davon erlangt, dass S über höhere zu berücksichtigende Einkünfte verfügt habe. Aus dem Vortrag der Beteiligten und aus den Akten folge nichts Gegenteiliges. Der vom FA vorgetragene und mit dem Akteninhalt übereinstimmende Geschehensablauf spreche dafür, dass erst im Zuge der Überprüfung, wie der pauschalbesteuerte Aufwendungsersatz für beruflich veranlasste Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in den Vorjahren behandelt worden sei, der neue Sachbearbeiter auch die Einkünfte des S überprüft habe.

8

Dem FA könne die Kenntnis des (früheren) Sachbearbeiters aus den Akten des S für den Steuerfall der Klägerin nicht zugerechnet werden. Zwar seien der zuständigen Dienststelle des FA der Inhalt der dort geführten Akten sowie die dem zuständigen Sachbearbeiter für seine Arbeit zugänglichen Dateien bzw. elektronischen Akten zuzurechnen, ohne dass es auf dessen individuelle Kenntnis im Einzelfall ankomme. Dabei komme es jedoch nur auf die denselben Steuerfall, d.h. die dasselbe Steuersubjekt betreffenden Akten an. Eine Tatsache sei nicht bekannt, wenn der Bearbeiter von ihr im Zusammenhang mit der Bearbeitung eines anderen Steuerfalls Kenntnis erlangt habe, weil dies die Anforderungen an das Erinnerungsvermögen der innerhalb des FA zuständigen Personen überspanne. Dem Sachbearbeiter müsse und könne der Inhalt sämtlicher in seinem Veranlagungsbezirk geführten Akten nicht bei der Bearbeitung einer jeden Steuerfestsetzung bekannt sein.

9

Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht könne dem FA nicht entgegengehalten werden. Für den Sachbearbeiter des FA habe keine besondere Veranlassung bestanden, bei der Veranlagung der Klägerin und des E die Steuerakten des S beizuziehen, um die Akten zu überprüfen. Die Angaben zu den Unterhaltsaufwendungen seien aus sich heraus nachvollziehbar gewesen, so dass eine besondere Überprüfung nicht angezeigt gewesen sei.

10

Die Voraussetzungen des § 129 AO lägen vor. Bei der erstmaligen Veranlagung habe der Sachbearbeiter offenkundig die pauschalversteuerten Arbeitgeberleistungen übersehen, obwohl diese aus der der Steuererklärung beigefügten Lohnsteuerkarte ohne weiteres ersichtlich gewesen seien. Es sei aber nicht ersichtlich, dass der Sachbearbeiter den Fahrtkostenersatz aufgrund eines Tatsachen- oder Rechtsirrtums unberücksichtigt gelassen habe. Für einen Tatsachen- oder Rechtsirrtum bestehe nicht der geringste vernünftige Grund. Im Gegenteil: Die offenbare Unrichtigkeit sei so offenkundig, dass sie jeglichen begründeten Zweifel hieran ausschließe.

11

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

12

Sie beantragt, das angefochtene Urteil, den geänderten Einkommensteuerbescheid 2000 vom 19. Dezember 2002 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

13

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FA durfte zwar den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid wegen des ursprünglich nicht berücksichtigten Aufwendungsersatzes gemäß § 129 AO ändern. Zur Frage, ob das FA auch berechtigt war, denselben Bescheid im Hinblick auf die Berücksichtigung von Unterhaltskosten als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu berichtigen, fehlt es jedoch an ausreichenden Feststellungen.

15

1. Soweit das FA im angefochtenen Bescheid bei den Einkünften des Klägers die Werbungskosten gekürzt hat, ergibt sich die Änderungsbefugnis aus § 129 AO. Die Würdigung des FG, dem FA sei insoweit beim Erlass des ursprünglichen Bescheids ein die Berichtigung ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum nicht unterlaufen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

16

a) Nach § 129 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden. Offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 AO sind mechanische Versehen, wie beispielsweise Eingabe- und Übertragungsfehler. Nicht erfasst sind hingegen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigung, die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. der Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen. Nach § 129 AO zu berichtigende Fehler müssen auf einem "Versehen" beruhen; hingegen dürfen sie nicht auf die unzulängliche Erfassung oder rechtliche Würdigung eines Sachverhalts zurückzuführen sein.

17

Besteht die Möglichkeit, dass der Fehler auf Mängel bei der Ermittlung oder Würdigung des Sachverhalts zurückgeht, kommt eine Berichtigung nach § 129 AO nicht in Betracht. Diese Möglichkeit darf allerdings nicht nur theoretischer Natur sein. Vielmehr muss sie sich durch vom Gericht festgestellte Tatsachen belegen lassen. Deuten die Gesamtumstände des Falles auf ein mechanisches Versehen hin und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen ist, so kann berichtigt werden.

18

Mechanische Versehen können auch Übertragungsfehler sein. Eine offenbare Unrichtigkeit kann daher auch vorliegen, wenn der Veranlagungsbeamte den Eingabewertbogen falsch ausfüllt oder Daten versehentlich nicht in ein Computerprogramm eingibt. Ob ein mechanisches Versehen, ein Irrtum über den Programmablauf oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage beurteilt werden. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterliegt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. Juli 2010 IV R 56/07, BFH/NV 2010, 2004, m.w.N.; Klein/Brockmeyer/Ratschow, AO, 11. Aufl., § 129 Rz 4).

19

Ein Fehler ist dann "offenbar" i.S. des § 129 AO, wenn er auf der Hand liegt, durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte. Maßgebend ist, ob der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (Senatsentscheidung vom 8. Dezember 2011 VI R 45/10, BFH/NV 2012, 694).

20

b) Im Streitfall hat das FG die Nichtberücksichtigung der Arbeitgeberleistungen als Folge eines versehentlichen Erfassungsfehlers im Wesentlichen mit der Begründung angenommen, für einen Tatsachen- oder Rechtsirrtum bestehe "nicht der geringste vernünftige Grund". Für das FG war offensichtlich maßgeblich, dass sich nach Aktenlage ein Hinweis auf einen solchen, die Berichtigung ausschließenden Irrtum nicht belegen lässt. Vor diesem Hintergrund ist die Schlussfolgerung, die Nichtberücksichtigung der Arbeitgeberleistungen sei ein offen zutage liegender Umstand, noch nachvollziehbar. Ohne eine entsprechende Kenntlichmachung in den Akten kann nicht davon ausgegangen werden, der Bearbeiter hätte den Ansatz bewusst außer Betracht lassen wollen.

21

2. Anhand der Feststellungen des FG kann jedoch nicht abschließend beurteilt werden, ob das FA den angefochtenen Bescheid wegen neuer Tatsachen ändern durfte.

22

a) Gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Die Änderung eines Bescheids ist nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (ständige Rechtsprechung des BFH, s. etwa Urteil vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835; Klein/Rüsken, a.a.O., § 173 Rz 80 ff.)

23

b) Nachträglich werden Tatsachen oder Beweismittel bekannt, wenn deren Kenntnis nach dem Zeitpunkt erlangt wird, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist.

24

Nach der Rechtsprechung des BFH kommt es dabei nicht auf die Kenntnis der "Finanzbehörde" als solche, sondern auf die Kenntnis der zur Bearbeitung des Steuerfalls organisatorisch berufenen Dienststelle an (a.A. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 31).

25

Dabei ist allerdings dieser Stelle grundsätzlich das bekannt, was sich aus den bei ihr geführten Akten ergibt, ohne dass es auf die individuelle Kenntnis des Bearbeiters ankommt (BFH-Urteil vom 28. April 1998 IX R 49/96, BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458; kritisch zur Rechtsprechung von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 173 AO Rz 183 ff.). Zu den Akten gehören alle Schriftstücke, die bei der Dienststelle vorliegen oder sie im Dienstgang erreichen. Bekannt sind der zuständigen Dienststelle in diesem Sinn auch sämtliche Informationen, die dem Bearbeiter von vorgesetzten Dienststellen zur Verfügung gestellt werden (Senatsentscheidung vom 13. Januar 2011 VI R 61/09, BFHE 232, 5, BStBl II 2011, 479). Ist dem Bearbeiter der zuständigen Dienststelle im Zeitpunkt der Veranlagung der Inhalt der Akten nach diesen Grundsätzen bekannt, so können die hier aufgeführten Tatsachen nicht mehr nachträglich bekannt werden und damit auch nicht mehr Grundlage für die Änderung eines bestandskräftigen Bescheids gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sein (BFH-Urteile vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492; vom 5. November 1970 V R 71/67, BFHE 101, 156, BStBl II 1971, 220).

26

Ergibt sich die Tatsache oder das Beweismittel nicht aus den Akten, kommt es auf die Kenntnis derjenigen Person oder Stelle innerhalb der Finanzbehörde an, die für die Bearbeitung des Streitfalls organisationsmäßig berufen war (BFH-Urteil in BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458). Zu diesen Personen zählen regelmäßig der Sachbearbeiter, der Sachgebietsleiter und der Vorsteher (BFH-Urteil vom 14. November 2007 XI R 48/06, BFH/NV 2008, 367). Bekannt sind diejenigen Tatsachen und Beweismittel, die der zuständige Finanzbeamte in Ausübung seines Amtes erlangt. Rein privates Wissen des Beamten ist demgegenüber der Finanzbehörde nicht zuzurechnen (BFH-Urteil in BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458).

