Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 24. Mai 2016 - 3 Sa 735/15

ECLI:ECLI:DE:LAGD:2016:0524.3SA735.15.00
bei uns veröffentlicht am24.05.2016

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts

Düsseldorf vom 15.06.2015 - 12 Ca 4043/14 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.


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Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 24. Mai 2016 - 3 Sa 735/15

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver
Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 24. Mai 2016 - 3 Sa 735/15 zitiert 30 §§.

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Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. August 2013 - 7 Sa 83/13 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

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Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 5. Juni 2014 - 3 Sa 123/13 - aufgehoben.

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Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 21. November 2012 - 2 Sa 1224/11 - wird zurückgewiesen.

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Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 27. September 2012 - 2 Sa 408/11 - aufgehoben.

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Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 21. September 2011 - 2 Sa 142/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

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Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten zu 1. wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. März 2011 - 5 Sa 373/10 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben,

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Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Mai 2011 - 16 Sa 113/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 22. März 2012 - 2 AZR 167/11

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 13. März 2012 - 1 AZR 659/10

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Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 14. August 2009 - 11 Sa 320/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Der Streitwert wird auf 14.020 € festgesetzt.


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In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. Der Betriebsrat kann in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen; § 80 Abs. 4 gilt entsprechend; im Übrigen bleibt § 80 Abs. 3 unberührt. Als Betriebsänderungen im Sinne des Satzes 1 gelten

1.
Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
2.
Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
3.
Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
4.
grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
5.
Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 16. Januar 2008 - 5 Sa 604/07 - aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten, außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist.

2

Die 1951 geborene Klägerin war seit dem 1969 bei der S AG beschäftigt. In dem damaligen Arbeitsvertrag waren die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie in Bezug genommen. Im Jahr 1998 gliederte die S AG ihren Logistikbereich aus und übertrug ihn auf die neu gegründete Beklagte. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ging mit Wirkung vom 1. September 1998 auf die Beklagte über.

3

Im Rahmen der Ausgliederung hatten die S AG und ihr Gesamtbetriebsrat am 16. Juni 1998 „sozial- und personalpolitische Grundsätze“ als „Überleitungsregeln“ vereinbart. Nach deren Nr. 15 sollten Mitarbeiter, die aufgrund der Dauer ihrer Firmenzugehörigkeit einen besonderen Kündigungsschutz nach den „S-Richtlinien“ besaßen, diesen weiterhin behalten. Diese mit dem Gesamtbetriebsrat „abgesprochenen“ Richtlinien vom 23. Juli 1993 sahen einen „Kündigungsschutz für Jubilare“ vor, demzufolge „Mitarbeitern mit mindestens 25-jähriger Dienstzeit … grundsätzlich aus betriebsbedingten Gründen nicht ordentlich gekündigt werden“ durfte.

4

Am 30. Juni 1998 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag. Darin wurde als Eintrittsdatum der Klägerin der 1. September 1998 festgelegt. Ferner wurde geregelt, dass die S-Dienstzeiten angerechnet werden und die Tarifverträge für das Speditions- und Transportgewerbe in Bayern in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung finden.

5

Die Beklagte ist als Logistikdienstleister fast ausschließlich für die S AG tätig (sog. Inhouse-Logistik). Die Klägerin arbeitete zuletzt in der Warenannahme. Sie besitzt keine Fahrerlaubnis.

6

Mit Schreiben vom 11. August 2006 teilte die S AG der Beklagten mit, dass es aufgrund der aktuellen Entwicklungen im Konzern zu einem deutlichen Rückgang der Mitarbeiterzahlen an den Standorten in M kommen werde. Der von der Beklagten zu erbringende Leistungsumfang und die monatliche Pauschale für die von ihr geleisteten Verkehrsdienste würden sich dadurch ab dem 1. Dezember 2006 ebenfalls reduzieren.

7

Die Beklagte beschloss daraufhin, ihren Geschäftsbetrieb künftig mit weniger Personal fortzuführen und 17 der insgesamt 40 gewerblichen Mitarbeiter zu entlassen. Zudem entschied sie, dass in Zukunft alle gewerblichen Mitarbeiter in der Lage sein müssten, Waren selbständig mit einem Kraftfahrzeug abzuholen und auszuliefern. Gegenüber zehn Arbeitnehmern, die über keine gültige Fahrerlaubnis verfügten, und weiteren sieben Beschäftigten sprach sie Kündigungen aus. Schwerbehinderte Mitarbeiter ohne Fahrerlaubnis nahm sie von einer Kündigung aus. Das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 30. August 2006 außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 31. August 2007.

8

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Ordentlich sei sie unkündbar. Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist seien nicht gegeben. Ihr Arbeitsplatz sei nicht weggefallen. Die Mitteilung der S AG, zu einem nicht näher konkretisierten Zeitpunkt werde sich die Zahl ihrer Mitarbeiter reduzieren, rechtfertige nicht die Annahme, das Auftrags- und Arbeitsvolumen bei der Beklagten werde sich deshalb in einem der Anzahl der tatsächlich ausgesprochenen Kündigungen entsprechenden Umfang reduzieren. Die Organisation und der Ablauf ihrer - der Klägerin - eigenen Arbeit hätten sich nicht geändert, ihre bisherige Tätigkeit führten jüngere Mitarbeiter und Leiharbeitnehmer aus. In der Warenannahme sei auch kein Führerschein erforderlich, im Übrigen könne sie in der Lagerverwaltung und in der Transportstelle ebenfalls ohne Führerschein eingesetzt werden.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30. August 2006 nicht aufgelöst worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt. Aufgrund des angekündigten drastischen Auftragsrückgangs seitens der S AG als ihrer Hauptkundin und der Reduzierung der Auftragsvergütung um 42,6 % habe für 17 ihrer insgesamt 40 gewerblichen Mitarbeiter kein Beschäftigungsbedarf mehr bestanden. Wegen des insgesamt geringeren Personalbestands sei es künftig notwendig, dass bei der Warenannahme alle Tätigkeiten in einer Hand lägen. Jeder Mitarbeiter müsse in der Lage sein, Waren mit dem Kraftfahrzeug auszuliefern. Für eine Weiterbeschäftigung sei deshalb der Besitz einer Fahrerlaubnis zwingend erforderlich. Die von der S AG gewährte Bestandsschutzgarantie finde keine Anwendung. Nr. 15 der in Form einer Gesamtbetriebsvereinbarung getroffenen „Übergangsregelungen“ vom 16. Juni 1998 sei unwirksam.

11

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Dieses hat zwar zu Recht festgestellt, dass die außerordentliche Kündigung vom 30. August 2006 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht wirksam beenden konnte. Zu Unrecht hat es aber schon auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen angenommen, dass auch die Umdeutung dieser Kündigung in eine ordentliche Kündigung nicht möglich ist. Ob das Arbeitsverhältnis in diesem Fall durch eine ordentliche Kündigung wegen dringender betrieblicher Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG beendet worden ist, kann der Senat mangels tatsächlicher Feststellungen nicht abschließend beurteilen.

13

A. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht wirksam beendet hat. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

14

I. Die Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung vom 30. August 2006 richtet sich zunächst nach § 626 BGB. Die Beklagte hat eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist erklärt. An der von ihr selbst gewählten Erklärung muss sie sich messen lassen.

15

II. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

16

1. Eine außerordentliche und zugleich fristlose Kündigung aus betriebsbedingten Gründen ist selbst gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer regelmäßig unzulässig. Zu prüfen ist, ob dem Arbeitgeber im Fall ordentlicher Kündbarkeit eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar wäre. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist, wenn aus betrieblichen Gründen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer entfällt, selbst im Insolvenzfall zumutbar, die Kündigungsfrist einzuhalten(Senat 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).

17

2. Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung mit einer - notwendig einzuhaltenden - Auslauffrist kommt in Betracht, wenn andernfalls der Ausschluss der ordentlichen Kündigung dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit ggf. noch über Jahre weiterbeschäftigen müsste und ihm dies unzumutbar ist(vgl. Senat 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 b bb der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2; 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - Rn. 25 mwN, BAGE 122, 264). Das kann ausnahmsweise der Fall sein, wenn der Arbeitgeber gezwungen wäre, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über Jahre hinweg allein durch Gehaltszahlungen, denen keine entsprechende Arbeitsleistung gegenübersteht, aufrechtzuerhalten. Allerdings ist der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündbarkeit in einem besonderen Maß verpflichtet, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden (Senat 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - aaO). Besteht noch irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird es ihm regelmäßig zumutbar sein, den Arbeitnehmer entsprechend einzusetzen. Erst wenn alle denkbaren Lösungsversuche ausscheiden, kann - ausnahmsweise - ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist vorliegen (vgl. Senat 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - aaO).

18

III. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung liegt im Streitfall nicht vor. Dies gilt auch angesichts der von der Beklagten eingehaltenen einjährigen Auslauffrist. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass für die Klägerin dauerhaft überhaupt keine andere Einsatzmöglichkeit mehr bestanden hat. Ihr Vorbringen lässt nicht erkennen, dass die Klägerin bei gesunkenem Arbeitsvolumen - selbst nach zumutbaren Organisationsänderungen - ohne Führerschein nicht mehr sinnvoll beschäftigt werden kann.

19

1. Allerdings unterliegt die Gestaltung des Anforderungsprofils für den jeweiligen Arbeitsplatz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten von Arbeitnehmern mit einer bestimmten Qualifikation ausführen zu lassen, ist von den Beschäftigten grundsätzlich hinzunehmen. Die fragliche Entscheidung kann nur auf Willkür und offenbare Unrichtigkeit hin gerichtlich überprüft werden. Dafür bedarf es besonderer Anhaltspunkte(Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 31, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138).

20

Sind aber die betreffende Organisationsentscheidung und der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers praktisch deckungsgleich, weil der Arbeitnehmer dem neuen Anforderungsprofil nicht genügt, kann die generelle Vermutung, dass eine unternehmerische Entscheidung auf sachlichen Gründen beruht, nicht unbesehen greifen. Der Arbeitgeber kann sich nicht lediglich auf seine Entscheidungsfreiheit berufen. Er muss vielmehr konkret darlegen, wie seine Entscheidung sich auf die tatsächlichen Möglichkeiten, die Arbeitnehmer einzusetzen, auswirkt und in welchem Umfang durch sie ein konkreter Änderungsbedarf entstanden ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze geändert wird, auf denen die Arbeitnehmer bereits langjährig beschäftigt sind(Senat 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138). Beruft sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung auf die Umgestaltung des Arbeitsplatzes und eine Neubestimmung des Anforderungsprofils, muss er den zugrunde liegenden betrieblichen Anlass im Einzelnen darlegen. Die Entscheidung zur (neuen) Stellenprofilierung muss im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme stehen, nach deren Durchführung sich die bisherigen Anforderungen an den Stelleninhaber ändern (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 31, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).

21

Dies gilt schon für eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Im Falle einer außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist iSv. § 626 BGB geht die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers noch darüber hinaus. Dieser hat nicht nur dazutun, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers infolge einer Änderung des Anforderungsprofils am bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr möglich ist. Er hat zudem von sich aus darzulegen, dass und weshalb es an jeglicher Möglichkeit einer sinnvollen Beschäftigung fehlt(Senat 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).

22

2. Das Vorbringen der Beklagten genügt diesen Anforderungen nicht. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, aus dem Vortrag der Beklagten werde nicht ersichtlich, warum ihr die Weiterbeschäftigung der Klägerin unzumutbar sei. Ihr Vortrag lässt nicht zu erkennen, warum eine sinnvolle Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht mehr möglich ist. Die Beklagte hat weder ausgeführt, ob und in welchem Umfang die bisherigen Arbeiten weggefallen sind, noch hat sie dargelegt, inwieweit die verbliebenen Tätigkeiten die Nutzung eines Kraftfahrzeugs und damit den Besitz eines Führerscheins zwingend erfordern. Ebenso wenig lässt sich beurteilen, ob nicht durch zumutbare Änderungen in den organisatorischen Abläufen zumindest ein weiterer Arbeitsplatz so zugeschnitten werden kann, dass auf ihm eine Beschäftigung auch ohne den Besitz einer Fahrerlaubnis sinnvoll möglich ist, und ob nicht in einem anderen Betrieb ein für die Klägerin geeigneter Arbeitsplatz besteht. Die Beklagte hat sich allein auf ihre unternehmerische Organisationsfreiheit berufen und geltend gemacht, jeder Mitarbeiter müsse zukünftig in der Lage sein, Waren selbständig mit einem Kraftfahrzeug auszuliefern. Den Anforderungen an die Darlegung eines wichtigen Grundes wird sie damit nicht gerecht. Dies gilt umso mehr, als sie die Arbeitsverhältnisse mit den schwerbehinderten Mitarbeitern, die keine Fahrerlaubnis besitzen, fortgesetzt und damit zu erkennen gegeben hat, dass eine Weiterbeschäftigung im Betrieb auch ohne Fahrerlaubnis möglich ist.

23

B. Zu Unrecht ist das Landesarbeitsgericht schon nach seinen bisher getroffenen Feststellungen davon ausgegangen, die unwirksame außerordentliche Kündigung vom 30. August 2006 könne nicht gemäß § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden. Eine Umdeutung scheitert auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht daran, dass die ordentliche Kündigung durch die „Überleitungsregeln“ und die „S-Richtlinien“ ausgeschlossen wäre.

24

I. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung zwar die Annahme zugrunde gelegt, „dass das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nur außerordentlich gekündigt werden kann - was zwischen den Parteien unstreitig ist“. Auf diese Weise hat es aber keine Tatsachen festgestellt, an die der Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden wäre. Seine Aussage, es fehle an der rechtlichen Befugnis zur ordentlichen Kündigung, ist keine Feststellung der Wahrheit einer tatsächlichen Behauptung, sondern die Beschreibung eines rechtlichen Zustands. Tatsachen, die eine entsprechende rechtliche Schlussfolgerung zuließen, hat es nicht festgestellt. An bloße Rechtsansichten, auch wenn sie zwischen den Parteien nicht „im Streit“ stehen und vom Berufungsgericht übernommen worden sind, ist das Revisionsgericht nicht gebunden. Ebenso wenig ist eine Partei gehindert, ihre bisherige, mit der Gegenseite geteilte Rechtsansicht noch in der Revisionsinstanz aufzugeben, wie die Beklagte dies getan hat.

25

II. Der besondere Kündigungsschutz der Klägerin als langjährig beschäftigte Mitarbeiterin konnte nicht durch eine (Gesamt-)Betriebsvereinbarung begründet werden. Eine entsprechende Betriebsvereinbarung verstößt gegen § 77 Abs. 3 BetrVG.

26

1. Nach den zwischen der S AG und ihrem Gesamtbetriebsrat im Rahmen der Ausgliederung vereinbarten „Überleitungsregeln“ vom 16. Juni 1998 besitzt die Klägerin einen besonderen Kündigungsschutz. Nach Nr. 15 des Regelungswerks „(behalten) Mitarbeiter, die aufgrund ihrer Firmenzugehörigkeit (25 Jahre und länger) einen besonderen Kündigungsschutz nach den S-Richtlinien genießen, … diesen weiterhin“. Nach Nr. 1 der „S-Richtlinien“ wiederum „(darf) Mitarbeitern mit mindestens 25-jähriger Dienstzeit … grundsätzlich aus betriebsbedingten Gründen nicht ordentlich gekündigt werden (Bestandsschutzgarantie)“. Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzung. Sie war bei Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte nahezu 29 Jahre bei der S AG beschäftigt.

27

2. Nach dem bisherigen Parteivorbringen und den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass der in den „S-Richtlinien“ vorgesehene besondere Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis der Parteien Rechtswirkungen entfaltet.

28

a) Als normativ wirkende Rechtsquelle für das Arbeitsverhältnis der Parteien scheidet Nr. 15 der „Überleitungsregeln“ vom 16. Juni 1998 aus. Die Bestimmung ist zwar Teil einer (Gesamt-)Betriebsvereinbarung iSd. § 77 Abs. 2, Abs. 4 BetrVG. Diese wurde jedoch zwischen der S AG und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat getroffen. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien kann sie deshalb normative Ansprüche nur begründen, wenn sie auch im Betrieb der Beklagten - normativ - gilt. Das ist nicht der Fall.

29

aa) Eine Geltung als unmittelbar für den Betrieb der Beklagten getroffene Betriebsvereinbarung scheidet aus. Weder hat die Beklagte die Vereinbarung unterzeichnet, noch ist der bei der S AG gebildete Gesamtbetriebsrat für einen von der Beklagten geführten Betrieb zuständig.

30

bb) Wurden die „Überleitungsregeln“ von der S AG und dem Gesamtbetriebsrat mit Geltung allein für den (späteren) Betrieb der Beklagten vereinbart, konnten sie ebenfalls keine Wirkung entfalten. Für eine solche Vereinbarung fehlte es beiden handelnden Parteien an der nötigen betriebsverfassungsrechtlichen Kompetenz. Regelungen für die Zeit nach einem Betriebs(teil)übergang vermögen der bisherige Arbeitgeber und spätere Veräußerer und der bei ihm gebildete Gesamtbetriebsrat nicht unmittelbar zu treffen(BAG 18. September 2002 - 1 ABR 54/01 - zu B II 2 b ee der Gründe, BAGE 102, 356; 1. April 1987 - 4 AZR 77/86 - BAGE 55, 154, 168).

31

cc) Wurden die „Überleitungsregeln“ stattdessen zwar durch die beabsichtigte Ausgliederung der „Logistikdienste“ veranlasst, sind sie aber gleichwohl als für alle Betriebe der S AG - zumindest am Standort M - geltende Bestimmungen zu verstehen, könnten sie nur im Fall eines Betriebs(teil)übergangs auf die Beklagte in deren Betrieb normativ iSd. § 77 Abs. 2, Abs. 4 BetrVG weitergelten. Voraussetzung ist, dass sie im Zeitpunkt des Übergangs als wirksame Gesamtbetriebsvereinbarung anzusehen waren. Daran fehlt es. Zumindest Nr. 15 der „Überleitungsregeln“ ist rechtsunwirksam.

32

(1) Entgegen der Auffassung der Beklagten beruht dies nicht darauf, dass Betriebsparteien außerhalb ihrer gesetzlichen Kompetenzen handeln, wenn sie in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung Fragen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Kündigungserschwernisse für den Arbeitgeber regeln. Freiwillige Betriebsvereinbarungen sind nicht auf die in § 88 BetrVG genannten Gegenstände beschränkt, wie schon der Wortlaut der Bestimmung („insbesondere“) verdeutlicht (BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 der Gründe, BAGE 63, 211; BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 13, BAGE 120, 308; 18. Juli 2006 - 1 AZR 578/05 - BAGE 119, 122). Neben betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Fragen können in einer Betriebsvereinbarung auch Fragen des Inhalts, des Abschlusses und der Beendigung von Arbeitsverhältnissen geregelt werden (BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 b der Gründe, aaO; aA Rieble NZA 2003, 1243, 1245).

33

(2) Nr. 15 der „Überleitungsregeln“ verstößt jedoch gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG und ist aus diesem Grund als normative Bestimmung unwirksam.

34

(a) Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Eine gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist von Anfang an unwirksam(BAG 10. Oktober 2006 - 1 ABR 59/05 - Rn. 21 mwN, AP BetrVG 1972 § 77 Tarifvorbehalt Nr. 24 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 18; Fitting 25. Aufl. § 77 Rn. 99; GK-BetrVG/Kreutz 9. Aufl. § 77 Rn. 123). Sonstige Arbeitsbedingungen iSd. § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG sind nicht nur materielle Arbeitsbedingungen, die den Umfang der Leistung des Arbeitnehmers und der Gegenleistung des Arbeitgebers betreffen, sondern alle Regelungen, die als Gegenstand tarifvertraglicher Inhaltsnormen nach § 1 TVG den Inhalt von Arbeitsverhältnissen ordnen(BAG 9. April 1991 - 1 AZR 406/90 - zu II 3 der Gründe, BAGE 67, 377; WPK/Preis 4. Aufl. § 77 Rn. 60; GK-BetrVG/Kreutz 9. Aufl. § 77 Rn. 83 u. 85).

35

(b) Die gesetzliche Bestimmung dient der Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie sowie der Erhaltung und Stärkung der Funktionsfähigkeit der Koalitionen. Sie will verhindern, dass Gegenstände, derer sich die Tarifvertragsparteien angenommen haben, konkurrierend - und sei es inhaltsgleich - in Betriebsvereinbarungen geregelt werden (BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 26, BAGE 118, 211). Eine Betriebsvereinbarung soll weder als normative Ersatzregelung für nicht organisierte Arbeitnehmer noch als Grundlage für übertarifliche Leistungen dienen können (BAG 20. November 2001 - 1 AZR 12/01 - zu II 2 a der Gründe, EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 70; Fitting 25. Aufl. § 77 Rn. 67). Auch günstigere Betriebsvereinbarungen sind unwirksam (GK-BetrVG/Kreutz 9. Aufl. § 77 Rn. 128; Richardi in Richardi 12. Aufl. § 77 Rn. 278; Fitting 25. Auf. § 77 Rn. 67 u. 97). Fällt ein Betrieb in den räumlichen, fachlichen und personellen Geltungsbereich eines Tarifvertrags, sind die Betriebsparteien deshalb gehindert, tariflich geregelte Gegenstände in einer Betriebsvereinbarung selbst zu regeln. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hängt nicht davon ab, dass der Arbeitgeber tarifgebunden ist, und tritt auch dann ein, wenn ein den gleichen Gegenstand regelnder Tarifvertrag zwar bei Abschluss der Betriebsvereinbarung nicht (mehr) besteht, die betreffende Angelegenheit aber „üblicherweise“ tariflich geregelt wird(BAG 22. März 2005 - 1 ABR 64/03 - zu B II 2 c ee (1) der Gründe, BAGE 114, 162).

36

(c) Die S AG und ihre Betriebe fallen in den Geltungsbereich des Manteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 1. Dezember 1973 in der Fassung vom 1. November 1997 (MTV). Dessen § 8 Abs. 3 enthielt im maßgeblichen Zeitraum eine Regelung über den Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit. Danach konnte das Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 10 Jahre angehört haben oder das 50. Lebensjahr vollendet und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 15 Jahre angehört haben, nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Bei der Vereinbarung der „Übergangsregeln“ im Juni 1998 bestand demnach eine tarifliche Regelung zur Unkündbarkeit der Arbeitnehmer. § 8 Abs. 3 MTV und Nr. 15 der „Übergangsregeln“ haben den gleichen Gegenstand. Dagegen kann nicht eingewandt werden, diese sehe lediglich eine „Sonderregelung für Jubilare“ vor, die der Tarifvertrag nicht im Blick gehabt habe. Auch die betriebliche Regelung will nicht ein Dienstjubiläum honorieren, sondern gewährt - wie § 8 Abs. 3 MTV - einen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen. Dazu knüpft sie wie die tarifliche Regelung an die Beschäftigungsdauer an. Sie gewährt den Sonderkündigungsschutz zwar unabhängig vom Lebensalter der Betroffenen und führt so zu einer Verbesserung der kündigungsrechtlichen Situation der Beschäftigten, sie tritt aber auch auf diese Weise in Konkurrenz zur tariflichen Bestimmung.

37

b) Die „S-Richtlinien“ gewähren der Klägerin auch unabhängig von Nr. 15 der „Übergangsregeln“ keinen normativen Schutz vor einer ordentlichen Kündigung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sie - was das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt hat - überhaupt als Betriebsvereinbarung zwischen der S AG und deren Gesamtbetriebsrat zustande gekommen sind. Sollte das der Fall sein, wäre die betreffende Regelung wegen § 77 Abs. 3 BetrVG aus den dargelegten Gründen ebenfalls unwirksam.

38

C. Scheitert damit eine Umdeutung der ausgesprochenen außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung nicht daran, dass dies gegen Nr. 15 der „Übergangsregeln“ und/oder die „S-Richtlinien“ als kollektive, normativ wirkende Bestimmungen verstieße, so ist es nicht ausgeschlossen, dass die genannten Bestimmungen auf einzelvertraglicher Grundlage im Arbeitsverhältnis der Parteien gelten und aus diesem Grund einer Kündigung entgegenstehen. In Betracht kommt etwa eine Geltung qua Umdeutung der als normativ unwirksamen Regelungen in eine Gesamtzusage durch die S AG(vgl. dazu BAG 24. Januar 1996 - 1 AZR 597/95 - zu II der Gründe, BAGE 82, 89), qua gesonderter (konkludenter) Zusage an die zur Beklagten wechselnden Arbeitnehmer durch die S AG und/oder die Beklagte selbst oder qua Bestehen einer bei der S AG und/oder der Beklagten begründeten betrieblichen Übung; eine in der Zeit des Arbeitsverhältnisses mit der S AG entstandene Rechtsposition der Klägerin kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 613a Abs. 1 BGB auch im Arbeitsverhältnis der Parteien fortwirken - eine mögliche Verweisung auf § 8 MTV im Arbeitsvertrag mit der S AG wird allerdings schon wegen des selbständigen Vertragsschlusses der Parteien aus dem Juni 1998 schwerlich von Bedeutung sein können.

39

Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang keine Feststellung getroffen. Das wird es, nachdem es den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vortrag gegeben hat, nachzuholen haben. Von seinen Feststellungen hängt es ab, ob im Streitfall eine Umdeutung der außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung überhaupt möglich ist. Sollte dies mangels einzelvertraglich begründeten Sonderkündigungsschutzes zu bejahen sein und sollten die sonstigen Voraussetzungen des § 140 BGB vorliegen, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die - ordentliche - Kündigung iSv. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG sozial gerechtfertigt ist.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Eylert    

        

        

        

    Sieg    

        

    Baerbaum    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 16. Januar 2008 - 5 Sa 604/07 - aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten, außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist.

2

Die 1951 geborene Klägerin war seit dem 1969 bei der S AG beschäftigt. In dem damaligen Arbeitsvertrag waren die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie in Bezug genommen. Im Jahr 1998 gliederte die S AG ihren Logistikbereich aus und übertrug ihn auf die neu gegründete Beklagte. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ging mit Wirkung vom 1. September 1998 auf die Beklagte über.

3

Im Rahmen der Ausgliederung hatten die S AG und ihr Gesamtbetriebsrat am 16. Juni 1998 „sozial- und personalpolitische Grundsätze“ als „Überleitungsregeln“ vereinbart. Nach deren Nr. 15 sollten Mitarbeiter, die aufgrund der Dauer ihrer Firmenzugehörigkeit einen besonderen Kündigungsschutz nach den „S-Richtlinien“ besaßen, diesen weiterhin behalten. Diese mit dem Gesamtbetriebsrat „abgesprochenen“ Richtlinien vom 23. Juli 1993 sahen einen „Kündigungsschutz für Jubilare“ vor, demzufolge „Mitarbeitern mit mindestens 25-jähriger Dienstzeit … grundsätzlich aus betriebsbedingten Gründen nicht ordentlich gekündigt werden“ durfte.

4

Am 30. Juni 1998 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag. Darin wurde als Eintrittsdatum der Klägerin der 1. September 1998 festgelegt. Ferner wurde geregelt, dass die S-Dienstzeiten angerechnet werden und die Tarifverträge für das Speditions- und Transportgewerbe in Bayern in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung finden.

5

Die Beklagte ist als Logistikdienstleister fast ausschließlich für die S AG tätig (sog. Inhouse-Logistik). Die Klägerin arbeitete zuletzt in der Warenannahme. Sie besitzt keine Fahrerlaubnis.

6

Mit Schreiben vom 11. August 2006 teilte die S AG der Beklagten mit, dass es aufgrund der aktuellen Entwicklungen im Konzern zu einem deutlichen Rückgang der Mitarbeiterzahlen an den Standorten in M kommen werde. Der von der Beklagten zu erbringende Leistungsumfang und die monatliche Pauschale für die von ihr geleisteten Verkehrsdienste würden sich dadurch ab dem 1. Dezember 2006 ebenfalls reduzieren.

7

Die Beklagte beschloss daraufhin, ihren Geschäftsbetrieb künftig mit weniger Personal fortzuführen und 17 der insgesamt 40 gewerblichen Mitarbeiter zu entlassen. Zudem entschied sie, dass in Zukunft alle gewerblichen Mitarbeiter in der Lage sein müssten, Waren selbständig mit einem Kraftfahrzeug abzuholen und auszuliefern. Gegenüber zehn Arbeitnehmern, die über keine gültige Fahrerlaubnis verfügten, und weiteren sieben Beschäftigten sprach sie Kündigungen aus. Schwerbehinderte Mitarbeiter ohne Fahrerlaubnis nahm sie von einer Kündigung aus. Das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 30. August 2006 außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 31. August 2007.

8

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Ordentlich sei sie unkündbar. Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist seien nicht gegeben. Ihr Arbeitsplatz sei nicht weggefallen. Die Mitteilung der S AG, zu einem nicht näher konkretisierten Zeitpunkt werde sich die Zahl ihrer Mitarbeiter reduzieren, rechtfertige nicht die Annahme, das Auftrags- und Arbeitsvolumen bei der Beklagten werde sich deshalb in einem der Anzahl der tatsächlich ausgesprochenen Kündigungen entsprechenden Umfang reduzieren. Die Organisation und der Ablauf ihrer - der Klägerin - eigenen Arbeit hätten sich nicht geändert, ihre bisherige Tätigkeit führten jüngere Mitarbeiter und Leiharbeitnehmer aus. In der Warenannahme sei auch kein Führerschein erforderlich, im Übrigen könne sie in der Lagerverwaltung und in der Transportstelle ebenfalls ohne Führerschein eingesetzt werden.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30. August 2006 nicht aufgelöst worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt. Aufgrund des angekündigten drastischen Auftragsrückgangs seitens der S AG als ihrer Hauptkundin und der Reduzierung der Auftragsvergütung um 42,6 % habe für 17 ihrer insgesamt 40 gewerblichen Mitarbeiter kein Beschäftigungsbedarf mehr bestanden. Wegen des insgesamt geringeren Personalbestands sei es künftig notwendig, dass bei der Warenannahme alle Tätigkeiten in einer Hand lägen. Jeder Mitarbeiter müsse in der Lage sein, Waren mit dem Kraftfahrzeug auszuliefern. Für eine Weiterbeschäftigung sei deshalb der Besitz einer Fahrerlaubnis zwingend erforderlich. Die von der S AG gewährte Bestandsschutzgarantie finde keine Anwendung. Nr. 15 der in Form einer Gesamtbetriebsvereinbarung getroffenen „Übergangsregelungen“ vom 16. Juni 1998 sei unwirksam.

11

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Dieses hat zwar zu Recht festgestellt, dass die außerordentliche Kündigung vom 30. August 2006 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht wirksam beenden konnte. Zu Unrecht hat es aber schon auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen angenommen, dass auch die Umdeutung dieser Kündigung in eine ordentliche Kündigung nicht möglich ist. Ob das Arbeitsverhältnis in diesem Fall durch eine ordentliche Kündigung wegen dringender betrieblicher Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG beendet worden ist, kann der Senat mangels tatsächlicher Feststellungen nicht abschließend beurteilen.

13

A. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht wirksam beendet hat. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

14

I. Die Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung vom 30. August 2006 richtet sich zunächst nach § 626 BGB. Die Beklagte hat eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist erklärt. An der von ihr selbst gewählten Erklärung muss sie sich messen lassen.

15

II. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

16

1. Eine außerordentliche und zugleich fristlose Kündigung aus betriebsbedingten Gründen ist selbst gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer regelmäßig unzulässig. Zu prüfen ist, ob dem Arbeitgeber im Fall ordentlicher Kündbarkeit eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar wäre. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist, wenn aus betrieblichen Gründen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer entfällt, selbst im Insolvenzfall zumutbar, die Kündigungsfrist einzuhalten(Senat 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).

17

2. Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung mit einer - notwendig einzuhaltenden - Auslauffrist kommt in Betracht, wenn andernfalls der Ausschluss der ordentlichen Kündigung dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit ggf. noch über Jahre weiterbeschäftigen müsste und ihm dies unzumutbar ist(vgl. Senat 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 b bb der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2; 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - Rn. 25 mwN, BAGE 122, 264). Das kann ausnahmsweise der Fall sein, wenn der Arbeitgeber gezwungen wäre, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über Jahre hinweg allein durch Gehaltszahlungen, denen keine entsprechende Arbeitsleistung gegenübersteht, aufrechtzuerhalten. Allerdings ist der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündbarkeit in einem besonderen Maß verpflichtet, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden (Senat 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - aaO). Besteht noch irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird es ihm regelmäßig zumutbar sein, den Arbeitnehmer entsprechend einzusetzen. Erst wenn alle denkbaren Lösungsversuche ausscheiden, kann - ausnahmsweise - ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist vorliegen (vgl. Senat 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - aaO).

18

III. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung liegt im Streitfall nicht vor. Dies gilt auch angesichts der von der Beklagten eingehaltenen einjährigen Auslauffrist. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass für die Klägerin dauerhaft überhaupt keine andere Einsatzmöglichkeit mehr bestanden hat. Ihr Vorbringen lässt nicht erkennen, dass die Klägerin bei gesunkenem Arbeitsvolumen - selbst nach zumutbaren Organisationsänderungen - ohne Führerschein nicht mehr sinnvoll beschäftigt werden kann.

19

1. Allerdings unterliegt die Gestaltung des Anforderungsprofils für den jeweiligen Arbeitsplatz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten von Arbeitnehmern mit einer bestimmten Qualifikation ausführen zu lassen, ist von den Beschäftigten grundsätzlich hinzunehmen. Die fragliche Entscheidung kann nur auf Willkür und offenbare Unrichtigkeit hin gerichtlich überprüft werden. Dafür bedarf es besonderer Anhaltspunkte(Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 31, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138).

20

Sind aber die betreffende Organisationsentscheidung und der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers praktisch deckungsgleich, weil der Arbeitnehmer dem neuen Anforderungsprofil nicht genügt, kann die generelle Vermutung, dass eine unternehmerische Entscheidung auf sachlichen Gründen beruht, nicht unbesehen greifen. Der Arbeitgeber kann sich nicht lediglich auf seine Entscheidungsfreiheit berufen. Er muss vielmehr konkret darlegen, wie seine Entscheidung sich auf die tatsächlichen Möglichkeiten, die Arbeitnehmer einzusetzen, auswirkt und in welchem Umfang durch sie ein konkreter Änderungsbedarf entstanden ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze geändert wird, auf denen die Arbeitnehmer bereits langjährig beschäftigt sind(Senat 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138). Beruft sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung auf die Umgestaltung des Arbeitsplatzes und eine Neubestimmung des Anforderungsprofils, muss er den zugrunde liegenden betrieblichen Anlass im Einzelnen darlegen. Die Entscheidung zur (neuen) Stellenprofilierung muss im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme stehen, nach deren Durchführung sich die bisherigen Anforderungen an den Stelleninhaber ändern (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 31, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).

21

Dies gilt schon für eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Im Falle einer außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist iSv. § 626 BGB geht die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers noch darüber hinaus. Dieser hat nicht nur dazutun, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers infolge einer Änderung des Anforderungsprofils am bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr möglich ist. Er hat zudem von sich aus darzulegen, dass und weshalb es an jeglicher Möglichkeit einer sinnvollen Beschäftigung fehlt(Senat 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).

22

2. Das Vorbringen der Beklagten genügt diesen Anforderungen nicht. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, aus dem Vortrag der Beklagten werde nicht ersichtlich, warum ihr die Weiterbeschäftigung der Klägerin unzumutbar sei. Ihr Vortrag lässt nicht zu erkennen, warum eine sinnvolle Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht mehr möglich ist. Die Beklagte hat weder ausgeführt, ob und in welchem Umfang die bisherigen Arbeiten weggefallen sind, noch hat sie dargelegt, inwieweit die verbliebenen Tätigkeiten die Nutzung eines Kraftfahrzeugs und damit den Besitz eines Führerscheins zwingend erfordern. Ebenso wenig lässt sich beurteilen, ob nicht durch zumutbare Änderungen in den organisatorischen Abläufen zumindest ein weiterer Arbeitsplatz so zugeschnitten werden kann, dass auf ihm eine Beschäftigung auch ohne den Besitz einer Fahrerlaubnis sinnvoll möglich ist, und ob nicht in einem anderen Betrieb ein für die Klägerin geeigneter Arbeitsplatz besteht. Die Beklagte hat sich allein auf ihre unternehmerische Organisationsfreiheit berufen und geltend gemacht, jeder Mitarbeiter müsse zukünftig in der Lage sein, Waren selbständig mit einem Kraftfahrzeug auszuliefern. Den Anforderungen an die Darlegung eines wichtigen Grundes wird sie damit nicht gerecht. Dies gilt umso mehr, als sie die Arbeitsverhältnisse mit den schwerbehinderten Mitarbeitern, die keine Fahrerlaubnis besitzen, fortgesetzt und damit zu erkennen gegeben hat, dass eine Weiterbeschäftigung im Betrieb auch ohne Fahrerlaubnis möglich ist.

23

B. Zu Unrecht ist das Landesarbeitsgericht schon nach seinen bisher getroffenen Feststellungen davon ausgegangen, die unwirksame außerordentliche Kündigung vom 30. August 2006 könne nicht gemäß § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden. Eine Umdeutung scheitert auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht daran, dass die ordentliche Kündigung durch die „Überleitungsregeln“ und die „S-Richtlinien“ ausgeschlossen wäre.

24

I. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung zwar die Annahme zugrunde gelegt, „dass das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nur außerordentlich gekündigt werden kann - was zwischen den Parteien unstreitig ist“. Auf diese Weise hat es aber keine Tatsachen festgestellt, an die der Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden wäre. Seine Aussage, es fehle an der rechtlichen Befugnis zur ordentlichen Kündigung, ist keine Feststellung der Wahrheit einer tatsächlichen Behauptung, sondern die Beschreibung eines rechtlichen Zustands. Tatsachen, die eine entsprechende rechtliche Schlussfolgerung zuließen, hat es nicht festgestellt. An bloße Rechtsansichten, auch wenn sie zwischen den Parteien nicht „im Streit“ stehen und vom Berufungsgericht übernommen worden sind, ist das Revisionsgericht nicht gebunden. Ebenso wenig ist eine Partei gehindert, ihre bisherige, mit der Gegenseite geteilte Rechtsansicht noch in der Revisionsinstanz aufzugeben, wie die Beklagte dies getan hat.

25

II. Der besondere Kündigungsschutz der Klägerin als langjährig beschäftigte Mitarbeiterin konnte nicht durch eine (Gesamt-)Betriebsvereinbarung begründet werden. Eine entsprechende Betriebsvereinbarung verstößt gegen § 77 Abs. 3 BetrVG.

26

1. Nach den zwischen der S AG und ihrem Gesamtbetriebsrat im Rahmen der Ausgliederung vereinbarten „Überleitungsregeln“ vom 16. Juni 1998 besitzt die Klägerin einen besonderen Kündigungsschutz. Nach Nr. 15 des Regelungswerks „(behalten) Mitarbeiter, die aufgrund ihrer Firmenzugehörigkeit (25 Jahre und länger) einen besonderen Kündigungsschutz nach den S-Richtlinien genießen, … diesen weiterhin“. Nach Nr. 1 der „S-Richtlinien“ wiederum „(darf) Mitarbeitern mit mindestens 25-jähriger Dienstzeit … grundsätzlich aus betriebsbedingten Gründen nicht ordentlich gekündigt werden (Bestandsschutzgarantie)“. Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzung. Sie war bei Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte nahezu 29 Jahre bei der S AG beschäftigt.

27

2. Nach dem bisherigen Parteivorbringen und den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass der in den „S-Richtlinien“ vorgesehene besondere Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis der Parteien Rechtswirkungen entfaltet.

28

a) Als normativ wirkende Rechtsquelle für das Arbeitsverhältnis der Parteien scheidet Nr. 15 der „Überleitungsregeln“ vom 16. Juni 1998 aus. Die Bestimmung ist zwar Teil einer (Gesamt-)Betriebsvereinbarung iSd. § 77 Abs. 2, Abs. 4 BetrVG. Diese wurde jedoch zwischen der S AG und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat getroffen. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien kann sie deshalb normative Ansprüche nur begründen, wenn sie auch im Betrieb der Beklagten - normativ - gilt. Das ist nicht der Fall.

29

aa) Eine Geltung als unmittelbar für den Betrieb der Beklagten getroffene Betriebsvereinbarung scheidet aus. Weder hat die Beklagte die Vereinbarung unterzeichnet, noch ist der bei der S AG gebildete Gesamtbetriebsrat für einen von der Beklagten geführten Betrieb zuständig.

30

bb) Wurden die „Überleitungsregeln“ von der S AG und dem Gesamtbetriebsrat mit Geltung allein für den (späteren) Betrieb der Beklagten vereinbart, konnten sie ebenfalls keine Wirkung entfalten. Für eine solche Vereinbarung fehlte es beiden handelnden Parteien an der nötigen betriebsverfassungsrechtlichen Kompetenz. Regelungen für die Zeit nach einem Betriebs(teil)übergang vermögen der bisherige Arbeitgeber und spätere Veräußerer und der bei ihm gebildete Gesamtbetriebsrat nicht unmittelbar zu treffen(BAG 18. September 2002 - 1 ABR 54/01 - zu B II 2 b ee der Gründe, BAGE 102, 356; 1. April 1987 - 4 AZR 77/86 - BAGE 55, 154, 168).

31

cc) Wurden die „Überleitungsregeln“ stattdessen zwar durch die beabsichtigte Ausgliederung der „Logistikdienste“ veranlasst, sind sie aber gleichwohl als für alle Betriebe der S AG - zumindest am Standort M - geltende Bestimmungen zu verstehen, könnten sie nur im Fall eines Betriebs(teil)übergangs auf die Beklagte in deren Betrieb normativ iSd. § 77 Abs. 2, Abs. 4 BetrVG weitergelten. Voraussetzung ist, dass sie im Zeitpunkt des Übergangs als wirksame Gesamtbetriebsvereinbarung anzusehen waren. Daran fehlt es. Zumindest Nr. 15 der „Überleitungsregeln“ ist rechtsunwirksam.

32

(1) Entgegen der Auffassung der Beklagten beruht dies nicht darauf, dass Betriebsparteien außerhalb ihrer gesetzlichen Kompetenzen handeln, wenn sie in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung Fragen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Kündigungserschwernisse für den Arbeitgeber regeln. Freiwillige Betriebsvereinbarungen sind nicht auf die in § 88 BetrVG genannten Gegenstände beschränkt, wie schon der Wortlaut der Bestimmung („insbesondere“) verdeutlicht (BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 der Gründe, BAGE 63, 211; BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 13, BAGE 120, 308; 18. Juli 2006 - 1 AZR 578/05 - BAGE 119, 122). Neben betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Fragen können in einer Betriebsvereinbarung auch Fragen des Inhalts, des Abschlusses und der Beendigung von Arbeitsverhältnissen geregelt werden (BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 b der Gründe, aaO; aA Rieble NZA 2003, 1243, 1245).

33

(2) Nr. 15 der „Überleitungsregeln“ verstößt jedoch gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG und ist aus diesem Grund als normative Bestimmung unwirksam.

34

(a) Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Eine gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist von Anfang an unwirksam(BAG 10. Oktober 2006 - 1 ABR 59/05 - Rn. 21 mwN, AP BetrVG 1972 § 77 Tarifvorbehalt Nr. 24 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 18; Fitting 25. Aufl. § 77 Rn. 99; GK-BetrVG/Kreutz 9. Aufl. § 77 Rn. 123). Sonstige Arbeitsbedingungen iSd. § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG sind nicht nur materielle Arbeitsbedingungen, die den Umfang der Leistung des Arbeitnehmers und der Gegenleistung des Arbeitgebers betreffen, sondern alle Regelungen, die als Gegenstand tarifvertraglicher Inhaltsnormen nach § 1 TVG den Inhalt von Arbeitsverhältnissen ordnen(BAG 9. April 1991 - 1 AZR 406/90 - zu II 3 der Gründe, BAGE 67, 377; WPK/Preis 4. Aufl. § 77 Rn. 60; GK-BetrVG/Kreutz 9. Aufl. § 77 Rn. 83 u. 85).

35

(b) Die gesetzliche Bestimmung dient der Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie sowie der Erhaltung und Stärkung der Funktionsfähigkeit der Koalitionen. Sie will verhindern, dass Gegenstände, derer sich die Tarifvertragsparteien angenommen haben, konkurrierend - und sei es inhaltsgleich - in Betriebsvereinbarungen geregelt werden (BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 26, BAGE 118, 211). Eine Betriebsvereinbarung soll weder als normative Ersatzregelung für nicht organisierte Arbeitnehmer noch als Grundlage für übertarifliche Leistungen dienen können (BAG 20. November 2001 - 1 AZR 12/01 - zu II 2 a der Gründe, EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 70; Fitting 25. Aufl. § 77 Rn. 67). Auch günstigere Betriebsvereinbarungen sind unwirksam (GK-BetrVG/Kreutz 9. Aufl. § 77 Rn. 128; Richardi in Richardi 12. Aufl. § 77 Rn. 278; Fitting 25. Auf. § 77 Rn. 67 u. 97). Fällt ein Betrieb in den räumlichen, fachlichen und personellen Geltungsbereich eines Tarifvertrags, sind die Betriebsparteien deshalb gehindert, tariflich geregelte Gegenstände in einer Betriebsvereinbarung selbst zu regeln. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hängt nicht davon ab, dass der Arbeitgeber tarifgebunden ist, und tritt auch dann ein, wenn ein den gleichen Gegenstand regelnder Tarifvertrag zwar bei Abschluss der Betriebsvereinbarung nicht (mehr) besteht, die betreffende Angelegenheit aber „üblicherweise“ tariflich geregelt wird(BAG 22. März 2005 - 1 ABR 64/03 - zu B II 2 c ee (1) der Gründe, BAGE 114, 162).

36

(c) Die S AG und ihre Betriebe fallen in den Geltungsbereich des Manteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 1. Dezember 1973 in der Fassung vom 1. November 1997 (MTV). Dessen § 8 Abs. 3 enthielt im maßgeblichen Zeitraum eine Regelung über den Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit. Danach konnte das Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 10 Jahre angehört haben oder das 50. Lebensjahr vollendet und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 15 Jahre angehört haben, nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Bei der Vereinbarung der „Übergangsregeln“ im Juni 1998 bestand demnach eine tarifliche Regelung zur Unkündbarkeit der Arbeitnehmer. § 8 Abs. 3 MTV und Nr. 15 der „Übergangsregeln“ haben den gleichen Gegenstand. Dagegen kann nicht eingewandt werden, diese sehe lediglich eine „Sonderregelung für Jubilare“ vor, die der Tarifvertrag nicht im Blick gehabt habe. Auch die betriebliche Regelung will nicht ein Dienstjubiläum honorieren, sondern gewährt - wie § 8 Abs. 3 MTV - einen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen. Dazu knüpft sie wie die tarifliche Regelung an die Beschäftigungsdauer an. Sie gewährt den Sonderkündigungsschutz zwar unabhängig vom Lebensalter der Betroffenen und führt so zu einer Verbesserung der kündigungsrechtlichen Situation der Beschäftigten, sie tritt aber auch auf diese Weise in Konkurrenz zur tariflichen Bestimmung.

37

b) Die „S-Richtlinien“ gewähren der Klägerin auch unabhängig von Nr. 15 der „Übergangsregeln“ keinen normativen Schutz vor einer ordentlichen Kündigung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sie - was das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt hat - überhaupt als Betriebsvereinbarung zwischen der S AG und deren Gesamtbetriebsrat zustande gekommen sind. Sollte das der Fall sein, wäre die betreffende Regelung wegen § 77 Abs. 3 BetrVG aus den dargelegten Gründen ebenfalls unwirksam.

38

C. Scheitert damit eine Umdeutung der ausgesprochenen außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung nicht daran, dass dies gegen Nr. 15 der „Übergangsregeln“ und/oder die „S-Richtlinien“ als kollektive, normativ wirkende Bestimmungen verstieße, so ist es nicht ausgeschlossen, dass die genannten Bestimmungen auf einzelvertraglicher Grundlage im Arbeitsverhältnis der Parteien gelten und aus diesem Grund einer Kündigung entgegenstehen. In Betracht kommt etwa eine Geltung qua Umdeutung der als normativ unwirksamen Regelungen in eine Gesamtzusage durch die S AG(vgl. dazu BAG 24. Januar 1996 - 1 AZR 597/95 - zu II der Gründe, BAGE 82, 89), qua gesonderter (konkludenter) Zusage an die zur Beklagten wechselnden Arbeitnehmer durch die S AG und/oder die Beklagte selbst oder qua Bestehen einer bei der S AG und/oder der Beklagten begründeten betrieblichen Übung; eine in der Zeit des Arbeitsverhältnisses mit der S AG entstandene Rechtsposition der Klägerin kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 613a Abs. 1 BGB auch im Arbeitsverhältnis der Parteien fortwirken - eine mögliche Verweisung auf § 8 MTV im Arbeitsvertrag mit der S AG wird allerdings schon wegen des selbständigen Vertragsschlusses der Parteien aus dem Juni 1998 schwerlich von Bedeutung sein können.

39

Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang keine Feststellung getroffen. Das wird es, nachdem es den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vortrag gegeben hat, nachzuholen haben. Von seinen Feststellungen hängt es ab, ob im Streitfall eine Umdeutung der außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung überhaupt möglich ist. Sollte dies mangels einzelvertraglich begründeten Sonderkündigungsschutzes zu bejahen sein und sollten die sonstigen Voraussetzungen des § 140 BGB vorliegen, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die - ordentliche - Kündigung iSv. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG sozial gerechtfertigt ist.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Eylert    

        

        

        

    Sieg    

        

    Baerbaum    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 26. Mai 2010 - 9 Sa 441/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Betriebsvereinbarung.

2

Der Kläger war seit Juli 1980 zunächst bei dem TÜV Rheinland e. V. beschäftigt. Zum 1. Januar 1996 ging sein Arbeitsverhältnis aufgrund eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Im Arbeitsvertrag vom 13. /18. Mai 1980 ist ua. vereinbart:

        

„4.     

Außer der unter Ziffer 3 genannten monatlichen Bruttovergütung erhält der Mitarbeiter ein Weihnachts- und Urlaubsgeld nach den Bestimmungen der Betriebsvereinbarungen des TÜV Rheinland.

        

...     

        
        

8.    

Für das Arbeitsverhältnis gelten im übrigen die Bestimmungen der Betriebsvereinbarungen des TÜV Rheinland, soweit ihre Anwendung auf den Mitarbeiter nicht nach Inhalt oder persönlichem Geltungsbereich entfällt.

        

...“   

        
3

Bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten waren die Bedingungen für Jahressonderzahlungen, die Urlaubsgeldgewährung sowie für vermögenswirksame Leistungen in Betriebsvereinbarungen festgelegt. Durch gesonderte Einigungsstellensprüche vom 16. November 1999 (BV 99) wurden diese Leistungen neu geregelt.

4

Der Arbeitgeberverband Dienstleistungsunternehmen (ar.di) e.V., dem die Beklagte zwischenzeitlich beigetreten war, schloss am 25. Mai 2004 mit ver.di Tarifverträge ua. für die bis zum 31. Dezember 1995 beim TÜV Rheinland e. V. beschäftigten Arbeitnehmer ab. Nach dem Manteltarifvertrag (MTV) betragen das zusätzliche Urlaubsgeld 256,00 Euro (§ 6 Nr. 1 MTV) sowie die vermögenswirksamen Leistungen 39,88 Euro monatlich (§ 9 Nr. 1 Buchst. a MTV). Im Tarifvertrag über die Jahressonderzahlung (TVZ) ist ein jährlicher Betrag von 1.022,00 Euro festgelegt, der mit den Bezügen des Monats November gezahlt wird (§ 2 Nr. 1 TVZ). Teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter erhalten jeweils anteilige Leistungen.

5

Die ihm von der Beklagten angebotene Anwendung der tariflichen Vereinbarungen lehnte der Kläger ab.

6

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger auf der Grundlage der in den BV 99 festgelegten Beträgen die Zahlung einer Jahressonderzuwendung für die Jahre 2004 bis 2008 iHv. jeweils 637,48 Euro, Urlaubsgeld für die Jahre 2005 bis 2008 iHv. jeweils 153,36 Euro sowie vermögenswirksame Leistungen für die Zeit von Juli 2004 bis Dezember 2008 iHv. 19,94 Euro monatlich verlangt.

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne die in den BV 99 geregelten Leistungen beanspruchen, da es sich insoweit um individualisierte Ansprüche handele. Der Tarifvorrang des § 77 Abs. 3 BetrVG führe nicht zur Unwirksamkeit der BV 99. Er könne wegen der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten negativen Koalitionsfreiheit nicht gezwungen werden, die von der Beklagten angebotene Bezugnahme auf die Tarifverträge zu akzeptieren, um sich seine Ansprüche auf Sonderleistungen zu erhalten.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.877,60 Euro nebst fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 1. November 2006 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Zahlungsantrag zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat für den geltend gemachten Zeitraum von 2004 bis 2008 keinen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung, zusätzliches Urlaubsgeld sowie vermögenswirksame Leistungen.

12

1. Vertragliche Ansprüche bestehen nicht.

13

a) Bei den von der Beklagten im Arbeitsvertrag vom 13./18 Mai 1980 vorformulierten Vertragsbedingungen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB, deren Auslegung durch das Berufungsgericht einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt(BAG 20. Januar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 12, AP BGB § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18).

14

b) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Maßgebend für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut (BAG 27. Juli 2010 - 3 AZR 777/08 - Rn. 21, AP BGB § 307 Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 48). Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 91 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51).

15

c) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine im Arbeitsvertrag enthaltene Verweisung auf die anwendbaren betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften im Zweifel deklaratorisch gemeint ist. Die Arbeitsvertragsparteien wollen in der Regel durch eine Bezugnahme auf die gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ohnehin geltenden kollektiven Regelungen keinen eigenständigen individualvertraglichen Geltungsgrund für diese schaffen(BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 807/09 - Rn. 26, EzA BetrVG 2001 § 88 Nr. 3). Die daran anschließende Annahme des Berufungsgerichts, wonach die Parteien mit der im Arbeitsvertrag vom 13./18 Mai 1980 vereinbarten Bezugnahme keine konstitutive Verweisung auf die bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin geltenden Betriebsvereinbarungen vorgenommen haben, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Gegenteiliges macht auch die Revision nicht geltend.

16

d) Ein Anspruch auf die Gewährung der mit der Zahlungsklage verfolgten Leistungen folgt auch nicht aus § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB iVm. den vor dem Betriebsübergang bestehenden Betriebsvereinbarungen.

17

Die vom Kläger beanspruchten Leistungen waren bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten in Betriebsvereinbarungen geregelt. Deren Inhalt wurde aufgrund des Betriebsübergangs auf die Beklagte nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses des Klägers. Trotz der damit verbundenen Transformation in Individualrecht ist ihr Inhalt durch die BV 99 ersetzt worden. Nach der Senatsrechtsprechung ist diese Vorschrift teleologisch darauf zu reduzieren, dass ein danach fortgeltender Anspruch gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB durch eine beim Betriebserwerber abgeschlossene Betriebsvereinbarung abgelöst werden kann, weil die nunmehr individualrechtlich als Inhalt des Arbeitsverhältnisses geltenden kollektivrechtlichen Regelungen inhaltlich nicht weiter geschützt sind, als sie es bei einem Fortbestand beim Erwerber gewesen wären(14. August 2001 - 1 AZR 619/00 - zu A II 1 a der Gründe, BAGE 98, 323). Die vor dem Betriebsübergang abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen hätten durch die Einigungsstellensprüche abgelöst werden können, wenn sie bei der Beklagten normativ weitergegolten hätten.

18

2. Das Landesarbeitsgericht hat auch in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass weder bei der Beklagten noch bei ihrer Rechtsvorgängerin eine Gesamtzusage bestanden hat, wonach den Arbeitnehmern unabhängig von dem Bestehen einer kollektiven Regelung eine Jahressonderzahlung, ein zusätzliches Urlaubsgeld oder vermögenswirksame Leistungen gewährt werden. Entsprechenden Tatsachenvortrag hat der Kläger nicht gehalten.

19

3. Ein Anspruch aus den BV 99 besteht nicht.

20

a) Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nur dann nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Dem Betriebsrat fehlt die Zuständigkeit für Betriebsvereinbarungen, deren Gegenstand tarifüblich oder bereits in Tarifverträgen geregelt ist (BAG 22. März 2005 - 1 ABR 64/03 - zu B II 2 c ee (1) der Gründe, BAGE 114, 162). Eine gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist daher unwirksam(BAG 29. Oktober 2002 - 1 AZR 573/01 - zu I 1 a aa der Gründe, BAGE 103, 187). Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hängt nicht von der Tarifbindung des Arbeitgebers ab. Die Vorschrift soll die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisten. Dazu räumt sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang bei der Regelung von Arbeitsbedingungen ein. Zum Schutz der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie ist jede Normsetzung durch die Betriebsparteien ausgeschlossen, die inhaltlich zu derjenigen der Tarifvertragsparteien in Konkurrenz treten würde. Arbeitgeber und Betriebsrat sollen keine abweichenden oder ergänzenden Betriebsvereinbarungen mit normativer Wirkung abschließen können (BAG 20. November 2001 - 1 AZR 12/01 - zu II 2 a der Gründe, EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 70).

21

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts greift die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG allerdings nicht ein, soweit es um Angelegenheiten geht, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen(GS 3. Dezember 1991 - GS 2/90 - zu C I 4 der Gründe, BAGE 69, 134; BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09 - Rn. 30, EzA GG Art. 9 Nr. 105). Ein solches Mitbestimmungsrecht setzt nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG voraus, dass keine zwingende tarifliche Regelung besteht, an die der Arbeitgeber gebunden ist. § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG führt daher auch im Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 BetrVG zur Unwirksamkeit einer betrieblichen Regelung, soweit dieser eine zwingende tarifliche Regelung entgegensteht. Etwas Anderes gilt nach § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG dann, wenn der Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt(BAG 29. April 2004 - 1 ABR 30/02 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 110, 252).

22

c) Die in den BV 99 enthaltenen Regelungen werden von den bei der Beklagten geltenden Tarifnormen verdrängt.

23

aa) Bei der Jahressonderzahlung, dem zusätzlichen Urlaubsgeld sowie den vermögenswirksamen Leistungen handelt es sich um Arbeitsentgelt iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Die Ausgestaltung dieser Leistungen durch die Beklagte unterliegt unter dem Gesichtspunkt der Lohngerechtigkeit grundsätzlich dem Mitbestimmungsrecht ihres Betriebsrats (vgl. BAG 14. August 2001 - 1 AZR 619/00 - zu A II 2 a der Gründe, BAGE 98, 323). Nach der Senatsrechtsprechung ist der Arbeitgeber bei Leistungen, zu deren Gewährung er weder durch Gesetz noch Vertrag verpflichtet ist, zwar in seiner Entscheidung darüber frei, ob er diese Leistungen erbringt, welche Mittel er hierfür zur Verfügung stellt, welchen Zweck er mit ihr verfolgt und wie der begünstigte Personenkreis abstrakt bestimmt werden soll. Im Rahmen dieser Vorgaben unterliegt aber die Entscheidung darüber, nach welchen Kriterien die Berechnung der einzelnen Leistungen und ihre Höhe im Verhältnis zueinander bestimmt werden soll, der Mitbestimmung des Betriebsrats (BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 20/09 - Rn. 23 f., BAGE 135, 382).

24

bb) Die bei der Beklagten geltenden tariflichen Regelungen über die Jahressonderzahlung, das zusätzliche Urlaubsgeld sowie die vermögenswirksamen Leistungen sind im Umfang des dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zustehenden Mitbestimmungsrechts abschließend. Der Tarifvertrag legt ihre Verteilung auf die Belegschaft fest, ohne dass insoweit für die Betriebspartner ein Regelungsspielraum verbleibt.

25

cc) Die Verdrängung der zuvor geltenden betrieblichen Regelungen in den BV 99 verletzt nicht die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte negative Koalitionsfreiheit des Klägers.

26

(1) Die individuelle Koalitionsfreiheit schließt auch das Recht ein, einer Koalition fernzubleiben oder aus ihr auszutreten (vgl. BAG 19. September 2006 - 1 ABR 2/06 - Rn. 13, BAGE 119, 275). Allerdings ist nicht jeder tatsächliche Druck, einer Koalition beizutreten oder in dieser zu verbleiben, ein unzulässiger Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit (vgl. BAG 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B I 3 b bb der Gründe, BAGE 104, 155; 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 31 ff., BAGE 130, 43). Ein bloßer Anreiz zum Beitritt zu einer Arbeitnehmerkoalition bewirkt noch keinen unzulässigen Zwang oder Druck (BVerfG 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - Rn. 66, BVerfGE 116, 202).

27

(2) An einem Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit des Klägers fehlt es hier schon deshalb, weil er der vertragsschließenden Gewerkschaft nicht beitreten musste, um die tariflichen Arbeitsbedingungen beanspruchen zu können. Die Beklagte hat dem Kläger den Abschluss eines darauf gerichteten Änderungsvertrags angeboten, was der Kläger jedoch abgelehnt hat.

28

(3) Daneben bewirkt das Regelungssystem von § 77 Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG keinen Eingriff in die Koalitionsfreiheit nicht tarifgebundener Arbeitnehmer.

29

(a) Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist geeignet und erforderlich, die Tarifnormen der vorrangig zur Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen aufgerufenen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberkoalitionen gegen eine konkurrierende betriebliche Rechtssetzung abzusichern. Diese würde den Bestand des Tarifvertragssystems gefährden und zugleich die den Koalitionen durch Art. 9 Abs. 3 GG zugewiesene Aufgabe, die Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen in eigener Verantwortung und im Wesentlichen ohne staatliche Einflussnahme zu gestalten(BVerfG 15. Juli 1980 - 1 BvR 24/74, 1 BvR 439/79 - zu B 2 b der Gründe, BVerfGE 55, 7), in Frage stellen.

30

(b) Die mit dem Tarifvorrang verbundenen Auswirkungen für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer erweisen sich auch nicht als unverhältnismäßig. Deren Schutzbedürfnis wird dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers tarifliche Betriebsnormen für alle Arbeitnehmer im Geltungsbereich des Tarifvertrags Anwendung finden (§ 3 Abs. 2 TVG). Daneben ist der tarifgebundene Arbeitgeber betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet, auch die tariflichen Inhaltsnormen (§ 3 Abs. 1 TVG) ungeachtet der Tarifbindung der Arbeitnehmer im Betrieb anzuwenden, soweit deren Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 BetrVG unterliegen(BAG 18. Oktober 2011 - 1 ABR 25/10 - Rn. 16, EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 26).

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    N. Schuster    

        

    Klosterkemper    

                 

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. August 2013 - 7 Sa 83/13 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer durch Betriebsvereinbarung geregelten Altersgrenze.

2

Der am 1. Juni 1947 geborene Kläger war seit dem 1. April 1984 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag vom 20./23. März 1984 heißt es:

        

„2.     

Vertragsbeginn und Vertragsdauer

        

…       

        
        

2.2     

Das Arbeitsverhältnis ist als Probezeit zunächst bis zum 31. März 1985 befristet. Hat einer der Vertragspartner nicht die Absicht, das Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortzusetzen, so wird er dies schriftlich bis zum 31. Januar 1985 ankündigen.

        

…       

        
        

5.    

Allgemeine Regelungen

                 

…       

                 

Die Arbeits- und Sozialordnung (ASO), … sowie alle anderen Betriebsvereinbarungen in der jeweils geltenden Fassung sind Bestandteile des Arbeitsvertrages.

                 

…“    

3

In der bei der Beklagten als Betriebsvereinbarung abgeschlossenen „Arbeits- und Sozialordnung“ (ASO) war zu diesem Zeitpunkt bestimmt:

        

14. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

        

14.1 Allgemeine Gründe

        

Das Arbeitsverhältnis wird beendet:

        

…       

        
        

c)    

nach Ablauf des Kalendermonats, in dem der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet,

        

…“    

        
4

Die ASO wurde zum 1. März 2008 teilweise neu gefasst. Nr. 14.1 Buchst. c ASO blieb jedoch unverändert. Nach einer am 20. Dezember 2012 zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten Änderung der Altersgrenzenregelung wird das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats beendet, in dem der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht, ohne dass es einer besonderen Kündigung bedarf.

5

Mit Schreiben vom 18. Januar 2012 äußerte der Kläger gegenüber der Beklagten den Wunsch, nach Vollendung des 65. Lebensjahres seine Berufstätigkeit fortzusetzen. Dies lehnte die Beklagte unter Hinweis auf die nach der ASO eintretende Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. Der Kläger erhält seit Juli 2012 eine gesetzliche Rente sowie Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung der Beklagten.

6

Mit seiner am 3. Juli 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, das Arbeitsverhältnis habe nicht durch die in der ASO enthaltene Altersgrenzenregelung geendet. Diese sei nach § 41 Satz 2 SGB VI sowie wegen einer nach dem AGG unzulässigen Benachteiligung wegen des Alters unwirksam. Sein Arbeitsvertrag sehe keine auf das Erreichen der Regelaltersgrenze bezogene Befristung vor. Diese Abrede gehe als günstigere Absprache der in der ASO enthaltenen Altersgrenzenregelung vor. Wie andere Arbeitnehmer habe auch er nach Erreichen der Altersgrenze weiterbeschäftigt werden müssen. Die darauf gerichtete Weigerung der Beklagten sei rechtsmissbräuchlich. Diese habe seine Bewerbung nicht wegen seines Lebensalters ablehnen dürfen.

7

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung gemäß Nr. 14.1 Buchst. c der Arbeits- und Sozialordnung der Beklagten vom 20. April 1971 idF vom 1. März 2008 zum 30. Juni 2012 beendet worden ist, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 30. Juni 2012 hinaus zu einem monatlichen Gehalt iHv. 6.580,32 Euro brutto als „Manager Business Support/Training Region Emerging Markets EMEA“ zu den sonstigen Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 20./23. März 1984 unbefristet weiterzubeschäftigen.

8

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Befristungskontrollklage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat nach Nr. 14.1 Buchst. c ASO mit Ablauf des 30. Juni 2012 geendet. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

11

I. Die Klage ist zulässig. Bei dem Antrag zu 1. handelt es sich trotz des Antragswortlauts ausschließlich um eine Befristungskontrollklage gemäß § 17 Satz 1 TzBfG. Dies ergibt die Auslegung des Klageantrags unter Berücksichtigung der Klagebegründung. Die Parteien streiten ausschließlich über die Wirksamkeit der Befristung zum 30. Juni 2012. Andere Beendigungstatbestände sind nicht im Streit. Es ist deshalb davon auszugehen, dass dem letzten Halbsatz des Klageantrags keine eigenständige Bedeutung im Sinne einer allgemeinen Feststellungsklage beizumessen ist. Der zu 2. erhobene Beschäftigungsantrag ist nur für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. gestellt. Einen Antrag auf Vertragsfortsetzung oder Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses macht der Kläger nicht geltend.

12

II. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nach Nr. 14.1 Buchst. c ASO mit Ablauf des 30. Juni 2012 geendet. Die dort normierte Altersgrenze ist wirksam. Eine für den Kläger günstigere Vereinbarung über die Dauer seines Arbeitsverhältnisses besteht nicht. Die weiteren von ihm geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe gegenüber der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2012 liegen nicht vor.

13

1. Betriebsvereinbarungen können eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze bestimmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenzen in freiwilligen Betriebsvereinbarungen von der Regelungskompetenz der Betriebsparteien umfasst (grundlegend BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 der Gründe, BAGE 63, 211), müssen aber die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG beachten und mit höherrangigem Recht vereinbar sein(§ 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Das ist im Individualprozess gerichtlich voll überprüfbar (BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 13 ff., 22, BAGE 120, 308).

14

a) Bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen müssen die Betriebsparteien die Bestimmungen des TzBfG beachten (vgl. BAG 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 29, BAGE 136, 270). Von den zwingenden Regelungen in § 14 TzBfG kann nach § 22 Abs. 1 TzBfG nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Demzufolge bedürfen auch Befristungsregelungen in Betriebsvereinbarungen zu ihrer Wirksamkeit eines sie rechtfertigenden Sachgrunds iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG(BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 27).

15

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine mit Erreichen des Regelrentenalters verknüpfte Altersgrenzenregelung in einer Betriebsvereinbarung die Befristung des Arbeitsverhältnisses iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sachlich rechtfertigen. Zwar verfolgt der Arbeitnehmer mit seinem Wunsch nach einer dauerhaften Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses über das Regelrentenalter hinaus legitime wirtschaftliche und ideelle Anliegen. Das Arbeitsverhältnis sichert seine wirtschaftliche Existenzgrundlage und bietet ihm die Möglichkeit beruflicher Selbstverwirklichung. Jedoch hat der Arbeitnehmer bei Erreichen der Regelaltersgrenze regelmäßig ein langes Berufsleben hinter sich. Daneben war er typischerweise von der Anwendung der Altersgrenzenregelung durch seinen Arbeitgeber selbst begünstigt, weil sich seine Einstellungs- und Aufstiegschancen durch das altersbedingte Ausscheiden anderer Arbeitnehmer verbessert haben. Demgegenüber steht das Bedürfnis des Arbeitgebers nach einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung. Dessen Interessen überwiegen das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers, wenn dieser durch den Bezug einer Regelaltersrente wirtschaftlich abgesichert ist. Endet das Arbeitsverhältnis durch die vereinbarte Altersgrenze, verliert der Arbeitnehmer den Anspruch auf die Arbeitsvergütung, die ihm bisher zum Bestreiten seines Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden hat. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Altersgrenzenregelung ist verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt, wenn an die Stelle der Arbeitsvergütung die Möglichkeit eines dauerhaften Bezugs von Leistungen aus einer Altersversorgung tritt. Die Anbindung an eine rentenrechtliche Versorgung bei Ausscheiden durch eine Altersgrenze ist damit Bestandteil des Sachgrunds. Die Wirksamkeit der Befristung ist allerdings nicht von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers bei Erreichen der Altersgrenze abhängig (BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 30).

16

b) Der in einer Betriebsvereinbarung vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des Regelrentenalters steht auch das Verbot der Altersdiskriminierung aus § 75 Abs. 1 BetrVG, § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1, § 1 AGG nicht entgegen. Eine solche Befristung des Arbeitsverhältnisses führt zwar zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters, die aber - abhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung - nach § 10 Satz 3 Nr. 5, Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig sein kann.

17

aa) Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. Die Vorschrift enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote in § 75 Abs. 1 BetrVG übernommen. Die unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen aus einem in § 1 AGG genannten Grund ist daher nur unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig(BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 14).

18

bb) § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG erlauben die in einer Altersgrenzenvereinbarung nach § 10 Satz 3 Nr. 5 Halbs. 1 AGG enthaltene unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber die sich aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) ergebenden Vorgaben in nationales Recht umgesetzt (BT-Drs. 16/1780 S. 1 bis 3 und S. 20 bis 27).

19

cc) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union steht die Regelung über die Zulässigkeit von Altersgrenzen in § 10 Satz 3 Nr. 5 Halbs. 1 AGG wegen des mit ihr verfolgten arbeits- und beschäftigungspolitischen Ziels im Einklang mit Unionsrecht (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 51, Slg. 2010, I-9391). Der Gerichtshof hat Altersgrenzenvereinbarungen iSv. § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG, die an die das Alter und die Beitragszahlung betreffenden Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente anknüpfen, grundsätzlich als solche angesehen, die eine Ungleichbehandlung wegen des Alters iSd. Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG als objektiv und angemessen erscheinen lassen und im Rahmen des nationalen Rechts rechtfertigen können. Bei diesen handele es sich um Instrumente der nationalen Arbeitsmarktpolitik, mit denen über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen der Zugang zur Beschäftigung gefördert werden soll (vgl. EuGH 5. Juli 2012 - C-141/11 - [Hörnfeldt] Rn. 29). Die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente erfüllen, sei seit längerer Zeit Teil des Arbeitsrechts zahlreicher Mitgliedstaaten und in den Beziehungen des Arbeitslebens weithin üblich. Dieser Mechanismus - so der Gerichtshof - beruhe auf einem Ausgleich zwischen politischen, wirtschaftlichen, sozialen, demografischen und/oder haushaltsbezogenen Erwägungen und betreffe die Entscheidung der Mitgliedstaaten über die Dauer der Lebensarbeitszeit der Arbeitnehmer (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 44 f., aaO).

20

dd) Diese Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch für die Beurteilung der Zulässigkeit von auf dem Alter beruhenden Ungleichbehandlungen in betrieblichen Vereinbarungen. Die Betriebsparteien können daher mit ihren Regelungen sozial- und beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Richtlinie 2000/78/EG verfolgen, sofern die zur Erreichung dieser Ziele eingesetzten Mittel angemessen und erforderlich sind und nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgehen (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar] Rn. 43, 46, 49). Der Gerichtshof sieht Arbeitgeber und Betriebsrat als Sozialpartner an (vgl. EuGH 9. Dezember 2004 - C-19/02 - [Hlozek] Rn. 38, Slg. 2004, I-11491), denen bei der Entscheidung über die Verfolgung eines bestimmten sozial- und beschäftigungspolitischen Ziels sowie bei der Festlegung der für seine Erreichung geeigneten Maßnahmen ein weiter Ermessenspielraum zusteht (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 69, Slg. 2010, I-9391).

21

2. Nach diesen Grundsätzen hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nach Nr. 14.1 Buchst. c ASO mit Ablauf des 30. Juni 2012 geendet. Die dort enthaltene Altersgrenzenregelung ist nach den für Betriebsvereinbarungen geltenden Grundsätzen dahingehend auszulegen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des Kalendermonats eintritt, in dem der Arbeitnehmer das für den Bezug einer Regelaltersrente erforderliche Lebensjahr vollendet hat und eine solche beanspruchen kann.

22

a) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 5. Mai 2015 - 1 AZR 435/13 - Rn. 26).

23

b) Bereits der Wortlaut legt ein Verständnis nahe, wonach das in Nr. 14.1 Buchst. c ASO enthaltene Tatbestandsmerkmal „Vollendung des 65. Lebensjahres“ auf das Erreichen des jeweils zum Bezug einer Regelaltersrente erforderlichen Lebensalters abstellt. Das Regelrentenalter wurde seit dem 1. Januar 1916 - und daher auch bei dem erstmaligen Abschluss der ASO bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten - von den in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Beschäftigten mit der Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht. Dies spricht dafür, die Aufnahme der auf diesen Zeitpunkt abstellenden Voraussetzung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Nr. 14.1 Buchst. c ASO als Beschreibung des Zeitpunkts zu verstehen, in dem der Mitarbeiter nach seinem Lebensalter zum Bezug einer Regelaltersrente berechtigt ist.

24

c) Das auf das jeweilige Regelrentenalter bezogene Auslegungsergebnis gibt auch das Gebot der gesetzeskonformen Auslegung vor.

25

aa) In einer Betriebsvereinbarung enthaltene allgemeine Altersgrenzen sind nur sachlich gerechtfertigt iSd. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG, wenn der Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf den Bezug der Regelaltersrente hat. Nach § 235 Abs. 2 Satz 1 SGB VI erreichen nur noch Versicherte, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, die Regelaltersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Für die nach diesem Zeitpunkt geborenen Beschäftigten erhöht sich das Eintrittsalter für den Bezug einer Regelaltersrente entsprechend der Regelung in § 235 Abs. 2 Satz 2, § 35 Satz 2 SGB VI bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres. Auf das 65. Lebensjahr bezogene Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen sind daher regelmäßig dahingehend auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis erst zu einem Zeitpunkt enden soll, ab dem der Arbeitnehmer eine Regelaltersrente beanspruchen kann. Nur so wird dem Willen der Betriebsparteien Rechnung getragen, die im Zweifel Vereinbarungen treffen wollen, die nicht im Widerspruch zu dem von ihnen nach § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu beachtenden höherrangigen Recht stehen. Für ein gegenteiliges Verständnis müssen vielmehr eindeutige Anhaltspunkte bestehen.

26

bb) Daran fehlt es vorliegend. Zwar haben es die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat bis zu der am 20. Dezember 2012 vereinbarten Änderung der ASO unterlassen, die Altersgrenzenregelung in Nr. 14.1 Buchst. c ASO an die durch das am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554) angehobenen Altersgrenzen anzupassen. Dies allein vermag aber ein abweichendes Verständnis der Regelung in Nr. 14.1 Buchst. c ASO nicht zu begründen. Der insoweit darlegungspflichtige Kläger hat keinen Vortrag gehalten, dass die zum 1. März 2008 vorgenommenen Änderungen der ASO im Zusammenhang mit der Anhebung der Altersgrenzen erfolgt sind. Allein die Beibehaltung von deren Nr. 14.1 Buchst. c lässt nicht auf einen Willen der Betriebsparteien schließen, eine Altersgrenze zu vereinbaren, die - ungeachtet des Erreichens des Regelrentenalters durch den Arbeitnehmer - auf den Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres abstellt. Hiermit hätten sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht nur den rentenversicherungsrechtlichen Änderungen verschlossen, sondern auch mit Wirksamwerden der Anhebung des Regelrentenalters die Unwirksamkeit der in Nr. 14.1 Buchst. c ASO normierten Regelung für die nach dem 31. Dezember 1946 geborenen Arbeitnehmer herbeigeführt.

27

3. In der vorgenannten Auslegung steht die Altersgrenzenregelung in Nr. 14.1 Buchst. c ASO in Einklang mit nationalem und dem Recht der Europäischen Union.

28

a) Entgegen der Auffassung des Klägers liegt kein Verstoß gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG vor.

29

aa) Nach dieser Vorschrift können Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (§ 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Eine tarifliche Regelung von Arbeitsbedingungen liegt vor, wenn sie in einem Tarifvertrag enthalten sind und der Betrieb in den räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt. Tarifüblich ist eine Regelung, wenn der Regelungsgegenstand in der Vergangenheit in einem einschlägigen Tarifvertrag enthalten war und die Tarifvertragsparteien über ihn Verhandlungen führen (BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 19).

30

bb) Die für die Betriebe der Beklagten einschlägigen Tarifverträge der chemischen Industrie sehen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Altersgrenze nicht vor. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch die Tarifüblichkeit verneint. Für diese ist ohne Bedeutung, ob in anderen Tarifbereichen Altersgrenzen tariflich normiert sind.

31

b) Das Landesarbeitsgericht hat die Altersgrenze in Nr. 14.1 Buchst. c ASO zu Recht keiner Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB unterzogen. Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB unterliegen Betriebsvereinbarungen keiner Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB (BAG 17. Juli 2012 - 1 AZR 476/11 - Rn. 34, BAGE 142, 294). Ohne Bedeutung ist, ob in ihnen Angelegenheiten der erzwingbaren oder freiwilligen Mitbestimmung ausgestaltet werden. In § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB werden Betriebsvereinbarungen unabhängig von ihrem Regelungsgegenstand von der Inhaltskontrolle ausgenommen.

32

c) Die Altersgrenze genügt den Anforderungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG. Sie sieht eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des Monats vor, in dem der Arbeitnehmer den Bezug einer gesetzlichen Altersrente beanspruchen kann. Die für den befristungsrechtlichen Sachgrund erforderliche rentenrechtliche Anbindung liegt vor.

33

d) Die durch Nr. 14.1 Buchst. c ASO bewirkte, auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der regelrentenbezugsberechtigten Arbeitnehmer ist nach § 10 Satz 3 Nr. 5, Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig.

34

aa) Nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen und den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wollten die Betriebsparteien mit der seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses der Parteien im Jahr 1984 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin geltenden Altersgrenze eine zusätzliche soziale Absicherung der Arbeitnehmer im Zeitpunkt ihres Renteneintritts erreichen sowie einen geordneten Rahmen für die Personalplanung, eine ausgewogene Altersstruktur der Belegschaft und für die Nachwuchsförderung schaffen. Hierbei handelt es sich um beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Richtlinie 2000/78/EG.

35

bb) Die in Nr. 14.1 Buchst. c ASO enthaltene Altersgrenze ist erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG.

36

Die Regelung ist zur Erreichung der mit ihr verfolgten beschäftigungspolitischen Ziele erforderlich. Es ist jedenfalls nicht unvernünftig, wenn die Betriebsparteien davon ausgehen, dass das Ausscheiden von rentenbezugsberechtigten Arbeitnehmern eine sichere Personalplanung ermöglicht, zur Gewährleistung einer ausgewogenen Altersstruktur der Belegschaft beiträgt und die Einstellungschancen von jüngeren Arbeitnehmern fördert. Die Altersgrenze in Nr. 14.1 Buchst. c ASO erweist sich in Bezug auf die von ihr betroffenen Arbeitnehmer auch nicht als unangemessen. Die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses trifft sie nicht unvorbereitet. In der von der ASO erfassten betrieblichen Einheit bestand seit langer Zeit eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze. Die durch diese bewirkte Beendigung der Arbeitsverhältnisse führt nicht zu einer Zwangspensionierung der von ihr erfassten Arbeitnehmer. Die Altersgrenze enthält kein Verbot einer bestimmten beruflichen Tätigkeit, sondern beendet nur das in der Vergangenheit begründete Arbeitsverhältnis. Der mit dem Wegfall des Arbeitsentgelts verbundene wirtschaftliche Nachteil wird durch die Bezugsmöglichkeit der Regelaltersrente zumindest teilweise ausgeglichen.

37

cc) Der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht.

38

Die für die Beurteilung von auf das Regelrentenalter bezogenen Altersgrenzen geltenden unionsrechtlichen Anforderungen sind durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union als geklärt anzusehen. Dies hat der Senat in seiner vom Landesarbeitsarbeitsgericht in den Urteilsgründen zitierten Entscheidung vom 5. März 2013 (- 1 AZR 417/12 - Rn. 52) ausführlich begründet, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.

39

4. Auch die weiteren, vom Kläger gem. § 17 Satz 1 und Satz 2 TzBfG iVm. § 6 Satz 1 KSchG geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe gegenüber der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses aufgrund der Altersgrenze in Nr. 14.1 Buchst. c ASO verhelfen der Revision nicht zum Erfolg.

40

a) Entgegen der Auffassung der Revision verstößt die in der ASO normierte Altersgrenze nicht gegen § 41 Satz 2 SGB VI idF des zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007. Die in der Vorschrift bestimmte Fiktion über den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses betrifft nur einzelvertraglich vereinbarte Altersgrenzen vor Vollendung des Regelrentenalters (BAG 1. Dezember 1993 - 7 AZR 428/93 - zu B II 3 der Gründe, BAGE 75, 166).

41

b) Unerheblich ist auch, ob anderen Personen nach Erreichen des Regelrentenalters die Begründung eines Vertragsverhältnisses angeboten wurde und sich diese Auswahlentscheidung am Gleichbehandlungsgrundsatz zu orientieren hatte. Ein solches Verhalten wäre nicht geeignet, die Wirksamkeit der in Nr. 14.1 Buchst. c ASO enthaltenen Befristung in Frage zu stellen. Diese hängt ausschließlich davon ab, ob im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG objektiv vorlagen(vgl. BAG 13. August 2008 - 7 AZR 513/07 - Rn. 11, BAGE 127, 239). Dies ist hier der Fall.

42

c) Ebenso führte eine mögliche Verpflichtung der Beklagten, den Kläger bei einer entsprechenden Bewerbung erneut den Abschluss eines Arbeitsvertrags anzubieten, weder zur Unwirksamkeit der Befristung noch begründete eine solche Rechtspflicht einen gegenüber dieser aus § 242 BGB herzuleitenden Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens(BAG 12. Juni 2013 - 7 AZR 917/11 - Rn. 41). Zudem ist ein hierauf gestützter Vertragsfortsetzungsanspruch nicht Gegenstand der Klage, was der Kläger noch in der Revisionsbegründung ausdrücklich klargestellt hat.

43

5. Die Altersgrenzenregelung in Nr. 14.1 Buchst. c ASO wird nicht durch eine für den Kläger günstigere Abrede verdrängt. Nr. 2 des Arbeitsvertrags vom 20./23. März 1984 enthält zwar keine auf das Erreichen des Regelrentenalters bezogene Befristung. Es bedarf aber keiner vertiefenden Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Parteien damit eine für den Kläger gegenüber der ASO günstigere Vereinbarung getroffen haben (dazu BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 57). In Nr. 5 des Arbeitsvertrags ist ausdrücklich ein Vorrang der in der ASO enthaltenen Regelungen vor den vertraglichen Abreden vereinbart worden.

44

6. Der im Jahr 1947 geborene Kläger vollendete am 31. Mai 2012 das 65. Lebensjahr. Nach Nr. 14.1 Buchst. c ASO iVm. der Übergangsregelung in § 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI endete sein Arbeitsverhältnis am 30. Juni 2012.

45

III. Da sich danach der Antrag zu 1. als unbegründet erweist, fällt der nur für den Fall des Obsiegens erhobene Weiterbeschäftigungsantrag dem Senat nicht zur Entscheidung an.

        

    Schmidt    

        

    K. Schmidt    

        

    Koch     

        

        

        

    Hromadka    

        

    Hayen     

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 7. März 2012 - 16 Sa 809/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer durch Betriebsvereinbarung geregelten Altersgrenze.

2

Der Kläger war seit April 1980 bei der Beklagten aufgrund einer von beiden Seiten unterzeichneten „Einstellmeldung“ beschäftigt. In dieser heißt es:

        

„1.     

Das Arbeitsverhältnis unterliegt den Bestimmungen des Manteltarifvertrages für Lohnempfänger, des Lohntarifvertrages und der Arbeitsordnung der V AG in der jeweils gültigen Fassung.

        

…       

        
        

3.    

Es wird eine Probezeit von 4 Wochen vereinbart. Wird die Weiterbeschäftigung nicht mindestens 7 Tage vor Ablauf der Probezeit schriftlich abgelehnt, so gilt das Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

        

…       

        
        

6.    

Es wurden ausgehändigt:

Mantel-Tarif-Vertrag für Lohnempfänger

                          

Lohntarifvertrag

                          

Arbeitsordnung

                          

Satzung der Betriebskrankenkasse (mit Krankenordnung)

                          

Unfallverhütungs-Vorschriften

                          

Versorgungsrichtlinien“

3

In der als Versorgungsordnung bezeichneten Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 6/76 vom 21. Dezember 1976 (GBV 6/76) ist bestimmt:

        

㤠3

        

V-Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit

        

(1) V-Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wird an einen V-Mitarbeiter gezahlt, der nach Erfüllung der Wartezeit (§ 2) aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG ausscheidet, weil ein Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bei ihm den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit festgestellt hat und deswegen Rente gewährt (= vorzeitiger Versorgungsfall). …

        

…       

        

§ 4

        

V-Altersrente

        

(1) V-Altersrente wird gezahlt, wenn ein V-Mitarbeiter nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG ausscheidet (= Versorgungsfall bei fester Altersgrenze).

        

(2) V-Altersrente wird vorzeitig gezahlt, wenn ein V-Mitarbeiter nach Vollendung des 63. - bei Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit oder bei Schwerbehinderung nach Vollendung des 62. Lebensjahres -, eine V-Mitarbeiterin nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG ausscheidet (= Versorgungsfall bei flexibler Altersgrenze).

        

(3) V-Altersrente wird vom Beginn des Monats an gezahlt, der auf den Zeitpunkt des altersbedingten Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG folgt, frühestens jedoch nach Ablauf der Zeit, für die noch Zahlungen aus dem beendeten Arbeitsverhältnis geleistet werden. …

        

…       

        

§ 8

        

Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses

        

...     

        

(3) Die V-Rente wird wie folgt berechnet: Es wird ermittelt, welche V-Rente bei angenommener Fortdauer des Arbeitsverhältnisses mit der V AG bis zum Eintritt der nach Absatz 2 maßgebenden Voraussetzungen nach § 7 zu zahlen wäre (= fiktive Vollrente). Hierbei wird das Bruttoarbeitsentgelt in den letzten zwölf vollen Kalendermonaten des Arbeitsverhältnisses mit der V AG nach Maßgabe des § 6 zugrunde gelegt. Diese Rente wird in dem Verhältnis ermäßigt, in dem die erreichte Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der V AG zur erreichbar gewesenen Dauer steht (bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs = feste Altersgrenze).

        

…“    

4

Die GBV 6/76 wurde durch die Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 2/92 vom 11. Dezember 1992 (GBV 2/92) neu gefasst. Nach deren § 4 Abs. 1 Satz 2 endet das Arbeitsverhältnis - ohne dass es einer Kündigung bedarf - mit Ablauf des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird. Die GBV 2/92 trat am 31. Dezember 1992 in Kraft und galt für alle Versorgungsfälle, die auf einem Arbeitsverhältnis beruhten, das vor dem 1. Januar 1987, aber nach dem 1. Dezember 1976 begründet worden war.

5

Der Kläger vollendete im August 2007 sein 65. Lebensjahr und schied zum 31. August 2007 bei der Beklagten aus.

6

Die für die Beklagte geltenden Firmentarifverträge enthielten zum Zeitpunkt der Einstellung des Klägers keine Altersgrenzenregelungen. Erst am 14. Oktober 2009 vereinbarte die IG Metall mit der Beklagten eine Ergänzung des Manteltarifvertrags vom 15. Dezember 2008, wonach das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung mit Ablauf des Kalendermonats endet, in dem der Beschäftigte die jeweilige individuelle Regelaltersgrenze in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung erreicht. Diese Regelung trat mit Wirkung zum 1. August 2009 in Kraft.

7

Mit seiner am 5. Juli 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, sein Arbeitsverhältnis sei nicht durch die in den Gesamtbetriebsvereinbarungen enthaltenen Altersgrenzenregelungen beendet worden. Diese führten zu nach dem AGG unzulässigen Benachteiligungen wegen des Lebensalters. Eine auf das Erreichen des Regelrentenalters bezogene Befristung könne in Betriebsvereinbarungen nicht vereinbart werden. Bei der Einstellung sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden. Diese Abrede gehe als günstigere Absprache etwaigen Altersgrenzenregelungen in den Gesamtbetriebsvereinbarungen vor.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 31. August 2007 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrags auch über den 31. August 2007 hinaus in der Montage zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Befristungskontrollklage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat nach § 4 Abs. 1 GBV 6/76 mit Ablauf des Kalendermonats geendet, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet hat, also am 31. August 2007. Die in der GBV 6/76 enthaltene Altersgrenze ist wirksam. Günstigere vertragliche Vereinbarungen bestehen nicht. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

12

I. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat mit Ablauf des 31. August 2007 geendet. Dies folgt aus § 4 Abs. 1 GBV 6/76, der eine auf das Erreichen des 65. Lebensjahres bezogene Altersgrenze enthält. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG greift nicht ein. Die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat konnten eine Befristung des Arbeitsvertrags durch eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze in der GBV 6/76 regeln. Die Altersgrenzenregelung verstößt nicht gegen § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG und das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1, § 1 AGG.

13

1. Anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen, enthält bereits § 4 Abs. 1 GBV 6/76 eine auf das Erreichen des gesetzlichen Rentenalters bezogene Altersgrenze. Dies folgt aus dem Wortlaut, der Systematik und dem Normzweck der Vorschrift.

14

a) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge oder Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen verfolgte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen sowie die von den Betriebsparteien praktizierte Handhabung der Betriebsvereinbarung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG 18. Oktober 2011 - 1 AZR 376/10 - Rn. 15).

15

b) Der Wortlaut von § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist nicht eindeutig. Er kann dahingehend verstanden werden, dass er ausschließlich die Ruhegeldbezugsberechtigung eines Arbeitnehmers bei Erreichen der festen Altersgrenze regelt. Ein Verständnis, wonach er nicht nur diese, sondern auch die Beendigung der Arbeitsverhältnisse der ruhegeldberechtigten Arbeitnehmer regelt, wird durch den Wortlaut jedoch nicht ausgeschlossen.

16

c) Für die Auslegung von § 4 Abs. 1 GBV 6/76 als Beendigungsnorm spricht der systematische Zusammenhang der Vorschrift. Denn auch an anderer Stelle in der GBV 6/76 wird die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit dem Bezug einer gesetzlichen Rente geregelt. § 3 Abs. 1 GBV 6/76 enthält eine auflösende Bedingung, nach der ein Arbeitnehmer bei Feststellung seiner Erwerbsunfähigkeit und einer entsprechenden Rentengewährung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Dem entspricht § 4 Abs. 3 GBV 6/76, wonach V-Altersrente vom Beginn des Monats an gezahlt wird, der auf den Zeitpunkt des „altersbedingten Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG“ folgt. Diese Norm, die an die Regelung der festen sowie der flexiblen Altersgrenze in § 4 Abs. 1 und Abs. 2 GBV 6/76 anknüpft, geht von einem „altersbedingten Ausscheiden“ aus dem Arbeitsverhältnis aus und nicht aufgrund eines eigenständigen Beendigungstatbestands. Hierfür spricht auch die Berechnungsregel für die Höhe des Ruhegeldes bei vorzeitigem Ausscheiden in § 8 Abs. 3 GBV 6/76. Nach dieser ist die Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres begrenzt. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls bei Erreichen der in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 bestimmten Altersgrenze endet.

17

d) Dies entspricht dem Normzweck. Durch die Regelungen der GBV 6/76 wird den Arbeitnehmern der Beklagten neben ihrer gesetzlichen Altersrente eine weitere Versorgung gewährt, die an die Stelle der entfallenden Arbeitsvergütung tritt. Da die GBV 6/76 nicht regelt, dass das betriebliche Ruhegeld nach Erreichen des Versorgungsfalls auch zusätzlich zum Arbeitsentgelt gezahlt werden kann, ist davon auszugehen, dass durch die Versorgungsordnung zugleich das Arbeitsverhältnis bei Erreichen der festen Altersgrenze beendet werden soll. Dies haben die Betriebsparteien in der GBV 2/92 durch § 4 Abs. 1 Satz 2 GBV 2/92 klargestellt.

18

2. Die Altersgrenzenregelung der GBV 6/76 verstößt nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG.

19

a) Danach können Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (§ 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Arbeitsbedingungen sind dann durch Tarifvertrag geregelt, wenn sie in einem Tarifvertrag enthalten sind und der Betrieb in den räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt (BAG 16. August 2011 - 1 AZR 314/10 - Rn. 12). Tarifüblich ist eine Regelung, wenn der Regelungsgegenstand in der Vergangenheit in einem einschlägigen Tarifvertrag enthalten war und die Tarifvertragsparteien über ihn Verhandlungen führen. Bloße zeitliche Geltungslücken zwischen einem abgelaufenen und einem zu erwartenden Tarifvertrag führen nicht zum Wegfall der Sperrwirkung. Keine Tarifüblichkeit liegt allerdings vor, wenn es in der Vergangenheit noch keinen einschlägigen Tarifvertrag gab und die Tarifvertragsparteien lediglich beabsichtigen, die Angelegenheit künftig tariflich zu regeln. Das gilt selbst dann, wenn sie bereits Tarifverhandlungen aufgenommen haben (BAG 26. August 2008 - 1 AZR 354/07 - Rn. 11, BAGE 127, 297).

20

b) Die Voraussetzungen des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG liegen nicht vor. Bis zu der am 14. Oktober 2009 vereinbarten Ergänzung des Manteltarifvertrags vom 15. Dezember 2008 enthielten die für die Beklagte geltenden Tarifverträge keine Altersgrenzenregelungen. Zu welchem Zeitpunkt die Tarifvertragsparteien hierüber Verhandlungen aufgenommen haben, ist unerheblich.

21

3. Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist von der Regelungskompetenz der Betriebsparteien umfasst.

22

a) Bei der GBV 6/76 handelt es sich um eine teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung. Soweit diese den Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ausgestaltet hat, unterlag sie dem Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Hiervon nicht erfasst war die Festlegung einer Altersgrenze bei Erreichen des Regelrentenalters. Für diesen Regelungsgegenstand folgt die Zuständigkeit der Betriebsparteien aus § 88 BetrVG.

23

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die Betriebsparteien durch Betriebsvereinbarungen Regelungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen treffen. Dem Betriebsverfassungsgesetz liegt seiner Konzeption nach eine grundsätzlich umfassende Kompetenz der Betriebsparteien zur Regelung von materiellen und formellen Arbeitsbedingungen zugrunde (grundlegend BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 der Gründe, BAGE 63, 211). Dies folgt insbesondere aus § 77 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BetrVG. Zwar dient diese Regelung in erster Linie der Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie. Zugleich zeigt sie aber, dass der Gesetzgeber dort, wo die Tarifvertragsparteien ihre Befugnis zur Regelung von Arbeitsbedingungen nicht wahrnehmen oder den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen zulassen, von einer Regelungskompetenz der Betriebsparteien ausgeht. Hierfür spricht ferner, dass freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG nicht auf die dort ausdrücklich genannten Gegenstände beschränkt sind, sondern, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt, auch über andere Gegenstände möglich sein sollen(BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 19, BAGE 137, 300).

24

c) Diese Normsetzungsbefugnis für Regelungsgegenstände außerhalb der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Die betriebliche Normsetzung unterliegt allerdings Binnenschranken. Die Vereinbarkeit der in freiwilligen Betriebsvereinbarungen getroffenen Regelungen mit höherrangigem Recht ist zudem im Individualprozess gerichtlich voll überprüfbar (BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 13 ff., 22, BAGE 120, 308).

25

4. Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 verstößt nicht gegen § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen des Regelrentenalters ist sachlich gerechtfertigt iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG.

26

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind die Betriebsparteien beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen gemäß § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG zur Wahrung der grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte verpflichtet(BAG 17. Juli 2012 - 1 AZR 476/11 - Rn. 36). Dazu gehört die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Arbeitnehmer(BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 20, BAGE 137, 300).

27

b) Im Bereich des arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes ist im Interesse der Gewährleistung der durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit der Arbeitnehmer ein staatlicher Mindestschutz unverzichtbar. Das folgt aus der Schutzpflichtfunktion der Grundrechte, die staatliche Grundrechtsadressaten dazu verpflichten, einzelne Grundrechtsträger vor einer unangemessenen Beschränkung ihrer Grundrechte zu bewahren. Bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen schützen seit dem 1. Januar 2001 die Bestimmungen des TzBfG vor einer unangemessenen Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG(BAG 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 29, BAGE 136, 270). Von den zwingenden Regelungen in § 14 TzBfG kann nach § 22 Abs. 1 TzBfG nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Demzufolge bedürfen auch Befristungsregelungen in Betriebsvereinbarungen zu ihrer Wirksamkeit eines sie rechtfertigenden Sachgrunds iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG.

28

c) Der zeitliche Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG ist eröffnet. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer in einer Betriebsvereinbarung enthaltenen Befristung unterliegt seit dem 1. Januar 2001 der Befristungskontrolle nach den Vorschriften des TzBfG. Dies gilt auch für vor diesem Zeitpunkt abgeschlossene Betriebsvereinbarungen.

29

d) Die Altersgrenze in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sachlich gerechtfertigt.

30

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine mit Erreichen des Regelrentenalters verknüpfte Altersgrenzenregelung in Kollektivnormen die Befristung des Arbeitsverhältnisses iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sachlich rechtfertigen. Zwar verfolgt der Arbeitnehmer mit seinem Wunsch nach einer dauerhaften Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses über das Regelrentenalter hinaus legitime wirtschaftliche und ideelle Anliegen. Das Arbeitsverhältnis sichert seine wirtschaftliche Existenzgrundlage und bietet ihm die Möglichkeit beruflicher Selbstverwirklichung. Jedoch hat der Arbeitnehmer bei Erreichen der Regelaltersgrenze regelmäßig ein langes Berufsleben hinter sich. Daneben war er typischerweise von der Anwendung der Altersgrenzenregelung durch seinen Arbeitgeber selbst begünstigt, weil sich seine Einstellungs- und Aufstiegschancen durch das altersbedingte Ausscheiden anderer Arbeitnehmer verbessert haben. Dem gegenüber steht das Bedürfnis des Arbeitgebers nach einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung. Dem Interesse des Arbeitgebers, beizeiten geeigneten Nachwuchs einzustellen oder bereits beschäftigte Arbeitnehmer fördern zu können, ist Vorrang vor dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer durch den Bezug der Regelaltersrente wirtschaftlich abgesichert ist. Endet das Arbeitsverhältnis durch die vereinbarte Altersgrenze, verliert der Arbeitnehmer den Anspruch auf die Arbeitsvergütung, die ihm bisher zum Bestreiten seines Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden hat. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Altersgrenzenregelung ist verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn an die Stelle der Arbeitsvergütung der dauerhafte Bezug von Leistungen aus einer Altersversorgung tritt. Die Anbindung an eine rentenrechtliche Versorgung bei Ausscheiden durch eine Altersgrenze ist damit Bestandteil des Sachgrunds. Die Wirksamkeit der Befristung ist allerdings auch nicht von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers bei Erreichen der Altersgrenze abhängig (BAG 21. September 2011 - 7 AZR 134/10 - Rn. 22).

31

bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 jedenfalls für Arbeitsverhältnisse mit Arbeitnehmern, die - wie der Kläger - vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, nicht zu beanstanden. Die Regelung knüpft zwar an die Vollendung des 65. Lebensjahrs an und stellt nicht ausdrücklich auf das Erreichen des Regelrentenalters ab. Jedoch wurde dieses bei Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis mit der Vollendung des 65. Lebensjahrs erreicht (§ 35 Nr. 1 SGB VI idF der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 [BGBl. I S. 754]). Erst mit dem Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554) wurde die Regelaltersgrenze für die Geburtsjahrgänge ab 1947 nach § 35 Satz 2, § 235 Abs. 2 SGB VI schrittweise auf die Vollendung des 67. Lebensjahrs angehoben.

