Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 22. März 2016 - 2 Sa 178/15

bei uns veröffentlicht am22.03.2016

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Schadensersatz und Schmerzensgeld. Der Kläger wirft der Beklagten, der Universitätsmedizin C-Stadt, bei der er von 2000 bis Ende 2012 beschäftigt war, vor, in einer öffentlich zugänglichen Datenbank zu den Forschungen der Mitglieder der Universität die Forschungen des Klägers teilweise falsch und teilweise unvollständig wiedergegeben und ein ihm zugeordnetes Patent als einem Kollegen zugeordnet bezeichnet zu haben.

2

Der 1949 in V. (heute südliches Serbien) geborene Kläger hat in Jugoslawien Medizin studiert. Mit seinem Studienabschluss war die Verleihung eines Doktortitels verbunden, eine Promotionsarbeit musste er dazu allerdings wie dort seinerzeit üblich nicht vorlegen. In der Folgezeit hat er sich an Kliniken in der Bundesrepublik zum Facharzt für Anästhesie ausbilden lassen. Danach war er in der Zeit von 1985 bis Ende 1999 an einer Universität in P. als Wissenschaftler und Arzt tätig. Im Jahre 2000 hat der Kläger eine Anstellung an der medizinischen Fakultät der Universität C-Stadt als Arzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter angenommen. Er ist hier im Jahre 2002 promoviert worden und war in Anschluss daran weiter in seiner Position als Arzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter dort mit unbefristetem Arbeitsvertrag tätig. Er hat in der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin (KAI) unter Prof. Dr. med. M. W. als Arzt und Wissenschaftler gearbeitet. Zuletzt war er Leiter der Forschungsabteilung dieser Klinik. Die Beklagte hat ihm im September 2007 bescheinigt, dass er Anfang 2000 "experimentelle Tätigkeiten im Rahmen eines Forschungsprojekts" erbracht habe, daran anschließend von 2000 bis 2005 als Arzt tätig gewesen sei und seit März 2005 als Leiter der "Experimentellen Abteilung" (Anlage K 2, hier Blatt 8). Der Kläger hat sich Ende 2007 an der Universität habilitiert. Der Kläger war zunächst eingruppiert in die Vergütungsgruppe IIa zum BAT und wurde dann bei Überleitung in das Tarifwerk des TV-L 2006 der Entgeltgruppe E 14 zugeordnet.

3

Durch verschiedene Maßnahmen des Landesgesetzgebers ist inzwischen die Medizinische Fakultät der Universität C-Stadt in Form der Beklagten verselbständigt worden. Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.

4

Der Änderungsarbeitsvertrag vom 2. Februar 2004 ist das jüngste arbeitsvertragliche Dokument, das zur Akte gereicht wurde (Anlage K 1, hier Blatt 7 und 7R). Dieser Vertrag lautet in seinem § 2 wörtlich:

5

"§ 2

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestellten-Tarifvertrag (BAT-O) vom 10.12.1990 und den diesen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für die TdL geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden Tarifverträge Anwendung."

6

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch Aufhebungsvertrag aus August 2012 mit Ablauf des Jahres 2012 (Anlage K 4, hier Blatt 10). Der Kläger, der über all die Jahre in C-Stadt familiär immer noch in P. gebunden war, war nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten 2013 und 2014 durchgängig arbeitslos und hat Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 1.800,00 Euro bezogen. Seit dem 1. Januar 2015 bezieht der Kläger Rente.

7

Die Beklagte geht davon aus, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien zuletzt der Tarifvertrag für die Universitätsmedizin R. und G. im Tarifverbund Nord (TV-UMN – Auszug in Kopie hier Blatt 95 f) Anwendung gefunden hat. § 37 TV-UMN befasst sich mit Ausschlussfristen. er lautet wörtlich:

8

"§ 37 Ausschlussfrist

(1) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus.

(2) …"

9

Die Beklagte betreibt seit vielen Jahren eine Forschungsdatenbank, die über das Internet für jedermann frei zugänglich ist. Die Datenbank hat zunächst eine nach innen gerichtete Bedeutung, denn die Verteilung von Geldern der Universität auf ihre Einrichtungen hängt unter anderem von den Einträgen in dieser Forschungsdatenbank und den dabei erreichten Score-Werten ab. Aus diesem Grund war es auch Prof. Dr. W., dem Direktor der KAI, stets besonders wichtig, dass alle Wissenschaftler der KAI ihre Forschungsergebnisse in Form von Patenten, Veröffentlichungen und ähnlichen Erscheinungsformen dort zeitnah und sorgfältig dokumentieren. Diese öffentlich zugängliche Forschungsdatenbank hat sich – wie an anderen Universitäten auch – inzwischen zu einem vielgenutzten Fenster auf die aktuelle universitäre Forschung entwickelt und hat dadurch eine eigenständige Bedeutung im Rahmen der Pflege der eigenen Reputation der Universität und auch der Beklagten bekommen. Sie wird von Studenten, Forschern, Geldgebern und anderen Einrichtungen genutzt, um sich ein Bild von dem Ausmaß und der Qualität der Forschung der Universität und ihrer Einrichtungen zu machen.

10

Der Kläger hat in seiner Zeit als Arbeitnehmer der Beklagten vielfältige Forschungsleistungen erbracht. Insbesondere ist ihm 2002 ein Patent zugesprochen worden. Seine Veröffentlichungsliste aus seiner G. Tätigkeit als Allein- oder als Co-Autor umfasst eine – hier allerdings nicht genauer mitgeteilte – Vielzahl von Titeln.

11

In der Forschungsdatenbank der Beklagten waren die Forschungsleistungen des Klägers bis Ende Juli 2013 unvollständig und teilweise schlicht falsch wiedergegeben. Insbesondere war das dem Kläger 2002 zugesprochene Patent dort dem Kollegen M., ebenfalls Mitarbeiter an der KAI, zugeordnet. Bei mehreren Publikationen, die der Kläger als Co-Autor mit verantwortet hat, sind nur die anderen Autoren und nicht er verzeichnet. Insgesamt hatte der Kläger 32 Einträge in der Forschungsdatenbank zu bemängeln.

12

Der Kläger hatte sich insbesondere Ende 2005 und Anfang 2006 universitätsintern darum bemüht, die Datenbank in seinem Sinne korrigieren zu lassen (vgl. hier Blatt 48R und 49). Er fand kein Gehör. Auch 2012 hatte sich der Kläger nochmals um die Korrektur – ebenfalls erfolglos – bemüht. Erst als die Beklagte 2013 mit anwaltlicher Hilfe nochmals förmlich um Korrektur gebeten wurde, wurde die Forschungsdatenbank zügig, umfassend und im Sinne des Klägers korrigiert. Dabei sind sogar Publikationen in die Veröffentlichungsliste des Klägers mit aufgenommen worden, deren Fehlen der Kläger gar nicht moniert hatte. Auch das Patent ist selbstverständlich nunmehr korrekt als dem Kläger zugeordnet bezeichnet. Aus dem zur Akte gereichten Schriftwechsel zwischen dem Anwalt des Klägers und der Beklagten ergibt sich lediglich hinsichtlich einer einzigen Position ein weiterer Recherchebedarf der Beklagten. Was die weiteren Recherchen zu dieser Position erbracht haben, ist von keiner der Parteien vorgetragen.