27

c) Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht die Auffassung vertreten, dass dem FA nur der Inhalt der Akten als bekannt gelten kann, die in der zuständigen Dienststelle für den zu veranlagenden Steuerpflichtigen geführt werden (BFH-Urteil in BFHE 101, 156, BStBl II 1971, 220; Urteil des FG Köln vom 13. März 2003  6 K 5158/99, Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 1060; von Groll in HHSp, § 173 AO Rz 188; Frotscher in Schwarz, AO, § 173 Rz 123; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 173 Rz 56.4 unter Bezugnahme auf ein Urteil des FG Düsseldorf vom 31. Oktober 1991  14 K 185/87 E; Klein/Rüsken, a.a.O., § 173 Rz 65). Tatsachen, die sich aus den Akten anderer Steuerpflichtiger ergeben, gelten auch dann nicht als bekannt, wenn für deren Bearbeitung dieselbe Person zuständig ist. Denn maßgeblich ist grundsätzlich die tatsächliche Kenntnis der Finanzbehörde, nicht das Kennenkönnen oder Kennenmüssen. Soweit die Rechtsprechung aktenkundige Tatsachen stets als bekannt voraussetzt, handelt es sich um eine wesentliche Einschränkung und Ausnahme vom Grundsatz der subjektiven Gegebenheiten. Der Ausnahmecharakter gebietet die Beschränkung auf zugängliche (s. dazu von Groll in HHSp, § 173 AO Rz 190) und den Steuerpflichtigen unmittelbar betreffende Akten.

28

d) Der Streitfall ist gleichwohl nicht spruchreif. Denn das FG hat nicht aufgeklärt, ob der für die Veranlagung der Klägerin und des S zuständige Sachbearbeiter in sonstiger Weise im maßgeblichen Zeitpunkt positive Kenntnis von der Höhe der Einkünfte des S hatte (s. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 367). Hierzu bestand deshalb Anlass, weil der für die Klägerin und E zuständige Sachbearbeiter nur wenige Tage zuvor den S veranlagt hat. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass ihm die hieraus bekannt gewordene Höhe der Einkünfte des S noch im Gedächtnis war oder ihm die Bruchstücke seiner Erinnerung jedenfalls Anlass gaben, die Steuerakten des S beizuziehen. Denn der zuständige Bearbeiter muss sich jedenfalls das Wissen aus einem anderen steuerlichen Verfahren dann zurechnen lassen, wenn zur Hinzuziehung des entsprechenden Vorgangs nach den Umständen des Falles, insbesondere nach dem Inhalt der zu bearbeitenden Steuererklärung oder der präsenten Akten, eine besondere Veranlassung bestand mit der Folge, dass das Unterlassen der Beiziehung eine Verletzung der Ermittlungspflicht nach sich zöge (BFH-Urteil vom 13. Juli 1990 VI R 109/86, BFHE 161, 11, BStBl II 1990, 1047).

29

Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang aufklären müssen, ob der zuständige Sachbearbeiter im Zeitpunkt der Veranlagung der Klägerin und des E aufgrund der wenige Tage zuvor erfolgten Bearbeitung des Steuerfalls des S positive Kenntnis von dessen verwandtschaftlichen Beziehungen zur Klägerin sowie von dessen Einkünften im Streitjahr besaß. Kann der Sachverhalt nicht (mehr) aufgeklärt werden, ist nach den Regeln der Beweislast zu entscheiden (s. dazu Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 173 AO Rz 53, m.w.N.).

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei hat sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(2) Die Finanzbehörde bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Bei der Entscheidung über Art und Umfang der Ermittlungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden.

(3) Zur Gewährleistung eines zeitnahen und gleichmäßigen Vollzugs der Steuergesetze können die obersten Finanzbehörden für bestimmte oder bestimmbare Fallgruppen Weisungen über Art und Umfang der Ermittlungen und der Verarbeitung von erhobenen oder erfassten Daten erteilen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist. Bei diesen Weisungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden. Die Weisungen dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Weisungen der obersten Finanzbehörden der Länder nach Satz 1 bedürfen des Einvernehmens mit dem Bundesministerium der Finanzen, soweit die Landesfinanzbehörden Steuern im Auftrag des Bundes verwalten.

(4) Das Bundeszentralamt für Steuern und die zentrale Stelle im Sinne des § 81 des Einkommensteuergesetzes können auf eine Weiterleitung ihnen zugegangener und zur Weiterleitung an die Landesfinanzbehörden bestimmter Daten an die Landesfinanzbehörden verzichten, soweit sie die Daten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einem bestimmten Finanzamt zuordnen können. Nach Satz 1 einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einem bestimmten Finanzamt zugeordnete Daten sind unter Beachtung von Weisungen gemäß Absatz 3 des Bundesministeriums der Finanzen weiterzuleiten. Nicht an die Landesfinanzbehörden weitergeleitete Daten sind vom Bundeszentralamt für Steuern für Zwecke von Verfahren im Sinne des § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b bis zum Ablauf des 15. Jahres nach dem Jahr des Datenzugangs zu speichern. Nach Satz 3 gespeicherte Daten dürfen nur für Verfahren im Sinne des § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b sowie zur Datenschutzkontrolle verarbeitet werden.

(5) Die Finanzbehörden können zur Beurteilung der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen und Prüfungen für eine gleichmäßige und gesetzmäßige Festsetzung von Steuern und Steuervergütungen sowie Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen automationsgestützte Systeme einsetzen (Risikomanagementsysteme). Dabei soll auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung berücksichtigt werden. Das Risikomanagementsystem muss mindestens folgende Anforderungen erfüllen:

1.
die Gewährleistung, dass durch Zufallsauswahl eine hinreichende Anzahl von Fällen zur umfassenden Prüfung durch Amtsträger ausgewählt wird,
2.
die Prüfung der als prüfungsbedürftig ausgesteuerten Sachverhalte durch Amtsträger,
3.
die Gewährleistung, dass Amtsträger Fälle für eine umfassende Prüfung auswählen können,
4.
die regelmäßige Überprüfung der Risikomanagementsysteme auf ihre Zielerfüllung.
Einzelheiten der Risikomanagementsysteme dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Auf dem Gebiet der von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern legen die obersten Finanzbehörden der Länder die Einzelheiten der Risikomanagementsysteme zur Gewährleistung eines bundeseinheitlichen Vollzugs der Steuergesetze im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen fest.

(1) Die Klageschrift ist dem Beklagten von Amts wegen zuzustellen. Zugleich mit der Zustellung der Klage ist der Beklagte aufzufordern, sich schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu äußern. Hierfür kann eine Frist gesetzt werden.

(2) Die beteiligte Finanzbehörde hat die den Streitfall betreffenden Akten nach Empfang der Klageschrift an das Gericht zu übermitteln.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei hat sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(2) Die Finanzbehörde bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Bei der Entscheidung über Art und Umfang der Ermittlungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden.

(3) Zur Gewährleistung eines zeitnahen und gleichmäßigen Vollzugs der Steuergesetze können die obersten Finanzbehörden für bestimmte oder bestimmbare Fallgruppen Weisungen über Art und Umfang der Ermittlungen und der Verarbeitung von erhobenen oder erfassten Daten erteilen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist. Bei diesen Weisungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden. Die Weisungen dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Weisungen der obersten Finanzbehörden der Länder nach Satz 1 bedürfen des Einvernehmens mit dem Bundesministerium der Finanzen, soweit die Landesfinanzbehörden Steuern im Auftrag des Bundes verwalten.

(4) Das Bundeszentralamt für Steuern und die zentrale Stelle im Sinne des § 81 des Einkommensteuergesetzes können auf eine Weiterleitung ihnen zugegangener und zur Weiterleitung an die Landesfinanzbehörden bestimmter Daten an die Landesfinanzbehörden verzichten, soweit sie die Daten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einem bestimmten Finanzamt zuordnen können. Nach Satz 1 einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einem bestimmten Finanzamt zugeordnete Daten sind unter Beachtung von Weisungen gemäß Absatz 3 des Bundesministeriums der Finanzen weiterzuleiten. Nicht an die Landesfinanzbehörden weitergeleitete Daten sind vom Bundeszentralamt für Steuern für Zwecke von Verfahren im Sinne des § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b bis zum Ablauf des 15. Jahres nach dem Jahr des Datenzugangs zu speichern. Nach Satz 3 gespeicherte Daten dürfen nur für Verfahren im Sinne des § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b sowie zur Datenschutzkontrolle verarbeitet werden.

(5) Die Finanzbehörden können zur Beurteilung der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen und Prüfungen für eine gleichmäßige und gesetzmäßige Festsetzung von Steuern und Steuervergütungen sowie Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen automationsgestützte Systeme einsetzen (Risikomanagementsysteme). Dabei soll auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung berücksichtigt werden. Das Risikomanagementsystem muss mindestens folgende Anforderungen erfüllen:

1.
die Gewährleistung, dass durch Zufallsauswahl eine hinreichende Anzahl von Fällen zur umfassenden Prüfung durch Amtsträger ausgewählt wird,
2.
die Prüfung der als prüfungsbedürftig ausgesteuerten Sachverhalte durch Amtsträger,
3.
die Gewährleistung, dass Amtsträger Fälle für eine umfassende Prüfung auswählen können,
4.
die regelmäßige Überprüfung der Risikomanagementsysteme auf ihre Zielerfüllung.
Einzelheiten der Risikomanagementsysteme dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Auf dem Gebiet der von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern legen die obersten Finanzbehörden der Länder die Einzelheiten der Risikomanagementsysteme zur Gewährleistung eines bundeseinheitlichen Vollzugs der Steuergesetze im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen fest.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,
2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

(1) Soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuer eingetreten sind, kann sie vorläufig festgesetzt werden. Diese Regelung ist auch anzuwenden, wenn

1.
ungewiss ist, ob und wann Verträge mit anderen Staaten über die Besteuerung (§ 2), die sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken, für die Steuerfestsetzung wirksam werden,
2.
das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit eines Steuergesetzes mit dem Grundgesetz festgestellt hat und der Gesetzgeber zu einer Neuregelung verpflichtet ist,
2a.
sich auf Grund einer Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union ein Bedarf für eine gesetzliche Neuregelung ergeben kann,
3.
die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Gerichtshof der Europäischen Union, dem Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht ist oder
4.
die Auslegung eines Steuergesetzes Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesfinanzhof ist.
Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind anzugeben. Unter den Voraussetzungen der Sätze 1 oder 2 kann die Steuerfestsetzung auch gegen oder ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt werden.