32

5. Der durch § 4 Abs. 1 GBV 6/76 bewirkten Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei Erreichen der Regelaltersgrenze steht das Verbot der Altersdiskriminierung aus § 75 Abs. 1 BetrVG, § 7 Abs. 1, § 1 AGG nicht entgegen. Die Altersgrenze führt zwar zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters. Diese ist aber nach § 10 Satz 3 Nr. 5, Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig. Weder diese gesetzliche Bestimmung noch die sie ausgestaltende Betriebsvereinbarung sind unionsrechtlich zu beanstanden.

33

a) Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote in § 75 Abs. 1 BetrVG übernommen. Die unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen aus einem in § 1 AGG genannten Grund ist daher nur unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig(BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 14).

34

b) Der zeitliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet.

35

aa) Die Regelungen des AGG sind auch auf Altersgrenzen anzuwenden, die vor Inkrafttreten des AGG einzelvertraglich oder in Kollektivnormen vereinbart wurden, wenn die Altersgrenze im Einzelfall erst mit oder nach Inkrafttreten des AGG erreicht wird. Nur wenn diese bereits vor dem 18. August 2006 erreicht wurde, gilt nach § 33 Abs. 1 AGG altes Recht(BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 36, BAGE 131, 113).

36

bb) Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Kläger vollendete sein 65. Lebensjahr am 12. August 2007 und erreichte die in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 normierte Altersgrenze am 31. August 2007.

37

c) Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 enthält eine unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer, die das 65. Lebensjahr vollendet haben.

38

Das Erreichen des in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 festgesetzten Lebensalters führt automatisch zur Auflösung des Arbeitsvertrags. Arbeitnehmer, die dieses Alter erreicht haben, erfahren somit eine weniger günstige Behandlung als alle anderen Erwerbstätigen. Eine solche Regelung hat daher eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung bei den Entlassungsbedingungen iSd. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1, § 1 AGG zur Folge.

39

d) Die unterschiedliche Behandlung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist nach § 10 Satz 3 Nr. 5, Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig.

40

aa) § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG erlauben die in einer Vereinbarung nach § 10 Satz 3 Nr. 5 Halbs. 1 AGG enthaltene unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber die sich aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) in nationales Recht umgesetzt (BT-Drucks. 16/1780 S. 1 bis 3 und S. 20 bis 27). Die Prüfung der Zulässigkeit einer auf dem Alter beruhenden unterschiedlichen Behandlung hat daher unter Beachtung der Richtlinie 2000/78/EG und der zu ihrer Auslegung ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu erfolgen.

41

bb) Die Regelung in § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG verfolgt ein legitimes Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG.

42

Der Europäische Gerichtshof hat Altersgrenzenvereinbarungen iSv. § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG, die an das Alter und die Beitragszahlung betreffenden Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente anknüpfen, grundsätzlich als solche angesehen, die eine Ungleichbehandlung wegen des Alters iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG als objektiv und angemessen erscheinen lassen und im Rahmen des nationalen Rechts rechtfertigen können. Bei diesen handele es sich um Instrumente der nationalen Arbeitsmarktpolitik, mit denen über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen der Zugang zur Beschäftigung gefördert werden soll (EuGH 5. Juli 2012 - C-141/11 - [Hörnfeldt] Rn. 29; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 62, Slg. 2010, I-9391). Mit solchen Maßnahmen verfolgen die Mitgliedstaaten ein legitimes Ziel im Bereich der Sozial- oder Beschäftigungspolitik. Die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente erfüllen, ist seit längerer Zeit Teil des Arbeitsrechts zahlreicher Mitgliedstaaten und in den Beziehungen des Arbeitslebens weithin üblich. Dieser Mechanismus - so der Gerichtshof - beruht auf einem Ausgleich zwischen politischen, wirtschaftlichen, sozialen, demografischen und/oder haushaltsbezogenen Erwägungen und betrifft die Entscheidung der Mitgliedstaaten über die Dauer der Lebensarbeitszeit der Arbeitnehmer (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 44, aaO). Die beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischen Ziele können sich dabei entweder auf den gesamten Arbeitsmarkt oder auf die Beschäftigungssituation in bestimmten Branchen erstrecken (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 69 f., Slg. 2007, I-8531). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht die Regelung über die Zulässigkeit von Altersgrenzen in § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG wegen des mit ihr verfolgten arbeits- und beschäftigungspolitischen Ziels im Einklang mit Unionsrecht(EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 51, aaO). Die Nutzung dieser Ermächtigung durch eine Kollektivvereinbarung müsse allerdings ebenfalls in angemessener und erforderlicher Weise ein legitimes Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgen(EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 53, aaO). Die Prüfung, ob mit einer solchen Altersgrenzenvereinbarung legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt werden und die Mittel hierzu angemessen und erforderlich sind, obliegt dabei dem nationalen Gericht(EuGH 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 43, Slg. 2010, I-11869).

43

cc) Die Voraussetzungen des § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG liegen vor.

44

(1) Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 sieht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt vor, zu dem der betroffene Arbeitnehmer die Regelaltersrente beanspruchen kann.

45

(2) Der Berücksichtigung der beschäftigungspolitischen Zielsetzung als einem legitimen Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG steht nicht entgegen, dass diese nicht in der GBV 6/76 ausdrücklich genannt ist. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist es ausreichend, wenn andere aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter dieser Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, damit dessen Rechtmäßigkeit sowie die Angemessenheit und Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüft werden können (EuGH 5. Juli 2012 - C-141/11 - [Hörnfeldt] Rn. 24).

46

(3) Nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen und den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wollten die Betriebsparteien mit den seit dem 1. Dezember 1976 bei der Beklagten geltenden Altersgrenzen eine zusätzliche soziale Absicherung der Arbeitnehmer im Zeitpunkt ihres Renteneintritts erreichen sowie einen geordneten Rahmen für die Personalplanung, eine ausgewogene Altersstruktur der Belegschaft und für die Nachwuchsförderung schaffen. Hierbei handelt es sich um beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG.

47

(4) Die Rechtsqualität der GBV 6/76 als Betriebsvereinbarung steht dem nicht entgegen.

48

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können auch auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlungen in betrieblichen Vereinbarungen zulässig sein, wenn die Betriebsparteien mit ihren Regelungen sozial- und beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgen, sofern die zur Erreichung dieser Ziele eingesetzten Mittel angemessen und erforderlich sind und nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgehen (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar] Rn. 43, 46, 49). Der Gerichtshof sieht Arbeitgeber und Betriebsrat als Sozialpartner an (vgl. EuGH 9. Dezember 2004 - C-19/02 - [Hlozek] Rn. 38, Slg. 2004, I-11491), denen bei der Entscheidung über die Verfolgung eines bestimmten sozial- und beschäftigungspolitischen Ziels sowie bei der Festlegung der für seine Erreichung geeigneten Maßnahmen ein weiter Ermessenspielraum zusteht (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 69, Slg. 2010, I-9391).

49

dd) Die in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 enthaltene Altersgrenze ist erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG.

50

Die Regelung ist zur Erreichung der mit ihr verfolgten beschäftigungspolitischen Ziele erforderlich. Es ist jedenfalls nicht unvernünftig, wenn die Betriebsparteien davon ausgehen, dass das Ausscheiden von rentenbezugsberechtigten Arbeitnehmern eine sichere Personalplanung ermöglicht, zur Gewährleistung einer ausgewogenen Altersstruktur der Belegschaft beiträgt und die Einstellungschancen von jüngeren Arbeitnehmern fördert. Die Altersgrenze in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 erweist sich in Bezug auf die von ihr betroffenen Arbeitnehmer auch nicht als unangemessen. Die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses trifft sie nicht unvorbereitet. Die Regelung führt nicht zu ihrem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Sie enthält kein Verbot einer bestimmten beruflichen Tätigkeit, sondern beendet nur das in der Vergangenheit begründete Arbeitsverhältnis. Der mit dem Wegfall des Arbeitsentgelts verbundene wirtschaftliche Nachteil wird durch die Bezugsmöglichkeit der Regelaltersrente zumindest teilweise ausgeglichen.

51

e) Der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht.

52

Die für die Beurteilung von auf das Regelrentenalter bezogenen Altersgrenzen geltenden unionsrechtlichen Anforderungen sind durch die angeführte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH 5.  Juli 2012 - C-141/11 - [Hörnfeldt]; 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Slg. 2010, I-11869; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Slg. 2010, I-9391; 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Slg. 2007, I-8531) als geklärt anzusehen. Nach den Entscheidungen des Gerichtshofs in den Rs. Odar (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar]) und Hlozek (EuGH 9. Dezember 2004 - C-19/02 - [Hlozek] Slg. 2004, I-11491) steht zudem fest, dass in Betriebsvereinbarungen enthaltene Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters durch sozial- und beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt werden können.

53

6. Weitere Unwirksamkeitsgründe gegenüber der durch § 4 Abs. 1 GBV 6/76 bewirkten Befristung seines Arbeitsvertrags hat der Kläger nicht geltend gemacht(§ 17 Satz 1 und Satz 2 TzBfG iVm. § 6 Satz 1 KSchG).

54

II. Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 wird nicht durch eine für den Kläger günstigere Abrede verdrängt.

55

1. Nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG gelten Betriebsvereinbarungen zwar unmittelbar und zwingend. Diese gesetzliche Regelung ist jedoch unvollständig. Sie wird durch das Günstigkeitsprinzip ergänzt. Das in § 4 Abs. 3 TVG nur unvollkommen geregelte Günstigkeitsprinzip ist Ausdruck eines umfassenden Grundsatzes, der unabhängig von der Art der Rechtsquelle und auch außerhalb des Tarifvertragsgesetzes Geltung beansprucht. Es gilt auch für das Verhältnis von vertraglichen Ansprüchen zu den Inhaltsnormen einer Betriebsvereinbarung (BAG GS 16. September 1986 - GS 1/82 - zu C II 3 a, b der Gründe, BAGE 53, 42). Günstigere einzelvertragliche Vereinbarungen gehen daher den belastenden Regelungen einer Betriebsvereinbarung vor (BAG 6. November 2007 - 1 AZR 862/06 - Rn. 23, BAGE 124, 323).

56

2. Mit der in Nr. 3 der Einstellungsmeldung vom 8. April 1980 enthaltenen Formulierung, nach der das Arbeitsverhältnis auf „unbestimmte Zeit“ abgeschlossen gilt, haben die Parteien keine für den Kläger gegenüber der GBV 6/76 günstigere Vereinbarung getroffen.

57

Die vertragliche Regelung enthält eine auflösende Bedingung, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der vierwöchigen Probezeit endet, wenn die Beklagte die Weiterbeschäftigung nicht mindestens sieben Tage vor deren Ablauf ablehnt. Verzichtet sie hierauf, wird das Arbeitsverhältnis nach dem Ablauf der Probezeit als unbefristetes fortgesetzt. Nach dem für die Auslegung von Verträgen maßgeblichen Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) konnte der Kläger die bei seiner Einstellung im Jahr 1980 getroffene Vereinbarung nicht dahingehend verstehen, das Arbeitsverhältnis könne bis zu seinem Ableben nur durch eine Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag beendet werden. Hiergegen spricht insbesondere die bei Vertragsschluss erfolgte Übergabe der GBV 6/76, in der die bei der Beklagten geltende Altersgrenze enthalten war. Durch Nr. 3 der Einstellungsmeldung sollte nicht eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze abbedungen werden, sondern vielmehr nur klargestellt werden, dass das Arbeitsverhältnis nicht nur für eine im Voraus konkret bestimmte Frist abgeschlossen wird (BAG 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 23, BAGE 136, 270).

58

3. Ungeachtet dessen haben die Parteien ihre arbeitsvertraglichen Beziehungen hinsichtlich einer Altersgrenzenregelung in den von der Beklagten vorgegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen betriebsvereinbarungsoffen gestaltet.

59

a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Maßgebend für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 19, BAGE 139, 156).

60

b) Die Arbeitsvertragsparteien können ihre vertraglichen Absprachen dahingehend gestalten, dass sie einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Das kann ausdrücklich oder bei entsprechenden Begleitumständen konkludent erfolgen und ist nicht nur bei betrieblichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen möglich, sondern auch bei einzelvertraglichen Abreden. Eine solche konkludente Vereinbarung ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und einen kollektiven Bezug hat. Mit der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen macht der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erkennbar deutlich, dass im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollen. Eine betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen stünde dem entgegen. Die Änderung und Umgestaltung von betriebseinheitlich gewährten Leistungen wäre nur durch den Ausspruch von Änderungskündigungen möglich. Der Abschluss von betriebsvereinbarungsfesten Abreden würde zudem den Gestaltungsraum der Betriebsparteien für zukünftige Anpassungen von Arbeitsbedingungen mit kollektivem Bezug einschränken. Da Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenso wie Bestimmungen in einer Betriebsvereinbarung auf eine Vereinheitlichung der Regelungsgegenstände gerichtet sind, kann aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei den vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen um solche handelt, die einer Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbaren, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen.

61

c) Dem steht die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB nicht entgegen. Danach muss der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Diese Auslegungsregel kommt allerdings erst dann zur Anwendung, wenn der Klauselinhalt nicht bereits durch Auslegung zweifelsfrei festgestellt werden kann. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 20, BAGE 139, 156).

62

d) Nach diesen Grundsätzen ist der Arbeitsvertrag der Parteien in Bezug auf eine Altersgrenzenregelung betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet. Bei den in der Einstellungsmeldung enthaltenen Vertragsinhalten handelt es sich um von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen mit kollektivem Bezug. Dass der Vereinbarung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses in Nr. 3 der Einstellungsmeldung eine betriebsvereinbarungsfeste Individualvereinbarung zugrunde liegt, die zur Verdrängung der Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 3 GBV 6/76 führt, hat der Kläger selbst nicht behauptet.

63

III. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an, da er, wie seine Auslegung ergibt, nur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits gestellt ist.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Manfred Gentz    

        

    Berg    

                 

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 16. Januar 2008 - 5 Sa 604/07 - aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten, außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist.

2

Die 1951 geborene Klägerin war seit dem 1969 bei der S AG beschäftigt. In dem damaligen Arbeitsvertrag waren die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie in Bezug genommen. Im Jahr 1998 gliederte die S AG ihren Logistikbereich aus und übertrug ihn auf die neu gegründete Beklagte. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ging mit Wirkung vom 1. September 1998 auf die Beklagte über.

3

Im Rahmen der Ausgliederung hatten die S AG und ihr Gesamtbetriebsrat am 16. Juni 1998 „sozial- und personalpolitische Grundsätze“ als „Überleitungsregeln“ vereinbart. Nach deren Nr. 15 sollten Mitarbeiter, die aufgrund der Dauer ihrer Firmenzugehörigkeit einen besonderen Kündigungsschutz nach den „S-Richtlinien“ besaßen, diesen weiterhin behalten. Diese mit dem Gesamtbetriebsrat „abgesprochenen“ Richtlinien vom 23. Juli 1993 sahen einen „Kündigungsschutz für Jubilare“ vor, demzufolge „Mitarbeitern mit mindestens 25-jähriger Dienstzeit … grundsätzlich aus betriebsbedingten Gründen nicht ordentlich gekündigt werden“ durfte.

4

Am 30. Juni 1998 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag. Darin wurde als Eintrittsdatum der Klägerin der 1. September 1998 festgelegt. Ferner wurde geregelt, dass die S-Dienstzeiten angerechnet werden und die Tarifverträge für das Speditions- und Transportgewerbe in Bayern in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung finden.

5

Die Beklagte ist als Logistikdienstleister fast ausschließlich für die S AG tätig (sog. Inhouse-Logistik). Die Klägerin arbeitete zuletzt in der Warenannahme. Sie besitzt keine Fahrerlaubnis.

6

Mit Schreiben vom 11. August 2006 teilte die S AG der Beklagten mit, dass es aufgrund der aktuellen Entwicklungen im Konzern zu einem deutlichen Rückgang der Mitarbeiterzahlen an den Standorten in M kommen werde. Der von der Beklagten zu erbringende Leistungsumfang und die monatliche Pauschale für die von ihr geleisteten Verkehrsdienste würden sich dadurch ab dem 1. Dezember 2006 ebenfalls reduzieren.

7

Die Beklagte beschloss daraufhin, ihren Geschäftsbetrieb künftig mit weniger Personal fortzuführen und 17 der insgesamt 40 gewerblichen Mitarbeiter zu entlassen. Zudem entschied sie, dass in Zukunft alle gewerblichen Mitarbeiter in der Lage sein müssten, Waren selbständig mit einem Kraftfahrzeug abzuholen und auszuliefern. Gegenüber zehn Arbeitnehmern, die über keine gültige Fahrerlaubnis verfügten, und weiteren sieben Beschäftigten sprach sie Kündigungen aus. Schwerbehinderte Mitarbeiter ohne Fahrerlaubnis nahm sie von einer Kündigung aus. Das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 30. August 2006 außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 31. August 2007.

8

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Ordentlich sei sie unkündbar. Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist seien nicht gegeben. Ihr Arbeitsplatz sei nicht weggefallen. Die Mitteilung der S AG, zu einem nicht näher konkretisierten Zeitpunkt werde sich die Zahl ihrer Mitarbeiter reduzieren, rechtfertige nicht die Annahme, das Auftrags- und Arbeitsvolumen bei der Beklagten werde sich deshalb in einem der Anzahl der tatsächlich ausgesprochenen Kündigungen entsprechenden Umfang reduzieren. Die Organisation und der Ablauf ihrer - der Klägerin - eigenen Arbeit hätten sich nicht geändert, ihre bisherige Tätigkeit führten jüngere Mitarbeiter und Leiharbeitnehmer aus. In der Warenannahme sei auch kein Führerschein erforderlich, im Übrigen könne sie in der Lagerverwaltung und in der Transportstelle ebenfalls ohne Führerschein eingesetzt werden.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30. August 2006 nicht aufgelöst worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt. Aufgrund des angekündigten drastischen Auftragsrückgangs seitens der S AG als ihrer Hauptkundin und der Reduzierung der Auftragsvergütung um 42,6 % habe für 17 ihrer insgesamt 40 gewerblichen Mitarbeiter kein Beschäftigungsbedarf mehr bestanden. Wegen des insgesamt geringeren Personalbestands sei es künftig notwendig, dass bei der Warenannahme alle Tätigkeiten in einer Hand lägen. Jeder Mitarbeiter müsse in der Lage sein, Waren mit dem Kraftfahrzeug auszuliefern. Für eine Weiterbeschäftigung sei deshalb der Besitz einer Fahrerlaubnis zwingend erforderlich. Die von der S AG gewährte Bestandsschutzgarantie finde keine Anwendung. Nr. 15 der in Form einer Gesamtbetriebsvereinbarung getroffenen „Übergangsregelungen“ vom 16. Juni 1998 sei unwirksam.

11

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Dieses hat zwar zu Recht festgestellt, dass die außerordentliche Kündigung vom 30. August 2006 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht wirksam beenden konnte. Zu Unrecht hat es aber schon auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen angenommen, dass auch die Umdeutung dieser Kündigung in eine ordentliche Kündigung nicht möglich ist. Ob das Arbeitsverhältnis in diesem Fall durch eine ordentliche Kündigung wegen dringender betrieblicher Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG beendet worden ist, kann der Senat mangels tatsächlicher Feststellungen nicht abschließend beurteilen.

13

A. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht wirksam beendet hat. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

14

I. Die Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung vom 30. August 2006 richtet sich zunächst nach § 626 BGB. Die Beklagte hat eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist erklärt. An der von ihr selbst gewählten Erklärung muss sie sich messen lassen.

15

II. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

16

1. Eine außerordentliche und zugleich fristlose Kündigung aus betriebsbedingten Gründen ist selbst gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer regelmäßig unzulässig. Zu prüfen ist, ob dem Arbeitgeber im Fall ordentlicher Kündbarkeit eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar wäre. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist, wenn aus betrieblichen Gründen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer entfällt, selbst im Insolvenzfall zumutbar, die Kündigungsfrist einzuhalten(Senat 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).

17

2. Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung mit einer - notwendig einzuhaltenden - Auslauffrist kommt in Betracht, wenn andernfalls der Ausschluss der ordentlichen Kündigung dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit ggf. noch über Jahre weiterbeschäftigen müsste und ihm dies unzumutbar ist(vgl. Senat 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 b bb der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2; 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - Rn. 25 mwN, BAGE 122, 264). Das kann ausnahmsweise der Fall sein, wenn der Arbeitgeber gezwungen wäre, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über Jahre hinweg allein durch Gehaltszahlungen, denen keine entsprechende Arbeitsleistung gegenübersteht, aufrechtzuerhalten. Allerdings ist der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündbarkeit in einem besonderen Maß verpflichtet, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden (Senat 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - aaO). Besteht noch irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird es ihm regelmäßig zumutbar sein, den Arbeitnehmer entsprechend einzusetzen. Erst wenn alle denkbaren Lösungsversuche ausscheiden, kann - ausnahmsweise - ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist vorliegen (vgl. Senat 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - aaO).

18

III. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung liegt im Streitfall nicht vor. Dies gilt auch angesichts der von der Beklagten eingehaltenen einjährigen Auslauffrist. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass für die Klägerin dauerhaft überhaupt keine andere Einsatzmöglichkeit mehr bestanden hat. Ihr Vorbringen lässt nicht erkennen, dass die Klägerin bei gesunkenem Arbeitsvolumen - selbst nach zumutbaren Organisationsänderungen - ohne Führerschein nicht mehr sinnvoll beschäftigt werden kann.

19

1. Allerdings unterliegt die Gestaltung des Anforderungsprofils für den jeweiligen Arbeitsplatz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten von Arbeitnehmern mit einer bestimmten Qualifikation ausführen zu lassen, ist von den Beschäftigten grundsätzlich hinzunehmen. Die fragliche Entscheidung kann nur auf Willkür und offenbare Unrichtigkeit hin gerichtlich überprüft werden. Dafür bedarf es besonderer Anhaltspunkte(Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 31, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138).

20

Sind aber die betreffende Organisationsentscheidung und der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers praktisch deckungsgleich, weil der Arbeitnehmer dem neuen Anforderungsprofil nicht genügt, kann die generelle Vermutung, dass eine unternehmerische Entscheidung auf sachlichen Gründen beruht, nicht unbesehen greifen. Der Arbeitgeber kann sich nicht lediglich auf seine Entscheidungsfreiheit berufen. Er muss vielmehr konkret darlegen, wie seine Entscheidung sich auf die tatsächlichen Möglichkeiten, die Arbeitnehmer einzusetzen, auswirkt und in welchem Umfang durch sie ein konkreter Änderungsbedarf entstanden ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze geändert wird, auf denen die Arbeitnehmer bereits langjährig beschäftigt sind(Senat 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138). Beruft sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung auf die Umgestaltung des Arbeitsplatzes und eine Neubestimmung des Anforderungsprofils, muss er den zugrunde liegenden betrieblichen Anlass im Einzelnen darlegen. Die Entscheidung zur (neuen) Stellenprofilierung muss im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme stehen, nach deren Durchführung sich die bisherigen Anforderungen an den Stelleninhaber ändern (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 31, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).

21

Dies gilt schon für eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Im Falle einer außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist iSv. § 626 BGB geht die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers noch darüber hinaus. Dieser hat nicht nur dazutun, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers infolge einer Änderung des Anforderungsprofils am bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr möglich ist. Er hat zudem von sich aus darzulegen, dass und weshalb es an jeglicher Möglichkeit einer sinnvollen Beschäftigung fehlt(Senat 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).

22

2. Das Vorbringen der Beklagten genügt diesen Anforderungen nicht. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, aus dem Vortrag der Beklagten werde nicht ersichtlich, warum ihr die Weiterbeschäftigung der Klägerin unzumutbar sei. Ihr Vortrag lässt nicht zu erkennen, warum eine sinnvolle Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht mehr möglich ist. Die Beklagte hat weder ausgeführt, ob und in welchem Umfang die bisherigen Arbeiten weggefallen sind, noch hat sie dargelegt, inwieweit die verbliebenen Tätigkeiten die Nutzung eines Kraftfahrzeugs und damit den Besitz eines Führerscheins zwingend erfordern. Ebenso wenig lässt sich beurteilen, ob nicht durch zumutbare Änderungen in den organisatorischen Abläufen zumindest ein weiterer Arbeitsplatz so zugeschnitten werden kann, dass auf ihm eine Beschäftigung auch ohne den Besitz einer Fahrerlaubnis sinnvoll möglich ist, und ob nicht in einem anderen Betrieb ein für die Klägerin geeigneter Arbeitsplatz besteht. Die Beklagte hat sich allein auf ihre unternehmerische Organisationsfreiheit berufen und geltend gemacht, jeder Mitarbeiter müsse zukünftig in der Lage sein, Waren selbständig mit einem Kraftfahrzeug auszuliefern. Den Anforderungen an die Darlegung eines wichtigen Grundes wird sie damit nicht gerecht. Dies gilt umso mehr, als sie die Arbeitsverhältnisse mit den schwerbehinderten Mitarbeitern, die keine Fahrerlaubnis besitzen, fortgesetzt und damit zu erkennen gegeben hat, dass eine Weiterbeschäftigung im Betrieb auch ohne Fahrerlaubnis möglich ist.

23

B. Zu Unrecht ist das Landesarbeitsgericht schon nach seinen bisher getroffenen Feststellungen davon ausgegangen, die unwirksame außerordentliche Kündigung vom 30. August 2006 könne nicht gemäß § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden. Eine Umdeutung scheitert auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht daran, dass die ordentliche Kündigung durch die „Überleitungsregeln“ und die „S-Richtlinien“ ausgeschlossen wäre.

24

I. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung zwar die Annahme zugrunde gelegt, „dass das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nur außerordentlich gekündigt werden kann - was zwischen den Parteien unstreitig ist“. Auf diese Weise hat es aber keine Tatsachen festgestellt, an die der Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden wäre. Seine Aussage, es fehle an der rechtlichen Befugnis zur ordentlichen Kündigung, ist keine Feststellung der Wahrheit einer tatsächlichen Behauptung, sondern die Beschreibung eines rechtlichen Zustands. Tatsachen, die eine entsprechende rechtliche Schlussfolgerung zuließen, hat es nicht festgestellt. An bloße Rechtsansichten, auch wenn sie zwischen den Parteien nicht „im Streit“ stehen und vom Berufungsgericht übernommen worden sind, ist das Revisionsgericht nicht gebunden. Ebenso wenig ist eine Partei gehindert, ihre bisherige, mit der Gegenseite geteilte Rechtsansicht noch in der Revisionsinstanz aufzugeben, wie die Beklagte dies getan hat.

25

II. Der besondere Kündigungsschutz der Klägerin als langjährig beschäftigte Mitarbeiterin konnte nicht durch eine (Gesamt-)Betriebsvereinbarung begründet werden. Eine entsprechende Betriebsvereinbarung verstößt gegen § 77 Abs. 3 BetrVG.

26

1. Nach den zwischen der S AG und ihrem Gesamtbetriebsrat im Rahmen der Ausgliederung vereinbarten „Überleitungsregeln“ vom 16. Juni 1998 besitzt die Klägerin einen besonderen Kündigungsschutz. Nach Nr. 15 des Regelungswerks „(behalten) Mitarbeiter, die aufgrund ihrer Firmenzugehörigkeit (25 Jahre und länger) einen besonderen Kündigungsschutz nach den S-Richtlinien genießen, … diesen weiterhin“. Nach Nr. 1 der „S-Richtlinien“ wiederum „(darf) Mitarbeitern mit mindestens 25-jähriger Dienstzeit … grundsätzlich aus betriebsbedingten Gründen nicht ordentlich gekündigt werden (Bestandsschutzgarantie)“. Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzung. Sie war bei Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte nahezu 29 Jahre bei der S AG beschäftigt.

27

2. Nach dem bisherigen Parteivorbringen und den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass der in den „S-Richtlinien“ vorgesehene besondere Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis der Parteien Rechtswirkungen entfaltet.

28

a) Als normativ wirkende Rechtsquelle für das Arbeitsverhältnis der Parteien scheidet Nr. 15 der „Überleitungsregeln“ vom 16. Juni 1998 aus. Die Bestimmung ist zwar Teil einer (Gesamt-)Betriebsvereinbarung iSd. § 77 Abs. 2, Abs. 4 BetrVG. Diese wurde jedoch zwischen der S AG und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat getroffen. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien kann sie deshalb normative Ansprüche nur begründen, wenn sie auch im Betrieb der Beklagten - normativ - gilt. Das ist nicht der Fall.

29

aa) Eine Geltung als unmittelbar für den Betrieb der Beklagten getroffene Betriebsvereinbarung scheidet aus. Weder hat die Beklagte die Vereinbarung unterzeichnet, noch ist der bei der S AG gebildete Gesamtbetriebsrat für einen von der Beklagten geführten Betrieb zuständig.

30

bb) Wurden die „Überleitungsregeln“ von der S AG und dem Gesamtbetriebsrat mit Geltung allein für den (späteren) Betrieb der Beklagten vereinbart, konnten sie ebenfalls keine Wirkung entfalten. Für eine solche Vereinbarung fehlte es beiden handelnden Parteien an der nötigen betriebsverfassungsrechtlichen Kompetenz. Regelungen für die Zeit nach einem Betriebs(teil)übergang vermögen der bisherige Arbeitgeber und spätere Veräußerer und der bei ihm gebildete Gesamtbetriebsrat nicht unmittelbar zu treffen(BAG 18. September 2002 - 1 ABR 54/01 - zu B II 2 b ee der Gründe, BAGE 102, 356; 1. April 1987 - 4 AZR 77/86 - BAGE 55, 154, 168).

31

cc) Wurden die „Überleitungsregeln“ stattdessen zwar durch die beabsichtigte Ausgliederung der „Logistikdienste“ veranlasst, sind sie aber gleichwohl als für alle Betriebe der S AG - zumindest am Standort M - geltende Bestimmungen zu verstehen, könnten sie nur im Fall eines Betriebs(teil)übergangs auf die Beklagte in deren Betrieb normativ iSd. § 77 Abs. 2, Abs. 4 BetrVG weitergelten. Voraussetzung ist, dass sie im Zeitpunkt des Übergangs als wirksame Gesamtbetriebsvereinbarung anzusehen waren. Daran fehlt es. Zumindest Nr. 15 der „Überleitungsregeln“ ist rechtsunwirksam.

32

(1) Entgegen der Auffassung der Beklagten beruht dies nicht darauf, dass Betriebsparteien außerhalb ihrer gesetzlichen Kompetenzen handeln, wenn sie in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung Fragen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Kündigungserschwernisse für den Arbeitgeber regeln. Freiwillige Betriebsvereinbarungen sind nicht auf die in § 88 BetrVG genannten Gegenstände beschränkt, wie schon der Wortlaut der Bestimmung („insbesondere“) verdeutlicht (BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 der Gründe, BAGE 63, 211; BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 13, BAGE 120, 308; 18. Juli 2006 - 1 AZR 578/05 - BAGE 119, 122). Neben betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Fragen können in einer Betriebsvereinbarung auch Fragen des Inhalts, des Abschlusses und der Beendigung von Arbeitsverhältnissen geregelt werden (BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 b der Gründe, aaO; aA Rieble NZA 2003, 1243, 1245).

33

(2) Nr. 15 der „Überleitungsregeln“ verstößt jedoch gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG und ist aus diesem Grund als normative Bestimmung unwirksam.

34

(a) Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Eine gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist von Anfang an unwirksam(BAG 10. Oktober 2006 - 1 ABR 59/05 - Rn. 21 mwN, AP BetrVG 1972 § 77 Tarifvorbehalt Nr. 24 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 18; Fitting 25. Aufl. § 77 Rn. 99; GK-BetrVG/Kreutz 9. Aufl. § 77 Rn. 123). Sonstige Arbeitsbedingungen iSd. § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG sind nicht nur materielle Arbeitsbedingungen, die den Umfang der Leistung des Arbeitnehmers und der Gegenleistung des Arbeitgebers betreffen, sondern alle Regelungen, die als Gegenstand tarifvertraglicher Inhaltsnormen nach § 1 TVG den Inhalt von Arbeitsverhältnissen ordnen(BAG 9. April 1991 - 1 AZR 406/90 - zu II 3 der Gründe, BAGE 67, 377; WPK/Preis 4. Aufl. § 77 Rn. 60; GK-BetrVG/Kreutz 9. Aufl. § 77 Rn. 83 u. 85).

35

(b) Die gesetzliche Bestimmung dient der Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie sowie der Erhaltung und Stärkung der Funktionsfähigkeit der Koalitionen. Sie will verhindern, dass Gegenstände, derer sich die Tarifvertragsparteien angenommen haben, konkurrierend - und sei es inhaltsgleich - in Betriebsvereinbarungen geregelt werden (BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 26, BAGE 118, 211). Eine Betriebsvereinbarung soll weder als normative Ersatzregelung für nicht organisierte Arbeitnehmer noch als Grundlage für übertarifliche Leistungen dienen können (BAG 20. November 2001 - 1 AZR 12/01 - zu II 2 a der Gründe, EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 70; Fitting 25. Aufl. § 77 Rn. 67). Auch günstigere Betriebsvereinbarungen sind unwirksam (GK-BetrVG/Kreutz 9. Aufl. § 77 Rn. 128; Richardi in Richardi 12. Aufl. § 77 Rn. 278; Fitting 25. Auf. § 77 Rn. 67 u. 97). Fällt ein Betrieb in den räumlichen, fachlichen und personellen Geltungsbereich eines Tarifvertrags, sind die Betriebsparteien deshalb gehindert, tariflich geregelte Gegenstände in einer Betriebsvereinbarung selbst zu regeln. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hängt nicht davon ab, dass der Arbeitgeber tarifgebunden ist, und tritt auch dann ein, wenn ein den gleichen Gegenstand regelnder Tarifvertrag zwar bei Abschluss der Betriebsvereinbarung nicht (mehr) besteht, die betreffende Angelegenheit aber „üblicherweise“ tariflich geregelt wird(BAG 22. März 2005 - 1 ABR 64/03 - zu B II 2 c ee (1) der Gründe, BAGE 114, 162).

36

(c) Die S AG und ihre Betriebe fallen in den Geltungsbereich des Manteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 1. Dezember 1973 in der Fassung vom 1. November 1997 (MTV). Dessen § 8 Abs. 3 enthielt im maßgeblichen Zeitraum eine Regelung über den Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit. Danach konnte das Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 10 Jahre angehört haben oder das 50. Lebensjahr vollendet und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 15 Jahre angehört haben, nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Bei der Vereinbarung der „Übergangsregeln“ im Juni 1998 bestand demnach eine tarifliche Regelung zur Unkündbarkeit der Arbeitnehmer. § 8 Abs. 3 MTV und Nr. 15 der „Übergangsregeln“ haben den gleichen Gegenstand. Dagegen kann nicht eingewandt werden, diese sehe lediglich eine „Sonderregelung für Jubilare“ vor, die der Tarifvertrag nicht im Blick gehabt habe. Auch die betriebliche Regelung will nicht ein Dienstjubiläum honorieren, sondern gewährt - wie § 8 Abs. 3 MTV - einen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen. Dazu knüpft sie wie die tarifliche Regelung an die Beschäftigungsdauer an. Sie gewährt den Sonderkündigungsschutz zwar unabhängig vom Lebensalter der Betroffenen und führt so zu einer Verbesserung der kündigungsrechtlichen Situation der Beschäftigten, sie tritt aber auch auf diese Weise in Konkurrenz zur tariflichen Bestimmung.

37

b) Die „S-Richtlinien“ gewähren der Klägerin auch unabhängig von Nr. 15 der „Übergangsregeln“ keinen normativen Schutz vor einer ordentlichen Kündigung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sie - was das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt hat - überhaupt als Betriebsvereinbarung zwischen der S AG und deren Gesamtbetriebsrat zustande gekommen sind. Sollte das der Fall sein, wäre die betreffende Regelung wegen § 77 Abs. 3 BetrVG aus den dargelegten Gründen ebenfalls unwirksam.

38

C. Scheitert damit eine Umdeutung der ausgesprochenen außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung nicht daran, dass dies gegen Nr. 15 der „Übergangsregeln“ und/oder die „S-Richtlinien“ als kollektive, normativ wirkende Bestimmungen verstieße, so ist es nicht ausgeschlossen, dass die genannten Bestimmungen auf einzelvertraglicher Grundlage im Arbeitsverhältnis der Parteien gelten und aus diesem Grund einer Kündigung entgegenstehen. In Betracht kommt etwa eine Geltung qua Umdeutung der als normativ unwirksamen Regelungen in eine Gesamtzusage durch die S AG(vgl. dazu BAG 24. Januar 1996 - 1 AZR 597/95 - zu II der Gründe, BAGE 82, 89), qua gesonderter (konkludenter) Zusage an die zur Beklagten wechselnden Arbeitnehmer durch die S AG und/oder die Beklagte selbst oder qua Bestehen einer bei der S AG und/oder der Beklagten begründeten betrieblichen Übung; eine in der Zeit des Arbeitsverhältnisses mit der S AG entstandene Rechtsposition der Klägerin kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 613a Abs. 1 BGB auch im Arbeitsverhältnis der Parteien fortwirken - eine mögliche Verweisung auf § 8 MTV im Arbeitsvertrag mit der S AG wird allerdings schon wegen des selbständigen Vertragsschlusses der Parteien aus dem Juni 1998 schwerlich von Bedeutung sein können.

39

Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang keine Feststellung getroffen. Das wird es, nachdem es den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vortrag gegeben hat, nachzuholen haben. Von seinen Feststellungen hängt es ab, ob im Streitfall eine Umdeutung der außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung überhaupt möglich ist. Sollte dies mangels einzelvertraglich begründeten Sonderkündigungsschutzes zu bejahen sein und sollten die sonstigen Voraussetzungen des § 140 BGB vorliegen, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die - ordentliche - Kündigung iSv. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG sozial gerechtfertigt ist.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Eylert    

        

        

        

    Sieg    

        

    Baerbaum    

                 

In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. Der Betriebsrat kann in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen; § 80 Abs. 4 gilt entsprechend; im Übrigen bleibt § 80 Abs. 3 unberührt. Als Betriebsänderungen im Sinne des Satzes 1 gelten

1.
Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
2.
Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
3.
Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
4.
grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
5.
Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 16. Januar 2008 - 5 Sa 604/07 - aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten, außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist.

2

Die 1951 geborene Klägerin war seit dem 1969 bei der S AG beschäftigt. In dem damaligen Arbeitsvertrag waren die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie in Bezug genommen. Im Jahr 1998 gliederte die S AG ihren Logistikbereich aus und übertrug ihn auf die neu gegründete Beklagte. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ging mit Wirkung vom 1. September 1998 auf die Beklagte über.

3

Im Rahmen der Ausgliederung hatten die S AG und ihr Gesamtbetriebsrat am 16. Juni 1998 „sozial- und personalpolitische Grundsätze“ als „Überleitungsregeln“ vereinbart. Nach deren Nr. 15 sollten Mitarbeiter, die aufgrund der Dauer ihrer Firmenzugehörigkeit einen besonderen Kündigungsschutz nach den „S-Richtlinien“ besaßen, diesen weiterhin behalten. Diese mit dem Gesamtbetriebsrat „abgesprochenen“ Richtlinien vom 23. Juli 1993 sahen einen „Kündigungsschutz für Jubilare“ vor, demzufolge „Mitarbeitern mit mindestens 25-jähriger Dienstzeit … grundsätzlich aus betriebsbedingten Gründen nicht ordentlich gekündigt werden“ durfte.

4

Am 30. Juni 1998 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag. Darin wurde als Eintrittsdatum der Klägerin der 1. September 1998 festgelegt. Ferner wurde geregelt, dass die S-Dienstzeiten angerechnet werden und die Tarifverträge für das Speditions- und Transportgewerbe in Bayern in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung finden.

5

Die Beklagte ist als Logistikdienstleister fast ausschließlich für die S AG tätig (sog. Inhouse-Logistik). Die Klägerin arbeitete zuletzt in der Warenannahme. Sie besitzt keine Fahrerlaubnis.

6

Mit Schreiben vom 11. August 2006 teilte die S AG der Beklagten mit, dass es aufgrund der aktuellen Entwicklungen im Konzern zu einem deutlichen Rückgang der Mitarbeiterzahlen an den Standorten in M kommen werde. Der von der Beklagten zu erbringende Leistungsumfang und die monatliche Pauschale für die von ihr geleisteten Verkehrsdienste würden sich dadurch ab dem 1. Dezember 2006 ebenfalls reduzieren.

7

Die Beklagte beschloss daraufhin, ihren Geschäftsbetrieb künftig mit weniger Personal fortzuführen und 17 der insgesamt 40 gewerblichen Mitarbeiter zu entlassen. Zudem entschied sie, dass in Zukunft alle gewerblichen Mitarbeiter in der Lage sein müssten, Waren selbständig mit einem Kraftfahrzeug abzuholen und auszuliefern. Gegenüber zehn Arbeitnehmern, die über keine gültige Fahrerlaubnis verfügten, und weiteren sieben Beschäftigten sprach sie Kündigungen aus. Schwerbehinderte Mitarbeiter ohne Fahrerlaubnis nahm sie von einer Kündigung aus. Das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 30. August 2006 außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 31. August 2007.

8

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Ordentlich sei sie unkündbar. Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist seien nicht gegeben. Ihr Arbeitsplatz sei nicht weggefallen. Die Mitteilung der S AG, zu einem nicht näher konkretisierten Zeitpunkt werde sich die Zahl ihrer Mitarbeiter reduzieren, rechtfertige nicht die Annahme, das Auftrags- und Arbeitsvolumen bei der Beklagten werde sich deshalb in einem der Anzahl der tatsächlich ausgesprochenen Kündigungen entsprechenden Umfang reduzieren. Die Organisation und der Ablauf ihrer - der Klägerin - eigenen Arbeit hätten sich nicht geändert, ihre bisherige Tätigkeit führten jüngere Mitarbeiter und Leiharbeitnehmer aus. In der Warenannahme sei auch kein Führerschein erforderlich, im Übrigen könne sie in der Lagerverwaltung und in der Transportstelle ebenfalls ohne Führerschein eingesetzt werden.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30. August 2006 nicht aufgelöst worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt. Aufgrund des angekündigten drastischen Auftragsrückgangs seitens der S AG als ihrer Hauptkundin und der Reduzierung der Auftragsvergütung um 42,6 % habe für 17 ihrer insgesamt 40 gewerblichen Mitarbeiter kein Beschäftigungsbedarf mehr bestanden. Wegen des insgesamt geringeren Personalbestands sei es künftig notwendig, dass bei der Warenannahme alle Tätigkeiten in einer Hand lägen. Jeder Mitarbeiter müsse in der Lage sein, Waren mit dem Kraftfahrzeug auszuliefern. Für eine Weiterbeschäftigung sei deshalb der Besitz einer Fahrerlaubnis zwingend erforderlich. Die von der S AG gewährte Bestandsschutzgarantie finde keine Anwendung. Nr. 15 der in Form einer Gesamtbetriebsvereinbarung getroffenen „Übergangsregelungen“ vom 16. Juni 1998 sei unwirksam.

11

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Dieses hat zwar zu Recht festgestellt, dass die außerordentliche Kündigung vom 30. August 2006 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht wirksam beenden konnte. Zu Unrecht hat es aber schon auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen angenommen, dass auch die Umdeutung dieser Kündigung in eine ordentliche Kündigung nicht möglich ist. Ob das Arbeitsverhältnis in diesem Fall durch eine ordentliche Kündigung wegen dringender betrieblicher Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG beendet worden ist, kann der Senat mangels tatsächlicher Feststellungen nicht abschließend beurteilen.

13

A. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht wirksam beendet hat. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

14

I. Die Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung vom 30. August 2006 richtet sich zunächst nach § 626 BGB. Die Beklagte hat eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist erklärt. An der von ihr selbst gewählten Erklärung muss sie sich messen lassen.

15

II. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

16

1. Eine außerordentliche und zugleich fristlose Kündigung aus betriebsbedingten Gründen ist selbst gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer regelmäßig unzulässig. Zu prüfen ist, ob dem Arbeitgeber im Fall ordentlicher Kündbarkeit eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar wäre. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist, wenn aus betrieblichen Gründen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer entfällt, selbst im Insolvenzfall zumutbar, die Kündigungsfrist einzuhalten(Senat 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).

17

2. Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung mit einer - notwendig einzuhaltenden - Auslauffrist kommt in Betracht, wenn andernfalls der Ausschluss der ordentlichen Kündigung dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit ggf. noch über Jahre weiterbeschäftigen müsste und ihm dies unzumutbar ist(vgl. Senat 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 b bb der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2; 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - Rn. 25 mwN, BAGE 122, 264). Das kann ausnahmsweise der Fall sein, wenn der Arbeitgeber gezwungen wäre, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über Jahre hinweg allein durch Gehaltszahlungen, denen keine entsprechende Arbeitsleistung gegenübersteht, aufrechtzuerhalten. Allerdings ist der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündbarkeit in einem besonderen Maß verpflichtet, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden (Senat 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - aaO). Besteht noch irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird es ihm regelmäßig zumutbar sein, den Arbeitnehmer entsprechend einzusetzen. Erst wenn alle denkbaren Lösungsversuche ausscheiden, kann - ausnahmsweise - ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist vorliegen (vgl. Senat 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - aaO).

18

III. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung liegt im Streitfall nicht vor. Dies gilt auch angesichts der von der Beklagten eingehaltenen einjährigen Auslauffrist. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass für die Klägerin dauerhaft überhaupt keine andere Einsatzmöglichkeit mehr bestanden hat. Ihr Vorbringen lässt nicht erkennen, dass die Klägerin bei gesunkenem Arbeitsvolumen - selbst nach zumutbaren Organisationsänderungen - ohne Führerschein nicht mehr sinnvoll beschäftigt werden kann.

19

1. Allerdings unterliegt die Gestaltung des Anforderungsprofils für den jeweiligen Arbeitsplatz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten von Arbeitnehmern mit einer bestimmten Qualifikation ausführen zu lassen, ist von den Beschäftigten grundsätzlich hinzunehmen. Die fragliche Entscheidung kann nur auf Willkür und offenbare Unrichtigkeit hin gerichtlich überprüft werden. Dafür bedarf es besonderer Anhaltspunkte(Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 31, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138).

20

Sind aber die betreffende Organisationsentscheidung und der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers praktisch deckungsgleich, weil der Arbeitnehmer dem neuen Anforderungsprofil nicht genügt, kann die generelle Vermutung, dass eine unternehmerische Entscheidung auf sachlichen Gründen beruht, nicht unbesehen greifen. Der Arbeitgeber kann sich nicht lediglich auf seine Entscheidungsfreiheit berufen. Er muss vielmehr konkret darlegen, wie seine Entscheidung sich auf die tatsächlichen Möglichkeiten, die Arbeitnehmer einzusetzen, auswirkt und in welchem Umfang durch sie ein konkreter Änderungsbedarf entstanden ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze geändert wird, auf denen die Arbeitnehmer bereits langjährig beschäftigt sind(Senat 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138). Beruft sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung auf die Umgestaltung des Arbeitsplatzes und eine Neubestimmung des Anforderungsprofils, muss er den zugrunde liegenden betrieblichen Anlass im Einzelnen darlegen. Die Entscheidung zur (neuen) Stellenprofilierung muss im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme stehen, nach deren Durchführung sich die bisherigen Anforderungen an den Stelleninhaber ändern (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 31, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).

21

Dies gilt schon für eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Im Falle einer außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist iSv. § 626 BGB geht die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers noch darüber hinaus. Dieser hat nicht nur dazutun, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers infolge einer Änderung des Anforderungsprofils am bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr möglich ist. Er hat zudem von sich aus darzulegen, dass und weshalb es an jeglicher Möglichkeit einer sinnvollen Beschäftigung fehlt(Senat 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).

22

2. Das Vorbringen der Beklagten genügt diesen Anforderungen nicht. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, aus dem Vortrag der Beklagten werde nicht ersichtlich, warum ihr die Weiterbeschäftigung der Klägerin unzumutbar sei. Ihr Vortrag lässt nicht zu erkennen, warum eine sinnvolle Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht mehr möglich ist. Die Beklagte hat weder ausgeführt, ob und in welchem Umfang die bisherigen Arbeiten weggefallen sind, noch hat sie dargelegt, inwieweit die verbliebenen Tätigkeiten die Nutzung eines Kraftfahrzeugs und damit den Besitz eines Führerscheins zwingend erfordern. Ebenso wenig lässt sich beurteilen, ob nicht durch zumutbare Änderungen in den organisatorischen Abläufen zumindest ein weiterer Arbeitsplatz so zugeschnitten werden kann, dass auf ihm eine Beschäftigung auch ohne den Besitz einer Fahrerlaubnis sinnvoll möglich ist, und ob nicht in einem anderen Betrieb ein für die Klägerin geeigneter Arbeitsplatz besteht. Die Beklagte hat sich allein auf ihre unternehmerische Organisationsfreiheit berufen und geltend gemacht, jeder Mitarbeiter müsse zukünftig in der Lage sein, Waren selbständig mit einem Kraftfahrzeug auszuliefern. Den Anforderungen an die Darlegung eines wichtigen Grundes wird sie damit nicht gerecht. Dies gilt umso mehr, als sie die Arbeitsverhältnisse mit den schwerbehinderten Mitarbeitern, die keine Fahrerlaubnis besitzen, fortgesetzt und damit zu erkennen gegeben hat, dass eine Weiterbeschäftigung im Betrieb auch ohne Fahrerlaubnis möglich ist.

23

B. Zu Unrecht ist das Landesarbeitsgericht schon nach seinen bisher getroffenen Feststellungen davon ausgegangen, die unwirksame außerordentliche Kündigung vom 30. August 2006 könne nicht gemäß § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden. Eine Umdeutung scheitert auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht daran, dass die ordentliche Kündigung durch die „Überleitungsregeln“ und die „S-Richtlinien“ ausgeschlossen wäre.

24

I. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung zwar die Annahme zugrunde gelegt, „dass das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nur außerordentlich gekündigt werden kann - was zwischen den Parteien unstreitig ist“. Auf diese Weise hat es aber keine Tatsachen festgestellt, an die der Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden wäre. Seine Aussage, es fehle an der rechtlichen Befugnis zur ordentlichen Kündigung, ist keine Feststellung der Wahrheit einer tatsächlichen Behauptung, sondern die Beschreibung eines rechtlichen Zustands. Tatsachen, die eine entsprechende rechtliche Schlussfolgerung zuließen, hat es nicht festgestellt. An bloße Rechtsansichten, auch wenn sie zwischen den Parteien nicht „im Streit“ stehen und vom Berufungsgericht übernommen worden sind, ist das Revisionsgericht nicht gebunden. Ebenso wenig ist eine Partei gehindert, ihre bisherige, mit der Gegenseite geteilte Rechtsansicht noch in der Revisionsinstanz aufzugeben, wie die Beklagte dies getan hat.

25

II. Der besondere Kündigungsschutz der Klägerin als langjährig beschäftigte Mitarbeiterin konnte nicht durch eine (Gesamt-)Betriebsvereinbarung begründet werden. Eine entsprechende Betriebsvereinbarung verstößt gegen § 77 Abs. 3 BetrVG.

26

1. Nach den zwischen der S AG und ihrem Gesamtbetriebsrat im Rahmen der Ausgliederung vereinbarten „Überleitungsregeln“ vom 16. Juni 1998 besitzt die Klägerin einen besonderen Kündigungsschutz. Nach Nr. 15 des Regelungswerks „(behalten) Mitarbeiter, die aufgrund ihrer Firmenzugehörigkeit (25 Jahre und länger) einen besonderen Kündigungsschutz nach den S-Richtlinien genießen, … diesen weiterhin“. Nach Nr. 1 der „S-Richtlinien“ wiederum „(darf) Mitarbeitern mit mindestens 25-jähriger Dienstzeit … grundsätzlich aus betriebsbedingten Gründen nicht ordentlich gekündigt werden (Bestandsschutzgarantie)“. Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzung. Sie war bei Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte nahezu 29 Jahre bei der S AG beschäftigt.

27

2. Nach dem bisherigen Parteivorbringen und den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass der in den „S-Richtlinien“ vorgesehene besondere Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis der Parteien Rechtswirkungen entfaltet.

28

a) Als normativ wirkende Rechtsquelle für das Arbeitsverhältnis der Parteien scheidet Nr. 15 der „Überleitungsregeln“ vom 16. Juni 1998 aus. Die Bestimmung ist zwar Teil einer (Gesamt-)Betriebsvereinbarung iSd. § 77 Abs. 2, Abs. 4 BetrVG. Diese wurde jedoch zwischen der S AG und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat getroffen. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien kann sie deshalb normative Ansprüche nur begründen, wenn sie auch im Betrieb der Beklagten - normativ - gilt. Das ist nicht der Fall.

29

aa) Eine Geltung als unmittelbar für den Betrieb der Beklagten getroffene Betriebsvereinbarung scheidet aus. Weder hat die Beklagte die Vereinbarung unterzeichnet, noch ist der bei der S AG gebildete Gesamtbetriebsrat für einen von der Beklagten geführten Betrieb zuständig.

30

bb) Wurden die „Überleitungsregeln“ von der S AG und dem Gesamtbetriebsrat mit Geltung allein für den (späteren) Betrieb der Beklagten vereinbart, konnten sie ebenfalls keine Wirkung entfalten. Für eine solche Vereinbarung fehlte es beiden handelnden Parteien an der nötigen betriebsverfassungsrechtlichen Kompetenz. Regelungen für die Zeit nach einem Betriebs(teil)übergang vermögen der bisherige Arbeitgeber und spätere Veräußerer und der bei ihm gebildete Gesamtbetriebsrat nicht unmittelbar zu treffen(BAG 18. September 2002 - 1 ABR 54/01 - zu B II 2 b ee der Gründe, BAGE 102, 356; 1. April 1987 - 4 AZR 77/86 - BAGE 55, 154, 168).

31

cc) Wurden die „Überleitungsregeln“ stattdessen zwar durch die beabsichtigte Ausgliederung der „Logistikdienste“ veranlasst, sind sie aber gleichwohl als für alle Betriebe der S AG - zumindest am Standort M - geltende Bestimmungen zu verstehen, könnten sie nur im Fall eines Betriebs(teil)übergangs auf die Beklagte in deren Betrieb normativ iSd. § 77 Abs. 2, Abs. 4 BetrVG weitergelten. Voraussetzung ist, dass sie im Zeitpunkt des Übergangs als wirksame Gesamtbetriebsvereinbarung anzusehen waren. Daran fehlt es. Zumindest Nr. 15 der „Überleitungsregeln“ ist rechtsunwirksam.

32

(1) Entgegen der Auffassung der Beklagten beruht dies nicht darauf, dass Betriebsparteien außerhalb ihrer gesetzlichen Kompetenzen handeln, wenn sie in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung Fragen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Kündigungserschwernisse für den Arbeitgeber regeln. Freiwillige Betriebsvereinbarungen sind nicht auf die in § 88 BetrVG genannten Gegenstände beschränkt, wie schon der Wortlaut der Bestimmung („insbesondere“) verdeutlicht (BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 der Gründe, BAGE 63, 211; BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 13, BAGE 120, 308; 18. Juli 2006 - 1 AZR 578/05 - BAGE 119, 122). Neben betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Fragen können in einer Betriebsvereinbarung auch Fragen des Inhalts, des Abschlusses und der Beendigung von Arbeitsverhältnissen geregelt werden (BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 b der Gründe, aaO; aA Rieble NZA 2003, 1243, 1245).

33

(2) Nr. 15 der „Überleitungsregeln“ verstößt jedoch gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG und ist aus diesem Grund als normative Bestimmung unwirksam.

34

(a) Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Eine gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist von Anfang an unwirksam(BAG 10. Oktober 2006 - 1 ABR 59/05 - Rn. 21 mwN, AP BetrVG 1972 § 77 Tarifvorbehalt Nr. 24 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 18; Fitting 25. Aufl. § 77 Rn. 99; GK-BetrVG/Kreutz 9. Aufl. § 77 Rn. 123). Sonstige Arbeitsbedingungen iSd. § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG sind nicht nur materielle Arbeitsbedingungen, die den Umfang der Leistung des Arbeitnehmers und der Gegenleistung des Arbeitgebers betreffen, sondern alle Regelungen, die als Gegenstand tarifvertraglicher Inhaltsnormen nach § 1 TVG den Inhalt von Arbeitsverhältnissen ordnen(BAG 9. April 1991 - 1 AZR 406/90 - zu II 3 der Gründe, BAGE 67, 377; WPK/Preis 4. Aufl. § 77 Rn. 60; GK-BetrVG/Kreutz 9. Aufl. § 77 Rn. 83 u. 85).

35

(b) Die gesetzliche Bestimmung dient der Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie sowie der Erhaltung und Stärkung der Funktionsfähigkeit der Koalitionen. Sie will verhindern, dass Gegenstände, derer sich die Tarifvertragsparteien angenommen haben, konkurrierend - und sei es inhaltsgleich - in Betriebsvereinbarungen geregelt werden (BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 26, BAGE 118, 211). Eine Betriebsvereinbarung soll weder als normative Ersatzregelung für nicht organisierte Arbeitnehmer noch als Grundlage für übertarifliche Leistungen dienen können (BAG 20. November 2001 - 1 AZR 12/01 - zu II 2 a der Gründe, EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 70; Fitting 25. Aufl. § 77 Rn. 67). Auch günstigere Betriebsvereinbarungen sind unwirksam (GK-BetrVG/Kreutz 9. Aufl. § 77 Rn. 128; Richardi in Richardi 12. Aufl. § 77 Rn. 278; Fitting 25. Auf. § 77 Rn. 67 u. 97). Fällt ein Betrieb in den räumlichen, fachlichen und personellen Geltungsbereich eines Tarifvertrags, sind die Betriebsparteien deshalb gehindert, tariflich geregelte Gegenstände in einer Betriebsvereinbarung selbst zu regeln. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hängt nicht davon ab, dass der Arbeitgeber tarifgebunden ist, und tritt auch dann ein, wenn ein den gleichen Gegenstand regelnder Tarifvertrag zwar bei Abschluss der Betriebsvereinbarung nicht (mehr) besteht, die betreffende Angelegenheit aber „üblicherweise“ tariflich geregelt wird(BAG 22. März 2005 - 1 ABR 64/03 - zu B II 2 c ee (1) der Gründe, BAGE 114, 162).

36

(c) Die S AG und ihre Betriebe fallen in den Geltungsbereich des Manteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 1. Dezember 1973 in der Fassung vom 1. November 1997 (MTV). Dessen § 8 Abs. 3 enthielt im maßgeblichen Zeitraum eine Regelung über den Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit. Danach konnte das Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 10 Jahre angehört haben oder das 50. Lebensjahr vollendet und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 15 Jahre angehört haben, nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Bei der Vereinbarung der „Übergangsregeln“ im Juni 1998 bestand demnach eine tarifliche Regelung zur Unkündbarkeit der Arbeitnehmer. § 8 Abs. 3 MTV und Nr. 15 der „Übergangsregeln“ haben den gleichen Gegenstand. Dagegen kann nicht eingewandt werden, diese sehe lediglich eine „Sonderregelung für Jubilare“ vor, die der Tarifvertrag nicht im Blick gehabt habe. Auch die betriebliche Regelung will nicht ein Dienstjubiläum honorieren, sondern gewährt - wie § 8 Abs. 3 MTV - einen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen. Dazu knüpft sie wie die tarifliche Regelung an die Beschäftigungsdauer an. Sie gewährt den Sonderkündigungsschutz zwar unabhängig vom Lebensalter der Betroffenen und führt so zu einer Verbesserung der kündigungsrechtlichen Situation der Beschäftigten, sie tritt aber auch auf diese Weise in Konkurrenz zur tariflichen Bestimmung.

37

b) Die „S-Richtlinien“ gewähren der Klägerin auch unabhängig von Nr. 15 der „Übergangsregeln“ keinen normativen Schutz vor einer ordentlichen Kündigung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sie - was das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt hat - überhaupt als Betriebsvereinbarung zwischen der S AG und deren Gesamtbetriebsrat zustande gekommen sind. Sollte das der Fall sein, wäre die betreffende Regelung wegen § 77 Abs. 3 BetrVG aus den dargelegten Gründen ebenfalls unwirksam.

38

C. Scheitert damit eine Umdeutung der ausgesprochenen außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung nicht daran, dass dies gegen Nr. 15 der „Übergangsregeln“ und/oder die „S-Richtlinien“ als kollektive, normativ wirkende Bestimmungen verstieße, so ist es nicht ausgeschlossen, dass die genannten Bestimmungen auf einzelvertraglicher Grundlage im Arbeitsverhältnis der Parteien gelten und aus diesem Grund einer Kündigung entgegenstehen. In Betracht kommt etwa eine Geltung qua Umdeutung der als normativ unwirksamen Regelungen in eine Gesamtzusage durch die S AG(vgl. dazu BAG 24. Januar 1996 - 1 AZR 597/95 - zu II der Gründe, BAGE 82, 89), qua gesonderter (konkludenter) Zusage an die zur Beklagten wechselnden Arbeitnehmer durch die S AG und/oder die Beklagte selbst oder qua Bestehen einer bei der S AG und/oder der Beklagten begründeten betrieblichen Übung; eine in der Zeit des Arbeitsverhältnisses mit der S AG entstandene Rechtsposition der Klägerin kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 613a Abs. 1 BGB auch im Arbeitsverhältnis der Parteien fortwirken - eine mögliche Verweisung auf § 8 MTV im Arbeitsvertrag mit der S AG wird allerdings schon wegen des selbständigen Vertragsschlusses der Parteien aus dem Juni 1998 schwerlich von Bedeutung sein können.

39

Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang keine Feststellung getroffen. Das wird es, nachdem es den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vortrag gegeben hat, nachzuholen haben. Von seinen Feststellungen hängt es ab, ob im Streitfall eine Umdeutung der außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung überhaupt möglich ist. Sollte dies mangels einzelvertraglich begründeten Sonderkündigungsschutzes zu bejahen sein und sollten die sonstigen Voraussetzungen des § 140 BGB vorliegen, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die - ordentliche - Kündigung iSv. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG sozial gerechtfertigt ist.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Eylert    

        

        

        

    Sieg    

        

    Baerbaum    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 19.04.2013, 1 BV 330/12, wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.


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(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Wird ein Betrieb gespalten, so bleibt dessen Betriebsrat im Amt und führt die Geschäfte für die ihm bislang zugeordneten Betriebsteile weiter, soweit sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 erfüllen und nicht in einen Betrieb eingegliedert werden, in dem ein Betriebsrat besteht (Übergangsmandat). Der Betriebsrat hat insbesondere unverzüglich Wahlvorstände zu bestellen. Das Übergangsmandat endet, sobald in den Betriebsteilen ein neuer Betriebsrat gewählt und das Wahlergebnis bekannt gegeben ist, spätestens jedoch sechs Monate nach Wirksamwerden der Spaltung. Durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung kann das Übergangsmandat um weitere sechs Monate verlängert werden.

(2) Werden Betriebe oder Betriebsteile zu einem Betrieb zusammengefasst, so nimmt der Betriebsrat des nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer größten Betriebs oder Betriebsteils das Übergangsmandat wahr. Absatz 1 gilt entsprechend.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch, wenn die Spaltung oder Zusammenlegung von Betrieben und Betriebsteilen im Zusammenhang mit einer Betriebsveräußerung oder einer Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz erfolgt.
-----

*)
Diese Vorschrift dient der Umsetzung des Artikels 6 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. EG Nr. L 82 S. 16).

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Das Gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 77 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.

(2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen, der Vorstand kann die Aufgabe auf andere Bedienstete der Bundesagentur für Arbeit übertragen. Erfolgt kein Vermittlungsersuchen oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt ein Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder ein vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit benannter Bediensteter der Bundesagentur für Arbeit an der Verhandlung teil.

(3) Unternehmer und Betriebsrat sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

(4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:

1.
Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen.
2.
Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit.
2a.
Sie soll insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen.
3.
Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.

Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 21. November 2012 - 2 Sa 1224/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Tarifentgelterhöhungen.

2

Der 1957 geborene Kläger ist seit dem 1. Januar 1988 bei der Beklagten, die nicht tarifgebunden und deren Mehrheitsgesellschafterin die Stadt M ist, als kaufmännischer Mitarbeiter beschäftigt. Die Beklagte betreibt die Halle M und führt im Interesse der Stadt M und der Gemeinden des M Veranstaltungen aller Art - darunter auch Feste, Märkte, Ausstellungen und Messen - im eigenen und fremden Namen durch.

3

Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Formulararbeitsvertrag vom 9. Dezember 1987, der ua. regelt:

        

㤠3

        

Herr L erhält eine Vergütung nach BAT IV a.

        

§ 4

        

Die vertragsschließenden Parteien sind sich darüber einig, daß sich sowohl alle übrigen Rechte als auch die Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis nach den Bestimmungen der für die H gültigen Betriebsvereinbarung richten, die somit Grundlage dieses Arbeitsvertrages ist.“

4

In einer Betriebsvereinbarung vom 8. Februar 2001 (im Folgenden BV) heißt es auszugsweise:

        

㤠2

        

Anwendung von Tarifverträgen

        
        

(1)     

Soweit in dieser Vereinbarung keine besonderen Regelungen getroffen sind, werden Bestimmungen der Tarifverträge BAT und BMT-G in der Fassung vom 01.08.2000 sowie NGG in der Fassung vom 01.01.1995 auf die Beschäftigungsverhältnisse wie folgt angewandt:

        
                 

A. Mitarbeiter/innen im Verwaltungs- und gewerblich-technischen Bereich:

        
                 

a)    

Angestellte (BAT)

        
                 

Der § 4 (Arbeitsvertrag, Nebenabreden), § 5 (Probezeit), § 7 (Ärztliche Untersuchung), § 8 (Allgemeine Pflichten), § 9 (Schweigepflicht), § 10 (Belohnungen und Geschenke), § 11 (Nebentätigkeit), § 13 (Personalakten), § 14 (Haftung), § 18 (Arbeitsversäumnis), § 37 (Krankenbezüge), § 38 (Forderungsübergang bei Dritthaftung), § 40 (Beihilfen), § 41 (Sterbegeld), § 42 (Reisekostenvergütung), §§ 47 - 52 (Urlaub, Sonderurlaub, Arbeitsbefreiung), §§ 53 - 61 (Beendigung des Arbeitsverhältnisses), (§ 53 Abs. 3 findet keine Anwendung), §§ 62 - 64 (Übergangsgeld) und § 70 (Ausschlußfristen des Bundesangestellten-Tarifvertrages (BAT)).

        
                 

…       

                 
        

§ 3

        

Regelmäßige Arbeitszeit

        

(1)     

Für die Arbeitszeit der Mitarbeiter/innen im Verwaltungs- und gewerblich-technischen Bereich gelten die §§ 15 bis 16 a BAT bzw. die §§ 14 und 15 BMT-G in der Fassung vom 01.08.2000.“

5

Die Beklagte zahlte dem Kläger bis September 2005 Vergütung nach VergGr. IVa BAT bzw. - nach Bewährungsaufstieg - nach VergGr. III BAT. Dabei vollzog sie die Steigerung der Vergütung nach Lebensaltersstufen und die Tariferhöhungen nach, den Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT allerdings zwei Monate später als tariflich vorgesehen. Außerdem erhält der Kläger eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von 80 % des durchschnittlichen Entgelts der Monate Juli bis September. Nach der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen zum 1. Oktober 2005 ordnete die Beklagte den Kläger der Entgeltgruppe 11/Stufe 6 TVöD zu. Er erhält seither - unter Einreihung in eine dem Vergleichsentgelt entsprechenden individuellen Endstufe (§ 6 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-VKA) - ein Bruttomonatsgehalt von 3.961,66 Euro. Die nach der Tarifsukzession vereinbarten Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst der Kommunen gab die Beklagte nicht mehr weiter.

6

In einem Schreiben vom 21. Februar 2007 teilte die Geschäftsführerin der Beklagten den Beschäftigten mit:

        

„Betriebsvereinbarung

        

Sehr geehrte Damen und Herren,

        

anlässlich des Inkrafttretens des TVöD auf kommunaler Ebene sowie auf Bundesebene am 01.10.2005 sowie anlässlich des Inkrafttretens des Tarifvertrages der Länder in Nordrhein-Westfalen am 01.11.2006 hatte ich angestrebt, die zwischen H und dem Betriebsrat der H bestehende Betriebsvereinbarung vom 08.02.2001 in gemeinsamen Verhandlungen mit dem Betriebsrat zu überarbeiten und auf die neuen tariflichen Bestimmungen anzupassen. In der Vorbereitung dieser Anpassungsmaßnahmen habe ich mich juristisch beraten lassen. Dabei wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass die vor meiner Amtszeit mit dem Betriebsrat geschlossene Betriebsvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam ist. …

        

Ich möchte daher ausdrücklich darauf aufmerksam machen, dass die H GmbH sich an die Betriebsvereinbarung ab sofort nicht mehr gebunden sieht. Sie wird lediglich einstweilen, namentlich bis zur Bekanntgabe einer neuen Regelung, angewendet. Dies geschieht allerdings ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und ohne Bindungswirkung für die Zukunft und ausschließlich für die Übergangszeit bis zur Bekanntgabe dessen, was zukünftig für den Inhalt der Arbeitsverhältnisse gelten soll.

        

…“    

7

Daraufhin wandte sich der Betriebsrat mit Schreiben vom 10. März 2007 an die Belegschaft wie folgt:

        

„Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

        

wir nehmen Bezug auf das Schreiben von Frau Dr. P vom 21.02.2007. Darin geht die Geschäftsleitung davon aus, dass die am 08.02.2001 geschlossene Betriebsvereinbarung unwirksam sei. Gleichzeitig wird mitgeteilt, dass sich die H GmbH ab sofort nicht mehr an diese Vereinbarung gebunden sieht.

        

Wir als Betriebsrat der H haben in dieser Angelegenheit ebenfalls eine Rechtsauskunft eingeholt. Hier die wichtigsten Aussagen:

        

1.    

Unsere Betriebsvereinbarung vom 08.02.2001 ist weiterhin wirksam.

        

2.    

In unseren Arbeitsverträgen wird regelmäßig auf unsere Betriebsvereinbarung verwiesen. Selbst bei unterstellter Unwirksamkeit bleiben die darin enthaltenen Regelungen rechtsverbindlicher Bestandteil unserer Arbeitsverträge.

        

…“    

        
8

Mit Schreiben vom 27. September 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten erfolglos, die „Ergebnisse der Tarifeinigung“ vom 27. Februar 2010 auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden.

9

Mit der am 29. Dezember 2010 eingereichten Klage hat der Kläger die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst der Kommunen in den Jahren 2008 bis 2010 sowie entsprechend erhöhte Jahressonderzahlungen verlangt. Er hat geltend gemacht, § 3 Arbeitsvertrag enthalte eine dynamische Inbezugnahme der Tarifentgelte, die auch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst umfasse. Ausschlussfristen habe er nicht einhalten müssen. Die BV sei nach § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam. Es sei zudem rechtsmissbräuchlich, wenn sich die Beklagte auf eine Ausschlussfrist in einer von ihr selbst für unwirksam gehaltenen Betriebsvereinbarung berufe.

10

Der Kläger hat zuletzt - nach Teilklagerücknahme im Übrigen - sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.123,04 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.195,84 Euro seit dem 1. Januar 2009, aus weiteren 3.644,67 Euro seit dem 1. Januar 2010 und aus weiteren 4.282,53 Euro seit dem 1. Januar 2011 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die vertragliche Vergütungsabrede enthalte keine dynamische Inbezugnahme des TVöD. Zumindest sei ein entsprechendes Entgelt anteilig der Erhöhung der Wochenarbeitszeit im kommunalen öffentlichen Dienst Nordrhein-Westfalens von 38,5 auf 39 Stunden ab Juli 2008 zu kürzen. Zudem seien mögliche Ansprüche des Klägers nach § 70 BAT bzw. § 37 TVöD wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung verfallen. Die entsprechende Regelung der BV gölte trotz deren Unwirksamkeit individualrechtlich fort.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist begründet.

14

I. Die Parteien haben im Arbeitsvertrag vom 9. Dezember 1987 eine dynamische Vergütung vereinbart, die auch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst umfasst. Das ergibt die - ergänzende - Auslegung des § 3 Arbeitsvertrag, wonach der Kläger eine Vergütung „nach BAT IV a“ erhält.

15

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die pauschale Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf tarifliche Vergütungsbestimmungen ohne Nennung fester Beträge und ohne Angabe einer konkret nach Datum festgelegten Fassung des in Bezug genommenen Tarifvertrags dynamisch zu verstehen, es sei denn, eindeutige Hinweise sprechen für eine statische Bezugnahme (vgl. BAG 21. August 2013 - 5 AZR 581/11 - Rn. 23 mwN). Hiervon ausgehend haben die Parteien mit § 3 Arbeitsvertrag die Vergütung zeitlich dynamisch, orientiert an der in Bezug genommenen tariflichen Vergütungsgruppe gestaltet, denn an Hinweisen auf eine statische Bezugnahme fehlt es. Das bestätigt die tatsächliche Handhabung der Beklagten, die unstreitig bis zur Tarifsukzession im öffentlichen Dienst die dortigen Tariferhöhungen weitergegeben und sogar tarifliche (Alters-)Stufen- und Bewährungsaufstiege nachvollzogen hat.

16

2. Die Vergütung des Klägers richtet sich seit dem 1. Oktober 2005 nach dem TVöD und dem TVÜ-VKA. Das ergibt eine ergänzende Vertragsauslegung.

17

a) Der Wortlaut des § 3 Arbeitsvertrag trägt eine Erstreckung auf den TVöD nicht. Dieser ist nicht identisch mit dem BAT. Ein Zusatz, dass auch die den „BAT ersetzenden Tarifverträge“ Anwendung finden sollen, fehlt. § 3 Arbeitsvertrag ist damit zeit-, nicht jedoch inhaltsdynamisch ausgestaltet(vgl. BAG 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 15 f.).

18

b) Durch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst ist jedoch nachträglich eine Regelungslücke entstanden, die im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen ist. Da es sich bei § 3 Arbeitsvertrag nach der vom Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts(vgl. zB BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 325/12 - Rn. 17 mwN) vorgenommenen rechtlichen Wertung, die von der Revision nicht angegriffen wird, um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB) handelt, ist zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unvollständigkeit ihrer Regelung bekannt gewesen wäre (BAG 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 18 ff., seither st. Rspr.).

19

Dabei ergibt sich aus der dynamischen Ausgestaltung der Vergütungsregelung zum einen der Wille der Parteien, die Vergütung nicht in einer bestimmten Höhe bis zu einer Vertragsänderung festzuschreiben, sondern sie - dynamisch - an der jeweiligen Höhe der Vergütung der Angestellten im öffentlichen Dienst auszurichten. Deshalb hätten die Parteien redlicherweise für den Fall einer Tarifsukzession das dem in der Vergütungsabrede benannten tariflichen Regelungswerk nachfolgende tarifliche Regelungswerk als Bezugsobjekt der Vergütung vereinbart, weil ein „Einfrieren“ der Vergütung auf den Zeitpunkt der Tarifsukzession nicht ihren Interessen entsprach.

20

Zum anderen haben sich die Parteien mit der dynamischen Ausgestaltung der Vergütung für die Zukunft insoweit der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes anvertraut. Die mit der Tarifsukzession verbundene Änderung der Tarifwerke wirkt nicht anders auf die Vergütungsabrede ein als eine (tiefgreifende) inhaltliche Änderung des in der Vergütungsabrede benannten Tarifvertrags. Mit dem Nachvollziehen der Tarifsukzession auf arbeitsvertraglicher Ebene werden die Parteien nicht anders gestellt, als sie stünden, wenn die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes den BAT reformiert und ihm einen neuen Inhalt gegeben hätten.

21

c) Wegen der Aufspaltung der bis zum 30. September 2005 gleichlautenden Regelungen für die Angestellten des öffentlichen Dienstes bei Bund, Ländern und Kommunen ist durch ergänzende Vertragsauslegung weiter zu bestimmen, welche Nachfolgeregelung für die Vergütung des Klägers nach § 3 Arbeitsvertrag maßgebend sein soll. Es ist zu fragen, welches der dem BAT nachfolgenden Tarifwerke die Parteien in Bezug genommen hätten, wenn sie eine Tarifsukzession bedacht hätten. Dies ist der TVöD in der im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Fassung, weil die Beklagte aufgrund ihrer Mehrheitsgesellschafterin und ihren Aufgaben am ehesten dem öffentlichen Dienst der Kommunen zuzurechnen ist. Dementsprechend hat die Beklagte, die nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband werden könnte, selbst eine Überleitung in die Entgeltgruppen des TVöD nach dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts vom 13. September 2005 (TVÜ-VKA) vorgenommen.

22

3. Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger Anspruch auf die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst der Kommunen der Jahre 2008 bis 2010. Ebenso ist die von der Beklagten gewährte jährliche Sonderzahlung, die sich am durchschnittlichen Entgelt der Monate Juli bis September orientiert, entsprechend zu berechnen. Dabei ist die Höhe der geltend gemachten Differenzvergütung nach der von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellung des Landesarbeitsgerichts in der Berufungsinstanz unstreitig geworden.

23

II. Die Vergütung des Klägers ist nicht wegen der zum 1. Juli 2008 erfolgten Erhöhung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst der Kommunen von 38,5 auf 39 Wochenstunden zu reduzieren.

24

1. Nach der Rechtsprechung des Senats kann sich eine rechnerische Korrektur zum Tabellenentgelt dadurch ergeben, dass sich vertragliche Sonderregelungen, die vor der Tarifsukzession vereinbart wurden, auf die Bestimmung des Vergleichsentgelts zum 1. Oktober 2005 auswirken (BAG 17. November 2011 - 5 AZR 409/10 - Rn. 22). Darum geht es aber im Streitfall nicht. Vielmehr zielt der Einwand der Beklagten darauf ab, das Ergebnis der zum Zeitpunkt der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst vorzunehmenden ergänzenden Auslegung der Vergütungsabrede nachträglich wegen einer erst nach der Tarifsukzession erfolgten Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst der Kommunen zu korrigieren. Dafür fehlt die Rechtsgrundlage.

25

Die Parteien haben im Arbeitsvertrag weder eine ausdrückliche Vereinbarung über die Dauer der Arbeitszeit getroffen noch die im öffentlichen Dienst geltende Arbeitszeit dynamisch in Bezug genommen. Es ist deshalb anzunehmen, dass sie - nachdem Anhaltspunkte dafür fehlen, es sei eine der Arbeitszeit enthobene Arbeitspflicht gewollt gewesen - die betriebsübliche Arbeitszeit vereinbarten. Dies entspricht dem Vertragswillen verständiger und redlicher Vertragspartner (BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 325/12 - Rn. 18 ff.). Die betriebsübliche Arbeitszeit betrug vor, bei und nach der Tarifsukzession 38,5 Wochenstunden, die die Beklagte auch unstreitig ihren Dienstplänen zugrunde legte. Insoweit hielt die Beklagte im Streitzeitraum - unbeschadet der möglichen Unwirksamkeit - an § 3 Abs. 1 BV mit seiner statischen Bezugnahme auf die am 1. August 2000 im öffentlichen Dienst der Kommunen geltenden durchschnittlichen Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BAT, § 14 Abs. 1 Satz 1 BMT-G) fest. Der Kläger hat deshalb weiterhin Anspruch auf die Vergütung einer Vollzeitkraft (vgl. BAG 21. August 2013 - 5 AZR 581/11 - Rn. 45). Im Übrigen betrug zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Tarifsukzession auch für Vollzeitbeschäftigte im öffentlichen Dienst der Kommunen die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im Tarifgebiet West unverändert 38,5 Wochenstunden, § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b TVöD aF. Erst mit § 4 Nr. 4 des Änderungs-TV Nr. 2 vom 31. März 2008 wurde mit Wirkung vom 1. Juli 2008 die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im Bereich der VKA allgemein auf 39 Wochenstunden erhöht (vgl. zur Entstehungsgeschichte Sponer/Steinherr Stand Februar 2015 § 6 TVöD Vorbem. 1).

26

2. Von der für den Zeitpunkt der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst vorzunehmenden ergänzenden Auslegung der Vergütungsklausel zu trennen ist die Frage, ob die Beklagte berechtigt (gewesen) wäre, die Arbeitszeitverlängerung im Bereich des öffentlichen Dienstes der Kommunen nachzuvollziehen. Das braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn unstreitig hat die Beklagte es im gesamten Streitzeitraum nicht unternommen, die betriebsübliche Arbeitszeit auf 39 Wochenstunden zu verlängern. Solches erfolgte entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht über § 3 Arbeitsvertrag. Diese Klausel bezieht sich nur auf die Vergütung, kann aber nicht andere Tarifbestimmungen des öffentlichen Dienstes zur Anwendung bringen. Denn die Beklagte als Klauselstellerin wollte gerade keine allgemeine Bezugnahme auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, sondern deren - partielle - Anwendung durch Betriebsvereinbarung regeln. Diese - ihre Wirksamkeit unterstellt - enthält lediglich eine statische Bezugnahme auf die Arbeitszeitbestimmungen des BAT und des BMT-G in der am 1. August 2000 geltenden Fassung, nicht jedoch auf solche des TVöD. Weil arbeitsvertraglich die betriebsübliche Arbeitszeit vereinbart ist, kommt auch eine ergänzende Vertragsauslegung zur Dauer der Arbeitszeit nicht in Betracht. Es fehlt an einer Regelungslücke.

27

III. Die streitgegenständlichen Forderungen sind nicht verfallen. Der Kläger musste weder die Ausschlussfrist des § 37 TVöD noch die des § 70 BAT beachten.

28

1. § 37 TVöD findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Denn es besteht weder eine beiderseitige Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG), noch ist die tarifliche Ausschlussfristenregelung arbeitsvertraglich vereinbart oder in Bezug genommen. Auch über § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ist § 37 TVöD nicht anwendbar. § 2 Abs. 1 BV nimmt lediglich statisch auf § 70 BAT in der am 1. August 2008 geltenden Fassung Bezug und kann sich deshalb nicht auf § 37 TVöD erstrecken. Zudem wäre eine dynamische Bezugnahme auf tarifliche Regelungen in einer Betriebsvereinbarung unwirksam (BAG 23. Juni 1992 - 1 ABR 9/92 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 70, 356; 28. März 2007 - 10 AZR 719/05 - Rn. 34 f.; Fitting BetrVG 27. Aufl. § 77 Rn. 24; Richardi in Richardi BetrVG 14. Aufl. § 77 Rn. 35 - jeweils mwN).

29

2. Der Kläger war nicht gehalten, die Ausschlussfrist des § 70 BAT in der am 1. August 2000 geltenden Fassung zu beachten.

30

a) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich der Kläger gegenüber der ihn belastenden Regelung einer Ausschlussfrist durch Betriebsvereinbarung nach dem Günstigkeitsprinzip auf das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung berufen könnte (zum Günstigkeitsprinzip als Kollisionsregel: vgl. BAG 14. Januar 2014 - 1 ABR 57/12 - Rn. 21 mwN; Linsenmaier RdA 2014, 336, 338) oder sich der Arbeitsvertrag der Parteien über die Klausel des § 4 als betriebsvereinbarungsoffen erweist mit der Folge, dass er hinsichtlich der Geltung von Ausschlussfristen der Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich ist(vgl. BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 60). Denn jedenfalls ist § 2 Abs. 1 BV, soweit er § 70 BAT in der am 1. August 2000 geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung bringen will, unwirksam, § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.

31

b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts haben die Betriebsparteien grundsätzlich eine umfassende Kompetenz zur Regelung von materiellen und formellen Arbeitsbedingungen. Sie können durch (freiwillige) Betriebsvereinbarungen Regelungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen treffen (BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 23 mwN; Linsenmaier RdA 2014, 336, 337). Dazu gehören auch Regelungen über Ausschlussfristen (BAG 9. April 1991 - 1 AZR 406/90 - zu II 2 der Gründe, BAGE 67, 377), die die Betriebsparteien nicht selbst formulieren oder aus einem Tarifvertrag abschreiben müssen. Sie verzichten nicht auf ihr Recht und ihre Pflicht, die Arbeitsbedingungen inhaltlich zu gestalten, wenn sie statisch auf einen bestimmten Tarifvertrag verweisen und damit dessen Regelung gleichsam als eigene übernehmen (BAG 23. Juni 1992 - 1 ABR 9/92 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 70, 356).

32

Die Regelungskompetenz der Betriebsparteien ist jedoch begrenzt durch § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, der der Sicherung und Stärkung der Tarifautonomie dient(allgA, vgl. nur Linsenmaier RdA 2014, 336, 337 mwN). Materielle und formelle Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können - sofern es sich nicht um Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung nach § 87 BetrVG handelt - nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dabei hängt die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht von der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers ab(hM, vgl. nur BAG 22. März 2005 - 1 ABR 64/03 - zu B II 2 c ee (1) der Gründe, BAGE 114, 162; Fitting BetrVG 27. Aufl. § 77 Rn. 78; WPK/Preis BetrVG 4. Aufl. § 77 Rn. 66 f. - jeweils mwN zum Streitstand im Schrifttum). Es reicht aus, dass der fragliche Betrieb der betreffenden Branche angehört.

33

c) Nach nicht angegriffener Feststellung des Landesarbeitsgerichts könnte die Beklagte aufgrund der mehrheitlichen Beteiligung der Stadt M Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband werden. Deshalb ist anzunehmen, dass der Betrieb der Beklagten dem öffentlichen Dienst der Kommunen zuzurechnen ist. Dort sind seit Jahrzehnten Ausschlussfristen tariflich geregelt, für Angestellte zunächst in § 70 BAT, nach der Tarifsukzession in § 37 TVöD. § 2 Abs. 1 BV verstößt deshalb zumindest hinsichtlich der Ausschlussfristenregelung gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG und ist unwirksam. Davon geht auch die Revision aus.

34

3. Die Geltung der Ausschlussfristenregelung des § 70 BAT in der Fassung vom 1. August 2008 lässt sich weder über eine Umdeutung der - zumindest insoweit - unwirksamen Betriebsvereinbarung begründen noch aus § 4 Arbeitsvertrag herleiten.

35

a) Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt nach § 140 BGB das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde. Weil eine Betriebsvereinbarung ihrer Rechtsnatur nach ein privatrechtlicher kollektiver Normenvertrag ist (vgl. BAG 13. Februar 2007 - 1 AZR 184/06 - Rn. 37, BAGE 121, 168; Fitting BetrVG 27. Aufl. § 77 Rn. 13; WPK/Preis BetrVG 4. Aufl. § 77 Rn. 7 - jeweils mwN), wird eine Umdeutung der rechtsgeschäftlichen Erklärung des Arbeitgebers, der sich in einer unwirksamen Betriebsvereinbarung zu einer Leistung an die Arbeitnehmer verpflichtet hat, in Betracht gezogen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, der Arbeitgeber habe sich unabhängig von der Betriebsvereinbarung auf jeden Fall verpflichten wollen, seinen Arbeitnehmern die darin vorgesehenen Leistungen zu gewähren (BAG 23. August 1989 - 5 AZR 391/88 - zu II 2 der Gründe; 29. Oktober 2002 - 1 AZR 573/01 - zu II 1 der Gründe, BAGE 103, 187; Fitting BetrVG 27. Aufl. § 77 Rn. 104 ff. - jeweils mwN). Im Streitfall geht es aber nicht um eine durch Betriebsvereinbarung begründete Leistung des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer, sondern um eine „Ersetzung“ der - gescheiterten - normativen Verpflichtung (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG) der Arbeitnehmer, für die Verhinderung des Untergangs von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis eine tarifliche Ausschlussfristenregelung zu beachten. Für eine individualrechtliche Verpflichtung der nicht als Vertragspartner an einer Betriebsvereinbarung beteiligten Arbeitnehmer fehlt aber den Betriebsparteien die Kompetenz.

36

b) Ob § 4 Arbeitsvertrag nur wiederholt, was sich normativ aus § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ergibt, oder als Allgemeine Geschäftsbedingung die in Bezug genommenen Betriebsvereinbarungen im Sinne einer eigenständigen Regelung arbeitsvertraglich vereinbart werden, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn nach der Klausel sollen Grundlage des Arbeitsvertrags ausdrücklich nur die „gültigen“ Betriebsvereinbarungen sein, nicht jedoch die unwirksamen. Damit fehlt es an einer auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Ausschlussfristenregelung. Die Vereinbarung einer tariflichen Vergütung kann ohne (allgemeine) Bezugnahmeklausel eine tarifliche Ausschlussfristenregelung nicht zur Anwendung bringen.

37

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Dombrowsky    

        

    Zorn    

                 

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 19.04.2013, 1 BV 330/12, wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.


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(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 21. September 2011 - 2 Sa 142/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein kommunaler Versorgungsträger mit etwa 100 Beschäftigten. Die 1970 geborene Klägerin war bei ihr seit August 2003 als Leiterin der Abteilung Kaufmännische Dienste beschäftigt. Sie ist verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet.

3

Im Zusammenhang mit dem vorgesehenen Wechsel der Klägerin in die Geschäftsführung fasste der Aufsichtsrat der Beklagten am 13. Dezember 2004 den Beschluss, einem neu berufenen Geschäftsführer zuzusagen, er werde im Falle seiner Abberufung nach dreijähriger Tätigkeit die vorherige Funktion im Arbeitsverhältnis wieder bekleiden können. Am 23. Mai 2005 bestellte der Aufsichtsrat die Klägerin zur zweiten Geschäftsführerin der Beklagten. Der am 31. Mai 2005 zwischen den Parteien geschlossene Dienstvertrag lautet auszugsweise:

        

„§ 1 Tätigkeit und Aufgabenbereich

                          

[Die Klägerin] wird mit Wirkung vom 1. Juni 2005 als Geschäftsführerin der Gesellschaft angestellt.

                          

Innerhalb der Geschäftsführung übernimmt [die Klägerin] den Kaufmännischen Bereich.

                 

…       

        

§ 2 Vertragsdauer

        

Der Anstellungsvertrag ist bis zum 31. Mai 2008 befristet. Er verlängert sich jeweils um fünf Jahre, es sei denn eine der Vertragsparteien kündigt drei Monate vor Auslaufen des Anstellungsvertrags schriftlich an, dass eine Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses nicht gewollt ist. Das Recht zur fristlosen Kündigung bleibt unberührt.

        

Das zwischen der Gesellschaft und [der Klägerin] bestehende Arbeitsverhältnis ruht für die Laufzeit des Geschäftsführervertrages. Sofern der Geschäftsführervertrag beendet wird, lebt das Arbeitsverhältnis wieder auf. Die Gesellschaft sichert [der Klägerin] ein Rückkehrrecht auf ihre bisherige Stelle als ,Abteilungsleiterin Kaufmännische Dienste’ zu.“

4

Am 20. April 2006 wurde das zweite Kind der Klägerin geboren. Diese beabsichtigte, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, und bat um ihre Abberufung als Geschäftsführerin. Dem kam der Aufsichtsrat nach. Am 29. August 2006 trat die Klägerin ihre Elternzeit an, die sie zunächst bis zum 31. Oktober 2007 verlangt hatte. Während dieser Zeit besetzte die Beklagte weder die Position des zweiten Geschäftsführers neu noch die Stelle der Abteilungsleiterin Kaufmännische Dienste. Die entsprechenden Aufgaben verteilte sie auf andere Mitarbeiter um, ua. auf eine der Klägerin bislang unterstellte Sachbearbeiterin. Dieser übertrug die Beklagte im Juni 2006 Gesamtprokura und setzte sie ab Mitte September 2006 als Kaufmännische Assistentin der Geschäftsführung ein. Nach ihrem Ausscheiden stellte die Beklagte für sie die Mitarbeiterin M ein. Frau M wurde 1953 geboren und ist verheiratet. Im Herbst 2007 erteilte ihr die Beklagte Gesamtprokura.

5

Auf Antrag der Klägerin verlängerte die Beklagte die Elternzeit bis zum 31. Mai 2008. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2007 teilte die Stadt als Gesellschafterin der Beklagten der Klägerin mit, den Geschäftsführer-Dienstvertrag nicht verlängern zu wollen. Im Februar 2008 beantragte die Klägerin, ihre Arbeitszeit im Anschluss an die Elternzeit auf 24 Stunden pro Woche zu verringern. Mit Schreiben vom 5. Mai 2008 bat sie erneut um eine entsprechende Anpassung des Anstellungsvertrags. Die Beklagte bestätigte unter dem 9. Mai 2008 die Wirksamkeit der Arbeitszeitverringerung gem. § 8 Abs. 5 TzBfG und bat um ein Gespräch am 2. Juni 2008. Mit E-Mail vom 20. Mai 2008 beantragte die Klägerin aufgrund veränderter persönlicher Umstände eine Verlängerung der Elternzeit bis zum 31. August 2008 bei gleichzeitiger Verschiebung der Arbeitszeitverringerung auf den 1. September 2008. Darauf reagierte die Beklagte nicht.

6

Die Klägerin erschien am 2. Juni 2008 zum Dienstantritt. Ihr wurde ein Schreiben vom 30. Mai 2008 ausgehändigt, in welchem die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. September 2008 kündigte und die Klägerin bis dahin von der Arbeitsleistung freistellte. Der Geschäftsführer der Beklagten hatte am 9. April 2008 folgende Erklärung unterzeichnet:

        

„Unternehmerische Entscheidung

        

Auflösung der Abteilung Kaufmännische Dienste

        

Mit heutigem Datum habe ich entschieden, die Abteilung Kaufm. Dienste mit sofortiger Wirkung aufzulösen und als Gruppe Kaufm. Dienste in der direkten Unterstellung zum Geschäftsführer weiterzuführen. Der Einsatz einer Abteilungsleiterin Kaufm. Dienste und die Besetzung der Sekretariatsstelle sind nicht mehr vorgesehen.“

7

Die Klage gegen die Kündigung vom 30. Mai 2008 hatte Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei unwirksam, weil sie gegen das vertraglich vereinbarte Rückkehrrecht verstoße. Danach habe die Klägerin einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung nach Ablauf des Geschäftsführervertrags. Dieser sei bis zum 2. Juni 2008 nicht erfüllt gewesen.

8

Unter dem 1. Oktober 2008 fasste der Geschäftsführer der Beklagten erneut den Beschluss, die Abteilung Kaufmännische Dienste aufzulösen.

9

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31. Dezember 2008. Auch die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte Erfolg. Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts war es der Beklagten nach Sinn und Zweck der im Geschäftsführer-Dienstvertrag vereinbarten Rückkehrklausel verwehrt, sich auf eine Umverteilung der Arbeitsaufgaben der Klägerin zu berufen. Die Beklagte habe ihre Organisation so zu gestalten, dass eine tatsächliche Rückkehr der Klägerin nach Inanspruchnahme der Elternzeit möglich sei. Außerdem sei der wahre Grund für ihre unternehmerische Entscheidung die Verärgerung darüber gewesen, dass die Klägerin auf ihren Posten als Abteilungsleiterin nur in Teilzeit habe zurückkehren wollen.

10

Mit Schreiben vom 17. Oktober 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, mit Schreiben vom 21. Oktober 2008 fristgemäß zum 31. Dezember 2008. Zur Begründung berief sie sich für beide Kündigungen darauf, das Vertrauensverhältnis zur Klägerin sei zerstört, weil diese Schmerzensgeldforderungen gegen sie erhoben habe. Hinsichtlich der fristlosen Kündigung wurde der Rechtsstreit beiderseits für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte erklärt hatte, aus der Kündigung keine Rechte mehr herleiten zu wollen. In Bezug auf die Kündigung vom 21. Oktober 2008 wurde rechtskräftig festgestellt, dass auch diese das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat.

11

Am 17. April 2009 unterzeichnete der Geschäftsführer der Beklagten eine weitere Erklärung über die Absicht, die Abteilung Kaufmännische Dienste aufzulösen. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 28. April 2009 zum 30. Juni 2009.

12

Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 28. April 2009 sei schon deshalb unwirksam, weil es sich um eine unzulässige Wiederholungskündigung handele. Zudem verstoße sie gegen ihr vertragliches Rückkehrrecht. Diesen Anspruch habe die Beklagte nach wie vor nicht erfüllt, da sie sie bislang nicht wieder als Abteilungsleiterin Kaufmännische Dienste beschäftigt habe. Grund für die Rückkehrklausel sei die Absicht gewesen, sie bei Ablauf des befristeten Geschäftsführervertrags nicht schlechter zu stellen als vorher in ihrem unbefristeten Arbeitsverhältnis als Abteilungsleiterin. Es sei Wille der Vertragspartner gewesen, sie im Anschluss an den Geschäftsführungsvertrag wieder als solche tätig werden zu lassen. Dieses Rückkehrrecht habe die Beklagte durch ihre Entscheidung, die Stelle aufzulösen, treuwidrig vereitelt.

13

Überdies fehle es an einem betrieblichen Grund für die Kündigung. Es sei nicht möglich, ihre Funktionen und Arbeitsaufgaben entfallen zu lassen. Diese seien in einem Unternehmen unverzichtbar. Der technische Geschäftsführer könne ihre Arbeitsaufgaben nicht übernehmen, weil hierzu eine fachspezifische Ausbildung erforderlich sei. Ferner sei die Sozialauswahl fehlerhaft. Ihre Tätigkeiten übe nunmehr Frau M aus, die weniger schutzbedürftig sei. Es handele sich um dieselbe Hierarchieebene. Die Beklagte diskriminiere sie, da sie die Kündigung nur wegen des Wunsches nach Teilzeitarbeit ausgesprochen habe. Darin liege zugleich eine unzulässige Maßregelung nach § 612a BGB. Zudem sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Beklagte habe ihn nicht hinreichend über den Ausgang des vorangegangenen Kündigungsschutzrechtsstreits unterrichtet.

14

Die Klägerin hat - soweit noch von Interesse - beantragt

        

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 28. April 2009 nicht zum 30. Juni 2009 aufgelöst ist.

15

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Rückkehrklausel räume der Klägerin keinen besonderen Kündigungsschutz ein. Sie enthalte auch keine Arbeitsplatzgarantie. Im Übrigen habe sie den betreffenden Anspruch erfüllt. Die Klägerin sei schon im August 2006 auf ihren Wunsch hin in das Arbeitsverhältnis zurückgekehrt, spätestens sei sie das zum 1. Juni 2008. Eine Monate später ausgesprochene Kündigung verstoße nicht gegen die Rückkehrklausel. Die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Sie habe die Tätigkeiten der Klägerin umverteilt, ohne dass eine Ersatzeinstellung notwendig geworden sei. Die Sozialauswahl sei ordnungsgemäß. Es gebe keine mit der Klägerin vergleichbaren Arbeitnehmer.

16

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung vom 28. April 2009 zu Recht als wirksam angesehen.

18

I. Die Kündigung ist nicht wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 Satz 3 des Geschäftsführer-Dienstvertrags der Parteien unwirksam. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, das dort vereinbarte Rückkehrrecht führe nicht zu einem Kündigungsverbot. Dies ergibt die Auslegung der Bestimmung (§§ 133, 157 BGB).

19

1. Es kann dahinstehen, ob es sich bei der Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 3 des Vertrags um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, deren Auslegung durch das Landesarbeitsgericht im Revisionsverfahren einer umfassenden Überprüfung unterliegt(vgl. BAG 9. September 2010 - 2 AZR 446/09 - Rn. 18 ff.; 20. Mai 2008 - 9 AZR 271/07 - Rn. 18, AP BGB § 305 Nr. 13), oder um eine atypische Willenserklärung, deren Auslegung revisionsrechtlich nur daraufhin überprüft werden kann, ob sie methodische Regeln verletzt, gegen Denk- und Erfahrungssätze verstößt oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 633/07 - Rn. 25, BAGE 130, 166; 13. November 2007 - 3 AZR 636/06 - Rn. 22, AP BetrAVG § 1 Nr. 50). Die Auslegung durch das Landesarbeitsgericht hält auch einer uneingeschränkten Überprüfung stand.

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2. Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 Satz 3 des Vertrags sicherte die Beklagte der Klägerin die Rückkehr auf ihre bisherige Stelle zu. Von einer tatsächlichen Beschäftigung für einen bestimmten Mindestzeitraum ist dabei nicht die Rede. Dem entspricht der vorangehende Satz 2 der Bestimmung. Danach sollte das Arbeitsverhältnis - entgegen der Regel (vgl. BAG 15. März 2011 - 10 AZB 32/10 - Rn. 11, AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 95 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 44; 19. Juli 2007 - 6 AZR 774/06 - Rn. 14, BAGE 123, 294) - „wieder aufleben“, also mit allen gegenseitigen Rechten und Pflichten wieder in Kraft gesetzt werden, sofern der Geschäftsführervertrag beendet würde. Der Sinn und Zweck der Rückkehrklausel im folgenden Satz 3 liegt demnach ersichtlich in der Klarstellung, auf welche Stelle die Klägerin nach Wiederaufleben des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch haben sollte. Ihr sollte, wie sie selbst geltend gemacht hat, im Wege des Bestandsschutzes die Stelle erhalten bleiben, auf der sie in ihrem bisherigen Vertragsverhältnis weiterbeschäftigt worden wäre. Der Vereinbarung lässt sich dagegen nicht entnehmen, dass der rechtliche und soziale Besitzstand der Klägerin stärker als mit ihrem bisherigen Arbeitsverhältnis verbunden geschützt werden sollte. Die Rückkehrklausel enthält damit kein Kündigungsverbot. Sie garantiert weder den weiteren Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, noch gewährt sie einen Anspruch auf eine bestimmte Mindestbeschäftigungszeit im Anschluss an das Dienstverhältnis als Geschäftsführerin.