13

Der Kläger hatte sich im Jahre 2006 um eine Habilitation oder – der Parteivortrag dazu ist nicht ganz eindeutig – um eine Professorenstelle an einer Universität in P. beworben. Die Bewerbung war erfolglos geblieben.

14

Nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis hat sich der Kläger immer wieder um adäquate neue Anstellungen, möglichst in besserer räumlicher Nähe zu seiner Familie, bemüht und hat nur Absagen bekommen. Er hat schließlich im Sommer 2013 noch eine ehrenamtliche Professur an einer kanadischen Universität angenommen.

15

Der Kläger meint, der Misserfolg seiner Bewerbung 2006 an der Universität in P. und der Misserfolg seiner Bewerbungen nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zur Beklagten Ende 2012 beruhe maßgeblich auf den unvollständigen und teilweise falschen Angaben zu seinen Forschungsleistungen in der Forschungsdatenbank der Beklagten. Der Kläger verlangt daher von der Beklagten im Wege des Schadensersatzes die Zahlung der Differenzvergütung zwischen einer standesgemäßen ärztlichen Stelle für die zwei Jahre seiner Arbeitslosigkeit abzüglich des bezogenen Arbeitslosengeldes (Klageanträge zu 1 und 2). Das ihm entgangene standesgemäße Einkommen beziffert er mit 6.000 Euro netto monatlich. Außerdem verlangt der Kläger Schmerzensgeld für den erlittenen Reputationsschaden, wobei er die Verurteilung zur Zahlung von 48.000,00 Euro für angemessen hält (Klageantrag zu 3).

16

Die Klage ist am 3. September 2014 beim Arbeitsgericht eingegangen. Das Arbeitsgericht Stralsund hat die Klage mit Urteil vom 12. Mai 2015 als unbegründet abgewiesen (2 Ca 280/14) und den Streitwert auf etwas über 100.000 Euro festgesetzt. Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass alle denkbaren Ansprüche nicht mehr klagweise geltend gemacht werden könnten, da sie nach § 37 TV-UMN schon länger vor dem Zeitpunkt der Klageerhebung verfallen gewesen seien. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

17

Mit der rechtzeitig eingelegten und fristgereicht begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klageziel in vollem Umfang weiter.

18

Der Kläger geht davon aus, dass die Beklagte die Forschungsdatenbank vorsätzlich falsch geführt hat. Im Weiteren behauptet er, die universitären Forschungsdatenbanken würden heutzutage bei akademischen Bewerbungen eine erhebliche Rolle spielen. Insbesondere soweit man als zukünftiger Arbeitgeber das Bewerberfeld in einem ersten Durchgang auf Bewerbungen durchforste, die schon nach formalen Kriterien keiner weiteren Prüfung bedürften, bediene man sich häufig eines Abgleichs zwischen den Forschungsdatenbanken und den Eigenangaben der Bewerber in der Bewerbung. Komme es schon hier – wie notwendig im Falle des Klägers – zu Unstimmigkeiten würde die Bewerbung schon eingangs des Verfahrens als ungeeignet ausgeschieden, weil der Verdacht der Hochstapelei bestehe. Es komme nicht darauf an, dass ein zweiter Blick auf die Bewerbung und die Kontrolle der Angaben des Bewerbers anhand weiter Publikationsregister den zunächst entstandenen falschen Eindruck entkräften könnten; in der heutigen schnelllebigen Zeit finde diese Überprüfung des scheinbar naheliegenden Ergebnisses des ersten Abgleichs der Forschungsleistungen nicht mehr statt.

19

Der Kläger meint, ihm stehe wegen des eingetretenen Reputationsschadens auch ein Schmerzensgeld zu. Immer wieder habe er sich gegen den falschen Anschein, der von der fehlerhaft geführten Forschungsdatenbank der Beklagten über viele Jahre ausgegangen sei, zur Wehr setzen müssen. Das habe nicht nur seiner wissenschaftlichen Reputation geschadet, sondern stelle gleichzeitig auch einen schmerzhaften Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht dar, möglicherweise liege sogar eine Verletzung von Urheberrechten vor. Die Höhe des Schmerzensgelds stellt der Kläger in das Ermessen des Gerichts, er hält jedoch die Verurteilung zur Zahlung von 48.000,00 Euro für angemessen.

20

Der Kläger beantragt,

21

das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 12. Mai 2015 (2 Ca 280/14) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

22

1. an den Kläger einen Betrag in Höhe von 84.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

23

2. an den Kläger 16.800,00 Euro zu zahlen,

24

3. an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestellten Betrag an Schmerzensgeld zu leisten.

25

Die Beklagte beantragt,

26

die Berufung zurückzuweisen.

27

Die Beklagte geht davon aus, dass mögliche Ansprüche des Klägers wegen seiner fehlgeschlagenen Bewerbung an der Universität in P. im Jahre 2006 bereits verjährt seien. Im Übrigen seien alle weiteren denkbaren Ansprüche auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld wegen der Verfallsklausel in § 37 TV-UMN gerichtlich nicht mehr durchsetzbar.

28

Jedenfalls habe die Beklagte keine Pflicht, die Forschungsdatenbank umfassend und auch im Detail zutreffend zu führen. Die Datenbank habe in erster Linie eine interne Funktion für die Verteilung der Gelder auf die universitären Einrichtungen und in diesem Sinne hätte es ausgereicht, die Forschungsleistungen der KAI auch dieser zuordnen zu können. Dass dabei gelegentlich die Mitautorenschaft des Klägers nicht erwähnt worden sei, sei unwesentlich.

29

Schließlich habe der Kläger zur Kausalität zwischen der fehlerhaften Forschungsdatenbank und seinen erfolglosen Bewerbungen nicht ausreichend vorgetragen. Auch die klägerische Annahme, er hätte in einem weiteren Arbeitsverhältnis nach dem Ausscheiden bei der Beklagten monatlich 6.000,00 Euro netto verdienen können, sei spekulativ geblieben.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags im Berufungsrechtszug wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

31

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zurecht abgewiesen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht.

I.

32

Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von monatlich 4.200,00 Euro für die Zeit von Januar 2013 bis einschließlich Dezember 2014 (24 Monate – Klageanträge zu 1 und 2) ist nicht begründet.

1.

33

Das Berufungsgericht geht mit dem Kläger davon aus, dass die Beklagte als arbeitsvertragliche Nebenpflicht aus § 241 Absatz 2 BGB verpflichtet war, die von ihr für die Allgemeinheit zugänglich gemachte Forschungsdatenbank wahrheitsgemäß und umfassend zu führen.

34

Nach § 241 Absatz 2 BGB müssen beide Parteien des Arbeitsverhältnisses im Rahmen der Durchführung desselben im gebotenen Maße Rücksicht nehmen auf die Interessen des Vertragspartners. Was aus dieser Generalklausel an Pflichten folgt, muss situationsbezogen unter Berücksichtigung der in Rede stehenden Interessen und unter Bemessung der jeweils zumutbaren Anstrengungen und Maßnahmen des anderen Vertragspartners ermessen werden.