(2) Soweit die Finanzbehörde eine Steuer vorläufig festgesetzt hat, kann sie die Festsetzung aufheben oder ändern. Wenn die Ungewissheit beseitigt ist, ist eine vorläufige Steuerfestsetzung aufzuheben, zu ändern oder für endgültig zu erklären; eine ausgesetzte Steuerfestsetzung ist nachzuholen. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 4 endet die Ungewissheit, sobald feststeht, dass die Grundsätze der Entscheidung des Bundesfinanzhofs über den entschiedenen Einzelfall hinaus allgemein anzuwenden sind. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 muss eine vorläufige Steuerfestsetzung nach Satz 2 nur auf Antrag des Steuerpflichtigen für endgültig erklärt werden, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist.

(3) Die vorläufige Steuerfestsetzung kann mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung verbunden werden.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden Württemberg vom 19. März 2013  8 K 516/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob der Einkommensteuerbescheid 2004 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geändert werden durfte.

2

Nach Eingang der Einkommensteuererklärung der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) am 29. März 2006 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit Bescheid vom 26. Juni 2006 gegenüber der Klägerin die Einkommensteuer für das Streitjahr (2004) fest. Gegen diese Steuerfestsetzung legte die Klägerin am 7. Juli 2006 Einspruch ein. Sie beantragte wegen des Todes ihres Ehemannes im Juli 2004 die Berücksichtigung eines Entlastungsbetrages für Alleinerziehende gemäß § 24b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 654 €. Darüber hinaus bat sie um Ruhen des Verfahrens hinsichtlich folgender Punkte wegen anhängiger Musterverfahren beim Bundesfinanzhof (BFH) bzw. beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG):

3

- Vollständiger Abzug der Arbeitnehmeranteile für die
  Rentenversicherung als Sonderausgaben gemäß § 10 EStG
- Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags
- Kürzung des Vorwegabzuges bei Zusammenveranlagung
- unbeschränkter Abzug von Krankenversicherungsbeiträgen
  als Vorsorgeaufwendungen.

4

Am 13. Juli 2006 erließ das FA einen Änderungsbescheid. In den Erläuterungen dazu heißt es: "Aufgrund Ihres Einspruchs wurde noch ein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gewährt. Der Einspruch erledigt sich hierdurch nicht. Es handelt sich vielmehr um eine Teilabhilfe. Ihrem Antrag auf Ruhen des Verfahrens bzgl. der anhängigen Verfahren wird zugestimmt."

5

Gegen den Änderungsbescheid vom 13. Juli 2006 legte die Klägerin am 17. Juli 2006 erneut Einspruch ein und trug vor, dass der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende zu Unrecht nur in Höhe von 545 € gewährt worden sei. Mit Bescheid vom 24. Juli 2006 berücksichtigte das FA den Entlastungsbetrag in voller Höhe. In den Erläuterungen dazu heißt es (wiederum): "Aufgrund Ihres Einspruchs wurde noch ein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende in Höhe von 654 € gewährt. Der Einspruch erledigt sich hierdurch nicht. Es handelt sich vielmehr um eine Teilabhilfe. Ihrem Antrag auf Ruhen des Verfahrens bzgl. der anhängigen Verfahren wird zugestimmt."

6

Mit Schreiben vom 23. April 2009 teilte das FA der Klägerin mit, dass ein Ruhen des Verfahrens nicht länger in Betracht komme. Es stellte der Klägerin jedoch in Aussicht, hinsichtlich einiger im Einzelnen aufgeführter Punkte "im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit und verfassungskonforme Auslegung der Norm" die Steuerfestsetzung vorläufig vorzunehmen. Am Ende des Schreibens heißt es: "Die für Sie in Betracht kommenden Vorläufigkeitspunkte werden programmgesteuert für jeden Veranlagungszeitraum ermittelt! Sie werden gebeten, bis spätestens 10.05.2009 mitzuteilen, ob Sie mit der Erledigung des o.g. Einspruchs in vorgenannter Weise einverstanden sind."

7

Mit Bescheid vom 15. Juni 2009 verfuhr das FA wie angekündigt und nahm entsprechende Vorläufigkeitsvermerke in den Bescheid auf. Im Übrigen blieb dieser --auch betragsmäßig-- unverändert. In den Erläuterungen wurde der Klägerin mitgeteilt, dass sich ihr Einspruch/Antrag vom 5. Dezember 2005 dadurch erledigt habe.

8

Am 9. März 2010 erließ das FA erneut einen geänderten Einkommensteuerbescheid, in dem eine Prüfungsmitteilung vom 6. März 2008, resultierend aus einer beim Arbeitgeber der Klägerin durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung, ausgewertet wurde. Angesetzt wurde ein geldwerter Vorteil aufgrund einer Kfz-Überlassung an die Klägerin. Der Bescheid enthält die Feststellung: "Der Bescheid ist nach § 129 AO berichtigt."

9

Gegen den geänderten Bescheid legte die Klägerin am 29. März 2010 Einspruch ein. Sie führte aus, dass § 129 AO nicht die richtige Änderungsvorschrift sei. Einschlägig sei vielmehr § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Zum Zeitpunkt der Änderung am 15. Juni 2009 (Vornahme der Vorläufigkeitsvermerke) seien die Feststellungen der Lohnsteuer-Außenprüfung bereits bekannt gewesen. Bei der erneuten Änderung am 9. März 2010 seien die fraglichen Feststellungen nicht mehr neu gewesen. Eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO scheide daher aus.

10

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.

11

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

12

Sie beantragt,
das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 19. März 2013  8 K 516/11 und den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 9. März 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Januar 2011 aufzuheben.

13

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

15

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Zu Recht hat das FG entschieden, dass der Änderungsbescheid 2004 vom 9. März 2010 rechtmäßig ist.

16

1. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

17

a) Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO ist jeder Lebenssachverhalt, der Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. Februar 2013 IX R 24/12, BFHE 240, 265, BStBl II 2013, 484, m.w.N., und BFH-Beschluss vom 19. Oktober 2011 X R 29/10, BFH/NV 2012, 227, m.w.N.).

18

b) Nachträglich werden Tatsachen oder Beweismittel bekannt, wenn deren Kenntnis nach dem Zeitpunkt erlangt wird, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist (Senatsurteil vom 13. Juni 2012 VI R 85/10, BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5). Maßgeblich ist grundsätzlich der letzte Bescheid, der für eine abschließende Sachprüfung in Betracht kommt (von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 173 AO Rz 212).

19

aa) Ist der ursprüngliche Steuerbescheid (hier der Teilabhilfebescheid vom 24. Juli 2006) geändert und sind im Änderungsbescheid (hier vom 15. Juni 2009) bestimmte Tatsachen nicht berücksichtigt worden (hier die Prüfungsmitteilung vom 6. März 2008), sind diese Tatsachen bei einer beabsichtigten späteren Änderung nach § 173 AO nicht (mehr) neu, wenn nach § 88 AO Anlass bestand, sie bereits bei Erlass des Änderungsbescheids zu berücksichtigen. Denn der Änderungsbescheid tritt verfahrensrechtlich an die Stelle des ursprünglichen Bescheids (BFH-Urteil vom 13. September 2001 IV R 79/99, BFHE 196, 195, BStBl II 2002, 2). Tatsachen und Beweismittel, die bei der abschließenden Zeichnung des Änderungsbescheids schon vorhanden waren, aber nicht berücksichtigt wurden, berechtigen nach Eintritt der Bestandskraft nicht mehr zur Korrektur nach § 173 AO (von Groll in HHSp, § 173 AO Rz 212 f.; Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 173 Rz 54 f.; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 50; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 173 Rz 49; Forchhammer in Leopold/Madle/ Rader AO, § 173 Rz 18).

20

bb) Verpflichtet hingegen die beabsichtigte Änderung nach ihrer Art nicht zur weiteren Sachprüfung, bleibt eine spätere Änderung des (vorherigen) Änderungsbescheids nach § 173 AO möglich. Eine solche Pflicht zur (umfassenden) Berücksichtigung aller bis dahin bekanntgewordenen Tatsachen besteht insbesondere nicht bei Änderungen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, bei denen das Finanzamt den Grundlagenbescheid ohne eigene Sachprüfung übernehmen muss (BFH-Urteil vom 12. Januar 1989 IV R 8/88, BFHE 156, 4, BStBl II 1989, 438; von Groll in HHSp, § 173 AO Rz 212, 214; Klein/Rüsken, a.a.O., § 173 Rz 54 f.; Loose, a.a.O., § 173 AO Rz 50; von Wedelstädt, AO § 173 Rz 49; Forchhammer, a.a.O., § 173 Rz 18). Entsprechendes gilt --wie das FG zutreffend erkannt hat-- in Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO. Auch in diesen Massenrechtsbehelfsverfahren, die allein darauf abzielen, dem Steuerpflichtigen eine spätere materielle Änderung zu ermöglichen, wenn das Musterverfahren Erfolg hat, ist das Finanzamt lediglich zu einer punktuellen Überprüfung des Steuerbescheids im Hinblick auf den Vorläufigkeitsausspruch verpflichtet. Denn § 165 Abs. 1 Satz 2 AO erlaubt eine vorläufige Steuerfestsetzung nur im Rahmen der dort aufgeführten Katalogtatbestände. Nur soweit im Einzelfall eine dort benannte "Ungewissheit über das anzuwendende Recht" vorliegt, darf insbesondere zur Vermeidung von Massenrechtsbehelfsverfahren eine Vorläufigkeitserklärung erfolgen. Darüber haben die Finanzbehörden nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 AO) zu entscheiden. Dementsprechend wird dem Antrag (Einspruch) des Steuerpflichtigen, den Einkommensteuerbescheid hinsichtlich einer der in § 165 Abs. 1 Satz 2 AO benannten Vorläufigkeitsgründe für vorläufig zu erklären, ohne nähere Prüfung stattgegeben, sofern dies verwaltungsinternen Anweisungen entspricht. Deshalb brauchen auch bei einer Änderung der Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO andere als die die Ungewissheit betreffenden Tatsachen nicht berücksichtigt werden, auch wenn sie den Finanzbehörden zum Zeitpunkt dieser Änderung bekannt sind oder als Bestandteil der Akten des zu veranlagenden Steuerpflichtigen als bekannt gelten (Senatsurteile in BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5, und vom 13. Januar 2011 VI R 61/09, BFHE 232, 5, BStBl II 2011, 479, jeweils m.w.N). Vielmehr ist insoweit auch nach der Vorläufigkeitserklärung noch eine Änderung nach § 173 AO möglich (Frotscher in Schwarz, AO, § 173 Rz 114; von Wedelstädt, a.a.O., AO § 173 Rz 49; Forchhammer, a.a.O., § 173 Rz 18; Klein/Rüsken, a.a.O., § 173 Rz 57; FG Düsseldorf vom 18. September 1996  7 K 1562/91 GE, Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 140).