21

3. Die Kündigung vom 28. April 2009 ist nicht deshalb unwirksam, weil durch sie die Erfüllung eines Rechts der Klägerin auf tatsächliche Beschäftigung unter Verstoß gegen den Rechtsgedanken des § 162 BGB oder den Grundsatz von Treu und Glauben vereitelt worden wäre. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei gem. § 2 Abs. 2 Satz 2 des Geschäftsführer-Dienstvertrags spätestens nach Ablauf der Elternzeit am 1. Juni 2008 wieder aufgelebt. Ein über den allgemeinen Beschäftigungsanspruch hinausgehendes Recht auf tatsächliche Beschäftigung besaß die Klägerin dagegen nicht. Die Rückkehr auf ihre Stelle setzte nicht zwangsläufig auch eine tatsächliche Beschäftigung auf dieser Stelle voraus. Aus der Rückkehrabrede der Parteien ließe sich überdies nicht entnehmen, für welchen Zeitraum die Klägerin tatsächlich hätte beschäftigt werden müssen, bevor die Beklagte erstmals wieder hätte kündigen dürfen.

22

4. Diesem Verständnis von § 2 Abs. 2 Satz 3 des Geschäftsführer-Dienstvertrags steht nicht die materielle Rechtskraft der Entscheidungen über die Kündigungen vom 30. Mai und 16. Oktober 2008 entgegen.

23

a) Präjudizielle Rechtsverhältnisse und Vorfragen werden nur dann iSv. § 322 ZPO rechtskräftig festgestellt, wenn sie selbst Streitgegenstand waren. Es genügt nicht, dass über sie als bloße Vorfragen zu entscheiden war (vgl. BGH 21. April 2010 - VIII ZR 6/09 - Rn. 9, NJW 2010, 2208; 7. Juli 1993 - VIII ZR 103/92 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 123, 137; Zöller/Vollkommer ZPO 29. Aufl. Vor § 322 Rn. 34; Musielak/Musielak ZPO 9. Aufl. § 322 Rn. 17). Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG ist, ob ein Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung aufgelöst worden ist(sog. punktuelle Streitgegenstandslehre, BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 -; 25. März 2004 - 2 AZR 399/03 - zu B II 1 der Gründe, AP BMT-G II § 54 Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 4). Einzelne Begründungselemente nehmen grundsätzlich nicht an der materiellen Rechtskraft teil (vgl. nur BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 16, BAGE 135, 239; BGH 26. Juni 2003 - I ZR 269/00 - Rn. 22, NJW 2003, 3058).

24

b) Die Auslegung von § 2 Abs. 2 Satz 3 des Dienstvertrags durch das Landesarbeitsgericht stellt ein bloßes Begründungselement für die Feststellung dar, dass die Kündigungen vom 30. Mai und 16. Oktober 2008 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet haben. Die materielle Rechtskraft der Entscheidungen in den Vorprozessen erstreckt sich auf sie grundsätzlich nicht.

25

c) Etwas anderes folgt im Streitfall auch nicht aus dem Verbot der Wiederholungskündigung.

26

aa) Eine Kündigung kann nicht erfolgreich auf Gründe gestützt werden, die der Arbeitgeber schon zur Begründung einer vorhergehenden Kündigung vorgebracht hat und die in dem früheren Kündigungsschutzprozess mit dem Ergebnis materiell geprüft worden sind, dass sie die Kündigung nicht tragen. Mit einer Wiederholung dieser Gründe zur Stützung einer späteren Kündigung ist der Arbeitgeber dann ausgeschlossen ( BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - Rn. 13; 8. November 2007 - 2 AZR 528/06  - Rn. 20 ff. mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 19; 12. Februar 2004 - 2 AZR 307/03 - zu B II 2 c aa der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 75 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 129; 26. August 1993 - 2 AZR 159/93 - zu II 1 der Gründe, BAGE 74, 143). Eine Präklusionswirkung in diesem Sinne entfaltet die Entscheidung über die frühere Kündigung allerdings nur bei identischem Kündigungssachverhalt. Hat sich dieser wesentlich geändert, darf der Arbeitgeber ein weiteres Mal kündigen ( BAG 26. November 2009 - 2 AZR 272/08  - Rn. 19, BAGE 132, 299 ). Das gilt auch bei einem sog. Dauertatbestand ( BAG 6. September 2012 - 2 AZR 372/11 - aaO ). Die Präklusionswirkung tritt ferner dann nicht ein, wenn die frühere Kündigung bereits aus formellen Gründen, also etwa wegen der nicht ordnungsgemäßen Beteiligung der Mitarbeitervertretung für unwirksam erklärt worden ist (BAG 25. März 2004 - 2 AZR 399/03 - zu C I der Gründe, AP BMT-G II § 54 Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 4; KR-Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 403).

27

(1) Auch dieses Verbot, eine Kündigung nach rechtskräftiger Feststellung der Unwirksamkeit einer vorhergegangenen Kündigung bei gleich gebliebenem Kündigungssachverhalt und nach dessen materieller Prüfung erneut auf eben diesen Sachverhalt zu stützen, findet - trotz der Unterschiedlichkeit der Streitgegenstände - seine Grundlage in der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen (vgl. BAG 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 19, BAGE 132, 299; 26. August 1993 -  2 AZR 159/93  - zu II 1 d der Gründe, BAGE 74, 143 ). Bei der Würdigung, ein bestimmter Lebenssachverhalt könne eine Kündigung materiell nicht begründen, handelt es sich nicht bloß um ein Element der Begründung für die Feststellung, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat. Diese Würdigung nimmt vielmehr selbst an der Rechtskraftwirkung der Entscheidung teil. Der Grund liegt in der Gleichwertigkeit einer solchen Feststellung mit einem (fiktiven) Gestaltungsurteil, in dem eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen der fraglichen Gründe abgelehnt wird (Bötticher Gestaltungsrecht und Unterwerfung im Privatrecht 1964, S. 5). Nach der Konzeption des Kündigungsschutzgesetzes muss sich zwar der Arbeitnehmer gem. §§ 4, 7 KSchG(ggf. iVm. § 13 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 3 KSchG) mit einer Feststellungsklage gegen das vom Arbeitgeber durch den Ausspruch einer Kündigung in Anspruch genommene Gestaltungsrecht wehren. Der Sache nach handelt es sich jedoch um eine „Gestaltungsgegenklage“, mit der der Arbeitnehmer das vom Arbeitgeber in Anspruch genommene Gestaltungsrecht zur gerichtlichen Überprüfung stellt. Die Rechtskraft einer Entscheidung, die nach materieller Prüfung des Kündigungsgrundes der Kündigungsschutzklage stattgibt, entspricht deshalb der Rechtskraftwirkung eines Gestaltungsurteils (Bötticher aaO). So würde sich, müsste der Arbeitgeber durch Gestaltungsklage eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtlich erwirken, die Rechtskraft einer diese Klage nach materieller Prüfung der vorgebrachten Gründe abweisenden Entscheidung darauf erstrecken, dass das in Anspruch genommene Gestaltungsrecht nicht bestand (vgl. zur Rechtskraftwirkung eines klageabweisenden Gestaltungsurteils BAG 26. August 1993 - 2 AZR 159/93 - zu II 1 d bb der Gründe, BAGE 74, 143 ; MünchKommZPO/Gottwald 4. Aufl. § 322 Rn. 186; Stein/Jonas/Leipold ZPO 22. Aufl. § 322 Rn. 109; Musielak/Musielak ZPO 9. Aufl. § 322 Rn. 64). Dementsprechend umfasst die materielle Rechtskraft der einer Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidung die Untauglichkeit eines vorgetragenen Lebenssachverhalts als Kündigungsgrund, wenn er materiell geprüft worden ist. Dann wiederum vermag dieser Lebenssachverhalt auch eine nachfolgende, allein auf ihn gestützte Kündigung wegen § 322 ZPO nicht zu begründen. Von der Frage, ob das in Anspruch genommene Gestaltungsrecht besteht, ist die Frage, ob es rechtsgeschäftlich wirksam erklärt wurde, zu unterscheiden (Bötticher aaO, S. 4). Ist nur die Rechtswirksamkeit der rechtsgeschäftlichen Erklärung - etwa wegen Formmangels - in einem Vorprozess verneint worden, schließt dies nicht aus, von dem Gestaltungsrecht als solchem mit einer späteren, auf denselben Kündigungsgrund gestützten, nunmehr wirksam erklärten Kündigung erneut Gebrauch zu machen.

28

(2) Das Verbot der Wiederholungskündigung lässt sich dagegen nicht allein aus dem Verbrauch des Gestaltungsrechts schon durch seine (erstmalige) Ausübung herleiten. Ein „Verbrauch“ des Gestaltungsrechts tritt nur bei dessen wirksamer Ausübung ein (missverständlich daher BAG 26. August 1993 - 2 AZR 159/93 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 74, 143; vgl. auch 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - BAGE 132, 299 ). Nur die ordnungsgemäße Gestaltungserklärung „konsumiert“ das Gestaltungsrecht (Bötticher Gestaltungsrecht und Unterwerfung im Privatrecht 1964, S. 6).

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bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze steht der Umstand, dass das Landesarbeitsgericht auf die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 30. Mai und 16. Oktober 2008 erkannt hat, der Wirksamkeit der Kündigung vom 28. April 2009 nicht entgegen. Diese Kündigung ist keine Wiederholungskündigung im dargelegten Sinne. Das Landesarbeitsgericht hat nicht einem bestimmten Lebenssachverhalt die materielle Eignung als Kündigungsgrund abgesprochen, der als der nämliche der Kündigung vom 28. April 2009 zugrunde läge. Es hat vielmehr § 2 Abs. 2 Satz 3 des Geschäftsführer-Dienstvertrags der Parteien dahin ausgelegt, dass dieser als generelles vertragliches Kündigungsverbot schon einer wirksamen Ausübung des Kündigungsrechts der Beklagten entgegenstehe. Damit hat es nicht rechtskräftig das in Anspruch genommene materielle Kündigungsrecht als solches, sondern nur die Wirksamkeit seiner rechtsgeschäftlichen Erklärung verneint.

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(1) Die Kündigung vom 30. Mai 2008 hat das Landesarbeitsgericht als unwirksam angesehen, weil sie gegen das vertraglich vereinbarte Rückkehrrecht verstoßen habe. Der - von ihm angenommene - Anspruch der Klägerin auf tatsächliche Beschäftigung nach Ablauf des Geschäftsführervertrags sei bis zum 2. Juni 2008 nicht erfüllt gewesen. Dies betrifft die Wirksamkeit der Kündigung als Kündigungserklärung, nicht das mögliche materielle Kündigungsrecht aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob die Entscheidung der Beklagten, die Abteilung Kaufmännische Dienste endgültig aufzulösen, materiell geeignet war, eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin sozial zu rechtfertigen. Es hat lediglich der am 2. Juni 2008 zugegangenen, hierauf gestützten Kündigungserklärung die rechtsgeschäftliche Wirksamkeit versagt, weil der vereinbarte Rückkehranspruch der Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfüllt worden sei.

31

(2) Mit Blick auf die Kündigung vom 16. Oktober 2008 hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Beklagten sei es nach Sinn und Zweck der Rückkehrklausel verwehrt gewesen, sich auf eine Umverteilung der Arbeitsaufgaben der Klägerin als Kündigungsgrund zu berufen. Das lasse die Abrede ins Leere laufen. Auch dies betrifft die Wirksamkeit der Kündigungserklärung als Ausübung des in Anspruch genommenen Gestaltungsrechts, nicht das materielle Kündigungsrecht selbst. Soweit das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat, die Beklagte habe ihre Organisation so gestalten müssen, dass eine tatsächliche Rückkehr der Klägerin nach Inanspruchnahme der Elternzeit möglich sei, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Das Landesarbeitsgericht hat mit dieser Erwägung näher begründet, warum die Beklagte sich auf den in Anspruch genommenen Kündigungsgrund nicht habe berufen dürfen, ihr also die Ausübung des Kündigungsrechts verwehrt sei. Es hat dagegen nicht angenommen, die Beklagte habe mit der Rückkehrabrede auf das Recht zur betriebsbedingten Kündigung dauerhaft verzichtet.

32

II. Die Kündigung vom 28. April 2009 ist aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt.

33

1. Dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung bedingen, können sich daraus ergeben, dass der Arbeitgeber sich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfallen lässt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist ( BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10  - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 189 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 166). Nachzuprüfen ist, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist ( BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - aaO; 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10  - aaO).

34

2. Allerdings kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. Da die Kündigung nach dem Gesetz an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen ( BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 22, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09  - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165). Daran fehlt es, wenn die Entscheidung in ihrer Folge zu einer Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals führte (vgl. Rost Jahrbuch des Arbeitsrechts Bd. 39 S. 83) oder sie lediglich Vorwand dafür ist, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird ( BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - aaO; 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10  - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 189 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 166).

35

Läuft die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes hinaus verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, muss der Arbeitgeber konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Nur so kann geprüft werden, ob die Entscheidung den dargestellten Voraussetzungen genügt. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, dh. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können ( BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10  - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 189 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 166).

36

3. Danach hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, wegen der Auflösung der Abteilung Kaufmännische Dienste und der Umverteilung der Aufgaben der Klägerin sei das Bedürfnis für deren Beschäftigung als Leiterin dieser Abteilung entfallen. Es hat festgestellt, die Beklagte habe bereits mit dem Wechsel der Klägerin in die Geschäftsführung einen Teil ihrer Tätigkeiten anderen Mitarbeitern übertragen. Diese seien dadurch nicht überobligatorisch belastet worden. Die übrigen Aufgaben habe die Klägerin zunächst selbst weiter wahrgenommen, nunmehr als Geschäftsführerin. Mit dem Beginn ihrer Elternzeit seien sie dem anderen Geschäftsführer zugefallen. Die Umverteilung der Aufgaben habe sich als praktisch umsetzbar erwiesen.

37

a) Das Landesarbeitsgericht hat damit nicht darauf abgestellt, die Aufgaben der Klägerin seien entfallen. Es hat vielmehr angenommen, sie hätten auf andere Mitarbeiter verteilt werden können, ohne dass es dadurch zu Überlastungen gekommen sei. Da die Umverteilung bereits längere Zeit praktisch umgesetzt war, ging der Einwand der Klägerin ins Leere, ihr Mitgeschäftsführer habe ihre Aufgaben mangels ausreichender Qualifikation gar nicht übernehmen können. Mit der Entscheidung, die Funktion einer Leiterin der Abteilung Kaufmännische Dienste zukünftig einzusparen, war der Arbeitsplatz der Klägerin sodann dauerhaft weggefallen.

38

b) Den maßgeblichen Sachverhalt hat das Landesarbeitsgericht als unstreitig angesehen. Einer Beweisaufnahme bedurfte es damit nicht. Dagegen hat die Klägerin keine zulässigen Verfahrensrügen erhoben. Sie hat nicht dargelegt, an welcher Stelle welchen Schriftsatzes sie Art und Umfang ihrer einzelnen Tätigkeiten und deren Verteilung auf andere Mitarbeiter und ihren Mitgeschäftsführer bestritten habe. Der Hinweis, Frau M sei „letztlich“ für sie eingestellt worden, ist unbeachtlich. Damit hat sie nicht bestritten, dass Frau M die Nachfolgerin derjenigen Mitarbeiterin war, die zuvor einen Teil ihrer - der Klägerin - Aufgaben übernommen hatte.

39

c) Der Beklagten war es trotz der - rechtskräftig festgestellten - Unwirksamkeit der Kündigungen vom 30. Mai und 16. Oktober 2008 nicht verwehrt, die Kündigung vom 28. April 2009 auf die genannten betrieblichen Umstände zu stützen. Dieser Kündigungsgrund wurde in den Vorprozessen materiellrechtlich nicht geprüft. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob allein die „Neuauflage“ der schon zuvor getroffenen, inhaltsgleichen unternehmerischen Entscheidungen vom 9. April 2008 und 1. Oktober 2008, die Abteilung Kaufmännische Dienste aufzulösen, zu einem anderen als dem den Kündigungen vom 30. Mai und 16. Oktober 2008 zugrunde liegenden Lebenssachverhalt führte.

40

4. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Entscheidung der Beklagten, die Abteilung Kaufmännische Dienste aufzulösen, sei nicht missbräuchlich gewesen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

41

a) Das Berufungsgericht hat alle relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt und vertretbar tatrichterlich gewürdigt. Es hat bedacht, dass möglicherweise eine gewisse Verärgerung über die Klägerin Anlass für die Entscheidung war. Es hat angenommen, gleichwohl habe die Beklagte ihre Entscheidungsfreiheit nicht missbraucht. Für die Streichung der Stelle habe es nachvollziehbare wirtschaftliche Gründe gegeben. Die Stelleneinsparung habe nicht bezweckt, die Klägerin daran zu hindern, ihre Rechte in Anspruch zu nehmen. Ebenso wenig habe sie der Umgehung von Schutzbestimmungen gedient. Das Landesarbeitsgericht hat dabei die beträchtliche Zeitspanne seit dem Ende der Elternzeit und dem Teilzeitverlangen der Klägerin sowie den Umstand in Rechnung gestellt, dass die Beklagte sie in ihrem Begehren, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, wunschgemäß durch Abberufung als Geschäftsführerin unterstützt und ihrem späteren Teilzeitantrag entsprochen habe.

42

b) Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts steht nicht entgegen, dass es im Zusammenhang mit der Kündigung vom 16. Oktober 2008 angenommen hatte, der wahre Grund für ihre unternehmerische Entscheidung sei die Verärgerung darüber gewesen, dass die Klägerin auf ihren Posten als Abteilungsleiterin nur in Teilzeit habe zurückkehren wollen. Das betraf allein die damalige Ausübung des Kündigungsrechts und ist für die Beurteilung der hier streitgegenständlichen Kündigung nicht maßgebend.

43

5. Die Kündigung vom 28. April 2009 ist nicht wegen fehlerhafter Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt. Die Klägerin und Frau M sind jedenfalls mit Blick auf die betriebliche Hierarchieebene nicht vergleichbar. Der Klägerin als Abteilungsleiterin waren die Mitarbeiter der Abteilung Kaufmännische Dienste unterstellt. Es ist weder vorgetragen noch objektiv ersichtlich, dass Frau M eine ähnliche hierarchische Stellung einnähme und ihr weitere Mitarbeiter - etwa aus dem kaufmännischen Bereich - unterstellt wären. Für eine solche Annahme reicht der Umstand, dass ihr Gesamtprokura erteilt wurde, nicht aus. Die Erteilung von Prokura ist nicht zwingend an eine hierarchische Position geknüpft.

44

III. Die Kündigung ist nicht gem. § 5 TzBfG iVm. § 134 BGB wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz oder gem. § 612a BGB wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot unwirksam.

45

1. Eine unzulässige Benachteiligung kann zwar auch darin liegen, dass der Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht (Laux/Schlachter TzBfG 2. Aufl. § 5 Rn. 11; vgl. auch BAG 2. April 1987 - 2 AZR 227/86 - zu II 1 d aa der Gründe, BAGE 55, 190). Erforderlich ist aber ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Benachteiligung und der Inanspruchnahme eines Rechts. Bloße Mitursächlichkeit genügt nicht. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein (BAG 18. September 2007 - 3 AZR 639/06 - Rn. 27, BAGE 124, 71; 22. Mai 2003 - 2 AZR 426/02 - zu B III 2 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2).

46

2. Im Streitfall gibt es dafür keinen Anhaltspunkt. Das Landesarbeitsgericht hat - zu Recht - angenommen, die unternehmerische Entscheidung der Beklagten, die Abteilung Kaufmännische Dienste aufzulösen, sei nicht rechtsmissbräuchlich gewesen. Dafür, dass dennoch die Inanspruchnahme von Rechten durch die Klägerin und nicht der Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses der tragende Grund für die Kündigung gewesen wäre, ist nach dem festgestellten Sachverhalt nichts ersichtlich.

47

IV. Die Kündigung ist nicht gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Mit Schreiben vom 20. April 2009 hat die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat über die für sie maßgeblichen Umstände unterrichtet. Sie hat sowohl die Umverteilung der Arbeitsaufgaben der Klägerin im Einzelnen dargestellt als auch die vertragliche Rückkehrklausel wiedergegeben. Der Betriebsrat konnte sich damit ein hinreichendes Bild über den Kündigungssachverhalt machen. Das Schreiben enthielt ferner Angaben darüber, warum aus Sicht der Beklagten eine Sozialauswahl entbehrlich war. Vorsorglich waren aber neben den Sozialdaten der Klägerin auch die der Frau M aufgeführt. Außerdem wurde der Betriebsrat darüber unterrichtet, dass der Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Kündigung vom 30. Mai 2008 noch nicht abgeschlossen war. Die Angabe weiterer prozessualer Einzelheiten war für die Anhörung zu der beabsichtigten neuerlichen Kündigung nicht erforderlich.

48

V. Die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels hat gem. § 97 ZPO die Klägerin zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    Frey    

        

    Perreng    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Dezember 2010 - 11 Sa 649/10 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Beklagte zur Zahlung von 16.854,00 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt hat.

2. Die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 24. März 2010 - 1 Ca 2392/09 - wird als unzulässig verworfen.

3. Die weitergehende Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

4. Die Kosten der Berufungsinstanz haben der Kläger zu 1/6, die Beklagte zu 5/6 und die Kosten der Revision haben der Kläger zu 1/5, die Beklagte zu 4/5 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, auf betriebsbedingte Gründe gestützten Kündigung und damit in Zusammenhang stehende Ansprüche.

2

Die Beklagte ist ein Tochterunternehmen eines amerikanischen Konzerns. Sie hat in Deutschland drei Produktionsstätten. In ihrem Werk O beschäftigte sie regelmäßig etwa 85 Arbeitnehmer.

3

Der im August 1954 geborene Kläger ist promovierter Chemiker und seit April 1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Seit Dezember 2006 ist er als „Betriebsleiter GUR“ Leiter der Kunststoffgranulat-Produktion in O. Anfang Februar 2007 wurde ihm zusätzlich die Leitung des gesamten Standorts übertragen. Laut § 1 des im Juni/Juli 2004 geschlossenen Anstellungsvertrags sieht ihn die Beklagte als leitenden Angestellten iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG an. Seine Vergütung richtete sich nach einem unternehmensweit angewandten „Vertragsstufensystem für leitende Angestellte“. Danach bezog er ein Bruttomonatsgehalt von etwa 9.860,00 Euro, das sich aus einem Fixum und Bonuszahlungen zusammensetzte.

4

Im August 2009 stellte die Beklagte den Kläger unter Berufung auf anstehende seinen Arbeitsplatz betreffende Veränderungen von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 24. September 2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. April 2010, „vorsorglich ... zum zulässigen Termin“. Der „vorsorglich“ zur Kündigung angehörte Betriebsrat des Werks O hatte der Kündigung mit der Begründung widersprochen, die Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger seien nicht weggefallen.

5

Der Kläger hat gegen die Kündigung rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung liege nicht vor. Sein Arbeitsplatz sei bei im Wesentlichen gleich gebliebenen Aufgaben lediglich neu besetzt worden. Eine Verlagerung bisher durch ihn erledigter Aufgaben auf andere in O beschäftigte Arbeitnehmer sei nicht ohne deren überobligatorische Inanspruchnahme möglich gewesen. Auch habe die Möglichkeit bestanden, ihn auf dem frei gewordenen Arbeitsplatz des „Forschungsleiters“ weiter zu beschäftigen.

6

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24. September 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen;

        

3.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein wohlwollendes Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt;

        

4.    

für den Fall der Abweisung des Antrags zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein „endgültiges“ wohlwollendes Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, im September 2009 sei auf Konzernebene die - anschließend durch ihren Geschäftsführer umgesetzte - unternehmerische Entscheidung getroffen worden, Produktionsstandorte zusammenzulegen sowie Funktionen und Zuständigkeiten zu bündeln. In diesem Zusammenhang sei die globale Verantwortlichkeit für die Prozessentwicklung und das Qualitätsmanagement in O angesiedelt worden. An diese Funktion habe sie die Hälfte der bisher vom Kläger wahrgenommenen Leitungsaufgaben „angekoppelt“; die Stelle habe sie mit Frau K besetzt, die zuvor Geschäftsführerin eines anderen Konzernunternehmens gewesen sei. Die andere Hälfte der Tätigkeiten habe sie auf insgesamt sieben, dem Kläger bisher nachgeordnete Arbeitnehmer verteilt, die auch in der Lage seien, das zusätzliche Pensum zu bewältigen. Der Kläger sei fachlich nicht in der Lage, die neu zugeschnittene Leitungsstelle auszufüllen. Er verfüge, anders als Frau K, die neben ihrem Chemie- ein Ingenieurstudium absolviert habe, nicht über die erforderlichen Kenntnisse und die notwendige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Prozessentwicklung und des Qualitätsmanagements. Außerdem sei die Stelle mit einem Aufgaben- und Kompetenzzuwachs verbunden, der sich in veränderten Berichtspflichten unmittelbar gegenüber dem Management der Beklagten und der Zuordnung des Arbeitsplatzes zu einem höheren „Gehaltslevel“ ausdrücke. Zur Weiterbeschäftigung des Klägers auf einer solchen „Beförderungsstelle“ sei sie nicht verpflichtet.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz zusätzlich beantragt, an ihn 16.854,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten aus jeweils 8.427,00 Euro brutto seit dem 1. November 2010 und seit dem 1. Dezember 2010 zu zahlen. Er hat die Auffassung vertreten, das damit geforderte Gehalt für die Monate Oktober und November 2010 stehe ihm unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu. Die Beklagte hat gerügt, die Klageerweiterung sei unzulässig. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und diese zur Gehaltszahlung in beantragter Höhe verurteilt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage - ausgenommen den Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses - abzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist begründet, soweit die Beklagte ihre Verurteilung zur Zahlung von Vergütung für die Monate Oktober und November 2010 angreift (I.). Im Übrigen bleibt die Revision ohne Erfolg. Die Kündigung vom 24. September 2009 ist unwirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst (II.). Die (Hilfs-)Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung und auf Erteilung eines Endzeugnisses sind dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen (III.).

10

I. Mit Erfolg wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Gehaltszahlung, die der Kläger erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemacht hat. Die Revision ist insoweit aus prozessualen Gründen erfolgreich. Bei der Klageerweiterung handelt es sich um eine nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG verspätete und deshalb unzulässige Anschlussberufung. Das hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BGH 24. Oktober 2007 - IV ZR 12/07 - Rn. 7, MDR 2008, 159).

11

1. Dem Kläger stand für eine Erweiterung der Klage im Berufungsrechtszug nur der Weg der Anschlussberufung zur Verfügung. Als solche ist sein Zahlungsbegehren deshalb zu behandeln; einer ausdrücklichen Bezeichnung als Anschlussberufung bedarf es dazu nicht (BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 282/09 - Rn. 20, EzA BetrAVG § 16 Nr. 59; 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 42, BAGE 118, 211). Es genügt, dass schriftsätzlich klar und deutlich der Wille zum Ausdruck gebracht wird, eine Änderung des vorinstanzlichen Urteils auch als Rechtsmittelbeklagter zu erreichen. Dazu reicht es, dass der Rechtsmittelbeklagte die Klage - wie im Streitfall mit Schriftsatz vom 19. November 2010 geschehen - erweitert. Einer Beschwer bedarf es für die Anschlussberufung grundsätzlich nicht (vgl. BAG 10. Februar 2009 - 3 AZR 728/07 - Rn. 11, AE 2009, 331).

12

2. Nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG ist eine Anschlussberufung zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren wird zwar - anders als nach § 521 Abs. 2 Satz 1 ZPO - dem Berufungsbeklagten vom Gericht keine Frist zur Berufungserwiderung „gesetzt“; vielmehr gilt für die Berufungsbeantwortung die durch § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG bestimmte gesetzliche Frist von einem Monat. Gleichwohl ist § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG im Berufungsverfahren vor den Landesarbeitsgerichten entsprechend anwendbar. Eine Anschlussberufung, die nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründung - bei Verlängerung der Berufungsbeantwortungsfrist nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG innerhalb der dann geltenden Frist(vgl. GK-ArbGG/Vossen Stand April 2012 § 64 Rn. 105; GMP/Germelmann ArbGG 7. Aufl. § 64 Rn. 106) - eingeht, ist entsprechend § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen(BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 45, BAGE 118, 211).

13

3. Danach war die Anschlussberufung des Klägers verspätet.

14

a) Der betreffende Schriftsatz ist am 22. November 2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war seit der am 26. Juli 2010 bewirkten Zustellung der Berufungsbegründung weit mehr als ein Monat vergangen. Die Frist zur Berufungsbeantwortung war nicht verlängert worden. Ein Fall des § 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO liegt nicht vor.

15

b) Die Frist zur Berufungsbeantwortung ist ordnungsgemäß in Lauf gesetzt worden. Insbesondere ist der nach § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG gebotene Hinweis erfolgt. Dies konnte der Senat selbst im Wege des Freibeweises klären (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 7 AZR 211/09 - Rn. 17, NZA 2012, 691).

16

aa) Die Verwerfung der Anschlussberufung wegen Fristversäumnis setzt voraus, dass der Berufungsgegner mit der Zustellung der Berufungsbegründung gemäß § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG auf die gesetzliche Verpflichtung hingewiesen wurde, die Berufung binnen eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründung zu beantworten. Fehlt es an einem solchen Hinweis, wird weder die Frist zur Berufungsbeantwortung noch die zur Einlegung der Anschlussberufung in Lauf gesetzt (BA G 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 45, BAGE 118, 211).

17

bb) Der Klägervertreter hat mit Empfangsbekenntnis vom 26. Juli 2010 den Erhalt der Berufungsbegründung bestätigt. Laut Empfangsbekenntnis ist ihm neben der Berufungsbegründung ein „Hinweis gemäß § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG“ zugestellt worden. Dies bezieht sich auf ein zugleich übermitteltes, vom Kläger in Kopie zur Senatsakte gereichtes gerichtliches Begleitschreiben vom 16. Juli 2010, das - auszugsweise - wie folgt lautet:

        

„Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetzmuss die Berufung innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung anliegender Berufungsbegründung b e a n t w o r t e t werden.

                 
        

Werden Angriffs- oder Verteidigungsmittel in der Berufungsbeantwortung nicht rechtzeitig vorgebracht, so lässt sie das Gericht nur zu, wenn nach seiner freien Überzeugung ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder die Verspätung genügend entschuldigt wird.“

18

cc) Dieser Hinweis war mit Blick auf die Anschlussberufung ausreichend. Insoweit geht es vor allem um die Klarstellung, zu welchem Zeitpunkt die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG in Gang gesetzt worden ist. Über die Möglichkeit der Anschließung als solche braucht hingegen nicht belehrt zu werden. Ob das gerichtliche Schreiben eine hinreichende Belehrung über die Präklusionsvorschrift des § 67 ArbGG und mögliche Folgen aus einer Versäumung der Beantwortungsfrist enthält, kann offenbleiben. Auf die Präklusionsregelung kommt es für die Frage, ob die Anschlussberufung frist- und formgerecht erhoben worden ist, nicht an. Überdies handelt es sich bei der Klageerweiterung als solche nicht um ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel iSv. § 67 ArbGG, sondern um den Angriff selbst(BAG 11. April 2006 - 9 AZN 892/05 - Rn. 12, BAGE 117, 370).

19

dd) Den Akten ist nicht zu entnehmen, ob das gerichtliche Schreiben vom 16. Juli 2010 oder auch nur die Verfügung, mit der die Zustellung der Berufungsbegründung „mit Belehrung über die Frist gem. § 66 I 3 ArbGG“ veranlasst worden ist, vom Vorsitzenden der Kammer unterzeichnet war. Das ist unschädlich. Der Hinweis hat von Gesetzes wegen „mit der Zustellung der Berufungsbegründung“ zu erfolgen (§ 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG). Ein Tätigwerden des Gerichts bzw. seines Vorsitzenden in jedem Einzelfall ist damit nicht verlangt. Es reicht, dass der Hinweis auf allgemeine Anordnung hin durch die Geschäftsstelle erfolgt. Dieser obliegt ohnehin die Ausführung der Zustellung (§ 168 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zudem besteht hinsichtlich der Erteilung des Hinweises kein Ermessensspielraum; die Regelung des § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG ist zwingend. Die Anschlussberufung war damit als unzulässig zu verwerfen.

20

II. Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Feststellungsantrag richtet. Diesem hat das Landesarbeitsgericht zu Recht stattgegeben. Die Kündigungsschutzklage ist begründet. Die ordentliche Kündigung vom 24. September 2009 ist sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt.

21

1. Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Innerbetriebliche Gründe liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 17, NZA 2012, 852; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 13, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165). Nachzuprüfen ist aber, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - aaO).

22

2. Allerdings kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. Da die Kündigung nach dem Gesetz an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165; 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 92, 61). Daran fehlt es, wenn die Kündigung zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals führte (vgl. Rost Jahrbuch des Arbeitsrechts Bd. 39 S. 83) oder die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung lediglich Vorwand dafür wäre, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 18, NZA 2012, 852; 22. Mai 2003 - 2 AZR 326/02 - zu B I 3 d (1) der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126).

23

Läuft die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes hinaus verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, muss der Arbeitgeber konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Nur so kann geprüft werden, ob die Entscheidung den dargestellten Voraussetzungen genügt. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, dh. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 18, NZA 2012, 852; 13. Februar 2008 - 2 AZR 1041/06 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 174 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158).

24

3. Zu den nur auf Willkür zu überprüfenden Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers zählt die Festlegung des Anforderungsprofils einer Stelle. Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, ist grundsätzlich hinzunehmen (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 19, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17). Schafft der Arbeitgeber neu zugeschnittene Arbeitsplätze, ist dies jedenfalls dann zu respektieren, wenn die Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation der auszuführenden Arbeiten haben (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - Rn. 32 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138).

25

a) Erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast sind dabei mit Blick auf § 1 Abs. 2 KSchG dann zu stellen, wenn der Arbeitgeber das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze ändert, die bereits mit langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind. Der Arbeitgeber kann nicht unter Berufung auf eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung den Kündigungsschutz des betreffenden Arbeitnehmers dadurch umgehen, dass er in sachlich nicht gebotener Weise die Anforderungen an die Kenntnisse des Arbeitsplatzinhabers verschärft (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138).

26

b) Der Arbeitgeber muss deshalb, will er dem Vorwurf des Missbrauchs entgehen, dartun, dass es sich bei der zusätzlich geforderten Qualifikation für die Ausführung der Tätigkeit nicht nur um eine „wünschenswerte Voraussetzung”, sondern um ein sachlich gebotenes, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für das Stellenprofil handelt (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 24. Juni 2004 - 2 AZR 326/03 - zu B II 2 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 76 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 132). Die Änderung des Anforderungsprofils muss im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers stehen, die nach ihrer Durchführung angesichts eines veränderten Beschäftigungsbedarfs - etwa aufgrund von Änderungen des Arbeitsvolumens oder des Inhalts der Tätigkeit - auch die Anforderungen an den Arbeitsplatzinhaber erfasst (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 31, aaO). Gestaltet der Arbeitgeber lediglich Arbeitsabläufe um, ohne dass sich die Tätigkeit inhaltlich ändert, und ist der bisherige Stelleninhaber aufgrund seiner Fähigkeiten und Ausbildung in der Lage, die künftig anfallenden Arbeiten zu verrichten, so ist eine auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung selbst dann nicht sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber die Änderungen zum Anlass nimmt, die Stelle in eine „Beförderungsstelle“ umzuwandeln (ähnlich BAG 10. November 1994 - 2 AZR 242/94 - zu B I 2 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 77). Das gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber die auf dem Arbeitsplatz bislang zu verrichtende Tätigkeit um zusätzliche Aufgaben erweitert, der dadurch veränderte Arbeitsplatz aber nach Bedeutung und Verantwortung nicht um so viel anspruchsvoller ist, dass insgesamt ein anderer Arbeitsbereich entstanden wäre (BAG 30. August 1995 - 1 ABR 11/95 - zu A II 3 b bb der Gründe, AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 130).

27

4. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht an die Darlegungslast der Beklagten zu Recht erhöhte Anforderungen gestellt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich die behauptete Umstrukturierung als Umgestaltung des bisherigen Arbeitsplatzes des Klägers oder als Abbau dieser Stelle bei gleichzeitiger Einrichtung eines neuen, als Beförderungsstelle zu qualifizierenden Arbeitsplatzes darstellt. In beiden Fällen liegt die Organisationsentscheidung nahe am Kündigungsentschluss. Hinzu kommt, dass nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten die bisherigen Aufgaben des Klägers weiterhin anfallen. Die Beklagte musste deshalb zum einen aufzeigen, dass durch die behauptete Bündelung von Funktionen und Zuständigkeiten auf der Leitungsebene tatsächlich ein anderer Arbeitsbereich entstanden ist. Zum anderen war sie gehalten, ihren Entschluss zur Umverteilung der anfallenden Tätigkeiten hinsichtlich seiner Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit durch konkreten Tatsachenvortrag zu verdeutlichen.

28

5. Dem wird das Vorbringen der Beklagten nicht gerecht. Sie hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt war, die Hälfte der bisherigen Arbeitsaufgaben des Klägers könnten von dem ihm bislang nachgeordneten Personal im Rahmen regulärer zeitlicher Verpflichtungen erledigt werden. Bereits dies führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.

29

a) Die Beklagte hat durchaus im Einzelnen vorgetragen, welche konkreten Aufgaben aus den Bereichen „Betriebsleitung GUR“ und „Standortleitung“ in welchem zeitlichen Umfang künftig durch Frau K und weitere sieben namentlich benannte Arbeitnehmer übernommen werden sollten. Sie hat es aber versäumt schlüssig darzutun, dass die fraglichen sieben Personen über hinreichend freie Arbeitszeitkapazität verfügten, um das zusätzliche Pensum von täglich bis zu einer Stunde ohne überobligationsmäßige Leistungen zu bewältigen. Sie hat dies lediglich pauschal behauptet ohne aufzuzeigen, worauf sich ihre Einschätzung stützt. Spätestens nachdem der Kläger die mangelnde Schlüssigkeit ihres Vorbringens beanstandet und sich beispielhaft unter Angabe von Beginn und Ende täglicher Arbeitszeiten darauf berufen hatte, zwei der betroffenen Mitarbeiter seien bereits in der Zeit vor seiner Freistellung voll ausgelastet gewesen, hätte die Beklagte ihren Vortrag im Rahmen der abgestuften Darlegungslast substantiieren müssen. Das ist nicht geschehen. Sie hat nur ihren nicht weiter einlassungsfähigen Vortrag wiederholt, einer der Genannten sei „genau wie alle anderen Mitarbeiter in der Lage, die ihm übertragenen Aufgaben ohne überobligatorische Verpflichtung zu übernehmen“, die Arbeitszeit eines anderen werde vom Kläger unzutreffend dargestellt. Stattdessen hätte sie, um ihrer Vortragslast zu genügen, die zutreffenden Arbeitszeiten der fraglichen Mitarbeiter nebst der Möglichkeit, „freie“ Kapazitäten für die Übertragung weiterer Arbeiten zu nutzen, darstellen müssen.

30

b) Eine Konkretisierung ihres Vorbringens war auch dann nicht entbehrlich, wenn es sich - wie die Beklagte geltend macht - bei den fraglichen Arbeitnehmern um „leitende Angestellte“ oder zumindest außertariflich vergütete Arbeitnehmer handeln sollte. Aus beidem folgt nicht, dass mit diesen keine vertraglichen Vereinbarungen hinsichtlich des Umfangs der zu leistenden Arbeitszeit bestanden. Im Übrigen unterliegen auch sog. AT-Mitarbeiter den Grenzen des Arbeitszeitgesetzes und nimmt nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG nur leitende Angestellte iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG aus seinem Anwendungsbereich aus(vgl. BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - zu B II 2 b aa der Gründe, BAGE 106, 111). Inwieweit diese Voraussetzungen bei einzelnen Arbeitnehmern erfüllt sind, ist dem Vorbringen der Beklagten nicht zu entnehmen.

31

c) In welcher Weise ein Arbeitgeber darlegt, dass die Umverteilung von Arbeitsaufgaben nicht zu einer überobligatorischen Beanspruchung im Betrieb verbliebener Arbeitnehmer führt, bleibt ihm überlassen. Handelt es sich um nicht taktgebundene Arbeiten, muss nicht in jedem Fall und minutiös dargelegt werden, welche einzelnen Tätigkeiten die fraglichen Mitarbeiter künftig mit welchen Zeitanteilen täglich zu verrichten haben. Es kann ausreichend sein, wenn der Arbeitgeber die getroffenen Vereinbarungen zu Umfang und Verteilung der Arbeitszeit darstellt und Anhaltspunkte dafür darlegt, dass Freiräume für die Übernahme zusätzlicher Aufgaben vorhanden sind. Im Streitfall hat die Beklagte auch dies unterlassen. Soweit das Landesarbeitsgericht noch strengere Anforderungen an ihr Vorbringen gestellt hat, wirkt sich dies im Ergebnis nicht aus.

32

d) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe sie auf die Mängel in ihrem Vortrag hinweisen müssen, ist unberechtigt.

33

aa) Ein Verstoß gegen die richterliche Hinweispflicht (§ 139 ZPO) liegt schon deshalb nicht vor, weil die Beklagte darauf durch die erstinstanzliche Entscheidung und die Ausführungen der Gegenseite aufmerksam gemacht wurde (vgl. BGH 23. April 2009 - IX ZR 95/06 - Rn. 6 mwN, NJW-RR 2010, 70). Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte sei ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen. Sie habe es ua. versäumt deutlich zu machen, in welchem Umfang die anderen Mitarbeiter, auf die nunmehr neue Aufgaben zukämen, bisher ausgelastet gewesen seien und warum sie in der Lage sein sollten, die neuen Arbeitsaufgaben ohne überobligatorischen Aufwand zu bewältigen. Dies hat der Kläger aufgegriffen und geltend gemacht, das Vorbringen der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung sei „immer noch“ unsubstantiiert. Überdies stützen sich die Entscheidungen der Vorinstanzen insoweit auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Beklagte war daher auch ohne richterlichen Hinweis gehalten, deutlich konkreter vorzutragen.

34

bb) Ob der im Rahmen der Revision nachgeholte Vortrag den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung entspricht, kann dahinstehen. Allerdings handelt es sich bei der Vereinbarung einer „Vertrauensarbeitszeit“, auf die die Beklagte hinsichtlich einzelner Arbeitnehmer verweist, typischerweise um ein Arbeitszeitmodell, bei dem der Arbeitgeber lediglich auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verzichtet und darauf vertraut, dass die Arbeitnehmer ihre Arbeitsverpflichtung auch ohne Kontrolle erfüllen (vgl. BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - Rn. 65, BAGE 106, 111; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 160 Rn. 33). Aus der Vereinbarung einer „Vertrauensarbeitszeit“ folgt dagegen nicht, dass es an arbeits- oder tarifvertraglichen Vorgaben zur wöchentlichen Arbeitszeit fehlt und die Beklagte über die tatsächlich erbrachte Arbeitszeit hinaus Arbeitsleistungen im Umfang von bis zu einer Stunde täglich verlangen konnte.

35

e) Dringende betriebliche Erfordernisse, die die Kündigung bedingen, hat die Beklagte damit nicht dargelegt. Unerheblich ist, dass das in Rede stehende zu verteilende Arbeitsvolumen - ausgehend vom Vorbringen der Beklagten - lediglich 50 Prozent der bislang dem Kläger zugewiesenen Arbeitsaufgaben umfasst. Auch wenn die Übertragung der anderen 50 Prozent auf Frau K kündigungsrechtlich nicht zu beanstanden sein sollte, hätte die Beklagte dem Kläger zumindest eine Weiterbeschäftigung im entsprechend reduzierten Umfang anbieten müssen. Dafür, dass ein solches Angebot wegen „Unannehmbarkeit“ hätte unterbleiben können (vgl. dazu BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 656/08 - Rn. 57, BAGE 133, 226; 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 130 = EzA KSchG § 2 Nr. 62), fehlt es an Anhaltspunkten. Im Übrigen kann der Vortrag der Beklagten so verstanden werden, dass ihre gesamte Organisationsentscheidung mit der Möglichkeit der Umverteilung von Aufgaben auf nachgeordnete Mitarbeiter „steht und fällt“.

36

III. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag ist dem Senat nicht angefallen. Der Kündigungsrechtsstreit ist rechtskräftig entschieden. Der Antrag auf Erteilung eines Endzeugnisses ist nur für den Fall des Unterliegens mit dem Feststellungsantrag gestellt. Diese Bedingung ist nicht eingetreten.

37

IV. Die Kosten der Berufungsinstanz und der Revision waren im Verhältnis von jeweiligem Obsiegen und Unterliegen der Parteien zu teilen (§ 97 Abs. 1 iVm. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Berger    

        

        

        

    Gans    

        

    F. Löllgen    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Dezember 2010 - 11 Sa 649/10 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Beklagte zur Zahlung von 16.854,00 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt hat.

2. Die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 24. März 2010 - 1 Ca 2392/09 - wird als unzulässig verworfen.

3. Die weitergehende Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

4. Die Kosten der Berufungsinstanz haben der Kläger zu 1/6, die Beklagte zu 5/6 und die Kosten der Revision haben der Kläger zu 1/5, die Beklagte zu 4/5 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, auf betriebsbedingte Gründe gestützten Kündigung und damit in Zusammenhang stehende Ansprüche.

2

Die Beklagte ist ein Tochterunternehmen eines amerikanischen Konzerns. Sie hat in Deutschland drei Produktionsstätten. In ihrem Werk O beschäftigte sie regelmäßig etwa 85 Arbeitnehmer.

3

Der im August 1954 geborene Kläger ist promovierter Chemiker und seit April 1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Seit Dezember 2006 ist er als „Betriebsleiter GUR“ Leiter der Kunststoffgranulat-Produktion in O. Anfang Februar 2007 wurde ihm zusätzlich die Leitung des gesamten Standorts übertragen. Laut § 1 des im Juni/Juli 2004 geschlossenen Anstellungsvertrags sieht ihn die Beklagte als leitenden Angestellten iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG an. Seine Vergütung richtete sich nach einem unternehmensweit angewandten „Vertragsstufensystem für leitende Angestellte“. Danach bezog er ein Bruttomonatsgehalt von etwa 9.860,00 Euro, das sich aus einem Fixum und Bonuszahlungen zusammensetzte.

4

Im August 2009 stellte die Beklagte den Kläger unter Berufung auf anstehende seinen Arbeitsplatz betreffende Veränderungen von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 24. September 2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. April 2010, „vorsorglich ... zum zulässigen Termin“. Der „vorsorglich“ zur Kündigung angehörte Betriebsrat des Werks O hatte der Kündigung mit der Begründung widersprochen, die Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger seien nicht weggefallen.

5

Der Kläger hat gegen die Kündigung rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung liege nicht vor. Sein Arbeitsplatz sei bei im Wesentlichen gleich gebliebenen Aufgaben lediglich neu besetzt worden. Eine Verlagerung bisher durch ihn erledigter Aufgaben auf andere in O beschäftigte Arbeitnehmer sei nicht ohne deren überobligatorische Inanspruchnahme möglich gewesen. Auch habe die Möglichkeit bestanden, ihn auf dem frei gewordenen Arbeitsplatz des „Forschungsleiters“ weiter zu beschäftigen.

6

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24. September 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen;

        

3.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein wohlwollendes Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt;

        

4.    

für den Fall der Abweisung des Antrags zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein „endgültiges“ wohlwollendes Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, im September 2009 sei auf Konzernebene die - anschließend durch ihren Geschäftsführer umgesetzte - unternehmerische Entscheidung getroffen worden, Produktionsstandorte zusammenzulegen sowie Funktionen und Zuständigkeiten zu bündeln. In diesem Zusammenhang sei die globale Verantwortlichkeit für die Prozessentwicklung und das Qualitätsmanagement in O angesiedelt worden. An diese Funktion habe sie die Hälfte der bisher vom Kläger wahrgenommenen Leitungsaufgaben „angekoppelt“; die Stelle habe sie mit Frau K besetzt, die zuvor Geschäftsführerin eines anderen Konzernunternehmens gewesen sei. Die andere Hälfte der Tätigkeiten habe sie auf insgesamt sieben, dem Kläger bisher nachgeordnete Arbeitnehmer verteilt, die auch in der Lage seien, das zusätzliche Pensum zu bewältigen. Der Kläger sei fachlich nicht in der Lage, die neu zugeschnittene Leitungsstelle auszufüllen. Er verfüge, anders als Frau K, die neben ihrem Chemie- ein Ingenieurstudium absolviert habe, nicht über die erforderlichen Kenntnisse und die notwendige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Prozessentwicklung und des Qualitätsmanagements. Außerdem sei die Stelle mit einem Aufgaben- und Kompetenzzuwachs verbunden, der sich in veränderten Berichtspflichten unmittelbar gegenüber dem Management der Beklagten und der Zuordnung des Arbeitsplatzes zu einem höheren „Gehaltslevel“ ausdrücke. Zur Weiterbeschäftigung des Klägers auf einer solchen „Beförderungsstelle“ sei sie nicht verpflichtet.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz zusätzlich beantragt, an ihn 16.854,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten aus jeweils 8.427,00 Euro brutto seit dem 1. November 2010 und seit dem 1. Dezember 2010 zu zahlen. Er hat die Auffassung vertreten, das damit geforderte Gehalt für die Monate Oktober und November 2010 stehe ihm unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu. Die Beklagte hat gerügt, die Klageerweiterung sei unzulässig. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und diese zur Gehaltszahlung in beantragter Höhe verurteilt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage - ausgenommen den Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses - abzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist begründet, soweit die Beklagte ihre Verurteilung zur Zahlung von Vergütung für die Monate Oktober und November 2010 angreift (I.). Im Übrigen bleibt die Revision ohne Erfolg. Die Kündigung vom 24. September 2009 ist unwirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst (II.). Die (Hilfs-)Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung und auf Erteilung eines Endzeugnisses sind dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen (III.).

10

I. Mit Erfolg wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Gehaltszahlung, die der Kläger erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemacht hat. Die Revision ist insoweit aus prozessualen Gründen erfolgreich. Bei der Klageerweiterung handelt es sich um eine nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG verspätete und deshalb unzulässige Anschlussberufung. Das hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BGH 24. Oktober 2007 - IV ZR 12/07 - Rn. 7, MDR 2008, 159).

11

1. Dem Kläger stand für eine Erweiterung der Klage im Berufungsrechtszug nur der Weg der Anschlussberufung zur Verfügung. Als solche ist sein Zahlungsbegehren deshalb zu behandeln; einer ausdrücklichen Bezeichnung als Anschlussberufung bedarf es dazu nicht (BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 282/09 - Rn. 20, EzA BetrAVG § 16 Nr. 59; 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 42, BAGE 118, 211). Es genügt, dass schriftsätzlich klar und deutlich der Wille zum Ausdruck gebracht wird, eine Änderung des vorinstanzlichen Urteils auch als Rechtsmittelbeklagter zu erreichen. Dazu reicht es, dass der Rechtsmittelbeklagte die Klage - wie im Streitfall mit Schriftsatz vom 19. November 2010 geschehen - erweitert. Einer Beschwer bedarf es für die Anschlussberufung grundsätzlich nicht (vgl. BAG 10. Februar 2009 - 3 AZR 728/07 - Rn. 11, AE 2009, 331).

12

2. Nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG ist eine Anschlussberufung zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren wird zwar - anders als nach § 521 Abs. 2 Satz 1 ZPO - dem Berufungsbeklagten vom Gericht keine Frist zur Berufungserwiderung „gesetzt“; vielmehr gilt für die Berufungsbeantwortung die durch § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG bestimmte gesetzliche Frist von einem Monat. Gleichwohl ist § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG im Berufungsverfahren vor den Landesarbeitsgerichten entsprechend anwendbar. Eine Anschlussberufung, die nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründung - bei Verlängerung der Berufungsbeantwortungsfrist nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG innerhalb der dann geltenden Frist(vgl. GK-ArbGG/Vossen Stand April 2012 § 64 Rn. 105; GMP/Germelmann ArbGG 7. Aufl. § 64 Rn. 106) - eingeht, ist entsprechend § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen(BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 45, BAGE 118, 211).

13

3. Danach war die Anschlussberufung des Klägers verspätet.

14

a) Der betreffende Schriftsatz ist am 22. November 2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war seit der am 26. Juli 2010 bewirkten Zustellung der Berufungsbegründung weit mehr als ein Monat vergangen. Die Frist zur Berufungsbeantwortung war nicht verlängert worden. Ein Fall des § 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO liegt nicht vor.

15

b) Die Frist zur Berufungsbeantwortung ist ordnungsgemäß in Lauf gesetzt worden. Insbesondere ist der nach § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG gebotene Hinweis erfolgt. Dies konnte der Senat selbst im Wege des Freibeweises klären (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 7 AZR 211/09 - Rn. 17, NZA 2012, 691).

16

aa) Die Verwerfung der Anschlussberufung wegen Fristversäumnis setzt voraus, dass der Berufungsgegner mit der Zustellung der Berufungsbegründung gemäß § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG auf die gesetzliche Verpflichtung hingewiesen wurde, die Berufung binnen eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründung zu beantworten. Fehlt es an einem solchen Hinweis, wird weder die Frist zur Berufungsbeantwortung noch die zur Einlegung der Anschlussberufung in Lauf gesetzt (BA G 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 45, BAGE 118, 211).

17

bb) Der Klägervertreter hat mit Empfangsbekenntnis vom 26. Juli 2010 den Erhalt der Berufungsbegründung bestätigt. Laut Empfangsbekenntnis ist ihm neben der Berufungsbegründung ein „Hinweis gemäß § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG“ zugestellt worden. Dies bezieht sich auf ein zugleich übermitteltes, vom Kläger in Kopie zur Senatsakte gereichtes gerichtliches Begleitschreiben vom 16. Juli 2010, das - auszugsweise - wie folgt lautet:

        

„Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetzmuss die Berufung innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung anliegender Berufungsbegründung b e a n t w o r t e t werden.

                 
        

Werden Angriffs- oder Verteidigungsmittel in der Berufungsbeantwortung nicht rechtzeitig vorgebracht, so lässt sie das Gericht nur zu, wenn nach seiner freien Überzeugung ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder die Verspätung genügend entschuldigt wird.“

18

cc) Dieser Hinweis war mit Blick auf die Anschlussberufung ausreichend. Insoweit geht es vor allem um die Klarstellung, zu welchem Zeitpunkt die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG in Gang gesetzt worden ist. Über die Möglichkeit der Anschließung als solche braucht hingegen nicht belehrt zu werden. Ob das gerichtliche Schreiben eine hinreichende Belehrung über die Präklusionsvorschrift des § 67 ArbGG und mögliche Folgen aus einer Versäumung der Beantwortungsfrist enthält, kann offenbleiben. Auf die Präklusionsregelung kommt es für die Frage, ob die Anschlussberufung frist- und formgerecht erhoben worden ist, nicht an. Überdies handelt es sich bei der Klageerweiterung als solche nicht um ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel iSv. § 67 ArbGG, sondern um den Angriff selbst(BAG 11. April 2006 - 9 AZN 892/05 - Rn. 12, BAGE 117, 370).

19

dd) Den Akten ist nicht zu entnehmen, ob das gerichtliche Schreiben vom 16. Juli 2010 oder auch nur die Verfügung, mit der die Zustellung der Berufungsbegründung „mit Belehrung über die Frist gem. § 66 I 3 ArbGG“ veranlasst worden ist, vom Vorsitzenden der Kammer unterzeichnet war. Das ist unschädlich. Der Hinweis hat von Gesetzes wegen „mit der Zustellung der Berufungsbegründung“ zu erfolgen (§ 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG). Ein Tätigwerden des Gerichts bzw. seines Vorsitzenden in jedem Einzelfall ist damit nicht verlangt. Es reicht, dass der Hinweis auf allgemeine Anordnung hin durch die Geschäftsstelle erfolgt. Dieser obliegt ohnehin die Ausführung der Zustellung (§ 168 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zudem besteht hinsichtlich der Erteilung des Hinweises kein Ermessensspielraum; die Regelung des § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG ist zwingend. Die Anschlussberufung war damit als unzulässig zu verwerfen.

20

II. Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Feststellungsantrag richtet. Diesem hat das Landesarbeitsgericht zu Recht stattgegeben. Die Kündigungsschutzklage ist begründet. Die ordentliche Kündigung vom 24. September 2009 ist sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt.

21

1. Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Innerbetriebliche Gründe liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 17, NZA 2012, 852; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 13, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165). Nachzuprüfen ist aber, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - aaO).

22

2. Allerdings kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. Da die Kündigung nach dem Gesetz an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165; 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 92, 61). Daran fehlt es, wenn die Kündigung zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals führte (vgl. Rost Jahrbuch des Arbeitsrechts Bd. 39 S. 83) oder die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung lediglich Vorwand dafür wäre, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 18, NZA 2012, 852; 22. Mai 2003 - 2 AZR 326/02 - zu B I 3 d (1) der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126).

23

Läuft die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes hinaus verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, muss der Arbeitgeber konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Nur so kann geprüft werden, ob die Entscheidung den dargestellten Voraussetzungen genügt. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, dh. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 18, NZA 2012, 852; 13. Februar 2008 - 2 AZR 1041/06 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 174 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158).

24

3. Zu den nur auf Willkür zu überprüfenden Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers zählt die Festlegung des Anforderungsprofils einer Stelle. Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, ist grundsätzlich hinzunehmen (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 19, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17). Schafft der Arbeitgeber neu zugeschnittene Arbeitsplätze, ist dies jedenfalls dann zu respektieren, wenn die Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation der auszuführenden Arbeiten haben (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - Rn. 32 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138).

25

a) Erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast sind dabei mit Blick auf § 1 Abs. 2 KSchG dann zu stellen, wenn der Arbeitgeber das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze ändert, die bereits mit langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind. Der Arbeitgeber kann nicht unter Berufung auf eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung den Kündigungsschutz des betreffenden Arbeitnehmers dadurch umgehen, dass er in sachlich nicht gebotener Weise die Anforderungen an die Kenntnisse des Arbeitsplatzinhabers verschärft (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138).

26

b) Der Arbeitgeber muss deshalb, will er dem Vorwurf des Missbrauchs entgehen, dartun, dass es sich bei der zusätzlich geforderten Qualifikation für die Ausführung der Tätigkeit nicht nur um eine „wünschenswerte Voraussetzung”, sondern um ein sachlich gebotenes, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für das Stellenprofil handelt (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 24. Juni 2004 - 2 AZR 326/03 - zu B II 2 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 76 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 132). Die Änderung des Anforderungsprofils muss im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers stehen, die nach ihrer Durchführung angesichts eines veränderten Beschäftigungsbedarfs - etwa aufgrund von Änderungen des Arbeitsvolumens oder des Inhalts der Tätigkeit - auch die Anforderungen an den Arbeitsplatzinhaber erfasst (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 31, aaO). Gestaltet der Arbeitgeber lediglich Arbeitsabläufe um, ohne dass sich die Tätigkeit inhaltlich ändert, und ist der bisherige Stelleninhaber aufgrund seiner Fähigkeiten und Ausbildung in der Lage, die künftig anfallenden Arbeiten zu verrichten, so ist eine auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung selbst dann nicht sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber die Änderungen zum Anlass nimmt, die Stelle in eine „Beförderungsstelle“ umzuwandeln (ähnlich BAG 10. November 1994 - 2 AZR 242/94 - zu B I 2 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 77). Das gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber die auf dem Arbeitsplatz bislang zu verrichtende Tätigkeit um zusätzliche Aufgaben erweitert, der dadurch veränderte Arbeitsplatz aber nach Bedeutung und Verantwortung nicht um so viel anspruchsvoller ist, dass insgesamt ein anderer Arbeitsbereich entstanden wäre (BAG 30. August 1995 - 1 ABR 11/95 - zu A II 3 b bb der Gründe, AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 130).

27

4. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht an die Darlegungslast der Beklagten zu Recht erhöhte Anforderungen gestellt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich die behauptete Umstrukturierung als Umgestaltung des bisherigen Arbeitsplatzes des Klägers oder als Abbau dieser Stelle bei gleichzeitiger Einrichtung eines neuen, als Beförderungsstelle zu qualifizierenden Arbeitsplatzes darstellt. In beiden Fällen liegt die Organisationsentscheidung nahe am Kündigungsentschluss. Hinzu kommt, dass nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten die bisherigen Aufgaben des Klägers weiterhin anfallen. Die Beklagte musste deshalb zum einen aufzeigen, dass durch die behauptete Bündelung von Funktionen und Zuständigkeiten auf der Leitungsebene tatsächlich ein anderer Arbeitsbereich entstanden ist. Zum anderen war sie gehalten, ihren Entschluss zur Umverteilung der anfallenden Tätigkeiten hinsichtlich seiner Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit durch konkreten Tatsachenvortrag zu verdeutlichen.

28

5. Dem wird das Vorbringen der Beklagten nicht gerecht. Sie hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt war, die Hälfte der bisherigen Arbeitsaufgaben des Klägers könnten von dem ihm bislang nachgeordneten Personal im Rahmen regulärer zeitlicher Verpflichtungen erledigt werden. Bereits dies führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.

29

a) Die Beklagte hat durchaus im Einzelnen vorgetragen, welche konkreten Aufgaben aus den Bereichen „Betriebsleitung GUR“ und „Standortleitung“ in welchem zeitlichen Umfang künftig durch Frau K und weitere sieben namentlich benannte Arbeitnehmer übernommen werden sollten. Sie hat es aber versäumt schlüssig darzutun, dass die fraglichen sieben Personen über hinreichend freie Arbeitszeitkapazität verfügten, um das zusätzliche Pensum von täglich bis zu einer Stunde ohne überobligationsmäßige Leistungen zu bewältigen. Sie hat dies lediglich pauschal behauptet ohne aufzuzeigen, worauf sich ihre Einschätzung stützt. Spätestens nachdem der Kläger die mangelnde Schlüssigkeit ihres Vorbringens beanstandet und sich beispielhaft unter Angabe von Beginn und Ende täglicher Arbeitszeiten darauf berufen hatte, zwei der betroffenen Mitarbeiter seien bereits in der Zeit vor seiner Freistellung voll ausgelastet gewesen, hätte die Beklagte ihren Vortrag im Rahmen der abgestuften Darlegungslast substantiieren müssen. Das ist nicht geschehen. Sie hat nur ihren nicht weiter einlassungsfähigen Vortrag wiederholt, einer der Genannten sei „genau wie alle anderen Mitarbeiter in der Lage, die ihm übertragenen Aufgaben ohne überobligatorische Verpflichtung zu übernehmen“, die Arbeitszeit eines anderen werde vom Kläger unzutreffend dargestellt. Stattdessen hätte sie, um ihrer Vortragslast zu genügen, die zutreffenden Arbeitszeiten der fraglichen Mitarbeiter nebst der Möglichkeit, „freie“ Kapazitäten für die Übertragung weiterer Arbeiten zu nutzen, darstellen müssen.

30

b) Eine Konkretisierung ihres Vorbringens war auch dann nicht entbehrlich, wenn es sich - wie die Beklagte geltend macht - bei den fraglichen Arbeitnehmern um „leitende Angestellte“ oder zumindest außertariflich vergütete Arbeitnehmer handeln sollte. Aus beidem folgt nicht, dass mit diesen keine vertraglichen Vereinbarungen hinsichtlich des Umfangs der zu leistenden Arbeitszeit bestanden. Im Übrigen unterliegen auch sog. AT-Mitarbeiter den Grenzen des Arbeitszeitgesetzes und nimmt nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG nur leitende Angestellte iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG aus seinem Anwendungsbereich aus(vgl. BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - zu B II 2 b aa der Gründe, BAGE 106, 111). Inwieweit diese Voraussetzungen bei einzelnen Arbeitnehmern erfüllt sind, ist dem Vorbringen der Beklagten nicht zu entnehmen.

31

c) In welcher Weise ein Arbeitgeber darlegt, dass die Umverteilung von Arbeitsaufgaben nicht zu einer überobligatorischen Beanspruchung im Betrieb verbliebener Arbeitnehmer führt, bleibt ihm überlassen. Handelt es sich um nicht taktgebundene Arbeiten, muss nicht in jedem Fall und minutiös dargelegt werden, welche einzelnen Tätigkeiten die fraglichen Mitarbeiter künftig mit welchen Zeitanteilen täglich zu verrichten haben. Es kann ausreichend sein, wenn der Arbeitgeber die getroffenen Vereinbarungen zu Umfang und Verteilung der Arbeitszeit darstellt und Anhaltspunkte dafür darlegt, dass Freiräume für die Übernahme zusätzlicher Aufgaben vorhanden sind. Im Streitfall hat die Beklagte auch dies unterlassen. Soweit das Landesarbeitsgericht noch strengere Anforderungen an ihr Vorbringen gestellt hat, wirkt sich dies im Ergebnis nicht aus.

32

d) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe sie auf die Mängel in ihrem Vortrag hinweisen müssen, ist unberechtigt.

33

aa) Ein Verstoß gegen die richterliche Hinweispflicht (§ 139 ZPO) liegt schon deshalb nicht vor, weil die Beklagte darauf durch die erstinstanzliche Entscheidung und die Ausführungen der Gegenseite aufmerksam gemacht wurde (vgl. BGH 23. April 2009 - IX ZR 95/06 - Rn. 6 mwN, NJW-RR 2010, 70). Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte sei ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen. Sie habe es ua. versäumt deutlich zu machen, in welchem Umfang die anderen Mitarbeiter, auf die nunmehr neue Aufgaben zukämen, bisher ausgelastet gewesen seien und warum sie in der Lage sein sollten, die neuen Arbeitsaufgaben ohne überobligatorischen Aufwand zu bewältigen. Dies hat der Kläger aufgegriffen und geltend gemacht, das Vorbringen der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung sei „immer noch“ unsubstantiiert. Überdies stützen sich die Entscheidungen der Vorinstanzen insoweit auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Beklagte war daher auch ohne richterlichen Hinweis gehalten, deutlich konkreter vorzutragen.

34

bb) Ob der im Rahmen der Revision nachgeholte Vortrag den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung entspricht, kann dahinstehen. Allerdings handelt es sich bei der Vereinbarung einer „Vertrauensarbeitszeit“, auf die die Beklagte hinsichtlich einzelner Arbeitnehmer verweist, typischerweise um ein Arbeitszeitmodell, bei dem der Arbeitgeber lediglich auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verzichtet und darauf vertraut, dass die Arbeitnehmer ihre Arbeitsverpflichtung auch ohne Kontrolle erfüllen (vgl. BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - Rn. 65, BAGE 106, 111; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 160 Rn. 33). Aus der Vereinbarung einer „Vertrauensarbeitszeit“ folgt dagegen nicht, dass es an arbeits- oder tarifvertraglichen Vorgaben zur wöchentlichen Arbeitszeit fehlt und die Beklagte über die tatsächlich erbrachte Arbeitszeit hinaus Arbeitsleistungen im Umfang von bis zu einer Stunde täglich verlangen konnte.

35

e) Dringende betriebliche Erfordernisse, die die Kündigung bedingen, hat die Beklagte damit nicht dargelegt. Unerheblich ist, dass das in Rede stehende zu verteilende Arbeitsvolumen - ausgehend vom Vorbringen der Beklagten - lediglich 50 Prozent der bislang dem Kläger zugewiesenen Arbeitsaufgaben umfasst. Auch wenn die Übertragung der anderen 50 Prozent auf Frau K kündigungsrechtlich nicht zu beanstanden sein sollte, hätte die Beklagte dem Kläger zumindest eine Weiterbeschäftigung im entsprechend reduzierten Umfang anbieten müssen. Dafür, dass ein solches Angebot wegen „Unannehmbarkeit“ hätte unterbleiben können (vgl. dazu BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 656/08 - Rn. 57, BAGE 133, 226; 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 130 = EzA KSchG § 2 Nr. 62), fehlt es an Anhaltspunkten. Im Übrigen kann der Vortrag der Beklagten so verstanden werden, dass ihre gesamte Organisationsentscheidung mit der Möglichkeit der Umverteilung von Aufgaben auf nachgeordnete Mitarbeiter „steht und fällt“.

36

III. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag ist dem Senat nicht angefallen. Der Kündigungsrechtsstreit ist rechtskräftig entschieden. Der Antrag auf Erteilung eines Endzeugnisses ist nur für den Fall des Unterliegens mit dem Feststellungsantrag gestellt. Diese Bedingung ist nicht eingetreten.

37

IV. Die Kosten der Berufungsinstanz und der Revision waren im Verhältnis von jeweiligem Obsiegen und Unterliegen der Parteien zu teilen (§ 97 Abs. 1 iVm. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Berger    

        

        

        

    Gans    

        

    F. Löllgen    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 5. Juli 2012 - 15 Sa 485/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Textilindustrie. Sie hat in J/Tschechische Republik eine unselbständige Betriebsstätte, in der sie Verbandstoffe herstellt. Die Endfertigung der Stoffe einschließlich Verpackung und Versand erfolgte an ihrem Sitz in W/Nordrhein-Westfalen. Die 1952 geborene Klägerin war seit Mai 1973 bei der Beklagten am Standort W als Konfektioniererin beschäftigt. Zuletzt erzielte sie ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.400,00 Euro.

3

Im Juni 2011 beschloss die Beklagte, die Produktion in W zum 31. Januar 2012 vollständig einzustellen und funktionstüchtige Maschinen nach J zu verbringen. Die Abteilungen Großversand, Warenannahme, Lager und Qualitätssicherung sollten zum 30. Juni 2012 geschlossen werden. Der kaufmännische Bereich - bestehend aus Finanzbuchhaltung, Lohnabrechnung, Ein- und Verkauf - sollte in W verbleiben.

4

Am 27. Juni 2011 zeigte die Beklagte der zuständigen Agentur für Arbeit die beabsichtigte Entlassung von 15 Arbeitnehmern an. Mit Schreiben vom 28. Juni 2011, das der Klägerin am selben Tag zuging, kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. Januar 2012. Daneben kündigte sie - bis auf zwei Ausnahmen - die Arbeitsverhältnisse der übrigen in W eingesetzten gewerblichen Arbeitnehmer. Die beiden nicht gekündigten Produktionsmitarbeiter beschäftigte sie bis zum 30. Juni 2012 weiter.

5

Die Klägerin hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Sie habe ca. vierzig Jahre für die Beklagte gearbeitet. Diese führe ihr operatives und einträgliches Geschäft fort. Unter solchen Umständen gehe es nicht an, den Arbeitsplatz ohne jede Entschädigung zu verlieren. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten hätten durchaus - jedenfalls in J - bestanden.

6

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28. Juni 2011 nicht aufgelöst worden ist.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wirksam. Sie sei durch die Entscheidung zur Stilllegung der Produktion am Standort W bedingt. Die organisatorische Maßnahme habe sich im Kündigungszeitpunkt bereits greifbar abgezeichnet und sei termingerecht umgesetzt worden. Damit seien die bisherigen Beschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin weggefallen. Eine Verpflichtung, diese in der Betriebsstätte J weiterzubeschäftigen, habe nicht bestanden. Abgesehen von der Unzumutbarkeit eines entsprechenden Änderungsangebots ergebe sich aus dem Kündigungsschutzgesetz keine Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer auf einem anderen - freien - Arbeitsplatz in einem ausländischen Betrieb oder Betriebsteil weiterzubeschäftigen.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren unverändert weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung vom 28. Juni 2011 mit Ablauf des 31. Januar 2012 aufgelöst worden.

10

I. Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam. Sie ist iSv. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG sozial gerechtfertigt.

11

1. Die Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt.

12

a) Dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung bedingen, können sich daraus ergeben, dass der Arbeitgeber sich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer im Betrieb dauerhaft entfallen lässt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 33; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21). Ohne Einschränkung nachzuprüfen ist hingegen, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - aaO).

13

b) Wird die Kündigung auf eine zu erwartende künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, braucht diese bei Kündigungsausspruch noch nicht tatsächlich eingetreten zu sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet (vgl. BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 19; 9. September 2010 - 2 AZR 493/09 - Rn. 22). Das ist der Fall, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die auf objektive Tatsachen gestützte, vernünftige betriebswirtschaftliche Prognose gerechtfertigt ist, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde mit einiger Sicherheit ein die Entlassung erforderlich machender betrieblicher Grund vorliegen (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - aaO; 23. Februar 2010 - 2 AZR 268/08 - Rn. 18, BAGE 133, 240). Allerdings muss eine der entsprechenden Prognose zugrunde liegende eigene unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers bereits im Kündigungszeitpunkt endgültig getroffen worden sein. Andernfalls kann eine zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeiten führende Entscheidung nicht sicher prognostiziert werden (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - aaO).

14

c) Daran gemessen lagen im Kündigungszeitpunkt Gründe iSd. § 1 Abs. 2 KSchG vor.

15

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe im Juni 2011 den Entschluss gefasst, ihre Produktionstätigkeit am Standort W Ende Januar 2012 auf Dauer einzustellen und die „Endfertigung“ ihrer Verbandstoffe künftig in ihrer tschechischen Betriebsstätte durchführen zu lassen. Ihre Entscheidung habe sie den Planungen entsprechend auch umgesetzt. Diese Feststellungen greift die Revision nicht an.

16

bb) Im Kündigungszeitpunkt war danach die Prognose gerechtfertigt, im Umfang entsprechender personeller Überkapazitäten werde das Beschäftigungsbedürfnis für Mitarbeiter im Produktionsbereich am Standort W mit Ablauf der jeweiligen Kündigungsfrist entfallen (zur Produktionsverlagerung ins Ausland: vgl. BAG 18. September 19972 AZR 657/96 - Rn. 12 ff.; zur Schließung von Dienststellen/Standorten bei gleichzeitiger Konzentration von Aufgaben an einem anderen Standort: siehe BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - Rn. 17; 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 31). Zum wesentlichen Inhalt der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit gehört die Freiheit zur Gestaltung der betrieblichen Organisation. Sie umfasst auch die Festlegung, an welchem Standort welche arbeitstechnischen Ziele verfolgt werden. Es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, dem Arbeitgeber insoweit eine „bessere“ oder „richtigere“ Betriebs- oder Unternehmensstruktur vorzuschreiben (vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 21; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31).

17

cc) Für eine getroffene und - wie im Streitfall - durchgeführte Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht. Es oblag deshalb der Klägerin, die Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die Entscheidung der Beklagten offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 26 mwN). Daran fehlt es. Selbst ausgehend von der Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe durchweg positive Betriebsergebnisse erzielt, musste diese nicht von einer Änderung ihrer betrieblichen Organisation Abstand nehmen, um sich ggf. noch besser am Markt zu positionieren. Auch das fehlende Abfindungsangebot ist kein Grund, der die strukturellen Maßnahmen als unsachlich oder willkürlich erscheinen ließe. Das Kündigungsschutzgesetz ist vorrangig ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz. Fehlt es an einem Kündigungsgrund, besteht das Arbeitsverhältnis grundsätzlich fort. Im anderen Falle ist der Arbeitgeber - kündigungsschutzrechtlich - nicht zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet.

18

dd) Der Umstand, dass die Beklagte ihre unternehmerische Tätigkeit im Bereich der „Endfertigung“ nicht vollständig aufgegeben hat, steht der sozialen Rechtfertigung der Kündigung nicht entgegen.

19

(1) Die Verlagerung der mit der „Endfertigung“ zusammenhängenden Tätigkeiten nach J ändert - unbeschadet der Frage, wie der Begriff des „Betriebes“ in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu verstehen ist - nichts daran, dass der bisherige Arbeitsplatz der Klägerin als solcher ersatzlos weggefallen ist. Für diese Bewertung spricht die erhebliche räumliche Entfernung zwischen den fraglichen Standorten, die - ausgehend von der in den Vorinstanzen mitgeteilten Anschrift der tschechischen Betriebsstätte der Beklagten - mehr als 800 Kilometer beträgt. Hinzu kommt, dass nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten die alte Betriebsgemeinschaft im betreffenden Arbeitsbereich tatsächlich aufgelöst worden ist (zur Betriebsverlagerung als Betriebsstilllegung: vgl. BAG 12. Februar 1987 - 2 AZR 247/86 - zu II 1 a der Gründe). Die Einstellung der Produktion in Deutschland bewirkte überdies, dass der Beklagten nach dem 31. Januar 2012 eine Weiterbeschäftigung der Klägerin auf der bisherigen Vertragsgrundlage nicht mehr möglich war. Die Parteien haben in ihrem schriftlichen Arbeitsvertrag als „Ort der Beschäftigung“ „W“ vereinbart. Selbst wenn damit ein bestimmter Arbeitsort nicht fest vereinbart gewesen sein sollte, folgte hieraus nicht, dass die Beklagte der Klägerin einseitig eine Tätigkeit in ihrer tschechischen Betriebsstätte hätte zuweisen können. Ist der Arbeitsort nicht näher bestimmt, kann der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer auf der Grundlage seines Direktionsrechts (§ 106 GewO)allenfalls innerhalb der Grenzen des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland versetzen (zum Meinungsstand: vgl. ErfK/Preis 13. Aufl. § 106 GewO Rn. 16).

20

(2) Die Kündigung ist nicht unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs der Änderungskündigung unwirksam. Insoweit kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass zumindest ein Teil der im Bereich der „Endfertigung“ erledigten Tätigkeiten in der tschechischen Betriebsstätte der Beklagten weiterhin anfällt und dort ein entsprechender zusätzlicher Arbeitskräftebedarf entstanden ist. Bei den fraglichen Stellen handelt es sich nicht um „freie“ Arbeitsplätze iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b, Satz 3 KSchG.

21

(a) Eine Kündigung ist nur dann iSd. § 1 Abs. 2 KSchG durch „dringende“ betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, dem bei Ausspruch der Kündigung absehbaren Wegfall des Beschäftigungsbedarfs durch andere Maßnahmen - sei es technischer, organisatorischer oder wirtschaftlicher Art - als durch eine Beendigungskündigung zu entsprechen. Das Merkmal der „Dringlichkeit” der betrieblichen Erfordernisse ist Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (ultima-ratio-Prinzip), aus dem sich ergibt, dass der Arbeitgeber vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer eine sowohl diesem als auch ihm selbst objektiv mögliche anderweitige Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz, ggf. zu geänderten Bedingungen, anbieten muss (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 29; 23. November 2004 - 2 AZR 38/04 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 112, 361). Diese in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b, Satz 3 KSchG konkretisierte Kündigungsschranke gilt unabhängig davon, ob in dem Betrieb ein Betriebsrat besteht und ob dieser der Kündigung widersprochen hat (BAG 2. Februar 2006 - 2 AZR 38/05 - Rn. 20 mwN).

22

(b) Erfüllt der Arbeitnehmer das Anforderungsprofil der fraglichen Stelle, bedarf es grundsätzlich keiner weiter gehenden Prüfung, ob dem Arbeitnehmer die Tätigkeit zumutbar ist. Das gilt auch dann, wenn deren Zuweisung eine Vertragsänderung erforderlich macht. Eine ggf. erforderliche Änderungskündigung darf nur in „Extremfällen“ unterbleiben, zB bei einer völlig unterwertigen Beschäftigung. Der Arbeitnehmer soll grundsätzlich selbst entscheiden können, ob er eine Weiterbeschäftigung unter veränderten, möglicherweise sogar erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen für zumutbar erachtet oder nicht (BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 656/08 - Rn. 57, BAGE 133, 226; 5. Juni 2008 - 2 AZR 107/07 - Rn. 15).

23

(c) Für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Dabei gilt eine abgestufte Darlegungslast. Bestreitet der Arbeitnehmer lediglich den Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes, genügt der Vortrag des Arbeitgebers, wegen der betrieblichen Notwendigkeiten sei eine Weiterbeschäftigung zu den gleichen Bedingungen nicht möglich. Will der Arbeitnehmer vorbringen, es sei eine Beschäftigung an anderer Stelle möglich, obliegt es ihm darzulegen, wie er sich diese Beschäftigung vorstellt. Erst daraufhin muss der Arbeitgeber eingehend erläutern, aus welchen Gründen eine Umsetzung nicht in Betracht kam (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 30; 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 21).

24

(d) Daran gemessen musste die Beklagte der Klägerin zur Vermeidung einer Beendigungskündigung nicht eine Weiterbeschäftigung in J anbieten. Auf andere Beschäftigungsmöglichkeiten hat sich die Klägerin nicht berufen.

25

Der Berücksichtigung der fraglichen Stellen steht zwar nicht deren Anforderungsprofil entgegen, wie die Beklagte gemeint hat. Diese hat sich hierfür lediglich auf sprachliche Barrieren berufen. Ihr pauschaler Vortrag lässt nicht erkennen, welche Anforderungen der Arbeitsplatz an die Sprachkenntnisse der Klägerin objektiv stellt und weshalb mögliche Hindernisse nicht innerhalb einer zumutbaren Einarbeitungszeit hätten überwunden werden können.

26

Die Beklagte brauchte der Klägerin ein entsprechendes Änderungsangebot aber deshalb nicht zu unterbreiten, weil sich die Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b, Satz 3 KSchG, den Arbeitnehmer an einem anderen - freien - Arbeitsplatz im selben oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens zu beschäftigen, grundsätzlich nicht auf Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb oder Betriebsteil des Unternehmens erstreckt. Ob dies auch dann gilt, wenn der Arbeitgeber ganze Betriebe oder doch Betriebsteile ins Ausland verlagert, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Es fehlt an Anhaltspunkten dafür, dass es sich bei dem Bereich „Endfertigung“ um einen organisatorisch abgegrenzten Betriebsteil handelte.

27

(aa) Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit der hier aufgeworfenen Rechtsfrage noch nicht näher befasst. Sie war entweder deshalb, weil sich der Arbeitnehmer nicht auf eine Weiterbeschäftigung im Ausland berufen hatte (vgl. BAG 18. September 1997 - 2 AZR 657/96 -), oder aus anderen Gründen (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 89) nicht entscheidungserheblich.

28

(bb) Das Landesarbeitsgericht geht davon aus, etwaige Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Ausland seien im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG nicht zu berücksichtigen. Als „Betrieb“ iSv. § 1 KSchG seien nur die in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen organisatorischen Einheiten bzw. Teile eines Unternehmens anzusehen (im Ergebnis ebenso LAG Berlin-Brandenburg 5. Mai 2011 - 5 Sa 219/11 - und - 5 Sa 220/11 -; LAG Hamburg 11. Mai 2011 - 5 Sa 1/11 -; Bader/Bram/Bram § 1 KSchG Rn. 305; Hoffmann-Remy/Zaumseil DB 2012, 1624; Horcher FA 2010, 43, 44; aA LAG Hamburg 22. März 2011 - 1 Sa 2/11 -; SES/Schwarze § 1 Rn. 315; Gravenhorst jurisPR-ArbR 41/2012 Anm. 4; Deinert JbArbR Bd. 50 S. 77, 96; mit Einschränkungen auch HWK/Quecke 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 277; Wisskirchen DB 2007, 340, 345 f.).

29

(cc) Dies ist jedenfalls für die hier vorliegende Konstellation zutreffend.

30

(aaa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts findet der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes - sofern eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes kein anderes Ergebnis gebietet - nur auf in Deutschland gelegene Betriebe Anwendung (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 883/07 - Rn. 13; 17. Januar 2008 - 2 AZR 902/06 - Rn. 18, BAGE 125, 274). Das ergibt die am Wortlaut, an der Systematik und der Entstehungsgeschichte sowie an Sinn und Zweck des § 23 KSchG orientierte Auslegung(im Einzelnen BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 902/06 - Rn. 23 ff., aaO). Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Verständnis des kündigungsschutzrechtlichen Betriebsbegriffs von Verfassungs wegen nicht beanstandet (vgl. BVerfG 12. März 2009 - 1 BvR 1250/08 -).

31

(bbb) Die sich daraus ergebenden Beschränkungen des durch das Kündigungsschutzgesetz gewährleisteten Bestandsschutzes sind auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 KSchG zu berücksichtigen. Die Regelung knüpft, soweit sie die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf das Unternehmen ausdehnt, an die Beschäftigung in „Betrieben“ an. Der „Unternehmensbezug“ der Weiterbeschäftigungspflicht besteht nur mittelbar, dh. vermittelt über den Betriebsbegriff. Der Begriff des „Betriebes“ in § 1 KSchG ist grundsätzlich nicht anders zu verstehen als in § 23 KSchG(st. Rspr., vgl. BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 902/06 - Rn. 16, BAGE 125, 274; 3. Juni 2004 - 2 AZR 386/03 - Rn. 28).

32

(ccc) Für die Beschränkung der Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers auf organisatorische Einheiten, die in Deutschland gelegen sind, spricht insbesondere der - bereits für die Auslegung des Betriebsbegriffs in § 23 Abs. 1 KSchG maßgebende - Gesichtspunkt, dass die Frage nach der Sozialwidrigkeit der Kündigung nahezu immer eine Einbeziehung der betrieblichen Gegebenheiten erfordert. Das betrifft - neben der gesetzlich vorgeschriebenen Sozialauswahl - in besonderem Maße die in Rede stehende Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer ggf. eine anderweitige Beschäftigung im selben oder in einem anderen Betrieb seines Unternehmens anzubieten. Schon die Beurteilung, ob freie Beschäftigungskapazitäten in einem ausländischen Betrieb zur Verfügung stehen, kann in der Regel nicht losgelöst von den Rechtsverhältnissen der dort tätigen Arbeitnehmer beurteilt werden. Auch kann es sein, dass mehrere zur Entlassung anstehende Arbeitnehmer betriebsübergreifend um eine geringere Zahl freier Arbeitsplätze konkurrieren. Bei der Prüfung, welcher Arbeitnehmer in einer solchen Situation bei der Stellenbesetzung Vorrang genießt, ist vorausgesetzt, dass gegenüber allen betroffenen Beschäftigten und dem Arbeitgeber dasselbe - deutsche - Arbeitsrecht und Kündigungsschutzrecht angewendet und durchgesetzt werden kann. Diese Voraussetzung sicherzustellen ist das Anliegen der Anknüpfung an den Begriff des „Betriebes“ in § 23 Abs. 1 KSchG(vgl. BAG 26. März 2009 - 2 AZR 883/07 - Rn. 16). Im Rahmen von § 1 KSchG gilt nichts anderes. Die Norm legt fest, unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist. Anders als in einem kohärenten System kann der vom Gesetzgeber mit den Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes angestrebte Ausgleich gegenläufiger Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers, ggf. aber auch der Arbeitnehmer untereinander, nicht gelingen.

33

Überdies könnte sonst die Freiheit des Arbeitgebers bei der Auswahl ggf. neu einzustellender Arbeitnehmer eingeschränkt sein, ohne dass dies dem im ausländischen Betrieb geltenden Recht entsprechen müsste. Auch könnte die Verpflichtung des Arbeitgebers, freie Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb in die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b, Satz 3 KSchG einzubeziehen, zulasten der Beschäftigungschancen Dritter gehen, obwohl diese uU nicht die Möglichkeit hatten, einen deutschen Arbeitnehmern vergleichbaren Bestandsschutz zu erwerben (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 5. Mai 2011 - 5 Sa 219/11 - zu I 2.1.2 der Gründe). Dafür, dass der deutsche Gesetzgeber solch weitreichende Auswirkungen des Kündigungsschutzes beabsichtigt hat, fehlt es an Anhaltspunkten.

34

(ddd) Die Beschränkung der Verpflichtungen aus § 1 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 KSchG auf in Deutschland gelegene „Betriebe“ führt nicht zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung der jeweiligen Belegschaft. Es stellt einen maßgebenden Unterschied dar, ob ein Betrieb im Inland oder Ausland angesiedelt ist. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Feststellung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung an die Voraussetzung zu knüpfen, dass die fragliche betriebliche Organisation in der Bundesrepublik Deutschland liegt, ist nicht willkürlich (vgl. BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 902/06 - Rn. 32, BAGE 125, 274).

35

(eee) Im Streitfall kann dahinstehen, ob „freie“ Arbeitsplätze im Ausland dann zu berücksichtigen sind, wenn die Arbeitsverhältnisse der im ausländischen Betrieb tätigen Arbeitnehmer - etwa aufgrund einer Rechtswahl - deutschem (Kündigungs-)Recht unterliegen (die Berücksichtigung solcher Vertragsverhältnisse jedenfalls bei der Feststellung der Betriebsgröße iSd. § 23 Abs. 1 KSchG erwägend: BAG 26. März 2009 - 2 AZR 883/07 - Rn. 20). Ebenso kann offen bleiben, ob sich ein Arbeitnehmer dann auf eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Ausland berufen kann, wenn im Arbeitsvertrag eine Versetzungsklausel vereinbart ist, die dem Arbeitgeber die Zuweisung einer entsprechenden Tätigkeit ermöglicht (befürwortend Horcher FA 2010, 43, 47). So liegt der Streitfall nicht. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält keine entsprechende Abrede. Dem Vorbringen der Parteien sind auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass auf die Arbeitsverhältnisse der in J tätigen Arbeitnehmer deutsches Recht zur Anwendung gelangte. Darauf, ob das individuelle Arbeitsverhältnis der Parteien im Falle seiner Fortführung im Ausland weiterhin deutschem Recht unterläge oder ob ein Statutenwechsel einträte, kommt es nicht an (zur Problematik vgl. BAG 25. April 2013 - 6 AZR 49/12 - Rn. 166; Deinert JbArbR Bd. 50 S. 77, 83; Junker NZA-Beil. 2012, 8, 9, 14; Pauls Betriebsverlagerung ins Ausland und Wegzugsfreiheit des Unternehmers S. 27 ff.). Ein möglicher Wechsel des Vertragsstatuts könnte zwar im Rahmen der Prüfung, ob ein Änderungsangebot ausnahmsweise entbehrlich ist, Bedeutung gewinnen. Er ist aber für sich genommen kein geeigneter Maßstab für die Beurteilung, ob das Kündigungsschutzgesetz dem Arbeitgeber ggf. die Verpflichtung auferlegt, dem Arbeitnehmer im Wege der Änderungskündigung ein Angebot zur Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz in einem im Ausland gelegenen Betrieb zu unterbreiten (vgl. Hoffmann-Remy/Zaumseil DB 2012, 1624, 1625).

36

(fff) Das Ergebnis widerspricht nicht der Rechtsprechung des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts, nach der von einem - den Tatbestand der Betriebs(teil)stilllegung ausschließenden - Betriebs(teil)übergang iSv. § 613a BGB auch bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt auszugehen sein kann(BAG 26. Mai 2011 - 8 AZR 37/10 - Rn. 36, 45). Im entschiedenen Fall ging es um die - identitätswahrende - Verlagerung eines organisatorisch abgegrenzten Betriebsteils ins (grenznahe und überdies deutschsprachige) Ausland bei gleichzeitigem Wechsel des Betriebsinhabers. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt hier nicht vor. Weder den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch dem beiderseitigen Parteivorbringen ist zu entnehmen, dass es sich bei dem Aufgabenbereich der „Endfertigung“ um einen organisatorisch abgegrenzten Betriebsteil gehandelt hätte, der identitätswahrend als Ganzer nach J verlagert worden wäre.

37

(ggg) Die verfassungskonforme Auslegung des Betriebsbegriffs mag - je nach den Umständen des Falls - ein anderes Ergebnis gebieten, wenn ein Arbeitgeber unweit einer Ländergrenze im In- und Ausland mehrere einheitlich gelenkte Betriebsstätten unterhält und Aufgaben im „kleinem Grenzverkehr“ von der einen in die andere Einheit verlagert (dazu Boigs jurisPR-ArbR 8/2012 Anm. 1). Auch so liegt der Streitfall nicht.

38

2. Die Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt. Die Klägerin hat in den Vorinstanzen die soziale Auswahl nicht gerügt. Soweit sie erstmals in der Revision Auswahlfehler bezogen auf die in J tätigen Arbeitnehmer geltend machen will, kann ihr Vorbringen keine Berücksichtigung finden. Im Übrigen wären in die Sozialauswahl wegen ihrer Betriebsbezogenheit jedenfalls solche Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, die im Kündigungszeitpunkt im Ausland beschäftigt waren und deren Arbeitsverhältnis nicht deutschem Recht unterlag.

39

II. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    Wolf    

        

    Torsten Falke    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Februar 2012 - 7 Sa 2394/11 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. August 2011 - 19 Ca 4675/11 - abgeändert und festgestellt hat, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 18. März 2011 beendet worden ist.

2. Im Übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte wurde als landeseigene Gesellschaft gegründet. Sie bietet Büro- und Gewerbeflächen zur Miete an und verwaltet diese. Im Jahre 2007 wurde sie an die O S.A. verkauft.

3

Die im Juli 1966 geborene Klägerin war bei der Beklagten auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 17. Juli 1995 als Reinigungskraft beschäftigt. Sie war nach den anwendbaren tariflichen Vorschriften aufgrund ihres Alters und ihrer Beschäftigungszeit ordentlich nicht mehr kündbar.

4

Aufgrund einer negativen wirtschaftlichen Entwicklung entschloss sich die Beklagte zu Umstrukturierungsmaßnahmen. Sie vereinbarte mit dem Betriebsrat am 29. Juni 2010 einen Interessenausgleich. Dieser sah verschiedene Maßnahmen zur Reduzierung der Mitarbeiterkapazitäten vor. Unter anderem war beabsichtigt, einen Betriebsteil „Reinigungsdienste“ zu bilden, der im Wege des Betriebsteilübergangs auf einen neuen Inhaber übertragen werden sollte. Ende Juni 2010 entschied sich die Beklagte, die im Interessenausgleich vorgesehenen Maßnahmen umzusetzen. Sie schloss mit einem Unternehmen einen Vertrag über die Erbringung von Reinigungsdienstleistungen für die von der Klägerin und einer weiteren Reinigungskraft betreuten Objekte. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2010 unterrichtete sie die Klägerin über den geplanten Betriebsteilübergang. Die Klägerin widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses mit Schreiben vom 28. Dezember 2010.

5

Mit Schreiben vom 28. Februar 2011 stellte die Beklagte die Klägerin bis auf Weiteres widerruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Nachdem Verhandlungen der Parteien über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei dem beauftragten Unternehmen erfolglos geblieben waren, hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 4. März 2011 zu der Absicht an, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zu kündigen. Der Betriebsrat widersprach.

6

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18. März 2011 außerordentlich mit einer Frist bis zum 30. September 2011, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Sie stellte die Klägerin am 24. März 2011 bis zum 31. März 2011 unwiderruflich, mit Wirkung ab 1. April 2011 widerruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 28. März 2011 bot sie der Klägerin als Vermittlerin einen befristeten Arbeitsvertrag bei dem beauftragten Reinigungsunternehmen an. Falls die Klägerin das Angebot annehme, werde sie ab dem 1. April 2011 unter Anrechnung des bei dem beauftragten Unternehmen erzielten Zwischenverdienstes unwiderruflich freigestellt. Die Klägerin nahm das Angebot an und arbeitete seit dem 1. April 2011 für das beauftragte Unternehmen.

7

Mit der vorliegenden Klage hat sich die Klägerin rechtzeitig gegen die Kündigung gewandt und Zahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung für den Zeitraum von April bis Juni 2011 verlangt. Sie hat gemeint, es fehle an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung. Die Entscheidung der Beklagten, die Reinigungstätigkeiten an ein Drittunternehmen zu vergeben, sei rechtsmissbräuchlich. Es hätten andere Möglichkeiten bestanden, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, etwa in Form der Personalgestellung bei dem beauftragten Reinigungs- oder einem Konzernunternehmen. Außerdem habe sie bei der Beklagten selbst im Bereich des Immobilienmanagements, der Buchhaltung oder des Sekretariats weiterbeschäftigt werden können. Dafür hätte es ausgereicht, wenn die Beklagte ihr Kenntnisse vermittelt hätte, die es ihr erlaubt hätten, ausgebildeten Kräften mit einfachen Tätigkeiten zuzuarbeiten. Ebenso gut sei sie als Hausmeisterin oder Hausmeisterassistentin einsetzbar und hätte nach einer Umorganisation mit Aufgaben im Bereich der Hausmeisterdienste betraut werden können. Auch könne sie als Reinigungskraft im Rahmen der Endreinigung nach der Beendigung von Mietverhältnissen, bei der Zwischenreinigung leerstehender Räume, bei der Anfangsreinigung von vermieteten Räumen und in den ausgelagerten Service-Centern tätig werden. Dort würden einfache Tätigkeiten überwiegend von Leiharbeitnehmern erbracht. Die Klägerin hat ferner die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten. Zudem hat sie gemeint, die vertraglich vereinbarte Vergütung stehe ihr auch für die Zeit ab April 2011 in voller Höhe zu. Der bei dem beauftragten Reinigungsunternehmen erzielte Zwischenverdienst sei nicht anzurechnen.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 18. März 2011 weder zum 30. September 2011 noch zum nächstmöglichen Termin beendet worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.899,26 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Juli 2011 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat ihre Entscheidung zur Fremdvergabe der Reinigungstätigkeiten ua. damit begründet, auf diese Weise Ausfälle bei Krankheit oder Urlaub leichter überbrücken zu können. Die Klägerin habe das Arbeitsverhältnis infolge des vorgesehenen Betriebsteilübergangs zu unveränderten Bedingungen bei einem solventen Unternehmen fortsetzen können. Beschäftigungsmöglichkeiten bei ihr bestünden nicht. Mangels der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten könne die Klägerin nicht als Sachbearbeiterin oder Sekretärin eingesetzt werden. Auch eine Tätigkeit als Hausmeisterin komme nicht in Betracht. In diesem Bereich könnten einzelne Arbeiten nicht sinnvoll aus dem gesamten Aufgabenspektrum herausgelöst werden, um sie der Klägerin zu übertragen. Ähnliches gelte für die übrigen Abteilungen. Die Hausmeister seien zudem in zahlreichen verschiedenen Höfen eingesetzt. Sie übten eine höherwertige Tätigkeit aus und seien dementsprechend höher als die Klägerin eingruppiert. Auch bei anderen Gesellschaften der Firmengruppe gebe es keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten. Diese beschäftigten keine Reinigungskräfte und andere geeignete Arbeitsplätze stünden bei ihnen nicht zur Verfügung. Eine Personalgestellung habe das beauftragte Reinigungsunternehmen abgelehnt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags und eines Teils des Zahlungsbegehrens stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision hat teilweise Erfolg. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Kündigungsschutzklage nicht stattgeben. Ob die Kündigung der Beklagten wirksam ist, steht noch nicht fest. Soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung verurteilt hat, ist die Revision unbegründet.

12

I. Die außerordentliche Kündigung vom 18. März 2011 erweist sich auf Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht als unwirksam.

13

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

14

a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 13; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08  - Rn. 16 ).

15

b) Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 14; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08  - Rn. 17 ). Allerdings ist der Arbeitgeber in diesem Fall wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08  - aaO).

16

aa) Eine infolge des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung zu erwartende, ggf. jahrelange Bindung des Arbeitgebers an ein Arbeitsverhältnis, in welchem er mangels sinnvoller Einsatzmöglichkeit keine werthaltige Gegenleistung mehr erhält, kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Darin liegt entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl. zuletzt Stein DB 2013, 1299, 1300) keine Kündigung aus „minderwichtigem Grund“ und keine Umgehung des vereinbarten Schutzes vor einer ordentlichen Kündigung. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund kann vielmehr auch durch eine (tarif-)vertragliche Vereinbarung zur ordentlichen Unkündbarkeit nicht beschränkt werden (vgl. BAG 11. Juli 1958 - 1 AZR 366/55 - zu 3 der Gründe, BAGE 6, 109; BGH 21. April 1975 -  II ZR 2/73  - zu 2 a der Gründe). Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung begründet keinen absoluten Schutz vor einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus betrieblichem Anlass, wenn denn die Voraussetzungen vorliegen, die an einen wichtigen Grund zu stellen sind.

17

bb) Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen und Nachteilen für den gerade besonders geschützten Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber bei einer auf betriebliche Gründe gestützten außerordentlichen Kündigung zwingend eine der - fiktiven - ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO; 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11  - Rn. 18 mwN). Eine Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung entsteht dadurch nicht. Dafür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Auch die analoge Anwendung von §§ 9, 10 KSchG(vgl. dazu Stein aaO S. 1301) scheidet aus. Die Bestimmungen sehen lediglich für den Fall der gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses die Verurteilung zur Zahlung einer Abfindung vor. Mit der gerichtlichen Auflösung ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund erfolgreicher betriebsbedingter außerordentlicher Kündigung nicht zu vergleichen.

18

c) Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB kann sich - ebenso wie ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG - aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher, von äußeren Faktoren nicht „erzwungener“ Maßnahmen ergeben( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 15 ).

19

aa) Die einer betrieblich-organisatorischen Maßnahme zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist außerdem, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfallen ist ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 1 6; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11  - Rn. 21 ).