35

Dass der Kläger als Wissenschaftler ein genuines Interesse daran hat, dass Forschungsleistungen, die ganz oder jedenfalls im Rahmen einer Kooperation teilweise auf seine eigenen geistigen Leistungen zurückzuführen sind, auch als solche durch seinen Arbeitgeber kenntlich gemacht werden, liegt auf der Hand. Das Arbeitnehmerinteresse, dass die Beklagte bei ihrer Außenkommunikation diese Grundregel wissenschaftlicher Redlichkeit beherzigt, ist hoch einzuschätzen, denn Wissenschaftler sind für ihr berufliches Fortkommen auf die Reputation, die sie sich durch ihre Forschungsleistungen erworben haben, angewiesen. Dabei ist ergänzend zu berücksichtigen, dass der Forschungsdatenbank von Außenstehenden ein hohes Vertrauen entgegengebracht wird, da sie von dem Träger der Einrichtung betrieben wird, in dem der Kläger als Wissenschaftler tätig war. Diese allgemeinen Feststellungen gelten im Bereich der medizinischen Forschung in besonderem Maße, denn die offizielle medizinische Forschung hat sich bekanntlich schon seit Jahrzehnten dem Versuch der Quantifizierung komplexer Forschungsleistungen durch Ermittlung einfacher Schlüsselzahlen verschrieben. Dabei spielt die Länge der eigenen Veröffentlichungsliste neben der Anzahl der Zitierungen in anderen Veröffentlichungen eine besonders große Rolle.

36

Dagegen ist es nicht erkennbar, weshalb es der Beklagten unzumutbar sein sollte, die eigene Forschungsdatenbank umfassend und den Tatsachen entsprechend zu führen. An sich müsste die Beklagte sich dazu schon im Eigeninteresse verpflichtet fühlen, denn eine fehlerhaft geführte Forschungsdatenbank kratzt auch an der Reputation der Beklagten und ein solcher Mangel ist geeignet, mögliche Interessenten davon abzuhalten, ihre Forschungen in den Einrichtungen der Beklagten betreiben zu wollen. Im Übrigen ist der Aufwand, der für das Controlling der Richtigkeit und Vollständigkeit der Forschungsdatenbank betrieben werden müsste, denkbar gering. In erster Linie müssten nur die Wissenschaftler der Beklagten, die offensichtlich gehalten sind, ihre Forschungsergebnisse selber in die Datenbank einzupflegen, dazu vergattert werden, die Angaben dort nach den Regeln der wissenschaftlichen Redlichkeit vorzunehmen. Ergänzend müsste man ein System der Kontrolle der Eingaben installieren, dass sich jedoch auf Stichproben konzentrieren könnte, möglicherweise gepaart mit der Einrichtung einer Anlaufstelle für Wissenschaftler, die meinen, ihre Arbeiten seien dort nicht korrekt aufgenommen worden.

2.

37

Die Beklagte hat jahrelang entgegen der soeben entwickelten Pflicht, die für jedermann zugängliche Forschungsdatenbank bezüglich der wissenschaftlichen Leistungen des Klägers gravierend fehlerhaft geführt. Diese Pflichtverletzung hat mindestens über 8 Jahre von 2005 bis Mitte 2013 angehalten.

38

Auch wenn der Kläger nicht genau mitgeteilt hat, wie viele seiner Forschungsleistungen dort korrekt eingetragen waren, ergibt sich allein aus der falschen Zuordnung des Patents und aus der Anzahl der fehlerhaften oder unvollständigen Eintragungen bezüglich seiner Veröffentlichungen (ca. 30 Posten), dass der von der Datenbank verbreitete Schein ohne weiteres geeignet war, das wissenschaftliche Ansehen des Klägers erheblich zu schädigen. Mit dem Kläger geht das Gericht davon aus, dass der Schaden nicht nur durch die unvollständige Darstellung der Forschungsleistungen des Klägers entstehen kann, sondern auch durch die Widersprüchlichkeit der Angaben in der Forschungsdatenbank der Beklagten einerseits und der Angaben, die der Kläger selber im Rahmen von Bewerbungen macht, oder die sich aus anderen Quellen ergeben, andererseits. Schon durch das bloße Auseinanderfallen der Daten aus verschiedenen Quellen können Vorbehalte und Misstrauen gegenüber dem Kläger entstehen, gegen das er sich nur schwer zur Wehr setzen kann, da er den Vertrauensverlust in den seltensten Fällen überhaupt registrieren kann.

3.

39

Der Anspruch auf Schadensersatz ist dennoch nicht begründet, da es am Nachweis der Kausalität zwischen der Pflichtverletzung der Beklagten und dem Misserfolg des Klägers bei seinen Bewerbungen um eine adäquate Anstellung nach seinem Ausscheiden bei der Beklagten fehlt.

a)

40

Nach ausführlicher Erörterung dieses Aspekts im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht kann das Gericht nicht feststellen, dass die vergebliche Bewerbung des Klägers um eine Habilitation oder gar eine Anstellung an der Universität in P. im Jahre 2006 kausal auf die fehlerhafte Forschungsdatenbank der Beklagten zurückgeführt werden kann.

41

Bereits die Aktenlage spricht gegen den Zusammenhang. Ausweislich der zuletzt in deutscher Übersetzung eingereichten Begründung (Anlage K 16, hier Blatt 225 ff) wurde die Bewerbung aus zwei unabhängigen voneinander bestehenden Gesichtspunkten abgelehnt, nämlich zum einen wegen einer zu geringen Anzahl von Veröffentlichungen und zum anderen wegen einer mangelhaften Betreuung der Studierenden. Dieser zuletzt aufgeführte Mangel geht auf die langjährige Tätigkeit des Klägers an der Universität vor seiner Tätigkeit in C-Stadt zurück, die wohl auch während seiner G. Zeit nie gänzlich unterbrochen war.

42

Aber auch soweit der Kläger befürchtet, die bemängelte zu geringe Zahl seiner Veröffentlichungen sei durch den falschen Eindruck entstanden, der von der Forschungsdatenbank der Beklagten ausgeht, kann dem Kläger nicht gefolgt werden.