21

2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zutreffend entschieden, dass der Einkommensteuerbescheid 2004 vom 15. Juni 2009 durch das FA nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden durfte und der Änderungsbescheid 2004 vom 9. März 2010 rechtmäßig ist.

22

a) Zutreffend gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass der geldwerte Vorteil aus der Überlassung eines betrieblichen PKW auch zur privaten Nutzung eine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO ist.

23

b) Entgegen der Auffassung der Revision ist diese Tatsache dem FA erst nach dem Erlass des Einkommensteuer(änderungs)bescheids vom 15. Juni 2009 und damit nachträglich bekannt geworden. Denn vorliegend hat das FA die (mehrfach geänderte) Einkommensteuerfestsetzung 2004 mit Bescheid vom 15. Juni 2009 lediglich insoweit geändert, als es die ursprüngliche Steuerfestsetzung im Hinblick auf beim BVerfG und beim BFH anhängige Musterverfahren gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 AO für vorläufig erklärt hat. Zu einer über die Rechtmäßigkeit dieser Änderung hinausgehenden materiellen Überprüfung dieses Steuerbescheids war das FA dabei nicht verpflichtet. Damit gelten die Erkenntnisse aus der Prüfungsmitteilung vom 6. März 2008 als neu, auch wenn diese zum Zeitpunkt der punktuellen Änderung der Steuerfestsetzung mit Bescheid vom 15. Juni 2009 bereits Inhalt der Akten waren.

24

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,
2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. April 2014  2 K 1972/12 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erhielt im Jahr 2005 Kirchensteuererstattungen, die aus den Veranlagungszeiträumen 2000 bis 2003 resultieren. Mangels ausreichender in diesem Jahr gezahlter Kirchensteuer (vgl. Einkommensteuerbescheid 2005 vom 8. Februar 2007) entstand ein Erstattungsüberhang. Diesen verrechnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) mit der im Jahr 2004 gezahlten Kirchensteuer und änderte am 14. September 2009 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) den Einkommensteuerbescheid 2004. Den danach noch verbleibenden Erstattungsüberhang verrechnete das FA mit den Kirchensteuerzahlungen des Veranlagungszeitraums 2003.

2

Die Klägerin hatte mit der gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 gerichteten Klage Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied am 24. August 2011 in dem Rechtsstreit 2 K 1270/10, Erstattungsüberhänge bei der Kirchensteuer könnten auch aus Vereinfachungsgründen nicht in das jüngste Zahlungsjahr zurückgetragen werden, sondern seien dem jeweiligen Zahlungsjahr zuzuordnen. Damit waren im Veranlagungszeitraum 2004 nur noch Erstattungsüberhänge in Höhe von 11.199,24 € verrechenbar.

3

Das FA änderte daraufhin am 13. Dezember 2011 den Einkommensteuerbescheid 2004 den Vorgaben des Urteils entsprechend. Die nunmehr nicht berücksichtigten Erstattungsüberhänge übertrug das FA auf die weiteren Zahlungsjahre und änderte am 5. April 2012 gemäß § 174 Abs. 4 AO die Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2003 zu Ungunsten der Klägerin.

4

Die Klägerin war und ist der Auffassung, beim Erlass des geänderten Einkommensteuerbescheids 2004 am 14. September 2009 sei für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2003 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen. Eine Änderung sei nur bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist für 2004 und damit bis zur Rechtskraft des Urteils im Herbst 2011 zulässig gewesen. Ein Hinausschieben der durch ein rückwirkendes Ereignis geänderten Festsetzungsfrist sei auch nicht durch Bezugnahme auf § 174 Abs. 4 AO möglich, da diese Vorschrift im Streitfall nicht anwendbar sei, weil die fehlerhafte Erfassung des Sachverhalts nicht auf einer irrigen Beurteilung des FA beruht habe. Die Änderungspraxis des FA begegne tiefgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, da die Einkommensteuerbescheide vielfach geändert worden seien, sie, die Klägerin, jedoch einen Anspruch auf Rechtssicherheit habe.

5

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG urteilte, das FA habe die Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2003 am 5. April 2012 wegen der eingetretenen Festsetzungsverjährung nicht ändern dürfen (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2014, 1159). Der Eintritt der Festsetzungsverjährung zum 31. Dezember 2011 sei nicht durch § 174 Abs. 4 AO gehindert worden, da dessen Voraussetzungen mangels irriger Beurteilung des FA im Streitfall nicht erfüllt gewesen seien. Das FA habe trotz der ihm bekannten Rechtsprechung zur Frage der Berücksichtigung von Kirchensteuererstattungen in den Veranlagungszeiträumen ihrer Zahlung den Erstattungsüberhang des Jahres 2005 mit den Kirchensteuerzahlungen des Veranlagungszeitraumes 2004 verrechnet, obwohl es gewusst habe, dass seine Vorgehensweise nicht diesen Grundsätzen entspreche. Die fehlende Vereinbarkeit mit der geltenden Rechtslage ergebe sich auch aus der Verfügung der Oberfinanzdirektion Koblenz (OFD) vom 11. April 2005 (S 2221 A - St 32 3), die sich in der Rechtsbehelfsakte wegen der Veranlagungszeiträume 2000 bis 2003 befinde. Von der in der Verfügung angeordneten Lösung für den Fall eines Antrags oder Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen habe das FA wissentlich keinen Gebrauch gemacht. Aufgrund des gesamten zeitlichen Ablaufes des Verfahrens sei der Rechtssicherheit für die Klägerin Vorrang vor dem Prinzip einer folgerichtigen Umsetzung des von ihr erstrittenen Urteils einzuräumen.

6

Das FA begründet seine Revision mit der fehlerhaften Auslegung des § 174 Abs. 4 AO durch das FG. Die eine Korrektur nach § 174 Abs. 4 AO ermöglichende Änderung eines (anderen) Bescheids müsse nach dem Gesetzeswortlaut lediglich durch einen Rechtsbehelf oder Antrag des Steuerpflichtigen ausgelöst worden sein (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Mai 2005 IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl II 2005, 637). Zweck der Vorschrift sei allein, nach antragsgemäßer Änderung des Steuerbescheids ggf. unter Durchbrechung der Bestandskraft die in einem anderen Steuerbescheid gezogenen steuerlichen Folgerungen rückgängig zu machen (BFH-Urteil vom 4. April 2001 XI R 59/00, BFHE 195, 286, BStBl II 2001, 564), die sich als unzutreffend erwiesen hätten (so auch Begründung des Gesetzentwurfs einer Abgabenordnung, BTDrucks VI/1982, S. 153, 154; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10. November 1997 GrS 1/96, BFHE 184, 1, BStBl II 1998, 83).

7

Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

§ 174 Abs. 4 AO sei im Streitfall nicht anwendbar, weil der unrichtigen Veranlagung keine irrige Beurteilung eines Sachverhaltes zugrunde gelegen habe. Das FA habe sich nicht in einem Irrtum befunden, sondern die durch die OFD vorgegebene Lösung wissentlich nicht angewendet.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweisen.

11

Das FG hat zu Unrecht entschieden, das FA habe die Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2003 nicht gemäß § 174 Abs. 4 AO ändern dürfen. Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO waren im Streitfall erfüllt (unter 1.). Der Änderung der Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2003 stand der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegen (unter 2.).

12

1. Nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO können, wenn aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen ist, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird.

13

a) Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass § 174 Abs. 4 AO u.a. die Möglichkeit eröffnet, Folgerungen aus einem bestimmten Sachverhalt, die zunächst nicht im "richtigen" Bescheid, sondern in einem anderen Verfahren gezogen worden sind, durch Erlass eines richtigen Bescheids nachzuholen (Senatsurteil vom 29. Juni 2005 X R 38/04, BFH/NV 2005, 1751, unter 1.). Somit erfasst § 174 AO auch Sachverhalte wie den Streitfall, in denen die Finanzbehörde darüber irrt, in welchem Jahr die steuerrechtlichen Folgerungen aus einem bestimmten Sachverhalt zu ziehen sind (s. Senatsurteil in BFH/NV 2005, 1751, unter 1.), hier die streitgegenständliche Frage, in welche Veranlagungszeiträume der Erstattungsüberhang des Jahres 2005 zurückzutragen war. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch Einigkeit.