20

bb) Dies gilt einmal in Fällen ordentlicher Kündigungen iSv. § 1 KSchG. Auf eine in Teilen des Schrifttums für erforderlich gehaltene Abwägung der wirtschaftlichen Vorteile, die der Arbeitgeber durch seine Maßnahme erlangt, gegen die Nachteile, die der Arbeitnehmer durch den Arbeitsplatzverlust erleidet (Däubler Die Unternehmerfreiheit im Arbeitsrecht S. 32, 44; Stein AuR 2013, 243, 248), kommt es de lege lata nicht an. Soweit hierfür auf die Ausfüllungsbedürftigkeit des Merkmals der „Dringlichkeit“ iSv. § 1 Abs. 2 KSchG abgestellt wird, wird möglicherweise übersehen, dass nicht die unternehmerisch-wirtschaftlichen Erfordernisse dringend sein müssen, sondern die betrieblichen(ebenso Krause in vHH/L 15. Aufl. § 1 Rn. 758 mwN). Führt die Umsetzung einer unternehmerischen Organisationsentscheidung auf betrieblicher Ebene spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für einen Arbeitnehmer und kann dieser auch nicht anderweit weiterbeschäftigt werden, bestehen „dringende betriebliche Erfordernisse“, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstehen und die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses bedingen können. Für die Bewertung der betrieblichen Erfordernisse als „dringend“ kommt es nicht darauf an, in welchem Ausmaß für das Unternehmen wirtschaftliche Vorteile durch die Maßnahme zu erwarten sind. Die unternehmerische Entscheidung zur Umorganisation ist mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG bis zur Grenze der offensichtlichen Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür frei. Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen - wirtschaftlichen - Gründen getroffen wurde, Rechtsmissbrauch also die Ausnahme ist (BAG 29. März 2007 - 2 AZR 31/06 - Rn. 24; 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - Rn. 31; 24. Oktober 1979 - 2 AZR 940/77 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 32, 150). Darauf, ob die Maßnahme für den Bestand des Unternehmens notwendig, gar zwingend notwendig ist, kommt es ebenso wenig an, wie darauf, ob eine „hohe Zahl von Insolvenzen“ im Nachhinein für Fehleinschätzungen sprechen kann (so aber Stein AuR 2013, 243, 247) oder sich der Arbeitgeber auf einen „Dialog über Alternativen“ eingelassen hat (Stein aaO). Es ist nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG dem Arbeitgeber überlassen, wie er sein Unternehmen führt, ob er es überhaupt weiterführt und ob er seine Betätigungsfelder einschränkt. Er kann grundsätzlich Umstrukturierungen allein zum Zwecke der Ertragssteigerung vornehmen. Es kann unter Geltung von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ohnehin nicht darum gehen, ihm die fragliche organisatorische Maßnahme als solche gerichtlich zu untersagen, sondern nur darum, ob ihre tatsächliche Umsetzung eine Kündigung rechtfertigt(so auch Däubler aaO S. 44). Deren Wirksamkeit wiederum kann nach der Konzeption des Kündigungsschutzgesetzes nicht etwa davon abhängen, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Zahlung einer Abfindung anbietet (so aber Däubler aaO).

21

cc) Dies gilt gleichermaßen in Fällen, in denen von der fraglichen Maßnahme ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist, dessen Arbeitsverhältnis nur außerordentlich nach § 626 BGB gekündigt werden kann( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 1 7; 6. Oktober 2005 - 2 AZR 362/04  - zu B V 3 a der Gründe). Die Gestaltung des Betriebs, die Antwort auf die Frage, ob und in welcher Weise sich der Arbeitgeber wirtschaftlich betätigen will, sind Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zu dieser gehört das Recht, das Unternehmen aufzugeben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben soll, und festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO ; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01  - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31 ; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Der Arbeitgeber muss deshalb regelmäßig auch dann nicht von einer Fremdvergabe von Tätigkeiten absehen, wenn dadurch einem ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnis die Grundlage entzogen wird ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO ; HaKo/Gallner/Mestwerdt 4. Aufl. § 1 Rn. 749; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 158; APS/Kiel 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 318d; aA - Outsourcing nur bei ansonsten unvermeidbarer Betriebsschließung - Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler KSchR 8. Aufl. § 626 BGB Rn. 163; Däubler FS Heinze S. 121, 127). Ob ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gegeben ist, hängt in diesen Fällen davon ab, ob jedwede Möglichkeit ausgeschlossen ist, den Arbeitnehmer anderweit sinnvoll einzusetzen, und der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung für erhebliche Zeiträume an ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis gebunden und aus diesem zur Vergütung verpflichtet wäre. Der in Tarifverträgen an eine bestimmte Dauer der Betriebszugehörigkeit und ein bestimmtes Lebensalter geknüpfte Ausschluss der ordentlichen Kündigung ist regelmäßig nicht dahin zu verstehen, dass damit die Möglichkeit einer betriebsbedingten Kündigung generell - auch als außerordentliche - zumindest für die Fälle ausgeschlossen sein soll, in denen der Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses auf wirtschaftlich nicht zwingend notwendigen unternehmerischen Organisationsentscheidungen beruht. Dass eine solche mittelbare Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit - unbeschadet ihrer Rechtswirksamkeit - gewollt wäre, lässt sich tariflichen Regelungen, nach denen der besondere Kündigungsschutz allein vom Lebensalter und der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängt, ohne besondere Anhaltspunkte nicht entnehmen. Etwas anderes kann gelten, wenn der tarifliche oder einzelvertragliche Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen die Gegenleistung des Arbeitgebers für einen Verzicht auf bestimmte Rechtsansprüche durch die Arbeitnehmer darstellt. Auch dann ist der Arbeitgeber zwar rechtlich nicht gehindert, bestimmte, wirtschaftlich nicht zwingend notwendige Organisationsentscheidungen zu treffen, die zum Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses für geschützte Arbeitnehmer führen, und ist ein Verzicht des Arbeitgebers auf die Möglichkeit der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung als solcher wegen Verstoßes gegen § 626 Abs. 1 BGB rechtlich ausgeschlossen. Eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer bis zum zeitlich vorgesehenen Ende des - in aller Regel befristeten - Kündigungsausschlusses wird aber in dieser Situation nur im Extremfall anzunehmen sein.

22

dd) Insofern besteht auch kein Widerspruch zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Oktober 2002 (- II ZR 353/00 -), in welcher dieser auf die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eines Geschäftsführerdienstvertrags wegen des auf geschäftspolitischen Gründen beruhenden Beschlusses der Muttergesellschaft, den Betrieb ihrer Tochtergesellschaft einzustellen, erkannt hat (eine Divergenz bejahend aber Stein DB 2013, 1299, 1301). Dort war eine ordentliche Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags nicht dauerhaft, sondern im Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung nur noch für gut ein Jahr ausgeschlossen.

23

ee) Die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Berufswahlfreiheit der betroffenen Arbeitnehmer bietet keinen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen. Allerdings strahlt das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an Bestandsschutz auf die Auslegung und Anwendung der kündigungsrechtlichen Vorschriften aus. Daher haben die Gerichte von Verfassungs wegen zu prüfen, ob von deren Anwendung im Einzelfall Grundrechte des Arbeitnehmers berührt sind. Trifft das zu, haben sie die einfachgesetzlichen Vorschriften, soweit möglich, im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwenden ( BVerfG 19. März 1998 - 1 BvR 10/97  -; 8. Juli 1997 -  1 BvR 2111/94 , 1 BvR 195/95 , 1 BvR 2189/95  - BVerfGE 96, 171 ; BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 1 8; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01  - zu II 1 c der Gründe, BAGE 103, 31 ; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Dem entspricht es, dass die Darlegung der Kündigungsgründe umso detaillierter sein muss, je näher die fragliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss heranrückt ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO ; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11  - Rn. 22 ).

24

2. In Anwendung dieser Grundsätze mangelte es im Streitfall nicht bereits deshalb an einem wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB, weil die von der Beklagten getroffene Organisationsentscheidung rechtlich zu beanstanden wäre.

25

a) Nach den bisherigen Feststellungen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte rechtsmissbräuchlich entschieden hätte, mit den Reinigungsarbeiten ein anderes Unternehmen zu beauftragen. Die Beklagte hat ua. geltend gemacht, die Fremdvergabe ermögliche es ihr, Ausfälle bei Krankheit oder Urlaub leichter zu überbrücken. Diese Erwägungen sind weder sachfremd noch willkürlich. Ihre Umsetzung ist von Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt. Es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, der Beklagten eine „bessere“ oder „richtige“ Unternehmenspolitik vorzuschreiben und damit in ihre wirtschaftliche Kalkulation einzugreifen (vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 21; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01  - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31 ).

26

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bedurfte es auch angesichts der ordentlichen Unkündbarkeit der Klägerin keiner besonderen Umstände - wie etwa der Notwendigkeit einer Änderung der Produktpalette oder einer angespannten betriebswirtschaftlichen Situation -, die die durchgeführte Umstrukturierung als unumgänglich ausgewiesen hätten. Zwar hat der Senat in den Entscheidungen vom 26. März 2009 (- 2 AZR 879/07 -) und 2. März 2006 (- 2 AZR 64/05 -) - bezogen auf eine Änderungskündigung - angenommen, der Arbeitgeber müsse bereits bei Erstellung seines unternehmerischen Konzepts geltende Kündigungsbeschränkungen berücksichtigen (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 56; 2. März 2006 - 2 AZR 64/05 - Rn. 28), und hat daraus gefolgert, dies wirke sich im Prozess bei der Darlegungslast aus; aus dem Vorbringen des Arbeitgebers müsse erkennbar sein, dass er auch angesichts der bestehenden Kündigungsbeschränkungen alles Zumutbare unternommen habe, um die durch sein Konzept notwendig werdenden Anpassungen der Vertragsbedingungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 57; 2. März 2006 - 2 AZR 64/05 - Rn. 29). Die unternehmerische Entscheidung selbst unterliegt aber nicht deshalb einer weiter reichenden gerichtlichen Kontrolle, weil vom Arbeitsplatzabbau (auch) ordentlich unkündbare Arbeitnehmer betroffen sind. Vom Arbeitgeber im Einzelnen darzulegen und von den Gerichten zu überprüfen ist hingegen, dass bzw. ob das fragliche unternehmerische Konzept eine (Änderungs-)Kündigung tatsächlich erzwingt.

27

c) Der Ausschluss der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung erforderte es auch nicht, dass die Beklagte Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin neu schüfe. Es kommt allein darauf an, ob andere Beschäftigungsmöglichkeiten tatsächlich bestanden. Die Beklagte hat detailliert dazu vorzutragen, weshalb dies nicht der Fall gewesen sein soll. Unter diesem Gesichtspunkt hat das Landesarbeitsgericht ihr Vorbringen bisher nicht gewürdigt.

28

aa) Anders als in dem Fall, der der vom Landesarbeitsgericht angeführten Entscheidung des Senats vom 26. September 2002 (- 2 AZR 636/01 - BAGE 103, 31) zugrunde lag, bestand hier ein Beschäftigungsbedürfnis nicht etwa deshalb fort, weil in den betrieblichen Abläufen faktisch keine Änderung eingetreten wäre. Die Reinigungsarbeiten sollten an das beauftragte Unternehmen zur selbständigen Erledigung vergeben und nicht durch eine in das Unternehmen der Arbeitgeberin voll eingegliederte Organgesellschaft verrichtet werden. Ein Beschäftigungsbedarf bei der Beklagten bestand gerade nicht fort. Nach deren Vorbringen lag stattdessen ein Betriebsteilübergang vor. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wäre danach gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf das beauftragte Unternehmen übergegangen, hätte diese dem nicht widersprochen.

29

bb) Ebenso wenig steht bislang fest, dass zum Zeitpunkt der Kündigung Arbeitsplätze frei gewesen wären, die die Beklagte der Klägerin wegen des Vorrangs der Änderungskündigung hätte anbieten müssen (vgl. dazu BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 25 und 27).

30

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar.

31

1. Eine außerordentliche Kündigung schied nach dem festgestellten Sachverhalt nicht schon deshalb aus, weil die Beklagte nur noch für eine nicht erhebliche Zeit an ein ggf. sinnentleertes Arbeitsverhältnis mit der Klägerin gebunden gewesen wäre. Die Klägerin war bei Ablauf der Auslauffrist am 30. September 2011 45 Jahre alt und damit weit entfernt von einer tariflichen Altersgrenze.

32

2. Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte die zweiwöchige Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten hätte. Der - unterstellte - Wegfall des Beschäftigungsbedarfs ist ein „Dauertatbestand“. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt deshalb stets von Neuem(vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 28; 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97  - zu II 4 der Gründe, BAGE 88, 10 ).

33

3. Die Kündigung ist nach den bisherigen Feststellungen nicht gem. § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Die Klägerin hat eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung zwar bestritten. Das Landesarbeitsgericht hat aber festgestellt, dass der Betriebsrat mit Schreiben vom 4. März 2011 zu der beabsichtigten Kündigung angehört worden ist, und hat dazu auf den Inhalt des Anhörungsschreibens Bezug genommen. Danach hat die Beklagte den Betriebsrat hinreichend über die Gründe für die Kündigung unterrichtet. Inwiefern dessen Anhörung gleichwohl fehlerhaft gewesen sei, hat die Klägerin nicht dargelegt.

34

III. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist aufzuheben, soweit es der Kündigungsschutzklage stattgegeben hat. In diesem Umfang ist die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegeben war, steht noch nicht fest. Das Landesarbeitsgericht hat - wie ausgeführt und aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft, ob der Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin trotz Umsetzung ihrer Organisationsentscheidung möglich und zumutbar war. Dies wird es unter Beachtung der nachstehenden Erwägungen nachzuholen haben.

35

1. Die Anforderungen an die Bemühungen des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung eines vom Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes betroffenen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers sind hoch. Es muss sichergestellt sein, dass eine Kündigung unumgänglich ist ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 34). Bei der Prüfung, ob eine außerordentliche Kündigung - mit notwendiger Auslauffrist - gegenüber einem tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer berechtigt ist, ist zunächst die tarifliche Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes als solche zu berücksichtigen. Stellt schon die tarifliche Regelung selbst dem Arbeitgeber bestimmte Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung, um sich bei dringenden betrieblichen Gründen aus einem unzumutbar gewordenen vertraglichen Zustand zu lösen, so hat er in erster Linie von diesen Gebrauch zu machen. Erst wenn feststeht, dass auch sie versagen, kann eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer in Betracht kommen ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 3 5; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02  - zu II 3 c der Gründe). Aufgrund welcher tarifvertraglichen Vorschriften die Klägerin im Streitfall ordentlich unkündbar war, ist vom Landesarbeitsgericht bisher nicht festgestellt.

36

2. Den hohen materiellrechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines aus betrieblichen Erfordernissen resultierenden wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB entsprechen die prozessualen Anforderungen an den Umfang der Darlegungen des Arbeitgebers( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn.  41; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08  - Rn. 21 ). Der Arbeitgeber hat von sich aus darzutun, dass keinerlei Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis - ggf. zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung - sinnvoll fortzusetzen. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichenbetriebsbedingten Kündigung zum „wichtigen Grund“. Es ist deshalb vom Arbeitgeber darzulegen ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO ; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02  - zu II 3 d der Gründe ).

37

IV. Die Revision ist unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von Vergütung für die Monate April bis Juni 2011 in Höhe von 331,43 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt hat.

38

1. Der Anspruch der Klägerin folgt aus einem Annahmeverzug der Beklagten gem. § 611 Abs. 1 iVm. § 615 Satz 1, §§ 293 ff. BGB.

39

a) Im fraglichen Zeitraum bestand das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fort.

40

aa) Auch wenn der Betriebsteil „Reinigungsdienste“ auf das beauftragte Reinigungsunternehmen übergegangen sein mag, ist dieses nicht gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit der Klägerin eingetreten. Die Klägerin hatte dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses gem. § 613a Abs. 6 BGB widersprochen.

41

bb) Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestand in den Monaten April bis Juni 2011 unabhängig von der Wirksamkeit der Kündigung vom 18. März 2011. Die Kündigung war zwar außerordentlich, aber erst zum 30. September 2011 ausgesprochen worden.

42

b) Die Beklagte befand sich mit der Annahme der Leistung der Klägerin in Verzug (§ 615 Satz 1 iVm. §§ 293 ff. BGB). Sie hatte durch die Freistellung der Klägerin eine Annahme von deren Arbeitsleistung generell abgelehnt. Damit geriet sie, ohne dass es noch eines tatsächlichen oder wörtlichen Angebots der Klägerin bedurft hätte, gem. § 296 Satz 1 BGB in Gläubigerverzug(vgl. ErfK/Preis 13. Aufl. § 611 BGB Rn. 571).

43

c) § 297 BGB steht dem nicht entgegen. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, die Klägerin sei im fraglichen Zeitraum nicht leistungswillig und damit iSv. § 297 BGB zur Leistung außerstande gewesen, hat sie hierfür keine hinreichenden Umstände dargelegt. Die Klägerin hatte zwar mit Wirkung ab April 2011 auf Vermittlung der Beklagten einen befristeten Arbeitsvertrag mit dem beauftragten Unternehmen geschlossen. Die Beklagte hatte sie aber für den Fall der Annahme des Angebots unwiderruflich von der Arbeitsleistung ihr gegenüber freigestellt und mit ihr lediglich die Anrechenbarkeit des Zwischenverdienstes vereinbart. Dies rechtfertigt es nicht, die Klägerin im Verhältnis zur Beklagten als nicht leistungswillig anzusehen.

44

2. Die Klägerin kann jedenfalls den vom Landesarbeitsgericht titulierten Betrag verlangen.

45

a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, bei diesem Betrag handele es sich um die Differenz zwischen der der Klägerin gegenüber der Beklagten zustehenden Vergütung für die Zeit von April bis Juni 2011 und den anzurechnenden Zahlungen des beauftragten Unternehmens für den gleichen Zeitraum. Dagegen erhebt die Revision keine Einwände.

46

b) Der der Klägerin vom Landesarbeitsgericht zugesprochene Differenzanspruch steht dieser in voller Höhe auch dann zu, wenn das Arbeitsverhältnis der Parteien am 30. September 2011 geendet haben sollte. Das Landesarbeitsgericht hat seiner - von ihm nicht nachvollziehbar dargestellten - Berechnung den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien über dieses Datum hinaus zugrunde gelegt. Es hat ferner angenommen, dieser Umstand führe dazu, dass sich die Klägerin auf ihre Ansprüche gegen die Beklagte auch das vom Drittunternehmen erst nach dem 30. September 2011 gezahlte Urlaubsgeld 2011 mit seinem vollen Betrag anrechnen lassen müsse. Der Senat hat davon auszugehen, dass das Landesarbeitsgericht diese Erwägungen rechnerisch umgesetzt und bei seiner Tenorierung berücksichtigt hat. Damit hat die Klägerin in jedem Fall mindestens Anspruch auf den vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Betrag. Sollte sich die Kündigung der Beklagten als wirksam erweisen und das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2011 geendet haben, könnte sich das allenfalls zugunsten der Klägerin auswirken. Ansprüche auf Vergütung für die Zeit nach dem 30. September 2011 hat sie nicht erhoben. Das vom Drittunternehmen geleistete Urlaubsgeld wäre deshalb womöglich auf die für die Zeit davor verlangte Vergütung entweder gar nicht oder doch nicht in vollem Umfang anzurechnen.

47

3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten zu 1. wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. März 2011 - 5 Sa 373/10 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Berufung der Beklagten zu 1. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 9. März 2010 - 2 Ca 1680/08 - zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist. Der mit der ursprünglichen Beklagten zu 2. wegen eines Rückkehranspruchs geführte Rechtsstreit ist rechtskräftig zulasten des Klägers abgeschlossen.

2

Der Kläger war bei der Beklagten zu 1. (im Folgenden: Beklagte) und deren Rechtsvorgängerinnen seit 1999 unter Anrechnung der Zeit eines seit 1974 bestehenden Arbeitsverhältnisses beschäftigt. Er war zuletzt als Disponent tätig. Sein Einsatz erfolgte am Standort T.

3

Die Beklagte gehört einem Konzern an. Bei den ihm zugehörigen Unternehmen waren im Jahr 2008 über 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt, davon ca. 720 - unter ihnen der Kläger - im Bereich „Technical Operations/Netzinfrastruktur“. 45 % der in diesem Bereich tätigen Arbeitnehmer waren - wie der Kläger - tariflich nicht mehr ordentlich kündbar. Der Konzern ist in sechs Regionen aufgeteilt. Auf der Grundlage eines zwischen der Gewerkschaft ver.di auf der einen und drei Konzernunternehmen - darunter die Rechtsvorgängerin der Beklagten - auf der anderen Seite geschlossenen Zuordnungstarifvertrags ist in jeder Region ein einheitlicher, unternehmensübergreifender Betriebsrat gebildet.

4

Im Jahr 2008 beschloss die Beklagte, die Aufgaben der Servicetechniker zweier Tätigkeitsbereiche weitgehend an ein Drittunternehmen zu vergeben und ab dem 1. Juli 2009 nicht mehr durch eigene Mitarbeiter ausführen zu lassen. Dies führte zum Wegfall zahlreicher Arbeitsplätze, so auch sämtlicher Disponentenstellen am Standort T. Dazu vereinbarten die drei Gesellschaften am 12. November 2008 mit dem Konzernbetriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan.

5

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 kündigte die Beklagte nach Anhörung des zuständigen Betriebsrats das Arbeitsverhältnis der Parteien aus betrieblichen Gründen außerordentlich mit Auslauffrist zum 31. Juli 2009.

6

Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, es fehle an einem wichtigen Grund. Die Beklagte habe die Arbeiten nicht an Dritte vergeben dürfen, weil hierdurch die Beschäftigungsmöglichkeiten für eine große Zahl ordentlich unkündbarer Mitarbeiter weggefallen seien. Er sei überdies ohne längere Einarbeitungszeit im Bereich „Planung“ und als Serviceteam-Manager einsetzbar. Im Übrigen habe die Beklagte die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten und den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört.

7

Der Kläger hat, soweit noch von Belang, beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 9. Dezember 2008 zum 31. Juli 2009 nicht beendet worden ist;

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Disponent weiterzubeschäftigen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, der Arbeitsplatz des Klägers sei weggefallen. Ihre Entscheidung, einen Teil der Arbeiten an ein Drittunternehmen zu vergeben, sei zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit erforderlich gewesen. Mit den betreffenden Dienstleistungen externe Anbieter zu betrauen, sei um 50 % günstiger als sie mit eigenen Arbeitnehmern auszuführen. Ihre Maßnahme sei auch mit Blick auf den hohen Anteil davon betroffener ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer nicht willkürlich. Andere Beschäftigungsmöglichkeiten habe es nicht gegeben. Der Kläger könne nicht als Planer eingesetzt werden. Die damit verbundenen Aufgaben könne er auch nach mehr als einem Jahr Einarbeitungszeit nicht erfüllen. Bei den Stellen der Serviceteam-Manager handele es sich um Beförderungsstellen.

9

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung nicht als unwirksam ansehen. Seine Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden. Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).

11

I. Die außerordentliche Kündigung vom 9. Dezember 2008 erweist sich aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht als unwirksam.

12

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

13

a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).

14

b) Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 17, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - Rn. 25 mwN, BAGE 122, 264). Allerdings ist der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - aaO; 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - aaO). Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen und Nachteilen für den gerade besonders geschützten Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber in diesem Fall zwingend eine der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 18 mwN).

15

c) Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB kann sich - ebenso wie ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG - aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher Maßnahmen ergeben.

16

aa) Die einer solchen betrieblichen Maßnahme zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist außerdem, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfallen ist (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 189 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 166).

17

bb) Dies gilt auch in den Fällen, in denen von der fraglichen Maßnahme ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist (BAG 6. Oktober 2005 - 2 AZR 362/04 - zu B V 3 a der Gründe, AP BAT § 53 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 14; Kiel NZA Beil. 1/2005, 18, 22). Die Gestaltung des Betriebs, die Frage, ob und in welcher Weise sich der Arbeitgeber wirtschaftlich betätigen will, ist Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zu dieser gehört das Recht, das Unternehmen aufzugeben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben soll, und festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31; 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 92, 61; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Der Arbeitgeber muss deshalb regelmäßig auch dann nicht von einer Fremdvergabe von Tätigkeiten absehen, wenn dadurch einem ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnis die Grundlage entzogen wird (HaKo-Gallner/Mestwerdt 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 749; KR-Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 158; APS/Kiel 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 318d; ders., NZA Beil. 1/2005, 18, 22; aA - Outsourcing nur bei ansonsten unvermeidbarer Betriebsschließung - KDZ/Däubler 8. Aufl. § 626 BGB Rn. 163; Däubler FS Heinze S. 121, 127).

18

cc) Der durch Art. 12 Abs. 1 GG gleichermaßen gewährleistete Schutz der betroffenen Arbeitnehmer steht dem nicht entgegen. Die Berufswahlfreiheit iSv. Art. 12 Abs. 1 GG bietet keinen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen. Allerdings strahlt das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an Bestandsschutz auf die Auslegung und Anwendung der kündigungsrechtlichen Vorschriften aus. Daher haben die Gerichte von Verfassungs wegen zu prüfen, ob von deren Anwendung im Einzelfall Grundrechte des Arbeitnehmers berührt sind. Trifft das zu, haben sie die einfachgesetzlichen Vorschriften, soweit möglich, im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwenden (BVerfG 19. März 1998 - 1 BvR 10/97 - NZA 1998, 587; 8. Juli 1997 - 1 BvR 2111/94, 1 BvR 195/95, 1 BvR 2189/95 - BVerfGE 96, 171; BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 103, 31; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Dem entspricht es, dass die Darlegung der Kündigungsgründe umso detaillierter sein muss, je näher die fragliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss heranrückt (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 22, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165).

19

2. In Anwendung dieser Grundsätze durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, es liege bereits deshalb kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB vor, weil die Beklagte wegen des hohen Anteils ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer die Fremdvergabe der Tätigkeiten hätte unterlassen müssen. Die von ihr getroffene Organisationsentscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

20

a) Die Beklagte hat geltend gemacht, ihre Entscheidung, einen Teil der Arbeiten an Dritte zu vergeben, sei erforderlich gewesen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der „Einkauf“ der betreffenden Dienstleistungen bei externen Anbietern sei um 50 % günstiger als die Durchführung der Arbeiten mit eigenen Arbeitnehmern.

21

b) Diese Erwägungen sind weder sachfremd noch willkürlich. Ihre Umsetzung ist vom Grundrecht des Arbeitgebers nach Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt. Es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, diesem eine „bessere“ oder „richtigere“ Unternehmenspolitik vorzuschreiben und damit in seine Kostenkalkulation einzugreifen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31).

22

c) Die Entscheidung der Beklagten verstößt nicht gegen die Regelung des besonderen Kündigungsschutzes für ältere Arbeitnehmer in § 24 MTV Kabel Rheinland-Pfalz/Saarland GmbH & Co. KG vom 8. August 2002.

23

aa) Nach dem Vorbringen beider Parteien findet diese Bestimmung auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung. Zwar hat das Landesarbeitsgericht insoweit keine bindenden Feststellungen getroffen. Ihre Anwendbarkeit - oder die einer gleichlautenden tariflichen Regelung - kann aber zugunsten des Klägers unterstellt werden.

24

bb) Die Vorschrift beschränkt die Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers gegenüber den geschützten Arbeitnehmern zwar auf Fälle, in denen ein „wichtiger Grund“ gegeben ist. Darin liegt aber kein Verbot der Durchführung von Umstrukturierungsmaßnahmen. Der besondere tarifliche Kündigungsschutz schränkt nicht die Freiheit des Unternehmers ein, Umstrukturierungen vorzunehmen, mit denen der Verlust von Arbeitsplätzen verbunden ist, sondern erhöht die Anforderungen an seine Bemühungen, gleichwohl die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu ermöglichen. Dies gilt auch dann, wenn von der unternehmerischen Maßnahme ein hoher Prozentsatz ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist. Auch in diesem Fall ist nicht schon die unternehmerische Maßnahme als solche (tariflich) ausgeschlossen.

25

cc) Die entgegenstehende Ansicht des Landesarbeitsgerichts entbehrt der verfassungsrechtlichen und tariflichen Grundlage. Art. 12 Abs. 1 GG verlangt den Ausschluss der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht. Wird er tariflich vereinbart, lassen sich seine Rechtsfolgen deshalb nicht anhand von Art. 12 Abs. 1 GG bestimmen. Die Regelung in § 24 MTV selbst unterscheidet nicht danach, ob einem einzelnen, einigen wenigen oder einer Vielzahl von sondergeschützten Arbeitnehmern gekündigt werden soll. In allen Fällen ist eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich, in keinem Fall ist schon die sie auslösende unternehmerisch-organisatorische Maßnahme als solche tariflich ausgeschlossen.

26

d) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht dieses Ergebnis nicht im Widerspruch zu den Anforderungen an eine Änderungskündigung zum Zwecke der Entgeltreduzierung. Der vom Landesarbeitsgericht angesprochene vermeintliche Widerspruch ist dabei nicht auf die Fälle außerordentlicher betriebsbedingter Beendigungskündigungen aus Anlass von Restrukturierungsmaßnahmen beschränkt. Er wäre auch dann nicht aufgehoben, wenn nur ordentliche Beendigungskündigungen „leichter“ möglich wären als funktional äquivalente Änderungskündigungen zur Entgeltabsenkung (für die unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen, die daraus gezogen werden, vgl. einerseits Kühling AuR 2003, 92; Stein AuR 2003, 99, andererseits Reuter RdA 2004, 161). Der Widerspruch ist nur ein scheinbarer. Bei Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse ist auch eine Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung möglich (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 34, BAGE 132, 78). Diese Erfordernisse sind vom Arbeitgeber freilich schlüssig und substantiiert darzulegen. Sie sind etwa mit der bloßen Behauptung, eine wirtschaftliche Analyse habe ergeben, eine Entgeltabsenkung sei unabweisbar, nicht hinreichend dargetan. Einem solchen - unzureichenden - Vortrag entspräche bei der Beendigungskündigung das Vorbringen, der Arbeitgeber habe sich, da unabweisbar nötig, entschlossen, bestehende Arbeitsverhältnisse zu kündigen. Ein solcher Vortrag wäre gleichermaßen unzureichend. Sowohl Änderungs- als auch Beendigungskündigungen bedürfen der Rechtfertigung durch „betriebliche“ Erfordernisse, dh. durch Erfordernisse außerhalb ihrer selbst. Dass die substantiierte Darlegung des Wegfalls von Beschäftigungsmöglichkeiten aufgrund des Entschlusses zur Betriebs(teil)schließung eine weniger komplexe Erläuterung erfordern mag als die Darlegung eines betrieblichen Erfordernisses zur Lohnabsenkung bei Fortbestand des Beschäftigungsbedürfnisses und gleicher Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, ist den objektiven Umständen und Unterschieden und nicht prinzipiell anderen Anforderungen an das Arbeitgebervorbringen geschuldet.

27

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar.

28

1. Die Kündigung ist nicht wegen Nichteinhaltens der zweiwöchigen Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die - von der Beklagten behauptete - Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers ist ein „Dauertatbestand“. Die Frist beginnt deshalb stets von Neuem (vgl. BAG 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 4 der Gründe, BAGE 88, 10).

29

2. Die Kündigung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 102 Abs. 1 Satz 1, 2 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat den zuständigen Betriebsrat angehört und ihm die Gründe für die Kündigung mitgeteilt.

30

a) An die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegung der Kündigungsgründe im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die die Kündigung aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26). Erst eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung führt zu einer fehlerhaften Anhörung (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20).

31

b) Im Rahmen von § 102 Abs. 1 BetrVG gilt eine abgestufte Darlegungslast(BAG 12. August 2010 - 2 AZR 104/09 - Rn. 28; 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - zu II 1 b der Gründe, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12). Zunächst hat der Arbeitgeber auf einen entsprechenden Einwand des Arbeitnehmers hin im Einzelnen und nachvollziehbar darzulegen, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden ist. Sodann obliegt es dem Arbeitnehmer vorzutragen, in welchen Punkten er die Betriebsratsanhörung für fehlerhaft hält.

32

c) Danach ist die Betriebsratsanhörung im Streitfall wirksam erfolgt. Die Beklagte hat unter Vorlage des Anhörungsschreibens schlüssig vorgetragen, den zuständigen Betriebsrat Anfang Dezember 2008 zur beabsichtigten Kündigung angehört zu haben. Es wäre Aufgabe des Klägers gewesen, im Einzelnen darzulegen, inwieweit die Betriebsratsanhörung gleichwohl unvollständig und damit fehlerhaft gewesen sein soll. Einen solchen Vortrag hat er nicht gehalten.

33

III. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegeben war, steht noch nicht fest. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft, ob der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers auch nach Umsetzung ihrer Organisationsentscheidung noch möglich und zumutbar war. Dies wird es unter Beachtung der nachstehenden Erwägungen nachzuholen haben.

34

1. Die Anforderungen an die Bemühungen des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung eines vom Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes betroffenen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers sind hoch. Es muss sichergestellt sein, dass eine Kündigung unumgänglich ist.

35

a) Bei der Prüfung, ob eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist gegenüber einem tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer zulässig ist, ist zunächst die tarifliche Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes als solche zu berücksichtigen. Stellt schon die tarifliche Regelung selbst dem Arbeitgeber bestimmte Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung, um sich bei dringenden betrieblichen Gründen aus einem unzumutbar gewordenen vertraglichen Zustand zu lösen, so hat er zunächst von diesen Gebrauch zu machen. Erst wenn feststeht, dass auch sie versagen, kann eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer in Betracht kommen (BAG 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).

36

aa) Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass sich der besondere Kündigungsschutz des Klägers aus § 24 des zwischen der Kabel Rheinland-Pfalz/Saarland GmbH & Co. KG und ver.di am 8. August 2002 abgeschlossenen Manteltarifvertrags ergibt. Allerdings ist nicht erkennbar, ob dessen Anwendbarkeit auf beiderseitiger Tarifgebundenheit oder einzelvertraglicher Inbezugnahme beruht. Eine beiderseitige Tarifgebundenheit ist nicht festgestellt. Eine vertragliche Bezugnahme ist zwar in § 2 des „Vertrags zur Änderung des Arbeitsvertrages“ vom 31. Mai/19. Juni 2000 enthalten. Danach unterliegt das Arbeitsverhältnis „den für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung“. Es steht bislang aber nicht fest, dass dazu der genannte Tarifvertrag zählt. Das Landesarbeitsgericht wird den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben und entsprechende Feststellungen zu treffen haben.

37

bb) Sollte auf das Arbeitsverhältnis die von den Parteien für anwendbar gehaltene tarifliche Bestimmung oder doch eine ihr entsprechende Regelung anzuwenden sein, wäre darin beim Wegfall der Möglichkeit einer Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen die Möglichkeit einer ordentlichen Änderungskündigung vorgesehen. Dies hätte zur Folge, dass eine außerordentliche Beendigungskündigung gegenüber dem Kläger nur in Betracht kommt, wenn selbst eine ordentliche, nicht an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gebundene Änderungskündigung ausscheidet, um das Arbeitsverhältnis als solches zu beiderseits zumutbaren anderen Bedingungen aufrechterhalten zu können.

38

b) Das Landesarbeitsgericht wird bei der Prüfung von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auch Arbeitsplätze in Betracht zu ziehen haben, die zwar nicht bei der Beklagten selbst, wohl aber bei einem derjenigen Konzernunternehmen bestehen, die - oder deren Rechtsvorgänger - ebenfalls Parteien des am 12. November 2008 vereinbarten Interessenausgleichs waren.

39

aa) Das Kündigungsschutzgesetz ist zwar nicht konzernbezogen. Der Arbeitgeber ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem Betrieb eines anderen Unternehmens unterzubringen. Ausnahmsweise kann eine solche Pflicht jedoch bestehen (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - Rn. 27 mwN, ZIP 2013, 330; grundlegend: 14. Oktober 1982 - 2 AZR 568/80 - BAGE 41, 72). Dies gilt etwa dann, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt hat oder wenn sich eine solche Verpflichtung aus einer vertraglichen Absprache oder einer in der Vergangenheit geübten Praxis ergibt (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - Rn. 27, aaO). Weitere Voraussetzung ist, dass der Vertragsarbeitgeber auf die „Versetzung“ einen bestimmenden Einfluss hat. Die Entscheidung über sie darf grundsätzlich nicht dem zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten bleiben. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Möglichkeit der Einflussnahme aufgrund eindeutiger rechtlicher Regelungen oder nur faktisch besteht (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - aaO; 26. Juni 2008 - 2 AZR 1109/06 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 180).

40

bb) Im Streitfall erstreckt sich die Pflicht der Beklagten, Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auch außerhalb ihres Unternehmens zu suchen, jedenfalls auf diejenigen Konzernunternehmen, welche - ggf. in Person eines Rechtsvorgängers - Parteien des Interessenausgleichs vom 12. November 2008 sind. Dort haben sich die beteiligten Unternehmen verpflichtet, in jedem Einzelfall vor Ausspruch einer Beendigungskündigung zu überprüfen, „ob unter Berücksichtigung der Anforderungsprofile vorhandener, freier Arbeitsplätze sowie zumutbarer Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen bestehen …“. Als „das Unternehmen“ sind nach der Bezeichnung der Parteien im Interessenausgleich die beteiligten Unternehmen in ihrer Gesamtheit anzusehen.

41

2. Den hohen materiellrechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines aus betrieblichen Erfordernissen resultierenden wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB entsprechen die prozessualen Anforderungen an den Umfang der Darlegungen des Arbeitgebers(BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 21, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2). Der Arbeitgeber hat von sich aus darzutun, dass keinerlei Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis - ggf. zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung - sinnvoll fortzusetzen. Anders als bei der ordentlichen betriebsbedingten Kündigung reicht es nicht aus, dass er zunächst vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei infolge des Wegfalls seines Arbeitsplatzes nicht möglich, um sodann eine dem widersprechende Darlegung des Arbeitnehmers abzuwarten. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum „wichtigen Grund“. Es ist deshalb vom Arbeitgeber darzulegen (BAG 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - aaO). Dass dies - wie die Beklagte meint - für einen „großen“ Arbeitgeber mit Schwierigkeiten verbunden sein kann, vermag daran nichts zu ändern. Die höhere Darlegungslast ist die Folge des höheren tariflichen Bestandsschutzes.

42

IV. Die Zurückverweisung umfasst auch den Weiterbeschäftigungsantrag.

43

V. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

        

        

    Krichel    

        

    Nielebock    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Februar 2012 - 7 Sa 2394/11 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. August 2011 - 19 Ca 4675/11 - abgeändert und festgestellt hat, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 18. März 2011 beendet worden ist.

2. Im Übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte wurde als landeseigene Gesellschaft gegründet. Sie bietet Büro- und Gewerbeflächen zur Miete an und verwaltet diese. Im Jahre 2007 wurde sie an die O S.A. verkauft.

3

Die im Juli 1966 geborene Klägerin war bei der Beklagten auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 17. Juli 1995 als Reinigungskraft beschäftigt. Sie war nach den anwendbaren tariflichen Vorschriften aufgrund ihres Alters und ihrer Beschäftigungszeit ordentlich nicht mehr kündbar.

4

Aufgrund einer negativen wirtschaftlichen Entwicklung entschloss sich die Beklagte zu Umstrukturierungsmaßnahmen. Sie vereinbarte mit dem Betriebsrat am 29. Juni 2010 einen Interessenausgleich. Dieser sah verschiedene Maßnahmen zur Reduzierung der Mitarbeiterkapazitäten vor. Unter anderem war beabsichtigt, einen Betriebsteil „Reinigungsdienste“ zu bilden, der im Wege des Betriebsteilübergangs auf einen neuen Inhaber übertragen werden sollte. Ende Juni 2010 entschied sich die Beklagte, die im Interessenausgleich vorgesehenen Maßnahmen umzusetzen. Sie schloss mit einem Unternehmen einen Vertrag über die Erbringung von Reinigungsdienstleistungen für die von der Klägerin und einer weiteren Reinigungskraft betreuten Objekte. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2010 unterrichtete sie die Klägerin über den geplanten Betriebsteilübergang. Die Klägerin widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses mit Schreiben vom 28. Dezember 2010.

5

Mit Schreiben vom 28. Februar 2011 stellte die Beklagte die Klägerin bis auf Weiteres widerruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Nachdem Verhandlungen der Parteien über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei dem beauftragten Unternehmen erfolglos geblieben waren, hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 4. März 2011 zu der Absicht an, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zu kündigen. Der Betriebsrat widersprach.

6

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18. März 2011 außerordentlich mit einer Frist bis zum 30. September 2011, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Sie stellte die Klägerin am 24. März 2011 bis zum 31. März 2011 unwiderruflich, mit Wirkung ab 1. April 2011 widerruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 28. März 2011 bot sie der Klägerin als Vermittlerin einen befristeten Arbeitsvertrag bei dem beauftragten Reinigungsunternehmen an. Falls die Klägerin das Angebot annehme, werde sie ab dem 1. April 2011 unter Anrechnung des bei dem beauftragten Unternehmen erzielten Zwischenverdienstes unwiderruflich freigestellt. Die Klägerin nahm das Angebot an und arbeitete seit dem 1. April 2011 für das beauftragte Unternehmen.

7

Mit der vorliegenden Klage hat sich die Klägerin rechtzeitig gegen die Kündigung gewandt und Zahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung für den Zeitraum von April bis Juni 2011 verlangt. Sie hat gemeint, es fehle an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung. Die Entscheidung der Beklagten, die Reinigungstätigkeiten an ein Drittunternehmen zu vergeben, sei rechtsmissbräuchlich. Es hätten andere Möglichkeiten bestanden, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, etwa in Form der Personalgestellung bei dem beauftragten Reinigungs- oder einem Konzernunternehmen. Außerdem habe sie bei der Beklagten selbst im Bereich des Immobilienmanagements, der Buchhaltung oder des Sekretariats weiterbeschäftigt werden können. Dafür hätte es ausgereicht, wenn die Beklagte ihr Kenntnisse vermittelt hätte, die es ihr erlaubt hätten, ausgebildeten Kräften mit einfachen Tätigkeiten zuzuarbeiten. Ebenso gut sei sie als Hausmeisterin oder Hausmeisterassistentin einsetzbar und hätte nach einer Umorganisation mit Aufgaben im Bereich der Hausmeisterdienste betraut werden können. Auch könne sie als Reinigungskraft im Rahmen der Endreinigung nach der Beendigung von Mietverhältnissen, bei der Zwischenreinigung leerstehender Räume, bei der Anfangsreinigung von vermieteten Räumen und in den ausgelagerten Service-Centern tätig werden. Dort würden einfache Tätigkeiten überwiegend von Leiharbeitnehmern erbracht. Die Klägerin hat ferner die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten. Zudem hat sie gemeint, die vertraglich vereinbarte Vergütung stehe ihr auch für die Zeit ab April 2011 in voller Höhe zu. Der bei dem beauftragten Reinigungsunternehmen erzielte Zwischenverdienst sei nicht anzurechnen.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 18. März 2011 weder zum 30. September 2011 noch zum nächstmöglichen Termin beendet worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.899,26 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Juli 2011 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat ihre Entscheidung zur Fremdvergabe der Reinigungstätigkeiten ua. damit begründet, auf diese Weise Ausfälle bei Krankheit oder Urlaub leichter überbrücken zu können. Die Klägerin habe das Arbeitsverhältnis infolge des vorgesehenen Betriebsteilübergangs zu unveränderten Bedingungen bei einem solventen Unternehmen fortsetzen können. Beschäftigungsmöglichkeiten bei ihr bestünden nicht. Mangels der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten könne die Klägerin nicht als Sachbearbeiterin oder Sekretärin eingesetzt werden. Auch eine Tätigkeit als Hausmeisterin komme nicht in Betracht. In diesem Bereich könnten einzelne Arbeiten nicht sinnvoll aus dem gesamten Aufgabenspektrum herausgelöst werden, um sie der Klägerin zu übertragen. Ähnliches gelte für die übrigen Abteilungen. Die Hausmeister seien zudem in zahlreichen verschiedenen Höfen eingesetzt. Sie übten eine höherwertige Tätigkeit aus und seien dementsprechend höher als die Klägerin eingruppiert. Auch bei anderen Gesellschaften der Firmengruppe gebe es keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten. Diese beschäftigten keine Reinigungskräfte und andere geeignete Arbeitsplätze stünden bei ihnen nicht zur Verfügung. Eine Personalgestellung habe das beauftragte Reinigungsunternehmen abgelehnt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags und eines Teils des Zahlungsbegehrens stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision hat teilweise Erfolg. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Kündigungsschutzklage nicht stattgeben. Ob die Kündigung der Beklagten wirksam ist, steht noch nicht fest. Soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung verurteilt hat, ist die Revision unbegründet.

12

I. Die außerordentliche Kündigung vom 18. März 2011 erweist sich auf Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht als unwirksam.

13

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

14

a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 13; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08  - Rn. 16 ).

15

b) Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 14; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08  - Rn. 17 ). Allerdings ist der Arbeitgeber in diesem Fall wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08  - aaO).

16

aa) Eine infolge des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung zu erwartende, ggf. jahrelange Bindung des Arbeitgebers an ein Arbeitsverhältnis, in welchem er mangels sinnvoller Einsatzmöglichkeit keine werthaltige Gegenleistung mehr erhält, kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Darin liegt entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl. zuletzt Stein DB 2013, 1299, 1300) keine Kündigung aus „minderwichtigem Grund“ und keine Umgehung des vereinbarten Schutzes vor einer ordentlichen Kündigung. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund kann vielmehr auch durch eine (tarif-)vertragliche Vereinbarung zur ordentlichen Unkündbarkeit nicht beschränkt werden (vgl. BAG 11. Juli 1958 - 1 AZR 366/55 - zu 3 der Gründe, BAGE 6, 109; BGH 21. April 1975 -  II ZR 2/73  - zu 2 a der Gründe). Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung begründet keinen absoluten Schutz vor einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus betrieblichem Anlass, wenn denn die Voraussetzungen vorliegen, die an einen wichtigen Grund zu stellen sind.

17

bb) Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen und Nachteilen für den gerade besonders geschützten Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber bei einer auf betriebliche Gründe gestützten außerordentlichen Kündigung zwingend eine der - fiktiven - ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO; 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11  - Rn. 18 mwN). Eine Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung entsteht dadurch nicht. Dafür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Auch die analoge Anwendung von §§ 9, 10 KSchG(vgl. dazu Stein aaO S. 1301) scheidet aus. Die Bestimmungen sehen lediglich für den Fall der gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses die Verurteilung zur Zahlung einer Abfindung vor. Mit der gerichtlichen Auflösung ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund erfolgreicher betriebsbedingter außerordentlicher Kündigung nicht zu vergleichen.

18

c) Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB kann sich - ebenso wie ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG - aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher, von äußeren Faktoren nicht „erzwungener“ Maßnahmen ergeben( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 15 ).

19

aa) Die einer betrieblich-organisatorischen Maßnahme zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist außerdem, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfallen ist ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 1 6; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11  - Rn. 21 ).

20

bb) Dies gilt einmal in Fällen ordentlicher Kündigungen iSv. § 1 KSchG. Auf eine in Teilen des Schrifttums für erforderlich gehaltene Abwägung der wirtschaftlichen Vorteile, die der Arbeitgeber durch seine Maßnahme erlangt, gegen die Nachteile, die der Arbeitnehmer durch den Arbeitsplatzverlust erleidet (Däubler Die Unternehmerfreiheit im Arbeitsrecht S. 32, 44; Stein AuR 2013, 243, 248), kommt es de lege lata nicht an. Soweit hierfür auf die Ausfüllungsbedürftigkeit des Merkmals der „Dringlichkeit“ iSv. § 1 Abs. 2 KSchG abgestellt wird, wird möglicherweise übersehen, dass nicht die unternehmerisch-wirtschaftlichen Erfordernisse dringend sein müssen, sondern die betrieblichen(ebenso Krause in vHH/L 15. Aufl. § 1 Rn. 758 mwN). Führt die Umsetzung einer unternehmerischen Organisationsentscheidung auf betrieblicher Ebene spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für einen Arbeitnehmer und kann dieser auch nicht anderweit weiterbeschäftigt werden, bestehen „dringende betriebliche Erfordernisse“, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstehen und die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses bedingen können. Für die Bewertung der betrieblichen Erfordernisse als „dringend“ kommt es nicht darauf an, in welchem Ausmaß für das Unternehmen wirtschaftliche Vorteile durch die Maßnahme zu erwarten sind. Die unternehmerische Entscheidung zur Umorganisation ist mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG bis zur Grenze der offensichtlichen Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür frei. Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen - wirtschaftlichen - Gründen getroffen wurde, Rechtsmissbrauch also die Ausnahme ist (BAG 29. März 2007 - 2 AZR 31/06 - Rn. 24; 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - Rn. 31; 24. Oktober 1979 - 2 AZR 940/77 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 32, 150). Darauf, ob die Maßnahme für den Bestand des Unternehmens notwendig, gar zwingend notwendig ist, kommt es ebenso wenig an, wie darauf, ob eine „hohe Zahl von Insolvenzen“ im Nachhinein für Fehleinschätzungen sprechen kann (so aber Stein AuR 2013, 243, 247) oder sich der Arbeitgeber auf einen „Dialog über Alternativen“ eingelassen hat (Stein aaO). Es ist nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG dem Arbeitgeber überlassen, wie er sein Unternehmen führt, ob er es überhaupt weiterführt und ob er seine Betätigungsfelder einschränkt. Er kann grundsätzlich Umstrukturierungen allein zum Zwecke der Ertragssteigerung vornehmen. Es kann unter Geltung von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ohnehin nicht darum gehen, ihm die fragliche organisatorische Maßnahme als solche gerichtlich zu untersagen, sondern nur darum, ob ihre tatsächliche Umsetzung eine Kündigung rechtfertigt(so auch Däubler aaO S. 44). Deren Wirksamkeit wiederum kann nach der Konzeption des Kündigungsschutzgesetzes nicht etwa davon abhängen, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Zahlung einer Abfindung anbietet (so aber Däubler aaO).

21

cc) Dies gilt gleichermaßen in Fällen, in denen von der fraglichen Maßnahme ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist, dessen Arbeitsverhältnis nur außerordentlich nach § 626 BGB gekündigt werden kann( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 1 7; 6. Oktober 2005 - 2 AZR 362/04  - zu B V 3 a der Gründe). Die Gestaltung des Betriebs, die Antwort auf die Frage, ob und in welcher Weise sich der Arbeitgeber wirtschaftlich betätigen will, sind Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zu dieser gehört das Recht, das Unternehmen aufzugeben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben soll, und festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO ; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01  - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31 ; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Der Arbeitgeber muss deshalb regelmäßig auch dann nicht von einer Fremdvergabe von Tätigkeiten absehen, wenn dadurch einem ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnis die Grundlage entzogen wird ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO ; HaKo/Gallner/Mestwerdt 4. Aufl. § 1 Rn. 749; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 158; APS/Kiel 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 318d; aA - Outsourcing nur bei ansonsten unvermeidbarer Betriebsschließung - Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler KSchR 8. Aufl. § 626 BGB Rn. 163; Däubler FS Heinze S. 121, 127). Ob ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gegeben ist, hängt in diesen Fällen davon ab, ob jedwede Möglichkeit ausgeschlossen ist, den Arbeitnehmer anderweit sinnvoll einzusetzen, und der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung für erhebliche Zeiträume an ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis gebunden und aus diesem zur Vergütung verpflichtet wäre. Der in Tarifverträgen an eine bestimmte Dauer der Betriebszugehörigkeit und ein bestimmtes Lebensalter geknüpfte Ausschluss der ordentlichen Kündigung ist regelmäßig nicht dahin zu verstehen, dass damit die Möglichkeit einer betriebsbedingten Kündigung generell - auch als außerordentliche - zumindest für die Fälle ausgeschlossen sein soll, in denen der Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses auf wirtschaftlich nicht zwingend notwendigen unternehmerischen Organisationsentscheidungen beruht. Dass eine solche mittelbare Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit - unbeschadet ihrer Rechtswirksamkeit - gewollt wäre, lässt sich tariflichen Regelungen, nach denen der besondere Kündigungsschutz allein vom Lebensalter und der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängt, ohne besondere Anhaltspunkte nicht entnehmen. Etwas anderes kann gelten, wenn der tarifliche oder einzelvertragliche Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen die Gegenleistung des Arbeitgebers für einen Verzicht auf bestimmte Rechtsansprüche durch die Arbeitnehmer darstellt. Auch dann ist der Arbeitgeber zwar rechtlich nicht gehindert, bestimmte, wirtschaftlich nicht zwingend notwendige Organisationsentscheidungen zu treffen, die zum Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses für geschützte Arbeitnehmer führen, und ist ein Verzicht des Arbeitgebers auf die Möglichkeit der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung als solcher wegen Verstoßes gegen § 626 Abs. 1 BGB rechtlich ausgeschlossen. Eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer bis zum zeitlich vorgesehenen Ende des - in aller Regel befristeten - Kündigungsausschlusses wird aber in dieser Situation nur im Extremfall anzunehmen sein.

22

dd) Insofern besteht auch kein Widerspruch zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Oktober 2002 (- II ZR 353/00 -), in welcher dieser auf die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eines Geschäftsführerdienstvertrags wegen des auf geschäftspolitischen Gründen beruhenden Beschlusses der Muttergesellschaft, den Betrieb ihrer Tochtergesellschaft einzustellen, erkannt hat (eine Divergenz bejahend aber Stein DB 2013, 1299, 1301). Dort war eine ordentliche Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags nicht dauerhaft, sondern im Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung nur noch für gut ein Jahr ausgeschlossen.

23

ee) Die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Berufswahlfreiheit der betroffenen Arbeitnehmer bietet keinen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen. Allerdings strahlt das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an Bestandsschutz auf die Auslegung und Anwendung der kündigungsrechtlichen Vorschriften aus. Daher haben die Gerichte von Verfassungs wegen zu prüfen, ob von deren Anwendung im Einzelfall Grundrechte des Arbeitnehmers berührt sind. Trifft das zu, haben sie die einfachgesetzlichen Vorschriften, soweit möglich, im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwenden ( BVerfG 19. März 1998 - 1 BvR 10/97  -; 8. Juli 1997 -  1 BvR 2111/94 , 1 BvR 195/95 , 1 BvR 2189/95  - BVerfGE 96, 171 ; BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 1 8; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01  - zu II 1 c der Gründe, BAGE 103, 31 ; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Dem entspricht es, dass die Darlegung der Kündigungsgründe umso detaillierter sein muss, je näher die fragliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss heranrückt ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO ; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11  - Rn. 22 ).

24

2. In Anwendung dieser Grundsätze mangelte es im Streitfall nicht bereits deshalb an einem wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB, weil die von der Beklagten getroffene Organisationsentscheidung rechtlich zu beanstanden wäre.

25

a) Nach den bisherigen Feststellungen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte rechtsmissbräuchlich entschieden hätte, mit den Reinigungsarbeiten ein anderes Unternehmen zu beauftragen. Die Beklagte hat ua. geltend gemacht, die Fremdvergabe ermögliche es ihr, Ausfälle bei Krankheit oder Urlaub leichter zu überbrücken. Diese Erwägungen sind weder sachfremd noch willkürlich. Ihre Umsetzung ist von Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt. Es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, der Beklagten eine „bessere“ oder „richtige“ Unternehmenspolitik vorzuschreiben und damit in ihre wirtschaftliche Kalkulation einzugreifen (vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 21; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01  - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31 ).

26

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bedurfte es auch angesichts der ordentlichen Unkündbarkeit der Klägerin keiner besonderen Umstände - wie etwa der Notwendigkeit einer Änderung der Produktpalette oder einer angespannten betriebswirtschaftlichen Situation -, die die durchgeführte Umstrukturierung als unumgänglich ausgewiesen hätten. Zwar hat der Senat in den Entscheidungen vom 26. März 2009 (- 2 AZR 879/07 -) und 2. März 2006 (- 2 AZR 64/05 -) - bezogen auf eine Änderungskündigung - angenommen, der Arbeitgeber müsse bereits bei Erstellung seines unternehmerischen Konzepts geltende Kündigungsbeschränkungen berücksichtigen (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 56; 2. März 2006 - 2 AZR 64/05 - Rn. 28), und hat daraus gefolgert, dies wirke sich im Prozess bei der Darlegungslast aus; aus dem Vorbringen des Arbeitgebers müsse erkennbar sein, dass er auch angesichts der bestehenden Kündigungsbeschränkungen alles Zumutbare unternommen habe, um die durch sein Konzept notwendig werdenden Anpassungen der Vertragsbedingungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 57; 2. März 2006 - 2 AZR 64/05 - Rn. 29). Die unternehmerische Entscheidung selbst unterliegt aber nicht deshalb einer weiter reichenden gerichtlichen Kontrolle, weil vom Arbeitsplatzabbau (auch) ordentlich unkündbare Arbeitnehmer betroffen sind. Vom Arbeitgeber im Einzelnen darzulegen und von den Gerichten zu überprüfen ist hingegen, dass bzw. ob das fragliche unternehmerische Konzept eine (Änderungs-)Kündigung tatsächlich erzwingt.

27

c) Der Ausschluss der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung erforderte es auch nicht, dass die Beklagte Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin neu schüfe. Es kommt allein darauf an, ob andere Beschäftigungsmöglichkeiten tatsächlich bestanden. Die Beklagte hat detailliert dazu vorzutragen, weshalb dies nicht der Fall gewesen sein soll. Unter diesem Gesichtspunkt hat das Landesarbeitsgericht ihr Vorbringen bisher nicht gewürdigt.

28

aa) Anders als in dem Fall, der der vom Landesarbeitsgericht angeführten Entscheidung des Senats vom 26. September 2002 (- 2 AZR 636/01 - BAGE 103, 31) zugrunde lag, bestand hier ein Beschäftigungsbedürfnis nicht etwa deshalb fort, weil in den betrieblichen Abläufen faktisch keine Änderung eingetreten wäre. Die Reinigungsarbeiten sollten an das beauftragte Unternehmen zur selbständigen Erledigung vergeben und nicht durch eine in das Unternehmen der Arbeitgeberin voll eingegliederte Organgesellschaft verrichtet werden. Ein Beschäftigungsbedarf bei der Beklagten bestand gerade nicht fort. Nach deren Vorbringen lag stattdessen ein Betriebsteilübergang vor. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wäre danach gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf das beauftragte Unternehmen übergegangen, hätte diese dem nicht widersprochen.

29

bb) Ebenso wenig steht bislang fest, dass zum Zeitpunkt der Kündigung Arbeitsplätze frei gewesen wären, die die Beklagte der Klägerin wegen des Vorrangs der Änderungskündigung hätte anbieten müssen (vgl. dazu BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 25 und 27).

30

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar.

31

1. Eine außerordentliche Kündigung schied nach dem festgestellten Sachverhalt nicht schon deshalb aus, weil die Beklagte nur noch für eine nicht erhebliche Zeit an ein ggf. sinnentleertes Arbeitsverhältnis mit der Klägerin gebunden gewesen wäre. Die Klägerin war bei Ablauf der Auslauffrist am 30. September 2011 45 Jahre alt und damit weit entfernt von einer tariflichen Altersgrenze.

32

2. Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte die zweiwöchige Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten hätte. Der - unterstellte - Wegfall des Beschäftigungsbedarfs ist ein „Dauertatbestand“. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt deshalb stets von Neuem(vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 28; 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97  - zu II 4 der Gründe, BAGE 88, 10 ).

33

3. Die Kündigung ist nach den bisherigen Feststellungen nicht gem. § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Die Klägerin hat eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung zwar bestritten. Das Landesarbeitsgericht hat aber festgestellt, dass der Betriebsrat mit Schreiben vom 4. März 2011 zu der beabsichtigten Kündigung angehört worden ist, und hat dazu auf den Inhalt des Anhörungsschreibens Bezug genommen. Danach hat die Beklagte den Betriebsrat hinreichend über die Gründe für die Kündigung unterrichtet. Inwiefern dessen Anhörung gleichwohl fehlerhaft gewesen sei, hat die Klägerin nicht dargelegt.

34

III. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist aufzuheben, soweit es der Kündigungsschutzklage stattgegeben hat. In diesem Umfang ist die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegeben war, steht noch nicht fest. Das Landesarbeitsgericht hat - wie ausgeführt und aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft, ob der Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin trotz Umsetzung ihrer Organisationsentscheidung möglich und zumutbar war. Dies wird es unter Beachtung der nachstehenden Erwägungen nachzuholen haben.

35

1. Die Anforderungen an die Bemühungen des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung eines vom Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes betroffenen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers sind hoch. Es muss sichergestellt sein, dass eine Kündigung unumgänglich ist ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 34). Bei der Prüfung, ob eine außerordentliche Kündigung - mit notwendiger Auslauffrist - gegenüber einem tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer berechtigt ist, ist zunächst die tarifliche Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes als solche zu berücksichtigen. Stellt schon die tarifliche Regelung selbst dem Arbeitgeber bestimmte Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung, um sich bei dringenden betrieblichen Gründen aus einem unzumutbar gewordenen vertraglichen Zustand zu lösen, so hat er in erster Linie von diesen Gebrauch zu machen. Erst wenn feststeht, dass auch sie versagen, kann eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer in Betracht kommen ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 3 5; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02  - zu II 3 c der Gründe). Aufgrund welcher tarifvertraglichen Vorschriften die Klägerin im Streitfall ordentlich unkündbar war, ist vom Landesarbeitsgericht bisher nicht festgestellt.

36

2. Den hohen materiellrechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines aus betrieblichen Erfordernissen resultierenden wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB entsprechen die prozessualen Anforderungen an den Umfang der Darlegungen des Arbeitgebers( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn.  41; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08  - Rn. 21 ). Der Arbeitgeber hat von sich aus darzutun, dass keinerlei Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis - ggf. zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung - sinnvoll fortzusetzen. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichenbetriebsbedingten Kündigung zum „wichtigen Grund“. Es ist deshalb vom Arbeitgeber darzulegen ( BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - aaO ; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02  - zu II 3 d der Gründe ).

37

IV. Die Revision ist unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von Vergütung für die Monate April bis Juni 2011 in Höhe von 331,43 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt hat.

38

1. Der Anspruch der Klägerin folgt aus einem Annahmeverzug der Beklagten gem. § 611 Abs. 1 iVm. § 615 Satz 1, §§ 293 ff. BGB.

39

a) Im fraglichen Zeitraum bestand das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fort.

40

aa) Auch wenn der Betriebsteil „Reinigungsdienste“ auf das beauftragte Reinigungsunternehmen übergegangen sein mag, ist dieses nicht gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit der Klägerin eingetreten. Die Klägerin hatte dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses gem. § 613a Abs. 6 BGB widersprochen.

41

bb) Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestand in den Monaten April bis Juni 2011 unabhängig von der Wirksamkeit der Kündigung vom 18. März 2011. Die Kündigung war zwar außerordentlich, aber erst zum 30. September 2011 ausgesprochen worden.

42

b) Die Beklagte befand sich mit der Annahme der Leistung der Klägerin in Verzug (§ 615 Satz 1 iVm. §§ 293 ff. BGB). Sie hatte durch die Freistellung der Klägerin eine Annahme von deren Arbeitsleistung generell abgelehnt. Damit geriet sie, ohne dass es noch eines tatsächlichen oder wörtlichen Angebots der Klägerin bedurft hätte, gem. § 296 Satz 1 BGB in Gläubigerverzug(vgl. ErfK/Preis 13. Aufl. § 611 BGB Rn. 571).

43

c) § 297 BGB steht dem nicht entgegen. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, die Klägerin sei im fraglichen Zeitraum nicht leistungswillig und damit iSv. § 297 BGB zur Leistung außerstande gewesen, hat sie hierfür keine hinreichenden Umstände dargelegt. Die Klägerin hatte zwar mit Wirkung ab April 2011 auf Vermittlung der Beklagten einen befristeten Arbeitsvertrag mit dem beauftragten Unternehmen geschlossen. Die Beklagte hatte sie aber für den Fall der Annahme des Angebots unwiderruflich von der Arbeitsleistung ihr gegenüber freigestellt und mit ihr lediglich die Anrechenbarkeit des Zwischenverdienstes vereinbart. Dies rechtfertigt es nicht, die Klägerin im Verhältnis zur Beklagten als nicht leistungswillig anzusehen.

44

2. Die Klägerin kann jedenfalls den vom Landesarbeitsgericht titulierten Betrag verlangen.

45

a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, bei diesem Betrag handele es sich um die Differenz zwischen der der Klägerin gegenüber der Beklagten zustehenden Vergütung für die Zeit von April bis Juni 2011 und den anzurechnenden Zahlungen des beauftragten Unternehmens für den gleichen Zeitraum. Dagegen erhebt die Revision keine Einwände.

46

b) Der der Klägerin vom Landesarbeitsgericht zugesprochene Differenzanspruch steht dieser in voller Höhe auch dann zu, wenn das Arbeitsverhältnis der Parteien am 30. September 2011 geendet haben sollte. Das Landesarbeitsgericht hat seiner - von ihm nicht nachvollziehbar dargestellten - Berechnung den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien über dieses Datum hinaus zugrunde gelegt. Es hat ferner angenommen, dieser Umstand führe dazu, dass sich die Klägerin auf ihre Ansprüche gegen die Beklagte auch das vom Drittunternehmen erst nach dem 30. September 2011 gezahlte Urlaubsgeld 2011 mit seinem vollen Betrag anrechnen lassen müsse. Der Senat hat davon auszugehen, dass das Landesarbeitsgericht diese Erwägungen rechnerisch umgesetzt und bei seiner Tenorierung berücksichtigt hat. Damit hat die Klägerin in jedem Fall mindestens Anspruch auf den vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Betrag. Sollte sich die Kündigung der Beklagten als wirksam erweisen und das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2011 geendet haben, könnte sich das allenfalls zugunsten der Klägerin auswirken. Ansprüche auf Vergütung für die Zeit nach dem 30. September 2011 hat sie nicht erhoben. Das vom Drittunternehmen geleistete Urlaubsgeld wäre deshalb womöglich auf die für die Zeit davor verlangte Vergütung entweder gar nicht oder doch nicht in vollem Umfang anzurechnen.

47

3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 5. Juli 2012 - 15 Sa 759/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Textilindustrie. Sie hat in J/Tschechische Republik eine unselbständige Betriebsstätte, in der sie Verbandstoffe herstellt. Die Endfertigung der Stoffe einschließlich Verpackung und Versand erfolgte an ihrem Sitz in W/Nordrhein-Westfalen. Die 1965 geborene Klägerin war seit Januar 1984 bei der Beklagten am Standort W als Textilarbeiterin beschäftigt. Zuletzt war sie als Vorarbeiterin gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.474,57 Euro tätig.

3

Im Juni 2011 beschloss die Beklagte, die Produktion in W zum 31. Januar 2012 vollständig einzustellen und funktionstüchtige Maschinen nach J zu verbringen. Die Abteilungen Großversand, Warenannahme, Lager und Qualitätssicherung sollten zum 30. Juni 2012 geschlossen werden. Der kaufmännische Bereich - bestehend aus Finanzbuchhaltung, Lohnabrechnung, Ein- und Verkauf - sollte in W verbleiben.

4

Am 27. Juni 2011 zeigte die Beklagte der zuständigen Agentur für Arbeit die beabsichtigte Entlassung von 15 Arbeitnehmern an. Mit Schreiben vom 28. Juni 2011, das der Klägerin am selben Tag zuging, kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. Januar 2012. Daneben kündigte sie - bis auf zwei Ausnahmen - die Arbeitsverhältnisse der übrigen in W eingesetzten gewerblichen Arbeitnehmer. Die beiden nicht gekündigten Produktionsmitarbeiter beschäftigte sie bis zum 30. Juni 2012 weiter.

5

Die Klägerin hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat geltend gemacht, die Kündigung sei nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und deshalb sozial ungerechtfertigt. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten hätten durchaus - jedenfalls in J - bestanden. Die soziale Auswahl sei fehlerhaft. Spätestens nach einer Einarbeitungszeit von sechs Wochen sei sie in der Lage gewesen, die im gewerblichen Bereich noch anfallenden Arbeiten zu erledigen. Zudem fehle es an einer wirksamen Massenentlassungsanzeige.

6

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28. Juni 2011 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sie zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsvertrags als Vorarbeiterin bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens weiterzubeschäftigen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wirksam. Sie sei durch die Entscheidung zur Stilllegung der Produktion am Standort W bedingt. Die organisatorische Maßnahme habe sich im Kündigungszeitpunkt bereits greifbar abgezeichnet und sei termingerecht umgesetzt worden. Damit seien die bisherigen Beschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin weggefallen. Eine Verpflichtung, diese in der Betriebsstätte J weiterzubeschäftigen, habe nicht bestanden. Abgesehen von der Unzumutbarkeit eines entsprechenden Änderungsangebots ergebe sich aus dem Kündigungsschutzgesetz keine Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer auf einem anderen - freien - Arbeitsplatz in einem ausländischen Betrieb oder Betriebsteil weiterzubeschäftigen. Die soziale Auswahl sei nicht zu beanstanden. Die Massenentlassungsanzeige sei ordnungsgemäß erfolgt.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren unverändert weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung vom 28. Juni 2011 mit Ablauf des 31. Januar 2012 aufgelöst worden.

10

I. Die Kündigung ist nicht nach § 17 Abs. 2, Abs. 3 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam. Das Landesarbeitsgericht hat - unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts - angenommen, die Beklagte habe vor Zugang der Kündigung eine wirksame Massenentlassungsanzeige erstattet. Diese Würdigung, die von der Revision nicht angegriffen wird, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Ihrem unstreitigen Vorbringen zufolge hat die Beklagte am 27. Juni 2011 gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit unter Verwendung des dafür vorgesehenen Formblatts schriftlich die Entlassung von 15 Arbeitnehmern angezeigt. Die Anzeige enthält die nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG erforderlichen Pflichtangaben. Der Beifügung einer Stellungnahme iSv. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG bedurfte es nicht. Ein Betriebsrat war bei der Beklagten nicht gebildet.

11

II. Die Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam. Sie ist iSv. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG sozial gerechtfertigt.

12

1. Die Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt.

13

a) Dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung bedingen, können sich daraus ergeben, dass der Arbeitgeber sich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer im Betrieb dauerhaft entfallen lässt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 33; 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21). Ohne Einschränkung nachzuprüfen ist hingegen, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - aaO).

14

b) Wird die Kündigung auf eine zu erwartende künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, braucht diese bei Kündigungsausspruch noch nicht tatsächlich eingetreten zu sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet (vgl. BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 19; 9. September 2010 - 2 AZR 493/09 - Rn. 22). Das ist der Fall, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die auf objektive Tatsachen gestützte, vernünftige betriebswirtschaftliche Prognose gerechtfertigt ist, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde mit einiger Sicherheit ein die Entlassung erforderlich machender betrieblicher Grund vorliegen (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - aaO; 23. Februar 2010 - 2 AZR 268/08 - Rn. 18, BAGE 133, 240). Allerdings muss eine der entsprechenden Prognose zugrunde liegende eigene unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers bereits im Kündigungszeitpunkt endgültig getroffen worden sein. Andernfalls kann eine zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeiten führende Entscheidung nicht sicher prognostiziert werden (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - aaO).

15

c) Daran gemessen lagen im Kündigungszeitpunkt Gründe iSd. § 1 Abs. 2 KSchG vor.

16

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe im Juni 2011 den Entschluss gefasst, ihre Produktionstätigkeit am Standort W Ende Januar 2012 auf Dauer einzustellen und die „Endfertigung“ ihrer Verbandstoffe künftig in ihrer tschechischen Betriebsstätte durchführen zu lassen. Ihre Entscheidung habe sie den Planungen entsprechend auch umgesetzt. Diese Feststellungen greift die Revision nicht an.

17

bb) Im Kündigungszeitpunkt war danach die Prognose gerechtfertigt, im Umfang entsprechender personeller Überkapazitäten werde das Beschäftigungsbedürfnis für Mitarbeiter im Produktionsbereich am Standort W mit Ablauf der jeweiligen Kündigungsfrist entfallen (zur Produktionsverlagerung ins Ausland: vgl. BAG 18. September 19972 AZR 657/96 - Rn. 12 ff.; zur Schließung von Dienststellen/Standorten bei gleichzeitiger Konzentration von Aufgaben an einem anderen Standort: siehe BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - Rn. 17; 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 31). Zum wesentlichen Inhalt der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit gehört die Freiheit zur Gestaltung der betrieblichen Organisation. Sie umfasst auch die Festlegung, an welchem Standort welche arbeitstechnischen Ziele verfolgt werden. Es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, dem Arbeitgeber insoweit eine „bessere“ oder „richtigere“ Betriebs- oder Unternehmensstruktur vorzuschreiben (vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 21; 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31).

18

cc) Für eine getroffene und - wie im Streitfall - durchgeführte Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht. Es oblag deshalb der Klägerin, die Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die Entscheidung der Beklagten offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 26 mwN). Dies ist ihr nicht gelungen. Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte habe vor der Produktionsverlagerung mit den in W beschäftigten Arbeitnehmern über eine Absenkung der Vergütung verhandeln müssen. Das ist kein beachtlicher Einwand. Das Unterlassen entsprechender Bemühungen führt nicht dazu, dass die Entscheidung der Beklagten rechtsmissbräuchlich wäre, zumal es ihr nicht nur um eine Einsparung von Lohnkosten ging, sondern auch um eine Reduzierung von Transportkosten.

19

dd) Der Umstand, dass die Beklagte ihre unternehmerische Tätigkeit im Bereich der „Endfertigung“ nicht vollständig aufgegeben hat, steht der sozialen Rechtfertigung der Kündigung nicht entgegen.

20

(1) Die Verlagerung der mit der „Endfertigung“ zusammenhängenden Tätigkeiten nach J ändert - unbeschadet der Frage, wie der Begriff des „Betriebes“ in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu verstehen ist - nichts daran, dass der bisherige Arbeitsplatz der Klägerin als solcher ersatzlos weggefallen ist. Für diese Bewertung spricht die erhebliche räumliche Entfernung zwischen den fraglichen Standorten, die - ausgehend von der in den Vorinstanzen mitgeteilten Anschrift der tschechischen Betriebsstätte der Beklagten - mehr als 800 Kilometer beträgt. Hinzu kommt, dass nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten die alte Betriebsgemeinschaft im betreffenden Arbeitsbereich tatsächlich aufgelöst worden ist (zur Betriebsverlagerung als Betriebsstilllegung: vgl. BAG 12. Februar 1987 - 2 AZR 247/86 - zu II 1 a der Gründe). Die Einstellung der Produktion in Deutschland bewirkte überdies, dass der Beklagten nach dem 31. Januar 2012 eine Weiterbeschäftigung der Klägerin auf der bisherigen Vertragsgrundlage nicht mehr möglich war. Zwar haben die Parteien im Arbeitsvertrag einen bestimmten Arbeitsort nicht ausdrücklich vereinbart. Daraus folgt aber nicht, dass die Beklagte der Klägerin einseitig eine Tätigkeit in ihrer tschechischen Betriebsstätte hätte zuweisen können. Ist der Arbeitsort nicht näher bestimmt, kann der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer auf der Grundlage seines Direktionsrechts (§ 106 GewO)allenfalls innerhalb der Grenzen des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland versetzen (zum Meinungsstand: vgl. ErfK/Preis 13. Aufl. § 106 GewO Rn. 16). Soweit die Klägerin nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet sein sollte, „auch eine andere Tätigkeit in der Firma auszuüben“, kann daraus - unabhängig davon, ob es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen oder um atypische Erklärungen handelt - nicht abgeleitet werden, die Beklagte habe sich eine länderübergreifende Versetzung der Klägerin vorbehalten wollen. Für ein solches Verständnis fehlt es an Anhaltspunkten, zumal im Arbeitsvertrag als „Firma“ die Beklagte unter ihrer Anschrift in W bezeichnet ist. Die Parteien verstehen ihre Vereinbarungen selbst nicht anders.

21

(2) Die Kündigung ist nicht unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs der Änderungskündigung unwirksam. Insoweit kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass zumindest ein Teil der im Bereich der „Endfertigung“ erledigten Tätigkeiten in der tschechischen Betriebsstätte der Beklagten weiterhin anfällt und dort ein entsprechender zusätzlicher Arbeitskräftebedarf entstanden ist. Bei den fraglichen Stellen handelt es sich nicht um „freie“ Arbeitsplätze iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b, Satz 3 KSchG.

22

(a) Eine Kündigung ist nur dann iSd. § 1 Abs. 2 KSchG durch „dringende“ betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, dem bei Ausspruch der Kündigung absehbaren Wegfall des Beschäftigungsbedarfs durch andere Maßnahmen - sei es technischer, organisatorischer oder wirtschaftlicher Art - als durch eine Beendigungskündigung zu entsprechen. Das Merkmal der „Dringlichkeit” der betrieblichen Erfordernisse ist Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (ultima-ratio-Prinzip), aus dem sich ergibt, dass der Arbeitgeber vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer eine sowohl diesem als auch ihm selbst objektiv mögliche anderweitige Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz, ggf. zu geänderten Bedingungen, anbieten muss (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 29; 23. November 2004 - 2 AZR 38/04 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 112, 361). Diese in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b, Satz 3 KSchG konkretisierte Kündigungsschranke gilt unabhängig davon, ob in dem Betrieb ein Betriebsrat besteht und ob dieser der Kündigung widersprochen hat (BAG 2. Februar 2006 - 2 AZR 38/05 - Rn. 20 mwN).

23

(b) Erfüllt der Arbeitnehmer das Anforderungsprofil der fraglichen Stelle, bedarf es grundsätzlich keiner weiter gehenden Prüfung, ob dem Arbeitnehmer die Tätigkeit zumutbar ist. Das gilt auch dann, wenn deren Zuweisung eine Vertragsänderung erforderlich macht. Eine ggf. erforderliche Änderungskündigung darf nur in „Extremfällen“ unterbleiben, zB bei einer völlig unterwertigen Beschäftigung. Der Arbeitnehmer soll grundsätzlich selbst entscheiden können, ob er eine Weiterbeschäftigung unter veränderten, möglicherweise sogar erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen für zumutbar erachtet oder nicht (BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 656/08 - Rn. 57, BAGE 133, 226; 5. Juni 2008 - 2 AZR 107/07 - Rn. 15).

24

(c) Für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Dabei gilt eine abgestufte Darlegungslast. Bestreitet der Arbeitnehmer lediglich den Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes, genügt der Vortrag des Arbeitgebers, wegen der betrieblichen Notwendigkeiten sei eine Weiterbeschäftigung zu den gleichen Bedingungen nicht möglich. Will der Arbeitnehmer vorbringen, es sei eine Beschäftigung an anderer Stelle möglich, obliegt es ihm darzulegen, wie er sich diese Beschäftigung vorstellt. Erst daraufhin muss der Arbeitgeber eingehend erläutern, aus welchen Gründen eine Umsetzung nicht in Betracht kam (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 30; 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 21).

25

(d) Danach hat sich die Klägerin nicht auf eine geeignete anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit berufen, soweit sie die Auffassung vertreten hat, die Arbeitsplätze in W hätten bei Entwicklung eines Sanierungskonzepts erhalten werden können. Der Arbeitgeber ist in den Grenzen der Willkür frei in seiner Entscheidung, an welchem Standort er seine unternehmerische Tätigkeit entfaltet. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten können deshalb nur im Rahmen der von ihm vorgegebenen Arbeitsorganisation Berücksichtigung finden (vgl. BAG 27. September 2001 - 2 AZR 246/00 - zu I 1 c cc der Gründe).

26

(e) Die Beklagte musste der Klägerin zur Vermeidung einer Beendigungskündigung nicht eine Weiterbeschäftigung in J anbieten.

27

Der Berücksichtigung der fraglichen Stellen steht zwar nicht deren Anforderungsprofil entgegen, wie die Beklagte gemeint hat. Diese hat sich hierfür lediglich auf sprachliche Barrieren berufen. Ihr pauschaler Vortrag lässt nicht erkennen, welche Anforderungen der Arbeitsplatz an die Sprachkenntnisse der Klägerin objektiv stellt und weshalb mögliche Hindernisse nicht innerhalb einer zumutbaren Einarbeitungszeit hätten überwunden werden können.

28

Die Beklagte brauchte der Klägerin ein entsprechendes Änderungsangebot aber deshalb nicht zu unterbreiten, weil sich die Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b, Satz 3 KSchG, den Arbeitnehmer an einem anderen - freien - Arbeitsplatz im selben oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens zu beschäftigen, grundsätzlich nicht auf Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb oder Betriebsteil des Unternehmens erstreckt. Ob dies auch dann gilt, wenn der Arbeitgeber ganze Betriebe oder doch Betriebsteile ins Ausland verlagert, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Es fehlt an Anhaltspunkten dafür, dass es sich bei dem Bereich „Endfertigung“ um einen organisatorisch abgegrenzten Betriebsteil handelte.

29

(aa) Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit der hier aufgeworfenen Rechtsfrage noch nicht näher befasst. Sie war entweder deshalb, weil sich der Arbeitnehmer nicht auf eine Weiterbeschäftigung im Ausland berufen hatte (vgl. BAG 18. September 1997 - 2 AZR 657/96 -), oder aus anderen Gründen (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 89) nicht entscheidungserheblich.

30

(bb) Das Landesarbeitsgericht geht davon aus, etwaige Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Ausland seien im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG nicht zu berücksichtigen. Als „Betrieb“ iSv. § 1 KSchG seien nur die in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen organisatorischen Einheiten bzw. Teile eines Unternehmens anzusehen (im Ergebnis ebenso LAG Berlin-Brandenburg 5. Mai 2011 - 5 Sa 219/11 - und - 5 Sa 220/11 -; LAG Hamburg 11. Mai 2011 - 5 Sa 1/11 -; Bader/Bram/Bram § 1 KSchG Rn. 305; Hoffmann-Remy/Zaumseil DB 2012, 1624; Horcher FA 2010, 43, 44; aA LAG Hamburg 22. März 2011 - 1 Sa 2/11 -; SES/Schwarze § 1 Rn. 315; Gravenhorst jurisPR-ArbR 41/2012 Anm. 4; Deinert JbArbR Bd. 50 S. 77, 96; mit Einschränkungen auch HWK/Quecke 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 277; Wisskirchen DB 2007, 340, 345 f.).

31

(cc) Dies ist jedenfalls für die hier vorliegende Konstellation zutreffend.

32

(aaa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts findet der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes - sofern eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes kein anderes Ergebnis gebietet - nur auf in Deutschland gelegene Betriebe Anwendung (BAG 26. März 2009 - 2 AZR 883/07 - Rn. 13; 17. Januar 2008 - 2 AZR 902/06 - Rn. 18, BAGE 125, 274). Das ergibt die am Wortlaut, an der Systematik und der Entstehungsgeschichte sowie an Sinn und Zweck des § 23 KSchG orientierte Auslegung(im Einzelnen BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 902/06 - Rn. 23 ff., aaO). Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Verständnis des kündigungsschutzrechtlichen Betriebsbegriffs von Verfassungs wegen nicht beanstandet (vgl. BVerfG 12. März 2009 - 1 BvR 1250/08 -).

33

(bbb) Die sich daraus ergebenden Beschränkungen des durch das Kündigungsschutzgesetz gewährleisteten Bestandsschutzes sind auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 KSchG zu berücksichtigen. Die Regelung knüpft, soweit sie die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf das Unternehmen ausdehnt, an die Beschäftigung in „Betrieben“ an. Der „Unternehmensbezug“ der Weiterbeschäftigungspflicht besteht nur mittelbar, dh. vermittelt über den Betriebsbegriff. Der Begriff des „Betriebes“ in § 1 KSchG ist grundsätzlich nicht anders zu verstehen als in § 23 KSchG(st. Rspr., vgl. BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 902/06 - Rn. 16, BAGE 125, 274; 3. Juni 2004 - 2 AZR 386/03 - Rn. 28).

34

(ccc) Für die Beschränkung der Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers auf organisatorische Einheiten, die in Deutschland gelegen sind, spricht insbesondere der - bereits für die Auslegung des Betriebsbegriffs in § 23 Abs. 1 KSchG maßgebende - Gesichtspunkt, dass die Frage nach der Sozialwidrigkeit der Kündigung nahezu immer eine Einbeziehung der betrieblichen Gegebenheiten erfordert. Das betrifft - neben der gesetzlich vorgeschriebenen Sozialauswahl - in besonderem Maße die in Rede stehende Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer ggf. eine anderweitige Beschäftigung im selben oder in einem anderen Betrieb seines Unternehmens anzubieten. Schon die Beurteilung, ob freie Beschäftigungskapazitäten in einem ausländischen Betrieb zur Verfügung stehen, kann in der Regel nicht losgelöst von den Rechtsverhältnissen der dort tätigen Arbeitnehmer beurteilt werden. Auch kann es sein, dass mehrere zur Entlassung anstehende Arbeitnehmer betriebsübergreifend um eine geringere Zahl freier Arbeitsplätze konkurrieren. Bei der Prüfung, welcher Arbeitnehmer in einer solchen Situation bei der Stellenbesetzung Vorrang genießt, ist vorausgesetzt, dass gegenüber allen betroffenen Beschäftigten und dem Arbeitgeber dasselbe - deutsche - Arbeitsrecht und Kündigungsschutzrecht angewendet und durchgesetzt werden kann. Diese Voraussetzung sicherzustellen ist das Anliegen der Anknüpfung an den Begriff des „Betriebes“ in § 23 Abs. 1 KSchG(vgl. BAG 26. März 2009 - 2 AZR 883/07 - Rn. 16). Im Rahmen von § 1 KSchG gilt nichts anderes. Die Norm legt fest, unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist. Anders als in einem kohärenten System kann der vom Gesetzgeber mit den Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes angestrebte Ausgleich gegenläufiger Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers, ggf. aber auch der Arbeitnehmer untereinander, nicht gelingen.

35

Überdies könnte sonst die Freiheit des Arbeitgebers bei der Auswahl ggf. neu einzustellender Arbeitnehmer eingeschränkt sein, ohne dass dies dem im ausländischen Betrieb geltenden Recht entsprechen müsste. Auch könnte die Verpflichtung des Arbeitgebers, freie Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb in die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b, Satz 3 KSchG einzubeziehen, zulasten der Beschäftigungschancen Dritter gehen, obwohl diese uU nicht die Möglichkeit hatten, einen deutschen Arbeitnehmern vergleichbaren Bestandsschutz zu erwerben (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 5. Mai 2011 - 5 Sa 219/11 - zu I 2.1.2 der Gründe). Dafür, dass der deutsche Gesetzgeber solch weitreichende Auswirkungen des Kündigungsschutzes beabsichtigt hat, fehlt es an Anhaltspunkten.

36

(ddd) Die Beschränkung der Verpflichtungen aus § 1 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 KSchG auf in Deutschland gelegene „Betriebe“ führt nicht zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung der jeweiligen Belegschaft. Es stellt einen maßgebenden Unterschied dar, ob ein Betrieb im Inland oder Ausland angesiedelt ist. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Feststellung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung an die Voraussetzung zu knüpfen, dass die fragliche betriebliche Organisation in der Bundesrepublik Deutschland liegt, ist nicht willkürlich (vgl. BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 902/06 - Rn. 32, BAGE 125, 274).

37

(eee) Im Streitfall kann dahinstehen, ob „freie“ Arbeitsplätze im Ausland dann zu berücksichtigen sind, wenn die Arbeitsverhältnisse der im ausländischen Betrieb tätigen Arbeitnehmer - etwa aufgrund einer Rechtswahl - deutschem (Kündigungs-)Recht unterliegen (die Berücksichtigung solcher Vertragsverhältnisse jedenfalls bei der Feststellung der Betriebsgröße iSd. § 23 Abs. 1 KSchG erwägend: BAG 26. März 2009 - 2 AZR 883/07 - Rn. 20). Ebenso kann offen bleiben, ob sich ein Arbeitnehmer dann auf eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Ausland berufen kann, wenn im Arbeitsvertrag eine Versetzungsklausel vereinbart ist, die dem Arbeitgeber die Zuweisung einer entsprechenden Tätigkeit ermöglicht (befürwortend Horcher FA 2010, 43, 47). So liegt der Streitfall nicht. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält keine entsprechende Abrede. Dem Vorbringen der Parteien sind auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass auf die Arbeitsverhältnisse der in J tätigen Arbeitnehmer deutsches Recht zur Anwendung gelangte. Darauf, ob das individuelle Arbeitsverhältnis der Parteien im Falle seiner Fortführung im Ausland weiterhin deutschem Recht unterläge oder ob ein Statutenwechsel einträte, kommt es nicht an (zur Problematik vgl. BAG 25. April 2013 - 6 AZR 49/12 - Rn. 166; Deinert JbArbR Bd. 50 S. 77, 83; Junker NZA-Beil. 2012, 8, 9, 14; Pauls Betriebsverlagerung ins Ausland und Wegzugsfreiheit des Unternehmers S. 27 ff.). Ein möglicher Wechsel des Vertragsstatuts könnte zwar im Rahmen der Prüfung, ob ein Änderungsangebot ausnahmsweise entbehrlich ist, Bedeutung gewinnen. Er ist aber für sich genommen kein geeigneter Maßstab für die Beurteilung, ob das Kündigungsschutzgesetz dem Arbeitgeber ggf. die Verpflichtung auferlegt, dem Arbeitnehmer im Wege der Änderungskündigung ein Angebot zur Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz in einem im Ausland gelegenen Betrieb zu unterbreiten (vgl. Hoffmann-Remy/Zaumseil DB 2012, 1624, 1625).

38

(fff) Das Ergebnis widerspricht nicht der Rechtsprechung des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts, nach der von einem - den Tatbestand der Betriebs(teil)stilllegung ausschließenden - Betriebs(teil)übergang iSv. § 613a BGB auch bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt auszugehen sein kann(BAG 26. Mai 2011 - 8 AZR 37/10 - Rn. 36, 45). Im entschiedenen Fall ging es um die - identitätswahrende - Verlagerung eines organisatorisch abgegrenzten Betriebsteils ins (grenznahe und überdies deutschsprachige) Ausland bei gleichzeitigem Wechsel des Betriebsinhabers. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt hier nicht vor. Weder den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch dem beiderseitigen Parteivorbringen ist zu entnehmen, dass es sich bei dem Aufgabenbereich der „Endfertigung“ um einen organisatorisch abgegrenzten Betriebsteil gehandelt hätte, der identitätswahrend als Ganzer nach J verlagert worden wäre.

39

(ggg) Die verfassungskonforme Auslegung des Betriebsbegriffs mag - je nach den Umständen des Falls - ein anderes Ergebnis gebieten, wenn ein Arbeitgeber unweit einer Ländergrenze im In- und Ausland mehrere einheitlich gelenkte Betriebsstätten unterhält und Aufgaben im „kleinem Grenzverkehr“ von der einen in die andere Einheit verlagert (dazu Boigs jurisPR-ArbR 8/2012 Anm. 1). Auch so liegt der Streitfall nicht.

40

2. Die Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt. Das Landesarbeitsgericht hat - unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts - angenommen, die Klägerin sei mit Arbeitnehmern, die über den 31. Januar 2012 hinaus in W weiterbeschäftigt worden seien, nicht vergleichbar. Die Würdigung, die von der Revision nicht angegriffen wird, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Auf eine Sozialauswahl mit Arbeitnehmern, die in der Betriebsstätte J beschäftigt sind, hat sich die Klägerin in den Vorinstanzen nicht berufen. Im Übrigen wären in die Sozialauswahl wegen ihrer Betriebsbezogenheit jedenfalls solche Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, die im Kündigungszeitpunkt im Ausland beschäftigt waren und deren Arbeitsverhältnis nicht deutschem Recht unterlag.

41

III. Der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen.

42

IV. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Wolf    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 27. September 2012 - 2 Sa 408/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte betreibt unter einheitlicher Leitung mehrere Pflegeheime, Kindergärten, Kinder- und Jugendheime, ein Wohnheim und eine Schule. Der 1973 geborene Kläger war bei ihr seit 1. April 2007 als Hausmeister „für den Bereich Seniorenresidenz T mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden“ angestellt. In ihren Einrichtungen beschäftigt die Beklagte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Aufgrund vertraglicher Bezugnahme findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien „der jeweils für den Arbeitgeber geltende Tarifvertrag“ Anwendung. Dies sei, wie es im Arbeitsvertrag heißt, der zwischen dem Arbeitgeberverband der Arbeiterwohlfahrt Thüringen e. V. und dem DHV (Deutscher Handels- und Industrieangestellten-Verband; mittlerweile: DHV - Die Berufsgewerkschaft e. V.) (TV-AWO Thüringen) abgeschlossene Tarifvertrag vom 1. Januar 2006.

3

Die Beklagte holte im März 2011 bei verschiedenen Drittfirmen Angebote über eine selbständige Erledigung der Hausmeisterdienste im Seniorenheim T ein. Mit Schreiben vom 29. Juni 2011 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. Dezember 2011. Im September 2011 vergab sie die Tätigkeit zu einem festen Bruttopreis an einen der ursprünglichen Anbieter. Reparaturen und sonstige Arbeiten sollten ggf. nach besonderer Vereinbarung vergütet werden.

4

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage fristgerecht gegen die Kündigung gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt allenfalls die vage Absicht gehabt, ein fremdes Unternehmen mit den Hausmeisterdiensten zu beauftragen. Ein Konzept, wie die betrieblichen Abläufe zukünftig gestaltet werden sollten, habe sie zu der Zeit noch nicht entwickelt. Im Übrigen sei die behauptete unternehmerische Entscheidung nicht von einem ordnungsgemäßen Beschluss ihrer Gesellschafter gedeckt. Die soziale Auswahl sei fehlerhaft. Er sei mit den in anderen Einrichtungen tätigen Hausmeistern vergleichbar und zumindest gegenüber einem der fraglichen Mitarbeiter sozial schutzbedürftiger. Bei der Auswahl habe die Beklagte Vorbeschäftigungszeiten, die er seit dem 1. April 1998 erbracht habe, berücksichtigen müssen. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Zudem sei die maßgebende - tarifliche - Kündigungsfrist bei richtiger Berechnung seiner Beschäftigungsdauer nicht eingehalten.

5

Der Kläger hat - soweit noch von Bedeutung - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 29. Juni 2011 nicht aufgelöst worden ist und über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus fortbesteht;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn über den Ablauf der Kündigungsfrist bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung als Hausmeister weiter zu beschäftigen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, ihr Geschäftsführer habe in der 24. Kalenderwoche des Jahres 2011 auf der Grundlage dreier Angebote beschlossen, ab dem 1. Januar 2012 ein fremdes Unternehmen mit der Erledigung der bisher dem Kläger übertragenen Dienste zu beauftragen. Die Entscheidung, die zum fraglichen Termin auch tatsächlich umgesetzt worden sei, trage einem bestehenden Kostendruck Rechnung und sei weder unsachlich, noch unvernünftig oder willkürlich. Unschädlich sei, dass der Vertrag mit dem betrauten Unternehmen erst im Herbst 2011 geschlossen worden sei und inhaltlich in einzelnen Punkten von dessen ursprünglichem Angebot abweiche. Einer sozialen Auswahl habe es nicht bedurft. Der Kläger sei schon wegen der vertraglichen Festlegung seines Arbeitsorts auf T mit anderen Hausmeistern nicht vergleichbar. Zudem handele es sich bei jenen Arbeitnehmern um Vollzeitkräfte, die, anders als der Kläger, zusätzliche Tätigkeiten schuldeten. Selbst wenn der Kläger mit den Vollzeitkräften vergleichbar sein sollte, sei die soziale Auswahl im Ergebnis nicht zu beanstanden. Den Betriebsrat habe sie am 21. Juni 2011 - mündlich - ordnungsgemäß unterrichtet.

7

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat den Feststellungsantrag - unausgesprochen - als einheitlichen Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ausgelegt und als solchen für zulässig gehalten. Diese Würdigung begegnet keinen Bedenken.

10

II. Mit der bisherigen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG.

11

1. Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Dieses bestand bei Zugang der Kündigung länger als sechs Monate (§ 1 Abs. 1 KSchG). Der betriebliche Geltungsbereich des Gesetzes ist nach § 23 Abs. 1 KSchG eröffnet.

12

2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG nicht schlüssig aufgezeigt. Ihrem Vorbringen sei nicht zu entnehmen, dass im maßgebenden Kündigungszeitpunkt eine Entscheidung zur Fremdvergabe der Hausmeisterdienste schon getroffen gewesen sei. Jedenfalls habe „eine ‚greifbare‘ Form der Entscheidung“ im Kündigungszeitpunkt „noch nicht vor[gelegen]“. Die bei den Drittfirmen eingeholten Angebote hätten rein informativen Zwecken gedient. In konkrete Verhandlungen sei die Beklagte erst längere Zeit nach Zugang der Kündigung eingetreten.

13

3. Diese Beurteilung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat, soweit es nicht den Rechtsbegriff des „dringenden betrieblichen Erfordernisses“ verkannt hat, an die Darlegung des behaupteten Kündigungsgrundes überzogene Anforderungen gestellt. Dies rügt die Beklagte mit Recht.

14

a) Dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG liegen vor, wenn die Umsetzung einer unternehmerischen (Organisations-)Entscheidung auf der betrieblichen Ebene spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führt. Diese Prognose muss schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv berechtigt sein (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 31; 23. Februar 2010 - 2 AZR 268/08 - Rn. 17, BAGE 133, 240).

15

aa) Ein dringendes „betriebliches“ Erfordernis, das einer Weiterbeschäftigung entgegensteht, ist gegeben, wenn die Arbeitskraft des Arbeitnehmers im Betrieb nicht mehr gefordert ist. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht gehalten, nicht mehr benötigte Arbeitsplätze und Arbeitskräfte weiterhin zu besetzen bzw. zu beschäftigen. Dabei kommt es de lege lata nicht darauf an, ob die dem Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zugrunde liegende unternehmerische (Organisations-)Entscheidung ihrerseits - etwa aus wirtschaftlichen Gründen - „dringend“ war oder die Existenz des Unternehmens auch ohne sie nicht gefährdet gewesen wäre (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 20, BAGE 145, 265). In diesem Sinne ist die unternehmerische Entscheidung zur Umorganisation bis zur Grenze der offensichtlichen Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür frei. Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht dabei die Vermutung, dass sie aus sachlichen - nicht zuletzt wirtschaftlichen - Gründen getroffen wurde und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 31; 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - aaO mwN).

16

bb) Hängt der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs von einer solchen unternehmerisch-organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers ab, braucht diese bei Kündigungszugang noch nicht tatsächlich umgesetzt zu sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet. Dazu müssen - soweit die Kündigung ihren Grund in einer Änderung der betrieblichen Organisation hat - zumindest die Absicht und der Wille des Arbeitgebers, die fraglichen Maßnahmen vorzunehmen, schon vorhanden und abschließend gebildet worden sein. Andernfalls lässt sich im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung - auf den es dafür unverzichtbar ankommt - nicht hinreichend sicher prognostizieren, es werde bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs kommen (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 34; 20. Februar 2014 - 2 AZR 346/12 - Rn. 18; 23. Februar 2010 - 2 AZR 268/08 - Rn. 18, BAGE 133, 240).

17

b) Da der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Tatsachen zu beweisen hat, die die Kündigung bedingen, hat er die tatsächlichen Grundlagen für die Berechtigung der Prognose, bis spätestens zum Ablauf der Kündigungsfrist werde ein Beschäftigungsbedarf entfallen sein, von sich aus schlüssig vorzutragen. Zu diesen Tatsachen gehört der schon bei Kündigungszugang getroffene endgültige Entschluss zur Vornahme einer Maßnahme, die zu einem solchen Wegfall führen werde. Wie substantiiert der Vortrag zu erfolgen hat, hängt von der Einlassung des Arbeitnehmers ab. Zunächst genügt es, wenn der Arbeitgeber - zumindest konkludent - behauptet, er habe seine entsprechende Entscheidung schon vor Zugang der Kündigung getroffen. Wenn der Arbeitnehmer dies mit - in der Regel zunächst ausreichendem - Nichtwissen bestreitet, wird der Arbeitgeber nähere tatsächliche Einzelheiten darlegen müssen, aus denen unmittelbar oder mittelbar geschlossen werden kann, er habe die entsprechende Absicht bereits im Kündigungszeitpunkt endgültig gehabt. Geht es dabei um den inneren Zustand einer einzelnen Person, wird sich das Gericht die Überzeugung von der Wahrheit der Behauptung - wie stets - nach § 286 ZPO bilden müssen. Soweit sich die innere Tatsache nach außen manifestiert hat, wird es ggf. Beweis über die Indiztatsachen erheben und diese würdigen müssen. Fehlt es an einer entsprechenden Offenbarung der unternehmerischen Entscheidung, wird es auf die genaue Darlegung des inneren Willensbildungsprozesses der betreffenden Person, die Schlüssigkeit ihrer Angaben und ihre Glaubwürdigkeit ankommen (vgl. BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 36).

18

c) Danach hat die Beklagte einen die Kündigung rechtfertigenden Grund schlüssig aufgezeigt.

19

aa) Sie hat vorgebracht, ihr Geschäftsführer habe nach Einholung dreier Angebote in der 24. Kalenderwoche - dh. in der Zeit zwischen dem 13. und 19. Juni 2011 - entschieden, die bisher dem Kläger übertragenen Hausmeisterdienste ab dem 1. Januar 2012 durch einen externen Dienstleister erledigen zu lassen. Seinen Entschluss habe er am 20. Juni 2011 dem Personalleiter und der Heimleiterin des Seniorenheims in einer Dienstberatung mitgeteilt. Am Folgetag habe er die Vorsitzende des Betriebsrats von der Entscheidung unterrichtet und dabei eines der Angebote vorgelegt.

20

bb) Bereits die Offenbarung der fraglichen Entscheidung gegenüber Dritten spricht - als wahr unterstellt - in hohem Maße dafür, dass der Geschäftsführer den Entschluss zur Fremdvergabe bereits bei Kündigungszugang gefasst hatte. Die gegenteilige Würdigung des Landesarbeitsgerichts wird dem Indizwert der betreffenden äußeren Umstände nicht gerecht. Jedenfalls durfte es nicht weitergehende Darlegungen zur inneren Willensbildung verlangen, ohne sich zuvor von der Wahrheit oder Unwahrheit der behaupteten Mitteilungen überzeugt zu haben. Ebenso wenig bedurfte es weitergehender Darlegungen zu den Überlegungen und Beweggründen, auf denen die Entscheidung beruhen soll, um ihr Vorliegen plausibel zu machen. Im Übrigen hat die Beklagte ihre Erwägungen durchaus offengelegt, soweit sie auf eine Kosteneinsparung und darauf verwiesen hat, zukünftig Hausmeisterdienste flexibler abrufen zu können.