43

Denn der Kläger hat, das geht aus dem um seine Bewerbung betriebenen Aufwand hervor, zum engeren Kreis der geeigneten Bewerber gehört und seine Eignung für die Stelle ist in einem ausführlichen Verfahren, an dem verschiedenste Stellen und Personen beteiligt waren, einer eingehenden Prüfung unterzogen worden. Das Gericht bezieht sich dabei insbesondere auf die Stellungnahme 2 aus der in Auszügen vorgelegten deutschen Übersetzung (hier Blatt 226). Aus dieser Stellungnahme ist ersichtlich, dass sich dort jemand im Detail mit den wissenschaftlichen Forschungsleistungen des Klägers, mit der Anzahl seiner Veröffentlichungen und sogar mit seinen Impact-Werten, also der messbaren wissenschaftlichen Resonanz auf seine Forschungsleistungen, auseinandergesetzt hat. Da im Bereich der Medizin die Anzahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen durch allgemein zugängliche Datenbanken wie pubmed oder – im deutschsprachigen Raum – dimdi vergleichsweise sehr gut erschlossen ist, kann das Gericht ausschließen, dass die Person, die die Stellungnahme 2 verfasst hat, sich durch einen fehlerhaften Eindruck, der von der Forschungsdatenbank der Beklagten ausgegangen sein mag, hat in die Irre führen lassen. Allein schon die Recherche der Impact-Werte, die die klägerischen Veröffentlichungen nach sich gezogen haben, verlangt eine Herangehensweise, die vollkommen unabhängig von den Daten ist, die die Forschungsdatenbank der Beklagten zum Kläger ausweist.

b)

44

Auch soweit der Kläger den Misserfolg seiner Bewerbungen im Jahre 2013 auf den falschen Eindruck zurückführt, der von der Forschungsdatenbank der Beklagten seinerzeit noch ausgegangen war, kann dem Kläger nicht gefolgt werden.

45

Der Kläger befand sich 2013, wie er selber eingeräumt hat, in einer schwierigen Bewerbungsposition, denn er stand kurz vor seinem Renteneintritt. Es ist eine Erfahrungstatsache, dass Universitäten und vergleichbare Einrichtungen, die eine Professorenstelle neu zu besetzen haben, im Regelfall einen Wissenschaftler suchen, der aufgrund der möglichen Dauer der Zusammenarbeit auch in der Lage sein wird, dem von ihm besetzten Lehrstuhl seinen Stempel aufzudrücken und damit der Reputation der Einrichtung neuen Glanz zu verleihen. Eine solche Zielstellung ist aber nicht in wenigen noch verbleibenden Berufsjahren zu verwirklichen, gesucht werden für solche Stellen daher in der Regel Wissenschaftler, die einen wesentlichen Teil ihres Berufslebens noch vor sich haben.

46

Allein die vom Kläger gesehene abstrakte Gefahr, dass seine Bewerbungen schon deshalb die erste Hürde der Bewerberauswahl nicht geschafft haben, weil man möglicherweise Vorurteile gegen ihn entwickelt hat, weil sich Diskrepanzen zwischen der mit der Bewerbung eingereichten Veröffentlichungsliste und den Angaben in der Forschungsdatenbank der Beklagten ergeben haben, ersetzt noch nicht den notwendigen Nachweis der Kausalität zwischen der Pflichtverletzung der Beklagten und dem Misserfolg des Klägers. Dazu hätte es des Vortrags weiterer Indizien bedurft, die konkrete Hinweise darauf geben, dass der Misserfolg bei einer korrekt geführten Forschungsdatenbank nicht eingetreten wäre. Dazu gehört zum mindesten weiterer Vortrag zu der Person, die sich erfolgreich auf die fragliche Stelle beworben hat, damit man überhaupt abschätzen kann, ob die Pflichtverletzung kausal geworden ist. Daran fehlt es hier.

II.

47

Auch der Klageantrag zu 3 ist nicht begründet. Ein Schmerzensgeld kann dem Kläger bei allem Verständnis für die von ihm empfundene Kränkung nicht zugesprochen werden. Im Ergebnis zutreffend hat das Arbeitsgericht den Anspruch an der im Arbeitsverhältnis der Parteien vereinbarten Ausschlussfrist scheitern lassen.

1.

48

Die Beklagte beruft sich auf die Ausschlussfrist aus § 37 TV-UMN, teilt dazu aber nicht mit, aus welchem Grund der Tarifvertrag, der diese Ausschlussfrist enthält, im Arbeitsverhältnis der Parteien zur Geltung kommen soll.

49

Die Frage kann letztlich auf sich beruhen, denn arbeitsvertraglich haben die Parteien in ihrem Änderungsvertrag aus Februar 2004 (Kopie hier Blatt 7) die Geltung des BAT-O und der diesen Tarifvertrag ersetzenden Tarifverträge vereinbart. Und § 70 BAT-O regelt eine Ausschlussfrist, die vergleichbar ist mit § 37 TV UMN. Vermutlich ist die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel auch dahin zu verstehen, dass nach der Verabredung des TV-L dieser Tarifvertrag den BAT-O als "ersetzender Tarifvertrag" ablösen sollte. Auch dies würde allerdings nichts an dem Bestehen einer Ausschlussfrist ändern, da eine solche sich auch aus § 37 TV-L ergibt. § 37 TV-L hat denselben Wortlaut wie § 37 TV-UMN. Ob aufgrund der vertraglichen Bezugnahmeklausel inzwischen der TV-UMN gilt, ist dagegen zweifelhaft (vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern 20. November 2014 – 5 Sa 96/14).

50

Die Frage, aus welcher Rechtsquelle sich vorliegend die Ausschlussfrist ergibt, kann auf sich beruhen, denn alle drei in Betracht kommenden Tarifwerke enthalten zumindest inhaltsgleiche Regelungen zur Ausschlussfrist.

2.

51

Der Kläger macht mit dem Schmerzensgeldanspruch einen "Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis" im Sinne aller drei in Betracht kommenden Tarifnormen geltend.

52

Der in den Tarifnormen verwendete Begriff des "Anspruchs aus dem Arbeitsverhältnis" ist funktional zu bestimmen. Ihm unterfallen alle Ansprüche, die aufgrund des Arbeitsverhältnisses entstehen, im – hier vorliegenden – Falle von Schadensersatzansprüchen also alle Ansprüche, die sich aus dem Pflichtengefüge des Arbeitsverhältnisses ergeben (vgl. nur Treber in: Schaub Arbeitsrechthandbuch, § 209 Randnummer 15 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).

53

Ansprüche, die – wie vorliegend – erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werden, unterfallen ebenfalls dem Begriff des "Anspruchs aus dem Arbeitsverhältnis" im Sinne der hier relevanten Tarifnormen, sofern der funktionale Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis noch gegeben ist. Das ist vorliegend der Fall.

54

Der vom Kläger geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch ist nicht anders zu behandeln, nur weil er seinen Grund in dem in Artikel 2 GG anerkannten allgemeinen Persönlichkeitsrecht hat. Insoweit ist anerkannt, dass auch die Verletzung absoluter Rechte und daraus folgende Schadensersatzansprüche jedenfalls dann noch unter den Begriff "Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis" fallen, wenn die Verletzung des absoluten Rechts – wie hier – auf einer Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers beruht (vgl. nur Treber in: Schaub Arbeitsrechthandbuch, § 209 Randnummer 17 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Ob dies auch gelten kann, wenn es um die Beseitigung eines das Persönlichkeitsrecht verletzenden Zustandes geht, braucht hier nicht entschieden zu werden, da dieser spätestens Ende Juli 2013 mit der Korrektur der Forschungsdatenbank tatsächlich beseitigt war.

3.

55

Die Ausschlussfrist beginnt mit der Fälligkeit des fraglichen Anspruchs zu laufen. Demnach hat vorliegend die Ausschlussfrist spätestens mit dem 1. August 2013 zu laufen begonnen.