14

b) Nicht nur zwischen den Beteiligten, sondern auch in der Rechtsprechung und im Schrifttum ist indes umstritten, wie das Tatbestandsmerkmal "irrige Beurteilung" auszulegen ist.

15

aa) Zweifelsfrei ist die Beurteilung eines Sachverhalts irrig, wenn sie sich nachträglich als unrichtig erweist (vgl. BFH-Entscheidungen vom 16. Februar 1996 I R 150/94, BFHE 180, 8, BStBl II 1996, 417; vom 18. Februar 1997 VIII R 54/95, BFHE 183, 6, BStBl II 1997, 647). Dabei ist unerheblich, ob der für die rechtsirrige Beurteilung ursächliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen liegt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 2. Mai 2001 VIII R 44/00, BFHE 195, 14, BStBl II 2001, 562; vom 21. August 2007 I R 74/06, BFHE 218, 487, BStBl II 2008, 277; vom 10. Mai 2012 IV R 34/09, BFHE 239, 485, BStBl II 2013, 471; vom 24. April 2013 II R 53/10, BFHE 241, 63, BStBl II 2013, 755, Rz 20; vom 19. August 2015 X R 50/13, BFHE 251, 389, Rz 34; vom 4. Februar 2016 III R 12/14, BFHE 253, 290, BStBl II 2016, 818, Rz 12, jeweils m.w.N.).

16

bb) Fraglich und umstritten ist jedoch, ob eine irrige Beurteilung i.S. des § 174 Abs. 4 AO auch dann angenommen werden kann, wenn dem FA bei Erlass des Bescheids bereits dessen Fehlerhaftigkeit bekannt, d.h. es zu diesem Zeitpunkt subjektiv nicht der Auffassung war, eine richtige Beurteilung vorzunehmen.

17

(1) Ein Teil des Fachschrifttums und der Finanzgerichtsbarkeit geht davon aus --worauf die Klägerin und das FG hinweisen--, dass es an einer irrtümlichen Beurteilung i.S. des § 174 Abs. 4 AO fehle, wenn das FA den Fehler vor Erlass des Steuerbescheids erkenne, den Steuerbescheid aber gleichwohl unverändert, also bewusst fehlerhaft erlasse (so z.B. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Oktober 2014  5 K 4719/10, juris, Revision X R 4/15; Frotscher in Schwarz, AO, § 174 Rz 171; Koenig/Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 174 Rz 60; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 174 AO Rz 236; nicht eindeutig von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 174 Rz 97, und Bartone in: Kühn/von Wedelstädt, 21. Aufl., AO, § 174 Rz 56; nicht streiterhebliche Bedenken äußerte auch der V. Senat in dem Beschluss vom 22. Dezember 1988 V B 148/87, BFH/NV 1990, 341, unter 1.b bb).

18

(2) Demgegenüber haben sowohl der V. Senat in seinem späteren Beschluss vom 21. Mai 2004 V B 30/03 (BFH/NV 2004, 1497, unter II.1.) als auch der IV. Senat im Urteil in BFHE 239, 485, BStBl II 2013, 471, Rz 26 bereits ausdrücklich entschieden, eine Änderung wegen der irrigen Beurteilung des Sachverhalts in einem anderen Bescheid sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil das FA insoweit vorsätzlich fehlerhaft gehandelt habe. Der Wortlaut des § 174 Abs. 4 AO enthalte keine weitere Einschränkung, nach der zwar eine Änderung des angefochtenen Bescheids aufgrund des Rechtsbehelfs zulässig sein solle, die Änderung der irrigen Beurteilung in anderen Bescheiden aber deswegen unterbleiben müsse, weil das FA vorsätzlich fehlerhaft gehandelt habe. Gegen eine solche Auslegung spreche vor allem der Sinn des § 174 Abs. 4 AO. Die Vorschrift biete den Finanzbehörden im Falle der Aufhebung oder Änderung einer unrichtigen Steuerfestsetzung auf Betreiben des Steuerpflichtigen eine Ermächtigungsgrundlage dahingehend, den nunmehr unberücksichtigten Sachverhalt in dem richtigen Bescheid zu erfassen. Der Steuerpflichtige solle im Falle seines Obsiegens mit einem gewissen Rechtsstandpunkt an seiner Auffassung festgehalten werden, soweit derselbe Sachverhalt zu beurteilen sei. Der Steuerpflichtige, der erfolgreich für seine Rechtsansicht gestritten habe, müsse auch die damit verbundenen Nachteile hinnehmen (ebenso Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 45; Forchhammer in Leopold/ Madle/Rader AO, § 174, Rz 40).

19

(3) Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die gerade dargestellte Begründung, insbesondere auf den Telos der Vorschrift, den Steuerpflichtigen im Falle seines Obsiegens mit einem gewissen Rechtsstandpunkt an dieser Auffassung festzuhalten.

20

(a) Es handelt sich dabei um eine besondere gesetzliche Ausformung des Grundsatzes von Treu und Glauben (s. Senatsurteil in BFHE 251, 389, Rz 42, m.w.N.). Durch § 174 AO soll die Finanzbehörde die Möglichkeit erhalten, in bestimmten Fällen der materiellen Richtigkeit Vorrang einzuräumen, indem vermieden wird, dass Steuerfestsetzungen bestehen bleiben, die inhaltlich zueinander im Widerspruch stehen (Senatsurteil vom 28. Januar 2009 X R 27/07, BFHE 224, 15, BStBl II 2009, 620, Rz 15). Wie der Große Senat des BFH entschieden hat, regelt die Vorschrift die verfahrensrechtlichen (inhaltlichen) Folgerungen aus einer vorherigen Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids auf Antrag des Steuerpflichtigen zu dessen Gunsten. Diese Aufhebung oder Änderung löst sodann --"nachträglich"-- die Rechtsfolge des § 174 Abs. 4 AO aus, dass ein anderer Bescheid erlassen oder geändert werden kann. Die Vorschrift zieht somit die verfahrensrechtliche Konsequenz daraus, dass der andere Bescheid nunmehr eine "widerstreitende Steuerfestsetzung" enthält, wie sie das Gesetz nach seiner amtlichen Überschrift zu § 174 AO voraussetzt (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 184, 1, BStBl II 1998, 83, unter C.II.1.; Senatsurteil in BFHE 224, 15, BStBl II 2009, 620, Rz 15).

21

(b) Zudem ist auf die erheblichen praktischen Schwierigkeiten hinzuweisen, unter denen die Vorschrift des § 174 AO dann nur angewendet werden könnte.

22

Würde gefordert, dass die Finanzverwaltung auch subjektiv der Auffassung gewesen sein müsse, nicht rechtswidrig zu handeln, müsste die Behörde --da es sich dann um eine Voraussetzung für ihre Änderungsbefugnis handelt-- jeweils darlegen und rechtfertigen, warum sie die sich später als richtig herausstellende Auffassung nicht bereits bei Erlass des fehlerhaften Steuerbescheids vertreten hatte. Es dürfte im Regelfall jedoch erhebliche Schwierigkeiten bereiten, die Erwägungen daraufhin zu überprüfen, ob sie unter keinen Umständen vertretbar gewesen sind, um ein bewusst fehlerhaftes Handeln auszuschließen, wie der Streitfall zeigt.

23

(aa) Zunächst kann aus der Tatsache, dass in der Rechtsbehelfsakte der Streitjahre 2000 bis 2003 die OFD-Verfügung vom 11. April 2005 enthalten war, eine bewusst fehlerhafte Steuerfestsetzung durch das FA im Jahr 2009 nicht abgeleitet werden.

24

Zwar wird in dieser Verwaltungsanweisung die Auffassung vertreten, dass im Falle von Erstattungen für mehrere Jahre in einem Veranlagungszeitraum der verbleibende Erstattungsüberhang aus Vereinfachungsgründen zunächst in das jüngste Zahlungsjahr zurückzutragen sei. Erst wenn der Steuerpflichtige im Rahmen eines Einspruchs oder Änderungsantrags eine abweichende, für ihn günstigere Form der Aufteilung beantrage, könne dem Einspruch bzw. dem Änderungsantrag durch die anteilige Aufteilung des Erstattungsüberhangs und Korrektur im jeweiligen Zahlungsjahr gefolgt werden. Die OFD-Verfügung befindet sich jedoch nicht in der insoweit relevanten Rechtsbehelfsakte für den Veranlagungszeitraum 2004, sondern in der Rechtsbehelfsakte für die Streitjahre 2000 bis 2003. Dass sie dem FA bereits in dem zeitlich vorgelagerten Rechtsbehelfsverfahren bezüglich der Veranlagung 2004 bekannt gewesen sein soll, kann --im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin und des FG-- hieraus nicht gefolgert werden.

25

(bb) Aber auch aus anderen Gründen kann nicht von einer bewusst fehlerhaften Steuerfestsetzung 2004 ausgegangen werden.

26

Das FA hatte in dem Steuerbescheid 2004 vom 14. September 2009, in der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2010 sowie in dem finanzgerichtlichen Verfahren 2 K 1270/10 die Meinung vertreten, aus Vereinfachungsgründen und zur Vermeidung eines Kaskadeneffektes sei der Erstattungsüberhang in das jüngste Zahlungsjahr 2004 zurückzutragen. Dass diese Auffassung in den Jahren 2009 und 2010 unter keinem rechtlichen Aspekt zu vertreten gewesen sein sollte, ist eher zu bezweifeln. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung aus Gründen der Praktikabilität und auch der Rechtskontinuität bei in der Regel jährlich wiederkehrenden Sonderausgaben wie der Kirchensteuer am Grundsatz der Verrechnung im Erstattungsjahr festgehalten hat (s. Senatsurteil vom 26. Juni 1996 X R 73/94, BFHE 181, 144, BStBl II 1996, 646, unter II.2.). Deshalb konnte im Zeitpunkt des Verwaltungshandelns nicht ausgeschlossen werden, dass ggf. die Rechtsprechung aus Vereinfachungsgründen auch eine vorrangige Verrechnung des Erstattungsüberhangs im ersten Zahlungsjahr erlauben würde. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die relevanten Senatsentscheidungen vom 2. September 2008 X R 46/07 (BFHE 222, 215, BStBl II 2009, 229), vom 9. Dezember 2009 X R 4/09 (BFH/NV 2010, 596) und vom 19. Januar 2010 X B 32/09 (BFH/NV 2010, 1250) stammen.