21

cc) Besondere Umstände, die geeignet wären, die indizielle Wirkung der in Rede stehenden Tatsachen zu entkräften oder abzuschwächen, sind nicht festgestellt. Die Beklagte hat zwar nicht anzugeben vermocht, an welchem genauen Tag ihr Geschäftsführer die Entscheidung zur Fremdvergabe der Hausmeisterdienste getroffen habe. Das schließt die Möglichkeit, er habe den entsprechenden Willen schon vor Zugang der Kündigung gefasst, aber nicht aus. Da die unternehmerische Entscheidung keinem Formzwang unterliegt (vgl. BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 35; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - zu II 4 d dd der Gründe), widerspricht auch das Fehlen einer Verschriftung dieser Annahme nicht. Soweit das Landesarbeitsgericht gemeint hat, die „Entscheidung [habe] zeitlich mit einem gewissen Abstand vor … der Kündigung und Anhörung des Betriebsrats zu erfolgen“, bleibt unklar, was es damit ausdrücken will. Nach dem Vortrag der Beklagten fielen die behauptete Organisationsentscheidung und die Kündigung keineswegs zusammen.

22

dd) Es kann dahinstehen, ob eine Entscheidung über die Fremdvergabe von Hausmeisterdiensten - wie der Kläger gemeint hat - intern den Gesellschaftern der Beklagten vorbehalten und ob sie von einem wirksamen Beschluss der Gesellschafterversammlung getragen war. Darauf kommt es kündigungsrechtlich nicht an. Bei einer juristischen Person genügt es, dass derjenige, der dazu die tatsächliche Macht hat, die betreffende Entscheidung endgültig und vorbehaltlos getroffen hat (vgl. BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 422/13 - Rn. 35; 5. April 2001 - 2 AZR 696/99 - zu II 3 der Gründe). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nach den Darlegungen der Beklagten bezogen auf die Entscheidung ihres Geschäftsführers erfüllt.

23

ee) Die in Rede stehende Maßnahme - die Fremdvergabe der Hausmeisterdienste - hatte damit im Kündigungszeitpunkt - die tatsächlichen Behauptungen der Beklagten als wahr unterstellt - „greifbare Formen“ angenommen. Die gegenteilige Würdigung des Landesarbeitsgerichts wird dem prognostischen Anteil des Kündigungsgrundes nicht gerecht.

24

(1) Die Beklagte hatte endgültig und ernsthaft beschlossen, die fragliche organisatorische Änderung durchzuführen. Es war nicht erforderlich, dass sie vor Zugang der Kündigung mit der Verwirklichung ihrer Entscheidung bereits begonnen hätte (vgl. BAG 10. Oktober 1996 - 2 AZR 651/95 - zu II 1 der Gründe; 19. Juni 1991 - 2 AZR 127/91 - zu II 2 b der Gründe). Das betrifft nicht nur deren unmittelbare Umsetzung. Auch vorbereitende Maßnahmen - etwa den Vertragsschluss mit dem Drittunternehmen - musste sie noch nicht ergriffen haben. Es genügte, dass sie berechtigterweise annehmen durfte, die laufende Kündigungsfrist biete ihr hierfür ausreichend Zeit.

25

(2) Das war hier der Fall. Die Beklagte hatte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bereits im März 2011 Angebote von Dienstleistern angefordert. Auch wenn dies zunächst der Markterkundung gedient haben mag, so konnte sie doch aufgrund des Ergebnisses ihrer Anfragen hinreichend sicher annehmen, sie werde rechtzeitig einen geeigneten Dienstleister finden. Anderes gälte allenfalls dann, wenn der Geschäftsführer die Durchführung der Maßnahme von weiteren, unwägbaren Voraussetzungen, etwa davon abhängig gemacht hätte, die Aufgaben zu günstigeren Konditionen vergeben zu können als angeboten. Davon geht das Landesarbeitsgericht aber nicht aus. Der Umstand, dass der im Herbst 2011 mit dem Dienstleister geschlossene Vertrag gegenüber dem ursprünglichen Angebot bestimmte Modifikationen enthält, bietet für einen solchen Vorbehalt keinen hinreichenden Anhaltspunkt.

26

ff) Der Entschluss zur Fremdvergabe der Hausmeisterdienste war geeignet, den Bedarf an einer Beschäftigung des Klägers zum Ende des Jahres 2011 in Wegfall zu bringen. Zwar waren Hausmeistertätigkeiten in der vom Kläger betreuten Einrichtung auch fortan zu erledigen. Sie sollten aber nicht mehr von eigenen Arbeitskräften der Beklagten ausgeführt, sondern von einem anderen Unternehmen - mit dessen Arbeitskräften - selbständig erledigt werden. Eine derartige Organisationsentscheidung ist rechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Das gilt auch dann, wenn sie - anders als von der Beklagten erwartet - nicht mit einer Ersparnis von Kosten verbunden gewesen sein sollte.

27

(1) Die Gestaltung des Betriebs, die Antwort auf die Frage, ob und in welcher Weise sich der Arbeitgeber wirtschaftlich betätigen will, sind Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zu dieser gehört das Recht, das Unternehmen aufzugeben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben soll, und festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 380/12 - Rn. 21; 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 17). Das Kündigungsschutzgesetz schreibt nicht eine bestimmte rechtliche und organisatorische Form der Erledigung anfallender Aufgaben fest (BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - Rn. 19).

28

(2) Der Arbeitgeber ist - bis zur Grenze der Willkür - nicht gehindert, auch wirtschaftlich nicht zwingend notwendige Organisationsentscheidungen zu treffen (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 380/12 - Rn. 20). Es ist nicht Sache der Gerichte, ihm eine „bessere“ oder „richtigere“ betriebliche Organisation vorzuschreiben (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 809/12 - Rn. 17 mwN, BAGE 146, 37). Im Fall der Fremdvergabe kommt es deshalb grundsätzlich nicht darauf an, ob durch die Beauftragung des Drittunternehmens tatsächlich Kosten gespart werden (vgl. BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 306/06 - Rn. 23, BAGE 123, 20).

29

(3) Die in Rede stehende Entscheidung lässt keine sachfremden Erwägungen erkennen. Sie ist nicht etwa deshalb unsachlich, weil die Beklagte in anderen Einrichtungen weiterhin eigene Arbeitskräfte als Hausmeister beschäftigt. Zum einen ist nicht erkennbar, dass dies durchgängig der Fall wäre. Zum anderen steht es dem Arbeitgeber frei, verschiedene Betriebsstätten unterschiedlich zu organisieren.

30

III. Der Rechtsstreit ist nicht entscheidungsreif. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob die Kündigung vom 29. Juni 2011 wirksam ist. Es fehlt an erforderlichen Feststellungen. Die Sache war deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

31

1. Es steht nicht fest, ob die Kündigung durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen der Beklagten zum Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse rechtsfehlerhaft als unschlüssig angesehen und sich - von seinem Standpunkt aus konsequent - kein Urteil darüber gebildet, ob deren tatsächliche Behauptungen für wahr zu erachten sind (§ 286 ZPO). Dies hat es nachzuholen.

32

a) Allerdings kann bezweifelt werden, ob der Kläger die Ausführungen der Beklagten gemäß § 138 ZPO ausreichend bestritten hat. Er ist deren Vortrag vornehmlich mit Rechtsausführungen entgegengetreten, die sich als nicht durchgreifend erwiesen haben. In tatsächlicher Hinsicht hat er sich darauf beschränkt, das Zustandekommen einer unternehmerischen Entscheidung im Kündigungszeitpunkt „einfach“ zu bestreiten. Nachdem die Beklagte ihre betreffenden Behauptungen durch Hinweis auf die Dienstberatung vom 20. Juni 2011 und dort gefallene Äußerungen ihres Geschäftsführers konkretisiert hatte, wäre es Sache des Klägers gewesen, die ergänzenden Ausführungen „spezifisch“, sei es durch substantiierten Gegenvortrag (§ 138 Abs. 2 ZPO), sei es mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) zu bestreiten. Das ist, soweit ersichtlich, nicht geschehen.

33

b) Die abschließende Würdigung ist zunächst dem Landesarbeitsgericht vorbehalten. Zum einen mag der Kläger die Notwendigkeit einer Konkretisierung seines Bestreitens nicht erkannt haben, weil beide Vorinstanzen von der Unschlüssigkeit des Vortrags der Beklagten ausgegangen sind. Zum anderen unterliegen die in Rede stehenden Indiztatsachen, selbst wenn sie als zugestanden anzusehen wären, einer abschließenden Würdigung gemäß § 286 ZPO, die Aufgabe des Tatsachengerichts ist.

34

2. Der Senat kann nicht beurteilen, ob die Kündigung allemal deshalb sozial ungerechtfertigt ist, weil die Beklagte soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat (§ 1 Abs. 1, Abs. 3 KSchG).

35

a) Dem bisherigen aus dem Berufungsurteil ersichtlichen Parteivorbringen ist nicht zu entnehmen, dass es eines sozialen Vergleichs mit Hausmeistern, die an anderen Standorten beschäftigt sind und die in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten stehen, nicht bedurft hätte.

36

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die fraglichen Einrichtungen der Beklagten bildeten einen einheitlichen Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne. Dagegen erhebt die Beklagte keine Einwände. Ein Rechtsfehler ist nicht erkennbar.

37

bb) Das Vorbringen der Beklagten berechtigt nicht zu der Annahme, der Tätigkeitsbereich des Klägers sei vertraglich auf das Seniorenheim T eingegrenzt (zu den Folgen einer solchen Beschränkung für die Sozialauswahl vgl. BAG 17. September 1998 - 2 AZR 725/97 - zu II 2 c der Gründe).

38

(1) Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegen die Vereinbarungen im Arbeitsvertrag vom 27. Februar 2007 zugrunde. Dem äußeren Erscheinungsbild nach handelt es sich um einen Formularvertrag, auf den die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB zur Anwendung kommen. Die Auslegung solcher Vertragsbedingungen kann das Revisionsgericht selbst vornehmen (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 512/12 - Rn. 21; 15. Juni 2010 - 3 AZR 994/06 - Rn. 24; jeweils mwN).

39

(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist der Wortlaut nicht eindeutig, kommt es auf das typische Verständnis redlicher Vertragspartner an (BAG 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14). Von Bedeutung sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck und die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 311/11 - Rn. 17).

40

(3) Ist im Arbeitsvertrag zwar der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, ist aber zugleich die Möglichkeit eines Einsatzes auch in anderen Betrieben des Unternehmens vorgesehen, verhindert dies regelmäßig die Beschränkung der Arbeitspflicht auf den im Vertrag genannten Arbeitsort (BAG 28. August 2013 - 10 AZR 569/12 - Rn. 20; 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 15). Insoweit macht es keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. Dadurch wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Befugnis zur Versetzung an andere Arbeitsorte bestehen soll.

41

(4) Danach kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht angenommen werden, die Parteien hätten den Einsatzort des Klägers vertraglich festgelegt.

42

(a) Zwar heißt es unter § 1 des Arbeitsvertrags, „der Arbeitnehmer“ werde „als Hausmeister für den Bereich Seniorenresidenz T … unbefristet eingestellt“. Eine solche Klausel kann - wenn nichts anderes geregelt ist - durchaus für eine entsprechende Festschreibung des Arbeitsorts sprechen (vgl. BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 738/09 - Rn. 20).

43

(b) Gegen eine dauerhafte Festlegung spricht jedoch die im Arbeitsvertrag enthaltene Bezugnahme auf den „jeweils für den Arbeitgeber geltende(n) Tarifvertrag“, weil dieser Bestimmungen zur Versetzungsmöglichkeit enthält.

44

(aa) Das Arbeitsgericht hat im Rahmen seiner Feststellungen, die sich das Landesarbeitsgericht zu eigen gemacht hat, angenommen, aufgrund der Bezugnahmeklausel finde auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der zwischen dem Arbeitgeberverband der Arbeiterwohlfahrt Thüringen e. V. und der DHV geschlossene Tarifvertrag Anwendung. Das entspricht offenbar dem übereinstimmenden Verständnis beider Parteien. Die Würdigung ist rechtlich möglich. Selbst wenn der Tarifvertrag mangels Tarifzuständigkeit der DHV „fehlerhaft“ sein sollte (zur Problematik vgl. BAG 11. Juni 2013 - 1 ABR 32/12 - BAGE 145, 211), führte dies nicht dazu, dass die Bezugnahme unwirksam wäre oder ins Leere ginge. Die Arbeitsvertragsparteien können grundsätzlich auch auf fehlerhafte Tarifverträge verweisen (BAG 22. Januar 2002 - 9 AZR 601/00 - zu A I 2 b der Gründe mwN, BAGE 100, 189).

45

(bb) Unter § 16 Abs. 1 des TV-AWO Thüringen vom 1. Januar 2010 heißt es: „Der Arbeitnehmer ist im Rahmen seiner arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit in jedem/r Betrieb, Betriebsteil oder Einrichtung des Arbeitgebers vorübergehend oder auf Dauer einsetzbar.“ Ist die Regelung wirksam in den Arbeitsvertrag einbezogen worden, hat sie die Wirkung eines vertraglichen Versetzungsvorbehalts. Auf diese Weise wäre - zumal Sinn und Zweck der Verweisung laut Arbeitsvertrag die „Gleichstellung der Arbeitnehmer und Vereinheitlichung der arbeitsvertraglichen Regelungen“ sein sollte - hinreichend klargestellt, dass die vertragliche Bestimmung des Einsatzorts mit „Seniorenresidenz T“ lediglich die erstmalige Ausübung des entsprechenden Weisungsrechts darstellte.

46

(cc) Auch wenn die tarifliche Versetzungsregelung nicht wirksam Vertragsbestandteil geworden sein sollte, kann die Vereinbarung zum „Tätigkeitsbereich“ nicht anders verstanden werden. Der Kläger musste angesichts des beabsichtigten Einbezugs der tariflichen Bestimmung annehmen, dass die Beklagte nicht den Willen hatte, sich ihrer Weisungsrechte aus § 106 GewO zu begeben.

47

cc) Das bisherige Vorbringen berechtigt nicht zu der Annahme, die anderen Hausmeister seien deshalb mit dem Kläger nicht vergleichbar, weil sie - anders als er - mit vollem Stundendeputat beschäftigt sind.

48

(1) Eine Sozialauswahl zwischen Arbeitnehmern in Teilzeit und solchen, die in Vollzeit beschäftigt sind, kann ausgeschlossen sein, wenn der Arbeitgeber auf der Grundlage eines nachvollziehbaren unternehmerischen Konzepts bestimmten Tätigkeiten bestimmte Arbeitszeiten zuordnet (BAG 3. Dezember 1998 - 2 AZR 341/98 - zu II 4 der Gründe, BAGE 90, 236). Entsprechendes gilt für eine Sozialauswahl unter Teilzeitkräften mit unterschiedlichen Arbeitszeitdeputaten (BAG 15. Juli 2004 - 2 AZR 376/03 - zu C III 2 der Gründe, BAGE 111, 229). Arbeitnehmer, die aufgrund solcher Organisationsentscheidungen unterschiedlich lange Wochenarbeitszeiten haben, die nur durch Änderungskündigungen angepasst werden könnten, sind nicht austauschbar und damit nicht miteinander vergleichbar iSv. § 1 Abs. 3 KSchG.

49

(2) Die Beklagte hat geltend gemacht, sie habe die in den einzelnen Einrichtungen anfallenden Hausmeistertätigkeiten „einrichtungsbezogen“ nach dem jeweils anfallenden Arbeitsvolumen organisiert. Je Einrichtung solle ein Hausmeister „vor Ort“ als Ansprechpartner vorhanden sein und die anfallenden Arbeiten erledigen. Auf diese Weise hat sie die jeweilige Hausmeistertätigkeit nicht starr an ein bestimmtes Arbeitszeitvolumen der eingesetzten Hausmeister gebunden. Auch wenn es sachliche Gründe geben mag, Hausmeister nicht einrichtungsübergreifend zu beschäftigen, wird aus dem Vorbringen der Beklagten nicht deutlich, weshalb pro Einrichtung jeweils nur ein Arbeitnehmer mit den Hausmeistertätigkeiten betraut werden kann. Das gilt umso mehr, als die Beklagte eine solche Situation offenbar auch in den Einrichtungen nicht gewährleistet, in denen sie die Hausmeistertätigkeiten fremdvergeben hat.

50

dd) Soweit die Beklagte behauptet hat, der Kläger sei mit anderen Hausmeistern, insbesondere dem von ihm namentlich benannten Arbeitnehmer deshalb nicht vergleichbar, weil diese noch weitere Tätigkeiten - etwa als Maler - schuldeten und erbrächten, ist ihr Vortrag streitig geblieben und bedarf ggf. weiterer Aufklärung.

51

b) Die Beklagte hat die Sozialdaten der anderen Hausmeister mitgeteilt und geltend gemacht, die Auswahl des Klägers sei selbst bei unterstellter Vergleichbarkeit im Ergebnis nicht zu beanstanden. Ob dies zutrifft, wird das Landesarbeitsgericht ggf. zu prüfen und zu bewerten haben. Dabei wird es sich, falls es darauf ankommt, auch mit der Frage befassen müssen, ob die Voraussetzungen für eine Anrechnung vor dem 1. April 2007 erbrachter Beschäftigungszeiten des Klägers vorliegen.

52

3. Sollte sich die Kündigung als sozial gerechtfertigt erweisen, wird der Frage nachzugehen sein, ob der Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden ist.

53

a) Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe der Vorsitzenden des Gremiums am 21. Juni 2011 mündlich ihre Kündigungsabsicht unter Mitteilung der Tätigkeit und der Sozialdaten des Klägers, des Kündigungsgrundes, der Kündigungsart einschließlich des Kündigungstermins und ihrer Erwägungen zur Sozialauswahl nebst den Daten der anderen Hausmeister mitgeteilt. Das Vorbringen lässt, zumal die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers über die Gründe der Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG „subjektiv determiniert“ ist(vgl. nur BAG 12. September 2013 - 6 AZR 121/12 - Rn. 20; 12. August 2010 - 2 AZR 104/09 - Rn. 17), keine inhaltlichen Mängel erkennen. Die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG wäre, ausgehend von dem behaupteten Zugang der Kündigung am 29. Juni 2011, eingehalten.

54

b) Das Landesarbeitsgericht wird zu beurteilen haben, ob der Kläger das Vorbringen hinreichend - mit Nichtwissen - bestritten hat. Ggf. wird es die erforderlichen Beweise zu erheben haben.

55

4. Sollte sich die Kündigung als solche als wirksam erweisen, wird sich das Landesarbeitsgericht mit dem Einwand des Klägers zu befassen haben, die Beklagte habe sie nicht termingerecht erklärt.

56

5. Von der Zurückverweisung ist auch der als Hilfsantrag zu verstehende Antrag des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung erfasst. Die Entscheidung über ihn ist abhängig von der Entscheidung über den Feststellungsantrag.

        

   Kreft    

        

   Niemann    

        

   Berger    

        

        

        

   Krichel    

        

   Grimberg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 25. April 2012 - 2 Sa 13/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Bauunternehmen. Sie erbringt auf dem Gelände der A GmbH verschiedene Dienstleistungen wie Baggertätigkeiten im Hochofenbereich, Zerschlagung von Roheisen und Materialtransporte. Dort beschäftigte sie seit März 1987 den Kläger, zuletzt als Vorarbeiter. Außerhalb des betreffenden Werksgeländes ist die Beklagte im Straßen- und Tiefbau tätig. Insgesamt beschäftigt sie weit mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Am 15. Februar 2010 stellte der Werkschutz der A-GmbH fest, dass der Kläger bei Verlassen des Werksgeländes in seinem Fahrzeug vier mit Streusalz gefüllte Eimer mitführte, die der A-GmbH gehörten. Drei Tage später entzog die A-GmbH dem Kläger den Werksausweis. Ab dem 26. Februar 2010 verbot sie ihm den Zutritt zu ihrem Gelände. Am 4. März 2010 übersandte die Beklagte ihr kommentarlos eine Stellungnahme des Klägers zu den Vorgängen. Danach sei er von einem Kollegen gebeten worden, Streusalz zu dessen Arbeitsplatz zu bringen. Wegen anderer Vorgänge habe er das Material, das er für den Transport in sein Fahrzeug geladen habe, vor dem Verlassen des Werksgeländes schlicht vergessen.

4

Am 9. März 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos. Der hierüber geführte Kündigungsrechtsstreit ist durch Teilurteil des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig zugunsten des Klägers abgeschlossen.

5

Mit Schreiben vom 26. Mai 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis - nach vorheriger Anhörung des Betriebsrats - ordentlich zum 31. Dezember 2010.

6

Gegen diese Kündigung hat der Kläger - fristgerecht - die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei weder aufgrund des Vorfalls vom 15. Februar 2010 als solchem, noch mit Blick auf den Entzug des Werksausweises oder das ihm erteilte Zutrittsverbot zum Werksgelände der A-GmbH gerechtfertigt. Als gelernten Maurer und Fliesenleger habe die Beklagte ihn auch im Straßen- und Tiefbau, insbesondere bei Kanalbautätigkeiten, einsetzen können. In diesem Bereich seien bei Zugang der Kündigung Arbeitsplätze frei gewesen. So sei etwa ein Mitarbeiter, welcher ursprünglich für den Bereich Straßen- und Tiefbau eingestellt worden sei, am 1. Mai 2010 „zu A gewechselt“.

7

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Mai 2010 nicht aufgelöst worden ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei ihr nicht zumutbar. Er sei des Diebstahls dringend verdächtig und aufgrund der fehlenden Zutrittsberechtigung zum Werksgelände nicht mehr in der Lage, seine vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Außerdem habe der Kläger - was ihr erst im Verlauf des Rechtsstreits bekannt geworden sei - durch eine Aufzeichnung überhöhter Arbeitszeiten einen Arbeitszeitbetrug zu ihren Lasten begangen. Im Bereich Straßen- und Tiefbau sei kein freier Arbeitsplatz vorhanden gewesen. In der fraglichen Zeit seien nicht einmal ihre dort eingesetzten Stammarbeitskräfte voll ausgelastet gewesen. Von Oktober 2009 bis Juli 2010 sei für diese Kurzarbeit angeordnet worden.

9

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung vom 26. Mai 2010 zu Recht als sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG angesehen.

11

I. Die Kündigung ist nicht durch Gründe im Verhalten des Klägers iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt.

12

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Kläger könne - mangels hinreichender Indiztatsachen - weder der Versuch eines Diebstahls zum Nachteil eines Kunden der Beklagten, noch ein entsprechender dringender Tatverdacht zur Last gelegt werden. Ebenso wenig sei von einem Arbeitszeitbetrug zu Lasten der Beklagten auszugehen. Es fehle an der gebotenen Darlegung, dass der Kläger mit seiner Stundenaufstellung entgegen bestehenden Vorgaben Arbeitsstunden aufgeschrieben habe, für die ein Anspruch auf Bezahlung nicht bestanden habe. Soweit er durch die Mitnahme des Streusalzes seine Vertragspflichten fahrlässig verletzt habe, erreiche die darin liegende Pflichtverletzung nicht das erforderliche Gewicht, um eine ordentliche Kündigung, zumal ohne vorausgehende Abmahnung, zu rechtfertigen.

13

2. Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Die Beklagte erhebt diesbezüglich auch keine Rügen.

14

II. Die Kündigung ist nicht durch Gründe in der Person des Klägers oder durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, welchem dieser beiden rechtlichen Gesichtspunkte der in Rede stehende Kündigungssachverhalt zuzuordnen ist. Ebenso kann dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen ein durch einen Kunden des Arbeitgebers ausgesprochenes Zutritts-/Hausverbot die Annahme rechtfertigt, der Arbeitnehmer sei in dem bisherigen Arbeitsbereich nicht mehr einsetzbar. In keinem Fall ist die Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn außerhalb des mit dem Zutritts-/Hausverbot belegten Bereichs ein freier Arbeitsplatz vorhanden ist, auf dem der Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werden kann. Von einer solchen Möglichkeit ist das Landesarbeitsgericht im Streitfall rechtsfehlerfrei ausgegangen. Offenbleiben kann deshalb auch, welche Anstrengungen der Arbeitgeber zur Ermöglichung einer Weiterbeschäftigung zu unternehmen hat, wenn ein freier Arbeitsplatz nicht zur Verfügung steht (zur Verpflichtung des Arbeitgebers, Arbeitnehmer im Rahmen zumutbarer organisatorischer Änderungen umzusetzen vgl. BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 48, BAGE 137, 164).

15

1. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG ist die Kündigung dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Auf diese Weise wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Kündigungsrecht normativ konkretisiert (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 29; 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - Rn. 20). Die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist deshalb auch ohne Widerspruch des Betriebsrats im Rahmen der Generalklausel des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG zu berücksichtigen(BAG 21. September 2000 - 2 AZR 385/99 - zu B IV 2 a der Gründe; 17. Mai 1984 - 2 AZR 109/83 - zu C III 3 der Gründe, BAGE 46, 191). Entsprechendes gilt, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder zu geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist (§ 1 Abs. 2 Satz 3 KSchG).

16

2. Die Weiterbeschäftigung muss sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich sein.

17

a) Dies setzt zunächst voraus, dass ein freier Arbeitsplatz zu vergleichbaren (gleichwertigen) oder zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist. Als „frei“ sind grundsätzlich nur solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 29; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 24, BAGE 140, 169). Dem steht es gleich, wenn ein Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei wird (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - aaO; 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 24).

18

b) Der anderweitige - freie - Arbeitsplatz muss für den Arbeitnehmer geeignet sein. Das setzt voraus, dass der Arbeitnehmer - ggf. unter Berücksichtigung angemessener Einarbeitungs-, Fortbildungs- oder Umschulungszeiten - den Anforderungen des neuen Arbeitsplatzes entsprechen kann. Dabei unterliegt die Gestaltung des Anforderungsprofils grundsätzlich der nur auf offenbare Unsachlichkeit zu überprüfenden unternehmerischen Disposition des Arbeitgebers (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 24; 5. Juni 2008 - 2 AZR 107/07 - Rn. 17).

19

3. Für das Fehlen einer anderweitigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist gem. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Dabei gilt eine abgestufte Darlegungslast. Bestreitet der Arbeitnehmer lediglich den Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes, genügt der Vortrag des Arbeitgebers, wegen der betrieblichen Notwendigkeiten sei eine Weiterbeschäftigung zu den gleichen Bedingungen nicht möglich. Macht der Arbeitnehmer geltend, es sei eine Beschäftigung an anderer Stelle möglich, obliegt es ihm darzulegen, wie er sich seine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Erst daraufhin muss der Arbeitgeber eingehend erläutern, aus welchen Gründen eine solche Beschäftigung nicht möglich war (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 30; 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - Rn. 28).

20

4. Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe den Kläger auf einem anderen Arbeitsplatz iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b, Satz 3 KSchG beschäftigen können, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

21

a) Der Kläger hat - seiner sekundären Darlegungslast entsprechend - geltend gemacht, er habe ua. auf dem Arbeitsplatz des zur A-GmbH gewechselten Kollegen als Bagger- und Maschinenführer eingesetzt werden können. Der Vortrag enthält entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur die Behauptung, er - der Kläger - sei aufgrund seiner Qualifikation in der Lage, den Arbeitsplatz des Kollegen auszufüllen. Der Kläger hat vielmehr zugleich konkludent vorgetragen, der betreffende Arbeitsplatz sei durch den Tätigkeitswechsel des Kollegen absehbar frei geworden.

22

b) Danach war es wiederum Sache der Beklagten, darzulegen und zu beweisen, dass eine geeignete Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger nicht bestand. Dies ist ihr - wie das Landesarbeitsgericht nach Beweisaufnahme zutreffend erkannt hat - nicht gelungen.

23

aa) Eine vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommene Beweiswürdigung unterliegt nur der eingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht. Es ist lediglich zu prüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO beachtet hat. Revisionsrechtlich von Bedeutung ist nur, ob seine Würdigung in sich widerspruchsfrei und ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt und ob sie rechtlich möglich ist (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 28; 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 51).

24

bb) Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat den gesamten Inhalt der Verhandlung berücksichtigt und die erhobenen Beweise erwogen. Seine Annahme, es sei nicht erkennbar, dass entweder ein dauerhafter Einsatz des fraglichen Kollegen bei der A-GmbH im Jahr 2010 nicht vorgesehen gewesen sei oder dieser Mitarbeiter nicht habe ersetzt werden müssen, hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Bewertungsspielraums.

25

(1) Zwar hat die Beweisaufnahme ergeben, dass der fragliche Mitarbeiter - anders als vom Kläger behauptet - ursprünglich für den Betriebsbereich bei der A-GmbH eingestellt worden war. Von Dezember 2008 bis April 2011 wurde er jedoch - mit Ausnahme vereinzelter Einsätze bei der A-GmbH - im Bereich Straßen- und Tiefbau eingesetzt. Dazu, welche Tätigkeiten er im Zeitraum von Januar bis Juni 2010 verrichtet hatte, konnte die vernommene Zeugin keine Angaben machen. Daraus durfte das Landesarbeitsgericht ohne Verletzung von Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen folgern, die Beklagte habe den Vortrag des Klägers, im Mai 2010 sei im Bereich Straßen- und Tiefbau ein entsprechender Arbeitsplatz vorhanden gewesen, nicht widerlegt. Die Aussage der Zeugin lässt ferner die Möglichkeit zu, dass die Beklagte jedenfalls im Kündigungszeitpunkt von einem - absehbaren - Freiwerden des Arbeitsplatzes ausgehen musste. Insoweit verbleibende Zweifel gingen zu ihren Lasten.

26

(2) Die Behauptung der Beklagten, sie habe im Bereich Straßen- und Tiefbau Kurzarbeit angeordnet und Personal abgebaut, steht der Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht entgegen. Die Anordnung von Kurzarbeit als solche spricht im Allgemeinen dafür, dass die Betriebsparteien von einem nur vorübergehenden Arbeitsmangel und nicht von einem dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf ausgehen (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 21). Ein nur vorübergehender Arbeitsmangel ist kein Indiz für den Wegfall eines Arbeitsplatzes. Dies gilt im Streitfall umso mehr, als nach den eigenen Angaben der Beklagten in den Monaten August bis November 2010 - dh. noch innerhalb der Kündigungsfrist - keine Kurzarbeit geleistet worden ist. Soweit sich die Beklagte auf einen Personalabbau berufen hat, ist ihrem Vortrag nicht zu entnehmen, dass sich dieser auch und gerade auf die vom Kläger begehrte Stelle im Straßen- und Tiefbau bezogen hätte. Dazu, wie sich der Arbeitskräftebedarf im Bereich der fraglichen Bagger- und Maschinenführertätigkeiten konkret gestaltet, hat sie sich nicht substantiiert erklärt.

27

(3) Das Landesarbeitsgericht hat weiter angenommen, einem Einsatz des Klägers im Bereich Straßen- und Tiefbau stehe der Umstand nicht entgegen, dass er möglicherweise nicht über die erforderliche Erfahrung und die Befugnis zum Führen von Baggern oder sonstigen Maschinen verfüge. Die Arbeitsaufgabe erfordere keine abgeschlossene Berufsausbildung für den Straßen- und Tiefbau. Die Einweisung des Klägers in diesen Tätigkeitsbereich sei der Beklagten auch nicht unzumutbar gewesen. Sie habe nicht dargelegt, welcher Umschulungsaufwand für einen Einsatz des Klägers auf dem begehrten Arbeitsplatz erforderlich gewesen wäre. Auch diese Würdigung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

28

(a) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem es entscheidungserheblichen Vortrag übergangen habe, ist unbegründet. Der Kläger hat dargelegt, er habe in vergangenen Jahren Baumaschinen geführt und besitze deshalb entsprechende Grundfertigkeiten. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Dass für die Ausübung der bezeichneten Tätigkeit im Straßen- und Tiefbau darüber hinaus eine abgeschlossene - dreijährige - Berufsausbildung erforderlich wäre, ist ihrem bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht gehaltenen Vortrag nicht zu entnehmen. Ein entsprechendes Anforderungsprofil hat sie erst mit ihrer Revisionsbegründung behauptet. Sie hat zwar im Rahmen des Berufungsverfahrens vorgetragen, mit Baggerarbeiten im Straßen- und Tiefbau könne sie aus Sicherheitsgründen nur ausgebildete Baggerführer beschäftigen. Ihrem Vortrag sind aber keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass ihr eine entsprechende Einweisung, Fortbildung oder Umschulung des langjährig beschäftigten Klägers - etwa aufgrund des dafür erforderlichen Zeitaufwands - unzumutbar gewesen wäre.

29

(b) Der weitere Einwand der Beklagten, die Weiterbeschäftigung des Klägers auf dem fraglichen Arbeitsplatz sei ihr deshalb unzumutbar, weil eine Änderung seiner Arbeitsbedingungen erforderlich gewesen wäre, ist ohne rechtlichen Belang. Besteht eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit nur zu geänderten Arbeitsbedingungen, ist der Arbeitgeber aus Gründen der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, dem Arbeitnehmer den freien Arbeitsplatz zur Vermeidung einer Beendigungskündigung im Wege der Änderungskündigung anzubieten (BAG 3. April 2008 - 2 AZR 500/06 - Rn. 12; 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 114, 243).

30

(c) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe seine richterliche Hinweispflicht aus § 139 ZPO verletzt und damit zugleich gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, ist unzulässig.

31

(aa) Erhebt der Revisionsführer Verfahrensrügen, müssen diese nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO die Bezeichnung der Tatsachen enthalten, die den Mangel ergeben, auf den sich die Revision stützt. Dementsprechend hätte die Beklagte konkret darlegen müssen, welchen Hinweis das Landesarbeitsgericht ihr hätte geben sollen und wie sie darauf reagiert, insbesondere welchen tatsächlichen Vortrag sie gehalten oder welche für die Entscheidung erheblichen rechtlichen Ausführungen sie gemacht hätte (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 10; 23. September 2008 - 6 AZN 84/08 - Rn. 13, BAGE 128, 13).

32

(bb) Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. Die Beklagte legt nicht dar, welchen Hinweis ihr das Gericht hätte geben müssen und wie sie hierauf reagiert hätte.

33

III. Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Wolf    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Mai 2011 - 16 Sa 113/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

2

Der 1971 geborene Kläger war seit Mai 1992 als Kraftfahrzeugmechaniker bei der Rhine Area Labour Support Unit (RALSU) - Royal Logistic Corps (RLC) - der Streitkräfte des Vereinigten Königreichs beschäftigt. Er bezog zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.500,00 Euro.

3

Der schriftliche Arbeitsvertrag nahm den Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV AL II) in Bezug. Ob die Anwendbarkeit des Tarifvertrags vom 2. Juli 1997 über Rationalisierungs-, Kündigungs- und Einkommensschutz (SchutzTV) einzelvertraglich vereinbart war, ist nicht festgestellt.

4

Bei den britischen Streitkräften trifft eine Abteilung der obersten Dienstbehörde „LEC Support Service“ die Entscheidung, welche Betriebsstätte zu einer Dienststelle bestimmt wird. Diese Dienststellen werden in ein entsprechendes Verzeichnis eingetragen.

5

In einem „Berichtigungs- und Nachtragsbogen zum Arbeitsvertrag“ vom 20. August/13. September 2001 änderten die Arbeitsvertragsparteien die Beschäftigungsdienststelle des Klägers mit Wirkung vom 1. April 2002 von „RALSU“ in „RALSU RLC N“ und den Beschäftigungsort von „Mö“ in „N“. Der Kläger arbeitete seit April 2002 überwiegend in der Kfz-Werkstatt in N, war zeitweise aber auch in Mö eingesetzt.

6

Die Betriebsstätte N wurde wie die Dienststelle Mö von Major J. P. M geleitet. Zwischen den Werkstattbereichen Mö und N fand bei Bedarf ein wechselseitiger Personaleinsatz statt. Die arbeitsrechtlichen Weisungen erfolgten von Mö aus. Die Personalverwaltung für beide Betriebsstätten war personen- und funktionsidentisch. In dem zur Dienststelle Mö gehörenden Werkstattbereich waren acht Kraftfahrzeugmechaniker beschäftigt, die über deutlich geringere Beschäftigungszeiten als der Kläger verfügten. In diesem Bereich waren zwischenzeitlich zudem drei vakante Stellen ausgeschrieben. Die britischen Streitkräfte zogen die Ausschreibungen wieder zurück, weil die Positionen vorerst unbesetzt bleiben sollten. Sie sollten ggf. zu einem späteren Zeitpunkt Mitgliedern der Betriebsvertretung als neue Arbeitsplätze angeboten werden können.

7

Im Rahmen eines „Borona“ genannten Programms entschieden die britischen Streitkräfte, die Kasernen in Mö, Mü und E sukzessive aufzugeben und im Zuge dessen die Kfz-Werkstatt in Niederkrüchten-Elmpt zum 30. September 2011 zu schließen. Die Schließung der Werkstatt erfolgte spätestens im Mai 2011. Reparaturen und Wartungen der in N vorhandenen Fahrzeuge wurden seitdem in der Werkstatt in Mö durchgeführt.

8

Die oberste Dienstbehörde der britischen Streitkräfte in Deutschland - Delegated Military Representative (DMR) - leitete mit Schreiben vom 9. Juli 2010 das Mitwirkungsverfahren bei der Hauptbetriebsvertretung ein. Diese bat die DMR sicherzustellen, dass bei allen Betroffenen eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten eingehalten würde. Mit Schreiben vom 4. August 2010 erwiderte die DMR, sie werde, wann immer möglich, versuchen, diese Frist zu gewähren, eine Garantie hierfür könne sie jedoch nicht geben.

9

Mit Schreiben vom 28. September 2010 kündigte die RALSU das Arbeitsverhältnis des Klägers zunächst außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30. September 2011. Nachdem sie erklärt hatte, aus der außerordentlichen Kündigung keine Rechte mehr herzuleiten, nahm der Kläger die hiergegen gerichtete Klage zurück.

10

Ebenfalls im September 2010 kündigte die RALSU auch die Arbeitsverhältnisse der übrigen in N beschäftigten Kfz-Mechaniker zum 30. September 2011. Ausgenommen waren die Arbeitsverhältnisse von Mitgliedern der Betriebsvertretung. Auch ein Teil der in N beschäftigten Kfz-Inspektoren erhielt keine Kündigung. Anders als die Kfz-Mechaniker, die die eigentlichen Reparaturarbeiten durchführten, waren die Kfz-Inspektoren dafür zuständig, den Fahrzeugpark zu überprüfen, reparaturbedürftige Fahrzeuge auszusondern, in die Werkstatt zu verbringen, die reparierten Fahrzeuge zu überprüfen und wieder in den Fahrzeugpark einzugliedern. Außerdem oblag ihnen die TÜV-Abnahme der in Großbritannien zugelassenen Privatfahrzeuge von Beschäftigten der Dienststelle.

11

Nach Anhörung der Betriebsvertretung N kündigte die RALSU das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 25. November 2010 erneut, diesmal ordentlich zum 30. September 2011.

12

Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger vorgebracht, die Entscheidung der Streitkräfte, die Kfz-Werkstatt in N zu schließen, sei nur unvollständig umgesetzt worden. Zudem könne er auf einem der freien Arbeitsplätze im Werkstattbereich in Mö weiterbeschäftigt werden. Dort seien außerdem eine Stelle als Store-Keeper und Stellen für Wachleute frei gewesen. § 4 Nr. 2d SchutzTV erweitere die Verpflichtung der Streitkräfte, ihn auf einem Arbeitsplatz bei derselben oder einer anderen Beschäftigungsdienststelle zu beschäftigen. Die Streitkräfte müssten deshalb im Kündigungsschutzprozess von sich aus umfassend zu Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten vortragen. Auch die Sozialauswahl sei fehlerhaft. Er sei mit den weniger schutzwürdigen Kfz-Mechanikern der Werkstatt Mö vergleichbar und diesen vorzuziehen. Bei den Betriebsstätten in N und Mö handele es sich um eine einheitliche Dienststelle. Im Übrigen sei die Kündigungsfrist nicht gewahrt. Er werde gegenüber allen anderen Mitarbeitern, die eine Kündigung mit Jahresfrist erhalten hätten, benachteiligt. Der Kläger hat ferner geltend gemacht, die Betriebsvertretung sei unzureichend angehört worden. Der Unterbringungsanspruch nach § 4 SchutzTV sei nicht Gegenstand der Anhörung gewesen.

13

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung vom 25. November 2010 zum 30. September 2011 sein Ende finden wird.

14

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung vom 25. November 2010 für wirksam gehalten. Die dieser zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung sei umgesetzt worden. Die ungekündigten Mitglieder der Betriebsvertretung würden im Rahmen der stufenweisen Schließung der Dienststelle zunächst im Arbeitsbereich des Quartiermeisters weiter eingesetzt. Für den Kläger sei kein freier Arbeitsplatz in Mö oder einer anderen Dienststelle vorhanden gewesen. Bei der Betriebsstätte N handele es sich um eine eigenständige Dienststelle. Eine Sozialauswahl habe deshalb nur zwischen den dort Beschäftigten stattfinden können. Die britischen Streitkräfte seien nicht zur Einhaltung einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist verpflichtet gewesen. Die zuständige Betriebsvertretung sei ordnungsgemäß angehört worden.

15

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kündigung vom 25. November 2010 ist wirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2011 aufgelöst.

17

A. Die Klage ist zulässig. Die auch noch in der Revisionsinstanz zu überprüfende Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit ist gem. Art. 56 Abs. 8 Satz 1 ZA-NTS(BGBl. II 1961, S. 1218, 1278) gegeben. Der Kläger war ziviler Bediensteter bei den Streitkräften des Vereinigten Königreichs. Die Klage richtet sich gem. Art. 56 Abs. 8 Satz 2 ZA-NTS zu Recht gegen die Bundesrepublik Deutschland, die in Prozessstandschaft für den Entsendestaat - hier das Vereinigte Königreich - auftritt(vgl. BAG 21. Januar 1993 - 2 AZR 309/92 - unter II 1 der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 53 = EzA BGB § 615 Nr. 78).

18

B. Die Klage ist unbegründet.

19

I. Die ordentliche Kündigung war nicht gem. § 8 Nr. 1 SchutzTV ausgeschlossen. Unabhängig davon, ob der SchutzTV auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand, waren die Voraussetzungen für den besonderen Kündigungsschutz nach § 8 Nr. 1 SchutzTV nicht erfüllt. Der Kläger hatte im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet.

20

II. Die Kündigung vom 25. November 2010 ist nicht gem. § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam.

21

1. Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung.

22

a) Nach Art. 56 Abs. 1a ZA-NTS gelten für die Beschäftigungsverhältnisse der zivilen Arbeitskräfte bei einer Truppe und einem zivilen Gefolge alle für die zivilen Arbeitnehmer der Bundeswehr maßgeblichen arbeitsrechtlichen Vorschriften, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.

23

b) Danach ist das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis des Klägers mit den britischen Streitkräften anzuwenden (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 163/11 - Rn. 11; 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 148).

24

2. Die Kündigung vom 25. November 2010 ist sozial gerechtfertigt. Sie ist durch betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt.

25

a) Aufgrund der Schließung der Kfz-Werkstatt in N ist der bisherige Arbeitsplatz des Klägers spätestens zum Kündigungstermin weggefallen.

26

aa) Die Schließung der Werkstatt beruhte auf einer rechtlich zulässigen Organisationsentscheidung der Streitkräfte. Es gehört zum Kern der unternehmerischen Freiheit, die betriebliche Organisation zu gestalten und festzulegen, an welchem Standort welche arbeitstechnischen Zwecke und Ziele verfolgt werden sollen. Der gesetzliche Kündigungsschutz verpflichtet den Arbeitgeber nicht, eine bestimmte betriebliche Organisationsstruktur oder einen konkreten Standort beizubehalten (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 163/11 - Rn. 18; 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 146 = EzA KSchG § 2 Nr. 78). Solche Organisationsentscheidungen können von den Gerichten inhaltlich nicht nachgeprüft werden. Sie sind grundsätzlich als gegeben hinzunehmen und unterliegen lediglich einer Missbrauchskontrolle (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - aaO; 10. Mai 2007 - 2 AZR 263/06 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 155). Für eine beschlossene und durchgeführte Organisationsentscheidung spricht grundsätzlich die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist. Daher muss der Arbeitnehmer Umstände darlegen, aus denen sich ergeben soll, dass die erfolgte Strukturänderung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 163/11 - Rn. 19; 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 177 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160).

27

bb) Im Streitfall ist die Kfz-Werkstatt in N im Zuge der Umsetzung des Programms „Borona“ aufgelöst worden. Die Schließung der Werkstatt war bereits Monate vor dem Kündigungstermin Ende September 2011 tatsächlich umgesetzt. Der Umstand, dass bisher am Standort als Kfz-Mechaniker beschäftigte Mitglieder der Betriebsvertretung anderweitig weiterbeschäftigt wurden, spricht nicht dagegen, dass die Werkstatt in N vollständig aufgelöst worden ist. Soweit einige Kfz-Inspektoren keine Kündigung erhielten, waren deren Arbeitsplätze - anders als die der Kfz-Mechaniker - durch die Schließung der Werkstatt nicht entfallen. Die ihnen obliegenden Aufgaben fielen weiterhin an. Für eine willkürliche oder offensichtlich unzulässige Organisationsentscheidung hat der Kläger keine Anhaltspunkte dargelegt.

28

b) Der Kläger konnte nicht auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden.

29

aa) Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG ist eine Kündigung auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann. Auf diese Weise wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Kündigungsrecht normativ konkretisiert (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 146 = EzA KSchG § 2 Nr. 78; 6. Februar 1997 - 2 AZR 50/96 - zu II 2 der Gründe; 15. Dezember 1994 - 2 AZR 320/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 79, 66). Eine Kündigung ist nur dann durch „dringende“ betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG anderweitig zu beschäftigen (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - aaO; 23. November 2004 - 2 AZR 38/04 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 112, 361). Die Weiterbeschäftigung muss sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich sein. Dies setzt voraus, dass ein Arbeitsplatz zu vergleichbaren (gleichwertigen) oder zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist. Als „frei” sind grundsätzlich nur solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind (BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84; 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 154 ). Dem steht es gleich, wenn ein Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei wird (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - aaO ; 2. Februar 2006 - 2 AZR 38/05 - zu II 2 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 142 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 144).

30

bb) Für das Fehlen einer anderweitigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist gem. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Dabei gilt eine abgestufte Darlegungslast. Bestreitet der Arbeitnehmer lediglich den Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes, genügt der Vortrag des Arbeitgebers, wegen der betrieblichen Notwendigkeiten sei eine Weiterbeschäftigung zu den gleichen Bedingungen nicht möglich. Will der Arbeitnehmer vorbringen, es sei eine Beschäftigung an anderer Stelle möglich, obliegt es ihm, darzulegen, wie er sich seine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Erst daraufhin muss der Arbeitgeber eingehend erläutern, aus welchen Gründen eine Umsetzung nicht möglich war (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 154; 15. August 2002 - 2 AZR 195/01 - zu II 1 c aa der Gründe, BAGE 102, 197 ).

31

cc) Diese gesetzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast erfährt durch § 4 SchutzTV im Grundsatz keine Änderung(vgl. APS/Dörner/Linck 4. Aufl. § 1 ZA-NTS Rn. 14). Insbesondere müssen die Stationierungsstreitkräfte, die sich darauf berufen, ein anderer geeigneter Arbeitsplatz sei nicht verfügbar gewesen, nicht unabhängig vom Vorbringen des Arbeitnehmers alle denkbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im maßgeblichen Einzugsbereich ausschließen (offen gelassen in BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 148; a.A. für Anhang O zum TV AL II wohl LAG Rheinland-Pfalz 12. Dezember 1997 - 10 Sa 613/97 - , zu II 1 der Gründe; für eine gewisse Erweiterung der Darlegungslast des Arbeitgebers auch Hessisches LAG 28. Juni 2004 - 17 Sa 1257/03 - zu III 2 b cc der Gründe). Dies ergibt die Auslegung der Bestimmung.

32

(1) Aus dem Wortlaut von § 4 SchutzTV und der Systematik des Tarifvertrags lässt sich nicht entnehmen, in seinem Geltungsbereich solle für das Bestehen einer geeigneten Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Kündigungsschutzprozess eine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Verteilung der Darlegungslast gelten. § 4 SchutzTV regelt, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise einem vom Verlust des Arbeitsplatzes betroffenen Arbeitnehmer andere geeignete Beschäftigungsmöglichkeiten anzubieten sind. Mit der Verteilung der prozessualen Darlegungs- und Beweislast dafür, ob eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit tatsächlich bestanden hat, befasst sich die Bestimmung nicht. Regelungen zum Kündigungsschutz enthält allein § 8 SchutzTV.

33

(2) Aus Sinn und Zweck von § 4 SchutzTV ergibt sich nichts anderes. Die Bestimmung regelt zwar im Einzelnen, wie die Eignung des Arbeitnehmers für verfügbare Arbeitsplätze festzustellen ist (§ 4 Nr. 1 Satz 2 SchutzTV), welche Arbeitsplätze dem betroffenen Arbeitnehmer in welcher Reihenfolge anzubieten sind und welche Folgen es hat, wenn der Arbeitnehmer die Angebote ablehnt (§ 4 Nr. 2 und 3 SchutzTV). Auch die Verfahren zur Ermittlung von Gleichwertigkeit und Zumutbarkeit eines Arbeitsplatzes (§ 4 Nr. 4 SchutzTV) sowie die Voraussetzungen für die Gewährung einer Einarbeitungszeit und deren Dauer (§ 4 Nr. 6 SchutzTV) sind näher bestimmt (vgl. BAG 13. August 2009 - 6 AZR 330/08 - Rn. 21, BAGE 131, 325). Dass dem Arbeitnehmer gem. § 4 Nr. 1 Satz 1 SchutzTV ein verfügbarer oder bis zum Ablauf seiner Kündigungsfrist verfügbar werdender Arbeitsplatz angeboten werden muss, wenn er für ihn geeignet ist, entspricht aber der ohnehin bestehenden Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG. Für den Streit über deren Einhaltung gelten die dargestellten allgemeinen Grundsätze zur Verteilung der Darlegungslast. Für den Streit über die Erfüllung des in § 4 SchutzTV geregelten, insoweit inhaltsgleichen Unterbringungsanspruchs des Arbeitnehmers bedarf es damit keiner von diesen Grundsätzen abweichenden Verteilung der Darlegungslast. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass § 4 SchutzTV einen im Vergleich zum allgemeinen Verständnis des Begriffs „Einzugsgebiet“ in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG größeren Umkreis vorsieht, innerhalb dessen verfügbare geeignete Arbeitsplätze anzubieten sind (gem. § 4 Nr. 2d iVm. § 4 Nr. 4d SchutzTV 60 km). Damit ist nicht gesagt, wie im Kündigungsschutzprozess die Darlegungslast abzustufen ist, wenn Streit darüber besteht, ob ein geeigneter Arbeitsplatz - auch im erweiterten Einzugsbereich - tatsächlich verfügbar war.

34

dd) Danach war im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass für den Kläger keine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestand.

35

(1) Die Beklagte hat geltend gemacht, es sei weder in Mö noch in einer anderen Dienststelle ein freier Arbeitsplatz für den Kläger vorhanden gewesen.

36

(2) Soweit sich der Kläger auf die drei ausgeschriebenen Stellen in der Kfz-Werkstatt in Mö berufen hat, waren diese nicht „frei“. Die britischen Streitkräfte hatten sich bereits vor Ausspruch der Kündigung entschlossen, sie in näherer Zukunft nicht zu besetzen, und die Ausschreibung zurückgezogen. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dieses Vorgehen sei nicht rechtsmissbräuchlich gewesen. Die Streitkräfte haben dadurch nicht den Eintritt einer für den Kläger positiven Bedingung iSv. § 162 BGB treuwidrig vereitelt.

37

(a) Ein treuwidriges Verhalten des Arbeitgebers liegt vor, wenn er eine freie Stelle anderweitig besetzt, obwohl schon zu diesem Zeitpunkt ein Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den später gekündigten Arbeitnehmer absehbar ist (vgl. BAG 24. November 2005 - 2 AZR 514/04 - Rn. 39, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 51).

38

(b) Damit ist die Entscheidung der britischen Streitkräfte, die fraglichen Stellen vorerst nicht zu besetzen, nicht vergleichbar. In diesem Entschluss lag keine rechtsmissbräuchliche Vereitelung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger. Die britischen Streitkräfte waren in der Entscheidung, welche Stellen akut besetzt werden sollten, grundsätzlich frei. Nach Art. 56 Abs. 7a Satz 1 ZA-NTS bestimmen allein sie die Zahl und Art der benötigten Arbeitsplätze. Mit Blick auf den besonderen Kündigungsschutz der Mitglieder der Betriebsvertretung nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG erscheint die Entscheidung, für diese eine entsprechende Anzahl von Arbeitsplätzen frei zu halten, auch nicht willkürlich.

39

(3) Das Vorbringen des Klägers, er habe in Mö auf einem freien Arbeitsplatz als Store-Keeper oder als Wachmann weiterbeschäftigt werden können, hat das Landesarbeitsgericht zu Recht nach § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG als verspätet zurückgewiesen.

40

(a) Neue Tatsachen sind nach § 67 Abs. 4 Satz 1 ZPO grundsätzlich in der Berufungsbegründung vorzutragen. Späteres Vorbringen ist nach § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG nur zuzulassen, wenn es entweder nach der Berufungsbegründung entstandene Tatsachen betrifft oder nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert oder die Verspätung nicht auf Verschulden der Partei beruht(BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - Rn. 16, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12).

41

(b) Ein solcher Ausnahmefall hat hier nach der rechtsfehlerfreien Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht vorgelegen. Danach waren die betreffenden Tatsachen weder erst nach der Berufungsbegründung entstanden, noch war der Kläger unverschuldet an einem rechtzeitigen Vortrag gehindert.

42

(aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht geltend gemacht, erst im Anschluss an die Berufungsbegründung Kenntnis von den nach seinem Vorbringen bereits im Kündigungszeitpunkt freien Stellen erlangt zu haben. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Zulässige Verfahrensrügen hat der Kläger insoweit nicht erhoben.

43

(bb) Die Berücksichtigung des verspäteten Vortrags hätte zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt. Dieser hätte nicht im unmittelbaren Anschluss an die mündliche Verhandlung beendet werden können. Es hätte aufgeklärt werden müssen, ob in den entsprechenden Bereichen tatsächlich freie Arbeitsplätze vorhanden waren und für den Kläger in Betracht kamen.

44

(c) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass das Landesarbeitsgericht, wie der Kläger rügt, keinen Hinweis dahin erteilt habe, es wolle von der vermeintlich „herrschenden Meinung“ abweichen und mit Blick auf den Unterbringungsanspruch nach § 4 SchutzTV keine andere Verteilung der Darlegungslast für das Bestehen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit annehmen. Einen solchen Hinweis musste das Gericht nicht erteilen. Der Kläger musste auch ohne ihn damit rechnen, dass es diese Auffassung vertreten könnte. So hatte schon das Arbeitsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung desselben Landesarbeitsgerichts zu Anhang O zum TV AL II (vgl. LAG Düsseldorf 13. Dezember 1994 - 3 (17) Sa 1307/94 -) angenommen, die Darlegungslast für Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten werde durch § 4 SchutzTV nicht geändert.

45

(4) Der Kläger hat sich nicht darauf berufen, er habe auf einer der Positionen weiterbeschäftigt werden können, die den nicht gekündigten Kfz-Mechanikern, die Mitglieder der Betriebsvertretung N waren, übertragen wurden. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die britischen Streitkräfte die Mitglieder der Betriebsvertretung mit Blick auf ihren Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG insoweit vorrangig berücksichtigen durften oder ob die fraglichen Beschäftigungsmöglichkeiten nur nach einer Sozialauswahl mit den ebenfalls vom Wegfall ihrer Arbeitsplätze betroffenen Arbeitnehmern hätten vergeben werden dürfen(vgl. zum Erfordernis einer Auswahl entsprechend den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG, wenn zugleich mehrere Arbeitnehmer um eine geringere Anzahl von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten konkurrieren BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 147 = EzA KSchG § 2 Nr. 79). Auf die Frage, ob die fraglichen Beschäftigungsmöglichkeiten in derselben oder in einer anderen Dienststelle bestanden und ob der Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG ggf. auch die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung in einer anderen Dienststelle umfasst (vgl. zum Streitstand KR/Etzel 10. Aufl. § 15 KSchG Rn. 93) kommt es damit nicht an. Ebenso wenig ist von Bedeutung, ob der Kläger für den Fall, dass eine Auswahl nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG erforderlich gewesen wäre, sozial schutzwürdiger gewesen wäre.

46

c) Die Kündigung vom 25. November 2010 ist nicht deshalb sozial ungerechtfertigt, weil die im Werkstattbereich in Mö beschäftigten Kfz-Mechaniker in die Sozialauswahl hätten einbezogen werden müssen.

47

aa) Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung trotz Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse iSd. Abs. 2 sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine Schwerbehinderung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Der Arbeitgeber hat in die Sozialauswahl diejenigen Arbeitnehmer einzubeziehen, die miteinander vergleichbar sind. Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse sowie nach dem Inhalt der von ihnen vertraglich geschuldeten Aufgaben austauschbar sind (BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 19, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 85; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 41, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84).

48

bb) In die Sozialauswahl sind nur die Arbeitnehmer einzubeziehen, die derselben Dienststelle angehören (vgl. BAG 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 b der Gründe, ZTR 2001, 89).

49

(1) Das Kündigungsschutzgesetz ist grundsätzlich auf den Betrieb bezogen, die Sozialauswahl daher auf den Beschäftigungsbetrieb beschränkt (BAG 2. Juni 2005 - 2 AZR 158/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 115, 82; 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 b der Gründe, ZTR 2001, 89). Dem „Betrieb“ im Bereich der privaten Wirtschaft entspricht in der Regel die „Dienststelle“ im Bereich des öffentlichen Dienstes (vgl. BAG 22. September 2005 - 2 AZR 544/04 - zu B II 6 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 59 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 141; 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - aaO; Linck in v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 709 und § 23 Rn. 12). Dafür spricht ein Vergleich von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG mit der Formulierung in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG. Die organisatorische Einheit des Betriebs findet danach im Rahmen von § 1 KSchG ihre Entsprechung in der Dienststelle.

50

(2) Maßgeblich im Rahmen von § 1 KSchG ist grundsätzlich der personalvertretungsrechtliche Dienststellenbegriff(BAG 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 b der Gründe, ZTR 2001, 89; 23. April 1998 - 2 AZR 489/97 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 88, 287; 25. September 1956 - 3 AZR 102/54 - BAGE 3, 155, 157). Dafür spricht, dass mit dem Bundespersonalvertretungsgesetz 1974 die Regelung zur Weiterbeschäftigungspflicht wortgleich mit § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BPersVG in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG eingefügt worden ist. Da sich aus den Gesetzesmaterialien nichts anderes ergibt, ist davon auszugehen, dass der Begriff der „Dienststelle“ in beiden Regelungsbereichen die gleiche Bedeutung hat (vgl. KR/Bader 10. Aufl. § 23 KSchG Rn. 29).

51

(3) Gem. Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS iVm. Abs. 1 des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS(zuletzt geändert durch Änderungsabkommen vom 23. November 1994, BGBl. II S. 3710, 3712) sind bei den Stationierungsstreitkräften Dienststellen iSd. Personalvertretungsgesetzes die einzelnen Verwaltungsstellen und Betriebe einer Truppe und eines zivilen Gefolges nach näherer Bestimmung durch die betreffende Truppe selbst. Das Unterzeichnungsprotokoll zum ZA-NTS hat Gesetzesqualität. Für seinen Geltungsbereich ist es lex specialis. Auf die den Dienststellenbegriff nach § 6 BPersVG im Allgemeinen kennzeichnenden Merkmale kommt es demnach im Bereich der Stationierungsstreitkräfte nicht an. Dafür spricht auch, dass eine Bestimmung der Dienststellen nach den allgemeinen Maßstäben des § 6 BPersVG wegen der im militärischen Bereich zahlreichen Befehlsebenen nur bedingt möglich wäre. Der von § 6 BPersVG vorausgesetzte Dienststellenaufbau lässt sich auf die Entscheidungsbefugnisse im militärischen Bereich nicht ohne Weiteres übertragen(vgl. BAG 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 c aa der Gründe, ZTR 2001, 89).

52

(4) Auf die organisatorische Einheit der von der Truppe bestimmten Dienststelle ist auch im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG abzustellen. Die autonome Bestimmung der Dienststellen durch die Entsendestaaten mit Wirkung für das Personalvertretungsrecht ist völkerrechtlich vorgegeben. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass etwa deshalb kündigungsschutzrechtlich im Bereich der Stationierungsstreitkräfte ein vom personalvertretungsrechtlichen abweichender Dienststellenbegriff maßgeblich sein sollte.

53

cc) Danach war die Sozialauswahl nicht auf die im Werkstattbereich in Mö beschäftigten Kfz-Mechaniker zu erstrecken. Dieser Bereich gehörte nach dem Vorbringen der Beklagten nicht zu derselben Dienststelle wie die Kfz-Werkstatt in N. Eine abweichende Bestimmung der Dienststellen durch die britischen Streitkräfte hat der Kläger entgegen § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht dargelegt. Darauf, ob beide Dienststellen denselben Leiter hatten, kommt es ebenso wenig an wie darauf, von wo die arbeitsrechtlichen Weisungen erteilt und in welchem Ausmaß Beschäftigte wechselseitig eingesetzt wurden. Anhaltspunkte für eine willkürliche, etwa zwecks Umgehung der Sozialauswahl beliebig wechselnde Bestimmung der Dienststellen durch die britischen Streitkräfte hat der Kläger nicht vorgetragen.

54

III. Die Kündigung ist nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung der Betriebsvertretung unwirksam.

55

1. Im Bereich des durch das ZA-NTS modifizierten Mitwirkungsverfahrens nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz gelten die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats iSd. § 102 BetrVG entsprechend(BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 51, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 148). In Bezug auf anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten reicht es damit aus, dass der Betriebsvertretung mitgeteilt wird, dass solche Möglichkeiten für den Arbeitnehmer nicht bestünden (vgl. BAG 21. September 2000 - 2 AZR 385/99 - zu B IV 2 c der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 111 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 107).

56

2. Danach ist die örtliche Betriebsvertretung mit Schreiben der Dienststellenleitung vom 8. November 2010 in entsprechender Anwendung von § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG ordnungsgemäß angehört worden. Der Leiter der Dienststelle hat die Betriebsvertretung über die persönlichen Daten des Klägers, die Art der beabsichtigten Kündigung und den Kündigungsgrund informiert. Vom Eintrittsdatum des Klägers hatte die Betriebsvertretung bereits Kenntnis. Eine Mitteilung über die Unterhaltspflichten des Klägers war entbehrlich, weil aus Sicht der britischen Streitkräfte eine Sozialauswahl nicht erforderlich war. Durch die Angabe des Termins, zu dem die Kündigung wirksam werden sollte, war für die Betriebsvertretung ersichtlich, dass selbst die längste tarifvertragliche Kündigungsfrist gewahrt würde. Es bedurfte entgegen der Auffassung des Klägers auch keiner besonderen Hinweise zum Unterbringungsanspruch nach § 4 SchutzTV. Unabhängig davon, ob der SchutzTV auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung fand, ergaben sich mit Blick auf diesen keine Besonderheiten, die über den gesetzlichen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG hinausgingen.

57

IV. Die Kündigung vom 25. November 2010 hat das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2011 beendet.

58

1. Die Kündigungsfrist des im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen § 44 Ziff. 1 b TV AL II von sechs Monaten zum Monatsende ist gewahrt.

59

2. Eine längere Kündigungsfrist war nicht vereinbart.

60

a) Eine solche Vereinbarung ergibt sich nicht aus dem Schreiben der obersten Dienstbehörde der britischen Stationierungsstreitkräfte an die Hauptbetriebsvertretung vom 4. August 2010. Darin haben die Streitkräfte lediglich versichert, sie würden versuchen, eine zwölfmonatige Kündigungsfrist einzuhalten. Eine Garantie könnten sie nicht geben.

61

b) Die Streitkräfte waren nicht aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zur Wahrung einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist verpflichtet.

62

aa) Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleichzubehandeln. Damit verbietet er eine sachfremde Gruppenbildung und die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn die Regelung also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise als willkürlich anzusehen ist (BAG 27. Juni 2012 - 5 AZR 317/11 - Rn. 17, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 148; 21. Oktober 2009 - 10 AZR 664/08 - Rn. 24, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 21).

63

bb) Der Kläger wurde in Bezug auf den Beendigungstermin nicht anders als die übrigen Arbeitnehmer behandelt. Auch deren Arbeitsverhältnisse kündigten die britischen Streitkräfte zum 30. September 2011. Dies entsprach dem Termin, zu dem die Schließung der Werkstatt erfolgen sollte und damit die Arbeitsplätze der dort beschäftigten Kfz-Mechaniker wegfielen. Soweit die Zeitspannen zwischen Kündigungszugang und Beendigungstermin am 30. September 2011 verschieden lang waren, ist diese Ungleichbehandlung durch den allen Kündigungen gleichermaßen zugrunde liegenden Umstand, dass zu diesem Zeitpunkt die Schließung der Werkstatt in N geplant war, sachlich gerechtfertigt.

64

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    F. Löllgen    

        

    Bartz    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 9. September 2008 - 7 Sa 81/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung.

2

Die Klägerin war ab Mai 1989 als Laborantin im Bezirksinstitut für Veterinärmedizin beschäftigt. Der beklagte Freistaat führte diese Einrichtung als Teil des Thüringischen Medizinal-, Lebensmittel- und Veterinäruntersuchungsamts (TMLVUA) fort. Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 25. April 1989 war als Arbeitsort Jena-Zwätzen vereinbart worden. Der Änderungsvertrag vom 16. Dezember 1993 sah eine Tätigkeit der Klägerin als Angestellte und die Anwendbarkeit des BAT-O und der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder jeweils gültigen Fassung vor; im Übrigen sollten die bisherigen Regelungen fortgelten.

3

Die Thüringer Landesregierung ordnete am 20. Februar 2001 die Umbenennung des TMLVUA in das Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz (TLLV) an, bestimmte Bad Langensalza als dessen Sitz und sah nach Fertigstellung der Baumaßnahmen die Auflösung der bisherigen Standorte in Erfurt, Weimar und Jena vor (vgl. GVBl. Thüringen S. 17). Für die vom Umzug betroffenen Mitarbeiter wurde eine Stellenbörse eingerichtet, mit der ein Personaltausch innerhalb der Landesverwaltung organisiert werden sollte. Die in Jena lebende Klägerin fand keinen Tauschpartner. Sie bewarb sich erfolglos auf zahlreiche Stellenausschreibungen anderer Landesbehörden.

4

Der bisherige Standort des TLLV in Jena wurde zum 26. November 2007 aufgelöst. Der Beklagte wies die Klägerin an, ihre Arbeit ab dem 26. November 2007 in Bad Langensalza aufzunehmen. Nach Anhörung des Personalrats kündigte er vorsorglich mit Schreiben vom 22. Juni 2007 das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. Dezember 2007 und bot ihr dessen Fortsetzung in Bad Langensalza zu den bisherigen Arbeitsbedingungen an. Sie nahm das Änderungsangebot unter Vorbehalt an.

5

Die Klägerin hat ua. gegen die Änderungskündigung Klage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe sie auf einem freien, ortsnäheren Arbeitsplatz in einer anderen Dienststelle weiterbeschäftigen können. Es sei unverhältnismäßig, von ihr eine tägliche An- und Abreise von weit über 100 km zu verlangen, obwohl wohnortnähere Arbeitsplätze in der Landesverwaltung frei gewesen seien.

6

Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses gemäß dem Schreiben des Beklagten vom 22. Juni 2007 sozial ungerechtfertigt ist.

7

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Aufgrund der von der Landesregierung beschlossenen Zusammenführung der bisherigen Standorte des TLLV sei der Arbeitsplatz der Klägerin von Jena nach Bad Langensalza verlagert worden. Freie Arbeitsplätze in anderen Bereichen der Landesverwaltung seien nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG nicht zu berücksichtigen.

8

Das Arbeitsgericht hat die Versetzungsanordnung des beklagten Freistaats für unwirksam angesehen, hat aber im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Berufungen beider Prozessparteien blieben vor dem Landesarbeitsgericht erfolglos. Mit ihrer vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin weiterhin die Feststellung der Unwirksamkeit der Änderungskündigung.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Die Änderung der Arbeitsbedingungen ist sozial gerechtfertigt (§ 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 KSchG). Der Beklagte musste der Klägerin keine andere Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz in einer anderen Dienststelle eines anderen Verwaltungszweiges anbieten.

10

I. Die Revision ist zulässig. Sie ist noch ordnungsgemäß iSv. § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO begründet.

11

1. Auch nach einer erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerde muss die eingelegte Revision innerhalb der gesetzlichen Frist begründet werden. Wird einer Nichtzulassungsbeschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Die form- und fristgerechte Einlegung der Beschwerde gilt kraft Gesetzes als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der stattgebenden Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist (§ 72a Abs. 6 ArbGG). Allerdings werden die allgemeinen Vorschriften über die Begründung der Revision durch § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 2 ZPO modifiziert. Zur Begründung der Revision kann auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug genommen werden (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 875/08 - Rn. 21, AP ArbGG 1979 § 72 Nr. 54; 8. Mai 2008 - 1 ABR 56/06 - Rn. 6, BAGE 126, 339). Diese Bezugnahme muss - wie im Streitfall - innerhalb der Zweimonatsfrist des § 72a Abs. 6 Satz 3 iVm. § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG bei Gericht eingehen und die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss den inhaltlichen Anforderungen an eine Revisionsbegründung gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 ZPO entsprechen.

12

2. Diesen Anforderungen ist im Streitfall genügt. Die Revisionsbegründung vom 5. Oktober 2009 nimmt auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug. Schon diese enthält hinreichende Sachrügen zur Wirksamkeit der Änderungskündigung und setzt sich ausreichend mit der Berufungsentscheidung und -begründung auseinander.

13

II. Die Änderung des vertraglich vereinbarten Arbeitsorts ist nicht sozial ungerechtfertigt iSd. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 KSchG. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, eine Weiterbeschäftigung der Klägerin an ihrem bisherigen Arbeitsplatz in Jena-Zwätzen sei aufgrund von dringenden betrieblichen Erfordernissen nicht möglich. Weiterhin hat es zutreffend entschieden, dass sich der beklagte Freistaat darauf beschränkt hat, der Klägerin nur solche Vertragsänderungen anzubieten, die sie billigerweise hinnehmen musste.

14

1. Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist das Änderungsangebot des Arbeitsgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG es bedingen und ob der Arbeitgeber sich darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss(zuletzt Senat 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 142 = EzA KSchG § 2 Nr. 74; 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 141; 26. Juni 2008 - 2 AZR 139/07 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 138 = EzA KSchG § 2 Nr. 71).

15

Eine Änderungskündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschlossen hat, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerin im fraglichen Betrieb entweder ganz oder jedenfalls zu den bisherigen Arbeitsbedingen entfällt(zuletzt Senat 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 13, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 141; 27. September 2001 - 2 AZR 246/00 - zu I 1 b der Gründe, EzA KSchG § 2 Nr. 41; 18. September 1997 - 2 AZR 657/96 - EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 97).

16

2. Im Streitfall ist ein betriebliches Erfordernis gegeben.

17

a) Die Anordnung des Beklagten vom 20. Februar 2001, das TLLV an einem Standort zu konzentrieren, den Sitz dieser Behörde nach Bad Langensalza zu verlegen und die bisherigen Standorte zu schließen, stellt eine rechtlich zulässige Organisationsentscheidung dar, die zum Wegfall der Arbeitsplätze am Standort Jena-Zwätzen geführt hat (zur Verlagerung eines Betriebsteils: Senat 21. Februar 2002 - 2 AZR 556/00 - zu II 2 der Gründe, EzA KSchG § 2 Nr. 45; 27. September 2001 - 2 AZR 246/00 - zu I 1 c aa der Gründe, EzA KSchG § 2 Nr. 41). Es gehört zum Kern der (unternehmerischen) Freiheit, die betriebliche Organisation zu gestalten und festzulegen, an welchem Standort welche arbeitstechnischen Zwecke und Ziele verfolgt werden sollen. Der gesetzliche Kündigungsschutz verpflichtet den Arbeitgeber nicht, eine bestimmte betriebliche Organisationsstruktur oder einen konkreten Standort beizubehalten (Senat 21. Februar 2002 - 2 AZR 556/00 - zu II 2 der Gründe, aaO; 27. September 2001 - 2 AZR 246/00 - zu I 1 c bb der Gründe, aaO). Dies gilt für den öffentlichen Arbeitgeber insbesondere dann, wenn die Organisationsentscheidung durch ein parlamentarisches Gremium oder durch die demokratisch legitimierte Verwaltung getroffen worden ist (vgl. hierzu BVerfG 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 - ZTR 1995, 566). Solche Organisationsentscheidungen können von den Gerichten inhaltlich nicht nachgeprüft werden, sie sind grundsätzlich als gegeben hinzunehmen (Senat 10. Mai 2007 - 2 AZR 263/06 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 155; 24. Juni 2004 - 2 AZR 208/03 - zu B II 7 b der Gründe, ZTR 2005, 160). Sie unterliegen lediglich einer Missbrauchskontrolle. Da für eine beschlossene und durchgeführte Organisationsentscheidung grundsätzlich die Vermutung spricht, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist, muss der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess Umstände darlegen, aus denen sich ergeben soll, dass die erfolgte Strukturänderung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.

18

b) Im Streitfall ist der bisherige Standort des TLLV in Jena zum 26. November 2007 aufgelöst worden. Für eine willkürliche oder offensichtlich unzulässige Organisationsentscheidung hat die Klägerin keine Anhaltspunkte dargelegt.

19

3. Das betriebliche Erfordernis war „dringend“ iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

20

a) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird im Kündigungsrecht ua. durch § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG normativ konkretisiert(Senat 6. Februar 1997 - 2 AZR 50/96 - zu II 2 der Gründe; 15. Dezember 1994 - 2 AZR 320/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 79, 66). Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG ist eine Kündigung auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann. Danach ist eine Kündigung durch „dringende“ betriebliche Erfordernisse nur bedingt, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG anderweitig zu beschäftigen (Senat 23. November 2004 - 2 AZR 38/04 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 112, 361; 21. Februar 2002 - 2 AZR 556/00 - zu II 3 d der Gründe, EzA KSchG § 2 Nr. 45; 27. September 2001 - 2 AZR 246/00 - zu I 2 a der Gründe, EzA KSchG § 2 Nr. 41; 6. Februar 1997 - 2 AZR 50/96 - Rn. 19; 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - BAGE 65, 61; 18. Januar 1990 - 2 AZR 183/89 - BAGE 64, 24). Aus der gesetzlichen Formulierung folgt zugleich, dass der öffentliche Arbeitgeber regelmäßig nicht verpflichtet ist, den Arbeitnehmer auf einem (freien) Arbeitsplatz in einer Dienststelle eines anderen Verwaltungszweigs weiterzubeschäftigen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 1020/08 - Rn. 17; 17. Mai 1984 - 2 AZR 109/83 - zu C 2 der Gründe, BAGE 46, 191; LAG Köln 23. Februar 1996 - 11 (13) Sa 888/95 - LAGE KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 36; zu Ausnahmen im Fall einer Verlagerung der Aufgaben in einen anderen Verwaltungszweig Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 1020/08 - Rn. 18; 6. Februar 1997 - 2 AZR 50/96 - zu II 2 b der Gründe). Die gesetzliche Beschränkung will den öffentlichen Arbeitgeber vor einem „staatsweiten Weiterbeschäftigungsanspruch“ schützen (vgl. Lingemann/Grothe NZA 1999, 1072, 1074). Dies erscheint vor dem Hintergrund des Art. 33 Abs. 2 GG auch berechtigt. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG räumt der Weiterbeschäftigung von bereits tätigen Arbeitnehmern auf einer freien Stelle einen Vorrang vor leistungsstärkeren und geeigneteren Bewerbern ein und verdrängt damit partiell die Anwendung des Prinzips der „Bestenauslese“ (vgl. Lingemann/Grothe NZA 1999, 1072, 1074; LAG Baden-Württemberg 27. Mai 1993 - 11 Sa 8/93 - NZA 1994, 557). Das ist nur in den gesetzlichen Grenzen hinzunehmen. Etwas anderes kann gelten, wenn der öffentliche Arbeitgeber die bisherige Verwaltungsaufgabe und Verwaltungsorganisation einer Dienststelle durch Gesetz oder Erlass aufgelöst hat, um - wenn auch nur teilweise - vergleichbare Aufgaben im Rahmen einer neu gebildeten Strukturform und Verwaltungsorganisation in einem anderen Verwaltungsbereich auszuführen. Dann kommt eine Weiterbeschäftigung in den anderen Dienststellen in Betracht, die nunmehr diese Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (vgl. Senat 6. Februar 1997 - 2 AZR 50/96 - zu II 2 b der Gründe). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Hier sollen dieselben Aufgaben innerhalb desselben Verwaltungszweigs von derselben Dienststelle ausgeführt und soll die Klägerin wie bisher weiterbeschäftigt werden, beides lediglich an einem anderen Ort.

21

b) Danach scheidet eine andere Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG aus. Die von der Klägerin genannten freien Arbeitsplätze betrafen nicht denselben Verwaltungszweig und befanden sich überwiegend nicht am selben Dienstort oder in dessen Einzugsgebiet (zum Umkreis von 30 km vgl. APS/Kiel 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 598).

22

c) Die Änderungskündigung ist nicht aus anderen Gründen unverhältnismäßig. Die Klägerin musste die ihr vorgeschlagene Vertragsänderung billigerweise hinnehmen. Das Änderungsangebot entfernt sich nicht weiter vom Inhalt der bisherigen Arbeitsbedingungen der Klägerin, als dies zum Erreichen des angestrebten Ziels notwendig ist.

23

aa) Die angebotene Änderung ist geeignet und erforderlich, um die neue Organisationsstruktur des TLLV umzusetzen. Das TLLV soll an einem Standort zentralisiert werden. Dazu müssen die bisher in verschiedenen Städten angesiedelten Teile des TLLV an diesen Standort verlegt und die in ihnen beschäftigten Arbeitnehmer am neuen Standort eingesetzt werden können. Letzteres ist dem Beklagten anders als durch den Ausspruch von Änderungskündigungen nicht möglich.

24

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin gab es keine milderen Mittel, um dieses Ziel zu erreichen.

25

(1) In Betracht kommen nur Mittel, die gleich wirksam sind, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Das ist nur der Fall, wenn sie für die betroffenen Arbeitnehmer weniger belastend sind und dennoch die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und deren Umsetzung im Kern nicht ändern (Senat 10. April 2009 - 2 AZR 835/07 - Rn. 25; 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 141; 26. Juni 2008 - 2 AZR 1109/06 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 180; 30. Mai 1978 - 2 AZR 630/76 - AP BGB § 626 Nr. 70 = EzA BGB § 626 nF Nr. 66).

26

(2) Der Beklagte hat sich darauf beschränkt, der Klägerin die unbedingt notwendigen Änderungen des Arbeitsverhältnisses anzutragen. Neben dem angebotenen Arbeitsplatz in Bad Langensalza gab es keine anderen, der beruflichen Qualifikation der Klägerin entsprechenden zumutbaren Arbeitsplätze, die der Beklagte hätte anbieten müssen. Die Klägerin hat keine Arbeitsplätze oder Einsatzformen beim TLLV benannt, die bei Beachtung der getroffenen Organisationsentscheidung für sie zu einer geringeren Belastung geführt hätten. Ihr Hinweis auf freie Arbeitsplätze in Dienststellen eines anderen Verwaltungszweigs ist insoweit unbeachtlich.

27

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Berger    

        

    Gallner    

        

        

        

    A. Claes    

        

    Niebler    

                 

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Mai 2011 - 16 Sa 113/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

2

Der 1971 geborene Kläger war seit Mai 1992 als Kraftfahrzeugmechaniker bei der Rhine Area Labour Support Unit (RALSU) - Royal Logistic Corps (RLC) - der Streitkräfte des Vereinigten Königreichs beschäftigt. Er bezog zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.500,00 Euro.

3

Der schriftliche Arbeitsvertrag nahm den Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV AL II) in Bezug. Ob die Anwendbarkeit des Tarifvertrags vom 2. Juli 1997 über Rationalisierungs-, Kündigungs- und Einkommensschutz (SchutzTV) einzelvertraglich vereinbart war, ist nicht festgestellt.

4

Bei den britischen Streitkräften trifft eine Abteilung der obersten Dienstbehörde „LEC Support Service“ die Entscheidung, welche Betriebsstätte zu einer Dienststelle bestimmt wird. Diese Dienststellen werden in ein entsprechendes Verzeichnis eingetragen.

5

In einem „Berichtigungs- und Nachtragsbogen zum Arbeitsvertrag“ vom 20. August/13. September 2001 änderten die Arbeitsvertragsparteien die Beschäftigungsdienststelle des Klägers mit Wirkung vom 1. April 2002 von „RALSU“ in „RALSU RLC N“ und den Beschäftigungsort von „Mö“ in „N“. Der Kläger arbeitete seit April 2002 überwiegend in der Kfz-Werkstatt in N, war zeitweise aber auch in Mö eingesetzt.

6

Die Betriebsstätte N wurde wie die Dienststelle Mö von Major J. P. M geleitet. Zwischen den Werkstattbereichen Mö und N fand bei Bedarf ein wechselseitiger Personaleinsatz statt. Die arbeitsrechtlichen Weisungen erfolgten von Mö aus. Die Personalverwaltung für beide Betriebsstätten war personen- und funktionsidentisch. In dem zur Dienststelle Mö gehörenden Werkstattbereich waren acht Kraftfahrzeugmechaniker beschäftigt, die über deutlich geringere Beschäftigungszeiten als der Kläger verfügten. In diesem Bereich waren zwischenzeitlich zudem drei vakante Stellen ausgeschrieben. Die britischen Streitkräfte zogen die Ausschreibungen wieder zurück, weil die Positionen vorerst unbesetzt bleiben sollten. Sie sollten ggf. zu einem späteren Zeitpunkt Mitgliedern der Betriebsvertretung als neue Arbeitsplätze angeboten werden können.

7

Im Rahmen eines „Borona“ genannten Programms entschieden die britischen Streitkräfte, die Kasernen in Mö, Mü und E sukzessive aufzugeben und im Zuge dessen die Kfz-Werkstatt in Niederkrüchten-Elmpt zum 30. September 2011 zu schließen. Die Schließung der Werkstatt erfolgte spätestens im Mai 2011. Reparaturen und Wartungen der in N vorhandenen Fahrzeuge wurden seitdem in der Werkstatt in Mö durchgeführt.

8

Die oberste Dienstbehörde der britischen Streitkräfte in Deutschland - Delegated Military Representative (DMR) - leitete mit Schreiben vom 9. Juli 2010 das Mitwirkungsverfahren bei der Hauptbetriebsvertretung ein. Diese bat die DMR sicherzustellen, dass bei allen Betroffenen eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten eingehalten würde. Mit Schreiben vom 4. August 2010 erwiderte die DMR, sie werde, wann immer möglich, versuchen, diese Frist zu gewähren, eine Garantie hierfür könne sie jedoch nicht geben.

9

Mit Schreiben vom 28. September 2010 kündigte die RALSU das Arbeitsverhältnis des Klägers zunächst außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30. September 2011. Nachdem sie erklärt hatte, aus der außerordentlichen Kündigung keine Rechte mehr herzuleiten, nahm der Kläger die hiergegen gerichtete Klage zurück.

10

Ebenfalls im September 2010 kündigte die RALSU auch die Arbeitsverhältnisse der übrigen in N beschäftigten Kfz-Mechaniker zum 30. September 2011. Ausgenommen waren die Arbeitsverhältnisse von Mitgliedern der Betriebsvertretung. Auch ein Teil der in N beschäftigten Kfz-Inspektoren erhielt keine Kündigung. Anders als die Kfz-Mechaniker, die die eigentlichen Reparaturarbeiten durchführten, waren die Kfz-Inspektoren dafür zuständig, den Fahrzeugpark zu überprüfen, reparaturbedürftige Fahrzeuge auszusondern, in die Werkstatt zu verbringen, die reparierten Fahrzeuge zu überprüfen und wieder in den Fahrzeugpark einzugliedern. Außerdem oblag ihnen die TÜV-Abnahme der in Großbritannien zugelassenen Privatfahrzeuge von Beschäftigten der Dienststelle.

11

Nach Anhörung der Betriebsvertretung N kündigte die RALSU das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 25. November 2010 erneut, diesmal ordentlich zum 30. September 2011.

12

Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger vorgebracht, die Entscheidung der Streitkräfte, die Kfz-Werkstatt in N zu schließen, sei nur unvollständig umgesetzt worden. Zudem könne er auf einem der freien Arbeitsplätze im Werkstattbereich in Mö weiterbeschäftigt werden. Dort seien außerdem eine Stelle als Store-Keeper und Stellen für Wachleute frei gewesen. § 4 Nr. 2d SchutzTV erweitere die Verpflichtung der Streitkräfte, ihn auf einem Arbeitsplatz bei derselben oder einer anderen Beschäftigungsdienststelle zu beschäftigen. Die Streitkräfte müssten deshalb im Kündigungsschutzprozess von sich aus umfassend zu Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten vortragen. Auch die Sozialauswahl sei fehlerhaft. Er sei mit den weniger schutzwürdigen Kfz-Mechanikern der Werkstatt Mö vergleichbar und diesen vorzuziehen. Bei den Betriebsstätten in N und Mö handele es sich um eine einheitliche Dienststelle. Im Übrigen sei die Kündigungsfrist nicht gewahrt. Er werde gegenüber allen anderen Mitarbeitern, die eine Kündigung mit Jahresfrist erhalten hätten, benachteiligt. Der Kläger hat ferner geltend gemacht, die Betriebsvertretung sei unzureichend angehört worden. Der Unterbringungsanspruch nach § 4 SchutzTV sei nicht Gegenstand der Anhörung gewesen.

13

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung vom 25. November 2010 zum 30. September 2011 sein Ende finden wird.

14

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung vom 25. November 2010 für wirksam gehalten. Die dieser zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung sei umgesetzt worden. Die ungekündigten Mitglieder der Betriebsvertretung würden im Rahmen der stufenweisen Schließung der Dienststelle zunächst im Arbeitsbereich des Quartiermeisters weiter eingesetzt. Für den Kläger sei kein freier Arbeitsplatz in Mö oder einer anderen Dienststelle vorhanden gewesen. Bei der Betriebsstätte N handele es sich um eine eigenständige Dienststelle. Eine Sozialauswahl habe deshalb nur zwischen den dort Beschäftigten stattfinden können. Die britischen Streitkräfte seien nicht zur Einhaltung einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist verpflichtet gewesen. Die zuständige Betriebsvertretung sei ordnungsgemäß angehört worden.

15

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kündigung vom 25. November 2010 ist wirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2011 aufgelöst.

17

A. Die Klage ist zulässig. Die auch noch in der Revisionsinstanz zu überprüfende Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit ist gem. Art. 56 Abs. 8 Satz 1 ZA-NTS(BGBl. II 1961, S. 1218, 1278) gegeben. Der Kläger war ziviler Bediensteter bei den Streitkräften des Vereinigten Königreichs. Die Klage richtet sich gem. Art. 56 Abs. 8 Satz 2 ZA-NTS zu Recht gegen die Bundesrepublik Deutschland, die in Prozessstandschaft für den Entsendestaat - hier das Vereinigte Königreich - auftritt(vgl. BAG 21. Januar 1993 - 2 AZR 309/92 - unter II 1 der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 53 = EzA BGB § 615 Nr. 78).

18

B. Die Klage ist unbegründet.

19

I. Die ordentliche Kündigung war nicht gem. § 8 Nr. 1 SchutzTV ausgeschlossen. Unabhängig davon, ob der SchutzTV auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand, waren die Voraussetzungen für den besonderen Kündigungsschutz nach § 8 Nr. 1 SchutzTV nicht erfüllt. Der Kläger hatte im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet.

20

II. Die Kündigung vom 25. November 2010 ist nicht gem. § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam.

21

1. Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung.

22

a) Nach Art. 56 Abs. 1a ZA-NTS gelten für die Beschäftigungsverhältnisse der zivilen Arbeitskräfte bei einer Truppe und einem zivilen Gefolge alle für die zivilen Arbeitnehmer der Bundeswehr maßgeblichen arbeitsrechtlichen Vorschriften, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.

23

b) Danach ist das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis des Klägers mit den britischen Streitkräften anzuwenden (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 163/11 - Rn. 11; 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 148).

24

2. Die Kündigung vom 25. November 2010 ist sozial gerechtfertigt. Sie ist durch betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt.

25

a) Aufgrund der Schließung der Kfz-Werkstatt in N ist der bisherige Arbeitsplatz des Klägers spätestens zum Kündigungstermin weggefallen.

26

aa) Die Schließung der Werkstatt beruhte auf einer rechtlich zulässigen Organisationsentscheidung der Streitkräfte. Es gehört zum Kern der unternehmerischen Freiheit, die betriebliche Organisation zu gestalten und festzulegen, an welchem Standort welche arbeitstechnischen Zwecke und Ziele verfolgt werden sollen. Der gesetzliche Kündigungsschutz verpflichtet den Arbeitgeber nicht, eine bestimmte betriebliche Organisationsstruktur oder einen konkreten Standort beizubehalten (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 163/11 - Rn. 18; 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 146 = EzA KSchG § 2 Nr. 78). Solche Organisationsentscheidungen können von den Gerichten inhaltlich nicht nachgeprüft werden. Sie sind grundsätzlich als gegeben hinzunehmen und unterliegen lediglich einer Missbrauchskontrolle (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - aaO; 10. Mai 2007 - 2 AZR 263/06 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 155). Für eine beschlossene und durchgeführte Organisationsentscheidung spricht grundsätzlich die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist. Daher muss der Arbeitnehmer Umstände darlegen, aus denen sich ergeben soll, dass die erfolgte Strukturänderung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 163/11 - Rn. 19; 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 177 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160).

27

bb) Im Streitfall ist die Kfz-Werkstatt in N im Zuge der Umsetzung des Programms „Borona“ aufgelöst worden. Die Schließung der Werkstatt war bereits Monate vor dem Kündigungstermin Ende September 2011 tatsächlich umgesetzt. Der Umstand, dass bisher am Standort als Kfz-Mechaniker beschäftigte Mitglieder der Betriebsvertretung anderweitig weiterbeschäftigt wurden, spricht nicht dagegen, dass die Werkstatt in N vollständig aufgelöst worden ist. Soweit einige Kfz-Inspektoren keine Kündigung erhielten, waren deren Arbeitsplätze - anders als die der Kfz-Mechaniker - durch die Schließung der Werkstatt nicht entfallen. Die ihnen obliegenden Aufgaben fielen weiterhin an. Für eine willkürliche oder offensichtlich unzulässige Organisationsentscheidung hat der Kläger keine Anhaltspunkte dargelegt.

28

b) Der Kläger konnte nicht auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden.

29

aa) Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG ist eine Kündigung auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann. Auf diese Weise wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Kündigungsrecht normativ konkretisiert (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 146 = EzA KSchG § 2 Nr. 78; 6. Februar 1997 - 2 AZR 50/96 - zu II 2 der Gründe; 15. Dezember 1994 - 2 AZR 320/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 79, 66). Eine Kündigung ist nur dann durch „dringende“ betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG anderweitig zu beschäftigen (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - aaO; 23. November 2004 - 2 AZR 38/04 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 112, 361). Die Weiterbeschäftigung muss sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich sein. Dies setzt voraus, dass ein Arbeitsplatz zu vergleichbaren (gleichwertigen) oder zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist. Als „frei” sind grundsätzlich nur solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind (BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84; 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 154 ). Dem steht es gleich, wenn ein Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei wird (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - aaO ; 2. Februar 2006 - 2 AZR 38/05 - zu II 2 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 142 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 144).

30

bb) Für das Fehlen einer anderweitigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist gem. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Dabei gilt eine abgestufte Darlegungslast. Bestreitet der Arbeitnehmer lediglich den Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes, genügt der Vortrag des Arbeitgebers, wegen der betrieblichen Notwendigkeiten sei eine Weiterbeschäftigung zu den gleichen Bedingungen nicht möglich. Will der Arbeitnehmer vorbringen, es sei eine Beschäftigung an anderer Stelle möglich, obliegt es ihm, darzulegen, wie er sich seine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Erst daraufhin muss der Arbeitgeber eingehend erläutern, aus welchen Gründen eine Umsetzung nicht möglich war (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 154; 15. August 2002 - 2 AZR 195/01 - zu II 1 c aa der Gründe, BAGE 102, 197 ).

31

cc) Diese gesetzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast erfährt durch § 4 SchutzTV im Grundsatz keine Änderung(vgl. APS/Dörner/Linck 4. Aufl. § 1 ZA-NTS Rn. 14). Insbesondere müssen die Stationierungsstreitkräfte, die sich darauf berufen, ein anderer geeigneter Arbeitsplatz sei nicht verfügbar gewesen, nicht unabhängig vom Vorbringen des Arbeitnehmers alle denkbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im maßgeblichen Einzugsbereich ausschließen (offen gelassen in BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 148; a.A. für Anhang O zum TV AL II wohl LAG Rheinland-Pfalz 12. Dezember 1997 - 10 Sa 613/97 - , zu II 1 der Gründe; für eine gewisse Erweiterung der Darlegungslast des Arbeitgebers auch Hessisches LAG 28. Juni 2004 - 17 Sa 1257/03 - zu III 2 b cc der Gründe). Dies ergibt die Auslegung der Bestimmung.

32

(1) Aus dem Wortlaut von § 4 SchutzTV und der Systematik des Tarifvertrags lässt sich nicht entnehmen, in seinem Geltungsbereich solle für das Bestehen einer geeigneten Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Kündigungsschutzprozess eine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Verteilung der Darlegungslast gelten. § 4 SchutzTV regelt, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise einem vom Verlust des Arbeitsplatzes betroffenen Arbeitnehmer andere geeignete Beschäftigungsmöglichkeiten anzubieten sind. Mit der Verteilung der prozessualen Darlegungs- und Beweislast dafür, ob eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit tatsächlich bestanden hat, befasst sich die Bestimmung nicht. Regelungen zum Kündigungsschutz enthält allein § 8 SchutzTV.

33

(2) Aus Sinn und Zweck von § 4 SchutzTV ergibt sich nichts anderes. Die Bestimmung regelt zwar im Einzelnen, wie die Eignung des Arbeitnehmers für verfügbare Arbeitsplätze festzustellen ist (§ 4 Nr. 1 Satz 2 SchutzTV), welche Arbeitsplätze dem betroffenen Arbeitnehmer in welcher Reihenfolge anzubieten sind und welche Folgen es hat, wenn der Arbeitnehmer die Angebote ablehnt (§ 4 Nr. 2 und 3 SchutzTV). Auch die Verfahren zur Ermittlung von Gleichwertigkeit und Zumutbarkeit eines Arbeitsplatzes (§ 4 Nr. 4 SchutzTV) sowie die Voraussetzungen für die Gewährung einer Einarbeitungszeit und deren Dauer (§ 4 Nr. 6 SchutzTV) sind näher bestimmt (vgl. BAG 13. August 2009 - 6 AZR 330/08 - Rn. 21, BAGE 131, 325). Dass dem Arbeitnehmer gem. § 4 Nr. 1 Satz 1 SchutzTV ein verfügbarer oder bis zum Ablauf seiner Kündigungsfrist verfügbar werdender Arbeitsplatz angeboten werden muss, wenn er für ihn geeignet ist, entspricht aber der ohnehin bestehenden Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG. Für den Streit über deren Einhaltung gelten die dargestellten allgemeinen Grundsätze zur Verteilung der Darlegungslast. Für den Streit über die Erfüllung des in § 4 SchutzTV geregelten, insoweit inhaltsgleichen Unterbringungsanspruchs des Arbeitnehmers bedarf es damit keiner von diesen Grundsätzen abweichenden Verteilung der Darlegungslast. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass § 4 SchutzTV einen im Vergleich zum allgemeinen Verständnis des Begriffs „Einzugsgebiet“ in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG größeren Umkreis vorsieht, innerhalb dessen verfügbare geeignete Arbeitsplätze anzubieten sind (gem. § 4 Nr. 2d iVm. § 4 Nr. 4d SchutzTV 60 km). Damit ist nicht gesagt, wie im Kündigungsschutzprozess die Darlegungslast abzustufen ist, wenn Streit darüber besteht, ob ein geeigneter Arbeitsplatz - auch im erweiterten Einzugsbereich - tatsächlich verfügbar war.

34

dd) Danach war im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass für den Kläger keine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestand.

35

(1) Die Beklagte hat geltend gemacht, es sei weder in Mö noch in einer anderen Dienststelle ein freier Arbeitsplatz für den Kläger vorhanden gewesen.

36

(2) Soweit sich der Kläger auf die drei ausgeschriebenen Stellen in der Kfz-Werkstatt in Mö berufen hat, waren diese nicht „frei“. Die britischen Streitkräfte hatten sich bereits vor Ausspruch der Kündigung entschlossen, sie in näherer Zukunft nicht zu besetzen, und die Ausschreibung zurückgezogen. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dieses Vorgehen sei nicht rechtsmissbräuchlich gewesen. Die Streitkräfte haben dadurch nicht den Eintritt einer für den Kläger positiven Bedingung iSv. § 162 BGB treuwidrig vereitelt.

37

(a) Ein treuwidriges Verhalten des Arbeitgebers liegt vor, wenn er eine freie Stelle anderweitig besetzt, obwohl schon zu diesem Zeitpunkt ein Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den später gekündigten Arbeitnehmer absehbar ist (vgl. BAG 24. November 2005 - 2 AZR 514/04 - Rn. 39, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 51).

38

(b) Damit ist die Entscheidung der britischen Streitkräfte, die fraglichen Stellen vorerst nicht zu besetzen, nicht vergleichbar. In diesem Entschluss lag keine rechtsmissbräuchliche Vereitelung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger. Die britischen Streitkräfte waren in der Entscheidung, welche Stellen akut besetzt werden sollten, grundsätzlich frei. Nach Art. 56 Abs. 7a Satz 1 ZA-NTS bestimmen allein sie die Zahl und Art der benötigten Arbeitsplätze. Mit Blick auf den besonderen Kündigungsschutz der Mitglieder der Betriebsvertretung nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG erscheint die Entscheidung, für diese eine entsprechende Anzahl von Arbeitsplätzen frei zu halten, auch nicht willkürlich.

39

(3) Das Vorbringen des Klägers, er habe in Mö auf einem freien Arbeitsplatz als Store-Keeper oder als Wachmann weiterbeschäftigt werden können, hat das Landesarbeitsgericht zu Recht nach § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG als verspätet zurückgewiesen.

40

(a) Neue Tatsachen sind nach § 67 Abs. 4 Satz 1 ZPO grundsätzlich in der Berufungsbegründung vorzutragen. Späteres Vorbringen ist nach § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG nur zuzulassen, wenn es entweder nach der Berufungsbegründung entstandene Tatsachen betrifft oder nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert oder die Verspätung nicht auf Verschulden der Partei beruht(BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - Rn. 16, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12).

41

(b) Ein solcher Ausnahmefall hat hier nach der rechtsfehlerfreien Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht vorgelegen. Danach waren die betreffenden Tatsachen weder erst nach der Berufungsbegründung entstanden, noch war der Kläger unverschuldet an einem rechtzeitigen Vortrag gehindert.

42

(aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht geltend gemacht, erst im Anschluss an die Berufungsbegründung Kenntnis von den nach seinem Vorbringen bereits im Kündigungszeitpunkt freien Stellen erlangt zu haben. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Zulässige Verfahrensrügen hat der Kläger insoweit nicht erhoben.

43

(bb) Die Berücksichtigung des verspäteten Vortrags hätte zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt. Dieser hätte nicht im unmittelbaren Anschluss an die mündliche Verhandlung beendet werden können. Es hätte aufgeklärt werden müssen, ob in den entsprechenden Bereichen tatsächlich freie Arbeitsplätze vorhanden waren und für den Kläger in Betracht kamen.

44

(c) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass das Landesarbeitsgericht, wie der Kläger rügt, keinen Hinweis dahin erteilt habe, es wolle von der vermeintlich „herrschenden Meinung“ abweichen und mit Blick auf den Unterbringungsanspruch nach § 4 SchutzTV keine andere Verteilung der Darlegungslast für das Bestehen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit annehmen. Einen solchen Hinweis musste das Gericht nicht erteilen. Der Kläger musste auch ohne ihn damit rechnen, dass es diese Auffassung vertreten könnte. So hatte schon das Arbeitsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung desselben Landesarbeitsgerichts zu Anhang O zum TV AL II (vgl. LAG Düsseldorf 13. Dezember 1994 - 3 (17) Sa 1307/94 -) angenommen, die Darlegungslast für Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten werde durch § 4 SchutzTV nicht geändert.

45

(4) Der Kläger hat sich nicht darauf berufen, er habe auf einer der Positionen weiterbeschäftigt werden können, die den nicht gekündigten Kfz-Mechanikern, die Mitglieder der Betriebsvertretung N waren, übertragen wurden. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die britischen Streitkräfte die Mitglieder der Betriebsvertretung mit Blick auf ihren Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG insoweit vorrangig berücksichtigen durften oder ob die fraglichen Beschäftigungsmöglichkeiten nur nach einer Sozialauswahl mit den ebenfalls vom Wegfall ihrer Arbeitsplätze betroffenen Arbeitnehmern hätten vergeben werden dürfen(vgl. zum Erfordernis einer Auswahl entsprechend den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG, wenn zugleich mehrere Arbeitnehmer um eine geringere Anzahl von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten konkurrieren BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 147 = EzA KSchG § 2 Nr. 79). Auf die Frage, ob die fraglichen Beschäftigungsmöglichkeiten in derselben oder in einer anderen Dienststelle bestanden und ob der Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG ggf. auch die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung in einer anderen Dienststelle umfasst (vgl. zum Streitstand KR/Etzel 10. Aufl. § 15 KSchG Rn. 93) kommt es damit nicht an. Ebenso wenig ist von Bedeutung, ob der Kläger für den Fall, dass eine Auswahl nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG erforderlich gewesen wäre, sozial schutzwürdiger gewesen wäre.