56

Da die Beklagte durch die falsch geführte Forschungsdatenbank, wenn man das als Persönlichkeitsrechtsverletzung ansehen würde, andauernd beeinträchtigt hätte, wäre ein möglicher Schmerzensgeldanspruch des Klägers wegen der damit möglicherweise verbundenen Persönlichkeitsrechtsverletzung sozusagen täglich neu entstanden und damit täglich abermals fällig geworden. Er wäre daher letztmalig fällig geworden mit dem letzten Tag vor der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes durch die Korrektur der Datenbank. Der rechtswidrige Zustand der Forschungsdatenbank war spätestens Ende Juli 2013 beseitigt worden. Da jedenfalls ab diesem Zeitpunkt die durch den falschen Anschein der Forschungsdatenbank verursachte mögliche Rechtsverletzung beseitigt war, sind auch spätestens zu diesem Zeitpunkt alle denkbaren Folgeansprüche des Klägers auf Schmerzensgeld wegen der Auswirkungen und der Begleiterscheinungen des rechtswidrigen Zustands der Datenbank auf ihn und seine Reputation letztmalig fällig geworden.

4.

57

Da die Ausschlussfrist in allen drei in Betracht kommenden Tarifwerken mit sechs Monaten bemessen ist, sind mögliche Ansprüche des Klägers mit Ablauf des Monats Januar 2014 verfallen gewesen.

58

Außergerichtlich wurde der Anspruch – jedenfalls nach Lage der Akten – nicht geltend gemacht und die Klage ist bei Gericht erst im September 2014, also weit nach Ablauf der Ausschlussfrist eingegangen.

5.

59

Mit dem Kläger geht das Berufungsgericht davon aus, dass von der Ausschlussfrist allerdings keine Ansprüche des Arbeitnehmers erfasst sein können, die auf vorsätzliches Verhalten der Beklagten selbst zurückzuführen sind (BAG 26. September 2013 – 8 AZR 1013/12 – AP Nr. 204 zu § 4 TVG Ausschlussfristen = NZA-RR 2014, 177; LAG Mecklenburg-Vorpommern 21. Juli 2015 – 2 Sa 36/15), denn nach § 202 Absatz 1 BGB kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatz nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Nach der soeben zitierten Rechtsprechung bezieht sich das Verbots der Haftungserleichterung bei Vorsatz allerdings nur auf die Person des Arbeitgebers selbst, bei juristischen Personen also auf die Organvertreter der Person und nicht auch auf die Erfüllungsgehilfen (also die anderen Beschäftigten), die der Arbeitgeber im Rahmen seines Betriebes einsetzt.

60

Vorliegend wäre die Ausschlussfrist aus dem Tarifvertrag also nur dann nicht anwendbar, wenn dem Kläger der Nachweis gelungen wäre, dass die Organvertreter der Beklagten, also die Mitglieder des Vorstandes der Beklagten, den Kläger vorsätzlich geschädigt hätten. Dafür liegen allerdings keine Anhaltspunkte vor. Es bleibt daher dabei, dass die möglichen Schmerzensgeldansprüche des Klägers verfallen sind.

III.

61

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sein Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist.

62

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG sind nicht erfüllt.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 22. März 2016 - 2 Sa 178/15

Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 22. März 2016 - 2 Sa 178/15

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 4 Wirkung der Rechtsnormen


(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis


(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Re
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 22. März 2016 - 2 Sa 178/15 zitiert 6 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 4 Wirkung der Rechtsnormen


(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis


(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Re

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 202 Unzulässigkeit von Vereinbarungen über die Verjährung


(1) Die Verjährung kann bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. (2) Die Verjährung kann durch Rechtsgeschäft nicht über eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn hinaus

Referenzen - Urteile

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 22. März 2016 - 2 Sa 178/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 22. März 2016 - 2 Sa 178/15 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 21. Juli 2015 - 2 Sa 36/15

bei uns veröffentlicht am 21.07.2015

Tenor 1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien hat lange Jahre ein Arbeitsverhältnis verbunden. Dieses Arbeitsverhältnis endete durch außerordentliche frist

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 20. Nov. 2014 - 5 Sa 96/14

bei uns veröffentlicht am 20.11.2014

Tenor 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 01.04.2014, Aktenzeichen 1 Ca 1957/13, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien stre

Bundesarbeitsgericht Urteil, 26. Sept. 2013 - 8 AZR 1013/12

bei uns veröffentlicht am 26.09.2013

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 1. Juni 2012 - 18 Sa 683/11 - aufgehoben.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 22. März 2016 - 2 Sa 178/15.

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 04. Apr. 2017 - 2 Sa 11/17

bei uns veröffentlicht am 04.04.2017

Tenor 1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten um Schadensersatz und Schmerzensgeld. Der Kläger wirft der Beklagten, der C., bei der er von 2000 bi

Referenzen

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 01.04.2014, Aktenzeichen 1 Ca 1957/13, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, welcher Tarifvertrag aufgrund einer vertraglichen Bezugnahmeklausel auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist.

2

Die Klägerin schloss zunächst am 26.09.2006 mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern einen befristeten Arbeitsvertrag zum 01.10.2006 über eine Beschäftigung im Universitätsklinikum A-Stadt (vgl. Bl. 4 ff d.A.). Der Arbeitsvertrag enthält u.a. folgende Klausel:

3

"…

§ 2

4

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem BAT-O zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifvertragliche Vorschriften - (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung.

5

Außerdem finden die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung mit Ausnahme der gekündigten Tarifverträge "Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte (TV Zuwendung Ang-O)" vom 10.12.1990 und "Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte (TV Urlaubsgeld Ang-O)" vom 10.12.1990.

6

…"

7

Hieran schlossen sich sodann weitere Änderungsverträge an, die. u. a. zur Entfristung führten. Vorgenannter § 2 besteht bis heute unverändert fort.

8

Die Klägerin ist nicht Mitglied einer Gewerkschaft.

9

Bei der Beklagten handelt es sich um eine durch das Land M-V zum 01.01.2012 neu errichtete rechtsfähige Teilkörperschaft des öffentlichen Rechts. Die Beklagte besteht im Wesentlichen aus dem Geschäftsbereich des schon einige Jahre zuvor gegründeten Universitätsklinikum A-Stadt – Anstalt öffentlichen Rechts sowie des nun eingegliederten Fachbereichs Medizin der Universität A-Stadt. Die Errichtung der Beklagten und weitere hiermit in Zusammenhang stehende Fragen sind im Gesetz zur Errichtung der Teilkörperschaft „Universitätsmedizin A-Stadt“ (TKUniMedR.ErG M-V) geregelt.

10

§ 3 TKUniMedR.ErG M-V enthält folgende Regelung:

11

"…

12

§ 3
Anwendbares Tarifrecht

13

(1) Bis zum Abschluss der neuen Tarifverträge gelten für das auf die Universitätsmedizin A-Stadt übergeleitete Landespersonal und für das gemäß § 2 Absatz 2 neu eingestellte Personal die für die Landesbeschäftigten einschlägigen Tarifverträge des Landes Mecklenburg-Vorpommern in der jeweils geltenden Fassung fort. Mit Wirkung vom 1. Januar 2013 gelten sie in der an diesem Tage geltenden Fassung fort, solange die Universitätsmedizin A-Stadt für das in Satz 1 genannte Personal keine eigenen Tarifverträge abgeschlossen hat.