27

c) Die weiteren Voraussetzungen für eine Änderung der streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2003 nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO sind --dies ist wiederum zwischen den Beteiligten unstreitig-- erfüllt.

28

d) Die Änderung der Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2003 war nicht wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung ausgeschlossen.

29

aa) Das FG hat den fehlerhaft geänderten Einkommensteuerbescheid 2004 vom 14. September 2009 mit Urteil vom 24. August 2011 aufgehoben, das Urteil wurde im Oktober 2011 rechtskräftig. Das FA änderte zugunsten der Klägerin den Einkommensteuerbescheid am 13. Dezember 2011 (vgl. § 121 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die angefochtenen Einkommensteuer-Änderungsbescheide 2000 bis 2003 ergingen am 5. April 2012, sie sind demnach binnen der Jahresfrist des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO erlassen worden.

30

bb) Dem steht § 174 Abs. 4 Satz 4 AO nicht entgegen.

31

(1) Nach § 174 Abs. 4 Satz 4 AO ist der Fristablauf für den Fall, dass die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen war, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO unbeachtlich. Der in Abs. 4 Satz 4 genannte "später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid" ist der auf Rechtsbehelf oder Antrag des Steuerpflichtigen aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid (vgl. BFH-Urteile vom 10. November 1993 I R 20/93, BFHE 173, 184, BStBl II 1994, 327, unter II.B.5.; vom 23. Mai 1996 IV R 49/95, BFH/NV 1997, 89; vom 15. Januar 2009 III R 81/07, BFH/NV 2009, 1073, unter II.b; BFH-Beschluss vom 8. Februar 2007 XI B 70/06, BFH/NV 2007, 1071, unter 2.), hier also der geänderte Einkommensteuerbescheid 2004 vom 14. September 2009.

32

(2) Wie das FA und das FG zu Recht erkannt haben, war für die Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2003 aufgrund des durch den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 8. Februar 2007 ermittelten Überhangs an erstatteter Kirchensteuer am 14. September 2009 noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten.

33

Die Einkommensteuerbescheide hätten zu diesem Zeitpunkt noch gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert werden können, da der Erstattungsüberhang als rückwirkendes Ereignis den Sonderausgabenabzug in den Zahlungsjahren 2000 bis 2003 gemindert hätte (s. auch Senatsentscheidungen vom 28. Mai 1998 X R 7/96, BFHE 186, 521, BStBl II 1999, 95, Rz 19 f., und in BFH/NV 2010, 1250, Rz 5). Nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO beginnt in diesem Fall die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das rückwirkende Ereignis eintritt, also im Streitfall mit Ablauf des Jahres 2007. Damit trat unter Berücksichtigung der vierjährigen Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO für die Jahre 2000 bis 2003 die Festsetzungsverjährung erst mit Ablauf des 31. Dezember 2011 ein, so dass der angefochtene Änderungsbescheid für 2004 vom 14. September 2009 in noch nicht festsetzungsverjährter Zeit ergangen ist. Damit kommt es auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO im Streitfall nicht an.

34

2. Die Änderung der Steuerfestsetzungen 2000 bis 2003 verstößt nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

35

a) Da bereits die Änderungsmöglichkeit des § 174 Abs. 4 AO ihre Grundlage in dem Grundsatz von Treu und Glauben hat, darf sich das FA als derjenige, der daraus Vorteile zieht, nicht selbst treuwidrig verhalten.

36

Die Anwendung des § 174 Abs. 4 AO kann damit beispielsweise ausgeschlossen sein, wenn die Möglichkeit bestünde, dass die Finanzbehörde ihr Änderungsrecht auf Grund eines entsprechenden vertrauensbegründenden Vorverhaltens verwirkt hat (noch offengelassen im BFH-Beschluss vom 10. Juli 2003 I B 150/02, BFH/NV 2003, 1535, unter II.1.). Eine weitere Konstellation für eine treuwidrige Änderung gemäß § 174 Abs. 4 AO kann darin zu sehen sein, dass sich die Finanzverwaltung absichtlich eine ansonsten nicht gegebene Voraussetzung einer Änderungsmöglichkeit gemäß § 174 Abs. 4 AO verschafft (so auch die Beispiele bei Frotscher in Schwarz, AO, § 174 Rz 171, und von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 174 Rz 97). Allein die abstrakte Besorgnis, die Zulässigkeit der Änderung gemäß § 174 Abs. 4 AO könne die Finanzverwaltung zum Missbrauch einladen, reicht indes nicht aus, um die Änderungsmöglichkeit allgemein einzuschränken, da dies den Kern des § 174 Abs. 4 AO berührte (ebenso zur im Grundsatz vergleichbaren Zulässigkeit der Fehlersaldierung gemäß § 177 AO, Senatsurteil vom 22. April 2015 X R 24/13, BFH/NV 2015, 1334, Rz 33). Es bedarf vielmehr konkreter Indizien, die auf ein treuwidriges Verhalten hindeuten.

37

b) Diese sind im Streitfall nicht zu erkennen.

38

Das FA hätte am 8. Februar 2007, d.h. zu dem Zeitpunkt, in dem feststand, dass die im Jahr 2005 erstattete Kirchensteuer die in diesem Jahr gezahlte Kirchensteuer überstieg, die Steuerfestsetzungen der Jahre 2000 bis 2003 bereits ändern können und müssen (s. dazu auch oben unter II.1.d bb). Es hat durch das von ihm gewählte Verfahren keine ihm ansonsten nicht oder nicht mehr zustehende Änderungsmöglichkeit erhalten. Das FA hat vielmehr die ihm aufgrund des erfolgreichen Rechtsstreits der Klägerin eingeräumte Änderungsmöglichkeit des § 174 Abs. 4 AO genutzt, um die materiell rechtmäßige Rechtslage herzustellen.

39

c) Ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben ist --im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin und des FG-- auch nicht dem konkreten Verfahrensablauf zu entnehmen.

40

aa) Das FA wusste zwar seit der Einkommensteuerveranlagung 2005 vom 8. Februar 2007, dass ein Kirchensteuererstattungsüberhang gegeben war und somit die Einkommensteuerfestsetzungen früherer Veranlagungszeiträume zu ändern waren. Die gesetzliche Festsetzungsverjährung für die davon betroffenen Veranlagungen trat aber erst zum 31. Dezember 2011 ein.

41

Dass das FA erst zwei Jahre nach Kenntnis, aber immer noch innerhalb der Festsetzungsfrist, die ersten --wenn auch nur teilweise richtigen-- Schlussfolgerungen aus dem Erstattungsüberhang gezogen und die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2004 und 2003 geändert hat, führt noch zu keinem Verstoß gegen Treu und Glauben. Dasselbe gilt für die Änderung der Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2003 am 5. April 2012: Auch hier wurde das FA fristgerecht noch innerhalb der Einjahresfrist des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO tätig, da das finanzgerichtliche Urteil, das den Einkommensteuerbescheid 2004 änderte, im Oktober 2011 rechtskräftig wurde.

42

In einer solchen Konstellation, in der --soweit erkennbar-- keine Anhaltspunkte für einen besonderen Vertrauenstatbestand dergestalt gegeben sind, dass das FA nicht tätig werden würde, ist es nicht möglich, die gesetzlichen Verjährungsregelungen außer Acht zu lassen, um der Rechtssicherheit zugunsten des Steuerpflichtigen Vorrang einzuräumen.

43

bb) Dieser Vorrang kann sich auch nicht in den Fällen ergeben, in denen ein Einkommensteuerbescheid mehrfach geändert werden muss, um die materiell richtige Besteuerung zu gewährleisten. Daher kann dem Vorbringen der Klägerin auch darin nicht gefolgt werden, dass zumindest der Einkommensteuerbescheid 2003 nicht mehr zu ändern sei, weil dieser wegen des Kirchensteuerüberhangs 2005 bereits einmal geändert worden sei. Die in § 174 Abs. 4 AO getroffene Regelung beinhaltet eine eigenständige Änderungsmöglichkeit für den Fall, dass der Steuerpflichtige erfolgreich gegen einen anderen Bescheid vorgegangen ist.

44

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Tatbestand

1

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob im Jahr 2007 Kirchensteuer erstattet wurde und --falls dies zu bejahen wäre-- in welchen Jahren der Kirchensteuerüberhang zu berücksichtigen gewesen wäre.

2

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) änderte im Jahr 2007 die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2005 der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger); dies führte zu einer Kirchensteuererstattung in Höhe von insgesamt 194.860,18 € für 2002 sowie 215.618,12 € für 2005. Aufgrund dieser Erstattungen kürzte das FA zunächst den Sonderausgabenabzug für die anderweitig im Jahr 2007 gezahlte Kirchensteuer (22.391 €) auf 0 €. Den verbleibenden Überhang verrechnete es dann in Höhe von 193.227 € mit der im Jahr 2005 gezahlten Kirchensteuer und erließ am 5. August 2009 einen entsprechenden Änderungsbescheid. Der verbleibende Betrag in Höhe von 194.860 € wurde in dem ebenfalls am 5. August 2009 erlassenen geänderten Einkommensteuerbescheid 2002 mit der im Jahr 2002 gezahlten Kirchensteuer verrechnet.