46

c) Die Kündigung vom 25. November 2010 ist nicht deshalb sozial ungerechtfertigt, weil die im Werkstattbereich in Mö beschäftigten Kfz-Mechaniker in die Sozialauswahl hätten einbezogen werden müssen.

47

aa) Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung trotz Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse iSd. Abs. 2 sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine Schwerbehinderung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Der Arbeitgeber hat in die Sozialauswahl diejenigen Arbeitnehmer einzubeziehen, die miteinander vergleichbar sind. Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse sowie nach dem Inhalt der von ihnen vertraglich geschuldeten Aufgaben austauschbar sind (BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 19, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 85; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 41, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84).

48

bb) In die Sozialauswahl sind nur die Arbeitnehmer einzubeziehen, die derselben Dienststelle angehören (vgl. BAG 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 b der Gründe, ZTR 2001, 89).

49

(1) Das Kündigungsschutzgesetz ist grundsätzlich auf den Betrieb bezogen, die Sozialauswahl daher auf den Beschäftigungsbetrieb beschränkt (BAG 2. Juni 2005 - 2 AZR 158/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 115, 82; 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 b der Gründe, ZTR 2001, 89). Dem „Betrieb“ im Bereich der privaten Wirtschaft entspricht in der Regel die „Dienststelle“ im Bereich des öffentlichen Dienstes (vgl. BAG 22. September 2005 - 2 AZR 544/04 - zu B II 6 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 59 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 141; 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - aaO; Linck in v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 709 und § 23 Rn. 12). Dafür spricht ein Vergleich von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG mit der Formulierung in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG. Die organisatorische Einheit des Betriebs findet danach im Rahmen von § 1 KSchG ihre Entsprechung in der Dienststelle.

50

(2) Maßgeblich im Rahmen von § 1 KSchG ist grundsätzlich der personalvertretungsrechtliche Dienststellenbegriff(BAG 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 b der Gründe, ZTR 2001, 89; 23. April 1998 - 2 AZR 489/97 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 88, 287; 25. September 1956 - 3 AZR 102/54 - BAGE 3, 155, 157). Dafür spricht, dass mit dem Bundespersonalvertretungsgesetz 1974 die Regelung zur Weiterbeschäftigungspflicht wortgleich mit § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BPersVG in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG eingefügt worden ist. Da sich aus den Gesetzesmaterialien nichts anderes ergibt, ist davon auszugehen, dass der Begriff der „Dienststelle“ in beiden Regelungsbereichen die gleiche Bedeutung hat (vgl. KR/Bader 10. Aufl. § 23 KSchG Rn. 29).

51

(3) Gem. Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS iVm. Abs. 1 des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS(zuletzt geändert durch Änderungsabkommen vom 23. November 1994, BGBl. II S. 3710, 3712) sind bei den Stationierungsstreitkräften Dienststellen iSd. Personalvertretungsgesetzes die einzelnen Verwaltungsstellen und Betriebe einer Truppe und eines zivilen Gefolges nach näherer Bestimmung durch die betreffende Truppe selbst. Das Unterzeichnungsprotokoll zum ZA-NTS hat Gesetzesqualität. Für seinen Geltungsbereich ist es lex specialis. Auf die den Dienststellenbegriff nach § 6 BPersVG im Allgemeinen kennzeichnenden Merkmale kommt es demnach im Bereich der Stationierungsstreitkräfte nicht an. Dafür spricht auch, dass eine Bestimmung der Dienststellen nach den allgemeinen Maßstäben des § 6 BPersVG wegen der im militärischen Bereich zahlreichen Befehlsebenen nur bedingt möglich wäre. Der von § 6 BPersVG vorausgesetzte Dienststellenaufbau lässt sich auf die Entscheidungsbefugnisse im militärischen Bereich nicht ohne Weiteres übertragen(vgl. BAG 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 c aa der Gründe, ZTR 2001, 89).

52

(4) Auf die organisatorische Einheit der von der Truppe bestimmten Dienststelle ist auch im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG abzustellen. Die autonome Bestimmung der Dienststellen durch die Entsendestaaten mit Wirkung für das Personalvertretungsrecht ist völkerrechtlich vorgegeben. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass etwa deshalb kündigungsschutzrechtlich im Bereich der Stationierungsstreitkräfte ein vom personalvertretungsrechtlichen abweichender Dienststellenbegriff maßgeblich sein sollte.

53

cc) Danach war die Sozialauswahl nicht auf die im Werkstattbereich in Mö beschäftigten Kfz-Mechaniker zu erstrecken. Dieser Bereich gehörte nach dem Vorbringen der Beklagten nicht zu derselben Dienststelle wie die Kfz-Werkstatt in N. Eine abweichende Bestimmung der Dienststellen durch die britischen Streitkräfte hat der Kläger entgegen § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht dargelegt. Darauf, ob beide Dienststellen denselben Leiter hatten, kommt es ebenso wenig an wie darauf, von wo die arbeitsrechtlichen Weisungen erteilt und in welchem Ausmaß Beschäftigte wechselseitig eingesetzt wurden. Anhaltspunkte für eine willkürliche, etwa zwecks Umgehung der Sozialauswahl beliebig wechselnde Bestimmung der Dienststellen durch die britischen Streitkräfte hat der Kläger nicht vorgetragen.

54

III. Die Kündigung ist nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung der Betriebsvertretung unwirksam.

55

1. Im Bereich des durch das ZA-NTS modifizierten Mitwirkungsverfahrens nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz gelten die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats iSd. § 102 BetrVG entsprechend(BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 51, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 148). In Bezug auf anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten reicht es damit aus, dass der Betriebsvertretung mitgeteilt wird, dass solche Möglichkeiten für den Arbeitnehmer nicht bestünden (vgl. BAG 21. September 2000 - 2 AZR 385/99 - zu B IV 2 c der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 111 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 107).

56

2. Danach ist die örtliche Betriebsvertretung mit Schreiben der Dienststellenleitung vom 8. November 2010 in entsprechender Anwendung von § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG ordnungsgemäß angehört worden. Der Leiter der Dienststelle hat die Betriebsvertretung über die persönlichen Daten des Klägers, die Art der beabsichtigten Kündigung und den Kündigungsgrund informiert. Vom Eintrittsdatum des Klägers hatte die Betriebsvertretung bereits Kenntnis. Eine Mitteilung über die Unterhaltspflichten des Klägers war entbehrlich, weil aus Sicht der britischen Streitkräfte eine Sozialauswahl nicht erforderlich war. Durch die Angabe des Termins, zu dem die Kündigung wirksam werden sollte, war für die Betriebsvertretung ersichtlich, dass selbst die längste tarifvertragliche Kündigungsfrist gewahrt würde. Es bedurfte entgegen der Auffassung des Klägers auch keiner besonderen Hinweise zum Unterbringungsanspruch nach § 4 SchutzTV. Unabhängig davon, ob der SchutzTV auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung fand, ergaben sich mit Blick auf diesen keine Besonderheiten, die über den gesetzlichen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG hinausgingen.

57

IV. Die Kündigung vom 25. November 2010 hat das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2011 beendet.

58

1. Die Kündigungsfrist des im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen § 44 Ziff. 1 b TV AL II von sechs Monaten zum Monatsende ist gewahrt.

59

2. Eine längere Kündigungsfrist war nicht vereinbart.

60

a) Eine solche Vereinbarung ergibt sich nicht aus dem Schreiben der obersten Dienstbehörde der britischen Stationierungsstreitkräfte an die Hauptbetriebsvertretung vom 4. August 2010. Darin haben die Streitkräfte lediglich versichert, sie würden versuchen, eine zwölfmonatige Kündigungsfrist einzuhalten. Eine Garantie könnten sie nicht geben.

61

b) Die Streitkräfte waren nicht aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zur Wahrung einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist verpflichtet.

62

aa) Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleichzubehandeln. Damit verbietet er eine sachfremde Gruppenbildung und die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn die Regelung also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise als willkürlich anzusehen ist (BAG 27. Juni 2012 - 5 AZR 317/11 - Rn. 17, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 148; 21. Oktober 2009 - 10 AZR 664/08 - Rn. 24, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 21).

63

bb) Der Kläger wurde in Bezug auf den Beendigungstermin nicht anders als die übrigen Arbeitnehmer behandelt. Auch deren Arbeitsverhältnisse kündigten die britischen Streitkräfte zum 30. September 2011. Dies entsprach dem Termin, zu dem die Schließung der Werkstatt erfolgen sollte und damit die Arbeitsplätze der dort beschäftigten Kfz-Mechaniker wegfielen. Soweit die Zeitspannen zwischen Kündigungszugang und Beendigungstermin am 30. September 2011 verschieden lang waren, ist diese Ungleichbehandlung durch den allen Kündigungen gleichermaßen zugrunde liegenden Umstand, dass zu diesem Zeitpunkt die Schließung der Werkstatt in N geplant war, sachlich gerechtfertigt.

64

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    F. Löllgen    

        

    Bartz    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 14. August 2009 - 11 Sa 320/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf betriebliche Gründe gestützten Kündigung.

2

Die im Dezember 1971 geborene Klägerin war seit August 1999 bei der Beklagten als Produktionsmitarbeiterin tätig.

3

Die Beklagte stellt Tiernahrung her. In ihrem Werk E beschäftigte sie zu Mitte des Jahres 2008 242 Mitarbeiter, davon 168 gewerbliche Arbeitnehmer im Rahmen der Produktion und einige mehr in der Werkstatt, im Lagerbereich sowie in der Qualitätsprüfung.

4

Im Juli 2008 beschloss die Beklagte, im Produktionsbereich 31 Stellen abzubauen. Am 24. Juli 2008 vereinbarte sie mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste, einen Sozialplan und eine „Auswahlrichtlinie gem. § 95 BetrVG“. Die Namensliste enthält die Namen von 31 zu kündigenden Arbeitnehmern, darunter den der Klägerin. Nach § 1 des Interessensausgleichs beruht der Wegfall der Arbeitsplätze auf einer „Linienoptimierung“ in verschiedenen Bereichen der Produktion - dies betrifft elf Mitarbeiter -, auf einer „Maschinenlaufzeitreduzierung“ aufgrund einer „Volumenreduzierung im Trockenbereich“ - dies betrifft acht Mitarbeiter - und auf dem Wegfall zweier Produkte, womit die Stilllegung zweier Maschinen und die „Volumenreduktion“ einer weiteren Maschine begründet wird - dies betrifft zwölf Arbeitnehmer.

5

Gemäß Nr. 2 der Auswahlrichtlinie ist die soziale Auswahl in mehreren Stufen zu vollziehen. Zunächst ist eine Vergleichsgruppenbildung vorzunehmen. Insoweit verständigten sich die Betriebsparteien darüber, dass „alle gewerblichen Arbeitnehmer im Sinne der Sozialauswahl vergleichbar“ seien. Außerdem bildeten sie vier Altersgruppen: Lebensalter 25 bis 34 Jahre, 35 bis 44 Jahre, 45 bis 54 Jahre und über 55 Jahre. Die Belegschaft des gewerblichen Bereichs verteilte sich auf die Gruppen - aufsteigend - wie folgt: 23 %, 34 %, 32 %, 11 %. Daran anschließend ist nach der Richtlinie die - eigentliche - Sozialauswahl innerhalb der Altersgruppen nach einem Punkteschema durchzuführen. Dazu sind für die Betriebszugehörigkeit in den ersten zehn Dienstjahren je Dienstjahr ein Punkt, ab dem 11. Dienstjahr zwei Punkte (maximal 70 Punkte) und für jedes volle Lebensjahr ein Punkt (maximal 55 Punkte) in Ansatz zu bringen. Ferner sind für jedes unterhaltsberechtigte Kind (lt. Steuerkarte) vier Punkte, für den unterhaltsberechtigten Ehepartner vier Punkte und für alleinerziehende Mitarbeiter weitere vier Punkte anzurechnen. Die Schwerbehinderung ist bei einem GdB bis 50 mit fünf Punkten und bei jedem um zehn höheren Grad mit einem weiteren Punkt zu berücksichtigen.

6

Mit Schreiben vom 28. Juli 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien - nach Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung - zum 31. Oktober 2008.

7

Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat geltend gemacht, betriebliche Kündigungsgründe lägen nicht vor. Die im Interessenausgleich beschriebenen organisatorischen Maßnahmen seien nicht, jedenfalls nicht auf Dauer durchgeführt worden. Tatsächlich habe sich der Arbeitskräftebedarf im Jahr 2008 aufgrund der Einführung neuer Produkte sogar erhöht. Überdies beschäftige die Beklagte durchgängig eine Vielzahl von Leiharbeitnehmern. Bei den mit ihnen besetzten Arbeitsplätzen handele es sich um „freie“ Arbeitsplätze, die die Beklagte vorrangig mit Stammarbeitnehmern habe besetzen müssen. Die Sozialauswahl sei grob fehlerhaft. Entgegen den Vorgaben der Auswahlrichtlinie seien vergleichbare gewerbliche Arbeitnehmer, die im Lager, im Werkstattbereich und der Qualitätsprüfung beschäftigt seien, nicht in die Auswahl einbezogen worden. Die Altersgruppen seien willkürlich gewählt und auf ein bestimmtes Ergebnis der Sozialauswahl hin zugeschnitten.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 28. Juli 2008 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sie als Produktionsmitarbeiterin weiterzubeschäftigen;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.123,70 Euro brutto abzüglich 1.182,60 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung für sozial gerechtfertigt gehalten. Die Klägerin habe die nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG zu vermutende Betriebsbedingtheit der Kündigung nicht widerlegt. Die im Interessenausgleich dargestellten Maßnahmen, die auf einen Rückgang des Produktionsvolumens seit dem Jahr 2008 um mehr als 16 vH zurückzuführen seien, seien allesamt durchgeführt worden. Zwar habe sie die Herstellung der beiden im Interessenausgleich bezeichneten Produkte im Herbst des Jahres 2008 vorübergehend wieder aufgenommen. Dies sei jedoch auf einen nicht vorhersehbaren, temporären Produktionsengpass in einem französischen Schwesterwerk zurückzuführen gewesen; an ihrer Entscheidung, die Produktion der betreffenden Artikel in E dauerhaft einzustellen, habe sich dadurch nichts geändert. Leiharbeitnehmer beschäftige sie lediglich zur Abdeckung eines über das verbliebene Volumen von 137 Arbeitsplätzen hinausgehenden, nicht vorhersehbaren (Vertretungs-)Bedarfs. Sie sei nicht verpflichtet, eine eigene Personalreserve vorzuhalten. Die soziale Auswahl sei nicht zu beanstanden. Die außerhalb des Produktionsbereichs tätigen gewerblichen Arbeitnehmer verfügten über eine andere - zumeist technische - Ausbildung und seien mit der Klägerin nach arbeitsplatzbezogenen Kriterien nicht vergleichbar. Die Bildung von Altersgruppen sei legitim. Dadurch sei erreicht worden, die Altersstruktur im Produktionsbereich annähernd zu erhalten.

10

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung vom 28. Juli 2008 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst. Sie ist nicht sozialwidrig iSd. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG.

12

I. Die Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen. Dies ist nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG jedenfalls zu vermuten, weil die Kündigung auf einer Betriebsänderung beruht und ihr ein Interessenausgleich mit Namensliste zugrunde liegt. Die Klägerin hat weder die gesetzliche Vermutung widerlegt, noch hat sie eine wesentliche Änderung der Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs iSv. § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG aufgezeigt.

13

1. Das Landesarbeitsgericht hat die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG als erfüllt angesehen, ohne dass die Revision hiergegen erhebliche Rügen erhoben hätte. Ein Rechtsfehler ist insoweit auch objektiv nicht zu erkennen.

14

a) Der Interessenausgleich vom 24. Juli 2008 sieht den Wegfall von 31 Arbeitsplätzen in „verschiedenen Bereichen der Produktion“ vor. Dies entspricht, bezogen auf die Gesamtzahl der im Betrieb E beschäftigten 242 Arbeitnehmer, einem Anteil von mehr als 10 vH der Belegschaft. Der Personalabbau, auf dem die Kündigung basiert, erfüllt damit die Voraussetzungen einer Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 1 BetrVG iVm. § 17 Abs. 1 KSchG, ohne dass es noch auf die beschlossenen Einzelmaßnahmen ankäme( vgl. BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 254/06 - Rn. 16, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 12; 21. Februar 2002 - 2 AZR 581/00 - zu B I 3 a der Gründe, EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 10).

15

b) Die Klägerin ist in der dem Interessenausgleich beigefügten, mit diesem fest verbundenen Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich genannt. Ihre Rüge, die der Namensliste zugrunde liegende Altersgruppenbildung widerspreche dem Gesetz, lässt die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG unberührt. Die behauptete Rechtsverletzung führt nicht zur „Unwirksamkeit“ der Namensliste oder des Interessenausgleichs insgesamt (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 22; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; kritisch Temming Anm. zu BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182).

16

2. Die Klägerin hat die Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG nicht widerlegt.

17

a) Liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG vor, kann der Arbeitnehmer gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 292 ZPO vorbringen, dass in Wahrheit eine Möglichkeit, ihn zu beschäftigen, weiterhin besteht. Dazu ist ein substantiierter Tatsachenvortrag erforderlich, der den gesetzlich vermuteten Umstand nicht nur in Zweifel zieht, sondern ausschließt (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 37, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Der Arbeitnehmer muss darlegen, dass der Arbeitsplatz trotz der Betriebsänderung noch vorhanden ist oder er an anderer Stelle im Betrieb oder Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann. Aus § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO kann sich dabei eine Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers ergeben. Insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis von den maßgebenden Tatsachen besitzt, kann den Arbeitgeber eine (sekundäre) Darlegungslast treffen und die des Arbeitnehmers sich entsprechend mindern (BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 6. September 2007 - 2 AZR 715/06 - Rn. 38 mwN, BAGE 124, 48). Die Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung ist gleichwohl erst widerlegt, wenn der Arbeitnehmer substantiiert behauptet und im Bestreitensfall beweist, dass der nach dem Interessenausgleich in Betracht kommende betriebliche Grund in Wirklichkeit nicht vorliegt (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 17, aaO; 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 24, aaO).

18

b) Diesen Anforderungen wird das klägerische Vorbringen nicht gerecht.

19

aa) Die Klägerin hat, was den Wegfall von Arbeitsplätzen durch „Linienoptimierung“ anbelangt, nicht bestritten, dass die Beklagte im Kündigungszeitpunkt endgültig und ernsthaft entschlossen war, die Maßnahme durchzuführen. Sie hat lediglich in Abrede gestellt, dass die Organisationsentscheidung auf Dauer durchzuhalten sei. Sie hat behauptet, die Beklagte habe zwar versucht, die Anzahl der an den einzelnen Maschinen beschäftigten Mitarbeiter zu reduzieren, es habe sich jedoch „schnell gezeigt“, dass die Maschinen mit weniger Personal nicht zu bedienen seien. Deshalb setze die Beklagte Mitarbeiter in unverändertem Umfang an den Linien ein.

20

(1) Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Vermutung des Interessenausgleichs zu widerlegen. Es trägt dem Prognosecharakter der Kündigung nur unzureichend Rechnung. Eine betriebsbedingte Kündigung ist nicht erst möglich, wenn der Arbeitsplatz tatsächlich nicht mehr zur Verfügung steht. Sie kann schon dann wirksam erklärt werden, wenn im Zeitpunkt ihres Zugangs die auf Tatsachen gestützte Vorausschau gerechtfertigt ist, dass jedenfalls zum Ablauf der Kündigungsfrist der die Entlassung erforderlich machende betriebliche Grund vorliegen wird (vgl. BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 268/08 - Rn. 18, BAGE 133, 240; 9. November 2006 - 2 AZR 509/05 - Rn. 72, BAGE 120, 115). Stellt sich eine im Kündigungszeitpunkt berechtigterweise entwickelte Vorstellung des Arbeitgebers, es fehle spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist an einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, nachträglich als unzutreffend heraus, lässt dies die Wirksamkeit der Kündigung grundsätzlich unberührt. Eine im Kündigungszeitpunkt nicht absehbare Veränderung der betrieblichen Verhältnisse kann allenfalls einen Wiedereinstellungsanspruch begründen (BAG 9. November 2006 - 2 AZR 509/05 - aaO). Die Klägerin hätte deshalb aufzeigen müssen, aufgrund welcher Umstände eine Prognose der Beklagten, die unstreitig beabsichtigte Linienoptimierung sei durchführbar, von vornherein unvernünftig gewesen sein soll. Ihr Vorbringen schließt stattdessen eine für die Beklagte nicht vorhersehbare, von deren Prognose nachträglich abweichende Entwicklung nicht aus.

21

(2) Unabhängig davon kann anhand des Vortrags der Klägerin nicht nachvollzogen werden, wie viele Arbeitnehmer vor und nach Ablauf der Kündigungsfrist auf welchen Linien tatsächlich zum Einsatz kamen. Ohne eine entsprechende Konkretisierung ist es nicht möglich festzustellen, ob der Beschäftigungsbedarf in dem fraglichen Bereich tatsächlich unverändert geblieben ist oder sich, wie von der Beklagten behauptet, dauerhaft um 31 Arbeitsplätze verringert hat. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe insoweit die Darlegungs- und Beweislast verkannt, ist angesichts der Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG unbegründet. Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, zu einer Substantiierung ihrer pauschalen Behauptungen nicht in der Lage zu sein.

22

bb) Das Landesarbeitsgericht hat die Anforderungen an die Darlegungslast der Klägerin nicht überspannt, soweit es der Auffassung war, diese habe einen Rückgang des Beschäftigungsbedarfs infolge der Reduzierung der Maschinenlaufzeit nicht widerlegt. Die Klägerin hat ausdrücklich zugestanden, dass es im Betrieb „zunächst“ zu einem Rückgang gekommen sei. Den Umstand, dass die beiden laut Interessenausgleich wegfallenden Produkte tatsächlich noch bis gegen Ende des Jahres 2008 im Werk E hergestellt wurden, hat die Beklagte mit vorübergehenden Produktionsengpässen in einem französischen Schwesterwerk erklärt, mit denen sie im Kündigungszeitpunkt nicht habe rechnen müssen. Dieser Behauptung ist die Klägerin ebenso wenig substantiiert entgegengetreten wie den Ausführungen der Beklagten, die betreffenden Produktionseinsätze hätten an ihrer - zwischenzeitlich endgültig umgesetzten - Entscheidung, die fraglichen Maschinen stillzulegen, nichts geändert.

23

cc) Die Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG ist auch nicht durch den unstreitigen Einsatz von Leiharbeitnehmern widerlegt. Das Vorbringen der Klägerin lässt nicht erkennen, dass diese die Arbeit gekündigter Stammarbeitnehmer übernommen hätten und deshalb bloße Austauschkündigungen vorlägen (vgl. dazu BAG 26. September 1996 - 2 AZR 200/96 - zu II 2 d der Gründe, BAGE 84, 209). Ebenso wenig hat sie das Vorhandensein „freier“ Arbeitsplätze iSd. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG aufgezeigt.

24

(1) Die Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG erstreckt sich nicht nur auf den Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten im bisherigen Arbeitsbereich des Arbeitnehmers, sondern auch auf das Fehlen der Möglichkeit, diesen anderweitig einzusetzen(BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 54, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16; 6. September 2007 - 2 AZR 715/06 - Rn. 18 mwN, BAGE 124, 48). Will der Arbeitnehmer sie widerlegen, muss er substantiiert aufzeigen, dass im Betrieb ein vergleichbarer Arbeitsplatz oder ein solcher zu schlechteren, aber zumutbaren Arbeitsbedingungen frei war. Als „frei” sind grundsätzlich nur solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind (BAG 2. Februar 2006 - 2 AZR 38/05 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 142 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 144).

25

(2) Ob die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern die Annahme rechtfertigt, im Betrieb oder Unternehmen des Arbeitgebers seien „freie“ Arbeitsplätze vorhanden, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

26

(a) Werden Leiharbeitnehmer lediglich zur Abdeckung von „Auftragsspitzen“ eingesetzt, liegt keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG vor. Der Arbeitgeber kann dann typischerweise nicht davon ausgehen, dass er für die Auftragsabwicklung dauerhaft Personal benötige. Es kann ihm deshalb regelmäßig nicht zugemutet werden, entsprechendes Stammpersonal vorzuhalten (vgl. BAG 17. März 2005 - 2 AZR 4/04 - zu B IV 2 d der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 71 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 58; Moll/Ittmann RdA 2008, 321, 324).

27

(b) An einem „freien“ Arbeitsplatz fehlt es in der Regel außerdem, soweit der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer als „Personalreserve“ zur Abdeckung von Vertretungsbedarf beschäftigt. Das gilt unabhängig von der Vorhersehbarkeit der Vertretungszeiten.

28

(aa) Es werden nicht „freie“ Arbeitsplätze iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG besetzt, wenn der Arbeitgeber einen etwa durch Krankheit oder Urlaub ausgelösten Vertretungsbedarf durch die (befristete) Einstellung von Arbeitnehmern abdeckt(BAG 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 154). Es bleibt der nur auf Missbrauch und Willkür überprüfbaren Entscheidung des Arbeitgebers überlassen, ob und für wie lange ein aus diesen Gründen vakanter Arbeitsplatz besetzt werden soll. Andernfalls könnte der Arbeitgeber gezwungen sein, mehr Arbeitsverhältnisse zu begründen, als er für zweckmäßig hält. Indessen ist es grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, das Verhältnis der Anzahl der Arbeitskräfte zum Volumen der anfallenden Arbeit zu bestimmen. Diese Grundsätze gelten nicht nur für krankheits- oder urlaubsbedingte Vertretungsfälle, sondern auch für längerfristig bestehende Vertretungszeiten wie die Elternzeit (vgl. BAG 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - aaO). Der Arbeitsplatz eines schon beschäftigten, aber verhinderten Arbeitnehmers ist selbst dann nicht „frei“, wenn es wahrscheinlich ist oder gar feststeht, dass der Mitarbeiter nicht auf ihn zurückkehren wird (vgl. BAG 2. Februar 2006 - 2 AZR 38/05 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 142 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 144).

29

(bb) Diese Überlegungen treffen gleichermaßen zu, wenn der Arbeitgeber zur Vertretung abwesender Stammarbeitnehmer auf den Einsatz von Leiharbeitnehmern zurückgreift. Diese werden auch dann nicht auf „freien“ Arbeitsplätzen beschäftigt, wenn der Vertretungsbedarf regelmäßig anfällt. Andernfalls bliebe der Arbeitgeber nicht frei in seiner Entscheidung, ob er Vertretungszeiten überhaupt und - wenn ja - für welchen Zeitraum überbrückt.

30

(c) Beschäftigt der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer dagegen, um mit ihnen ein nicht schwankendes, ständig vorhandenes (Sockel-)Arbeitsvolumen abzudecken, kann von einer alternativen Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG auszugehen sein, die vorrangig für sonst zur Kündigung anstehende Stammarbeitnehmer genutzt werden muss(vgl. HaKo-KSchR/Gallner 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 661; Simon/Greßlin BB 2007, 2454, 2456; zum uneinheitlichen Meinungsstand für den Fall, dass die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern auf einer konzeptionellen Entscheidung des Arbeitgebers beruht: ErfK/Oetker 11. Aufl. § 1 KSchG Rn. 275; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 134 Rn. 55; HaKo-KSchR/Gallner aaO; Reinhard in Thüsing/Laux/Lembke KSchG 2. Aufl. § 1 Rn. 739; Düwell/Dahl DB 2007, 1699; Gaul/Ludwig DB 2010, 2334; Hamann NZA 2010, 1211; Rost NZA Beil. 1/2009, 23, 26).

31

(3) Das Vorbringen der Klägerin ist nicht geeignet die Behauptung der Beklagten zu widerlegen, sie setze Leiharbeitnehmer ausschließlich zur Abdeckung von Auftragsspitzen oder zur Überbrückung von Vertretungszeiten ein.

32

(a) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weisen die von der Klägerin vorgelegten Personaleinsatzpläne erhebliche Schwankungen hinsichtlich der Zahl der „Aushilfen“ auf. Für einzelne Tage - sowohl vor als auch nach Zugang der Kündigung - beläuft diese sich auf „Null“ oder gar einen negativen Wert. Dies spricht nicht gegen, sondern für die Behauptung der Beklagten, sie setze Leiharbeitnehmer ausschließlich zur Abdeckung eines unsteten Arbeitskräftebedarfs ein. Die in der Personalplanung ausgewiesenen negativen Werte dürften zudem den Willen der Beklagten dokumentieren, bei Vertretungsbedarf vorrangig auf einen Arbeitskräfteüberhang aus dem Kreis der Stammbelegschaft zurückzugreifen.

33

(b) Die absolute Zahl eingeplanter Aushilfen mag - wie von der Klägerin behauptet - nach Ausspruch der Kündigung angestiegen sein. Auch dieser Umstand ist nicht geeignet, die Vermutungswirkung des Interessenausgleichs zu widerlegen. Die Beklagte hat ihn mit einer erhöhten Zahl von Krankheitsfällen und einem damit verbundenen Produktivitätseinbruch erklärt. Die Klägerin hat keine Umstände dargelegt, die geeignet wären, diese Behauptung zu widerlegen. Vielmehr indizieren ihre eigenen Berechnungen, dass es sich bei dem zusätzlichen Beschäftigungsbedarf nicht um „freie“ Kapazitäten iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG handelte. Hatte die Klägerin ursprünglich vorgetragen, die Beklagte benötige zur Aufrechterhaltung der Produktion durchgängig 134 Arbeitnehmer und unter Berücksichtigung der im Lager, Werkstattbereich und der Qualitätsprüfung eingesetzten Mitarbeiter sowie durchschnittlich anfallender Krankheits- und planbarer Urlaubszeiten weitere 35, so geht sie in der Revision für den Produktionsbereich von einem regelmäßigen Arbeitskräftebedarf von 126 Arbeitnehmern, für das Lager und die übrigen Bereiche von einem Bedarf von weiteren zehn und von einem zusätzlichen, auf Vertretungstätigkeiten entfallenden Bedarf von 23 Arbeitnehmern aus. Daraus lässt sich kein Beschäftigungsvolumen ableiten, das den im Interessenausgleich veranschlagten Bedarf von 137 Arbeitsplätzen überstiege. Das von der Klägerin zusätzlich ermittelte Beschäftigungsvolumen betrifft Vertretungstätigkeiten und damit gerade keine „freien“ Kapazitäten iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG. Die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen der Klägerin gehen zumindest mangels Entscheidungserheblichkeit ins Leere.

34

3. Die Klägerin hat keine wesentliche Änderung der Sachlage iSv. § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG aufgezeigt.

35

a) § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG erfasst nur solche Änderungen, die bis zum Zugang der Kündigung eingetreten sind. Bei späteren Änderungen kommt allenfalls ein - von der Klägerin hier nicht erhobener - Wiedereinstellungsanspruch in Betracht (BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 39/00 - zu II 3 der Gründe, EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 8). Die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe einige der aufgrund des Interessenausgleichs bereits erklärten Kündigungen „zurückgenommen“, nachdem mehrere, nicht in der Namensliste benannte Arbeitnehmer ihre Bereitschaft erklärt hätten, freiwillig aus dem Betrieb auszuscheiden, zielt auf eine solche spätere Änderung. Entsprechendes gilt für die Behauptung, bereits während des Laufs der Kündigungsfrist habe sich gezeigt, dass die der Betriebsänderung zugrunde liegenden Organisationsentscheidungen nicht durchführbar seien.

36

b) Selbst wenn die in Rede stehenden Aufhebungsverträge geschlossen worden wären, bevor der Klägerin ihre Kündigung zuging, läge darin kein Fall des § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG. Die Betriebsparteien haben die Möglichkeit einer einvernehmlichen „Trennung“ der Beklagten von Mitarbeitern, die nicht in der Namensliste genannt sind, unter § 2 des Interessenausgleichs bedacht und einer Regelung zugeführt. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage, von dem § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG ausgeht, scheidet dann aus(vgl. BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 20 f., AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17).

37

II. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 3, Abs. 5 Satz 2 KSchG. Ein grober Auswahlfehler liegt nicht vor. Die für die Kündigung mitursächliche Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl ist mit nationalem Recht und mit Unionsrecht zu vereinbaren.

38

1. Aufgrund der namentlichen Nennung der Klägerin in der Namensliste des Interessenausgleichs vom 24. Juli 2008 kann die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Dieser Prüfungsmaßstab gilt nicht nur für die Auswahlkriterien und relative Gewichtung selbst. Auch die Bildung der auswahlrelevanten Arbeitnehmergruppe kann gerichtlich nur auf grobe Fehler überprüft werden (st. Rspr., BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 551/08 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 21; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 60, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16).

39

2. Die Sozialauswahl ist grob fehlerhaft, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede soziale Ausgewogenheit vermissen lässt (BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 3. April 2008 - 2 AZR 879/06 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 17 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 15). Dabei muss sich die getroffene Auswahl mit Blick auf den klagenden Arbeitnehmer im Ergebnis als grob fehlerhaft erweisen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 22). Nicht entscheidend ist, ob das gewählte Auswahlverfahren als solches zu Beanstandungen Anlass gibt (BAG 1 0. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - aaO; 18. Oktober 2006 - 2 AZR 473/05 - Rn. 23, BAGE 120, 18).

40

3. Ein evidenter Auswahlfehler liegt hier nicht deshalb vor, weil die Beklagte gewerbliche Arbeitnehmer, die im Lager, im Werkstattbereich und in der Qualitätsprüfung beschäftigt sind, nicht in die Auswahlentscheidung einbezogen hat. Dadurch wurde der auswahlrelevante Personenkreis nicht grob verkannt.

41

a) Der Arbeitgeber hat in die Sozialauswahl diejenigen Arbeitnehmer einzubeziehen, die miteinander vergleichbar sind. Dies sind Arbeitnehmer, die nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse sowie nach dem Inhalt der von ihnen vertraglich geschuldeten Aufgaben austauschbar sind (st. Rspr., BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 64, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16; 2. Juni 2005 - 2 AZR 480/04 - zu B I 4 a aa der Gründe, BAGE 115, 92). Es geht darum, ob der unmittelbar kündigungsbedrohte Arbeitnehmer den fortbestehenden Arbeitsplatz desjenigen Arbeitnehmers übernehmen kann, den er für sozial weniger schützenswert hält und dessen Arbeitsverhältnis nicht gekündigt werden soll (BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - aaO mwN).

42

b) Die Beklagte hat ihre Auskunftspflicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG - die auch in den Fällen des § 1 Abs. 5 KSchG besteht(vgl. BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 31, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 21. Februar 2002 - 2 AZR 581/00 - zu B I 5 b der Gründe, EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 10) - erfüllt. Sie hat anhand vorgelegter Auswahllisten mitgeteilt, welche Arbeitnehmer mit welchen Sozialdaten sie bei der Auswahlentscheidung berücksichtigt hat. Mit Blick auf die gewerblichen Mitarbeiter, die in den Listen nicht aufgeführt sind, hat sie vorgetragen, diese verfügten über eine Ausbildung als Schlosser oder Elektriker. Ihre Arbeitsaufgabe bestehe darin, die im Produktionsbereich eingesetzten Maschinen zu reparieren, und nicht darin, sie zu bedienen, wie es Aufgabe der Klägerin sei. Die Klägerin sei als Fachkraft für Lebensmitteltechnik nicht vergleichbar technisch geschult und nicht in der Lage, Störungen der Maschinen selbständig zu beheben.

43

c) Mit diesen Gesichtspunkten, die gegen eine arbeitsplatzbezogene Austauschbarkeit sprechen, hat sich die Klägerin nicht näher auseinandergesetzt. Sie hat sich ausschließlich auf die in der Auswahlrichtlinie getroffene Vereinbarung zur Vergleichsgruppenbildung berufen. Die Betriebsparteien hätten sich darin verbindlich über eine Vergleichbarkeit sämtlicher im Betrieb beschäftigter gewerblicher Arbeitnehmer verständigt. Damit hat die Klägerin eine grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl nicht dargelegt.

44

aa) Gewerbliche Arbeitnehmer, die in anderen Bereichen als der eigentlichen Produktion beschäftigt sind, werden von der fraglichen Vergleichsgruppenregelung nicht erfasst. Das ergibt die Auslegung der Vereinbarung. Ihr liegt - wie unter Nr. 2 der Richtlinie festgehalten - die Einschätzung der Betriebsparteien zugrunde, alle Mitarbeiter „im gewerblichen Bereich“ verfügten über eine „prinzipiell vergleichbare Qualifikation“, an die Arbeitsplätze des betreffenden Bereichs seien „vergleichbare Anforderungen“ zu stellen. Angesichts des unter Nr. 1 bestimmten Anwendungsbereichs der Richtlinie, der sich ausdrücklich nur auf solche Kündigungen erstreckt, die „in Umsetzung der Personalanpassungsmaßnahme 2008 durchgeführt werden“, ist damit unter dem für die Vergleichsgruppenbildung maßgebenden „gewerblichen Bereich“ der eigentliche Bereich der Produktion zu verstehen. Allein in diesem sollte laut § 1 des Interessenausgleichs vom 24. Juli 2008 der Personalabbau durchgeführt werden. Für dieses Verständnis spricht ferner der Umstand, dass die Betriebsparteien beim zeitgleichen Abschluss des Interessenausgleichs in diesen und die zu ihm erstellte Namensliste nur Arbeitsplätze in bzw. Namen von Mitarbeitern aus der Produktion aufgenommen haben. Ersichtlich haben sie nur diese als Arbeitsplätze im „gewerblichen Bereich“ iSd. Auswahlrichtlinie angesehen.

45

bb) Im Übrigen läge auch dann kein grober Fehler bei der Sozialauswahl vor, wenn die Auswahlrichtlinie in dem von der Klägerin befürworteten Sinne zu verstehen wäre. Zwar hätten dann auf ihrer Grundlage noch weitere Mitarbeiter in die Sozialauswahl einbezogen werden müssen. Es bleibt den Betriebsparteien aber grundsätzlich unbenommen, Vereinbarungen über die personelle Auswahl bei späterer oder schon bei zeitgleicher Gelegenheit - etwa bei Abschluss eines Interessenausgleichs und Erstellung einer Namensliste - wieder abzubedingen. Setzen sie sich in einem bestimmten Punkt gemeinsam über eine Auswahlrichtlinie hinweg, lässt dies die Maßgeblichkeit der Namensliste zumindest dann unberührt, wenn Interessenausgleich und Auswahlrichtlinie von denselben Betriebsparteien herrühren (vgl. Lingemann/Rolf NZA 2005, 264, 268; wohl auch Berkowsky Betriebsbedingte Kündigung 6. Aufl. S. 213). Im Übrigen sind die Betriebsparteien im Rahmen von § 1 Abs. 4 KSchG nicht berechtigt, den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer abweichend vom Gesetz zu bestimmen(BAG 15. Juni 1989 - 2 AZR 580/88 - zu B II 2 e bb der Gründe, BAGE 62, 116; ErfK/Oetker 11. Aufl. § 1 KSchG Rn. 359; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 696; Eylert in Schwarze/Eylert/Schrader KSchG § 1 Rn. 493). Die Klägerin hätte deshalb Tatsachen darlegen müssen, aus denen sich bei objektiver Betrachtung ergibt, dass sie mit den außerhalb des Produktionsbereichs beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmern vergleichbar war. Dem genügt ihr Vorbringen nicht, zumal sie insoweit eine „grobe Fehlerhaftigkeit“ iSv. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG hätte aufzeigen müssen.

46

4. Die der Namensliste zugrunde liegende soziale Auswahl ist auch im Hinblick auf das ihr zugrunde liegende „Punktesystem“ und die Altersgruppenbildung nicht zu beanstanden. Zwar kann die Bildung von Altersgruppen dazu führen, dass Arbeitnehmer gekündigt werden, die bei einer allein an § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG orientierten Sozialauswahl nicht zur Entlassung angestanden hätten. Diskriminierungsverbote werden dadurch aber nicht verletzt.

47

a) Die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gelten auch für den Ausspruch von Kündigungen. Sie sind im Rahmen der Prüfung der Rechtfertigung der Kündigung zu beachten. Eine Kündigung kann sozialwidrig sein, weil sie gegen ein im AGG näher ausgestaltetes Benachteiligungsverbot verstößt (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 28 ff., BAGE 128, 238). § 2 Abs. 4 AGG steht dem nicht entgegen. Die Norm zielt darauf ab, den Diskriminierungsverboten in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht bei Kündigungen dadurch Geltung zu verschaffen, dass sie im Rahmen der Regelungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz berücksichtigt werden (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 40, aaO).

48

b) Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist das Lebensalter trotz des Verbots der Altersdiskriminierung neben den weiteren in der Bestimmung angeführten Kriterien bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen. Das führt zwar in der Tendenz zu einer Bevorzugung älterer und unmittelbaren Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer. Diese Ungleichbehandlung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG ist aber sowohl durch § 10 Satz 1, Satz 2 AGG als auch durch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1, Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf gerechtfertigt (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 43 ff., BAGE 128, 238). Durch eine von § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ermöglichte Bildung von Altersgruppen wiederum wird die andernfalls linear ansteigende Gewichtung des Lebensalters unterbrochen und zugunsten jüngerer Arbeitnehmer relativiert. Auch diese Methode der Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl ist - sofern sie nicht willkürlich oder tendenziös auf bestimmte Personen zielend erfolgt - mit AGG und Unionsrecht zu vereinbaren. Beides vermag der Senat ohne Vorabentscheidungsersuchen nach § 267 Abs. 3 AEUV zu entscheiden. Das für die Beurteilung der Vereinbarkeit des Regelungskomplexes der Sozialauswahl mit Unionsrecht maßgebliche Verständnis von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG ist durch die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt.

49

aa) Gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind; unter legitimen Zielen sind dabei insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie können derartige Ungleichbehandlungen die Festlegung besonderer Bedingungen für die Entlassung einschließen, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen und älteren Arbeitnehmern zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen. Die Mitgliedstaaten und ggf. die Sozialpartner auf nationaler Ebene haben sowohl bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel sie im Bereich der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik verfolgen wollen, als auch bei der Festlegung von Maßnahmen zu seiner Erreichung einen weiten Ermessensspielraum (EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 33, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 17 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 17; 12. Oktober 2010- C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 41, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 9; 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 63, Slg. 2005, I-9981). Dieser Spielraum darf allerdings nicht dazu führen, dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters ausgehöhlt wird (vgl. EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 33, aaO; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 51, Slg. 2009, I-1569).

50

Die Prüfung, ob eine nationale Regelung einem rechtmäßigen Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG dient, obliegt den Gerichten der Mitgliedstaaten. Gleiches gilt für die Frage, ob der nationale Gesetz- und Verordnungsgeber angesichts des bestehenden Ermessensspielraums davon ausgehen durfte, dass die gewählten Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich sind (EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 49 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 12. April 2011 - 1 AZR 743/09 - Rn. 16, EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 42).

51

bb) Der Gerichtshof hat darauf erkannt, dass legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung solche aus dem Bereich „Sozialpolitik“ sind (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 81, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 23 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22; 18. Juni 2009 - C-88/08 - [Hütter] Rn. 41, Slg. 2009, I-5325; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569; vgl. auch BVerfG 24.Oktober 2011 - 1 BvR 1103/11 - Rn. 15, NZA 2012, 202). Ziele, die als „rechtmäßig“ iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden können, stehen als „sozialpolitische Ziele“ im Allgemeininteresse. Dadurch unterscheiden sie sich von Zielen, die im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Freilich ist es nicht ausgeschlossen, dass eine nationale Vorschrift bei der Verfolgung der genannten sozialpolitischen Ziele den Arbeitgebern einen gewissen Grad an Flexibilität einräumt (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 52, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 21 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, aaO). Eine nationale Regelung, die das mit ihr angestrebte Ziel nicht genau angibt, ist nicht allein deshalb von einer Rechtfertigung nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG ausgeschlossen. Fehlt es an einer solchen Angabe, ist es allerdings wichtig, dass andere, aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter ihr stehenden Ziels ermöglichen, damit dessen Rechtmäßigkeit sowie die Angemessenheit und Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüft werden können (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39, aaO; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 58, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 9).

52

cc) Danach durften die Betriebsparteien das Lebensalter bei der Sozialauswahl durch die Bildung und sodann im Rahmen von Altersgruppen berücksichtigen. Die dem zugrunde liegenden Bestimmungen in § 1 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 KSchG sind unionsrechtskonform.

53

(1) Die durch § 1 Abs. 3 KSchG vorgegebene Einbeziehung des Lebensalters in die Sozialauswahl verfolgt ein im Allgemeininteresse liegendes legitimes Ziel aus dem Bereich der Sozialpolitik iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG. Ältere Arbeitnehmer, die wegen ihres Alters typischerweise schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, sollen bei einer betrieblich veranlassten Kündigung stärker geschützt werden (EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 60, Slg. 2005, I-9981; BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 44, BAGE 128, 238). Diesen Zweck hat der Gesetzgeber zwar nicht unmittelbar in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG formuliert. Er kam aber deutlich in der für eine Übergangszeit (bis zu ihrer Aufhebung durch das Gesetz zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006, BGBl. I S. 2742) geltenden Regelung des § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG aF zum Ausdruck. Danach sollte eine Berücksichtigung des Alters bei der Sozialauswahl zulässig sein, sofern über die Auswahl „insbesondere die Chancen auf dem Arbeitsmarkt entscheiden“. Das lässt den Schluss zu, dass der Gesetzgeber das Lebensalter - jedenfalls im Zusammenhang mit einer durchzuführenden Sozialauswahl - als abstrakten Maßstab für die Vermittlungschancen der Beschäftigten nach einer Kündigung verstanden wissen will.

54

(2) Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angemessen und erforderlich.

55

(a) Die Berücksichtigung des Lebensalters als Sozialdatum ist zur Einbeziehung individueller Arbeitsmarktchancen geeignet und erforderlich. Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich (BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 46, BAGE 128, 238).

56

(aa) Dass die Chancen auf dem Arbeitsmarkt auf diese Weise typisierend und nicht individuell berücksichtigt werden, ist letztlich unvermeidbar. Jede Aussage über sie muss sich an Wahrscheinlichkeiten orientieren, die ihrerseits nicht ohne Berücksichtigung von Erfahrungswerten ermittelt werden können. Nach aller Erfahrung sinken mit steigendem Lebensalter die Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt. Diese Einschätzung des Gesetzgebers, die sowohl § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG als auch dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) zugrunde liegt und an die die Berücksichtigung des Lebensalters im Rahmen kollektiver Vereinbarungen gleichermaßen anknüpft, ist empirisch nicht zu bestreiten (vgl. dazu BAG 12. April 2011 - 1 AZR 764/09 - Rn. 23, EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 44: für die Altersgruppenbildung in einem im Jahr 2007 abgeschlossenen Sozialplan; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 10 Rn. 45a). Soweit hiergegen Bedenken erhoben wurden (Kaiser/Dahm NZA 2010, 473; Körner NZA 2008, 497), überzeugen diese im Ergebnis nicht. Sie stützen sich im Wesentlichen auf die Erwerbsbeteiligungsquote in der Gruppe der Menschen über 50 Jahre und auf eine mit anderen Altersgruppen vergleichbare Dauer der Erwerbslosigkeit. Für die Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl kommt es aber nicht auf die allgemeine Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer an, sondern darauf, wie ihre Aussichten sind, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, wenn sie den bisherigen im vorgerückten Alter verlieren (Hanau ZIP 2011, 1, 3). Hierüber gibt die Erwerbstätigenquote keinen hinreichenden Aufschluss. Darüber hinaus hängen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt häufig mit der Flexibilität des Arbeitssuchenden zusammen. Älteren Arbeitnehmern bereitet ein Arbeitsplatzwechsel mit den damit verbundenen Folgen erfahrungsgemäß mehr Schwierigkeiten als jüngeren. Selbst bei einer individuellen Chancenbewertung könnte dieser Umstand nicht außer Betracht bleiben (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 46 mwN, BAGE 128, 238).

57

(bb) Die Maßnahmen zur Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit Älterer im Arbeitsförderungsrecht (vgl. § 421f SGB III) und das an Arbeitgeber gerichtete Verbot aus § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 7, § 1 AGG, bei Einstellungen sachwidrig nach dem Alter zu differenzieren, stellen gegenüber der Einbeziehung des Lebensalters in die Sozialauswahl kein milderes Mittel dar. Entsprechende Förder- bzw. Rechtsschutzmöglichkeiten helfen nicht darüber hinweg, dass älteren Arbeitnehmern tendenziell weniger Vertrauen in ihre Leistungsfähigkeit entgegengebracht wird. Sie sind nicht in gleicher Weise wie ein präventiv wirkender Kündigungsschutz geeignet, die faktisch ungünstigere Situation älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen (vgl. ErfK/Oetker 11. Aufl. § 1 KSchG Rn. 332; Groß Die Rechtfertigung einer Altersdiskriminierung auf der Grundlage der Richtlinie 2000/78/EG S. 132).

58

(cc) Die mit der Berücksichtigung des Lebensalters einhergehende Ungleichbehandlung ist nicht deshalb generell unangemessen, weil neben sie noch das Auswahlkriterium der Dauer der Betriebszugehörigkeit tritt (MünchKommBGB/Thüsing 5. Aufl. § 10 AGG Rn. 48; Jacobs/Krois Anm. zu BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 82; v. Hoff SAE 2009, 293, 296; aA wohl v. Roetteken AGG Stand 2009 § 10 Rn. 271). Zwar begünstigt auch dieses Kriterium tendenziell ältere Arbeitnehmer. Dies ist aber angesichts des mit ihm verfolgten rechtmäßigen Ziels, die Betriebstreue des Arbeitnehmers zu honorieren, sachlich gerechtfertigt. Die Berücksichtigung der Beschäftigungszeit führt damit auch im Zusammenhang mit betriebsbedingten Kündigungen nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer (für verhaltensbedingte Kündigungen vgl. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 24 ff., EzA BGB 2002 § 626 Nr. 38). Die Kumulation beider Kriterien kann zwar in Einzelfällen den Schutz älterer Arbeitnehmer verstärken. Eine solche Folge ist aber keineswegs zwingend. Vielmehr kann umgekehrt das Kriterium der Betriebszugehörigkeit das Gewicht des Kriteriums des Lebensalters sogar relativieren, wenn jüngere Arbeitnehmer über eine längere Zeit der Betriebszugehörigkeit verfügen als ältere Mitarbeiter.

59

(b) In gleicher Weise angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist die Relativierung der Bedeutung des Kriteriums des Lebensalters durch die Bildung von Altersgruppen.

60

(aa) § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ermöglicht dem Arbeitgeber - und über § 1 Abs. 4, Abs. 5 KSchG den Betriebsparteien - im berechtigten betrieblichen Interesse, zu dem auch dasjenige an der „Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur“ zählt, bestimmte Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl herauszunehmen. Danach ist es zulässig, dass der Arbeitgeber innerhalb des zur Sozialauswahl anstehenden Personenkreises nach sachlichen Kriterien Altersgruppen bildet, die prozentuale Verteilung der Belegschaft auf die Altersgruppen feststellt und die Gesamtzahl der auszusprechenden Kündigungen diesem Proporz entsprechend auf die einzelnen Altersgruppen verteilt - mit der Folge, dass sich die Sozialauswahl iSv. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nur innerhalb der Gruppen vollzieht und sich der Anstieg des Lebensalters nur innerhalb der jeweiligen Altersgruppe auszuwirken vermag(grundlegend BAG 23. November 2000 - 2 AZR 533/99 - zu B III 4 der Gründe, BAGE 96, 306; seither st. Rspr., vgl. 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 12 ff., AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 184 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 83; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 53, BAGE 128, 238). Das kann bewirken, dass einem Arbeitnehmer, der wegen seines höheren Lebensalters in eine höhere Altersgruppe fällt, zu kündigen ist, während ein jüngerer Arbeitnehmer mit ansonsten gleichen Sozialdaten allein durch die Zuordnung zu der anderen Altersgruppe seinen Arbeitsplatz behält.

61

(bb) Die nach nationalem Recht zulässige Altersgruppenbildung dient auf diese Weise der Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur in den Betrieben, dient damit zugleich der Beteiligung aller Generationen und Lebensalter an den notwendig gewordenen Entlassungen, verhindert die einseitige Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer und sichert deren berufliche Eingliederung. Sie erhält eine vorhandene Mischstruktur und einen Erfahrungsaustausch in den Betrieben, bewirkt eine Vielfalt auch auf dem Arbeitsmarkt und dient damit - alle Aspekte gemeinsam betrachtet - einem legitimen sozialpolitischen Ziel.

62

(aaa) Die unterschiedlichen Vorzüge des jeweiligen Alters können im Betrieb nur dann erfolgreich ausgenutzt werden, wenn langfristig Arbeitnehmer verschiedener Lebensalter zusammenwirken. Unter diesem Aspekt dient die Altersgruppenbildung zwar auch den - durch Art. 2 Abs. 1, Art. 12 GG verfassungsrechtlich geschützten - Wettbewerbsinteressen des jeweiligen Unternehmens(vgl. BT-Drucks. 15/1204 S. 9). Gleichwohl liegt der Erhalt einer ausgewogenen Altersstruktur nicht etwa ausschließlich im individuellen Arbeitgeberinteresse (aA wohl Däubler/Bertzbach/Brors AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 109 ff.). Die aufgezeigten Vorteile einer altersgemischten Struktur liegen vielmehr mit Blick auf die Förderung des Erfahrungsaustauschs und der Innovation in den Betrieben sowohl im Interesse der Gesamtbelegschaft (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238; eingehend Spinner RdA 2008, 153, 159) als auch im Interesse der Allgemeinheit insofern, als leistungsfähige Betriebe und Unternehmen in ihrer Gesamtheit zu den Grundlagen eines funktionierenden Wirtschaftssystems gehören (vgl. Fahrig DB 2010, 1460, 1461; Gaul/Niklas NZA-RR 2009, 457, 462; Temming Anm. zu BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182; Thüsing ZESAR 2010, 285, 287; Groß Die Rechtfertigung einer Altersdiskriminierung auf der Grundlage der Richtlinie 2000/78/EG S. 137 f.). Für die Funktionsfähigkeit der Bereiche der Lehre und Forschung und des öffentlichen Dienstes hat der Gerichtshof dies anerkannt. Er hat in der Zusammenarbeit verschiedener Generationen einen Beitrag zur Qualität der ausgeübten Tätigkeiten, insbesondere durch die Förderung des Erfahrungsaustauschs erblickt und darin ein legitimes Ziel der Sozial- oder Beschäftigungspolitik gesehen (EuGH 18. November 2010 - C-250/09 ua. - [Georgiev] Rn. 46, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 19 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 18; 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 49 ff., AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 21 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20). Für den Bereich der Privatwirtschaft gilt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nichts grundlegend anderes (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 43 ff., AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 9). Auch soweit der Erhalt einer ausgewogenen Altersstruktur in den Betrieben den Bestand privatwirtschaftlicher Unternehmen zum Wohl aller am Wirtschaftsleben Teilhabenden sichern will, dient er einem im Allgemeininteresse liegenden legitimen Ziel.

63

(bbb) Unabhängig davon steht die Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht für sich, sondern ist eingebettet in das Gesamtkonzept der Sozialauswahl(Stenslik Anm. zu BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182; Thüsing ZESAR 2010, 285, 287). Während § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG den mit steigendem Lebensalter regelmäßig sinkenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt Rechnung trägt, wirkt die durch § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ermöglichte Altersgruppenbildung der damit verbundenen Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer entgegen. Das Ziel, ältere Arbeitnehmer zu schützen, und das Ziel, die Eingliederung jüngerer Arbeitnehmer in das Erwerbsleben sicherzustellen, werden so zu einem angemessenen Ausgleich gebracht. Dies dient der sozialpolitisch erwünschten Generationengerechtigkeit und der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung und stimmt mit dem Erwägungsgrund 25 der Richtlinie 2000/78/EG überein (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 63 bis 65 mwN, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 21 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20; 12. Januar 2010 - C-341/08 - [Petersen] Rn. 68, Slg. 2010, I-47; v. Hoff SAE 2009, 293, 297; Linsenmaier RdA Sonderbeil. 5/2003, 22, 29). Zugleich hindert die Altersgruppenbildung sowohl zugunsten einer angemessenen Verteilung der Berufschancen jüngerer und älterer Arbeitnehmer als auch im Interesse der Funktionsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme, dass eine Vielzahl von Personen gleichen Alters zur gleichen Zeit auf den Arbeitsmarkt drängt (vgl. Fahrig BB 2010, 2569, 2571; Gaul/Niklas NZA-RR 2009, 457, 462; Linsenmaier aaO). Auch bei diesen Belangen handelt es sich um legitime Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik und Arbeitsmarkt iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1, Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG.

64

(cc) Näherer Erörterungen dazu, in welchem Rangverhältnis hinsichtlich Priorität und inhaltlichen Gewichts die mit dem Regelungskomplex der Sozialauswahl verfolgten Allgemeininteressen zu den gleichzeitig betroffenen individuellen Arbeitgeberinteressen stehen, bedarf es nicht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann ein Ziel auch dann iSv. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG legitim sein, wenn neben ihm zugleich ein anderes verfolgt wird. Die Ziele können dabei zusammenhängen oder hierarchisch geordnet sein (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 44, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 21 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20).

65

(dd) Die Altersgruppenbildung ist ein angemessenes und erforderliches Mittel, um im Zusammenhang mit Entlassungen eine ausgewogene Altersstruktur zu erhalten. Ein milderes Mittel, den Schutz älterer Arbeitnehmer vor Arbeitslosigkeit und schützenswerte Interessen jüngerer Arbeitnehmer an Teilhabe am Berufsleben in wirtschaftlich prekären Situationen in einen angemessen Ausgleich zu bringen, ist bei der gebotenen typisierenden Betrachtung nicht ersichtlich. Es ist auch nicht unangemessen oder widersprüchlich, dass der Gesetzgeber in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG die Bildung von Altersgruppen nicht zwingend vorschreibt, sondern sowohl hinsichtlich des „Ob“ als auch des „Wie“ der Gruppenbildung dem Arbeitgeber - ggf. gemeinsam mit dem Betriebsrat - ein Beurteilungs- und Gestaltungsermessen einräumt. Inwieweit Kündigungen Auswirkungen auf die Altersstruktur des Betriebs haben und welche Nachteile sich daraus ergeben, hängt von den betrieblichen Verhältnissen ab und kann nicht abstrakt für alle denkbaren Fälle beschrieben werden. Dementsprechend muss der Arbeitgeber, wenn er sich auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berufen will, zu diesen Auswirkungen und möglichen Nachteilen konkret vortragen(BAG 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 184 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 83). Jedenfalls wenn die Anzahl der Entlassungen innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer im Verhältnis zur Anzahl aller Arbeitnehmer des Betriebs die Schwellenwerte des § 17 KSchG erreicht, kommen ihm dabei Erleichterungen zugute; in diesem Fall ist ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Beibehaltung der Altersstruktur - widerlegbar - indiziert (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 24, aaO; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238).

66

c) Die im Streitfall der Namensliste zugrunde liegende Punktetabelle und Altersgruppenbildung begegnen auch in ihrer konkreten Ausgestaltung keinen durchgreifenden Bedenken.

67

aa) Die nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorzusehenden sozialen Gesichtspunkte sind bei der Auswahl berücksichtigt worden. Die in der Punktezuteilung in Nr. 2 der Auswahlrichtlinie zum Ausdruck kommende Gewichtung der Sozialdaten ist in sich ausgewogen und verleiht keinem einzelnen Sozialdatum ein unangemessenen hohes und dadurch in der Regel ausschlaggebendes Gewicht. So ist etwa die Beschäftigungszeit ab dem 11. Dienstjahr mit zwei Punkten gegenüber dem Lebensalter stärker gewichtet. Auch berücksichtigt die Zuteilung von jeweils vier Punkten für jedes unterhaltsberechtigte Kind und unterhaltsberechtigte Ehepartner hinreichend die typischen Interessen junger Familien (ähnlich BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 41 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17).

68

bb) Ob die Betriebsparteien berechtigt waren, die Berücksichtigung von Unterhaltspflichten gegenüber Kindern von einer entsprechenden Eintragung in die Lohnsteuerkarte abhängig zu machen (zur Problematik BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 405/06 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 96; 6. Juli 2006 - 2 AZR 520/05 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 80 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 68; Spinner RdA 2008, 153, 156), kann hier dahinstehen. Selbst wenn zu Lasten der Klägerin und entgegen § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG, der auf objektiv bestehende familienrechtliche Unterhaltspflichten abstellt, ein Kind unberücksichtigt geblieben sein sollte, führte dies nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Bei Berücksichtigung eines weiteren Kindes hätte die Klägerin eine lediglich marginal höhere Gesamtpunktzahl erreicht als der erste nicht gekündigte Arbeitnehmer. Nach Maßgabe von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG wären die Auswahlkriterien weiterhin „ausreichend“ berücksichtigt. Die Klägerin erhebt gegen diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts in der Revision keine Einwände mehr.

69

cc) Die Art der Altersgruppenbildung erweist sich als angemessen und erforderlich. Wie anhand der vorgelegten Auswahllisten nachzuvollziehen, hätte die Beklagte ohne die Altersgruppenbildung mehr als die Hälfte ihres Personalbestands in der Gruppe der 25 bis 35 Jahre alten Arbeitnehmer eingebüßt. Im Altersbereich bis zu 30 Jahren hätte die Belegschaft fast keine Mitglieder mehr gehabt. Die Betriebsparteien haben die Altersgruppen beginnend mit dem Alter von 25 Jahren in Zehn-Jahres-Schritten gebildet und daran ausgerichtet den bisherigen Altersaufbau der Belegschaft im Produktionsbereich berücksichtigt. Den Darlegungen der Klägerin ist nicht zu entnehmen, dass dabei vergleichbare Arbeitnehmer außer Betracht gelassen worden wären. Die Beteiligung der Altersgruppen an der Gesamtzahl der Kündigungen hatte nach der Auswahlrichtlinie gleichmäßig-proportional zu erfolgen. Dass hiervon abgewichen worden wäre, ist nicht ersichtlich. Anhaltspunkte, die den Schluss zuließen, es sei der Beklagten darum gegangen, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, liegen nicht vor. Eines näheren Vorbringens der Beklagten zu den betrieblichen Nachteilen einer ohne Altersgruppenbildung durchgeführten Sozialauswahl bedurfte es angesichts der Anzahl der Entlassungen nicht.

70

III. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung für den Monat November 2008. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 28. Juli 2008 mit Ablauf des 31. Oktober 2008 aufgelöst worden.

71

IV. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzverfahrens ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Der Rechtsstreit ist abgeschlossen.

72

V. Als unterlegene Partei hat die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Perreng    

        

    Sieg    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Mai 2011 - 16 Sa 113/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

2

Der 1971 geborene Kläger war seit Mai 1992 als Kraftfahrzeugmechaniker bei der Rhine Area Labour Support Unit (RALSU) - Royal Logistic Corps (RLC) - der Streitkräfte des Vereinigten Königreichs beschäftigt. Er bezog zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.500,00 Euro.

3

Der schriftliche Arbeitsvertrag nahm den Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV AL II) in Bezug. Ob die Anwendbarkeit des Tarifvertrags vom 2. Juli 1997 über Rationalisierungs-, Kündigungs- und Einkommensschutz (SchutzTV) einzelvertraglich vereinbart war, ist nicht festgestellt.

4

Bei den britischen Streitkräften trifft eine Abteilung der obersten Dienstbehörde „LEC Support Service“ die Entscheidung, welche Betriebsstätte zu einer Dienststelle bestimmt wird. Diese Dienststellen werden in ein entsprechendes Verzeichnis eingetragen.

5

In einem „Berichtigungs- und Nachtragsbogen zum Arbeitsvertrag“ vom 20. August/13. September 2001 änderten die Arbeitsvertragsparteien die Beschäftigungsdienststelle des Klägers mit Wirkung vom 1. April 2002 von „RALSU“ in „RALSU RLC N“ und den Beschäftigungsort von „Mö“ in „N“. Der Kläger arbeitete seit April 2002 überwiegend in der Kfz-Werkstatt in N, war zeitweise aber auch in Mö eingesetzt.

6

Die Betriebsstätte N wurde wie die Dienststelle Mö von Major J. P. M geleitet. Zwischen den Werkstattbereichen Mö und N fand bei Bedarf ein wechselseitiger Personaleinsatz statt. Die arbeitsrechtlichen Weisungen erfolgten von Mö aus. Die Personalverwaltung für beide Betriebsstätten war personen- und funktionsidentisch. In dem zur Dienststelle Mö gehörenden Werkstattbereich waren acht Kraftfahrzeugmechaniker beschäftigt, die über deutlich geringere Beschäftigungszeiten als der Kläger verfügten. In diesem Bereich waren zwischenzeitlich zudem drei vakante Stellen ausgeschrieben. Die britischen Streitkräfte zogen die Ausschreibungen wieder zurück, weil die Positionen vorerst unbesetzt bleiben sollten. Sie sollten ggf. zu einem späteren Zeitpunkt Mitgliedern der Betriebsvertretung als neue Arbeitsplätze angeboten werden können.

7

Im Rahmen eines „Borona“ genannten Programms entschieden die britischen Streitkräfte, die Kasernen in Mö, Mü und E sukzessive aufzugeben und im Zuge dessen die Kfz-Werkstatt in Niederkrüchten-Elmpt zum 30. September 2011 zu schließen. Die Schließung der Werkstatt erfolgte spätestens im Mai 2011. Reparaturen und Wartungen der in N vorhandenen Fahrzeuge wurden seitdem in der Werkstatt in Mö durchgeführt.

8

Die oberste Dienstbehörde der britischen Streitkräfte in Deutschland - Delegated Military Representative (DMR) - leitete mit Schreiben vom 9. Juli 2010 das Mitwirkungsverfahren bei der Hauptbetriebsvertretung ein. Diese bat die DMR sicherzustellen, dass bei allen Betroffenen eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten eingehalten würde. Mit Schreiben vom 4. August 2010 erwiderte die DMR, sie werde, wann immer möglich, versuchen, diese Frist zu gewähren, eine Garantie hierfür könne sie jedoch nicht geben.

9

Mit Schreiben vom 28. September 2010 kündigte die RALSU das Arbeitsverhältnis des Klägers zunächst außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30. September 2011. Nachdem sie erklärt hatte, aus der außerordentlichen Kündigung keine Rechte mehr herzuleiten, nahm der Kläger die hiergegen gerichtete Klage zurück.

10

Ebenfalls im September 2010 kündigte die RALSU auch die Arbeitsverhältnisse der übrigen in N beschäftigten Kfz-Mechaniker zum 30. September 2011. Ausgenommen waren die Arbeitsverhältnisse von Mitgliedern der Betriebsvertretung. Auch ein Teil der in N beschäftigten Kfz-Inspektoren erhielt keine Kündigung. Anders als die Kfz-Mechaniker, die die eigentlichen Reparaturarbeiten durchführten, waren die Kfz-Inspektoren dafür zuständig, den Fahrzeugpark zu überprüfen, reparaturbedürftige Fahrzeuge auszusondern, in die Werkstatt zu verbringen, die reparierten Fahrzeuge zu überprüfen und wieder in den Fahrzeugpark einzugliedern. Außerdem oblag ihnen die TÜV-Abnahme der in Großbritannien zugelassenen Privatfahrzeuge von Beschäftigten der Dienststelle.

11

Nach Anhörung der Betriebsvertretung N kündigte die RALSU das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 25. November 2010 erneut, diesmal ordentlich zum 30. September 2011.

12

Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger vorgebracht, die Entscheidung der Streitkräfte, die Kfz-Werkstatt in N zu schließen, sei nur unvollständig umgesetzt worden. Zudem könne er auf einem der freien Arbeitsplätze im Werkstattbereich in Mö weiterbeschäftigt werden. Dort seien außerdem eine Stelle als Store-Keeper und Stellen für Wachleute frei gewesen. § 4 Nr. 2d SchutzTV erweitere die Verpflichtung der Streitkräfte, ihn auf einem Arbeitsplatz bei derselben oder einer anderen Beschäftigungsdienststelle zu beschäftigen. Die Streitkräfte müssten deshalb im Kündigungsschutzprozess von sich aus umfassend zu Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten vortragen. Auch die Sozialauswahl sei fehlerhaft. Er sei mit den weniger schutzwürdigen Kfz-Mechanikern der Werkstatt Mö vergleichbar und diesen vorzuziehen. Bei den Betriebsstätten in N und Mö handele es sich um eine einheitliche Dienststelle. Im Übrigen sei die Kündigungsfrist nicht gewahrt. Er werde gegenüber allen anderen Mitarbeitern, die eine Kündigung mit Jahresfrist erhalten hätten, benachteiligt. Der Kläger hat ferner geltend gemacht, die Betriebsvertretung sei unzureichend angehört worden. Der Unterbringungsanspruch nach § 4 SchutzTV sei nicht Gegenstand der Anhörung gewesen.

13

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung vom 25. November 2010 zum 30. September 2011 sein Ende finden wird.

14

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung vom 25. November 2010 für wirksam gehalten. Die dieser zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung sei umgesetzt worden. Die ungekündigten Mitglieder der Betriebsvertretung würden im Rahmen der stufenweisen Schließung der Dienststelle zunächst im Arbeitsbereich des Quartiermeisters weiter eingesetzt. Für den Kläger sei kein freier Arbeitsplatz in Mö oder einer anderen Dienststelle vorhanden gewesen. Bei der Betriebsstätte N handele es sich um eine eigenständige Dienststelle. Eine Sozialauswahl habe deshalb nur zwischen den dort Beschäftigten stattfinden können. Die britischen Streitkräfte seien nicht zur Einhaltung einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist verpflichtet gewesen. Die zuständige Betriebsvertretung sei ordnungsgemäß angehört worden.

15

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kündigung vom 25. November 2010 ist wirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2011 aufgelöst.

17

A. Die Klage ist zulässig. Die auch noch in der Revisionsinstanz zu überprüfende Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit ist gem. Art. 56 Abs. 8 Satz 1 ZA-NTS(BGBl. II 1961, S. 1218, 1278) gegeben. Der Kläger war ziviler Bediensteter bei den Streitkräften des Vereinigten Königreichs. Die Klage richtet sich gem. Art. 56 Abs. 8 Satz 2 ZA-NTS zu Recht gegen die Bundesrepublik Deutschland, die in Prozessstandschaft für den Entsendestaat - hier das Vereinigte Königreich - auftritt(vgl. BAG 21. Januar 1993 - 2 AZR 309/92 - unter II 1 der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 53 = EzA BGB § 615 Nr. 78).

18

B. Die Klage ist unbegründet.

19

I. Die ordentliche Kündigung war nicht gem. § 8 Nr. 1 SchutzTV ausgeschlossen. Unabhängig davon, ob der SchutzTV auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand, waren die Voraussetzungen für den besonderen Kündigungsschutz nach § 8 Nr. 1 SchutzTV nicht erfüllt. Der Kläger hatte im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet.

20

II. Die Kündigung vom 25. November 2010 ist nicht gem. § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam.

21

1. Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung.

22

a) Nach Art. 56 Abs. 1a ZA-NTS gelten für die Beschäftigungsverhältnisse der zivilen Arbeitskräfte bei einer Truppe und einem zivilen Gefolge alle für die zivilen Arbeitnehmer der Bundeswehr maßgeblichen arbeitsrechtlichen Vorschriften, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.

23

b) Danach ist das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis des Klägers mit den britischen Streitkräften anzuwenden (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 163/11 - Rn. 11; 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 148).

24

2. Die Kündigung vom 25. November 2010 ist sozial gerechtfertigt. Sie ist durch betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt.

25

a) Aufgrund der Schließung der Kfz-Werkstatt in N ist der bisherige Arbeitsplatz des Klägers spätestens zum Kündigungstermin weggefallen.

26

aa) Die Schließung der Werkstatt beruhte auf einer rechtlich zulässigen Organisationsentscheidung der Streitkräfte. Es gehört zum Kern der unternehmerischen Freiheit, die betriebliche Organisation zu gestalten und festzulegen, an welchem Standort welche arbeitstechnischen Zwecke und Ziele verfolgt werden sollen. Der gesetzliche Kündigungsschutz verpflichtet den Arbeitgeber nicht, eine bestimmte betriebliche Organisationsstruktur oder einen konkreten Standort beizubehalten (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 163/11 - Rn. 18; 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 146 = EzA KSchG § 2 Nr. 78). Solche Organisationsentscheidungen können von den Gerichten inhaltlich nicht nachgeprüft werden. Sie sind grundsätzlich als gegeben hinzunehmen und unterliegen lediglich einer Missbrauchskontrolle (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - aaO; 10. Mai 2007 - 2 AZR 263/06 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 155). Für eine beschlossene und durchgeführte Organisationsentscheidung spricht grundsätzlich die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist. Daher muss der Arbeitnehmer Umstände darlegen, aus denen sich ergeben soll, dass die erfolgte Strukturänderung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 163/11 - Rn. 19; 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 177 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160).

27

bb) Im Streitfall ist die Kfz-Werkstatt in N im Zuge der Umsetzung des Programms „Borona“ aufgelöst worden. Die Schließung der Werkstatt war bereits Monate vor dem Kündigungstermin Ende September 2011 tatsächlich umgesetzt. Der Umstand, dass bisher am Standort als Kfz-Mechaniker beschäftigte Mitglieder der Betriebsvertretung anderweitig weiterbeschäftigt wurden, spricht nicht dagegen, dass die Werkstatt in N vollständig aufgelöst worden ist. Soweit einige Kfz-Inspektoren keine Kündigung erhielten, waren deren Arbeitsplätze - anders als die der Kfz-Mechaniker - durch die Schließung der Werkstatt nicht entfallen. Die ihnen obliegenden Aufgaben fielen weiterhin an. Für eine willkürliche oder offensichtlich unzulässige Organisationsentscheidung hat der Kläger keine Anhaltspunkte dargelegt.

28

b) Der Kläger konnte nicht auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden.

29

aa) Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG ist eine Kündigung auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann. Auf diese Weise wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Kündigungsrecht normativ konkretisiert (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 146 = EzA KSchG § 2 Nr. 78; 6. Februar 1997 - 2 AZR 50/96 - zu II 2 der Gründe; 15. Dezember 1994 - 2 AZR 320/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 79, 66). Eine Kündigung ist nur dann durch „dringende“ betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG anderweitig zu beschäftigen (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - aaO; 23. November 2004 - 2 AZR 38/04 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 112, 361). Die Weiterbeschäftigung muss sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich sein. Dies setzt voraus, dass ein Arbeitsplatz zu vergleichbaren (gleichwertigen) oder zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist. Als „frei” sind grundsätzlich nur solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind (BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84; 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 154 ). Dem steht es gleich, wenn ein Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei wird (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - aaO ; 2. Februar 2006 - 2 AZR 38/05 - zu II 2 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 142 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 144).

30

bb) Für das Fehlen einer anderweitigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist gem. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Dabei gilt eine abgestufte Darlegungslast. Bestreitet der Arbeitnehmer lediglich den Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes, genügt der Vortrag des Arbeitgebers, wegen der betrieblichen Notwendigkeiten sei eine Weiterbeschäftigung zu den gleichen Bedingungen nicht möglich. Will der Arbeitnehmer vorbringen, es sei eine Beschäftigung an anderer Stelle möglich, obliegt es ihm, darzulegen, wie er sich seine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Erst daraufhin muss der Arbeitgeber eingehend erläutern, aus welchen Gründen eine Umsetzung nicht möglich war (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 154; 15. August 2002 - 2 AZR 195/01 - zu II 1 c aa der Gründe, BAGE 102, 197 ).

31

cc) Diese gesetzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast erfährt durch § 4 SchutzTV im Grundsatz keine Änderung(vgl. APS/Dörner/Linck 4. Aufl. § 1 ZA-NTS Rn. 14). Insbesondere müssen die Stationierungsstreitkräfte, die sich darauf berufen, ein anderer geeigneter Arbeitsplatz sei nicht verfügbar gewesen, nicht unabhängig vom Vorbringen des Arbeitnehmers alle denkbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im maßgeblichen Einzugsbereich ausschließen (offen gelassen in BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 148; a.A. für Anhang O zum TV AL II wohl LAG Rheinland-Pfalz 12. Dezember 1997 - 10 Sa 613/97 - , zu II 1 der Gründe; für eine gewisse Erweiterung der Darlegungslast des Arbeitgebers auch Hessisches LAG 28. Juni 2004 - 17 Sa 1257/03 - zu III 2 b cc der Gründe). Dies ergibt die Auslegung der Bestimmung.

32

(1) Aus dem Wortlaut von § 4 SchutzTV und der Systematik des Tarifvertrags lässt sich nicht entnehmen, in seinem Geltungsbereich solle für das Bestehen einer geeigneten Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Kündigungsschutzprozess eine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Verteilung der Darlegungslast gelten. § 4 SchutzTV regelt, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise einem vom Verlust des Arbeitsplatzes betroffenen Arbeitnehmer andere geeignete Beschäftigungsmöglichkeiten anzubieten sind. Mit der Verteilung der prozessualen Darlegungs- und Beweislast dafür, ob eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit tatsächlich bestanden hat, befasst sich die Bestimmung nicht. Regelungen zum Kündigungsschutz enthält allein § 8 SchutzTV.

33

(2) Aus Sinn und Zweck von § 4 SchutzTV ergibt sich nichts anderes. Die Bestimmung regelt zwar im Einzelnen, wie die Eignung des Arbeitnehmers für verfügbare Arbeitsplätze festzustellen ist (§ 4 Nr. 1 Satz 2 SchutzTV), welche Arbeitsplätze dem betroffenen Arbeitnehmer in welcher Reihenfolge anzubieten sind und welche Folgen es hat, wenn der Arbeitnehmer die Angebote ablehnt (§ 4 Nr. 2 und 3 SchutzTV). Auch die Verfahren zur Ermittlung von Gleichwertigkeit und Zumutbarkeit eines Arbeitsplatzes (§ 4 Nr. 4 SchutzTV) sowie die Voraussetzungen für die Gewährung einer Einarbeitungszeit und deren Dauer (§ 4 Nr. 6 SchutzTV) sind näher bestimmt (vgl. BAG 13. August 2009 - 6 AZR 330/08 - Rn. 21, BAGE 131, 325). Dass dem Arbeitnehmer gem. § 4 Nr. 1 Satz 1 SchutzTV ein verfügbarer oder bis zum Ablauf seiner Kündigungsfrist verfügbar werdender Arbeitsplatz angeboten werden muss, wenn er für ihn geeignet ist, entspricht aber der ohnehin bestehenden Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG. Für den Streit über deren Einhaltung gelten die dargestellten allgemeinen Grundsätze zur Verteilung der Darlegungslast. Für den Streit über die Erfüllung des in § 4 SchutzTV geregelten, insoweit inhaltsgleichen Unterbringungsanspruchs des Arbeitnehmers bedarf es damit keiner von diesen Grundsätzen abweichenden Verteilung der Darlegungslast. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass § 4 SchutzTV einen im Vergleich zum allgemeinen Verständnis des Begriffs „Einzugsgebiet“ in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG größeren Umkreis vorsieht, innerhalb dessen verfügbare geeignete Arbeitsplätze anzubieten sind (gem. § 4 Nr. 2d iVm. § 4 Nr. 4d SchutzTV 60 km). Damit ist nicht gesagt, wie im Kündigungsschutzprozess die Darlegungslast abzustufen ist, wenn Streit darüber besteht, ob ein geeigneter Arbeitsplatz - auch im erweiterten Einzugsbereich - tatsächlich verfügbar war.

34

dd) Danach war im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass für den Kläger keine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestand.

35

(1) Die Beklagte hat geltend gemacht, es sei weder in Mö noch in einer anderen Dienststelle ein freier Arbeitsplatz für den Kläger vorhanden gewesen.

36

(2) Soweit sich der Kläger auf die drei ausgeschriebenen Stellen in der Kfz-Werkstatt in Mö berufen hat, waren diese nicht „frei“. Die britischen Streitkräfte hatten sich bereits vor Ausspruch der Kündigung entschlossen, sie in näherer Zukunft nicht zu besetzen, und die Ausschreibung zurückgezogen. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dieses Vorgehen sei nicht rechtsmissbräuchlich gewesen. Die Streitkräfte haben dadurch nicht den Eintritt einer für den Kläger positiven Bedingung iSv. § 162 BGB treuwidrig vereitelt.

37

(a) Ein treuwidriges Verhalten des Arbeitgebers liegt vor, wenn er eine freie Stelle anderweitig besetzt, obwohl schon zu diesem Zeitpunkt ein Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den später gekündigten Arbeitnehmer absehbar ist (vgl. BAG 24. November 2005 - 2 AZR 514/04 - Rn. 39, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 51).

38

(b) Damit ist die Entscheidung der britischen Streitkräfte, die fraglichen Stellen vorerst nicht zu besetzen, nicht vergleichbar. In diesem Entschluss lag keine rechtsmissbräuchliche Vereitelung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger. Die britischen Streitkräfte waren in der Entscheidung, welche Stellen akut besetzt werden sollten, grundsätzlich frei. Nach Art. 56 Abs. 7a Satz 1 ZA-NTS bestimmen allein sie die Zahl und Art der benötigten Arbeitsplätze. Mit Blick auf den besonderen Kündigungsschutz der Mitglieder der Betriebsvertretung nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG erscheint die Entscheidung, für diese eine entsprechende Anzahl von Arbeitsplätzen frei zu halten, auch nicht willkürlich.

39

(3) Das Vorbringen des Klägers, er habe in Mö auf einem freien Arbeitsplatz als Store-Keeper oder als Wachmann weiterbeschäftigt werden können, hat das Landesarbeitsgericht zu Recht nach § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG als verspätet zurückgewiesen.

40

(a) Neue Tatsachen sind nach § 67 Abs. 4 Satz 1 ZPO grundsätzlich in der Berufungsbegründung vorzutragen. Späteres Vorbringen ist nach § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG nur zuzulassen, wenn es entweder nach der Berufungsbegründung entstandene Tatsachen betrifft oder nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert oder die Verspätung nicht auf Verschulden der Partei beruht(BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - Rn. 16, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12).

41

(b) Ein solcher Ausnahmefall hat hier nach der rechtsfehlerfreien Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht vorgelegen. Danach waren die betreffenden Tatsachen weder erst nach der Berufungsbegründung entstanden, noch war der Kläger unverschuldet an einem rechtzeitigen Vortrag gehindert.

42

(aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht geltend gemacht, erst im Anschluss an die Berufungsbegründung Kenntnis von den nach seinem Vorbringen bereits im Kündigungszeitpunkt freien Stellen erlangt zu haben. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Zulässige Verfahrensrügen hat der Kläger insoweit nicht erhoben.

43

(bb) Die Berücksichtigung des verspäteten Vortrags hätte zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt. Dieser hätte nicht im unmittelbaren Anschluss an die mündliche Verhandlung beendet werden können. Es hätte aufgeklärt werden müssen, ob in den entsprechenden Bereichen tatsächlich freie Arbeitsplätze vorhanden waren und für den Kläger in Betracht kamen.

44

(c) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass das Landesarbeitsgericht, wie der Kläger rügt, keinen Hinweis dahin erteilt habe, es wolle von der vermeintlich „herrschenden Meinung“ abweichen und mit Blick auf den Unterbringungsanspruch nach § 4 SchutzTV keine andere Verteilung der Darlegungslast für das Bestehen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit annehmen. Einen solchen Hinweis musste das Gericht nicht erteilen. Der Kläger musste auch ohne ihn damit rechnen, dass es diese Auffassung vertreten könnte. So hatte schon das Arbeitsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung desselben Landesarbeitsgerichts zu Anhang O zum TV AL II (vgl. LAG Düsseldorf 13. Dezember 1994 - 3 (17) Sa 1307/94 -) angenommen, die Darlegungslast für Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten werde durch § 4 SchutzTV nicht geändert.

45

(4) Der Kläger hat sich nicht darauf berufen, er habe auf einer der Positionen weiterbeschäftigt werden können, die den nicht gekündigten Kfz-Mechanikern, die Mitglieder der Betriebsvertretung N waren, übertragen wurden. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die britischen Streitkräfte die Mitglieder der Betriebsvertretung mit Blick auf ihren Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG insoweit vorrangig berücksichtigen durften oder ob die fraglichen Beschäftigungsmöglichkeiten nur nach einer Sozialauswahl mit den ebenfalls vom Wegfall ihrer Arbeitsplätze betroffenen Arbeitnehmern hätten vergeben werden dürfen(vgl. zum Erfordernis einer Auswahl entsprechend den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG, wenn zugleich mehrere Arbeitnehmer um eine geringere Anzahl von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten konkurrieren BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 147 = EzA KSchG § 2 Nr. 79). Auf die Frage, ob die fraglichen Beschäftigungsmöglichkeiten in derselben oder in einer anderen Dienststelle bestanden und ob der Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG ggf. auch die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung in einer anderen Dienststelle umfasst (vgl. zum Streitstand KR/Etzel 10. Aufl. § 15 KSchG Rn. 93) kommt es damit nicht an. Ebenso wenig ist von Bedeutung, ob der Kläger für den Fall, dass eine Auswahl nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG erforderlich gewesen wäre, sozial schutzwürdiger gewesen wäre.

46

c) Die Kündigung vom 25. November 2010 ist nicht deshalb sozial ungerechtfertigt, weil die im Werkstattbereich in Mö beschäftigten Kfz-Mechaniker in die Sozialauswahl hätten einbezogen werden müssen.

47

aa) Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung trotz Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse iSd. Abs. 2 sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine Schwerbehinderung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Der Arbeitgeber hat in die Sozialauswahl diejenigen Arbeitnehmer einzubeziehen, die miteinander vergleichbar sind. Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse sowie nach dem Inhalt der von ihnen vertraglich geschuldeten Aufgaben austauschbar sind (BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 19, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 85; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 41, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84).

48

bb) In die Sozialauswahl sind nur die Arbeitnehmer einzubeziehen, die derselben Dienststelle angehören (vgl. BAG 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 b der Gründe, ZTR 2001, 89).

49

(1) Das Kündigungsschutzgesetz ist grundsätzlich auf den Betrieb bezogen, die Sozialauswahl daher auf den Beschäftigungsbetrieb beschränkt (BAG 2. Juni 2005 - 2 AZR 158/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 115, 82; 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 b der Gründe, ZTR 2001, 89). Dem „Betrieb“ im Bereich der privaten Wirtschaft entspricht in der Regel die „Dienststelle“ im Bereich des öffentlichen Dienstes (vgl. BAG 22. September 2005 - 2 AZR 544/04 - zu B II 6 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 59 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 141; 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - aaO; Linck in v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 709 und § 23 Rn. 12). Dafür spricht ein Vergleich von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG mit der Formulierung in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG. Die organisatorische Einheit des Betriebs findet danach im Rahmen von § 1 KSchG ihre Entsprechung in der Dienststelle.

50

(2) Maßgeblich im Rahmen von § 1 KSchG ist grundsätzlich der personalvertretungsrechtliche Dienststellenbegriff(BAG 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 b der Gründe, ZTR 2001, 89; 23. April 1998 - 2 AZR 489/97 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 88, 287; 25. September 1956 - 3 AZR 102/54 - BAGE 3, 155, 157). Dafür spricht, dass mit dem Bundespersonalvertretungsgesetz 1974 die Regelung zur Weiterbeschäftigungspflicht wortgleich mit § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BPersVG in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG eingefügt worden ist. Da sich aus den Gesetzesmaterialien nichts anderes ergibt, ist davon auszugehen, dass der Begriff der „Dienststelle“ in beiden Regelungsbereichen die gleiche Bedeutung hat (vgl. KR/Bader 10. Aufl. § 23 KSchG Rn. 29).

51

(3) Gem. Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS iVm. Abs. 1 des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS(zuletzt geändert durch Änderungsabkommen vom 23. November 1994, BGBl. II S. 3710, 3712) sind bei den Stationierungsstreitkräften Dienststellen iSd. Personalvertretungsgesetzes die einzelnen Verwaltungsstellen und Betriebe einer Truppe und eines zivilen Gefolges nach näherer Bestimmung durch die betreffende Truppe selbst. Das Unterzeichnungsprotokoll zum ZA-NTS hat Gesetzesqualität. Für seinen Geltungsbereich ist es lex specialis. Auf die den Dienststellenbegriff nach § 6 BPersVG im Allgemeinen kennzeichnenden Merkmale kommt es demnach im Bereich der Stationierungsstreitkräfte nicht an. Dafür spricht auch, dass eine Bestimmung der Dienststellen nach den allgemeinen Maßstäben des § 6 BPersVG wegen der im militärischen Bereich zahlreichen Befehlsebenen nur bedingt möglich wäre. Der von § 6 BPersVG vorausgesetzte Dienststellenaufbau lässt sich auf die Entscheidungsbefugnisse im militärischen Bereich nicht ohne Weiteres übertragen(vgl. BAG 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 c aa der Gründe, ZTR 2001, 89).

52

(4) Auf die organisatorische Einheit der von der Truppe bestimmten Dienststelle ist auch im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG abzustellen. Die autonome Bestimmung der Dienststellen durch die Entsendestaaten mit Wirkung für das Personalvertretungsrecht ist völkerrechtlich vorgegeben. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass etwa deshalb kündigungsschutzrechtlich im Bereich der Stationierungsstreitkräfte ein vom personalvertretungsrechtlichen abweichender Dienststellenbegriff maßgeblich sein sollte.

53

cc) Danach war die Sozialauswahl nicht auf die im Werkstattbereich in Mö beschäftigten Kfz-Mechaniker zu erstrecken. Dieser Bereich gehörte nach dem Vorbringen der Beklagten nicht zu derselben Dienststelle wie die Kfz-Werkstatt in N. Eine abweichende Bestimmung der Dienststellen durch die britischen Streitkräfte hat der Kläger entgegen § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht dargelegt. Darauf, ob beide Dienststellen denselben Leiter hatten, kommt es ebenso wenig an wie darauf, von wo die arbeitsrechtlichen Weisungen erteilt und in welchem Ausmaß Beschäftigte wechselseitig eingesetzt wurden. Anhaltspunkte für eine willkürliche, etwa zwecks Umgehung der Sozialauswahl beliebig wechselnde Bestimmung der Dienststellen durch die britischen Streitkräfte hat der Kläger nicht vorgetragen.

54

III. Die Kündigung ist nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung der Betriebsvertretung unwirksam.

55

1. Im Bereich des durch das ZA-NTS modifizierten Mitwirkungsverfahrens nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz gelten die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats iSd. § 102 BetrVG entsprechend(BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 51, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 148). In Bezug auf anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten reicht es damit aus, dass der Betriebsvertretung mitgeteilt wird, dass solche Möglichkeiten für den Arbeitnehmer nicht bestünden (vgl. BAG 21. September 2000 - 2 AZR 385/99 - zu B IV 2 c der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 111 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 107).

56

2. Danach ist die örtliche Betriebsvertretung mit Schreiben der Dienststellenleitung vom 8. November 2010 in entsprechender Anwendung von § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG ordnungsgemäß angehört worden. Der Leiter der Dienststelle hat die Betriebsvertretung über die persönlichen Daten des Klägers, die Art der beabsichtigten Kündigung und den Kündigungsgrund informiert. Vom Eintrittsdatum des Klägers hatte die Betriebsvertretung bereits Kenntnis. Eine Mitteilung über die Unterhaltspflichten des Klägers war entbehrlich, weil aus Sicht der britischen Streitkräfte eine Sozialauswahl nicht erforderlich war. Durch die Angabe des Termins, zu dem die Kündigung wirksam werden sollte, war für die Betriebsvertretung ersichtlich, dass selbst die längste tarifvertragliche Kündigungsfrist gewahrt würde. Es bedurfte entgegen der Auffassung des Klägers auch keiner besonderen Hinweise zum Unterbringungsanspruch nach § 4 SchutzTV. Unabhängig davon, ob der SchutzTV auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung fand, ergaben sich mit Blick auf diesen keine Besonderheiten, die über den gesetzlichen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG hinausgingen.

57

IV. Die Kündigung vom 25. November 2010 hat das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2011 beendet.

58

1. Die Kündigungsfrist des im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen § 44 Ziff. 1 b TV AL II von sechs Monaten zum Monatsende ist gewahrt.

59

2. Eine längere Kündigungsfrist war nicht vereinbart.

60

a) Eine solche Vereinbarung ergibt sich nicht aus dem Schreiben der obersten Dienstbehörde der britischen Stationierungsstreitkräfte an die Hauptbetriebsvertretung vom 4. August 2010. Darin haben die Streitkräfte lediglich versichert, sie würden versuchen, eine zwölfmonatige Kündigungsfrist einzuhalten. Eine Garantie könnten sie nicht geben.

61

b) Die Streitkräfte waren nicht aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zur Wahrung einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist verpflichtet.

62

aa) Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleichzubehandeln. Damit verbietet er eine sachfremde Gruppenbildung und die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn die Regelung also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise als willkürlich anzusehen ist (BAG 27. Juni 2012 - 5 AZR 317/11 - Rn. 17, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 148; 21. Oktober 2009 - 10 AZR 664/08 - Rn. 24, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 21).

63

bb) Der Kläger wurde in Bezug auf den Beendigungstermin nicht anders als die übrigen Arbeitnehmer behandelt. Auch deren Arbeitsverhältnisse kündigten die britischen Streitkräfte zum 30. September 2011. Dies entsprach dem Termin, zu dem die Schließung der Werkstatt erfolgen sollte und damit die Arbeitsplätze der dort beschäftigten Kfz-Mechaniker wegfielen. Soweit die Zeitspannen zwischen Kündigungszugang und Beendigungstermin am 30. September 2011 verschieden lang waren, ist diese Ungleichbehandlung durch den allen Kündigungen gleichermaßen zugrunde liegenden Umstand, dass zu diesem Zeitpunkt die Schließung der Werkstatt in N geplant war, sachlich gerechtfertigt.

64

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    F. Löllgen    

        

    Bartz    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Dezember 2010 - 11 Sa 649/10 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Beklagte zur Zahlung von 16.854,00 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt hat.

2. Die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 24. März 2010 - 1 Ca 2392/09 - wird als unzulässig verworfen.

3. Die weitergehende Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

4. Die Kosten der Berufungsinstanz haben der Kläger zu 1/6, die Beklagte zu 5/6 und die Kosten der Revision haben der Kläger zu 1/5, die Beklagte zu 4/5 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, auf betriebsbedingte Gründe gestützten Kündigung und damit in Zusammenhang stehende Ansprüche.

2

Die Beklagte ist ein Tochterunternehmen eines amerikanischen Konzerns. Sie hat in Deutschland drei Produktionsstätten. In ihrem Werk O beschäftigte sie regelmäßig etwa 85 Arbeitnehmer.

3

Der im August 1954 geborene Kläger ist promovierter Chemiker und seit April 1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Seit Dezember 2006 ist er als „Betriebsleiter GUR“ Leiter der Kunststoffgranulat-Produktion in O. Anfang Februar 2007 wurde ihm zusätzlich die Leitung des gesamten Standorts übertragen. Laut § 1 des im Juni/Juli 2004 geschlossenen Anstellungsvertrags sieht ihn die Beklagte als leitenden Angestellten iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG an. Seine Vergütung richtete sich nach einem unternehmensweit angewandten „Vertragsstufensystem für leitende Angestellte“. Danach bezog er ein Bruttomonatsgehalt von etwa 9.860,00 Euro, das sich aus einem Fixum und Bonuszahlungen zusammensetzte.

4

Im August 2009 stellte die Beklagte den Kläger unter Berufung auf anstehende seinen Arbeitsplatz betreffende Veränderungen von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 24. September 2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. April 2010, „vorsorglich ... zum zulässigen Termin“. Der „vorsorglich“ zur Kündigung angehörte Betriebsrat des Werks O hatte der Kündigung mit der Begründung widersprochen, die Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger seien nicht weggefallen.

5

Der Kläger hat gegen die Kündigung rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung liege nicht vor. Sein Arbeitsplatz sei bei im Wesentlichen gleich gebliebenen Aufgaben lediglich neu besetzt worden. Eine Verlagerung bisher durch ihn erledigter Aufgaben auf andere in O beschäftigte Arbeitnehmer sei nicht ohne deren überobligatorische Inanspruchnahme möglich gewesen. Auch habe die Möglichkeit bestanden, ihn auf dem frei gewordenen Arbeitsplatz des „Forschungsleiters“ weiter zu beschäftigen.

6

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24. September 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen;

        

3.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein wohlwollendes Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt;

        

4.    

für den Fall der Abweisung des Antrags zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein „endgültiges“ wohlwollendes Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, im September 2009 sei auf Konzernebene die - anschließend durch ihren Geschäftsführer umgesetzte - unternehmerische Entscheidung getroffen worden, Produktionsstandorte zusammenzulegen sowie Funktionen und Zuständigkeiten zu bündeln. In diesem Zusammenhang sei die globale Verantwortlichkeit für die Prozessentwicklung und das Qualitätsmanagement in O angesiedelt worden. An diese Funktion habe sie die Hälfte der bisher vom Kläger wahrgenommenen Leitungsaufgaben „angekoppelt“; die Stelle habe sie mit Frau K besetzt, die zuvor Geschäftsführerin eines anderen Konzernunternehmens gewesen sei. Die andere Hälfte der Tätigkeiten habe sie auf insgesamt sieben, dem Kläger bisher nachgeordnete Arbeitnehmer verteilt, die auch in der Lage seien, das zusätzliche Pensum zu bewältigen. Der Kläger sei fachlich nicht in der Lage, die neu zugeschnittene Leitungsstelle auszufüllen. Er verfüge, anders als Frau K, die neben ihrem Chemie- ein Ingenieurstudium absolviert habe, nicht über die erforderlichen Kenntnisse und die notwendige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Prozessentwicklung und des Qualitätsmanagements. Außerdem sei die Stelle mit einem Aufgaben- und Kompetenzzuwachs verbunden, der sich in veränderten Berichtspflichten unmittelbar gegenüber dem Management der Beklagten und der Zuordnung des Arbeitsplatzes zu einem höheren „Gehaltslevel“ ausdrücke. Zur Weiterbeschäftigung des Klägers auf einer solchen „Beförderungsstelle“ sei sie nicht verpflichtet.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz zusätzlich beantragt, an ihn 16.854,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten aus jeweils 8.427,00 Euro brutto seit dem 1. November 2010 und seit dem 1. Dezember 2010 zu zahlen. Er hat die Auffassung vertreten, das damit geforderte Gehalt für die Monate Oktober und November 2010 stehe ihm unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu. Die Beklagte hat gerügt, die Klageerweiterung sei unzulässig. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und diese zur Gehaltszahlung in beantragter Höhe verurteilt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage - ausgenommen den Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses - abzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist begründet, soweit die Beklagte ihre Verurteilung zur Zahlung von Vergütung für die Monate Oktober und November 2010 angreift (I.). Im Übrigen bleibt die Revision ohne Erfolg. Die Kündigung vom 24. September 2009 ist unwirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst (II.). Die (Hilfs-)Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung und auf Erteilung eines Endzeugnisses sind dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen (III.).

10

I. Mit Erfolg wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Gehaltszahlung, die der Kläger erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemacht hat. Die Revision ist insoweit aus prozessualen Gründen erfolgreich. Bei der Klageerweiterung handelt es sich um eine nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG verspätete und deshalb unzulässige Anschlussberufung. Das hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BGH 24. Oktober 2007 - IV ZR 12/07 - Rn. 7, MDR 2008, 159).

11

1. Dem Kläger stand für eine Erweiterung der Klage im Berufungsrechtszug nur der Weg der Anschlussberufung zur Verfügung. Als solche ist sein Zahlungsbegehren deshalb zu behandeln; einer ausdrücklichen Bezeichnung als Anschlussberufung bedarf es dazu nicht (BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 282/09 - Rn. 20, EzA BetrAVG § 16 Nr. 59; 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 42, BAGE 118, 211). Es genügt, dass schriftsätzlich klar und deutlich der Wille zum Ausdruck gebracht wird, eine Änderung des vorinstanzlichen Urteils auch als Rechtsmittelbeklagter zu erreichen. Dazu reicht es, dass der Rechtsmittelbeklagte die Klage - wie im Streitfall mit Schriftsatz vom 19. November 2010 geschehen - erweitert. Einer Beschwer bedarf es für die Anschlussberufung grundsätzlich nicht (vgl. BAG 10. Februar 2009 - 3 AZR 728/07 - Rn. 11, AE 2009, 331).

12

2. Nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG ist eine Anschlussberufung zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren wird zwar - anders als nach § 521 Abs. 2 Satz 1 ZPO - dem Berufungsbeklagten vom Gericht keine Frist zur Berufungserwiderung „gesetzt“; vielmehr gilt für die Berufungsbeantwortung die durch § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG bestimmte gesetzliche Frist von einem Monat. Gleichwohl ist § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG im Berufungsverfahren vor den Landesarbeitsgerichten entsprechend anwendbar. Eine Anschlussberufung, die nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründung - bei Verlängerung der Berufungsbeantwortungsfrist nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG innerhalb der dann geltenden Frist(vgl. GK-ArbGG/Vossen Stand April 2012 § 64 Rn. 105; GMP/Germelmann ArbGG 7. Aufl. § 64 Rn. 106) - eingeht, ist entsprechend § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen(BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 45, BAGE 118, 211).