14

…"

15

Die Beklagte übernahm zum 01.01.2012 aufgrund Regelung im TKUniMedR.ErG M-V u. a. die Arbeitnehmer des Fachbereichs Medizin der Universität A-Stadt – somit auch die Klägerin.

16

Die Parteien schlossen am 04.06.2012 rückwirkend zum 01.01.2012 einen Änderungsvertrag, der den Wechsel des Arbeitgebers ausweist (vgl. Blatt 17 ff d. A.). Der Änderungsvertrag sieht eine Vergütung nach der Entgeltgruppe E 6 TV-L vor. Im Übrigen lässt er den bisherigen Arbeitsvertrag unberührt.

17

Die Beklagte sowie die Universitätsmedizin G. schlossen mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (v.) durch Unterschriftsleistung im Dezember 2012 und am 27.02.2013 den "Tarifvertrag für die Universitätsmedizin A-Stadt und G. im Tarifverbund Nord (TV-UMN)". Weiterhin schlossen sie am 28.05./13.06.2013 den "Tarifvertrag zur Überleitung der Landesbeschäftigten der Universitätsmedizin und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-UMR)" ab. Beide Tarifverträge traten rückwirkend zum 01.01.2012 in Kraft. Dem Landesarbeitsgericht ist aus anderen Verfahren der Beklagten bekannt, dass jedenfalls der TV-UMN bereits Ende Mai 2012 endverhandelt worden war.

18

Der TVÜ-UMR enthält folgende Regelungen:

19

"…

20

§ 1
Geltungsbereich

21

(1) Dieser Überleitungstarifvertrag gilt für die gemäß Gesetz zur Errichtung der Teilkörperschaft Universitätsmedizin A-Stadt vom 16. Dezember 2010 auf die Universitätsmedizin A-Stadt übergeleiteten Beschäftigten (Landespersonal).

22

23

§ 2
Ersetzung bisheriger Tarifverträge durch den TV-UMN

24

1Der TV-UMN und den TV-UMN ergänzende Tarifverträge ersetzen in Verbindung mit diesem Überleitungstarifvertrag für den Bereich der Universitätsmedizin A-Stadt den bisher in der Anwendung befindlichen Tarifvertrag der Länder (TV-L) und dessen ergänzende Tarifverträge sowie den Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) vom 12. Oktober 2006. 2Die Ersetzung erfolgt mit Wirkung vom 01.01.2013, soweit kein abweichender Termin bestimmt ist.

25

…"

26

Bis zum Ende des Jahres 2012 wandte das Land M-V und später die Beklagte auf das Arbeitsverhältnis den BAT-O und später den TV-L an. Ab dem 01.01.2013 reichte die Beklagte an die Klägerin nicht mehr die aktuelle Tariflohnerhöhung nach dem TV-L weiter. Ab dem August 2013 erhält die Klägerin nur noch die geringere Vergütung nach dem TV-UMN. Die monatliche Differenz betrug seinerzeit 126,36 €.

27

Mit ihrer Klageschrift vom 04.12.2013, eingegangen beim Arbeitsgericht Rostock am 05.12.2013 begehrt die Klägerin die Feststellung, dass auch nach dem 01.01.2013 weiterhin der TV-L in seiner jeweils geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist.

28

Mit Urteil vom 01.04.2014 gab das Arbeitsgericht der Klage statt. Die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel sei nicht als Gleichstellungsabrede anzusehen und führe auch weiterhin zur Anwendung des TV-L und nicht des TV-UMN. Auch § 3 TKUniMedR.ErG M-V führe nicht zur Anwendung des TV-UMN.

29

Das Urteil wurde der Beklagten am 22.04.2014 zugestellt. Die Beklagte legte hiergegen am 09.05.2014 Berufung ein und begründete diese innerhalb der gewährten Fristverlängerung am 23.07.2014.

30

Die Beklagte verfolgt weiter ihr Begehren der Klagabweisung. Wie schon erstinstanzlich meint sie, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin gemäß TVÜ-UMR seit dem 01.01.2013 dem TV-UMN unterliege. Das ergebe sich sowohl aus der vertraglichen Bezugnahmeklausel als auch aus § 2 TKUniMedR.ErG M-V. Die Bezugnahmeklausel sei auszulegen. Der Wortlaut führe nicht weiter, weil die Klausel nur den Fall regele, dass die Klägerin in einem Arbeitsverhältnis zum Land M-V stehe. Dies sei nicht mehr gegeben. Den Fall einer gesetzlichen Überleitung des Arbeitsverhältnisses habe man nicht bedacht. Diese Lücke sei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahingehend zu schließen, dass eine große dynamische Verweisungsklausel vereinbart worden wäre. Die Geltung des TV-UMN sei geboten, weil die Beklagte für alle neuen Vertragsabschlüsse in den Arbeitsverträgen hierauf verweist. Außerdem sei der TV-UMN anzuwenden, da schon § 2 Abs. 2 des ursprünglichen Arbeitsvertrages durch den Verweis auf die sonstigen Tarifverträge eine Tarifwechselklausel enthalte. Zudem sei die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu einer unbedingten zeitdynamischen Bezugnahme auf den BAT-O/TV-L wegen Verstoßes gegen die negative Koalitionsfreiheit sowie die Vertragsfreiheit europarechtswidrig. Die Beklagte verweist auf das Urteil des EuGH vom 18.07.2013, C-426/11 (A.-H.). Das Land M-V habe überdies von Art. 8 der Richtlinie 2001/23 Gebrauch gemacht. Mit § 3 TKUniMedR.ErG M-V sei die Tarifhoheit auf die Beklagte übergeleitet worden. Der Landesgesetzgeber habe die Befugnis die Geltung oder Nichtgeltung von Tarifverträgen anzuordnen. Der Landesgesetzgeber könne die Tarifbindung seiner Arbeitnehmer bestimmen. Daher gelte nunmehr der TV-UMN.

31

Die Beklagte beantragt:

32

Das am 01.04.2014 verkündete und am 22.04.14 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Rostock, 1 Ca 1957/13, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

33

Die Klägerin beantragt:

34

Die Berufung zurückzuweisen.

35

Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und ist der Ansicht, dass für sie aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme weiterhin der TV-L gelte. Da der Arbeitsvertrag nach dem 31.12.2001 geschlossen wurde und damit uneingeschränkt dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliege, sei die Bezugnahmeklausel nicht als Gleichstellungsabrede auszulegen. Für eine ergänzende Vertragsauslegung gebe es keinen Raum, da die Bezugnahmeklausel nicht lückenhaft sei. Nichts anderes ergebe sich aus dem Gesetz zur Errichtung der Teilkörperschaft Universitätsmedizin A-Stadt. Dieses Gesetz regle nur die Übertragung der Tarifhoheit vom Land auf die Beklagte. Der Landesgesetzgeber könne nicht festlegen, dass Arbeitsvertragsklauseln nicht mehr gelten und dafür ein neuer Tarifvertrag gilt.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene Urteil des Arbeitsgerichts verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

37

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

38

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch weiterhin über den 01.01.2013 hinaus der TV-L in seiner jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

39

Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in den Gründen zu Recht der Klage stattgegeben. Das Urteil des Arbeitsgerichts war somit nicht abzuändern.