3

Die Kläger waren der Auffassung, ihnen sei im Jahr 2007 keine Kirchensteuer, sondern vielmehr Einkommensteuer erstattet worden, die die Finanzkasse zuvor auf das Konto der Kirchensteuer umgebucht habe. Zudem seien die angefochtenen Bescheide mangels ordnungsgemäßer Buchungen der Finanzkasse nicht haltbar. Auch könnten Kirchensteuererstattungen im Jahr 2007 nicht die Einkommensteuer der Jahre 2002 und 2005 beeinflussen.

4

Ihre gegen die Änderungsbescheide vom 5. August 2009 gerichtete Klage wurde vom Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde begründen die Kläger u.a. mit einer unzureichenden Sachaufklärung des FG und fehlender Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Akten. Die Revision sei auch zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde der Kläger ist unbegründet. Die Revision ist --teils auch wegen nicht ausreichender Darlegung der Zulassungsgründe-- weder wegen eines Verfahrensmangels gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen noch erfordert die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO).

6

1. Ein Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist nicht gegeben bzw. nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt worden.

7

a) Das FG hat nicht gegen seine Pflicht verstoßen, den Sachverhalt ordnungsgemäß aufzuklären. Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) mit der Begründung gerügt, das FG hätte auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, so sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH Ausführungen dazu erforderlich, welche Beweise das FG von Amts wegen hätte erheben bzw. welche Tatsachen es hätte aufklären müssen, aus welchen Gründen sich ihm die Notwendigkeit einer Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern die Beweiserhebung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 19. Oktober 2005 X B 86/05, BFH/NV 2006, 118, unter 2.a, und vom 22. August 2012 X B 155/11, BFH/NV 2012, 2015).

8

aa) Zunächst rügen die Kläger, das FG habe nicht aufgeklärt, dass im Jahr 2007 überhaupt Kirchensteuer 2002 und 2005 erstattet worden sei. Auch habe es zu einer Erstattung der Kirchensteuer 2002 und 2005 nicht kommen können, da auf die Kirchensteuer 2002 im Jahr 2002 keine Zahlungen geleistet worden seien, ebenso wenig wie im Jahr 2005 auf die Kirchensteuer 2005 Zahlungen erfolgt seien.

9

Für das FG ergab sich jedoch vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Rechtsauffassung, die auf der ständigen BFH-Rechtsprechung beruht, nicht die Notwendigkeit einer weiteren Sachverhaltsaufklärung.

10

(1) Ist im Jahr der Erstattung einer Kirchensteuer keine Kirchensteuer angefallen oder übersteigt die erstattete die gezahlte Kirchensteuer (sog. Erstattungsüberhang), fehlt es insoweit an einer endgültigen wirtschaftlichen Belastung des Steuerpflichtigen mit der zuvor von ihm gezahlten Kirchensteuer (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Senatsurteil vom 2. September 2008 X R 46/07, BFHE 222, 215, BStBl II 2009, 229). Der Sonderausgabenabzug ist dann im Zahlungsjahr über § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung zu korrigieren (BFH-Urteile vom 7. Juli 2004 XI R 10/04, BFHE 207, 28, BStBl II 2004, 1058; vom 8. September 2004 XI R 28/04, BFH/NV 2005, 321, und XI R 52/03, nicht veröffentlicht --n.v.--; vom 23. Februar 2005 XI R 68/03, BFH/NV 2005, 1304).

11

Das bedeutet im Streitfall, dass der Sonderausgabenabzug der Jahre 2002 und 2005 in Bezug auf die in diesen beiden Jahren gezahlte Kirchensteuer zu reduzieren ist, da nur diese Kirchensteuerzahlungen als Sonderausgaben die Einkommensteuerschuld der betreffenden Jahre gemindert haben. Im Gegensatz zur Auffassung der Kläger ist es demgegenüber unerheblich, wann Zahlungen für diese Jahre erfolgt sind.

12

(2) Das FG konnte für das Streitjahr 2002 dem Einkommensteuerbescheid vom 28. Oktober 2004 die im Jahr 2002 gezahlte Kirchensteuer in Höhe von 562.794 € entnehmen. Aus dem Änderungsbescheid vom 18. Mai 2007 ergab sich ein zu erstattendes Kirchensteuerguthaben für den Kläger und die Klägerin von jeweils 97.430,09 €.

13

Für das Streitjahr 2005 ergab sich aufgrund des Einkommensteuerbescheides vom 28. Februar 2007 ein Kirchensteuerguthaben von jeweils 107.809,06 €.

14

Die entsprechenden Zahlungen am 26. Februar 2007 in  Höhe der zu erstattenden Kirchensteuer 2005 sowie am 21. Juni 2007 in Höhe der zu erstattenden Kirchensteuer 2002 konnten den von den Klägern selbst vorgelegten Kontoauszügen entnommen werden. Dass die Kläger diese Kirchensteuererstattungen (194.860 € für 2002 und 215.618 € für 2005) auch tatsächlich erhalten haben, wird zudem durch ihr Schreiben an das FA vom 8. August 2009 bestätigt.

15

Dem Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 24. Juli 2009 konnte das FG außerdem entnehmen, dass im Jahr 2007 Kirchensteuern in Höhe von 22.391 € gezahlt und in Höhe von 410.518 € erstattet worden waren. Der letztere Betrag setzte sich nach den Erläuterungen des FA in der Klageerwiderung vom 12. November 2010 aus der Kirchensteuererstattung der Streitjahre 2002 und 2005 sowie einer Kirchensteuererstattung des Jahres 2001 in Höhe von 39,86 € zusammen.

16

Damit waren für das FG sowohl Höhe und Zeitpunkt der Zahlung der Kirchensteuern in 2002 und 2005 als auch Höhe und Zeitpunkt der Kirchensteuererstattungen (im Februar und Juli 2007) sowie die Auswirkungen der im Jahr 2009 erfolgten Verrechnung mit der Kirchensteuerzahlung des Erstattungsjahres 2007 ausreichend nachgewiesen; die Notwendigkeit einer zusätzlichen Sachverhaltsaufklärung war damit nicht gegeben.

17

bb) Die Kläger rügen zudem, es seien nicht Kirchensteuern der Jahre 2002 und 2005 erstattet worden, sondern tatsächlich Einkommensteuer, die vom FA vorher auf das Konto Kirchensteuer umgebucht worden sei.

18

Das FG hat diesen Aspekt zwar gesehen, jedoch darauf hingewiesen, dass die kassentechnischen Fragen nicht den Bereich der im Streitfall relevanten Steuerfestsetzung beträfen, sondern vielmehr die davon zu trennende Steuererhebung. Für weitere Aufklärungsmaßnahmen bestand daher seitens des FG auf Grundlage seiner Rechtsauffassung, die insoweit maßgeblich ist (vgl. dazu statt vieler Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 79, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung), kein Anlass.

19

b) Eine weitere Verfahrensrüge der Kläger bezieht sich auf die ihrer Meinung nach undurchsichtige und nicht nachvollziehbare Kontoführung des FA. Der von ihnen gestellte Beweisantrag, insoweit ein Sachverständigengutachten einzuholen, habe dazu dienen sollen, eine Kontenklärung zu erreichen. Das FG habe den Beweis jedoch nicht erhoben.

20

Das Übergehen eines Beweisantrags kann zwar den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) und die Pflicht des FG zur Sachaufklärung gemäß § 76 Abs. 1 FGO verletzen. Die schlüssige Rüge eines solchen Verfahrensmangels erfordert jedoch u.a. den --im Streitfall fehlenden-- Vortrag, dass das Übergehen des Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung von dem sachkundigen Vertreter der Klägerin gerügt worden ist bzw. die Darlegung, weshalb eine solche Rüge nicht möglich war. Dies folgt daraus, dass die Regelungen über den Untersuchungsgrundsatz und insbesondere über die grundsätzlich gegebene Pflicht des FG, schlüssigen und rechtserheblichen Beweisanträgen nachzugehen, nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zu den Verfahrensvorschriften gehören, auf die ein Beteiligter gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung verzichten kann. Hierbei geht das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren. Auch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge hat den endgültigen Rügeverlust zur Folge, ein Verzichtswille ist hierfür nicht erforderlich (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 24. November 2003 IV B 124/01, BFH/NV 2004, 519, und vom 12. März 2004 XI B 114/02, n.v., juris, m.w.N.).

21

Unabhängig von der nicht ausreichenden Darlegung dieses Verfahrensmangels kann diese Rüge keinen Erfolg haben, da das FG die Kontenführung der Finanzkasse als Teil des im Streitfall nicht relevanten Erhebungsverfahrens angesehen hat. Damit konnte dem Beweisantrag basierend auf dieser Rechtsauffassung keine Entscheidungserheblichkeit zukommen.

22

c) Mit dem Vorbringen, das FG habe nicht berücksichtigt, dass die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2005 mehrfach geändert worden seien (der Einkommensteuerbescheid 2002 vom 18. Mai 2007 am 20. August 2008, am 21. November 2008 und am 5. August 2009; der Einkommensteuerbescheid 2005 vom 28. Februar 2007 auch am 11. September 2008), machen die Kläger einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO geltend.

23

Dieser Verfahrensfehler ist gegeben, wenn das Gericht eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat (vgl. z.B. die Nachweise aus der Rechtsprechung des BFH bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 80). Es ist jedoch nicht erkennbar, dass das FG im Streitfall gegen seine Verpflichtung zur Berücksichtigung des vollständigen Akteninhalts verstoßen hat.