13

3. Danach war die Anschlussberufung des Klägers verspätet.

14

a) Der betreffende Schriftsatz ist am 22. November 2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war seit der am 26. Juli 2010 bewirkten Zustellung der Berufungsbegründung weit mehr als ein Monat vergangen. Die Frist zur Berufungsbeantwortung war nicht verlängert worden. Ein Fall des § 524 Abs. 2 Satz 3 ZPO liegt nicht vor.

15

b) Die Frist zur Berufungsbeantwortung ist ordnungsgemäß in Lauf gesetzt worden. Insbesondere ist der nach § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG gebotene Hinweis erfolgt. Dies konnte der Senat selbst im Wege des Freibeweises klären (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 7 AZR 211/09 - Rn. 17, NZA 2012, 691).

16

aa) Die Verwerfung der Anschlussberufung wegen Fristversäumnis setzt voraus, dass der Berufungsgegner mit der Zustellung der Berufungsbegründung gemäß § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG auf die gesetzliche Verpflichtung hingewiesen wurde, die Berufung binnen eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründung zu beantworten. Fehlt es an einem solchen Hinweis, wird weder die Frist zur Berufungsbeantwortung noch die zur Einlegung der Anschlussberufung in Lauf gesetzt (BA G 30. Mai 2006 - 1 AZR 111/05 - Rn. 45, BAGE 118, 211).

17

bb) Der Klägervertreter hat mit Empfangsbekenntnis vom 26. Juli 2010 den Erhalt der Berufungsbegründung bestätigt. Laut Empfangsbekenntnis ist ihm neben der Berufungsbegründung ein „Hinweis gemäß § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG“ zugestellt worden. Dies bezieht sich auf ein zugleich übermitteltes, vom Kläger in Kopie zur Senatsakte gereichtes gerichtliches Begleitschreiben vom 16. Juli 2010, das - auszugsweise - wie folgt lautet:

        

„Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetzmuss die Berufung innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung anliegender Berufungsbegründung b e a n t w o r t e t werden.

                 
        

Werden Angriffs- oder Verteidigungsmittel in der Berufungsbeantwortung nicht rechtzeitig vorgebracht, so lässt sie das Gericht nur zu, wenn nach seiner freien Überzeugung ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder die Verspätung genügend entschuldigt wird.“

18

cc) Dieser Hinweis war mit Blick auf die Anschlussberufung ausreichend. Insoweit geht es vor allem um die Klarstellung, zu welchem Zeitpunkt die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG in Gang gesetzt worden ist. Über die Möglichkeit der Anschließung als solche braucht hingegen nicht belehrt zu werden. Ob das gerichtliche Schreiben eine hinreichende Belehrung über die Präklusionsvorschrift des § 67 ArbGG und mögliche Folgen aus einer Versäumung der Beantwortungsfrist enthält, kann offenbleiben. Auf die Präklusionsregelung kommt es für die Frage, ob die Anschlussberufung frist- und formgerecht erhoben worden ist, nicht an. Überdies handelt es sich bei der Klageerweiterung als solche nicht um ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel iSv. § 67 ArbGG, sondern um den Angriff selbst(BAG 11. April 2006 - 9 AZN 892/05 - Rn. 12, BAGE 117, 370).

19

dd) Den Akten ist nicht zu entnehmen, ob das gerichtliche Schreiben vom 16. Juli 2010 oder auch nur die Verfügung, mit der die Zustellung der Berufungsbegründung „mit Belehrung über die Frist gem. § 66 I 3 ArbGG“ veranlasst worden ist, vom Vorsitzenden der Kammer unterzeichnet war. Das ist unschädlich. Der Hinweis hat von Gesetzes wegen „mit der Zustellung der Berufungsbegründung“ zu erfolgen (§ 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG). Ein Tätigwerden des Gerichts bzw. seines Vorsitzenden in jedem Einzelfall ist damit nicht verlangt. Es reicht, dass der Hinweis auf allgemeine Anordnung hin durch die Geschäftsstelle erfolgt. Dieser obliegt ohnehin die Ausführung der Zustellung (§ 168 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zudem besteht hinsichtlich der Erteilung des Hinweises kein Ermessensspielraum; die Regelung des § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG ist zwingend. Die Anschlussberufung war damit als unzulässig zu verwerfen.

20

II. Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Feststellungsantrag richtet. Diesem hat das Landesarbeitsgericht zu Recht stattgegeben. Die Kündigungsschutzklage ist begründet. Die ordentliche Kündigung vom 24. September 2009 ist sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt.

21

1. Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Innerbetriebliche Gründe liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 17, NZA 2012, 852; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 13, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165). Nachzuprüfen ist aber, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - aaO).

22

2. Allerdings kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. Da die Kündigung nach dem Gesetz an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165; 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 92, 61). Daran fehlt es, wenn die Kündigung zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals führte (vgl. Rost Jahrbuch des Arbeitsrechts Bd. 39 S. 83) oder die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung lediglich Vorwand dafür wäre, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 18, NZA 2012, 852; 22. Mai 2003 - 2 AZR 326/02 - zu B I 3 d (1) der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126).

23

Läuft die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes hinaus verbunden mit einer Umverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, muss der Arbeitgeber konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Nur so kann geprüft werden, ob die Entscheidung den dargestellten Voraussetzungen genügt. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, dh. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 18, NZA 2012, 852; 13. Februar 2008 - 2 AZR 1041/06 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 174 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 158).

24

3. Zu den nur auf Willkür zu überprüfenden Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers zählt die Festlegung des Anforderungsprofils einer Stelle. Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, ist grundsätzlich hinzunehmen (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 19, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17). Schafft der Arbeitgeber neu zugeschnittene Arbeitsplätze, ist dies jedenfalls dann zu respektieren, wenn die Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation der auszuführenden Arbeiten haben (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - Rn. 32 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138).

25

a) Erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast sind dabei mit Blick auf § 1 Abs. 2 KSchG dann zu stellen, wenn der Arbeitgeber das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze ändert, die bereits mit langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind. Der Arbeitgeber kann nicht unter Berufung auf eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung den Kündigungsschutz des betreffenden Arbeitnehmers dadurch umgehen, dass er in sachlich nicht gebotener Weise die Anforderungen an die Kenntnisse des Arbeitsplatzinhabers verschärft (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138).

26

b) Der Arbeitgeber muss deshalb, will er dem Vorwurf des Missbrauchs entgehen, dartun, dass es sich bei der zusätzlich geforderten Qualifikation für die Ausführung der Tätigkeit nicht nur um eine „wünschenswerte Voraussetzung”, sondern um ein sachlich gebotenes, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für das Stellenprofil handelt (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 24. Juni 2004 - 2 AZR 326/03 - zu B II 2 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 76 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 132). Die Änderung des Anforderungsprofils muss im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers stehen, die nach ihrer Durchführung angesichts eines veränderten Beschäftigungsbedarfs - etwa aufgrund von Änderungen des Arbeitsvolumens oder des Inhalts der Tätigkeit - auch die Anforderungen an den Arbeitsplatzinhaber erfasst (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 31, aaO). Gestaltet der Arbeitgeber lediglich Arbeitsabläufe um, ohne dass sich die Tätigkeit inhaltlich ändert, und ist der bisherige Stelleninhaber aufgrund seiner Fähigkeiten und Ausbildung in der Lage, die künftig anfallenden Arbeiten zu verrichten, so ist eine auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung selbst dann nicht sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber die Änderungen zum Anlass nimmt, die Stelle in eine „Beförderungsstelle“ umzuwandeln (ähnlich BAG 10. November 1994 - 2 AZR 242/94 - zu B I 2 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 77). Das gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber die auf dem Arbeitsplatz bislang zu verrichtende Tätigkeit um zusätzliche Aufgaben erweitert, der dadurch veränderte Arbeitsplatz aber nach Bedeutung und Verantwortung nicht um so viel anspruchsvoller ist, dass insgesamt ein anderer Arbeitsbereich entstanden wäre (BAG 30. August 1995 - 1 ABR 11/95 - zu A II 3 b bb der Gründe, AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 130).

27

4. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht an die Darlegungslast der Beklagten zu Recht erhöhte Anforderungen gestellt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich die behauptete Umstrukturierung als Umgestaltung des bisherigen Arbeitsplatzes des Klägers oder als Abbau dieser Stelle bei gleichzeitiger Einrichtung eines neuen, als Beförderungsstelle zu qualifizierenden Arbeitsplatzes darstellt. In beiden Fällen liegt die Organisationsentscheidung nahe am Kündigungsentschluss. Hinzu kommt, dass nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten die bisherigen Aufgaben des Klägers weiterhin anfallen. Die Beklagte musste deshalb zum einen aufzeigen, dass durch die behauptete Bündelung von Funktionen und Zuständigkeiten auf der Leitungsebene tatsächlich ein anderer Arbeitsbereich entstanden ist. Zum anderen war sie gehalten, ihren Entschluss zur Umverteilung der anfallenden Tätigkeiten hinsichtlich seiner Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit durch konkreten Tatsachenvortrag zu verdeutlichen.

28

5. Dem wird das Vorbringen der Beklagten nicht gerecht. Sie hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt war, die Hälfte der bisherigen Arbeitsaufgaben des Klägers könnten von dem ihm bislang nachgeordneten Personal im Rahmen regulärer zeitlicher Verpflichtungen erledigt werden. Bereits dies führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.

29

a) Die Beklagte hat durchaus im Einzelnen vorgetragen, welche konkreten Aufgaben aus den Bereichen „Betriebsleitung GUR“ und „Standortleitung“ in welchem zeitlichen Umfang künftig durch Frau K und weitere sieben namentlich benannte Arbeitnehmer übernommen werden sollten. Sie hat es aber versäumt schlüssig darzutun, dass die fraglichen sieben Personen über hinreichend freie Arbeitszeitkapazität verfügten, um das zusätzliche Pensum von täglich bis zu einer Stunde ohne überobligationsmäßige Leistungen zu bewältigen. Sie hat dies lediglich pauschal behauptet ohne aufzuzeigen, worauf sich ihre Einschätzung stützt. Spätestens nachdem der Kläger die mangelnde Schlüssigkeit ihres Vorbringens beanstandet und sich beispielhaft unter Angabe von Beginn und Ende täglicher Arbeitszeiten darauf berufen hatte, zwei der betroffenen Mitarbeiter seien bereits in der Zeit vor seiner Freistellung voll ausgelastet gewesen, hätte die Beklagte ihren Vortrag im Rahmen der abgestuften Darlegungslast substantiieren müssen. Das ist nicht geschehen. Sie hat nur ihren nicht weiter einlassungsfähigen Vortrag wiederholt, einer der Genannten sei „genau wie alle anderen Mitarbeiter in der Lage, die ihm übertragenen Aufgaben ohne überobligatorische Verpflichtung zu übernehmen“, die Arbeitszeit eines anderen werde vom Kläger unzutreffend dargestellt. Stattdessen hätte sie, um ihrer Vortragslast zu genügen, die zutreffenden Arbeitszeiten der fraglichen Mitarbeiter nebst der Möglichkeit, „freie“ Kapazitäten für die Übertragung weiterer Arbeiten zu nutzen, darstellen müssen.

30

b) Eine Konkretisierung ihres Vorbringens war auch dann nicht entbehrlich, wenn es sich - wie die Beklagte geltend macht - bei den fraglichen Arbeitnehmern um „leitende Angestellte“ oder zumindest außertariflich vergütete Arbeitnehmer handeln sollte. Aus beidem folgt nicht, dass mit diesen keine vertraglichen Vereinbarungen hinsichtlich des Umfangs der zu leistenden Arbeitszeit bestanden. Im Übrigen unterliegen auch sog. AT-Mitarbeiter den Grenzen des Arbeitszeitgesetzes und nimmt nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG nur leitende Angestellte iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG aus seinem Anwendungsbereich aus(vgl. BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - zu B II 2 b aa der Gründe, BAGE 106, 111). Inwieweit diese Voraussetzungen bei einzelnen Arbeitnehmern erfüllt sind, ist dem Vorbringen der Beklagten nicht zu entnehmen.

31

c) In welcher Weise ein Arbeitgeber darlegt, dass die Umverteilung von Arbeitsaufgaben nicht zu einer überobligatorischen Beanspruchung im Betrieb verbliebener Arbeitnehmer führt, bleibt ihm überlassen. Handelt es sich um nicht taktgebundene Arbeiten, muss nicht in jedem Fall und minutiös dargelegt werden, welche einzelnen Tätigkeiten die fraglichen Mitarbeiter künftig mit welchen Zeitanteilen täglich zu verrichten haben. Es kann ausreichend sein, wenn der Arbeitgeber die getroffenen Vereinbarungen zu Umfang und Verteilung der Arbeitszeit darstellt und Anhaltspunkte dafür darlegt, dass Freiräume für die Übernahme zusätzlicher Aufgaben vorhanden sind. Im Streitfall hat die Beklagte auch dies unterlassen. Soweit das Landesarbeitsgericht noch strengere Anforderungen an ihr Vorbringen gestellt hat, wirkt sich dies im Ergebnis nicht aus.

32

d) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe sie auf die Mängel in ihrem Vortrag hinweisen müssen, ist unberechtigt.

33

aa) Ein Verstoß gegen die richterliche Hinweispflicht (§ 139 ZPO) liegt schon deshalb nicht vor, weil die Beklagte darauf durch die erstinstanzliche Entscheidung und die Ausführungen der Gegenseite aufmerksam gemacht wurde (vgl. BGH 23. April 2009 - IX ZR 95/06 - Rn. 6 mwN, NJW-RR 2010, 70). Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte sei ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen. Sie habe es ua. versäumt deutlich zu machen, in welchem Umfang die anderen Mitarbeiter, auf die nunmehr neue Aufgaben zukämen, bisher ausgelastet gewesen seien und warum sie in der Lage sein sollten, die neuen Arbeitsaufgaben ohne überobligatorischen Aufwand zu bewältigen. Dies hat der Kläger aufgegriffen und geltend gemacht, das Vorbringen der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung sei „immer noch“ unsubstantiiert. Überdies stützen sich die Entscheidungen der Vorinstanzen insoweit auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Beklagte war daher auch ohne richterlichen Hinweis gehalten, deutlich konkreter vorzutragen.

34

bb) Ob der im Rahmen der Revision nachgeholte Vortrag den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung entspricht, kann dahinstehen. Allerdings handelt es sich bei der Vereinbarung einer „Vertrauensarbeitszeit“, auf die die Beklagte hinsichtlich einzelner Arbeitnehmer verweist, typischerweise um ein Arbeitszeitmodell, bei dem der Arbeitgeber lediglich auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verzichtet und darauf vertraut, dass die Arbeitnehmer ihre Arbeitsverpflichtung auch ohne Kontrolle erfüllen (vgl. BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 13/02 - Rn. 65, BAGE 106, 111; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 160 Rn. 33). Aus der Vereinbarung einer „Vertrauensarbeitszeit“ folgt dagegen nicht, dass es an arbeits- oder tarifvertraglichen Vorgaben zur wöchentlichen Arbeitszeit fehlt und die Beklagte über die tatsächlich erbrachte Arbeitszeit hinaus Arbeitsleistungen im Umfang von bis zu einer Stunde täglich verlangen konnte.

35

e) Dringende betriebliche Erfordernisse, die die Kündigung bedingen, hat die Beklagte damit nicht dargelegt. Unerheblich ist, dass das in Rede stehende zu verteilende Arbeitsvolumen - ausgehend vom Vorbringen der Beklagten - lediglich 50 Prozent der bislang dem Kläger zugewiesenen Arbeitsaufgaben umfasst. Auch wenn die Übertragung der anderen 50 Prozent auf Frau K kündigungsrechtlich nicht zu beanstanden sein sollte, hätte die Beklagte dem Kläger zumindest eine Weiterbeschäftigung im entsprechend reduzierten Umfang anbieten müssen. Dafür, dass ein solches Angebot wegen „Unannehmbarkeit“ hätte unterbleiben können (vgl. dazu BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 656/08 - Rn. 57, BAGE 133, 226; 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 130 = EzA KSchG § 2 Nr. 62), fehlt es an Anhaltspunkten. Im Übrigen kann der Vortrag der Beklagten so verstanden werden, dass ihre gesamte Organisationsentscheidung mit der Möglichkeit der Umverteilung von Aufgaben auf nachgeordnete Mitarbeiter „steht und fällt“.

36

III. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag ist dem Senat nicht angefallen. Der Kündigungsrechtsstreit ist rechtskräftig entschieden. Der Antrag auf Erteilung eines Endzeugnisses ist nur für den Fall des Unterliegens mit dem Feststellungsantrag gestellt. Diese Bedingung ist nicht eingetreten.

37

IV. Die Kosten der Berufungsinstanz und der Revision waren im Verhältnis von jeweiligem Obsiegen und Unterliegen der Parteien zu teilen (§ 97 Abs. 1 iVm. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Berger    

        

        

        

    Gans    

        

    F. Löllgen    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 25. April 2012 - 2 Sa 13/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Bauunternehmen. Sie erbringt auf dem Gelände der A GmbH verschiedene Dienstleistungen wie Baggertätigkeiten im Hochofenbereich, Zerschlagung von Roheisen und Materialtransporte. Dort beschäftigte sie seit März 1987 den Kläger, zuletzt als Vorarbeiter. Außerhalb des betreffenden Werksgeländes ist die Beklagte im Straßen- und Tiefbau tätig. Insgesamt beschäftigt sie weit mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Am 15. Februar 2010 stellte der Werkschutz der A-GmbH fest, dass der Kläger bei Verlassen des Werksgeländes in seinem Fahrzeug vier mit Streusalz gefüllte Eimer mitführte, die der A-GmbH gehörten. Drei Tage später entzog die A-GmbH dem Kläger den Werksausweis. Ab dem 26. Februar 2010 verbot sie ihm den Zutritt zu ihrem Gelände. Am 4. März 2010 übersandte die Beklagte ihr kommentarlos eine Stellungnahme des Klägers zu den Vorgängen. Danach sei er von einem Kollegen gebeten worden, Streusalz zu dessen Arbeitsplatz zu bringen. Wegen anderer Vorgänge habe er das Material, das er für den Transport in sein Fahrzeug geladen habe, vor dem Verlassen des Werksgeländes schlicht vergessen.

4

Am 9. März 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos. Der hierüber geführte Kündigungsrechtsstreit ist durch Teilurteil des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig zugunsten des Klägers abgeschlossen.

5

Mit Schreiben vom 26. Mai 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis - nach vorheriger Anhörung des Betriebsrats - ordentlich zum 31. Dezember 2010.

6

Gegen diese Kündigung hat der Kläger - fristgerecht - die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei weder aufgrund des Vorfalls vom 15. Februar 2010 als solchem, noch mit Blick auf den Entzug des Werksausweises oder das ihm erteilte Zutrittsverbot zum Werksgelände der A-GmbH gerechtfertigt. Als gelernten Maurer und Fliesenleger habe die Beklagte ihn auch im Straßen- und Tiefbau, insbesondere bei Kanalbautätigkeiten, einsetzen können. In diesem Bereich seien bei Zugang der Kündigung Arbeitsplätze frei gewesen. So sei etwa ein Mitarbeiter, welcher ursprünglich für den Bereich Straßen- und Tiefbau eingestellt worden sei, am 1. Mai 2010 „zu A gewechselt“.

7

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Mai 2010 nicht aufgelöst worden ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei ihr nicht zumutbar. Er sei des Diebstahls dringend verdächtig und aufgrund der fehlenden Zutrittsberechtigung zum Werksgelände nicht mehr in der Lage, seine vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Außerdem habe der Kläger - was ihr erst im Verlauf des Rechtsstreits bekannt geworden sei - durch eine Aufzeichnung überhöhter Arbeitszeiten einen Arbeitszeitbetrug zu ihren Lasten begangen. Im Bereich Straßen- und Tiefbau sei kein freier Arbeitsplatz vorhanden gewesen. In der fraglichen Zeit seien nicht einmal ihre dort eingesetzten Stammarbeitskräfte voll ausgelastet gewesen. Von Oktober 2009 bis Juli 2010 sei für diese Kurzarbeit angeordnet worden.

9

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung vom 26. Mai 2010 zu Recht als sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG angesehen.

11

I. Die Kündigung ist nicht durch Gründe im Verhalten des Klägers iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt.

12

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Kläger könne - mangels hinreichender Indiztatsachen - weder der Versuch eines Diebstahls zum Nachteil eines Kunden der Beklagten, noch ein entsprechender dringender Tatverdacht zur Last gelegt werden. Ebenso wenig sei von einem Arbeitszeitbetrug zu Lasten der Beklagten auszugehen. Es fehle an der gebotenen Darlegung, dass der Kläger mit seiner Stundenaufstellung entgegen bestehenden Vorgaben Arbeitsstunden aufgeschrieben habe, für die ein Anspruch auf Bezahlung nicht bestanden habe. Soweit er durch die Mitnahme des Streusalzes seine Vertragspflichten fahrlässig verletzt habe, erreiche die darin liegende Pflichtverletzung nicht das erforderliche Gewicht, um eine ordentliche Kündigung, zumal ohne vorausgehende Abmahnung, zu rechtfertigen.

13

2. Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Die Beklagte erhebt diesbezüglich auch keine Rügen.

14

II. Die Kündigung ist nicht durch Gründe in der Person des Klägers oder durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, welchem dieser beiden rechtlichen Gesichtspunkte der in Rede stehende Kündigungssachverhalt zuzuordnen ist. Ebenso kann dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen ein durch einen Kunden des Arbeitgebers ausgesprochenes Zutritts-/Hausverbot die Annahme rechtfertigt, der Arbeitnehmer sei in dem bisherigen Arbeitsbereich nicht mehr einsetzbar. In keinem Fall ist die Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn außerhalb des mit dem Zutritts-/Hausverbot belegten Bereichs ein freier Arbeitsplatz vorhanden ist, auf dem der Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werden kann. Von einer solchen Möglichkeit ist das Landesarbeitsgericht im Streitfall rechtsfehlerfrei ausgegangen. Offenbleiben kann deshalb auch, welche Anstrengungen der Arbeitgeber zur Ermöglichung einer Weiterbeschäftigung zu unternehmen hat, wenn ein freier Arbeitsplatz nicht zur Verfügung steht (zur Verpflichtung des Arbeitgebers, Arbeitnehmer im Rahmen zumutbarer organisatorischer Änderungen umzusetzen vgl. BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 48, BAGE 137, 164).

15

1. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG ist die Kündigung dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Auf diese Weise wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Kündigungsrecht normativ konkretisiert (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 29; 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - Rn. 20). Die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist deshalb auch ohne Widerspruch des Betriebsrats im Rahmen der Generalklausel des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG zu berücksichtigen(BAG 21. September 2000 - 2 AZR 385/99 - zu B IV 2 a der Gründe; 17. Mai 1984 - 2 AZR 109/83 - zu C III 3 der Gründe, BAGE 46, 191). Entsprechendes gilt, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder zu geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist (§ 1 Abs. 2 Satz 3 KSchG).

16

2. Die Weiterbeschäftigung muss sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich sein.

17

a) Dies setzt zunächst voraus, dass ein freier Arbeitsplatz zu vergleichbaren (gleichwertigen) oder zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist. Als „frei“ sind grundsätzlich nur solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 29; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 24, BAGE 140, 169). Dem steht es gleich, wenn ein Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei wird (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - aaO; 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 24).

18

b) Der anderweitige - freie - Arbeitsplatz muss für den Arbeitnehmer geeignet sein. Das setzt voraus, dass der Arbeitnehmer - ggf. unter Berücksichtigung angemessener Einarbeitungs-, Fortbildungs- oder Umschulungszeiten - den Anforderungen des neuen Arbeitsplatzes entsprechen kann. Dabei unterliegt die Gestaltung des Anforderungsprofils grundsätzlich der nur auf offenbare Unsachlichkeit zu überprüfenden unternehmerischen Disposition des Arbeitgebers (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 24; 5. Juni 2008 - 2 AZR 107/07 - Rn. 17).

19

3. Für das Fehlen einer anderweitigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist gem. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Dabei gilt eine abgestufte Darlegungslast. Bestreitet der Arbeitnehmer lediglich den Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes, genügt der Vortrag des Arbeitgebers, wegen der betrieblichen Notwendigkeiten sei eine Weiterbeschäftigung zu den gleichen Bedingungen nicht möglich. Macht der Arbeitnehmer geltend, es sei eine Beschäftigung an anderer Stelle möglich, obliegt es ihm darzulegen, wie er sich seine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Erst daraufhin muss der Arbeitgeber eingehend erläutern, aus welchen Gründen eine solche Beschäftigung nicht möglich war (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 552/11 - Rn. 30; 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - Rn. 28).

20

4. Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe den Kläger auf einem anderen Arbeitsplatz iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b, Satz 3 KSchG beschäftigen können, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

21

a) Der Kläger hat - seiner sekundären Darlegungslast entsprechend - geltend gemacht, er habe ua. auf dem Arbeitsplatz des zur A-GmbH gewechselten Kollegen als Bagger- und Maschinenführer eingesetzt werden können. Der Vortrag enthält entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur die Behauptung, er - der Kläger - sei aufgrund seiner Qualifikation in der Lage, den Arbeitsplatz des Kollegen auszufüllen. Der Kläger hat vielmehr zugleich konkludent vorgetragen, der betreffende Arbeitsplatz sei durch den Tätigkeitswechsel des Kollegen absehbar frei geworden.

22

b) Danach war es wiederum Sache der Beklagten, darzulegen und zu beweisen, dass eine geeignete Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger nicht bestand. Dies ist ihr - wie das Landesarbeitsgericht nach Beweisaufnahme zutreffend erkannt hat - nicht gelungen.

23

aa) Eine vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommene Beweiswürdigung unterliegt nur der eingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht. Es ist lediglich zu prüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO beachtet hat. Revisionsrechtlich von Bedeutung ist nur, ob seine Würdigung in sich widerspruchsfrei und ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt und ob sie rechtlich möglich ist (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 28; 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 51).

24

bb) Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat den gesamten Inhalt der Verhandlung berücksichtigt und die erhobenen Beweise erwogen. Seine Annahme, es sei nicht erkennbar, dass entweder ein dauerhafter Einsatz des fraglichen Kollegen bei der A-GmbH im Jahr 2010 nicht vorgesehen gewesen sei oder dieser Mitarbeiter nicht habe ersetzt werden müssen, hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Bewertungsspielraums.

25

(1) Zwar hat die Beweisaufnahme ergeben, dass der fragliche Mitarbeiter - anders als vom Kläger behauptet - ursprünglich für den Betriebsbereich bei der A-GmbH eingestellt worden war. Von Dezember 2008 bis April 2011 wurde er jedoch - mit Ausnahme vereinzelter Einsätze bei der A-GmbH - im Bereich Straßen- und Tiefbau eingesetzt. Dazu, welche Tätigkeiten er im Zeitraum von Januar bis Juni 2010 verrichtet hatte, konnte die vernommene Zeugin keine Angaben machen. Daraus durfte das Landesarbeitsgericht ohne Verletzung von Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen folgern, die Beklagte habe den Vortrag des Klägers, im Mai 2010 sei im Bereich Straßen- und Tiefbau ein entsprechender Arbeitsplatz vorhanden gewesen, nicht widerlegt. Die Aussage der Zeugin lässt ferner die Möglichkeit zu, dass die Beklagte jedenfalls im Kündigungszeitpunkt von einem - absehbaren - Freiwerden des Arbeitsplatzes ausgehen musste. Insoweit verbleibende Zweifel gingen zu ihren Lasten.

26

(2) Die Behauptung der Beklagten, sie habe im Bereich Straßen- und Tiefbau Kurzarbeit angeordnet und Personal abgebaut, steht der Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht entgegen. Die Anordnung von Kurzarbeit als solche spricht im Allgemeinen dafür, dass die Betriebsparteien von einem nur vorübergehenden Arbeitsmangel und nicht von einem dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf ausgehen (BAG 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 21). Ein nur vorübergehender Arbeitsmangel ist kein Indiz für den Wegfall eines Arbeitsplatzes. Dies gilt im Streitfall umso mehr, als nach den eigenen Angaben der Beklagten in den Monaten August bis November 2010 - dh. noch innerhalb der Kündigungsfrist - keine Kurzarbeit geleistet worden ist. Soweit sich die Beklagte auf einen Personalabbau berufen hat, ist ihrem Vortrag nicht zu entnehmen, dass sich dieser auch und gerade auf die vom Kläger begehrte Stelle im Straßen- und Tiefbau bezogen hätte. Dazu, wie sich der Arbeitskräftebedarf im Bereich der fraglichen Bagger- und Maschinenführertätigkeiten konkret gestaltet, hat sie sich nicht substantiiert erklärt.

27

(3) Das Landesarbeitsgericht hat weiter angenommen, einem Einsatz des Klägers im Bereich Straßen- und Tiefbau stehe der Umstand nicht entgegen, dass er möglicherweise nicht über die erforderliche Erfahrung und die Befugnis zum Führen von Baggern oder sonstigen Maschinen verfüge. Die Arbeitsaufgabe erfordere keine abgeschlossene Berufsausbildung für den Straßen- und Tiefbau. Die Einweisung des Klägers in diesen Tätigkeitsbereich sei der Beklagten auch nicht unzumutbar gewesen. Sie habe nicht dargelegt, welcher Umschulungsaufwand für einen Einsatz des Klägers auf dem begehrten Arbeitsplatz erforderlich gewesen wäre. Auch diese Würdigung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

28

(a) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem es entscheidungserheblichen Vortrag übergangen habe, ist unbegründet. Der Kläger hat dargelegt, er habe in vergangenen Jahren Baumaschinen geführt und besitze deshalb entsprechende Grundfertigkeiten. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Dass für die Ausübung der bezeichneten Tätigkeit im Straßen- und Tiefbau darüber hinaus eine abgeschlossene - dreijährige - Berufsausbildung erforderlich wäre, ist ihrem bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht gehaltenen Vortrag nicht zu entnehmen. Ein entsprechendes Anforderungsprofil hat sie erst mit ihrer Revisionsbegründung behauptet. Sie hat zwar im Rahmen des Berufungsverfahrens vorgetragen, mit Baggerarbeiten im Straßen- und Tiefbau könne sie aus Sicherheitsgründen nur ausgebildete Baggerführer beschäftigen. Ihrem Vortrag sind aber keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass ihr eine entsprechende Einweisung, Fortbildung oder Umschulung des langjährig beschäftigten Klägers - etwa aufgrund des dafür erforderlichen Zeitaufwands - unzumutbar gewesen wäre.

29

(b) Der weitere Einwand der Beklagten, die Weiterbeschäftigung des Klägers auf dem fraglichen Arbeitsplatz sei ihr deshalb unzumutbar, weil eine Änderung seiner Arbeitsbedingungen erforderlich gewesen wäre, ist ohne rechtlichen Belang. Besteht eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit nur zu geänderten Arbeitsbedingungen, ist der Arbeitgeber aus Gründen der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, dem Arbeitnehmer den freien Arbeitsplatz zur Vermeidung einer Beendigungskündigung im Wege der Änderungskündigung anzubieten (BAG 3. April 2008 - 2 AZR 500/06 - Rn. 12; 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 114, 243).

30

(c) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe seine richterliche Hinweispflicht aus § 139 ZPO verletzt und damit zugleich gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, ist unzulässig.

31

(aa) Erhebt der Revisionsführer Verfahrensrügen, müssen diese nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO die Bezeichnung der Tatsachen enthalten, die den Mangel ergeben, auf den sich die Revision stützt. Dementsprechend hätte die Beklagte konkret darlegen müssen, welchen Hinweis das Landesarbeitsgericht ihr hätte geben sollen und wie sie darauf reagiert, insbesondere welchen tatsächlichen Vortrag sie gehalten oder welche für die Entscheidung erheblichen rechtlichen Ausführungen sie gemacht hätte (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 10; 23. September 2008 - 6 AZN 84/08 - Rn. 13, BAGE 128, 13).

32

(bb) Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. Die Beklagte legt nicht dar, welchen Hinweis ihr das Gericht hätte geben müssen und wie sie hierauf reagiert hätte.

33

III. Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Wolf    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Mai 2011 - 16 Sa 113/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

2

Der 1971 geborene Kläger war seit Mai 1992 als Kraftfahrzeugmechaniker bei der Rhine Area Labour Support Unit (RALSU) - Royal Logistic Corps (RLC) - der Streitkräfte des Vereinigten Königreichs beschäftigt. Er bezog zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.500,00 Euro.

3

Der schriftliche Arbeitsvertrag nahm den Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV AL II) in Bezug. Ob die Anwendbarkeit des Tarifvertrags vom 2. Juli 1997 über Rationalisierungs-, Kündigungs- und Einkommensschutz (SchutzTV) einzelvertraglich vereinbart war, ist nicht festgestellt.

4

Bei den britischen Streitkräften trifft eine Abteilung der obersten Dienstbehörde „LEC Support Service“ die Entscheidung, welche Betriebsstätte zu einer Dienststelle bestimmt wird. Diese Dienststellen werden in ein entsprechendes Verzeichnis eingetragen.

5

In einem „Berichtigungs- und Nachtragsbogen zum Arbeitsvertrag“ vom 20. August/13. September 2001 änderten die Arbeitsvertragsparteien die Beschäftigungsdienststelle des Klägers mit Wirkung vom 1. April 2002 von „RALSU“ in „RALSU RLC N“ und den Beschäftigungsort von „Mö“ in „N“. Der Kläger arbeitete seit April 2002 überwiegend in der Kfz-Werkstatt in N, war zeitweise aber auch in Mö eingesetzt.

6

Die Betriebsstätte N wurde wie die Dienststelle Mö von Major J. P. M geleitet. Zwischen den Werkstattbereichen Mö und N fand bei Bedarf ein wechselseitiger Personaleinsatz statt. Die arbeitsrechtlichen Weisungen erfolgten von Mö aus. Die Personalverwaltung für beide Betriebsstätten war personen- und funktionsidentisch. In dem zur Dienststelle Mö gehörenden Werkstattbereich waren acht Kraftfahrzeugmechaniker beschäftigt, die über deutlich geringere Beschäftigungszeiten als der Kläger verfügten. In diesem Bereich waren zwischenzeitlich zudem drei vakante Stellen ausgeschrieben. Die britischen Streitkräfte zogen die Ausschreibungen wieder zurück, weil die Positionen vorerst unbesetzt bleiben sollten. Sie sollten ggf. zu einem späteren Zeitpunkt Mitgliedern der Betriebsvertretung als neue Arbeitsplätze angeboten werden können.

7

Im Rahmen eines „Borona“ genannten Programms entschieden die britischen Streitkräfte, die Kasernen in Mö, Mü und E sukzessive aufzugeben und im Zuge dessen die Kfz-Werkstatt in Niederkrüchten-Elmpt zum 30. September 2011 zu schließen. Die Schließung der Werkstatt erfolgte spätestens im Mai 2011. Reparaturen und Wartungen der in N vorhandenen Fahrzeuge wurden seitdem in der Werkstatt in Mö durchgeführt.

8

Die oberste Dienstbehörde der britischen Streitkräfte in Deutschland - Delegated Military Representative (DMR) - leitete mit Schreiben vom 9. Juli 2010 das Mitwirkungsverfahren bei der Hauptbetriebsvertretung ein. Diese bat die DMR sicherzustellen, dass bei allen Betroffenen eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten eingehalten würde. Mit Schreiben vom 4. August 2010 erwiderte die DMR, sie werde, wann immer möglich, versuchen, diese Frist zu gewähren, eine Garantie hierfür könne sie jedoch nicht geben.

9

Mit Schreiben vom 28. September 2010 kündigte die RALSU das Arbeitsverhältnis des Klägers zunächst außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30. September 2011. Nachdem sie erklärt hatte, aus der außerordentlichen Kündigung keine Rechte mehr herzuleiten, nahm der Kläger die hiergegen gerichtete Klage zurück.

10

Ebenfalls im September 2010 kündigte die RALSU auch die Arbeitsverhältnisse der übrigen in N beschäftigten Kfz-Mechaniker zum 30. September 2011. Ausgenommen waren die Arbeitsverhältnisse von Mitgliedern der Betriebsvertretung. Auch ein Teil der in N beschäftigten Kfz-Inspektoren erhielt keine Kündigung. Anders als die Kfz-Mechaniker, die die eigentlichen Reparaturarbeiten durchführten, waren die Kfz-Inspektoren dafür zuständig, den Fahrzeugpark zu überprüfen, reparaturbedürftige Fahrzeuge auszusondern, in die Werkstatt zu verbringen, die reparierten Fahrzeuge zu überprüfen und wieder in den Fahrzeugpark einzugliedern. Außerdem oblag ihnen die TÜV-Abnahme der in Großbritannien zugelassenen Privatfahrzeuge von Beschäftigten der Dienststelle.

11

Nach Anhörung der Betriebsvertretung N kündigte die RALSU das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 25. November 2010 erneut, diesmal ordentlich zum 30. September 2011.

12

Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger vorgebracht, die Entscheidung der Streitkräfte, die Kfz-Werkstatt in N zu schließen, sei nur unvollständig umgesetzt worden. Zudem könne er auf einem der freien Arbeitsplätze im Werkstattbereich in Mö weiterbeschäftigt werden. Dort seien außerdem eine Stelle als Store-Keeper und Stellen für Wachleute frei gewesen. § 4 Nr. 2d SchutzTV erweitere die Verpflichtung der Streitkräfte, ihn auf einem Arbeitsplatz bei derselben oder einer anderen Beschäftigungsdienststelle zu beschäftigen. Die Streitkräfte müssten deshalb im Kündigungsschutzprozess von sich aus umfassend zu Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten vortragen. Auch die Sozialauswahl sei fehlerhaft. Er sei mit den weniger schutzwürdigen Kfz-Mechanikern der Werkstatt Mö vergleichbar und diesen vorzuziehen. Bei den Betriebsstätten in N und Mö handele es sich um eine einheitliche Dienststelle. Im Übrigen sei die Kündigungsfrist nicht gewahrt. Er werde gegenüber allen anderen Mitarbeitern, die eine Kündigung mit Jahresfrist erhalten hätten, benachteiligt. Der Kläger hat ferner geltend gemacht, die Betriebsvertretung sei unzureichend angehört worden. Der Unterbringungsanspruch nach § 4 SchutzTV sei nicht Gegenstand der Anhörung gewesen.

13

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung vom 25. November 2010 zum 30. September 2011 sein Ende finden wird.

14

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung vom 25. November 2010 für wirksam gehalten. Die dieser zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung sei umgesetzt worden. Die ungekündigten Mitglieder der Betriebsvertretung würden im Rahmen der stufenweisen Schließung der Dienststelle zunächst im Arbeitsbereich des Quartiermeisters weiter eingesetzt. Für den Kläger sei kein freier Arbeitsplatz in Mö oder einer anderen Dienststelle vorhanden gewesen. Bei der Betriebsstätte N handele es sich um eine eigenständige Dienststelle. Eine Sozialauswahl habe deshalb nur zwischen den dort Beschäftigten stattfinden können. Die britischen Streitkräfte seien nicht zur Einhaltung einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist verpflichtet gewesen. Die zuständige Betriebsvertretung sei ordnungsgemäß angehört worden.

15

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kündigung vom 25. November 2010 ist wirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2011 aufgelöst.

17

A. Die Klage ist zulässig. Die auch noch in der Revisionsinstanz zu überprüfende Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit ist gem. Art. 56 Abs. 8 Satz 1 ZA-NTS(BGBl. II 1961, S. 1218, 1278) gegeben. Der Kläger war ziviler Bediensteter bei den Streitkräften des Vereinigten Königreichs. Die Klage richtet sich gem. Art. 56 Abs. 8 Satz 2 ZA-NTS zu Recht gegen die Bundesrepublik Deutschland, die in Prozessstandschaft für den Entsendestaat - hier das Vereinigte Königreich - auftritt(vgl. BAG 21. Januar 1993 - 2 AZR 309/92 - unter II 1 der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 53 = EzA BGB § 615 Nr. 78).

18

B. Die Klage ist unbegründet.

19

I. Die ordentliche Kündigung war nicht gem. § 8 Nr. 1 SchutzTV ausgeschlossen. Unabhängig davon, ob der SchutzTV auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand, waren die Voraussetzungen für den besonderen Kündigungsschutz nach § 8 Nr. 1 SchutzTV nicht erfüllt. Der Kläger hatte im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet.

20

II. Die Kündigung vom 25. November 2010 ist nicht gem. § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam.

21

1. Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung.

22

a) Nach Art. 56 Abs. 1a ZA-NTS gelten für die Beschäftigungsverhältnisse der zivilen Arbeitskräfte bei einer Truppe und einem zivilen Gefolge alle für die zivilen Arbeitnehmer der Bundeswehr maßgeblichen arbeitsrechtlichen Vorschriften, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.

23

b) Danach ist das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis des Klägers mit den britischen Streitkräften anzuwenden (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 163/11 - Rn. 11; 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 148).

24

2. Die Kündigung vom 25. November 2010 ist sozial gerechtfertigt. Sie ist durch betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt.

25

a) Aufgrund der Schließung der Kfz-Werkstatt in N ist der bisherige Arbeitsplatz des Klägers spätestens zum Kündigungstermin weggefallen.

26

aa) Die Schließung der Werkstatt beruhte auf einer rechtlich zulässigen Organisationsentscheidung der Streitkräfte. Es gehört zum Kern der unternehmerischen Freiheit, die betriebliche Organisation zu gestalten und festzulegen, an welchem Standort welche arbeitstechnischen Zwecke und Ziele verfolgt werden sollen. Der gesetzliche Kündigungsschutz verpflichtet den Arbeitgeber nicht, eine bestimmte betriebliche Organisationsstruktur oder einen konkreten Standort beizubehalten (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 163/11 - Rn. 18; 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 146 = EzA KSchG § 2 Nr. 78). Solche Organisationsentscheidungen können von den Gerichten inhaltlich nicht nachgeprüft werden. Sie sind grundsätzlich als gegeben hinzunehmen und unterliegen lediglich einer Missbrauchskontrolle (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - aaO; 10. Mai 2007 - 2 AZR 263/06 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 155). Für eine beschlossene und durchgeführte Organisationsentscheidung spricht grundsätzlich die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist. Daher muss der Arbeitnehmer Umstände darlegen, aus denen sich ergeben soll, dass die erfolgte Strukturänderung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 163/11 - Rn. 19; 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 177 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160).

27

bb) Im Streitfall ist die Kfz-Werkstatt in N im Zuge der Umsetzung des Programms „Borona“ aufgelöst worden. Die Schließung der Werkstatt war bereits Monate vor dem Kündigungstermin Ende September 2011 tatsächlich umgesetzt. Der Umstand, dass bisher am Standort als Kfz-Mechaniker beschäftigte Mitglieder der Betriebsvertretung anderweitig weiterbeschäftigt wurden, spricht nicht dagegen, dass die Werkstatt in N vollständig aufgelöst worden ist. Soweit einige Kfz-Inspektoren keine Kündigung erhielten, waren deren Arbeitsplätze - anders als die der Kfz-Mechaniker - durch die Schließung der Werkstatt nicht entfallen. Die ihnen obliegenden Aufgaben fielen weiterhin an. Für eine willkürliche oder offensichtlich unzulässige Organisationsentscheidung hat der Kläger keine Anhaltspunkte dargelegt.

28

b) Der Kläger konnte nicht auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden.

29

aa) Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG ist eine Kündigung auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann. Auf diese Weise wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Kündigungsrecht normativ konkretisiert (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 146 = EzA KSchG § 2 Nr. 78; 6. Februar 1997 - 2 AZR 50/96 - zu II 2 der Gründe; 15. Dezember 1994 - 2 AZR 320/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 79, 66). Eine Kündigung ist nur dann durch „dringende“ betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG anderweitig zu beschäftigen (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - aaO; 23. November 2004 - 2 AZR 38/04 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 112, 361). Die Weiterbeschäftigung muss sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich sein. Dies setzt voraus, dass ein Arbeitsplatz zu vergleichbaren (gleichwertigen) oder zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist. Als „frei” sind grundsätzlich nur solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind (BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84; 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 154 ). Dem steht es gleich, wenn ein Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei wird (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - aaO ; 2. Februar 2006 - 2 AZR 38/05 - zu II 2 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 142 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 144).

30

bb) Für das Fehlen einer anderweitigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist gem. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Dabei gilt eine abgestufte Darlegungslast. Bestreitet der Arbeitnehmer lediglich den Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes, genügt der Vortrag des Arbeitgebers, wegen der betrieblichen Notwendigkeiten sei eine Weiterbeschäftigung zu den gleichen Bedingungen nicht möglich. Will der Arbeitnehmer vorbringen, es sei eine Beschäftigung an anderer Stelle möglich, obliegt es ihm, darzulegen, wie er sich seine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Erst daraufhin muss der Arbeitgeber eingehend erläutern, aus welchen Gründen eine Umsetzung nicht möglich war (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 154; 15. August 2002 - 2 AZR 195/01 - zu II 1 c aa der Gründe, BAGE 102, 197 ).

31

cc) Diese gesetzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast erfährt durch § 4 SchutzTV im Grundsatz keine Änderung(vgl. APS/Dörner/Linck 4. Aufl. § 1 ZA-NTS Rn. 14). Insbesondere müssen die Stationierungsstreitkräfte, die sich darauf berufen, ein anderer geeigneter Arbeitsplatz sei nicht verfügbar gewesen, nicht unabhängig vom Vorbringen des Arbeitnehmers alle denkbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im maßgeblichen Einzugsbereich ausschließen (offen gelassen in BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 148; a.A. für Anhang O zum TV AL II wohl LAG Rheinland-Pfalz 12. Dezember 1997 - 10 Sa 613/97 - , zu II 1 der Gründe; für eine gewisse Erweiterung der Darlegungslast des Arbeitgebers auch Hessisches LAG 28. Juni 2004 - 17 Sa 1257/03 - zu III 2 b cc der Gründe). Dies ergibt die Auslegung der Bestimmung.

32

(1) Aus dem Wortlaut von § 4 SchutzTV und der Systematik des Tarifvertrags lässt sich nicht entnehmen, in seinem Geltungsbereich solle für das Bestehen einer geeigneten Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Kündigungsschutzprozess eine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Verteilung der Darlegungslast gelten. § 4 SchutzTV regelt, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise einem vom Verlust des Arbeitsplatzes betroffenen Arbeitnehmer andere geeignete Beschäftigungsmöglichkeiten anzubieten sind. Mit der Verteilung der prozessualen Darlegungs- und Beweislast dafür, ob eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit tatsächlich bestanden hat, befasst sich die Bestimmung nicht. Regelungen zum Kündigungsschutz enthält allein § 8 SchutzTV.

33

(2) Aus Sinn und Zweck von § 4 SchutzTV ergibt sich nichts anderes. Die Bestimmung regelt zwar im Einzelnen, wie die Eignung des Arbeitnehmers für verfügbare Arbeitsplätze festzustellen ist (§ 4 Nr. 1 Satz 2 SchutzTV), welche Arbeitsplätze dem betroffenen Arbeitnehmer in welcher Reihenfolge anzubieten sind und welche Folgen es hat, wenn der Arbeitnehmer die Angebote ablehnt (§ 4 Nr. 2 und 3 SchutzTV). Auch die Verfahren zur Ermittlung von Gleichwertigkeit und Zumutbarkeit eines Arbeitsplatzes (§ 4 Nr. 4 SchutzTV) sowie die Voraussetzungen für die Gewährung einer Einarbeitungszeit und deren Dauer (§ 4 Nr. 6 SchutzTV) sind näher bestimmt (vgl. BAG 13. August 2009 - 6 AZR 330/08 - Rn. 21, BAGE 131, 325). Dass dem Arbeitnehmer gem. § 4 Nr. 1 Satz 1 SchutzTV ein verfügbarer oder bis zum Ablauf seiner Kündigungsfrist verfügbar werdender Arbeitsplatz angeboten werden muss, wenn er für ihn geeignet ist, entspricht aber der ohnehin bestehenden Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG. Für den Streit über deren Einhaltung gelten die dargestellten allgemeinen Grundsätze zur Verteilung der Darlegungslast. Für den Streit über die Erfüllung des in § 4 SchutzTV geregelten, insoweit inhaltsgleichen Unterbringungsanspruchs des Arbeitnehmers bedarf es damit keiner von diesen Grundsätzen abweichenden Verteilung der Darlegungslast. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass § 4 SchutzTV einen im Vergleich zum allgemeinen Verständnis des Begriffs „Einzugsgebiet“ in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG größeren Umkreis vorsieht, innerhalb dessen verfügbare geeignete Arbeitsplätze anzubieten sind (gem. § 4 Nr. 2d iVm. § 4 Nr. 4d SchutzTV 60 km). Damit ist nicht gesagt, wie im Kündigungsschutzprozess die Darlegungslast abzustufen ist, wenn Streit darüber besteht, ob ein geeigneter Arbeitsplatz - auch im erweiterten Einzugsbereich - tatsächlich verfügbar war.

34

dd) Danach war im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass für den Kläger keine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestand.

35

(1) Die Beklagte hat geltend gemacht, es sei weder in Mö noch in einer anderen Dienststelle ein freier Arbeitsplatz für den Kläger vorhanden gewesen.

36

(2) Soweit sich der Kläger auf die drei ausgeschriebenen Stellen in der Kfz-Werkstatt in Mö berufen hat, waren diese nicht „frei“. Die britischen Streitkräfte hatten sich bereits vor Ausspruch der Kündigung entschlossen, sie in näherer Zukunft nicht zu besetzen, und die Ausschreibung zurückgezogen. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dieses Vorgehen sei nicht rechtsmissbräuchlich gewesen. Die Streitkräfte haben dadurch nicht den Eintritt einer für den Kläger positiven Bedingung iSv. § 162 BGB treuwidrig vereitelt.

37

(a) Ein treuwidriges Verhalten des Arbeitgebers liegt vor, wenn er eine freie Stelle anderweitig besetzt, obwohl schon zu diesem Zeitpunkt ein Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den später gekündigten Arbeitnehmer absehbar ist (vgl. BAG 24. November 2005 - 2 AZR 514/04 - Rn. 39, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 51).

38

(b) Damit ist die Entscheidung der britischen Streitkräfte, die fraglichen Stellen vorerst nicht zu besetzen, nicht vergleichbar. In diesem Entschluss lag keine rechtsmissbräuchliche Vereitelung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger. Die britischen Streitkräfte waren in der Entscheidung, welche Stellen akut besetzt werden sollten, grundsätzlich frei. Nach Art. 56 Abs. 7a Satz 1 ZA-NTS bestimmen allein sie die Zahl und Art der benötigten Arbeitsplätze. Mit Blick auf den besonderen Kündigungsschutz der Mitglieder der Betriebsvertretung nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG erscheint die Entscheidung, für diese eine entsprechende Anzahl von Arbeitsplätzen frei zu halten, auch nicht willkürlich.

39

(3) Das Vorbringen des Klägers, er habe in Mö auf einem freien Arbeitsplatz als Store-Keeper oder als Wachmann weiterbeschäftigt werden können, hat das Landesarbeitsgericht zu Recht nach § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG als verspätet zurückgewiesen.

40

(a) Neue Tatsachen sind nach § 67 Abs. 4 Satz 1 ZPO grundsätzlich in der Berufungsbegründung vorzutragen. Späteres Vorbringen ist nach § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG nur zuzulassen, wenn es entweder nach der Berufungsbegründung entstandene Tatsachen betrifft oder nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert oder die Verspätung nicht auf Verschulden der Partei beruht(BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - Rn. 16, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12).

41

(b) Ein solcher Ausnahmefall hat hier nach der rechtsfehlerfreien Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht vorgelegen. Danach waren die betreffenden Tatsachen weder erst nach der Berufungsbegründung entstanden, noch war der Kläger unverschuldet an einem rechtzeitigen Vortrag gehindert.

42

(aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht geltend gemacht, erst im Anschluss an die Berufungsbegründung Kenntnis von den nach seinem Vorbringen bereits im Kündigungszeitpunkt freien Stellen erlangt zu haben. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Zulässige Verfahrensrügen hat der Kläger insoweit nicht erhoben.

43

(bb) Die Berücksichtigung des verspäteten Vortrags hätte zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt. Dieser hätte nicht im unmittelbaren Anschluss an die mündliche Verhandlung beendet werden können. Es hätte aufgeklärt werden müssen, ob in den entsprechenden Bereichen tatsächlich freie Arbeitsplätze vorhanden waren und für den Kläger in Betracht kamen.

44

(c) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass das Landesarbeitsgericht, wie der Kläger rügt, keinen Hinweis dahin erteilt habe, es wolle von der vermeintlich „herrschenden Meinung“ abweichen und mit Blick auf den Unterbringungsanspruch nach § 4 SchutzTV keine andere Verteilung der Darlegungslast für das Bestehen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit annehmen. Einen solchen Hinweis musste das Gericht nicht erteilen. Der Kläger musste auch ohne ihn damit rechnen, dass es diese Auffassung vertreten könnte. So hatte schon das Arbeitsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung desselben Landesarbeitsgerichts zu Anhang O zum TV AL II (vgl. LAG Düsseldorf 13. Dezember 1994 - 3 (17) Sa 1307/94 -) angenommen, die Darlegungslast für Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten werde durch § 4 SchutzTV nicht geändert.

45

(4) Der Kläger hat sich nicht darauf berufen, er habe auf einer der Positionen weiterbeschäftigt werden können, die den nicht gekündigten Kfz-Mechanikern, die Mitglieder der Betriebsvertretung N waren, übertragen wurden. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die britischen Streitkräfte die Mitglieder der Betriebsvertretung mit Blick auf ihren Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG insoweit vorrangig berücksichtigen durften oder ob die fraglichen Beschäftigungsmöglichkeiten nur nach einer Sozialauswahl mit den ebenfalls vom Wegfall ihrer Arbeitsplätze betroffenen Arbeitnehmern hätten vergeben werden dürfen(vgl. zum Erfordernis einer Auswahl entsprechend den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG, wenn zugleich mehrere Arbeitnehmer um eine geringere Anzahl von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten konkurrieren BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 147 = EzA KSchG § 2 Nr. 79). Auf die Frage, ob die fraglichen Beschäftigungsmöglichkeiten in derselben oder in einer anderen Dienststelle bestanden und ob der Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG ggf. auch die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung in einer anderen Dienststelle umfasst (vgl. zum Streitstand KR/Etzel 10. Aufl. § 15 KSchG Rn. 93) kommt es damit nicht an. Ebenso wenig ist von Bedeutung, ob der Kläger für den Fall, dass eine Auswahl nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG erforderlich gewesen wäre, sozial schutzwürdiger gewesen wäre.

46

c) Die Kündigung vom 25. November 2010 ist nicht deshalb sozial ungerechtfertigt, weil die im Werkstattbereich in Mö beschäftigten Kfz-Mechaniker in die Sozialauswahl hätten einbezogen werden müssen.

47

aa) Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung trotz Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse iSd. Abs. 2 sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine Schwerbehinderung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Der Arbeitgeber hat in die Sozialauswahl diejenigen Arbeitnehmer einzubeziehen, die miteinander vergleichbar sind. Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse sowie nach dem Inhalt der von ihnen vertraglich geschuldeten Aufgaben austauschbar sind (BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 19, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 85; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 41, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84).

48

bb) In die Sozialauswahl sind nur die Arbeitnehmer einzubeziehen, die derselben Dienststelle angehören (vgl. BAG 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 b der Gründe, ZTR 2001, 89).

49

(1) Das Kündigungsschutzgesetz ist grundsätzlich auf den Betrieb bezogen, die Sozialauswahl daher auf den Beschäftigungsbetrieb beschränkt (BAG 2. Juni 2005 - 2 AZR 158/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 115, 82; 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 b der Gründe, ZTR 2001, 89). Dem „Betrieb“ im Bereich der privaten Wirtschaft entspricht in der Regel die „Dienststelle“ im Bereich des öffentlichen Dienstes (vgl. BAG 22. September 2005 - 2 AZR 544/04 - zu B II 6 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 59 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 141; 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - aaO; Linck in v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 709 und § 23 Rn. 12). Dafür spricht ein Vergleich von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG mit der Formulierung in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG. Die organisatorische Einheit des Betriebs findet danach im Rahmen von § 1 KSchG ihre Entsprechung in der Dienststelle.

50

(2) Maßgeblich im Rahmen von § 1 KSchG ist grundsätzlich der personalvertretungsrechtliche Dienststellenbegriff(BAG 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 b der Gründe, ZTR 2001, 89; 23. April 1998 - 2 AZR 489/97 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 88, 287; 25. September 1956 - 3 AZR 102/54 - BAGE 3, 155, 157). Dafür spricht, dass mit dem Bundespersonalvertretungsgesetz 1974 die Regelung zur Weiterbeschäftigungspflicht wortgleich mit § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BPersVG in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG eingefügt worden ist. Da sich aus den Gesetzesmaterialien nichts anderes ergibt, ist davon auszugehen, dass der Begriff der „Dienststelle“ in beiden Regelungsbereichen die gleiche Bedeutung hat (vgl. KR/Bader 10. Aufl. § 23 KSchG Rn. 29).

51

(3) Gem. Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS iVm. Abs. 1 des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS(zuletzt geändert durch Änderungsabkommen vom 23. November 1994, BGBl. II S. 3710, 3712) sind bei den Stationierungsstreitkräften Dienststellen iSd. Personalvertretungsgesetzes die einzelnen Verwaltungsstellen und Betriebe einer Truppe und eines zivilen Gefolges nach näherer Bestimmung durch die betreffende Truppe selbst. Das Unterzeichnungsprotokoll zum ZA-NTS hat Gesetzesqualität. Für seinen Geltungsbereich ist es lex specialis. Auf die den Dienststellenbegriff nach § 6 BPersVG im Allgemeinen kennzeichnenden Merkmale kommt es demnach im Bereich der Stationierungsstreitkräfte nicht an. Dafür spricht auch, dass eine Bestimmung der Dienststellen nach den allgemeinen Maßstäben des § 6 BPersVG wegen der im militärischen Bereich zahlreichen Befehlsebenen nur bedingt möglich wäre. Der von § 6 BPersVG vorausgesetzte Dienststellenaufbau lässt sich auf die Entscheidungsbefugnisse im militärischen Bereich nicht ohne Weiteres übertragen(vgl. BAG 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 c aa der Gründe, ZTR 2001, 89).

52

(4) Auf die organisatorische Einheit der von der Truppe bestimmten Dienststelle ist auch im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG abzustellen. Die autonome Bestimmung der Dienststellen durch die Entsendestaaten mit Wirkung für das Personalvertretungsrecht ist völkerrechtlich vorgegeben. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass etwa deshalb kündigungsschutzrechtlich im Bereich der Stationierungsstreitkräfte ein vom personalvertretungsrechtlichen abweichender Dienststellenbegriff maßgeblich sein sollte.

53

cc) Danach war die Sozialauswahl nicht auf die im Werkstattbereich in Mö beschäftigten Kfz-Mechaniker zu erstrecken. Dieser Bereich gehörte nach dem Vorbringen der Beklagten nicht zu derselben Dienststelle wie die Kfz-Werkstatt in N. Eine abweichende Bestimmung der Dienststellen durch die britischen Streitkräfte hat der Kläger entgegen § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht dargelegt. Darauf, ob beide Dienststellen denselben Leiter hatten, kommt es ebenso wenig an wie darauf, von wo die arbeitsrechtlichen Weisungen erteilt und in welchem Ausmaß Beschäftigte wechselseitig eingesetzt wurden. Anhaltspunkte für eine willkürliche, etwa zwecks Umgehung der Sozialauswahl beliebig wechselnde Bestimmung der Dienststellen durch die britischen Streitkräfte hat der Kläger nicht vorgetragen.

54

III. Die Kündigung ist nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung der Betriebsvertretung unwirksam.

55

1. Im Bereich des durch das ZA-NTS modifizierten Mitwirkungsverfahrens nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz gelten die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats iSd. § 102 BetrVG entsprechend(BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 51, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 148). In Bezug auf anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten reicht es damit aus, dass der Betriebsvertretung mitgeteilt wird, dass solche Möglichkeiten für den Arbeitnehmer nicht bestünden (vgl. BAG 21. September 2000 - 2 AZR 385/99 - zu B IV 2 c der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 111 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 107).

56

2. Danach ist die örtliche Betriebsvertretung mit Schreiben der Dienststellenleitung vom 8. November 2010 in entsprechender Anwendung von § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG ordnungsgemäß angehört worden. Der Leiter der Dienststelle hat die Betriebsvertretung über die persönlichen Daten des Klägers, die Art der beabsichtigten Kündigung und den Kündigungsgrund informiert. Vom Eintrittsdatum des Klägers hatte die Betriebsvertretung bereits Kenntnis. Eine Mitteilung über die Unterhaltspflichten des Klägers war entbehrlich, weil aus Sicht der britischen Streitkräfte eine Sozialauswahl nicht erforderlich war. Durch die Angabe des Termins, zu dem die Kündigung wirksam werden sollte, war für die Betriebsvertretung ersichtlich, dass selbst die längste tarifvertragliche Kündigungsfrist gewahrt würde. Es bedurfte entgegen der Auffassung des Klägers auch keiner besonderen Hinweise zum Unterbringungsanspruch nach § 4 SchutzTV. Unabhängig davon, ob der SchutzTV auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung fand, ergaben sich mit Blick auf diesen keine Besonderheiten, die über den gesetzlichen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG hinausgingen.

57

IV. Die Kündigung vom 25. November 2010 hat das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2011 beendet.

58

1. Die Kündigungsfrist des im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen § 44 Ziff. 1 b TV AL II von sechs Monaten zum Monatsende ist gewahrt.

59

2. Eine längere Kündigungsfrist war nicht vereinbart.

60

a) Eine solche Vereinbarung ergibt sich nicht aus dem Schreiben der obersten Dienstbehörde der britischen Stationierungsstreitkräfte an die Hauptbetriebsvertretung vom 4. August 2010. Darin haben die Streitkräfte lediglich versichert, sie würden versuchen, eine zwölfmonatige Kündigungsfrist einzuhalten. Eine Garantie könnten sie nicht geben.

61

b) Die Streitkräfte waren nicht aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zur Wahrung einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist verpflichtet.

62

aa) Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleichzubehandeln. Damit verbietet er eine sachfremde Gruppenbildung und die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn die Regelung also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise als willkürlich anzusehen ist (BAG 27. Juni 2012 - 5 AZR 317/11 - Rn. 17, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 148; 21. Oktober 2009 - 10 AZR 664/08 - Rn. 24, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 21).

63

bb) Der Kläger wurde in Bezug auf den Beendigungstermin nicht anders als die übrigen Arbeitnehmer behandelt. Auch deren Arbeitsverhältnisse kündigten die britischen Streitkräfte zum 30. September 2011. Dies entsprach dem Termin, zu dem die Schließung der Werkstatt erfolgen sollte und damit die Arbeitsplätze der dort beschäftigten Kfz-Mechaniker wegfielen. Soweit die Zeitspannen zwischen Kündigungszugang und Beendigungstermin am 30. September 2011 verschieden lang waren, ist diese Ungleichbehandlung durch den allen Kündigungen gleichermaßen zugrunde liegenden Umstand, dass zu diesem Zeitpunkt die Schließung der Werkstatt in N geplant war, sachlich gerechtfertigt.

64

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    F. Löllgen    

        

    Bartz    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Mai 2011 - 16 Sa 113/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

2

Der 1971 geborene Kläger war seit Mai 1992 als Kraftfahrzeugmechaniker bei der Rhine Area Labour Support Unit (RALSU) - Royal Logistic Corps (RLC) - der Streitkräfte des Vereinigten Königreichs beschäftigt. Er bezog zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.500,00 Euro.

3

Der schriftliche Arbeitsvertrag nahm den Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV AL II) in Bezug. Ob die Anwendbarkeit des Tarifvertrags vom 2. Juli 1997 über Rationalisierungs-, Kündigungs- und Einkommensschutz (SchutzTV) einzelvertraglich vereinbart war, ist nicht festgestellt.

4

Bei den britischen Streitkräften trifft eine Abteilung der obersten Dienstbehörde „LEC Support Service“ die Entscheidung, welche Betriebsstätte zu einer Dienststelle bestimmt wird. Diese Dienststellen werden in ein entsprechendes Verzeichnis eingetragen.

5

In einem „Berichtigungs- und Nachtragsbogen zum Arbeitsvertrag“ vom 20. August/13. September 2001 änderten die Arbeitsvertragsparteien die Beschäftigungsdienststelle des Klägers mit Wirkung vom 1. April 2002 von „RALSU“ in „RALSU RLC N“ und den Beschäftigungsort von „Mö“ in „N“. Der Kläger arbeitete seit April 2002 überwiegend in der Kfz-Werkstatt in N, war zeitweise aber auch in Mö eingesetzt.

6

Die Betriebsstätte N wurde wie die Dienststelle Mö von Major J. P. M geleitet. Zwischen den Werkstattbereichen Mö und N fand bei Bedarf ein wechselseitiger Personaleinsatz statt. Die arbeitsrechtlichen Weisungen erfolgten von Mö aus. Die Personalverwaltung für beide Betriebsstätten war personen- und funktionsidentisch. In dem zur Dienststelle Mö gehörenden Werkstattbereich waren acht Kraftfahrzeugmechaniker beschäftigt, die über deutlich geringere Beschäftigungszeiten als der Kläger verfügten. In diesem Bereich waren zwischenzeitlich zudem drei vakante Stellen ausgeschrieben. Die britischen Streitkräfte zogen die Ausschreibungen wieder zurück, weil die Positionen vorerst unbesetzt bleiben sollten. Sie sollten ggf. zu einem späteren Zeitpunkt Mitgliedern der Betriebsvertretung als neue Arbeitsplätze angeboten werden können.

7

Im Rahmen eines „Borona“ genannten Programms entschieden die britischen Streitkräfte, die Kasernen in Mö, Mü und E sukzessive aufzugeben und im Zuge dessen die Kfz-Werkstatt in Niederkrüchten-Elmpt zum 30. September 2011 zu schließen. Die Schließung der Werkstatt erfolgte spätestens im Mai 2011. Reparaturen und Wartungen der in N vorhandenen Fahrzeuge wurden seitdem in der Werkstatt in Mö durchgeführt.

8

Die oberste Dienstbehörde der britischen Streitkräfte in Deutschland - Delegated Military Representative (DMR) - leitete mit Schreiben vom 9. Juli 2010 das Mitwirkungsverfahren bei der Hauptbetriebsvertretung ein. Diese bat die DMR sicherzustellen, dass bei allen Betroffenen eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten eingehalten würde. Mit Schreiben vom 4. August 2010 erwiderte die DMR, sie werde, wann immer möglich, versuchen, diese Frist zu gewähren, eine Garantie hierfür könne sie jedoch nicht geben.

9

Mit Schreiben vom 28. September 2010 kündigte die RALSU das Arbeitsverhältnis des Klägers zunächst außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30. September 2011. Nachdem sie erklärt hatte, aus der außerordentlichen Kündigung keine Rechte mehr herzuleiten, nahm der Kläger die hiergegen gerichtete Klage zurück.

10

Ebenfalls im September 2010 kündigte die RALSU auch die Arbeitsverhältnisse der übrigen in N beschäftigten Kfz-Mechaniker zum 30. September 2011. Ausgenommen waren die Arbeitsverhältnisse von Mitgliedern der Betriebsvertretung. Auch ein Teil der in N beschäftigten Kfz-Inspektoren erhielt keine Kündigung. Anders als die Kfz-Mechaniker, die die eigentlichen Reparaturarbeiten durchführten, waren die Kfz-Inspektoren dafür zuständig, den Fahrzeugpark zu überprüfen, reparaturbedürftige Fahrzeuge auszusondern, in die Werkstatt zu verbringen, die reparierten Fahrzeuge zu überprüfen und wieder in den Fahrzeugpark einzugliedern. Außerdem oblag ihnen die TÜV-Abnahme der in Großbritannien zugelassenen Privatfahrzeuge von Beschäftigten der Dienststelle.

11

Nach Anhörung der Betriebsvertretung N kündigte die RALSU das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 25. November 2010 erneut, diesmal ordentlich zum 30. September 2011.

12

Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger vorgebracht, die Entscheidung der Streitkräfte, die Kfz-Werkstatt in N zu schließen, sei nur unvollständig umgesetzt worden. Zudem könne er auf einem der freien Arbeitsplätze im Werkstattbereich in Mö weiterbeschäftigt werden. Dort seien außerdem eine Stelle als Store-Keeper und Stellen für Wachleute frei gewesen. § 4 Nr. 2d SchutzTV erweitere die Verpflichtung der Streitkräfte, ihn auf einem Arbeitsplatz bei derselben oder einer anderen Beschäftigungsdienststelle zu beschäftigen. Die Streitkräfte müssten deshalb im Kündigungsschutzprozess von sich aus umfassend zu Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten vortragen. Auch die Sozialauswahl sei fehlerhaft. Er sei mit den weniger schutzwürdigen Kfz-Mechanikern der Werkstatt Mö vergleichbar und diesen vorzuziehen. Bei den Betriebsstätten in N und Mö handele es sich um eine einheitliche Dienststelle. Im Übrigen sei die Kündigungsfrist nicht gewahrt. Er werde gegenüber allen anderen Mitarbeitern, die eine Kündigung mit Jahresfrist erhalten hätten, benachteiligt. Der Kläger hat ferner geltend gemacht, die Betriebsvertretung sei unzureichend angehört worden. Der Unterbringungsanspruch nach § 4 SchutzTV sei nicht Gegenstand der Anhörung gewesen.

13

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung vom 25. November 2010 zum 30. September 2011 sein Ende finden wird.

14

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung vom 25. November 2010 für wirksam gehalten. Die dieser zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung sei umgesetzt worden. Die ungekündigten Mitglieder der Betriebsvertretung würden im Rahmen der stufenweisen Schließung der Dienststelle zunächst im Arbeitsbereich des Quartiermeisters weiter eingesetzt. Für den Kläger sei kein freier Arbeitsplatz in Mö oder einer anderen Dienststelle vorhanden gewesen. Bei der Betriebsstätte N handele es sich um eine eigenständige Dienststelle. Eine Sozialauswahl habe deshalb nur zwischen den dort Beschäftigten stattfinden können. Die britischen Streitkräfte seien nicht zur Einhaltung einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist verpflichtet gewesen. Die zuständige Betriebsvertretung sei ordnungsgemäß angehört worden.

15

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kündigung vom 25. November 2010 ist wirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2011 aufgelöst.

17

A. Die Klage ist zulässig. Die auch noch in der Revisionsinstanz zu überprüfende Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit ist gem. Art. 56 Abs. 8 Satz 1 ZA-NTS(BGBl. II 1961, S. 1218, 1278) gegeben. Der Kläger war ziviler Bediensteter bei den Streitkräften des Vereinigten Königreichs. Die Klage richtet sich gem. Art. 56 Abs. 8 Satz 2 ZA-NTS zu Recht gegen die Bundesrepublik Deutschland, die in Prozessstandschaft für den Entsendestaat - hier das Vereinigte Königreich - auftritt(vgl. BAG 21. Januar 1993 - 2 AZR 309/92 - unter II 1 der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 53 = EzA BGB § 615 Nr. 78).

18

B. Die Klage ist unbegründet.

19

I. Die ordentliche Kündigung war nicht gem. § 8 Nr. 1 SchutzTV ausgeschlossen. Unabhängig davon, ob der SchutzTV auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand, waren die Voraussetzungen für den besonderen Kündigungsschutz nach § 8 Nr. 1 SchutzTV nicht erfüllt. Der Kläger hatte im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet.

20

II. Die Kündigung vom 25. November 2010 ist nicht gem. § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam.

21

1. Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung.

22

a) Nach Art. 56 Abs. 1a ZA-NTS gelten für die Beschäftigungsverhältnisse der zivilen Arbeitskräfte bei einer Truppe und einem zivilen Gefolge alle für die zivilen Arbeitnehmer der Bundeswehr maßgeblichen arbeitsrechtlichen Vorschriften, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.

23

b) Danach ist das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis des Klägers mit den britischen Streitkräften anzuwenden (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 163/11 - Rn. 11; 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 148).

24

2. Die Kündigung vom 25. November 2010 ist sozial gerechtfertigt. Sie ist durch betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt.

25

a) Aufgrund der Schließung der Kfz-Werkstatt in N ist der bisherige Arbeitsplatz des Klägers spätestens zum Kündigungstermin weggefallen.

26

aa) Die Schließung der Werkstatt beruhte auf einer rechtlich zulässigen Organisationsentscheidung der Streitkräfte. Es gehört zum Kern der unternehmerischen Freiheit, die betriebliche Organisation zu gestalten und festzulegen, an welchem Standort welche arbeitstechnischen Zwecke und Ziele verfolgt werden sollen. Der gesetzliche Kündigungsschutz verpflichtet den Arbeitgeber nicht, eine bestimmte betriebliche Organisationsstruktur oder einen konkreten Standort beizubehalten (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 163/11 - Rn. 18; 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 146 = EzA KSchG § 2 Nr. 78). Solche Organisationsentscheidungen können von den Gerichten inhaltlich nicht nachgeprüft werden. Sie sind grundsätzlich als gegeben hinzunehmen und unterliegen lediglich einer Missbrauchskontrolle (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - aaO; 10. Mai 2007 - 2 AZR 263/06 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 155). Für eine beschlossene und durchgeführte Organisationsentscheidung spricht grundsätzlich die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen erfolgt ist. Daher muss der Arbeitnehmer Umstände darlegen, aus denen sich ergeben soll, dass die erfolgte Strukturänderung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 163/11 - Rn. 19; 23. April 2008 - 2 AZR 1110/06 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 177 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 160).

27

bb) Im Streitfall ist die Kfz-Werkstatt in N im Zuge der Umsetzung des Programms „Borona“ aufgelöst worden. Die Schließung der Werkstatt war bereits Monate vor dem Kündigungstermin Ende September 2011 tatsächlich umgesetzt. Der Umstand, dass bisher am Standort als Kfz-Mechaniker beschäftigte Mitglieder der Betriebsvertretung anderweitig weiterbeschäftigt wurden, spricht nicht dagegen, dass die Werkstatt in N vollständig aufgelöst worden ist. Soweit einige Kfz-Inspektoren keine Kündigung erhielten, waren deren Arbeitsplätze - anders als die der Kfz-Mechaniker - durch die Schließung der Werkstatt nicht entfallen. Die ihnen obliegenden Aufgaben fielen weiterhin an. Für eine willkürliche oder offensichtlich unzulässige Organisationsentscheidung hat der Kläger keine Anhaltspunkte dargelegt.

28

b) Der Kläger konnte nicht auf einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden.

29

aa) Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG ist eine Kündigung auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann. Auf diese Weise wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Kündigungsrecht normativ konkretisiert (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 146 = EzA KSchG § 2 Nr. 78; 6. Februar 1997 - 2 AZR 50/96 - zu II 2 der Gründe; 15. Dezember 1994 - 2 AZR 320/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 79, 66). Eine Kündigung ist nur dann durch „dringende“ betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG anderweitig zu beschäftigen (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - aaO; 23. November 2004 - 2 AZR 38/04 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 112, 361). Die Weiterbeschäftigung muss sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich sein. Dies setzt voraus, dass ein Arbeitsplatz zu vergleichbaren (gleichwertigen) oder zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist. Als „frei” sind grundsätzlich nur solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind (BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84; 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 154 ). Dem steht es gleich, wenn ein Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei wird (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - aaO ; 2. Februar 2006 - 2 AZR 38/05 - zu II 2 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 142 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 144).

30

bb) Für das Fehlen einer anderweitigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist gem. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig. Dabei gilt eine abgestufte Darlegungslast. Bestreitet der Arbeitnehmer lediglich den Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes, genügt der Vortrag des Arbeitgebers, wegen der betrieblichen Notwendigkeiten sei eine Weiterbeschäftigung zu den gleichen Bedingungen nicht möglich. Will der Arbeitnehmer vorbringen, es sei eine Beschäftigung an anderer Stelle möglich, obliegt es ihm, darzulegen, wie er sich seine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Erst daraufhin muss der Arbeitgeber eingehend erläutern, aus welchen Gründen eine Umsetzung nicht möglich war (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 154; 15. August 2002 - 2 AZR 195/01 - zu II 1 c aa der Gründe, BAGE 102, 197 ).

31

cc) Diese gesetzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast erfährt durch § 4 SchutzTV im Grundsatz keine Änderung(vgl. APS/Dörner/Linck 4. Aufl. § 1 ZA-NTS Rn. 14). Insbesondere müssen die Stationierungsstreitkräfte, die sich darauf berufen, ein anderer geeigneter Arbeitsplatz sei nicht verfügbar gewesen, nicht unabhängig vom Vorbringen des Arbeitnehmers alle denkbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im maßgeblichen Einzugsbereich ausschließen (offen gelassen in BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 148; a.A. für Anhang O zum TV AL II wohl LAG Rheinland-Pfalz 12. Dezember 1997 - 10 Sa 613/97 - , zu II 1 der Gründe; für eine gewisse Erweiterung der Darlegungslast des Arbeitgebers auch Hessisches LAG 28. Juni 2004 - 17 Sa 1257/03 - zu III 2 b cc der Gründe). Dies ergibt die Auslegung der Bestimmung.

32

(1) Aus dem Wortlaut von § 4 SchutzTV und der Systematik des Tarifvertrags lässt sich nicht entnehmen, in seinem Geltungsbereich solle für das Bestehen einer geeigneten Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Kündigungsschutzprozess eine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Verteilung der Darlegungslast gelten. § 4 SchutzTV regelt, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise einem vom Verlust des Arbeitsplatzes betroffenen Arbeitnehmer andere geeignete Beschäftigungsmöglichkeiten anzubieten sind. Mit der Verteilung der prozessualen Darlegungs- und Beweislast dafür, ob eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit tatsächlich bestanden hat, befasst sich die Bestimmung nicht. Regelungen zum Kündigungsschutz enthält allein § 8 SchutzTV.

33

(2) Aus Sinn und Zweck von § 4 SchutzTV ergibt sich nichts anderes. Die Bestimmung regelt zwar im Einzelnen, wie die Eignung des Arbeitnehmers für verfügbare Arbeitsplätze festzustellen ist (§ 4 Nr. 1 Satz 2 SchutzTV), welche Arbeitsplätze dem betroffenen Arbeitnehmer in welcher Reihenfolge anzubieten sind und welche Folgen es hat, wenn der Arbeitnehmer die Angebote ablehnt (§ 4 Nr. 2 und 3 SchutzTV). Auch die Verfahren zur Ermittlung von Gleichwertigkeit und Zumutbarkeit eines Arbeitsplatzes (§ 4 Nr. 4 SchutzTV) sowie die Voraussetzungen für die Gewährung einer Einarbeitungszeit und deren Dauer (§ 4 Nr. 6 SchutzTV) sind näher bestimmt (vgl. BAG 13. August 2009 - 6 AZR 330/08 - Rn. 21, BAGE 131, 325). Dass dem Arbeitnehmer gem. § 4 Nr. 1 Satz 1 SchutzTV ein verfügbarer oder bis zum Ablauf seiner Kündigungsfrist verfügbar werdender Arbeitsplatz angeboten werden muss, wenn er für ihn geeignet ist, entspricht aber der ohnehin bestehenden Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG. Für den Streit über deren Einhaltung gelten die dargestellten allgemeinen Grundsätze zur Verteilung der Darlegungslast. Für den Streit über die Erfüllung des in § 4 SchutzTV geregelten, insoweit inhaltsgleichen Unterbringungsanspruchs des Arbeitnehmers bedarf es damit keiner von diesen Grundsätzen abweichenden Verteilung der Darlegungslast. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass § 4 SchutzTV einen im Vergleich zum allgemeinen Verständnis des Begriffs „Einzugsgebiet“ in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG größeren Umkreis vorsieht, innerhalb dessen verfügbare geeignete Arbeitsplätze anzubieten sind (gem. § 4 Nr. 2d iVm. § 4 Nr. 4d SchutzTV 60 km). Damit ist nicht gesagt, wie im Kündigungsschutzprozess die Darlegungslast abzustufen ist, wenn Streit darüber besteht, ob ein geeigneter Arbeitsplatz - auch im erweiterten Einzugsbereich - tatsächlich verfügbar war.

34

dd) Danach war im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass für den Kläger keine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestand.

35

(1) Die Beklagte hat geltend gemacht, es sei weder in Mö noch in einer anderen Dienststelle ein freier Arbeitsplatz für den Kläger vorhanden gewesen.

36

(2) Soweit sich der Kläger auf die drei ausgeschriebenen Stellen in der Kfz-Werkstatt in Mö berufen hat, waren diese nicht „frei“. Die britischen Streitkräfte hatten sich bereits vor Ausspruch der Kündigung entschlossen, sie in näherer Zukunft nicht zu besetzen, und die Ausschreibung zurückgezogen. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dieses Vorgehen sei nicht rechtsmissbräuchlich gewesen. Die Streitkräfte haben dadurch nicht den Eintritt einer für den Kläger positiven Bedingung iSv. § 162 BGB treuwidrig vereitelt.

37

(a) Ein treuwidriges Verhalten des Arbeitgebers liegt vor, wenn er eine freie Stelle anderweitig besetzt, obwohl schon zu diesem Zeitpunkt ein Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den später gekündigten Arbeitnehmer absehbar ist (vgl. BAG 24. November 2005 - 2 AZR 514/04 - Rn. 39, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 51).

38

(b) Damit ist die Entscheidung der britischen Streitkräfte, die fraglichen Stellen vorerst nicht zu besetzen, nicht vergleichbar. In diesem Entschluss lag keine rechtsmissbräuchliche Vereitelung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger. Die britischen Streitkräfte waren in der Entscheidung, welche Stellen akut besetzt werden sollten, grundsätzlich frei. Nach Art. 56 Abs. 7a Satz 1 ZA-NTS bestimmen allein sie die Zahl und Art der benötigten Arbeitsplätze. Mit Blick auf den besonderen Kündigungsschutz der Mitglieder der Betriebsvertretung nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG erscheint die Entscheidung, für diese eine entsprechende Anzahl von Arbeitsplätzen frei zu halten, auch nicht willkürlich.

39

(3) Das Vorbringen des Klägers, er habe in Mö auf einem freien Arbeitsplatz als Store-Keeper oder als Wachmann weiterbeschäftigt werden können, hat das Landesarbeitsgericht zu Recht nach § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG als verspätet zurückgewiesen.

40

(a) Neue Tatsachen sind nach § 67 Abs. 4 Satz 1 ZPO grundsätzlich in der Berufungsbegründung vorzutragen. Späteres Vorbringen ist nach § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG nur zuzulassen, wenn es entweder nach der Berufungsbegründung entstandene Tatsachen betrifft oder nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert oder die Verspätung nicht auf Verschulden der Partei beruht(BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - Rn. 16, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12).

41

(b) Ein solcher Ausnahmefall hat hier nach der rechtsfehlerfreien Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht vorgelegen. Danach waren die betreffenden Tatsachen weder erst nach der Berufungsbegründung entstanden, noch war der Kläger unverschuldet an einem rechtzeitigen Vortrag gehindert.

42

(aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe nicht geltend gemacht, erst im Anschluss an die Berufungsbegründung Kenntnis von den nach seinem Vorbringen bereits im Kündigungszeitpunkt freien Stellen erlangt zu haben. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Zulässige Verfahrensrügen hat der Kläger insoweit nicht erhoben.

43

(bb) Die Berücksichtigung des verspäteten Vortrags hätte zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt. Dieser hätte nicht im unmittelbaren Anschluss an die mündliche Verhandlung beendet werden können. Es hätte aufgeklärt werden müssen, ob in den entsprechenden Bereichen tatsächlich freie Arbeitsplätze vorhanden waren und für den Kläger in Betracht kamen.

44

(c) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass das Landesarbeitsgericht, wie der Kläger rügt, keinen Hinweis dahin erteilt habe, es wolle von der vermeintlich „herrschenden Meinung“ abweichen und mit Blick auf den Unterbringungsanspruch nach § 4 SchutzTV keine andere Verteilung der Darlegungslast für das Bestehen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit annehmen. Einen solchen Hinweis musste das Gericht nicht erteilen. Der Kläger musste auch ohne ihn damit rechnen, dass es diese Auffassung vertreten könnte. So hatte schon das Arbeitsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung desselben Landesarbeitsgerichts zu Anhang O zum TV AL II (vgl. LAG Düsseldorf 13. Dezember 1994 - 3 (17) Sa 1307/94 -) angenommen, die Darlegungslast für Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten werde durch § 4 SchutzTV nicht geändert.

45

(4) Der Kläger hat sich nicht darauf berufen, er habe auf einer der Positionen weiterbeschäftigt werden können, die den nicht gekündigten Kfz-Mechanikern, die Mitglieder der Betriebsvertretung N waren, übertragen wurden. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die britischen Streitkräfte die Mitglieder der Betriebsvertretung mit Blick auf ihren Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG insoweit vorrangig berücksichtigen durften oder ob die fraglichen Beschäftigungsmöglichkeiten nur nach einer Sozialauswahl mit den ebenfalls vom Wegfall ihrer Arbeitsplätze betroffenen Arbeitnehmern hätten vergeben werden dürfen(vgl. zum Erfordernis einer Auswahl entsprechend den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG, wenn zugleich mehrere Arbeitnehmer um eine geringere Anzahl von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten konkurrieren BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 147 = EzA KSchG § 2 Nr. 79). Auf die Frage, ob die fraglichen Beschäftigungsmöglichkeiten in derselben oder in einer anderen Dienststelle bestanden und ob der Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG ggf. auch die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung in einer anderen Dienststelle umfasst (vgl. zum Streitstand KR/Etzel 10. Aufl. § 15 KSchG Rn. 93) kommt es damit nicht an. Ebenso wenig ist von Bedeutung, ob der Kläger für den Fall, dass eine Auswahl nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG erforderlich gewesen wäre, sozial schutzwürdiger gewesen wäre.

46

c) Die Kündigung vom 25. November 2010 ist nicht deshalb sozial ungerechtfertigt, weil die im Werkstattbereich in Mö beschäftigten Kfz-Mechaniker in die Sozialauswahl hätten einbezogen werden müssen.

47

aa) Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung trotz Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse iSd. Abs. 2 sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine Schwerbehinderung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Der Arbeitgeber hat in die Sozialauswahl diejenigen Arbeitnehmer einzubeziehen, die miteinander vergleichbar sind. Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse sowie nach dem Inhalt der von ihnen vertraglich geschuldeten Aufgaben austauschbar sind (BAG 22. März 2012 - 2 AZR 167/11 - Rn. 19, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 85; 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 41, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84).

48

bb) In die Sozialauswahl sind nur die Arbeitnehmer einzubeziehen, die derselben Dienststelle angehören (vgl. BAG 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 b der Gründe, ZTR 2001, 89).

49

(1) Das Kündigungsschutzgesetz ist grundsätzlich auf den Betrieb bezogen, die Sozialauswahl daher auf den Beschäftigungsbetrieb beschränkt (BAG 2. Juni 2005 - 2 AZR 158/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 115, 82; 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 b der Gründe, ZTR 2001, 89). Dem „Betrieb“ im Bereich der privaten Wirtschaft entspricht in der Regel die „Dienststelle“ im Bereich des öffentlichen Dienstes (vgl. BAG 22. September 2005 - 2 AZR 544/04 - zu B II 6 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 59 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 141; 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - aaO; Linck in v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 709 und § 23 Rn. 12). Dafür spricht ein Vergleich von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG mit der Formulierung in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG. Die organisatorische Einheit des Betriebs findet danach im Rahmen von § 1 KSchG ihre Entsprechung in der Dienststelle.

50

(2) Maßgeblich im Rahmen von § 1 KSchG ist grundsätzlich der personalvertretungsrechtliche Dienststellenbegriff(BAG 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 b der Gründe, ZTR 2001, 89; 23. April 1998 - 2 AZR 489/97 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 88, 287; 25. September 1956 - 3 AZR 102/54 - BAGE 3, 155, 157). Dafür spricht, dass mit dem Bundespersonalvertretungsgesetz 1974 die Regelung zur Weiterbeschäftigungspflicht wortgleich mit § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BPersVG in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG eingefügt worden ist. Da sich aus den Gesetzesmaterialien nichts anderes ergibt, ist davon auszugehen, dass der Begriff der „Dienststelle“ in beiden Regelungsbereichen die gleiche Bedeutung hat (vgl. KR/Bader 10. Aufl. § 23 KSchG Rn. 29).

51

(3) Gem. Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS iVm. Abs. 1 des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS(zuletzt geändert durch Änderungsabkommen vom 23. November 1994, BGBl. II S. 3710, 3712) sind bei den Stationierungsstreitkräften Dienststellen iSd. Personalvertretungsgesetzes die einzelnen Verwaltungsstellen und Betriebe einer Truppe und eines zivilen Gefolges nach näherer Bestimmung durch die betreffende Truppe selbst. Das Unterzeichnungsprotokoll zum ZA-NTS hat Gesetzesqualität. Für seinen Geltungsbereich ist es lex specialis. Auf die den Dienststellenbegriff nach § 6 BPersVG im Allgemeinen kennzeichnenden Merkmale kommt es demnach im Bereich der Stationierungsstreitkräfte nicht an. Dafür spricht auch, dass eine Bestimmung der Dienststellen nach den allgemeinen Maßstäben des § 6 BPersVG wegen der im militärischen Bereich zahlreichen Befehlsebenen nur bedingt möglich wäre. Der von § 6 BPersVG vorausgesetzte Dienststellenaufbau lässt sich auf die Entscheidungsbefugnisse im militärischen Bereich nicht ohne Weiteres übertragen(vgl. BAG 20. Januar 2000 - 2 ABR 19/99 - zu B II 5 c aa der Gründe, ZTR 2001, 89).

52

(4) Auf die organisatorische Einheit der von der Truppe bestimmten Dienststelle ist auch im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG abzustellen. Die autonome Bestimmung der Dienststellen durch die Entsendestaaten mit Wirkung für das Personalvertretungsrecht ist völkerrechtlich vorgegeben. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass etwa deshalb kündigungsschutzrechtlich im Bereich der Stationierungsstreitkräfte ein vom personalvertretungsrechtlichen abweichender Dienststellenbegriff maßgeblich sein sollte.

53

cc) Danach war die Sozialauswahl nicht auf die im Werkstattbereich in Mö beschäftigten Kfz-Mechaniker zu erstrecken. Dieser Bereich gehörte nach dem Vorbringen der Beklagten nicht zu derselben Dienststelle wie die Kfz-Werkstatt in N. Eine abweichende Bestimmung der Dienststellen durch die britischen Streitkräfte hat der Kläger entgegen § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht dargelegt. Darauf, ob beide Dienststellen denselben Leiter hatten, kommt es ebenso wenig an wie darauf, von wo die arbeitsrechtlichen Weisungen erteilt und in welchem Ausmaß Beschäftigte wechselseitig eingesetzt wurden. Anhaltspunkte für eine willkürliche, etwa zwecks Umgehung der Sozialauswahl beliebig wechselnde Bestimmung der Dienststellen durch die britischen Streitkräfte hat der Kläger nicht vorgetragen.

54

III. Die Kündigung ist nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung der Betriebsvertretung unwirksam.

55

1. Im Bereich des durch das ZA-NTS modifizierten Mitwirkungsverfahrens nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz gelten die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats iSd. § 102 BetrVG entsprechend(BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 51, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 157 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 148). In Bezug auf anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten reicht es damit aus, dass der Betriebsvertretung mitgeteilt wird, dass solche Möglichkeiten für den Arbeitnehmer nicht bestünden (vgl. BAG 21. September 2000 - 2 AZR 385/99 - zu B IV 2 c der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 111 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 107).

56

2. Danach ist die örtliche Betriebsvertretung mit Schreiben der Dienststellenleitung vom 8. November 2010 in entsprechender Anwendung von § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG ordnungsgemäß angehört worden. Der Leiter der Dienststelle hat die Betriebsvertretung über die persönlichen Daten des Klägers, die Art der beabsichtigten Kündigung und den Kündigungsgrund informiert. Vom Eintrittsdatum des Klägers hatte die Betriebsvertretung bereits Kenntnis. Eine Mitteilung über die Unterhaltspflichten des Klägers war entbehrlich, weil aus Sicht der britischen Streitkräfte eine Sozialauswahl nicht erforderlich war. Durch die Angabe des Termins, zu dem die Kündigung wirksam werden sollte, war für die Betriebsvertretung ersichtlich, dass selbst die längste tarifvertragliche Kündigungsfrist gewahrt würde. Es bedurfte entgegen der Auffassung des Klägers auch keiner besonderen Hinweise zum Unterbringungsanspruch nach § 4 SchutzTV. Unabhängig davon, ob der SchutzTV auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung fand, ergaben sich mit Blick auf diesen keine Besonderheiten, die über den gesetzlichen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG hinausgingen.

57

IV. Die Kündigung vom 25. November 2010 hat das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2011 beendet.

58

1. Die Kündigungsfrist des im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen § 44 Ziff. 1 b TV AL II von sechs Monaten zum Monatsende ist gewahrt.

59

2. Eine längere Kündigungsfrist war nicht vereinbart.

60

a) Eine solche Vereinbarung ergibt sich nicht aus dem Schreiben der obersten Dienstbehörde der britischen Stationierungsstreitkräfte an die Hauptbetriebsvertretung vom 4. August 2010. Darin haben die Streitkräfte lediglich versichert, sie würden versuchen, eine zwölfmonatige Kündigungsfrist einzuhalten. Eine Garantie könnten sie nicht geben.

61

b) Die Streitkräfte waren nicht aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zur Wahrung einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist verpflichtet.

62

aa) Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleichzubehandeln. Damit verbietet er eine sachfremde Gruppenbildung und die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn die Regelung also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise als willkürlich anzusehen ist (BAG 27. Juni 2012 - 5 AZR 317/11 - Rn. 17, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 148; 21. Oktober 2009 - 10 AZR 664/08 - Rn. 24, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 21).

63

bb) Der Kläger wurde in Bezug auf den Beendigungstermin nicht anders als die übrigen Arbeitnehmer behandelt. Auch deren Arbeitsverhältnisse kündigten die britischen Streitkräfte zum 30. September 2011. Dies entsprach dem Termin, zu dem die Schließung der Werkstatt erfolgen sollte und damit die Arbeitsplätze der dort beschäftigten Kfz-Mechaniker wegfielen. Soweit die Zeitspannen zwischen Kündigungszugang und Beendigungstermin am 30. September 2011 verschieden lang waren, ist diese Ungleichbehandlung durch den allen Kündigungen gleichermaßen zugrunde liegenden Umstand, dass zu diesem Zeitpunkt die Schließung der Werkstatt in N geplant war, sachlich gerechtfertigt.

64

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    F. Löllgen    

        

    Bartz    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 9. November 2010 - 14 Sa 1068/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf betriebliche Gründe gestützten Kündigung sowie Ansprüche auf Weiterbeschäftigung und Zahlung von Weihnachtsgeld.

2

Der Kläger ist 1954 geboren, verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Zum Zeitpunkt der Kündigung war lediglich ein Kind auf der Lohnsteuerkarte eingetragen. Er ist gelernter Kfz-Mechaniker und Werkzeugmacher. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie. Sie stellt ua. Spulen für die Drahtaufwicklung her.

3

Seit dem 12. Oktober 1987 war der Kläger bei der Beklagten als sogenannter Servicemitarbeiter in der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik tätig. Seine Tätigkeit bestand zu 60 vH aus Servicedienstleistungen, einschließlich Reparaturtätigkeiten der bei der Beklagten vorhandenen Maschinen, 40 vH seiner Tätigkeit entfielen auf Rüstvorgänge an den Maschinen. Der Kläger durfte elektrische Arbeiten nur an Maschinen mit Spannungen bis 220 Volt durchführen.

4

Aufgrund von Auftrags- und Umsatzrückgängen entschloss sich die Beklagte im Jahr 2009, neben anderen Maßnahmen der Kostenreduzierung in sämtlichen Unternehmensbereichen einen Stellenabbau durchzuführen. Sie vereinbarte unter dem 31. August 2009 mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan. Dieser sieht unter Ziffer 4.3 die Bildung folgender Altersgruppen für die Durchführung der Sozialauswahl vor:

        

„-    

Altersgruppe 1:

0 bis Lebensalter von 25 Jahren,

        

-       

Altersgruppe 2:

Lebensalter oberhalb von 25 Jahren

                          

bis 35 Jahren

        

-       

Altersgruppe 3:

Lebensalter oberhalb von 35 Jahren

                          

bis 45 Jahren

        

-       

Altersgruppe 4:

Lebensalter oberhalb von 45 Jahren

                          

bis 55 Jahren

        

-       

Altersgruppe 5:

Lebensalter oberhalb von 55 Jahren.“

5

Dabei erfolgte die Altersgruppenbildung in den Arbeitnehmergruppen Einrichter, Kleber, Logistik/Lager/Versand, Sachbearbeiter, Schichtführer, Spritzgießer, Vorrichtungsbau/Mechatronik sowie Werkzeugmacher.

6

Ziffer 4.3 des Interessenausgleichs und Sozialplans regelt sodann die Verteilung von sog. persönlichen Sozialpunkten für die nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorgesehenen Kriterien für den Stichtag 31. Juli 2009.

7

Weiter ist in Ziffer 4.3 des Interessenausgleichs und Sozialplans bestimmt:

        

„In den Fällen, in denen eine Altersgruppenbildung vorgenommen wurde, war diese erforderlich, um die Altersstruktur im Betrieb zu erhalten. Die Anzahl der erforderlichen Entlassungen wurde prozentual auf die jeweiligen Altersgruppen verteilt. Innerhalb der Altersgruppe erfolgt eine soziale Auswahl dergestalt, dass diejenigen Arbeitnehmer für personelle Maßnahmen herangezogen wurden, die innerhalb der Altersgruppe die geringste Punktzahl aufweisen.

        

Von der sozialen Auswahl ausgenommen, wurden jeweils diejenigen Mitarbeiter, deren Fortbeschäftigung aus betrieblichen Interessen erforderlich ist. Diese Mitarbeiter sind in der diesem Interessenausgleich beigefügten Anlage 1 namentlich benannt.

        

Die nach dem vorstehenden Auswahlverfahren von personellen Maßnahmen betroffenen Mitarbeiter sind namentlich in der Anlage 2 zu diesem Interessenausgleich aufgeführt. Die Anlage 2 ist nicht Bestandteil dieses Interessenausgleiches und wird von den Betriebsparteien auch nicht unterzeichnet.“

8

In der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik waren zuletzt elf Arbeitnehmer beschäftigt. Davon gehörten der Altersgruppe 1 allein der Arbeitnehmer H, der Altersgruppe 2 die Arbeitnehmer S und P, der Altersgruppe 3 die Arbeitnehmer A, F, O und E, der Altersgruppe 4 die Arbeitnehmer Fa, B und M und der Altersgruppe 5 allein der Kläger an. Nachdem sich die nötigen Rüstvorgänge 2009 reduziert hatten und darüber hinaus regelmäßige Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten fremdvergeben worden waren, verringerte sich der Beschäftigungsbedarf in der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik auf sechs Vollzeitstellen. Insgesamt wurde die Gesamtbelegschaft von 181 Mitarbeitern um 48 Mitarbeiter verkleinert.

9

Neben dem Kläger waren die Arbeitnehmer P, A, O und Fa in der Anlage 2 zum Interessenausgleich vom 31. August 2009 aufgeführt. Der Mitarbeiter M war Betriebsratsmitglied. Die Mitarbeiter H, F und B gehörten zu den in der Anlage 1 zum Interessenausgleich vom 31. August 2009 aufgeführten Mitarbeitern, die wegen besonderer Kenntnisse aus der Sozialauswahl ausgenommen wurden.

10

Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 26. Oktober 2009 ordentlich zum 31. Mai 2010.

11

Die Beklagte zahlte in der Vergangenheit ein Weihnachtsgeld von durchschnittlich 70 vH einer Bruttomonatsvergütung. In den Aushängen der Jahre 2003 bis 2005 war ausgeführt, gekündigte Mitarbeiter seien von der Weihnachtsgeldzahlung ausgenommen. Im Jahr 2006 unterzeichneten fast alle Belegschaftsangehörigen, darunter der Kläger, einen Änderungsvertrag, der neben einer Arbeitszeitverlängerung von 37,5 auf 40 Wochenstunden einen Freiwilligkeitsvorbehalt für jegliche Art von Gratifikationen enthielt. Im Dezember 2009 teilte die Beklagte durch Aushang mit, dass sie im laufenden Jahr nur „ein Weihnachtsgeld in Höhe von 400,00 Euro (incl. der ausstehenden Einmalzahlung in Höhe von 100,00 Euro)“ zahle. Mitarbeiter, die zum 1. Dezember 2009 „im Kündigungsverhältnis“ stünden, seien von der Zahlung ausgenommen. Der Kläger erhielt kein Weihnachtsgeld.

12

Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung vom 26. Oktober 2009 gewandt. Er hat diese für sozialwidrig iSd. § 1 KSchG gehalten und die soziale Auswahl gerügt. Der Kläger hat gemeint, er sei sozial schutzwürdiger als ua. der Mitarbeiter H. Es bestünden keine Gründe, diesen aus der Sozialauswahl herauszunehmen. Die Altersgruppenbildung sei unzulässig. Er hat ferner geltend gemacht, ihm stehe zumindest ein Weihnachtsgeld in Höhe von 400,00 Euro nach Maßgabe des Aushangs aus dem Dezember 2009 zu. Dieses sei mit der Abrechnung für November 2009 fällig gewesen.

13

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2009 nicht beendet worden ist;

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Mitarbeiter der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik weiter zu beschäftigen;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 400,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Dezember 2009 zu zahlen.