1.

40

Der TV-L gilt auch weiterhin bereits aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung zwischen den Parteien in § 2 des Arbeitsvertrages vom 26.09.2006.

41

Diese Norm ist in den späteren Änderungsverträgen auch jeweils unverändert geblieben.

a)

42

Das Arbeitsgericht führte in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zur vertraglichen Regelung im Arbeitsvertrag wie folgt aus:

43

„Arbeitgeber und Arbeitnehmer steht es frei, die Rechtsfolgen eines Tarifwechsels im Arbeitsvertrag zu regeln. Mit einer Tarifwechselklausel kann der Arbeitgeber einem evtl. Verbandswechsel vorbeugen und eine Gleichstellung auch in diesem Falle erreichen. Die Arbeitsvertragsparteien bestimmen mit ihrer vertraglichen Abrede den Umfang der Inbezugnahme von Tarifverträgen (BAG, Urteil vom 22.10.2008 - 4 AZR 784/07 - NZA 2009, 151).

44

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (§ 133 BGB). Für die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen ist maßgebend, wie diese vom Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte verstanden werden mussten. Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut der Erklärung; anschließend ist unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Erklärung, dem systematischen Zusammenhang mit anderen Regelungen und der Entstehungsgeschichte zu prüfen, ob der Wortlaut mit dem wirklichen Willen des Erklärenden übereinstimmt oder ggf. einen erkennbar abweichenden Inhalt haben sollte (z. B. Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl. 2014, § 133, Rn. 14 ff.).

45

Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 26.09.2006 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder jeweils geltenden Fassung. Der BAT-O ist durch den TV-L ersetzt worden, was die Parteien im Änderungsvertrag vom 04.06.2012 berücksichtigt haben. Der TVÜ-UMR und der TV-UMN sind hingegen keine Tarifverträge, die unter diese Klausel fallen, da sie nicht wie gefordert für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder gelten.

46

Der Sinn und Zweck der Bezugnahmeklausel gebietet keine vom Wortlaut abweichende Auslegung. Sie ist nicht als Gleichstellungsabrede anzusehen.

47

Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 geschlossen worden sind (sog. Neuverträge), sind nicht als Gleichstellungsabrede auszulegen, sofern nicht der Arbeitgeber seine Tarifgebundenheit an den genannten Tarifvertrag in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht hat. Wenn die Arbeitsvertragsparteien der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers besondere Bedeutung beimessen wollen, muss dies grundsätzlich im Vertragstext Niederschlag finden oder auf sonstige Weise Gegenstand der arbeitsvertraglichen Einigung geworden sein (BAG, Urteil vom 16.05.2012 - 4 AZR 290/10 - ZTR 2012, 707).

48

Der TVÜ-UMR und der TV-UMN fallen auch nicht unter die "im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge" im Sinne des § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 26.09.2006. Diese Klausel bezieht sich nur auf solche Tarifverträge, die neben dem BAT-O gelten, nicht aber auf Tarifverträge, die von anderen Tarifvertragsparteien abgeschlossen wurden und den BAT-O verdrängen (vgl. zu ähnlichen Formulierungen BAG, Urteil vom 16.05.2012 - 4 AZR 290/10 - ZTR 2012, 707; BAG, Urteil vom 22.10.2008 - 4 AZR 784/07 - NZA 2009, 151). Der Begriff "außerdem" macht deutlich, dass hierbei an hinzutretende, nicht aber an ersetzende Regelungen - anders als in § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrages - gedacht ist. "Außerdem" bedeutet: "darüber hinaus" (Duden, Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl. 2010, Stichwort 'außerdem'). Es geht also um tarifliche Regelungen, die darüber hinaus bestehen, nicht aber um solche, die den BAT-O ersetzen. Ersetzende Tarifverträge sind nur in § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrages erwähnt. Die Tarifverträge im Sinne des § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrages sollen gerade nicht die in Abs. 1 genannten Tarifverträge verdrängen. Die Bezugnahme auf sonstige Tarifverträge in Abs. 2 lässt die Bezugnahme auf den BAT-O sowie die ihn ersetzenden Tarifverträge unberührt. Der zweite Teil der Bezugnahmeklausel verdrängt nicht den ersten Teil, sondern ergänzt ihn.

49

Für diese Auslegung spricht des Weiteren der enge Zusammenhang mit den noch im gleichen Satz erwähnten gekündigten Tarifverträgen, die nur eingeschränkt Anwendung finden, nämlich der TV Zuwendung Ang-O und der TV Urlaubsgeld Ang-O. Es handelt sich in beiden Fällen um Tarifverträge, die neben dem BAT-O gelten, nicht aber um Tarifverträge, die ihn ganz oder teilweise ablösen.“

50

Diesen Ausführungen schließt sich das Landesarbeitsgericht zunächst vollständig an. Sie führen als Kernbegründung bereits richtig aus, weshalb der TV-L aufgrund § 2 des Arbeitsvertrages auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist.

b)

51

Aufgrund der Ausführungen in der Berufungsschrift, wird ergänzend auf Folgendes hingewiesen:

(1)

52

Die Verweisungsklausel in § 2 des ursprünglichen Arbeitsvertrages verweist nicht auf von der Beklagten geschlossene Haustarifverträge. Dies ist allein schon deshalb nicht möglich, weil der Haustarifvertrag (TV-UMN) jedenfalls arbeitgeberseitig von einer anderen Tarifvertragspartei abgeschlossenen wurde als der TV-L. Der TV-UMN kann somit rechtlich kein Tarifvertrag sein, der den TV-L ersetzt (vgl. BAG, Urteil vom 16.05.2012, 4 AZR 290/10 Rz. 28 bis 31 – zitiert nach juris - zu einem ähnlich gelagerten Fall). Dies gilt selbst dann, wenn dies so in dem Haustarifvertrag von seinem Wortlaut her bestimmt worden ist. Der Haustarifvertrag ist insoweit ohne rechtliche Wirkung.

(2)

53

Weiterhin ist auch ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass kein Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend besteht, dass der TV-UMN anzuwenden wäre. Voraussetzung der ergänzenden Vertragsauslegung wäre, dass die Regelung in § 2 des Arbeitsvertrages eine planwidrige Lücke enthält. Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht eine solche jedoch nicht.

54

Nach der Rechtsprechung des BGH liegt eine solche Regelungslücke vor, „wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder wenn sie ihn bewusst offen gelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und wenn sich diese Annahme nachträglich als unzutreffend herausstellt. Dabei kann von einer planwidrigen Regelungslücke nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre.“ (BGH, 04.12.2014, VII ZR 4/13).

55

Diese Voraussetzungen sind hier in jeder Hinsicht nicht erfüllt.