24

Zunächst ist zu beachten, dass § 96 FGO nicht gebietet, alle im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil zu erörtern. Es ist vielmehr im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch den Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat (BFH-Beschluss vom 27. September 1999 I B 83/98, BFH/NV 2000, 673). Vor allem aber erschließt sich dem angerufenen Senat nicht, welche Relevanz der Tatsache, dass weitere Änderungsbescheide vorliegen, zukommen soll, vor allem da in den angegriffenen Einkommensteuerbescheiden 2002 und 2005 jeweils vom 5. August 2009 eindeutig darauf hingewiesen wurde, dass durch sie die Steuerbescheide in der jeweils aktuellen Fassung (Einkommensteuerbescheid 2002 vom 21. November 2008 bzw. Einkommensteuerbescheid 2005 vom 11. September 2008) geändert wurden.

25

d) Sofern die Kläger vortragen, das FG habe auf die seiner Meinung nach bestehende Widersprüchlichkeit ihres Vortrags hinweisen müssen, rügen sie die Verletzung der richterlichen Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 FGO). Auch mit diesem Vorbringen können sie die Zulassung der Revision nicht erreichen.

26

Ein FG ist nach ständiger Rechtsprechung nicht verpflichtet, die Beteiligten vorab auf seine Einschätzung der Sach- und Rechtslage hinzuweisen (BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2006 V B 46/06, BFH/NV 2007, 930); eine solche Hinweispflicht besteht nur dann, wenn das FG auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dessen Berücksichtigung ein Beteiligter schlechterdings nicht rechnen konnte (BFH-Beschluss vom 14. Dezember 2006 VIII B 108/05, BFH/NV 2007, 741). Letzteres ist deshalb im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde darzulegen.

27

Ob die Kläger im Streitfall diese Anforderungen erfüllt haben, kann dahingestellt bleiben, da die --vermeintliche-- Widersprüchlichkeit des klägerischen Vorbringens lediglich eine Hilfsbegründung des FG darstellt. Dies lässt sich eindeutig der Formulierung im Urteil "In diesem Zusammenhang besteht im übrigen Anlass zu dem Hinweis...") entnehmen. Hat das FG sein Urteil kumulativ auf mehrere Begründungen gestützt, von denen jede für sich das Entscheidungsergebnis trägt, ist die Revision nur zuzulassen, wenn mit der Nichtzulassungsbeschwerde für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO schlüssig dargelegt wird und vorliegt (BFH-Beschluss vom 26. Oktober 2010 V B 104/09, BFH/NV 2011, 609, m.w.N.). Da hinsichtlich der Hauptbegründung des angefochtenen Urteils --wie vorstehend ausgeführt-- kein Zulassungsgrund gegeben ist, kann die Beschwerde schon aus diesem Grund mit Einwendungen gegen die Hilfsbegründung keinen Erfolg haben (siehe auch Senatsbeschluss vom 29. August 2012 X B 69/12, BFH/NV 2013, 185, m.w.N.).

28

e) Die Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß § 96 Abs. 2 FGO haben die Kläger erstmals im Schriftsatz ihrer neuen Prozessbevollmächtigten vom 11. Mai 2012 erhoben. Sie ist daher nicht innerhalb der --bis zum 3. Februar 2012 verlängerten-- Begründungsfrist eingegangen und damit verspätet. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde insbesondere hinsichtlich der Anforderungen an ihre Begründung grundsätzlich nur nach den innerhalb der Begründungsfrist vorgebrachten Ausführungen zu beurteilen; spätere Darlegungen sind --abgesehen von bloßen Erläuterungen und Ergänzungen-- nicht zu berücksichtigen (Senatsbeschlüsse vom 29. September 2000 X B 23/00, BFH/NV 2001, 437, und vom 30. Juli 2003 X B 152/02, BFH/NV 2003, 1603; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 22). Da nicht erkennbar ist, dass dieser neue Gesichtspunkt bereits --auch nur ansatzweise-- in den fristgerecht vorgebrachten Argumenten enthalten war, muss das verspätete Vorbringen unbeachtet bleiben.

 

29

2. Es bedarf keiner Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO).

30

a) Die Kläger meinen, es bedürfe einer Entscheidung des BFH, um die zeitliche Reihenfolge der Verrechnung eines Erstattungsüberhanges bei Zahlung über mehrere Kalenderjahre zu klären. Nach ihrer Auffassung sei der Erstattungsüberhang zunächst mit der zeitlich am nächsten liegenden und erst dann mit der zeitlich ferneren Zahlung zu verrechnen. Das FG Münster habe in seinem Urteil vom 31. Juli 2008  4 K 610/07 E (Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1873) insoweit zutreffend zur Kaskadenänderung entschieden. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hätte eine Verrechnung mit ihren Kirchensteuerzahlungen in 2006 erfolgen müssen.

31

Die Kläger übersehen, dass sich diese Rechtsfrage seit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. November 2011 (BGBl I 2011, 2131) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012 nicht mehr stellt. Nach § 10 Abs. 4b Satz 3 des Einkommensteuergesetzes ist ein verbleibender Erstattungsüberhang bei der Kirchensteuer nicht mehr mit der Kirchensteuer des Zahlungsjahres zu verrechnen, sondern dem Gesamtbetrag der Einkünfte des Erstattungsjahres hinzuzurechnen.

32

Eine Entscheidung des BFH zur Rechtsfortbildung ist nur in den Fällen erforderlich, in denen über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen. Insoweit gelten die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung höchstrichterlich entwickelten Anforderungen fort (BFH-Beschluss vom 6. August 2012 IX B 51/12, BFH/NV 2012, 1823, m.w.N.). Nach ständiger BFH-Rechtsprechung kommt damit Rechtsfragen, die ausgelaufenes oder auslaufendes Recht betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. Januar 1989 V B 123/86, BFH/NV 1989, 706, und vom 24. März 1998 I B 105/97, BFH/NV 1998, 1255; vgl. auch Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 35, m.w.N.). Maßgeblich ist dabei die Rechtslage in dem Zeitpunkt, zu dem der BFH über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet (vgl. BFH-Beschluss vom 18. April 2000 VII B 21/99, BFH/NV 2000, 1335; siehe auch Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 98, m.w.N.).

33

In ihrer Beschwerde legen die Kläger keine Gründe dar, die ausnahmsweise ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigen könnten. Dafür genügt nicht, dass möglicherweise noch Fälle abzuwickeln sind, in denen es nach altem Recht zu einem Kirchensteuerüberhang kommen könnte. Erforderlich wäre vielmehr, dass sich die als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft weiterhin stellen kann, wie dies bei Fragen aus fortgeltendem Recht regelmäßig der Fall ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. April 1999 V B 163/98, BFH/NV 1999, 1451, und vom 22. November 1999 III B 58/99, BFH/NV 2000, 748). Eine derartige Bedeutung für eine Vielzahl von Fällen ist weder in der Beschwerdebegründung dargelegt worden noch sonst erkennbar.

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b) Aus dem selben Grund kann auch die Rechtsfrage, ob eine spätere Änderung der Kirchensteuer Auswirkungen auf den Erstattungsüberhang hat, wenn wegen der Änderung und der durchgeführten Erstattung eine Nachzahlung zu leisten sei, nicht zur Zulassung der Revision führen. Zudem ist für den angerufenen Senat nicht erkennbar, dass sich das Problem im vorliegenden Rechtsstreit überhaupt stellt. Die Kläger haben nicht dargelegt, ob überhaupt und wann eine entsprechende Nachzahlung von ihnen geleistet worden sein soll.

(1) Feststellungsbescheide sind, auch wenn sie noch nicht unanfechtbar sind, für andere Feststellungsbescheide, für Steuermessbescheide, für Steuerbescheide und für Steueranmeldungen (Folgebescheide) bindend, soweit die in den Feststellungsbescheiden getroffenen Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind. Dies gilt entsprechend bei Feststellungen nach § 180 Absatz 5 Nummer 2 für Verwaltungsakte, die die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen. Wird ein Feststellungsbescheid nach § 180 Absatz 5 Nummer 2 erlassen, aufgehoben oder geändert, ist ein Verwaltungsakt, für den dieser Feststellungsbescheid Bindungswirkung entfaltet, in entsprechender Anwendung des § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 zu korrigieren.

(2) Ein Feststellungsbescheid über einen Einheitswert oder einen Grundsteuerwert nach § 180 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 wirkt auch gegenüber dem Rechtsnachfolger, auf den der Gegenstand der Feststellung nach dem Feststellungszeitpunkt mit steuerlicher Wirkung übergeht. Tritt die Rechtsnachfolge jedoch ein, bevor der Feststellungsbescheid ergangen ist, so wirkt er gegen den Rechtsnachfolger nur dann, wenn er ihm bekannt gegeben wird. Die Sätze 1 und 2 gelten für gesonderte sowie gesonderte und einheitliche Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen, die sich erst später auswirken, nach der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung entsprechend.

(3) Erfolgt eine gesonderte Feststellung gegenüber mehreren Beteiligten nach § 179 Absatz 2 Satz 2 einheitlich und ist ein Beteiligter im Feststellungsbescheid unrichtig bezeichnet worden, weil Rechtsnachfolge eingetreten ist, kann dies durch besonderen Bescheid gegenüber dem Rechtsnachfolger berichtigt werden.

(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,
2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Aufwendungen der Finanzbehörden sind nicht zu erstatten.

(3) Gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistands, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind stets erstattungsfähig. Aufwendungen für einen Bevollmächtigten oder Beistand, für den Gebühren und Auslagen gesetzlich nicht vorgesehen sind, können bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte erstattet werden. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind die Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Steht der Bevollmächtigte oder Beistand in einem Angestelltenverhältnis zu einem Beteiligten, so werden die durch seine Zuziehung entstandenen Gebühren nicht erstattet.

(4) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.