14

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung für berechtigt gehalten. Sie habe fünf Arbeitsplätze aus der Gruppe Vorrichtungsbau/Mechatronik abbauen müssen. Hierbei habe sie alle Altersgruppen gleichmäßig behandelt und aus jeder Altersgruppe einen Arbeitnehmer entlassen. Im Bereich der Altersgruppe 1 sei das nicht möglich gewesen, da der aus der sozialen Auswahl herausgenommene Mitarbeiter H der einzige Vertreter seiner Altersgruppe sei. Dessen Herausnahme sei wegen seiner Ausbildung als Mechatroniker gerechtfertigt. Er sei in der Lage, alle elektrischen Anlagen oder Steuerungseinheiten zu reparieren, während der Kläger über solche vertieften Kenntnisse eines Mechatronikers nicht verfüge. Aufgrund dieser Herausnahme habe sie in der ohnehin überrepräsentierten Altersgruppe 3 zwei Arbeitnehmer entlassen. Die Altersgruppe 5 sei allein durch den Kläger repräsentiert worden, so dass sie dessen Arbeitsverhältnis habe kündigen müssen. Eine Altersgruppenbildung sei grundsätzlich zulässig. Dies gelte auch für die konkrete Ausgestaltung im vorliegenden Fall. Von einem legitimen Ziel der Altersgruppenbildung sei bei einer Betriebsänderung auszugehen. Die Gruppenbildung sei auch nicht willkürlich und unter Berücksichtigung sachfremder Erwägungen oder gar zufällig erfolgt. Vor dem 30. September 2009 habe der Altersdurchschnitt der Belegschaft 45,7 Jahre betragen, nach den Entlassungen sei er mit 45,5 Jahren annähernd gleich geblieben.

15

Ein Anspruch des Klägers auf Weihnachtsgeld bestehe nicht. Gekündigte Mitarbeiter seien von dieser Leistung ausgeschlossen gewesen.

16

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr im noch rechtshängigen Umfang stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung vom 26. Oktober 2009 zu Recht als sozial ungerechtfertigt angesehen (I.). Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (II.). Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der Sondervergütung von 400,00 Euro für das Jahr 2009 (III.).

18

I. Die Kündigung vom 26. Oktober 2009 ist sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG. Die Beklagte hat bei der Auswahl des Klägers soziale Gesichtspunkte gem. § 1 Abs. 3 KSchG nicht ausreichend berücksichtigt. Ob die Auswahl zudem grob fehlerhaft iSd. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG war, bedarf keiner Entscheidung. § 1 Abs. 5 KSchG findet im Streitfall keine Anwendung. Die Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer in der Anlage 2 zum Interessenausgleich ist ausdrücklich nicht dessen Bestandteil.

19

1. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung trotz Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse iSd. Abs. 2 sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Der Arbeitgeber hat in die Sozialauswahl diejenigen Arbeitnehmer einzubeziehen, die miteinander vergleichbar sind. Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse sowie nach dem Inhalt der von ihnen vertraglich geschuldeten Aufgaben austauschbar sind (st. Rspr., BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 41; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07  - Rn. 64, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Nach dem Gesetzeswortlaut ( § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ) sind die sozialen Gesichtspunkte „ausreichend“ zu berücksichtigen. Dem Arbeitgeber kommt damit bei der Gewichtung der Sozialkriterien ein Wertungsspielraum zu. Die Auswahlentscheidung muss sozial vertretbar sein, muss aber nicht unbedingt der Entscheidung entsprechen, die das Gericht getroffen hätte, wenn es eigenverantwortlich soziale Erwägungen hätte anstellen sollen. Der dem Arbeitgeber vom Gesetz eingeräumte Wertungsspielraum führt dazu, dass nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer mit Erfolg die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl rügen können (BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 276/06 - Rn. 64, BAGE 123, 1; 18. Januar 2007 - 2 AZR 796/05 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 89 = EzA KSchG § 2 Nr. 64).

20

2. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Beklagte selbst unter Berücksichtigung dieses Wertungsspielraums bei der Auswahl des Klägers soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend iSd. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG berücksichtigt hat. Der Kläger ist deutlich schutzwürdiger als der Arbeitnehmer H, dessen Arbeitsverhältnis nicht gekündigt wurde.

21

a) Der Arbeitnehmer H gehört zu der Gruppe der mit dem Kläger vergleichbaren und daher in die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG grundsätzlich einzubeziehenden Arbeitnehmer.

22

b) Der Kläger ist deutlich schutzwürdiger. Er ist verheiratet, ist zumindest einem Kind zum Unterhalt verpflichtet und war am maßgeblichen Stichtag 55 Jahre alt sowie 22 Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Der ebenfalls verheiratete und einem Kind gegenüber unterhaltspflichtige Arbeitnehmer H war zum Stichtag 24 Jahre alt und seit sieben Jahren bei der Beklagten beschäftigt. Nach dem im Interessenausgleich vom 31. August 2009 vereinbarten Punkteschema erreichte er 47 Sozialpunkte, der Kläger dagegen - selbst bei Berücksichtigung nur eines unterhaltsberechtigten Kindes - 92 Punkte. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, angesichts dieser Unterschiede sowohl bei der Beschäftigungsdauer als auch beim Lebensalter, die sich ebenso in der Anzahl der erreichten Sozialpunkte ausdrückten, sei der Kläger als deutlich schutzwürdiger anzusehen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsurteil kann in dieser Hinsicht vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob es den Inhalt der Norm selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 276/06 - Rn. 63, BAGE 123, 1; 6. Juli 2006 -  2 AZR 442/05  - zu B II 3 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 82 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 69). Dem hält das angefochtene Urteil stand. Der Kläger war mehr als doppelt so alt wie der Arbeitnehmer H, zudem mehr als dreimal so lang bei der Beklagten beschäftigt. Er erzielte nach Ziffer 4.3 des Interessenausgleichs etwa doppelt so viele Sozialpunkte wie der Mitarbeiter H. Das Landesarbeitsgericht durfte unter diesen Umständen ohne rechtliche Bedenken annehmen, der Kläger sei der sozial deutlich schutzwürdigere.

23

3. Das Landesarbeitsgericht hat ferner ohne Rechtsfehler angenommen, der Arbeitnehmer H habe nicht deshalb von der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ausgenommen werden dürfen, weil seine Weiterbeschäftigung im berechtigten betrieblichen Interesse gelegen hätte(§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG).

24

a) Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG sind in die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ua. diejenigen Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.

25

b) Die vom Arbeitgeber mit der Herausnahme verfolgten Interessen müssen auch im Kontext der Sozialauswahl berechtigt sein. Das Interesse des sozial schwächeren Arbeitnehmers ist im Rahmen des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG gegen das betriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Herausnahme des sog. Leistungsträgers abzuwägen. Je schwerer dabei das soziale Interesse wiegt, desto gewichtiger müssen die Gründe für die Ausklammerung des Leistungsträgers sein. An dieser Ansicht, die er zu § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG in seiner vom 1. Oktober 1996 bis 31. Dezember 1998 geltenden Fassung vertreten hat (BAG 12. April 2002 - 2 AZR 706/00 - zu II 4 b bb (1) der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 56 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 48), hält der Senat für die seit dem 1. Januar 2004 geltende - identische - Fassung der Bestimmung fest. Aus dem Umstand, dass § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG von 1999 bis 2003 mit einem anderen Wortlaut galt, folgt entgegen der Auffassung der Beklagten nichts für das Verständnis der Vorschrift in ihrer früheren und wieder aktuellen Fassung.

26

c) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht für die Herausnahme des Arbeitnehmers H aus der Sozialauswahl ein berechtigtes betriebliches Interesse iSv. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG verneint hat.

27

aa) Es ist von der zutreffenden fachlichen Qualifikation des Arbeitnehmers ausgegangen. Es hat dessen Ausbildung als Mechatroniker ebenso berücksichtigt wie dessen Qualifikation in der Bedienung und Optimierung der sog. Handlinger und der Fehlerbehebung in diesem Bereich. Es hat ferner dessen Qualifikation im Bereich der „Reis“-Roboter und des „Reinraums“ beachtet. Die Revision erhebt insoweit keine Einwände.

28

bb) Das Landesarbeitsgericht hat den Begriff des „berechtigten betrieblichen Interesses“ in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht verkannt. Es hat ihn - anders als die Beklagte meint - nicht dahin ausgelegt, ein berechtigtes betriebliches Interesse in diesem Sinne könne nur dann gegeben sein, wenn die Weiterbeschäftigung des aus der Sozialauswahl herausgenommenen Arbeitnehmers „notwendig“ sei. Es hat lediglich den Umstand, dass die Beklagte die betriebliche Notwendigkeit einer Weiterbeschäftigung von Herrn H nicht dargelegt habe, bei der erforderlichen Abwägung mit den Belangen des Klägers berücksichtigt. Es hat angenommen, damit sei der betriebliche Nutzen einer Weiterbeschäftigung von Herrn H nicht so erheblich, dass er das soziale Schutzbedürfnis des Klägers überwiegen könne. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Den betrieblichen Vorteil einer Beschäftigung des breiter qualifizierten und damit flexibler einsetzbaren Arbeitnehmers H hat das Landesarbeitsgericht gewürdigt. Diejenigen Tätigkeiten, die Qualifikationen voraussetzten, über die der Kläger nicht verfüge, könnten aber auch von anderen Arbeitnehmern mit bzw. anderweitig erledigt werden. Gegen diese Feststellungen hat die Beklagte keine Verfahrensrügen erhoben.

29

4. Die Auswahl des Klägers ist ebenso wenig unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs iSv. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ordnungsgemäß. Zwar ist regelmäßig vom Vorliegen berechtigter betrieblicher Interessen an einer Abweichung von der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG auszugehen, wenn Massenkündigungen aufgrund einer Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG erfolgen. In diesen Fällen ist die bestehende Altersstruktur der Belegschaft in der Regel gefährdet und liegt zu deren Erhaltung eine Auswahl unter Bildung von Altersgruppen grundsätzlich im berechtigten betrieblichen Interesse (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Die konkrete Altersgruppenbildung muss aber zur Sicherung der bestehenden Altersstruktur der Belegschaft auch geeignet sein. Daran fehlt es im Streitfall.

30

a) Inwieweit Kündigungen Auswirkungen auf die Altersstruktur des Betriebs haben und welche Nachteile sich daraus ergeben, hängt von den betrieblichen Verhältnissen ab und kann nicht abstrakt für alle denkbaren Situationen beschrieben werden. Dementsprechend muss der Arbeitgeber, wenn er sich auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berufen will, zu diesen Auswirkungen und möglichen Nachteilen konkret vortragen( BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 65; 18. März 2010 - 2 AZR 468/08  - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 184 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 83). Jedenfalls dann, wenn die Anzahl der Entlassungen innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer im Verhältnis zur Anzahl aller Arbeitnehmer des Betriebs die Schwellenwerte des § 17 KSchG erreicht, kommen ihm dabei Erleichterungen zugute; in diesem Fall ist ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Beibehaltung der Altersstruktur - widerlegbar - indiziert ( BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - aaO; 18. März 2010 - 2 AZR 468/08  - Rn. 24, aaO; 6. November 2008 -  2 AZR 523/07  - Rn. 54, BAGE 128, 238 ).

31

b) Im Streitfall ist der Schwellenwert gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG bezogen auf die insgesamt entlassenen Arbeitnehmer überschritten. Die Gesamtbelegschaft von 181 Mitarbeitern wurde um 48 Mitarbeiter reduziert. Mit Blick auf die Anzahl der fünf Arbeitnehmer, die in der Gruppe der mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer zu entlassen waren, war der Schwellenwert des § 17 KSchG bezogen auf die Anzahl aller Arbeitnehmer im Betrieb hingegen nicht erreicht. Ob die Erleichterung bei der Darlegung des berechtigten betrieblichen Interesses an einer Altersgruppenbildung iSv. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG, die dem Arbeitgeber bei einer Massenkündigung gewährt wird, auch in einem solchen Fall berechtigt ist, bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn dies anzunehmen wäre, war die Altersgruppenbildung im Streitfall zur Erhaltung der Altersstruktur ungeeignet und deshalb eine Abweichung von den Grundsätzen nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht gerechtfertigt.

32

c) Nicht zu beanstanden ist, dass Arbeitgeber und Betriebsrat in Ziffer 4.3 des Interessenausgleichs vom 31. August 2009 die Bildung von Altersgruppen für die untereinander vergleichbaren Arbeitnehmer vereinbart haben. In die Sozialauswahl sind nur miteinander vergleichbare Arbeitnehmer einzubeziehen. Auch die Altersgruppen sind dementsprechend innerhalb der Gruppen der vergleichbaren Arbeitnehmer zu bilden. Es dient auch gerade der Erhaltung der Altersstruktur, dass nach Ziffer 4.3 des Interessenausgleichs die Anzahl der in den einzelnen Bereichen erforderlichen Entlassungen auf die jeweiligen Altersgruppen proportional zu deren Stärke verteilt werden sollten.

33

d) Die konkrete Ausgestaltung der Altersgruppen war im Streitfall zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur dennoch nicht geeignet. Sind mehrere Gruppen vergleichbarer Arbeitnehmer von den Entlassungen betroffen, muss auch innerhalb der jeweiligen Vergleichsgruppe eine proportionale Berücksichtigung der Altersgruppen an den Entlassungen möglich sein. Die betriebsweite Sicherung der bestehenden Altersstruktur muss die Folge der proportionalen Beteiligung der Altersgruppen an den Entlassungen innerhalb der einzelnen Vergleichsgruppen sein. Eine vergleichsgruppenübergreifende Anwendung des Altersgruppenschemas ist rechtlich ausgeschlossen. Es ist das Wesen der Sozialauswahl, dass sie innerhalb der Vergleichsgruppen zu erfolgen hat. Nur dort kann deshalb eine Sicherung der Altersstruktur - mit positiven Effekten für den Betrieb insgesamt - angestrebt werden.

34

aa) In der Gruppe der mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer war eine proportionale Beteiligung der Altersgruppen an den Entlassungen nicht möglich. Als rechnerische Größe ergab sich bei der Ermittlung der Anzahl der in den jeweiligen Altersgruppen betroffenen Arbeitnehmer teilweise ein Wert unter 1. Nach ihrer Stärke entfielen auf die drei mittleren Altersgruppen insgesamt vier zu entlassende Arbeitnehmer, während aus den Altersgruppen 1 und 5 rechnerisch gleichermaßen je 0,45 Arbeitnehmer zu entlassen gewesen wären. Damit war eine proportionale Berücksichtigung der Altersgruppen nicht möglich. Tatsächlich sank das Durchschnittsalter in dieser Vergleichsgruppe durch die ausgesprochenen Kündigungen um 2,66 Jahre. Ein freies Ermessen, ob dem Kläger als einzigem Vertreter der Altersgruppe 5 oder dem Arbeitnehmer H als alleinigem Vertreter der Altersgruppe 1 zu kündigen war, stand der Beklagten nicht zu. Bei § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG handelt es sich um eine Ausnahmeregelung zu Satz 1 der Vorschrift(BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 306/06 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 123, 20; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 628, 630; ErfK/Oetker 12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 342). Liegen die Voraussetzungen für eine Abweichung von den Grundsätzen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht vor, verbleibt es bei diesen.

35

bb) Die Auswahl des Klägers war auch nicht dann ordnungsgemäß, wenn - wie die Beklagte geltend macht - der Altersdurchschnitt im Betrieb nach Durchführung des Personalabbaus nur um 0,2 Jahre gesunken sein sollte. Dies wäre nicht die Folge einer proportionalen Beteiligung der Altersgruppen innerhalb der einzelnen Vergleichsgruppen, sondern das betriebsweite arithmetische Ergebnis aus den verschiedenen Disproportionalitäten bei der Beteiligung der Altersgruppen an den Entlassungen. So waren von den 48 zu entlassenden Arbeitnehmern nur 39 überhaupt von der Altersgruppenbildung betroffen. Bei den übrigen neun Arbeitnehmern erfolgte keine Altersgruppenbildung, weil in deren Vergleichsgruppen jeweils entweder nur ein Arbeitnehmer oder alle Arbeitnehmer zu entlassen waren. In den acht Vergleichsgruppen, auf welche sich die 39 von der Altersgruppenbildung betroffenen Arbeitnehmer verteilten, waren zudem überwiegend jeweils nur drei und demnach weniger Arbeitnehmer zu entlassen, als Altersgruppen - fünf - zu bilden waren. Auch in der Vergleichsgruppe des Klägers war, wie ausgeführt, eine proportionale Berücksichtigung der Altersgruppen nicht möglich.

36

II. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Rechtsstreits gerichtet. Dieser ist rechtskräftig abgeschlossen.

37

III. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgelds in Höhe von 400,00 Euro für das Jahr 2009. Der Anspruch folgt aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. der im Aushang vom Dezember 2009 liegenden Gesamtzusage. Da der Kläger in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht, erfüllt er die darin genannten Voraussetzungen. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Zahlung mit der Abrechnung für November 2009 fällig wurde.

38

IV. Die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor     

        

        

        

    Beckerle    

        

    Torsten Falke     

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 14. August 2009 - 11 Sa 320/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf betriebliche Gründe gestützten Kündigung.

2

Die im Dezember 1971 geborene Klägerin war seit August 1999 bei der Beklagten als Produktionsmitarbeiterin tätig.

3

Die Beklagte stellt Tiernahrung her. In ihrem Werk E beschäftigte sie zu Mitte des Jahres 2008 242 Mitarbeiter, davon 168 gewerbliche Arbeitnehmer im Rahmen der Produktion und einige mehr in der Werkstatt, im Lagerbereich sowie in der Qualitätsprüfung.

4

Im Juli 2008 beschloss die Beklagte, im Produktionsbereich 31 Stellen abzubauen. Am 24. Juli 2008 vereinbarte sie mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste, einen Sozialplan und eine „Auswahlrichtlinie gem. § 95 BetrVG“. Die Namensliste enthält die Namen von 31 zu kündigenden Arbeitnehmern, darunter den der Klägerin. Nach § 1 des Interessensausgleichs beruht der Wegfall der Arbeitsplätze auf einer „Linienoptimierung“ in verschiedenen Bereichen der Produktion - dies betrifft elf Mitarbeiter -, auf einer „Maschinenlaufzeitreduzierung“ aufgrund einer „Volumenreduzierung im Trockenbereich“ - dies betrifft acht Mitarbeiter - und auf dem Wegfall zweier Produkte, womit die Stilllegung zweier Maschinen und die „Volumenreduktion“ einer weiteren Maschine begründet wird - dies betrifft zwölf Arbeitnehmer.

5

Gemäß Nr. 2 der Auswahlrichtlinie ist die soziale Auswahl in mehreren Stufen zu vollziehen. Zunächst ist eine Vergleichsgruppenbildung vorzunehmen. Insoweit verständigten sich die Betriebsparteien darüber, dass „alle gewerblichen Arbeitnehmer im Sinne der Sozialauswahl vergleichbar“ seien. Außerdem bildeten sie vier Altersgruppen: Lebensalter 25 bis 34 Jahre, 35 bis 44 Jahre, 45 bis 54 Jahre und über 55 Jahre. Die Belegschaft des gewerblichen Bereichs verteilte sich auf die Gruppen - aufsteigend - wie folgt: 23 %, 34 %, 32 %, 11 %. Daran anschließend ist nach der Richtlinie die - eigentliche - Sozialauswahl innerhalb der Altersgruppen nach einem Punkteschema durchzuführen. Dazu sind für die Betriebszugehörigkeit in den ersten zehn Dienstjahren je Dienstjahr ein Punkt, ab dem 11. Dienstjahr zwei Punkte (maximal 70 Punkte) und für jedes volle Lebensjahr ein Punkt (maximal 55 Punkte) in Ansatz zu bringen. Ferner sind für jedes unterhaltsberechtigte Kind (lt. Steuerkarte) vier Punkte, für den unterhaltsberechtigten Ehepartner vier Punkte und für alleinerziehende Mitarbeiter weitere vier Punkte anzurechnen. Die Schwerbehinderung ist bei einem GdB bis 50 mit fünf Punkten und bei jedem um zehn höheren Grad mit einem weiteren Punkt zu berücksichtigen.

6

Mit Schreiben vom 28. Juli 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien - nach Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung - zum 31. Oktober 2008.

7

Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat geltend gemacht, betriebliche Kündigungsgründe lägen nicht vor. Die im Interessenausgleich beschriebenen organisatorischen Maßnahmen seien nicht, jedenfalls nicht auf Dauer durchgeführt worden. Tatsächlich habe sich der Arbeitskräftebedarf im Jahr 2008 aufgrund der Einführung neuer Produkte sogar erhöht. Überdies beschäftige die Beklagte durchgängig eine Vielzahl von Leiharbeitnehmern. Bei den mit ihnen besetzten Arbeitsplätzen handele es sich um „freie“ Arbeitsplätze, die die Beklagte vorrangig mit Stammarbeitnehmern habe besetzen müssen. Die Sozialauswahl sei grob fehlerhaft. Entgegen den Vorgaben der Auswahlrichtlinie seien vergleichbare gewerbliche Arbeitnehmer, die im Lager, im Werkstattbereich und der Qualitätsprüfung beschäftigt seien, nicht in die Auswahl einbezogen worden. Die Altersgruppen seien willkürlich gewählt und auf ein bestimmtes Ergebnis der Sozialauswahl hin zugeschnitten.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 28. Juli 2008 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sie als Produktionsmitarbeiterin weiterzubeschäftigen;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.123,70 Euro brutto abzüglich 1.182,60 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung für sozial gerechtfertigt gehalten. Die Klägerin habe die nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG zu vermutende Betriebsbedingtheit der Kündigung nicht widerlegt. Die im Interessenausgleich dargestellten Maßnahmen, die auf einen Rückgang des Produktionsvolumens seit dem Jahr 2008 um mehr als 16 vH zurückzuführen seien, seien allesamt durchgeführt worden. Zwar habe sie die Herstellung der beiden im Interessenausgleich bezeichneten Produkte im Herbst des Jahres 2008 vorübergehend wieder aufgenommen. Dies sei jedoch auf einen nicht vorhersehbaren, temporären Produktionsengpass in einem französischen Schwesterwerk zurückzuführen gewesen; an ihrer Entscheidung, die Produktion der betreffenden Artikel in E dauerhaft einzustellen, habe sich dadurch nichts geändert. Leiharbeitnehmer beschäftige sie lediglich zur Abdeckung eines über das verbliebene Volumen von 137 Arbeitsplätzen hinausgehenden, nicht vorhersehbaren (Vertretungs-)Bedarfs. Sie sei nicht verpflichtet, eine eigene Personalreserve vorzuhalten. Die soziale Auswahl sei nicht zu beanstanden. Die außerhalb des Produktionsbereichs tätigen gewerblichen Arbeitnehmer verfügten über eine andere - zumeist technische - Ausbildung und seien mit der Klägerin nach arbeitsplatzbezogenen Kriterien nicht vergleichbar. Die Bildung von Altersgruppen sei legitim. Dadurch sei erreicht worden, die Altersstruktur im Produktionsbereich annähernd zu erhalten.

10

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung vom 28. Juli 2008 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst. Sie ist nicht sozialwidrig iSd. § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG.

12

I. Die Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen. Dies ist nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG jedenfalls zu vermuten, weil die Kündigung auf einer Betriebsänderung beruht und ihr ein Interessenausgleich mit Namensliste zugrunde liegt. Die Klägerin hat weder die gesetzliche Vermutung widerlegt, noch hat sie eine wesentliche Änderung der Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs iSv. § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG aufgezeigt.

13

1. Das Landesarbeitsgericht hat die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG als erfüllt angesehen, ohne dass die Revision hiergegen erhebliche Rügen erhoben hätte. Ein Rechtsfehler ist insoweit auch objektiv nicht zu erkennen.

14

a) Der Interessenausgleich vom 24. Juli 2008 sieht den Wegfall von 31 Arbeitsplätzen in „verschiedenen Bereichen der Produktion“ vor. Dies entspricht, bezogen auf die Gesamtzahl der im Betrieb E beschäftigten 242 Arbeitnehmer, einem Anteil von mehr als 10 vH der Belegschaft. Der Personalabbau, auf dem die Kündigung basiert, erfüllt damit die Voraussetzungen einer Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 1 BetrVG iVm. § 17 Abs. 1 KSchG, ohne dass es noch auf die beschlossenen Einzelmaßnahmen ankäme( vgl. BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 254/06 - Rn. 16, AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 12; 21. Februar 2002 - 2 AZR 581/00 - zu B I 3 a der Gründe, EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 10).

15

b) Die Klägerin ist in der dem Interessenausgleich beigefügten, mit diesem fest verbundenen Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich genannt. Ihre Rüge, die der Namensliste zugrunde liegende Altersgruppenbildung widerspreche dem Gesetz, lässt die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG unberührt. Die behauptete Rechtsverletzung führt nicht zur „Unwirksamkeit“ der Namensliste oder des Interessenausgleichs insgesamt (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 22; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; kritisch Temming Anm. zu BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182).

16

2. Die Klägerin hat die Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG nicht widerlegt.

17

a) Liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG vor, kann der Arbeitnehmer gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 292 ZPO vorbringen, dass in Wahrheit eine Möglichkeit, ihn zu beschäftigen, weiterhin besteht. Dazu ist ein substantiierter Tatsachenvortrag erforderlich, der den gesetzlich vermuteten Umstand nicht nur in Zweifel zieht, sondern ausschließt (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 37, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Der Arbeitnehmer muss darlegen, dass der Arbeitsplatz trotz der Betriebsänderung noch vorhanden ist oder er an anderer Stelle im Betrieb oder Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann. Aus § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO kann sich dabei eine Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers ergeben. Insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis von den maßgebenden Tatsachen besitzt, kann den Arbeitgeber eine (sekundäre) Darlegungslast treffen und die des Arbeitnehmers sich entsprechend mindern (BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 6. September 2007 - 2 AZR 715/06 - Rn. 38 mwN, BAGE 124, 48). Die Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung ist gleichwohl erst widerlegt, wenn der Arbeitnehmer substantiiert behauptet und im Bestreitensfall beweist, dass der nach dem Interessenausgleich in Betracht kommende betriebliche Grund in Wirklichkeit nicht vorliegt (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 17, aaO; 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 24, aaO).

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b) Diesen Anforderungen wird das klägerische Vorbringen nicht gerecht.

19

aa) Die Klägerin hat, was den Wegfall von Arbeitsplätzen durch „Linienoptimierung“ anbelangt, nicht bestritten, dass die Beklagte im Kündigungszeitpunkt endgültig und ernsthaft entschlossen war, die Maßnahme durchzuführen. Sie hat lediglich in Abrede gestellt, dass die Organisationsentscheidung auf Dauer durchzuhalten sei. Sie hat behauptet, die Beklagte habe zwar versucht, die Anzahl der an den einzelnen Maschinen beschäftigten Mitarbeiter zu reduzieren, es habe sich jedoch „schnell gezeigt“, dass die Maschinen mit weniger Personal nicht zu bedienen seien. Deshalb setze die Beklagte Mitarbeiter in unverändertem Umfang an den Linien ein.

20

(1) Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Vermutung des Interessenausgleichs zu widerlegen. Es trägt dem Prognosecharakter der Kündigung nur unzureichend Rechnung. Eine betriebsbedingte Kündigung ist nicht erst möglich, wenn der Arbeitsplatz tatsächlich nicht mehr zur Verfügung steht. Sie kann schon dann wirksam erklärt werden, wenn im Zeitpunkt ihres Zugangs die auf Tatsachen gestützte Vorausschau gerechtfertigt ist, dass jedenfalls zum Ablauf der Kündigungsfrist der die Entlassung erforderlich machende betriebliche Grund vorliegen wird (vgl. BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 268/08 - Rn. 18, BAGE 133, 240; 9. November 2006 - 2 AZR 509/05 - Rn. 72, BAGE 120, 115). Stellt sich eine im Kündigungszeitpunkt berechtigterweise entwickelte Vorstellung des Arbeitgebers, es fehle spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist an einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, nachträglich als unzutreffend heraus, lässt dies die Wirksamkeit der Kündigung grundsätzlich unberührt. Eine im Kündigungszeitpunkt nicht absehbare Veränderung der betrieblichen Verhältnisse kann allenfalls einen Wiedereinstellungsanspruch begründen (BAG 9. November 2006 - 2 AZR 509/05 - aaO). Die Klägerin hätte deshalb aufzeigen müssen, aufgrund welcher Umstände eine Prognose der Beklagten, die unstreitig beabsichtigte Linienoptimierung sei durchführbar, von vornherein unvernünftig gewesen sein soll. Ihr Vorbringen schließt stattdessen eine für die Beklagte nicht vorhersehbare, von deren Prognose nachträglich abweichende Entwicklung nicht aus.

21

(2) Unabhängig davon kann anhand des Vortrags der Klägerin nicht nachvollzogen werden, wie viele Arbeitnehmer vor und nach Ablauf der Kündigungsfrist auf welchen Linien tatsächlich zum Einsatz kamen. Ohne eine entsprechende Konkretisierung ist es nicht möglich festzustellen, ob der Beschäftigungsbedarf in dem fraglichen Bereich tatsächlich unverändert geblieben ist oder sich, wie von der Beklagten behauptet, dauerhaft um 31 Arbeitsplätze verringert hat. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe insoweit die Darlegungs- und Beweislast verkannt, ist angesichts der Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG unbegründet. Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, zu einer Substantiierung ihrer pauschalen Behauptungen nicht in der Lage zu sein.

22

bb) Das Landesarbeitsgericht hat die Anforderungen an die Darlegungslast der Klägerin nicht überspannt, soweit es der Auffassung war, diese habe einen Rückgang des Beschäftigungsbedarfs infolge der Reduzierung der Maschinenlaufzeit nicht widerlegt. Die Klägerin hat ausdrücklich zugestanden, dass es im Betrieb „zunächst“ zu einem Rückgang gekommen sei. Den Umstand, dass die beiden laut Interessenausgleich wegfallenden Produkte tatsächlich noch bis gegen Ende des Jahres 2008 im Werk E hergestellt wurden, hat die Beklagte mit vorübergehenden Produktionsengpässen in einem französischen Schwesterwerk erklärt, mit denen sie im Kündigungszeitpunkt nicht habe rechnen müssen. Dieser Behauptung ist die Klägerin ebenso wenig substantiiert entgegengetreten wie den Ausführungen der Beklagten, die betreffenden Produktionseinsätze hätten an ihrer - zwischenzeitlich endgültig umgesetzten - Entscheidung, die fraglichen Maschinen stillzulegen, nichts geändert.

23

cc) Die Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG ist auch nicht durch den unstreitigen Einsatz von Leiharbeitnehmern widerlegt. Das Vorbringen der Klägerin lässt nicht erkennen, dass diese die Arbeit gekündigter Stammarbeitnehmer übernommen hätten und deshalb bloße Austauschkündigungen vorlägen (vgl. dazu BAG 26. September 1996 - 2 AZR 200/96 - zu II 2 d der Gründe, BAGE 84, 209). Ebenso wenig hat sie das Vorhandensein „freier“ Arbeitsplätze iSd. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG aufgezeigt.

24

(1) Die Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG erstreckt sich nicht nur auf den Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten im bisherigen Arbeitsbereich des Arbeitnehmers, sondern auch auf das Fehlen der Möglichkeit, diesen anderweitig einzusetzen(BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 54, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16; 6. September 2007 - 2 AZR 715/06 - Rn. 18 mwN, BAGE 124, 48). Will der Arbeitnehmer sie widerlegen, muss er substantiiert aufzeigen, dass im Betrieb ein vergleichbarer Arbeitsplatz oder ein solcher zu schlechteren, aber zumutbaren Arbeitsbedingungen frei war. Als „frei” sind grundsätzlich nur solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind (BAG 2. Februar 2006 - 2 AZR 38/05 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 142 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 144).

25

(2) Ob die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern die Annahme rechtfertigt, im Betrieb oder Unternehmen des Arbeitgebers seien „freie“ Arbeitsplätze vorhanden, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

26

(a) Werden Leiharbeitnehmer lediglich zur Abdeckung von „Auftragsspitzen“ eingesetzt, liegt keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG vor. Der Arbeitgeber kann dann typischerweise nicht davon ausgehen, dass er für die Auftragsabwicklung dauerhaft Personal benötige. Es kann ihm deshalb regelmäßig nicht zugemutet werden, entsprechendes Stammpersonal vorzuhalten (vgl. BAG 17. März 2005 - 2 AZR 4/04 - zu B IV 2 d der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 71 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 58; Moll/Ittmann RdA 2008, 321, 324).

27

(b) An einem „freien“ Arbeitsplatz fehlt es in der Regel außerdem, soweit der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer als „Personalreserve“ zur Abdeckung von Vertretungsbedarf beschäftigt. Das gilt unabhängig von der Vorhersehbarkeit der Vertretungszeiten.

28

(aa) Es werden nicht „freie“ Arbeitsplätze iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG besetzt, wenn der Arbeitgeber einen etwa durch Krankheit oder Urlaub ausgelösten Vertretungsbedarf durch die (befristete) Einstellung von Arbeitnehmern abdeckt(BAG 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 154). Es bleibt der nur auf Missbrauch und Willkür überprüfbaren Entscheidung des Arbeitgebers überlassen, ob und für wie lange ein aus diesen Gründen vakanter Arbeitsplatz besetzt werden soll. Andernfalls könnte der Arbeitgeber gezwungen sein, mehr Arbeitsverhältnisse zu begründen, als er für zweckmäßig hält. Indessen ist es grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, das Verhältnis der Anzahl der Arbeitskräfte zum Volumen der anfallenden Arbeit zu bestimmen. Diese Grundsätze gelten nicht nur für krankheits- oder urlaubsbedingte Vertretungsfälle, sondern auch für längerfristig bestehende Vertretungszeiten wie die Elternzeit (vgl. BAG 1. März 2007 - 2 AZR 650/05 - aaO). Der Arbeitsplatz eines schon beschäftigten, aber verhinderten Arbeitnehmers ist selbst dann nicht „frei“, wenn es wahrscheinlich ist oder gar feststeht, dass der Mitarbeiter nicht auf ihn zurückkehren wird (vgl. BAG 2. Februar 2006 - 2 AZR 38/05 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 142 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 144).

29

(bb) Diese Überlegungen treffen gleichermaßen zu, wenn der Arbeitgeber zur Vertretung abwesender Stammarbeitnehmer auf den Einsatz von Leiharbeitnehmern zurückgreift. Diese werden auch dann nicht auf „freien“ Arbeitsplätzen beschäftigt, wenn der Vertretungsbedarf regelmäßig anfällt. Andernfalls bliebe der Arbeitgeber nicht frei in seiner Entscheidung, ob er Vertretungszeiten überhaupt und - wenn ja - für welchen Zeitraum überbrückt.

30

(c) Beschäftigt der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer dagegen, um mit ihnen ein nicht schwankendes, ständig vorhandenes (Sockel-)Arbeitsvolumen abzudecken, kann von einer alternativen Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG auszugehen sein, die vorrangig für sonst zur Kündigung anstehende Stammarbeitnehmer genutzt werden muss(vgl. HaKo-KSchR/Gallner 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 661; Simon/Greßlin BB 2007, 2454, 2456; zum uneinheitlichen Meinungsstand für den Fall, dass die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern auf einer konzeptionellen Entscheidung des Arbeitgebers beruht: ErfK/Oetker 11. Aufl. § 1 KSchG Rn. 275; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 134 Rn. 55; HaKo-KSchR/Gallner aaO; Reinhard in Thüsing/Laux/Lembke KSchG 2. Aufl. § 1 Rn. 739; Düwell/Dahl DB 2007, 1699; Gaul/Ludwig DB 2010, 2334; Hamann NZA 2010, 1211; Rost NZA Beil. 1/2009, 23, 26).

31

(3) Das Vorbringen der Klägerin ist nicht geeignet die Behauptung der Beklagten zu widerlegen, sie setze Leiharbeitnehmer ausschließlich zur Abdeckung von Auftragsspitzen oder zur Überbrückung von Vertretungszeiten ein.

32

(a) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weisen die von der Klägerin vorgelegten Personaleinsatzpläne erhebliche Schwankungen hinsichtlich der Zahl der „Aushilfen“ auf. Für einzelne Tage - sowohl vor als auch nach Zugang der Kündigung - beläuft diese sich auf „Null“ oder gar einen negativen Wert. Dies spricht nicht gegen, sondern für die Behauptung der Beklagten, sie setze Leiharbeitnehmer ausschließlich zur Abdeckung eines unsteten Arbeitskräftebedarfs ein. Die in der Personalplanung ausgewiesenen negativen Werte dürften zudem den Willen der Beklagten dokumentieren, bei Vertretungsbedarf vorrangig auf einen Arbeitskräfteüberhang aus dem Kreis der Stammbelegschaft zurückzugreifen.

33

(b) Die absolute Zahl eingeplanter Aushilfen mag - wie von der Klägerin behauptet - nach Ausspruch der Kündigung angestiegen sein. Auch dieser Umstand ist nicht geeignet, die Vermutungswirkung des Interessenausgleichs zu widerlegen. Die Beklagte hat ihn mit einer erhöhten Zahl von Krankheitsfällen und einem damit verbundenen Produktivitätseinbruch erklärt. Die Klägerin hat keine Umstände dargelegt, die geeignet wären, diese Behauptung zu widerlegen. Vielmehr indizieren ihre eigenen Berechnungen, dass es sich bei dem zusätzlichen Beschäftigungsbedarf nicht um „freie“ Kapazitäten iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG handelte. Hatte die Klägerin ursprünglich vorgetragen, die Beklagte benötige zur Aufrechterhaltung der Produktion durchgängig 134 Arbeitnehmer und unter Berücksichtigung der im Lager, Werkstattbereich und der Qualitätsprüfung eingesetzten Mitarbeiter sowie durchschnittlich anfallender Krankheits- und planbarer Urlaubszeiten weitere 35, so geht sie in der Revision für den Produktionsbereich von einem regelmäßigen Arbeitskräftebedarf von 126 Arbeitnehmern, für das Lager und die übrigen Bereiche von einem Bedarf von weiteren zehn und von einem zusätzlichen, auf Vertretungstätigkeiten entfallenden Bedarf von 23 Arbeitnehmern aus. Daraus lässt sich kein Beschäftigungsvolumen ableiten, das den im Interessenausgleich veranschlagten Bedarf von 137 Arbeitsplätzen überstiege. Das von der Klägerin zusätzlich ermittelte Beschäftigungsvolumen betrifft Vertretungstätigkeiten und damit gerade keine „freien“ Kapazitäten iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG. Die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen der Klägerin gehen zumindest mangels Entscheidungserheblichkeit ins Leere.

34

3. Die Klägerin hat keine wesentliche Änderung der Sachlage iSv. § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG aufgezeigt.

35

a) § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG erfasst nur solche Änderungen, die bis zum Zugang der Kündigung eingetreten sind. Bei späteren Änderungen kommt allenfalls ein - von der Klägerin hier nicht erhobener - Wiedereinstellungsanspruch in Betracht (BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 39/00 - zu II 3 der Gründe, EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 8). Die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe einige der aufgrund des Interessenausgleichs bereits erklärten Kündigungen „zurückgenommen“, nachdem mehrere, nicht in der Namensliste benannte Arbeitnehmer ihre Bereitschaft erklärt hätten, freiwillig aus dem Betrieb auszuscheiden, zielt auf eine solche spätere Änderung. Entsprechendes gilt für die Behauptung, bereits während des Laufs der Kündigungsfrist habe sich gezeigt, dass die der Betriebsänderung zugrunde liegenden Organisationsentscheidungen nicht durchführbar seien.

36

b) Selbst wenn die in Rede stehenden Aufhebungsverträge geschlossen worden wären, bevor der Klägerin ihre Kündigung zuging, läge darin kein Fall des § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG. Die Betriebsparteien haben die Möglichkeit einer einvernehmlichen „Trennung“ der Beklagten von Mitarbeitern, die nicht in der Namensliste genannt sind, unter § 2 des Interessenausgleichs bedacht und einer Regelung zugeführt. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage, von dem § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG ausgeht, scheidet dann aus(vgl. BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 20 f., AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17).

37

II. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 3, Abs. 5 Satz 2 KSchG. Ein grober Auswahlfehler liegt nicht vor. Die für die Kündigung mitursächliche Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl ist mit nationalem Recht und mit Unionsrecht zu vereinbaren.

38

1. Aufgrund der namentlichen Nennung der Klägerin in der Namensliste des Interessenausgleichs vom 24. Juli 2008 kann die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Dieser Prüfungsmaßstab gilt nicht nur für die Auswahlkriterien und relative Gewichtung selbst. Auch die Bildung der auswahlrelevanten Arbeitnehmergruppe kann gerichtlich nur auf grobe Fehler überprüft werden (st. Rspr., BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 551/08 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 21; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 60, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16).

39

2. Die Sozialauswahl ist grob fehlerhaft, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede soziale Ausgewogenheit vermissen lässt (BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 3. April 2008 - 2 AZR 879/06 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 17 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 15). Dabei muss sich die getroffene Auswahl mit Blick auf den klagenden Arbeitnehmer im Ergebnis als grob fehlerhaft erweisen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 22). Nicht entscheidend ist, ob das gewählte Auswahlverfahren als solches zu Beanstandungen Anlass gibt (BAG 1 0. Juni 2010 - 2 AZR 420/09 - aaO; 18. Oktober 2006 - 2 AZR 473/05 - Rn. 23, BAGE 120, 18).

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3. Ein evidenter Auswahlfehler liegt hier nicht deshalb vor, weil die Beklagte gewerbliche Arbeitnehmer, die im Lager, im Werkstattbereich und in der Qualitätsprüfung beschäftigt sind, nicht in die Auswahlentscheidung einbezogen hat. Dadurch wurde der auswahlrelevante Personenkreis nicht grob verkannt.

41

a) Der Arbeitgeber hat in die Sozialauswahl diejenigen Arbeitnehmer einzubeziehen, die miteinander vergleichbar sind. Dies sind Arbeitnehmer, die nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse sowie nach dem Inhalt der von ihnen vertraglich geschuldeten Aufgaben austauschbar sind (st. Rspr., BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 64, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16; 2. Juni 2005 - 2 AZR 480/04 - zu B I 4 a aa der Gründe, BAGE 115, 92). Es geht darum, ob der unmittelbar kündigungsbedrohte Arbeitnehmer den fortbestehenden Arbeitsplatz desjenigen Arbeitnehmers übernehmen kann, den er für sozial weniger schützenswert hält und dessen Arbeitsverhältnis nicht gekündigt werden soll (BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - aaO mwN).

42

b) Die Beklagte hat ihre Auskunftspflicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KSchG - die auch in den Fällen des § 1 Abs. 5 KSchG besteht(vgl. BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 31, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 21. Februar 2002 - 2 AZR 581/00 - zu B I 5 b der Gründe, EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 10) - erfüllt. Sie hat anhand vorgelegter Auswahllisten mitgeteilt, welche Arbeitnehmer mit welchen Sozialdaten sie bei der Auswahlentscheidung berücksichtigt hat. Mit Blick auf die gewerblichen Mitarbeiter, die in den Listen nicht aufgeführt sind, hat sie vorgetragen, diese verfügten über eine Ausbildung als Schlosser oder Elektriker. Ihre Arbeitsaufgabe bestehe darin, die im Produktionsbereich eingesetzten Maschinen zu reparieren, und nicht darin, sie zu bedienen, wie es Aufgabe der Klägerin sei. Die Klägerin sei als Fachkraft für Lebensmitteltechnik nicht vergleichbar technisch geschult und nicht in der Lage, Störungen der Maschinen selbständig zu beheben.

43

c) Mit diesen Gesichtspunkten, die gegen eine arbeitsplatzbezogene Austauschbarkeit sprechen, hat sich die Klägerin nicht näher auseinandergesetzt. Sie hat sich ausschließlich auf die in der Auswahlrichtlinie getroffene Vereinbarung zur Vergleichsgruppenbildung berufen. Die Betriebsparteien hätten sich darin verbindlich über eine Vergleichbarkeit sämtlicher im Betrieb beschäftigter gewerblicher Arbeitnehmer verständigt. Damit hat die Klägerin eine grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl nicht dargelegt.

44

aa) Gewerbliche Arbeitnehmer, die in anderen Bereichen als der eigentlichen Produktion beschäftigt sind, werden von der fraglichen Vergleichsgruppenregelung nicht erfasst. Das ergibt die Auslegung der Vereinbarung. Ihr liegt - wie unter Nr. 2 der Richtlinie festgehalten - die Einschätzung der Betriebsparteien zugrunde, alle Mitarbeiter „im gewerblichen Bereich“ verfügten über eine „prinzipiell vergleichbare Qualifikation“, an die Arbeitsplätze des betreffenden Bereichs seien „vergleichbare Anforderungen“ zu stellen. Angesichts des unter Nr. 1 bestimmten Anwendungsbereichs der Richtlinie, der sich ausdrücklich nur auf solche Kündigungen erstreckt, die „in Umsetzung der Personalanpassungsmaßnahme 2008 durchgeführt werden“, ist damit unter dem für die Vergleichsgruppenbildung maßgebenden „gewerblichen Bereich“ der eigentliche Bereich der Produktion zu verstehen. Allein in diesem sollte laut § 1 des Interessenausgleichs vom 24. Juli 2008 der Personalabbau durchgeführt werden. Für dieses Verständnis spricht ferner der Umstand, dass die Betriebsparteien beim zeitgleichen Abschluss des Interessenausgleichs in diesen und die zu ihm erstellte Namensliste nur Arbeitsplätze in bzw. Namen von Mitarbeitern aus der Produktion aufgenommen haben. Ersichtlich haben sie nur diese als Arbeitsplätze im „gewerblichen Bereich“ iSd. Auswahlrichtlinie angesehen.

45

bb) Im Übrigen läge auch dann kein grober Fehler bei der Sozialauswahl vor, wenn die Auswahlrichtlinie in dem von der Klägerin befürworteten Sinne zu verstehen wäre. Zwar hätten dann auf ihrer Grundlage noch weitere Mitarbeiter in die Sozialauswahl einbezogen werden müssen. Es bleibt den Betriebsparteien aber grundsätzlich unbenommen, Vereinbarungen über die personelle Auswahl bei späterer oder schon bei zeitgleicher Gelegenheit - etwa bei Abschluss eines Interessenausgleichs und Erstellung einer Namensliste - wieder abzubedingen. Setzen sie sich in einem bestimmten Punkt gemeinsam über eine Auswahlrichtlinie hinweg, lässt dies die Maßgeblichkeit der Namensliste zumindest dann unberührt, wenn Interessenausgleich und Auswahlrichtlinie von denselben Betriebsparteien herrühren (vgl. Lingemann/Rolf NZA 2005, 264, 268; wohl auch Berkowsky Betriebsbedingte Kündigung 6. Aufl. S. 213). Im Übrigen sind die Betriebsparteien im Rahmen von § 1 Abs. 4 KSchG nicht berechtigt, den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer abweichend vom Gesetz zu bestimmen(BAG 15. Juni 1989 - 2 AZR 580/88 - zu B II 2 e bb der Gründe, BAGE 62, 116; ErfK/Oetker 11. Aufl. § 1 KSchG Rn. 359; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 696; Eylert in Schwarze/Eylert/Schrader KSchG § 1 Rn. 493). Die Klägerin hätte deshalb Tatsachen darlegen müssen, aus denen sich bei objektiver Betrachtung ergibt, dass sie mit den außerhalb des Produktionsbereichs beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmern vergleichbar war. Dem genügt ihr Vorbringen nicht, zumal sie insoweit eine „grobe Fehlerhaftigkeit“ iSv. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG hätte aufzeigen müssen.

46

4. Die der Namensliste zugrunde liegende soziale Auswahl ist auch im Hinblick auf das ihr zugrunde liegende „Punktesystem“ und die Altersgruppenbildung nicht zu beanstanden. Zwar kann die Bildung von Altersgruppen dazu führen, dass Arbeitnehmer gekündigt werden, die bei einer allein an § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG orientierten Sozialauswahl nicht zur Entlassung angestanden hätten. Diskriminierungsverbote werden dadurch aber nicht verletzt.

47

a) Die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gelten auch für den Ausspruch von Kündigungen. Sie sind im Rahmen der Prüfung der Rechtfertigung der Kündigung zu beachten. Eine Kündigung kann sozialwidrig sein, weil sie gegen ein im AGG näher ausgestaltetes Benachteiligungsverbot verstößt (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 28 ff., BAGE 128, 238). § 2 Abs. 4 AGG steht dem nicht entgegen. Die Norm zielt darauf ab, den Diskriminierungsverboten in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht bei Kündigungen dadurch Geltung zu verschaffen, dass sie im Rahmen der Regelungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz berücksichtigt werden (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 40, aaO).

48

b) Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist das Lebensalter trotz des Verbots der Altersdiskriminierung neben den weiteren in der Bestimmung angeführten Kriterien bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen. Das führt zwar in der Tendenz zu einer Bevorzugung älterer und unmittelbaren Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer. Diese Ungleichbehandlung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG ist aber sowohl durch § 10 Satz 1, Satz 2 AGG als auch durch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1, Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf gerechtfertigt (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 43 ff., BAGE 128, 238). Durch eine von § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ermöglichte Bildung von Altersgruppen wiederum wird die andernfalls linear ansteigende Gewichtung des Lebensalters unterbrochen und zugunsten jüngerer Arbeitnehmer relativiert. Auch diese Methode der Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl ist - sofern sie nicht willkürlich oder tendenziös auf bestimmte Personen zielend erfolgt - mit AGG und Unionsrecht zu vereinbaren. Beides vermag der Senat ohne Vorabentscheidungsersuchen nach § 267 Abs. 3 AEUV zu entscheiden. Das für die Beurteilung der Vereinbarkeit des Regelungskomplexes der Sozialauswahl mit Unionsrecht maßgebliche Verständnis von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG ist durch die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt.

49

aa) Gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind; unter legitimen Zielen sind dabei insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie können derartige Ungleichbehandlungen die Festlegung besonderer Bedingungen für die Entlassung einschließen, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen und älteren Arbeitnehmern zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen. Die Mitgliedstaaten und ggf. die Sozialpartner auf nationaler Ebene haben sowohl bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel sie im Bereich der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik verfolgen wollen, als auch bei der Festlegung von Maßnahmen zu seiner Erreichung einen weiten Ermessensspielraum (EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 33, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 17 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 17; 12. Oktober 2010- C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 41, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 9; 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 63, Slg. 2005, I-9981). Dieser Spielraum darf allerdings nicht dazu führen, dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters ausgehöhlt wird (vgl. EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 33, aaO; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 51, Slg. 2009, I-1569).

50

Die Prüfung, ob eine nationale Regelung einem rechtmäßigen Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG dient, obliegt den Gerichten der Mitgliedstaaten. Gleiches gilt für die Frage, ob der nationale Gesetz- und Verordnungsgeber angesichts des bestehenden Ermessensspielraums davon ausgehen durfte, dass die gewählten Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich sind (EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 49 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 12. April 2011 - 1 AZR 743/09 - Rn. 16, EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 42).

51

bb) Der Gerichtshof hat darauf erkannt, dass legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung solche aus dem Bereich „Sozialpolitik“ sind (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 81, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 23 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22; 18. Juni 2009 - C-88/08 - [Hütter] Rn. 41, Slg. 2009, I-5325; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569; vgl. auch BVerfG 24.Oktober 2011 - 1 BvR 1103/11 - Rn. 15, NZA 2012, 202). Ziele, die als „rechtmäßig“ iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden können, stehen als „sozialpolitische Ziele“ im Allgemeininteresse. Dadurch unterscheiden sie sich von Zielen, die im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Freilich ist es nicht ausgeschlossen, dass eine nationale Vorschrift bei der Verfolgung der genannten sozialpolitischen Ziele den Arbeitgebern einen gewissen Grad an Flexibilität einräumt (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 52, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 21 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, aaO). Eine nationale Regelung, die das mit ihr angestrebte Ziel nicht genau angibt, ist nicht allein deshalb von einer Rechtfertigung nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG ausgeschlossen. Fehlt es an einer solchen Angabe, ist es allerdings wichtig, dass andere, aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter ihr stehenden Ziels ermöglichen, damit dessen Rechtmäßigkeit sowie die Angemessenheit und Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüft werden können (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39, aaO; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 58, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 9).

52

cc) Danach durften die Betriebsparteien das Lebensalter bei der Sozialauswahl durch die Bildung und sodann im Rahmen von Altersgruppen berücksichtigen. Die dem zugrunde liegenden Bestimmungen in § 1 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 KSchG sind unionsrechtskonform.

53

(1) Die durch § 1 Abs. 3 KSchG vorgegebene Einbeziehung des Lebensalters in die Sozialauswahl verfolgt ein im Allgemeininteresse liegendes legitimes Ziel aus dem Bereich der Sozialpolitik iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG. Ältere Arbeitnehmer, die wegen ihres Alters typischerweise schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, sollen bei einer betrieblich veranlassten Kündigung stärker geschützt werden (EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 60, Slg. 2005, I-9981; BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 44, BAGE 128, 238). Diesen Zweck hat der Gesetzgeber zwar nicht unmittelbar in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG formuliert. Er kam aber deutlich in der für eine Übergangszeit (bis zu ihrer Aufhebung durch das Gesetz zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006, BGBl. I S. 2742) geltenden Regelung des § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG aF zum Ausdruck. Danach sollte eine Berücksichtigung des Alters bei der Sozialauswahl zulässig sein, sofern über die Auswahl „insbesondere die Chancen auf dem Arbeitsmarkt entscheiden“. Das lässt den Schluss zu, dass der Gesetzgeber das Lebensalter - jedenfalls im Zusammenhang mit einer durchzuführenden Sozialauswahl - als abstrakten Maßstab für die Vermittlungschancen der Beschäftigten nach einer Kündigung verstanden wissen will.

54

(2) Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angemessen und erforderlich.

55

(a) Die Berücksichtigung des Lebensalters als Sozialdatum ist zur Einbeziehung individueller Arbeitsmarktchancen geeignet und erforderlich. Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich (BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 46, BAGE 128, 238).

56

(aa) Dass die Chancen auf dem Arbeitsmarkt auf diese Weise typisierend und nicht individuell berücksichtigt werden, ist letztlich unvermeidbar. Jede Aussage über sie muss sich an Wahrscheinlichkeiten orientieren, die ihrerseits nicht ohne Berücksichtigung von Erfahrungswerten ermittelt werden können. Nach aller Erfahrung sinken mit steigendem Lebensalter die Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt. Diese Einschätzung des Gesetzgebers, die sowohl § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG als auch dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) zugrunde liegt und an die die Berücksichtigung des Lebensalters im Rahmen kollektiver Vereinbarungen gleichermaßen anknüpft, ist empirisch nicht zu bestreiten (vgl. dazu BAG 12. April 2011 - 1 AZR 764/09 - Rn. 23, EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 44: für die Altersgruppenbildung in einem im Jahr 2007 abgeschlossenen Sozialplan; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 10 Rn. 45a). Soweit hiergegen Bedenken erhoben wurden (Kaiser/Dahm NZA 2010, 473; Körner NZA 2008, 497), überzeugen diese im Ergebnis nicht. Sie stützen sich im Wesentlichen auf die Erwerbsbeteiligungsquote in der Gruppe der Menschen über 50 Jahre und auf eine mit anderen Altersgruppen vergleichbare Dauer der Erwerbslosigkeit. Für die Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl kommt es aber nicht auf die allgemeine Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer an, sondern darauf, wie ihre Aussichten sind, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, wenn sie den bisherigen im vorgerückten Alter verlieren (Hanau ZIP 2011, 1, 3). Hierüber gibt die Erwerbstätigenquote keinen hinreichenden Aufschluss. Darüber hinaus hängen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt häufig mit der Flexibilität des Arbeitssuchenden zusammen. Älteren Arbeitnehmern bereitet ein Arbeitsplatzwechsel mit den damit verbundenen Folgen erfahrungsgemäß mehr Schwierigkeiten als jüngeren. Selbst bei einer individuellen Chancenbewertung könnte dieser Umstand nicht außer Betracht bleiben (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 46 mwN, BAGE 128, 238).

57

(bb) Die Maßnahmen zur Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit Älterer im Arbeitsförderungsrecht (vgl. § 421f SGB III) und das an Arbeitgeber gerichtete Verbot aus § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 7, § 1 AGG, bei Einstellungen sachwidrig nach dem Alter zu differenzieren, stellen gegenüber der Einbeziehung des Lebensalters in die Sozialauswahl kein milderes Mittel dar. Entsprechende Förder- bzw. Rechtsschutzmöglichkeiten helfen nicht darüber hinweg, dass älteren Arbeitnehmern tendenziell weniger Vertrauen in ihre Leistungsfähigkeit entgegengebracht wird. Sie sind nicht in gleicher Weise wie ein präventiv wirkender Kündigungsschutz geeignet, die faktisch ungünstigere Situation älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen (vgl. ErfK/Oetker 11. Aufl. § 1 KSchG Rn. 332; Groß Die Rechtfertigung einer Altersdiskriminierung auf der Grundlage der Richtlinie 2000/78/EG S. 132).

58

(cc) Die mit der Berücksichtigung des Lebensalters einhergehende Ungleichbehandlung ist nicht deshalb generell unangemessen, weil neben sie noch das Auswahlkriterium der Dauer der Betriebszugehörigkeit tritt (MünchKommBGB/Thüsing 5. Aufl. § 10 AGG Rn. 48; Jacobs/Krois Anm. zu BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 82; v. Hoff SAE 2009, 293, 296; aA wohl v. Roetteken AGG Stand 2009 § 10 Rn. 271). Zwar begünstigt auch dieses Kriterium tendenziell ältere Arbeitnehmer. Dies ist aber angesichts des mit ihm verfolgten rechtmäßigen Ziels, die Betriebstreue des Arbeitnehmers zu honorieren, sachlich gerechtfertigt. Die Berücksichtigung der Beschäftigungszeit führt damit auch im Zusammenhang mit betriebsbedingten Kündigungen nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer (für verhaltensbedingte Kündigungen vgl. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 24 ff., EzA BGB 2002 § 626 Nr. 38). Die Kumulation beider Kriterien kann zwar in Einzelfällen den Schutz älterer Arbeitnehmer verstärken. Eine solche Folge ist aber keineswegs zwingend. Vielmehr kann umgekehrt das Kriterium der Betriebszugehörigkeit das Gewicht des Kriteriums des Lebensalters sogar relativieren, wenn jüngere Arbeitnehmer über eine längere Zeit der Betriebszugehörigkeit verfügen als ältere Mitarbeiter.

59

(b) In gleicher Weise angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist die Relativierung der Bedeutung des Kriteriums des Lebensalters durch die Bildung von Altersgruppen.

60

(aa) § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ermöglicht dem Arbeitgeber - und über § 1 Abs. 4, Abs. 5 KSchG den Betriebsparteien - im berechtigten betrieblichen Interesse, zu dem auch dasjenige an der „Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur“ zählt, bestimmte Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl herauszunehmen. Danach ist es zulässig, dass der Arbeitgeber innerhalb des zur Sozialauswahl anstehenden Personenkreises nach sachlichen Kriterien Altersgruppen bildet, die prozentuale Verteilung der Belegschaft auf die Altersgruppen feststellt und die Gesamtzahl der auszusprechenden Kündigungen diesem Proporz entsprechend auf die einzelnen Altersgruppen verteilt - mit der Folge, dass sich die Sozialauswahl iSv. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nur innerhalb der Gruppen vollzieht und sich der Anstieg des Lebensalters nur innerhalb der jeweiligen Altersgruppe auszuwirken vermag(grundlegend BAG 23. November 2000 - 2 AZR 533/99 - zu B III 4 der Gründe, BAGE 96, 306; seither st. Rspr., vgl. 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 12 ff., AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 184 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 83; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 53, BAGE 128, 238). Das kann bewirken, dass einem Arbeitnehmer, der wegen seines höheren Lebensalters in eine höhere Altersgruppe fällt, zu kündigen ist, während ein jüngerer Arbeitnehmer mit ansonsten gleichen Sozialdaten allein durch die Zuordnung zu der anderen Altersgruppe seinen Arbeitsplatz behält.

61

(bb) Die nach nationalem Recht zulässige Altersgruppenbildung dient auf diese Weise der Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur in den Betrieben, dient damit zugleich der Beteiligung aller Generationen und Lebensalter an den notwendig gewordenen Entlassungen, verhindert die einseitige Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer und sichert deren berufliche Eingliederung. Sie erhält eine vorhandene Mischstruktur und einen Erfahrungsaustausch in den Betrieben, bewirkt eine Vielfalt auch auf dem Arbeitsmarkt und dient damit - alle Aspekte gemeinsam betrachtet - einem legitimen sozialpolitischen Ziel.

62

(aaa) Die unterschiedlichen Vorzüge des jeweiligen Alters können im Betrieb nur dann erfolgreich ausgenutzt werden, wenn langfristig Arbeitnehmer verschiedener Lebensalter zusammenwirken. Unter diesem Aspekt dient die Altersgruppenbildung zwar auch den - durch Art. 2 Abs. 1, Art. 12 GG verfassungsrechtlich geschützten - Wettbewerbsinteressen des jeweiligen Unternehmens(vgl. BT-Drucks. 15/1204 S. 9). Gleichwohl liegt der Erhalt einer ausgewogenen Altersstruktur nicht etwa ausschließlich im individuellen Arbeitgeberinteresse (aA wohl Däubler/Bertzbach/Brors AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 109 ff.). Die aufgezeigten Vorteile einer altersgemischten Struktur liegen vielmehr mit Blick auf die Förderung des Erfahrungsaustauschs und der Innovation in den Betrieben sowohl im Interesse der Gesamtbelegschaft (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238; eingehend Spinner RdA 2008, 153, 159) als auch im Interesse der Allgemeinheit insofern, als leistungsfähige Betriebe und Unternehmen in ihrer Gesamtheit zu den Grundlagen eines funktionierenden Wirtschaftssystems gehören (vgl. Fahrig DB 2010, 1460, 1461; Gaul/Niklas NZA-RR 2009, 457, 462; Temming Anm. zu BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182; Thüsing ZESAR 2010, 285, 287; Groß Die Rechtfertigung einer Altersdiskriminierung auf der Grundlage der Richtlinie 2000/78/EG S. 137 f.). Für die Funktionsfähigkeit der Bereiche der Lehre und Forschung und des öffentlichen Dienstes hat der Gerichtshof dies anerkannt. Er hat in der Zusammenarbeit verschiedener Generationen einen Beitrag zur Qualität der ausgeübten Tätigkeiten, insbesondere durch die Förderung des Erfahrungsaustauschs erblickt und darin ein legitimes Ziel der Sozial- oder Beschäftigungspolitik gesehen (EuGH 18. November 2010 - C-250/09 ua. - [Georgiev] Rn. 46, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 19 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 18; 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 49 ff., AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 21 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20). Für den Bereich der Privatwirtschaft gilt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nichts grundlegend anderes (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 43 ff., AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 9). Auch soweit der Erhalt einer ausgewogenen Altersstruktur in den Betrieben den Bestand privatwirtschaftlicher Unternehmen zum Wohl aller am Wirtschaftsleben Teilhabenden sichern will, dient er einem im Allgemeininteresse liegenden legitimen Ziel.

63

(bbb) Unabhängig davon steht die Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht für sich, sondern ist eingebettet in das Gesamtkonzept der Sozialauswahl(Stenslik Anm. zu BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182; Thüsing ZESAR 2010, 285, 287). Während § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG den mit steigendem Lebensalter regelmäßig sinkenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt Rechnung trägt, wirkt die durch § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ermöglichte Altersgruppenbildung der damit verbundenen Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer entgegen. Das Ziel, ältere Arbeitnehmer zu schützen, und das Ziel, die Eingliederung jüngerer Arbeitnehmer in das Erwerbsleben sicherzustellen, werden so zu einem angemessenen Ausgleich gebracht. Dies dient der sozialpolitisch erwünschten Generationengerechtigkeit und der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung und stimmt mit dem Erwägungsgrund 25 der Richtlinie 2000/78/EG überein (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 63 bis 65 mwN, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 21 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20; 12. Januar 2010 - C-341/08 - [Petersen] Rn. 68, Slg. 2010, I-47; v. Hoff SAE 2009, 293, 297; Linsenmaier RdA Sonderbeil. 5/2003, 22, 29). Zugleich hindert die Altersgruppenbildung sowohl zugunsten einer angemessenen Verteilung der Berufschancen jüngerer und älterer Arbeitnehmer als auch im Interesse der Funktionsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme, dass eine Vielzahl von Personen gleichen Alters zur gleichen Zeit auf den Arbeitsmarkt drängt (vgl. Fahrig BB 2010, 2569, 2571; Gaul/Niklas NZA-RR 2009, 457, 462; Linsenmaier aaO). Auch bei diesen Belangen handelt es sich um legitime Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik und Arbeitsmarkt iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1, Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG.

64

(cc) Näherer Erörterungen dazu, in welchem Rangverhältnis hinsichtlich Priorität und inhaltlichen Gewichts die mit dem Regelungskomplex der Sozialauswahl verfolgten Allgemeininteressen zu den gleichzeitig betroffenen individuellen Arbeitgeberinteressen stehen, bedarf es nicht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann ein Ziel auch dann iSv. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG legitim sein, wenn neben ihm zugleich ein anderes verfolgt wird. Die Ziele können dabei zusammenhängen oder hierarchisch geordnet sein (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 44, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 21 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20).

65

(dd) Die Altersgruppenbildung ist ein angemessenes und erforderliches Mittel, um im Zusammenhang mit Entlassungen eine ausgewogene Altersstruktur zu erhalten. Ein milderes Mittel, den Schutz älterer Arbeitnehmer vor Arbeitslosigkeit und schützenswerte Interessen jüngerer Arbeitnehmer an Teilhabe am Berufsleben in wirtschaftlich prekären Situationen in einen angemessen Ausgleich zu bringen, ist bei der gebotenen typisierenden Betrachtung nicht ersichtlich. Es ist auch nicht unangemessen oder widersprüchlich, dass der Gesetzgeber in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG die Bildung von Altersgruppen nicht zwingend vorschreibt, sondern sowohl hinsichtlich des „Ob“ als auch des „Wie“ der Gruppenbildung dem Arbeitgeber - ggf. gemeinsam mit dem Betriebsrat - ein Beurteilungs- und Gestaltungsermessen einräumt. Inwieweit Kündigungen Auswirkungen auf die Altersstruktur des Betriebs haben und welche Nachteile sich daraus ergeben, hängt von den betrieblichen Verhältnissen ab und kann nicht abstrakt für alle denkbaren Fälle beschrieben werden. Dementsprechend muss der Arbeitgeber, wenn er sich auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berufen will, zu diesen Auswirkungen und möglichen Nachteilen konkret vortragen(BAG 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 184 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 83). Jedenfalls wenn die Anzahl der Entlassungen innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer im Verhältnis zur Anzahl aller Arbeitnehmer des Betriebs die Schwellenwerte des § 17 KSchG erreicht, kommen ihm dabei Erleichterungen zugute; in diesem Fall ist ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Beibehaltung der Altersstruktur - widerlegbar - indiziert (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 468/08 - Rn. 24, aaO; 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238).

66

c) Die im Streitfall der Namensliste zugrunde liegende Punktetabelle und Altersgruppenbildung begegnen auch in ihrer konkreten Ausgestaltung keinen durchgreifenden Bedenken.

67

aa) Die nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorzusehenden sozialen Gesichtspunkte sind bei der Auswahl berücksichtigt worden. Die in der Punktezuteilung in Nr. 2 der Auswahlrichtlinie zum Ausdruck kommende Gewichtung der Sozialdaten ist in sich ausgewogen und verleiht keinem einzelnen Sozialdatum ein unangemessenen hohes und dadurch in der Regel ausschlaggebendes Gewicht. So ist etwa die Beschäftigungszeit ab dem 11. Dienstjahr mit zwei Punkten gegenüber dem Lebensalter stärker gewichtet. Auch berücksichtigt die Zuteilung von jeweils vier Punkten für jedes unterhaltsberechtigte Kind und unterhaltsberechtigte Ehepartner hinreichend die typischen Interessen junger Familien (ähnlich BAG 12. März 2009 - 2 AZR 418/07 - Rn. 41 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 97 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 17).

68

bb) Ob die Betriebsparteien berechtigt waren, die Berücksichtigung von Unterhaltspflichten gegenüber Kindern von einer entsprechenden Eintragung in die Lohnsteuerkarte abhängig zu machen (zur Problematik BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 405/06 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 96; 6. Juli 2006 - 2 AZR 520/05 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 80 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 68; Spinner RdA 2008, 153, 156), kann hier dahinstehen. Selbst wenn zu Lasten der Klägerin und entgegen § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG, der auf objektiv bestehende familienrechtliche Unterhaltspflichten abstellt, ein Kind unberücksichtigt geblieben sein sollte, führte dies nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Bei Berücksichtigung eines weiteren Kindes hätte die Klägerin eine lediglich marginal höhere Gesamtpunktzahl erreicht als der erste nicht gekündigte Arbeitnehmer. Nach Maßgabe von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG wären die Auswahlkriterien weiterhin „ausreichend“ berücksichtigt. Die Klägerin erhebt gegen diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts in der Revision keine Einwände mehr.

69

cc) Die Art der Altersgruppenbildung erweist sich als angemessen und erforderlich. Wie anhand der vorgelegten Auswahllisten nachzuvollziehen, hätte die Beklagte ohne die Altersgruppenbildung mehr als die Hälfte ihres Personalbestands in der Gruppe der 25 bis 35 Jahre alten Arbeitnehmer eingebüßt. Im Altersbereich bis zu 30 Jahren hätte die Belegschaft fast keine Mitglieder mehr gehabt. Die Betriebsparteien haben die Altersgruppen beginnend mit dem Alter von 25 Jahren in Zehn-Jahres-Schritten gebildet und daran ausgerichtet den bisherigen Altersaufbau der Belegschaft im Produktionsbereich berücksichtigt. Den Darlegungen der Klägerin ist nicht zu entnehmen, dass dabei vergleichbare Arbeitnehmer außer Betracht gelassen worden wären. Die Beteiligung der Altersgruppen an der Gesamtzahl der Kündigungen hatte nach der Auswahlrichtlinie gleichmäßig-proportional zu erfolgen. Dass hiervon abgewichen worden wäre, ist nicht ersichtlich. Anhaltspunkte, die den Schluss zuließen, es sei der Beklagten darum gegangen, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, liegen nicht vor. Eines näheren Vorbringens der Beklagten zu den betrieblichen Nachteilen einer ohne Altersgruppenbildung durchgeführten Sozialauswahl bedurfte es angesichts der Anzahl der Entlassungen nicht.

70

III. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung für den Monat November 2008. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 28. Juli 2008 mit Ablauf des 31. Oktober 2008 aufgelöst worden.

71

IV. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzverfahrens ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Der Rechtsstreit ist abgeschlossen.

72

V. Als unterlegene Partei hat die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Perreng    

        

    Sieg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 5. Juni 2014 - 3 Sa 123/13 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 23. Januar 2013 - 11 Ca 191/12 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.

2

Die 1955 geborene Klägerin ist Facharbeiterin für Schreibtechnik und besitzt den Abschluss als Sekretärin. Sie ist seit 1992 mit 25 Wochenstunden bei der beklagten Stadt beschäftigt, nach § 1 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 8. November 1993 als „Angestellter“. In § 5 des Arbeitsvertrags heißt es:

        

„Der Arbeitnehmer erhält gemäß § 22 BAT-O die Vergütungsgruppe VII.“

3

Tatsächlich wurde die Klägerin als Schreibkraft im Umweltamt eingesetzt. Die Vergütung erfolgte zunächst aus Vergütungsgruppe (VG) VII, nach Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses in den TVöD-VKA aus Entgeltgruppe (EG) 5.

4

Im September 2009 beanstandete der Landesrechnungshof die Bewertung der Schreibkraftstellen bei der Beklagten mit EG 5 und bat um „korrigierende Rückgruppierung“. Die Beklagte sah mit dem Stellenplan für das Jahr 2010 eine Bewertung der meisten Schreibkraftstellen mit EG 3 (vormals VG VIII) vor. Mit Schreiben vom 1. September 2009 teilte sie der Klägerin Folgendes mit:

        

Eingruppierungsüberprüfung

        

…,    

        

im Zuge der letzten Eingruppierungsüberprüfung wurde festgestellt, dass Ihre Stelle zu hoch eingruppiert wurde.

        

Seit Ausführung Ihrer Tätigkeit als Schreibkraft wird Ihnen hierfür Entgelt entsprechend der Eingruppierung in Vergütungsgruppe VII (EG 5) gewährt, auf welche Sie jedoch nach geltenden Tarifvorschriften keinen Anspruch haben.

        

Nach Prüfung einer eventuell anstehenden Herabgruppierung in die richtige Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe möchte ich Ihnen gerne folgendes erläutern.

        

Wie oben bereits erwähnt, haben Sie nach Überprüfung der Eingruppierung Ihrer Stelle als Schreibkraft nur einen Anspruch auf Eingruppierung nach Vergütungsgruppe VIII (EG 3). Dies hängt mit einer irrtümlich fehlerhaften Eingruppierung seitens des Arbeitgebers zusammen.

        

Auch wenn der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt ist, eine irrtümlicherweise vorgenommene Eingruppierung einseitig zu korrigieren, so muss er doch darlegen, welcher Irrtum ihm bei der ursprünglich vorgenommenen Eingruppierung unterlaufen ist.

        

Dies konnte im Zuge der Neueingruppierung der Stelle „Schreibkraft“ entsprechend dargelegt werden.

        

Zudem könnte einer Herabgruppierung in Ihrem Fall ein sogenanntes widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegenstehen. Dies ist der Fall, wenn durch die ursprüngliche Eingruppierung ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde und dieser sich über einen langen Zeitraum gefestigt hat.

        

In diversen Urteilen hierzu wurde ein Vertrauenstatbestand bejaht, wenn die entsprechende Tätigkeit über einen Zeitraum von 14 - 17 Jahren ausgeübt wurde und in dieser Zeit die Eingruppierung zu keinem Zeitpunkt vom Arbeitgeber angezweifelt wurde.

        

Sie üben die Tätigkeit als Schreibkraft seit dem 03.11.1993 in Verg.gr. VII bzw. EG 5 aus.

        

Ich gehe davon aus, dass Sie seit dieser Zeit auf die Richtigkeit der Eingruppierung vertraut haben. Ebenso hat der Arbeitgeber seit dieser Zeit keine Eingruppierungsüberprüfung durchgeführt.

        

Somit wurde aufgrund der langjährigen Ausübung Ihrer Tätigkeit und der nicht angezweifelten Eingruppierung auf beiden Seiten, ein o. g. Vertrauenstatbestand geschaffen und Sie können weiterhin auf das Entgelt nach Verg.gr. VII bzw. EG 5 vertrauen.

        

Eine Herabgruppierung seitens des Arbeitgebers wird somit nicht erfolgen und sie erhalten weiterhin Ihr Entgelt entsprechend Ihres Arbeitsvertrages.

        

Da die Stellen der Schreibkräfte und Sekretärinnen jedoch organisationsrechtlich tatsächlich runtergestuft worden sind, üben Sie hinsichtlich Ihrer vertraglich vereinbarten Vergütung bzw. Ihres vertraglich vereinbarten Entgeltes eine geringerwertige Tätigkeit aus und werden somit übertariflich bezahlt.

        

Der Arbeitgeber hat also nunmehr zu jedem Zeitpunkt das Recht, Ihnen entsprechende höherwertige Tätigkeiten im Rahmen Ihrer bestehenden vertraglichen Eingruppierung zu übertragen.

        

Da in den Tätigkeitsmerkmalen Ihrer bestehenden Eingruppierung zum Teil Kenntnisse und Fertigkeiten im Sachbearbeiterbereich gefordert werden, sehe ich einer Bereitschaft Ihrerseits zur Absolvierung des Beschäftigtenlehrganges I positiv entgegen. Anträge hierzu reichen Sie bitte in der Personalabteilung ein.

        

Sollten Sie noch Erklärungsbedarf haben, stehe ich Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung.“

5

Seit November 2011 war bei der Beklagten die Stelle einer Schreibkraft für den Personalrat mit 20 Wochenstunden zu besetzen. Im Juni 2012 beschloss der Stadtrat, die Stelle der Schreibkraft im Umweltamt zum Monatsende zu streichen und zugleich die Stelle eines Boten mit fünf Wochenstunden zu schaffen. Die Beklagte unterrichtete den Personalrat über ihre Absicht, das Arbeitsverhältnis der Klägerin zu kündigen und ihr dessen Fortsetzung „mit der Entgeltgruppe E 3“ anzubieten. Der Personalrat stimmte der beabsichtigten Änderungskündigung zu.

6

Mit Schreiben vom 12. Juli 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. März 2013 und bot ihr dessen Fortsetzung ab dem 1. April 2013 zu folgenden geänderten Arbeitsbedingungen an:

        

„Die Vergütung erfolgt ab dem 01.04.2013 nach der Entgeltgruppe E 3 TVöD.“

7

Die Klägerin hat das Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen und fristgerecht die vorliegende Klage erhoben. Sie hat gemeint, die Änderungskündigung sei unwirksam. Die Stellenstreichung sei rechtsmissbräuchlich. Die bislang von ihr ausgeführten Arbeiten könnten nicht auf andere Arbeitnehmer umverteilt werden, ohne diese übermäßig zu belasten. Im Übrigen habe ihr vorrangig eine Tätigkeit mit 20 Wochenstunden in der vertraglich vereinbarten EG 5 angeboten werden müssen. Alle Schreibkraftstellen entsprächen dieser Entgeltgruppe. Jedenfalls habe die Beklagte ihr mit dem Schreiben vom 1. September 2009 eine Vergütung nach EG 5 für die Zeit „zugesichert“, in der sie überwiegend als Schreibkraft - gleich auf welchem Arbeitsplatz - eingesetzt werde. Schließlich sei die Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß erfolgt und der Personalrat nicht korrekt informiert worden.

8

Die Klägerin hat sinngemäß beantragt

        

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Änderungskündigung vom 12. Juli 2012 sozial ungerechtfertigt ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung als wirksam verteidigt. Die Stellenstreichung sei nicht zu beanstanden. Die bisher von der Klägerin verrichteten Tätigkeiten könnten von anderen Arbeitnehmern innerhalb ihrer regulären Arbeitszeiten miterledigt werden. Möglicherweise auftretende Verzögerungen würden hingenommen. Es seien lediglich Arbeitsplätze der EG 3 frei gewesen. Um der Klägerin einen solchen zuweisen zu können, habe ihr Arbeitsvertrag geändert werden müssen. Aus dem Schreiben vom 1. September 2009 folge nicht, dass die Klägerin für Tätigkeiten nach EG 3 unter allen Umständen eine Vergütung aus EG 5 beanspruchen könne. Soweit darin überhaupt eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgegeben oder ein „Vertrauenstatbestand“ geschaffen worden sei, beziehe sich dies allenfalls auf den weggefallenen Arbeitsplatz als Schreibkraft im Umweltamt. Die Sozialauswahl sei unter den Arbeitnehmern der EG 5 ordnungsgemäß erfolgt und der Personalrat vollständig unterrichtet worden.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte weiterhin, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht stattgegeben. Sie ist unbegründet. Die von der Beklagten fristgerecht zum 31. März 2013 erklärte Änderungskündigung hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Sie ist sozial gerechtfertigt (A.). Der Personalrat wurde ordnungsgemäß beteiligt (B.). Der Senat hat davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin ordentlich kündbar war (C.). Damit kann die Klägerin, die das mit der Kündigung verbundene Änderungsangebot wirksam unter Vorbehalt angenommen hat, seit dem 1. April 2013 „nur“ noch Beschäftigung und Vergütung gemäß EG 3 beanspruchen.

12

A. Die Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt.

13

I. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist nur wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG ist zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags an die verbliebenen Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 28 mwN).

14

II. Ein Kündigungsgrund lag vor. Es bestand kein Bedarf an einer Beschäftigung der Klägerin zu den bisherigen Vertragsbedingungen.

15

1. Die Klägerin wäre nach dem Arbeitsvertrag vom 8. November 1993 mit Tätigkeiten entsprechend VG VII (EG 5) zu betrauen gewesen.

16

a) Die vom Landesarbeitsgericht unterlassene Auslegung des Arbeitsvertrags, die der Senat aufgrund des feststehenden Sachverhalts selbst vornehmen kann, ergibt, dass die Klägerin als Angestellte (§ 1) mit Aufgaben gemäß VG VII (§ 5) eingestellt wurde. Es handelte sich um eine im öffentlichen Dienst übliche Vertragsgestaltung, die die geschuldete Arbeitsleistung allein durch eine allgemeine Tätigkeitsbezeichnung („Angestellter“) und die Nennung einer Vergütungsgruppe („VG VII“) beschreibt. Bei einer solchen Vereinbarung können dem Arbeitnehmer kraft Direktionsrechts alle - aber auch nur solche - Arbeiten zugewiesen werden, die die Merkmale der Vergütungsgruppe erfüllen, in die er „eingestuft“ ist. Die Übertragung einer Tätigkeit, die geringere Qualifikationsmerkmale erfüllt, ist auch dann unzulässig, wenn der Arbeitgeber die vertraglich vereinbarte Vergütung (weiter) zahlt (vgl. BAG 17. August 2011 - 10 AZR 322/10 - Rn. 15 mwN).

17

b) Zwar wurde die Klägerin lange Jahre als Schreibkraft im Umweltamt mit Aufgaben beschäftigt, die nur der VG VIII entsprachen, weil sie über eine abgeschlossene Berufsausbildung hinaus keine (gründlichen) Fachkenntnisse im Tarifsinne erforderten. Dadurch haben die Parteien den Arbeitsvertrag jedoch nicht - zumal nicht bloß auf „Tätigkeitsseite“ - stillschweigend geändert. Ihnen fehlte schon deshalb der entsprechende Wille, weil sie übereinstimmend davon ausgingen, dass der Klägerin Aufgaben gemäß VG VII übertragen seien. Die Beklagte wurde erst durch den Landesrechnungshof eines besseren belehrt. Die Klägerin wurde folglich nicht übertariflich vergütet, sondern „untervertraglich“ beschäftigt.

18

c) Die Beklagte hat auch mit dem Schreiben vom 1. September 2009 nicht angeboten, den Arbeitsvertrag dahin abzuändern, dass fortan Tätigkeiten entsprechend EG 3 (VG VIII) bei einer Vergütung nach EG 5 (VG VII) geschuldet sein sollten. Vielmehr hat sie sich im drittletzten Absatz des Schreibens ausdrücklich vorbehalten, der Klägerin „entsprechende höherwertige Tätigkeiten im Rahmen (ihrer) bestehenden vertraglichen Eingruppierung zu übertragen“. Danach sollte die Klägerin weiterhin Tätigkeiten gemäß der vereinbarten Vergütungsgruppe (VG VII) schulden.

19

2. Es bestand kein Bedarf an einer Beschäftigung der Klägerin mit Aufgaben der Wertigkeit EG 5. Weder waren - nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten - Arbeitsplätze dieser Entgeltgruppe im Kündigungszeitpunkt frei, noch war absehbar, dass solche vor Ablauf der Kündigungsfrist am 31. März 2013 frei würden. Im Übrigen hat die Klägerin nicht dargetan, dass sie einen entsprechenden Arbeitsplatz - ggf. nach zumutbarer Einarbeitungszeit - habe besetzen können.

20

III. Die Beklagte hat mit der Kündigung ein hinreichend bestimmtes Änderungsangebot unterbreitet. Die Klägerin konnte dem Kündigungsschreiben zweifelsfrei entnehmen, welche Arbeitsbedingungen künftig gelten sollen (vgl. dazu BAG 25. April 2013 - 2 AZR 960/11 - Rn. 31 mwN).

21

1. Die Klägerin sollte fortan Tätigkeiten nach EG 3 bei Vergütung aus eben dieser Entgeltgruppe schulden. Hierzu musste lediglich in § 5 des - vom Landesarbeitsgericht nicht mit in den Blick genommenen - „Ausgangsvertrags“ vom 8. November 1993 „VG VII“ durch „EG 3“ ersetzt werden. Damit wurde nicht bloß die zu beanspruchende Vergütung, sondern zugleich die geschuldete Tätigkeit geändert. Sogar der Verweis auf § 22 BAT-O für die Bestimmung der zuweisbaren Tätigkeiten konnte „unangetastet“ bleiben, weil die Vorschrift über § 17 TVöD-VKA solange weiter gilt, bis die §§ 12, 13 TVöD-VKA belegt sind.

22

2. Dass die Beklagte der Klägerin schon am 16. Juli 2012 - weit vor Ablauf der Kündigungsfrist am 31. März 2013 - die Tätigkeiten als Schreibkraft für den Personalrat und als Botin übertragen hat, spielt für die Auslegung des Angebots keine Rolle. Insofern kommt es auf den objektiven Empfängerhorizont im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an. Dieser lag vor dem 16. Juli 2012. Die vorfristige Umsetzung besagt nicht mehr, als dass die Beklagte sich berechtigt sah, vorübergehend vertragsfremde Tätigkeiten unter Fortzahlung der (noch) vereinbarten höheren Vergütung zuzuweisen. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass sie die vertragliche Tätigkeitsbeschreibung dauerhaft hätte „unberührt“ lassen wollen. Das hätte im Übrigen bedeutet, dass die Klägerin Tätigkeiten entsprechend EG 5 künftig für eine Vergütung aus EG 3 hätte verrichten sollen. Diese behauptet selbst nicht, sie habe das ihr mit der Kündigung angesonnene Änderungsangebot so verstehen müssen.

23

IV. Das Änderungsangebot wahrt die Grenzen der Verhältnismäßigkeit.

24

1. Das gilt zunächst für die erstrebte Änderung der geschuldeten Arbeitstätigkeit.

25

a) Einerseits war die Änderung - unbeschadet der Frage, ob dies der Klage zum Erfolg verhülfe - nicht „überflüssig“. Die Beklagte konnte der Klägerin Tätigkeiten entsprechend EG 3 (VG VIII) nicht im Wege des Direktionsrechts nach § 106 GewO übertragen. Damit hätte sie die Grenzen des Arbeitsvertrags vom 8. November 1993 überschritten.

26

b) Andererseits war die Änderung nicht deshalb weitergehend als nötig, weil der Klägerin wenigstens Tätigkeiten gemäß EG 4 hätten übertragen werden können. Sie hat nicht behauptet, dass bei Zugang der Kündigung entsprechende, von ihr qualifikationsgemäß „auszufüllende“ Arbeitsplätze unbesetzt gewesen oder doch absehbar während des Laufs der Kündigungsfrist frei geworden wären.

27

2. Das Änderungsangebot ist auch hinsichtlich der mit ihm verbundenen Entgeltminderung weder unverhältnismäßig noch sonst unbillig.

28

a) Werden einem Arbeitnehmer im Wege der Änderungskündigung Tätigkeiten gemäß den Qualifikationsmerkmalen einer bestimmten Vergütungsgruppe eines im Betrieb angewandten tariflichen Vergütungssystems angeboten, ist es grundsätzlich nicht unverhältnismäßig, wenn er künftig auch „nur“ entsprechend dieser Entgeltgruppe bezahlt wird (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 163/11 - Rn. 37 mwN). Hier hatten die Parteien die Geltung des BAT-O bzw. seit Oktober 2005 des TVöD-VKA und des TVÜ-VKA vereinbart. Diese Abrede blieb von der Änderungskündigung unberührt.

29

b) Im Streitfall ist von dem Grundsatz des Gleichklangs von Tätigkeit und tariflich für sie vorgesehenem Entgelt keine Ausnahme zu machen. Das Änderungsangebot der Beklagten musste nicht aufgrund besonderer Umstände dahin gehen, dass die Klägerin für Tätigkeiten entsprechend EG 3 ein Entgelt aus EG 5 beanspruchen könne.

30

aa) Die Beklagte hat das Recht, die streitgegenständliche Änderungskündigung zu erklären, nicht allein dadurch verwirkt, dass sie die Klägerin von November 1993 bis September 2009 „übertariflich“ vergütet hätte. Es fehlte an hinreichenden zusätzlichen vertrauensbegründenden Umständen (vgl. BAG 24. Januar 2007 - 4 AZR 28/06 - Rn. 30 ff.). Das hat die Beklagte - anders als in ihrem Schreiben vom 1. September 2009 zum Ausdruck kommt - inzwischen selbst erkannt und dies wird auch von der Klägerin nicht anders gesehen.

31

bb) Die Vergütungsabsenkung verbot sich auch nicht aufgrund eben dieses Schreibens vom 1. September 2009.

32

(1) Mit ihrem Schreiben hat die Beklagte nicht auf das Recht zu einer - nunmehr erklärten - Änderungskündigung verzichtet. Sie hat der Klägerin darin im Kern Folgendes mitgeteilt: Die Tätigkeit als Schreibkraft im Umweltamt entspreche richtigerweise nur EG 3. Die Vergütung aus EG 5 beruhe auf einem Irrtum. Grundsätzlich dürfe deshalb eine „Korrektur“ erfolgen. Eine solche sei indes gemäß § 242 BGB ausgeschlossen, weil die Klägerin „Vertrauensschutz“ genieße. Eine „Herabgruppierung“ werde „somit“ unterbleiben. Hiernach wollte die Beklagte - für die Klägerin erkennbar - nicht davon absehen, ein auch nach ihrer Auffassung durchaus bestehendes Recht geltend zu machen. Sie ging vielmehr davon aus, die Befugnis zur „Herabgruppierung“ durch Zeitablauf verloren zu haben. Darin liegt keine konstitutive, rechtsgeschäftliche Verzichtserklärung - ebensowenig wie umgekehrt eine sog. betriebliche Übung nicht dadurch begründet wird, dass der Arbeitgeber Leistungen in der irrigen Annahme erbringt, zu diesen bereits aus anderen Gründen verpflichtet zu sein (vgl. BAG 29. August 2012 - 10 AZR 571/11 - Rn. 20). Die Beklagte hätte auch schwerlich „aus freien Stücken“ auf eine „Rückgruppierung“ der Klägerin verzichten können. Sie befand sich in der Haushaltskonsolidierung gemäß § 158 Abs. 3 iVm. § 156 Abs. 3 GO LSA aF. Zudem war sie durch den Landesrechnungshof angehalten worden, die „Fehlvergütung“ der bei ihr beschäftigten Schreibkräfte zu korrigieren (zur Maßgeblichkeit dieses Umstands bei der Korrektur einer irrtümlichen „Eingruppierung“ vgl. ErfK/Oetker 15. Aufl. § 2 KSchG Rn. 66).

33

(2) Es stellt sich aufgrund der Ausführungen in dem Schreiben vom 1. September 2009 und der anschließenden Weiterbeschäftigung der Klägerin mit „vertragswidrigen“ Aufgaben entsprechend EG 3 nicht als rechtsmissbräuchlich widersprüchlich dar, dass die Beklagte später dennoch die streitgegenständliche Änderungskündigung erklärt hat. Die Voraussetzungen des engen Ausnahmetatbestands eines treuwidrigen Selbstwiderspruchs liegen nicht vor (vgl. dazu BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 53, BAGE 141, 1; BGH 15. November 2012 - IX ZR 103/11 - Rn. 12). Hat ein Arbeitgeber von einer „Rückgruppierung“ in der irrigen Annahme abgesehen, eine solche sei nicht zulässig, wird das Vertrauen des Arbeitnehmers auf ein solches Unterlassen für die Zukunft in der Regel nicht geschützt. Anders liegt es nur dann, wenn ausreichende vertrauensbegründende Umstände vorliegen (BAG 24. Januar 2007 - 4 AZR 28/06 - Rn. 30 ff.; MüKoBGB/Roth/Schubert 6. Aufl. § 242 Rn. 307). Das ist hier nicht der Fall. Die Klägerin, die im Übrigen noch im hiesigen Rechtsstreit davon ausgeht, alle Schreibkraftstellen bei der Beklagten seien mit EG 5 zu bewerten, hat nicht behauptet, sie habe im Vertrauen auf den ihr mitgeteilten „Bestandsschutz“ bestimmte Vermögensdispositionen getroffen. Das Verhalten der Beklagten stellt sich auch nicht deshalb als rechtsmissbräuchlich dar, weil sie selbst aus der Mitteilung mit Schreiben vom 1. September 2009 erhebliche Vorteile gezogen hätte (vgl. dazu Palandt/Grüneberg BGB 74. Aufl. § 242 Rn. 59). Zwar hat sie die Klägerin anschließend weiter „untervertraglich“ beschäftigt. Das beruhte jedoch nicht darauf, dass sie diese über die tarifliche Rechtslage „getäuscht“ hätte. Sie hat der Klägerin vielmehr ausdrücklich nahe gelegt, an dem Beschäftigtenlehrgang I teilzunehmen, damit sie - erst dann - entsprechend ihrer „vertraglichen Eingruppierung“ eingesetzt werden könne, falls ein solcher Arbeitsplatz frei würde. Es war allein die Klägerin, die aus der Fehleinschätzung der Beklagten, eine „Herabgruppierung“ sei nicht möglich, einen Vorteil gezogen hat. Sie hat für ihre von ihr selbst als vertragsgemäß erachteten Arbeiten, die in Wahrheit nur EG 3 entsprachen, noch bis zum 31. März 2013 eine „übertarifliche“ Vergütung nach EG 5 erhalten.

34

V. Die Änderungskündigung gegenüber der Klägerin stellt sich nicht deshalb als „herausgreifend“ (vgl. dazu BAG 20. August 1998 - 2 AZR 84/98 - zu II 2 e der Gründe; 22. Februar 1979 - 2 AZR 115/78 - zu 2 a der Gründe) dar, weil andere Schreibkräfte, die ebenfalls Tätigkeiten nach EG 3 verrichteten, von einer Vertragsänderung „verschont“ geblieben sind. Die Beklagte sah sich nur deshalb zur „Herabgruppierung“ der Klägerin berechtigt, weil deren bisheriger Arbeitsplatz weggefallen war. Aus diesem Anlass hat sie die Situation hinsichtlich der Entgeltgruppe als Neueinstellung gemäß dem seit 2010 geltenden Haushaltsplan betrachtet. Es lässt sich nicht erkennen, dass der Anlass bloß vorgeschoben wäre. Die Klägerin ist dem schlüssigen Vortrag der Beklagten dazu, dass die Stelle einer Schreibkraft im Umweltamt in Umsetzung des für sich plausiblen, nicht offenkundig unsachlichen Beschlusses des Stadtrats weggefallen ist, nicht in erheblicher Weise entgegen getreten. Einen Rechtsmissbrauch der Beklagten hat sie nicht dargetan. Wenn die Klägerin übermäßige Belastungen zweier Kolleginnen vermutet, übersieht sie, dass es sich bei den fraglichen Tätigkeiten nicht um streng taktgebundene Arbeiten handelt und die Beklagte mögliche Verzögerungen als Teil ihres Konzepts hinnimmt. Das steht ihr - entgegen der Ansicht der Klägerin - frei (zu den Anforderungen an den Vortrag des öffentlichen Arbeitgebers bei der Streichung von Stellen durch den gemeindlichen Haushaltsgesetzgeber vgl. allgemein BAG 23. November 2004 - 2 AZR 38/04 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 112, 361; 22. Mai 2003 - 2 AZR 326/02 - zu B I 2 der Gründe).

35

VI. Die Änderungskündigung ist nicht aufgrund einer unzureichenden Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG unwirksam.

36

1. Die Beklagte hat den in die soziale Auswahl einzubeziehenden Personenkreis zutreffend bestimmt.

37

a) Sie hat die Auswahl zu Recht nur auf Arbeitnehmer mit vertraglichen Aufgaben gemäß EG 5 erstreckt. Eben solche Tätigkeiten schuldete die Klägerin. Das galt zwar auch für andere Schreibkräfte, die von der Beklagten nicht in die Auswahl einbezogen worden sind. Jedoch konnten der Klägerin deren tatsächlich ausgeübte Aufgaben der tariflichen Wertigkeit EG 3 nicht - wie für die Vergleichbarkeit erforderlich - kraft Direktionsrechts übertragen werden. Für die Klägerin hätte es sich, weil sie - wie gezeigt - bis dahin mit Arbeiten nach EG 5 zu betrauen war, um „untervertragliche“ Tätigkeiten gehandelt.

38

b) Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte lediglich zwei Arbeitnehmerinnen für auch nach Qualifikation und Arbeitsplatz vergleichbar erachtet hat. Die Klägerin ist dem detaillierten Vorbringen der Beklagten zu den Umständen, die einer Vergleichbarkeit mit anderen tatsächlich nach EG 5 beschäftigten Arbeitnehmern entgegenstehen sollen, nicht ausreichend entgegen getreten. Sie hat nicht konkret dargelegt, welchen Arbeitsplatz sie unter Beachtung der arbeitgeberseitig aufgestellten Qualifikationsmerkmale - ggf. nach kurzer Einarbeitung - hätte besetzen können und welcher Arbeitnehmer statt ihrer ein Angebot zur Weiterbeschäftigung mit Aufgaben nach EG 3 hätte erhalten müssen. Zum einen beschränkt sie sich darauf, den Vortrag der Beklagten zu den für eine Tätigkeit nach EG 5 erforderlichen Qualifikationen (insbesondere entsprechende Verwaltungsausbildungen) mit Nichtwissen zu bestreiten. Zum anderen hat sie nicht aufgezeigt, dass andere Arbeitnehmer mit Tätigkeiten der Wertigkeit EG 5 binnen kurzer Einarbeitungszeit in der Lage gewesen wären, Aufgaben entsprechend EG 3 - namentlich solche einer Schreibkraft (beim Personalrat) - auszuüben.

39

2. Innerhalb der korrekt bestimmten Vergleichsgruppe hat die Beklagte die sozialen Gesichtspunkte gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zumindest ausreichend berücksichtigt. Die Klägerin weist nach dem von der Beklagten verwendeten Schema eine deutlich geringere Punktzahl auf als die beiden vergleichbaren Arbeitnehmerinnen. Entscheidend kommt hinzu, dass bei Berücksichtigung aller Sozialdaten die Auswahlentscheidung der Beklagten mindestens vertretbar ist. Keine der drei in die Auswahl einbezogenen Arbeitnehmerinnen ist schwerbehindert oder Dritten zum Unterhalt verpflichtet. Zwar ist die Klägerin zwei bzw. vier Jahre älter als die beiden anderen Arbeitnehmerinnen, diese weisen jedoch eine fünf bzw. elf Jahre längere Betriebszugehörigkeit auf als sie. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, die von der Beklagten vorgenommene Sozialauswahl sei mangelhaft. Die Klägerin ist im Verhältnis zu ihren beiden Kolleginnen jedenfalls nicht - zumal nicht deutlich (vgl. BAG 29. Januar 2015 - 2 AZR 164/14 - Rn. 11 mwN) - schutzbedürftiger.

40

B. Der Personalrat ist ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Beklagte hat ihn gemäß § 61 Abs. 3 Satz 1 PersVG LSA vollständig über den maßgeblichen Kündigungssachverhalt unterrichtet. Insbesondere hat sie ihm mitgeteilt, dass mangels Möglichkeiten zu vertragsgemäßer Beschäftigung entsprechend EG 5 sich künftig Tätigkeit und Vergütung nach EG 3 richten sollen, und hat sie die vorgenommene Sozialauswahl umfangreich erläutert. Der Personalrat hat der beabsichtigten Kündigung gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 iVm. § 61 Abs. 1 PersVG LSA zugestimmt.

41

C. Die Klägerin hat sich nicht darauf berufen, dass ihr Arbeitsverhältnis ordentlich unkündbar sei. Einen solchen Unwirksamkeitsgrund hätte sie prozessual ordnungsgemäß geltend machen müssen (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 314/06 - Rn. 17, BAGE 124, 367). Deshalb war nicht der Frage nachzugehen, ob Art. 3 Abs. 1 GG eine „Erstreckung“ des Sonderkündigungsschutzes nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD auf Arbeitnehmer im Tarifgebiet Ost bedingen könnte(zur Problematik vgl. Linck/Scholz AR-Blattei SD 1010.7 Rn. 157 ff.; Schaub/Linck 16. Aufl. § 183 Rn. 24).

42

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Niemann    

        

        

        

    Gans    

        

    Nielebock    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er

1.
in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
2.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
3.
in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer
innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

1.
die Gründe für die geplanten Entlassungen,
2.
die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
3.
die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
4.
den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
5.
die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
6.
die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.

(3) Der Arbeitgeber hat gleichzeitig der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat zuzuleiten; sie muß zumindest die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Anzeige nach Absatz 1 ist schriftlich unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen zu erstatten. Liegt eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht vor, so ist die Anzeige wirksam, wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß er den Betriebsrat mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach Absatz 2 Satz 1 unterrichtet hat, und er den Stand der Beratungen darlegt. Die Anzeige muß Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriteren für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben. Er hat dem Arbeitgeber eine Abschrift der Stellungnahme zuzuleiten.

(3a) Die Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten nach den Absätzen 1 bis 3 gelten auch dann, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, daß das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt hat.

(4) Das Recht zur fristlosen Entlassung bleibt unberührt. Fristlose Entlassungen werden bei Berechnung der Mindestzahl der Entlassungen nach Absatz 1 nicht mitgerechnet.

(5) Als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
2.
in Betrieben einer Personengesamtheit die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen,
3.
Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Personen, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet auf Antrag des Arbeitgebers die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(2) In Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat die Aufstellung von Richtlinien über die bei Maßnahmen des Absatzes 1 Satz 1 zu beachtenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkte verlangen. Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(2a) Die Absätze 1 und 2 finden auch dann Anwendung, wenn bei der Aufstellung der Richtlinien nach diesen Absätzen Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt.

(3) Versetzung im Sinne dieses Gesetzes ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Werden Arbeitnehmer nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt, so gilt die Bestimmung des jeweiligen Arbeitsplatzes nicht als Versetzung.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.