(aa)

56

Es ist entgegen Behauptung der Beklagten kein Punkt übersehen worden oder bewusst offen gelassen worden. Hierfür gibt es keine objektiv nachvollziehbaren Anhaltspunkte.

57

Allgemein und damit zweifellos auch dem Land M-V als Arbeitgeber war bei Vertragsschluss im Jahr 2006 die Rechtsprechung des BAG zu Gleichstellungsabreden und sogenannten Neuverträgen und Altverträgen bekannt. Gleiches gilt für den Umstand, dass im deutschen Arbeitsrecht verschiedene Verweisungsklauseln hinsichtlich ihrer thematischen und zeitlichen Reichweite bekannt sind. Auch war es allgemein und damit dem Land M-V im Jahr 2006 bekannt, dass Übergänge von Arbeitsverhältnissen auf dritte Arbeitgeber, bei denen andere Tarifverträge anwendbar sind, möglich sind. Entscheidet sich das Land sodann trotz der allgemein bekannten Rechtsprechung und Rechtslage noch im Jahr 2006, einen Arbeitsvertrag mit (alten) Klauseln abzuschließen, die nur auf den BAT-O und den diesen ersetzende Tarifverträge (hier den TV-L) verweisen, so kann von keiner Lücke bezüglich zu regelnder Ausgangspositionen gesprochen werden. Es ist vielmehr von einer bewussten Entscheidung auszugehen.

58

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei § 2 des Ausgangsarbeitsvertrages einerseits um vom Land gestellte allgemeine Geschäftsbedingungen handelt und zum weiteren die Auslegung einer Willenserklärung aus der Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers – hier somit der Klägerin – erfolgt. Ausgehend von der bekannten Rechtslage und Rechtsprechung konnte die Klägerin das das Vertragsangebot des Landes nur so verstehen, dass in jedem Fall der BAT-O oder die ihn ersetzenden Tarifverträge zur Anwendung kommen sollen. Aus diesem Grund käme es noch nicht einmal darauf an, dass der für das Land M-V bei Vertragsschluss handelnden Person ggf. doch die allgemein bekannte Rechtslage unbekannt gewesen sein könnte.

59

Von ergänzender Bedeutung ist auch, dass die Beklagte mit der Klägerin noch am 04.06.2012 rückwirkend einen Änderungsvertrag geschlossen hatte, der den Arbeitgeberwechsel verarbeiten sollte. Selbst hier hätte noch die Chance bestanden, die Verweisungsklausel an die Situation des Arbeitgeberwechsels anpassen. Derartiges ist jedoch nicht geschehen. Offenbar waren sich die Parteien noch nach dem Arbeitgeberwechsel über die Fortgeltung des TV-L einig. Diese Ansicht wird verstärkt durch den Umstand, dass sich selbst im Änderungsvertrag erneut die Formulierung „TV-L“ findet. Zudem kommt hinzu, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Änderungsvertrages der spätere TV-UMN bereits endverhandelt war (und dies bereits an die Arbeitnehmer weitergeleitet worden war). Wie sollte das Erklärungsverhalten der Beklagten von der Klägerin verstanden werden? Für die Annahme einer Regelungslücke für den Fall des Arbeitgeberwechsels besteht spätestens hier kein Raum mehr.

(bb)

60

Selbst wenn man meinen sollte, dass ein Punkt in der Ausgangslage (nämlich die Änderung des Arbeitgebers) bei Vertragsschluss in relevanter Weise übersehen worden wäre, so läge in diesem Fall gleichwohl keine planwidrige Regelungslücke vor. Denn in jedem Fall enthält der Arbeitsvertrag die eindeutige Regelung einer bestimmten Rechtsfolge: nämlich die Anwendung des BAT-O oder der ihn ersetzenden Tarifverträge. Es entsteht bei der Wortwahl des Arbeitsvertrages nicht die Situation, dass der Rechtsanwender bei der Verarbeitung des Arbeitsvertrages bezogen auf einen gewissen Sachverhalt plötzlich quasi in einer Sackgasse steht und keine Antwort auf eine Rechtsfrage erhält. Egal bei welchem Arbeitgeber die Klägerin künftig innerhalb dieses Arbeitsvertrages beschäftigt ist, der Vertrag gibt schlicht immer die Anweisung, dass der BAT-O und die ihn ersetzenden Tarifverträge anwendbar sind.

61

Wie die Klägerin bereits richtig ausführte wäre eine Regelungslücke z.B. dann entstanden, wenn im Arbeitsvertrag formuliert worden wäre: „Solange die Arbeitnehmerin beim Land M-V beschäftigt ist, gilt der BAT-O und die ihn ersetzenden … .“ In einem solchen Fall hätte der Arbeitsvertrag in der Tat keine Antwort gegeben, wie bei einem Arbeitgeberwechsel zu verfahren ist. Dann läge eine Lücke vor.

(cc)

62

Schließlich ist bei der vorliegenden Konstellation nicht davon auszugehen, dass der Arbeitsvertrag zwar in der Tat (ggf. zufällig) eine Antwort auch bei einem Wechsel der Arbeitgebers gibt, eine andere Regelung für das unterstellte Übersehen eines Arbeitgeberwechsels jedoch ausnahmsweise gleichwohl „erforderlich ist, um den … Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre.“ (BGH, a.a.O.). Der Regelungsplan der Parteien war die sachgerechte Gestaltung eines Arbeitsvertrages für eine gewisse Tätigkeit. Die Anwendung des BAT-O oder des TV-L erfüllt diesen Zweck unproblematisch. Er regelt deutschlandweit in tausenden Arbeitsverhältnissen umfassend die wesentlichen auftauchenden Fragestellungen und konnte dies bisher auch unproblematisch im Fall der Klägerin. Es ist nicht im Mindesten erkennbar, dass die Anwendung des TV-UMN „erforderlich“ wäre, um den Regelungsplan der Arbeitsvertragsparteien zu verwirklichen. Auch ist nicht erkennbar, dass das die Anwendung des BAT-O oder des TV-L nicht zu einer angemessenen und interessengerechten Lösung führen würde. Das Arbeitsverhältnis ist ohne Schwierigkeiten unter Anwendung des BAT-O oder des TV-L durchführbar, zumal das Land M-V Träger der hier beklagten Körperschaft ist. In dieser Konstellation ist es kaum vorstellbar, dass die Anwendung des Tarifvertrages, der auch für das Land anwendbar ist, nicht interessengerecht wäre. Dass die Beklagte einseitig allein für sich vielleicht andere, vor allem finanzielle Interessen haben mag, ist bei dieser Abwägung nicht von entscheidender Bedeutung.

63

Hinzu kommt auch hier wiederum, dass es sich nicht um einen beidseitig frei ausgehandelten Vertrag mit eventuellen Lücken, sondern um vom Land M-V gestellte allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Allein dies steht einer Interessenanpassung vor allem zugunsten des Arbeitgebers entgegen. Diese Last muss auch die Beklagte tragen.

(3)

64

Auch die Ansicht der Beklagten, die Rechtsprechung des BAG zur unbedingten zeitdynamischen Bezugnahme auf den BAT-O/TV-L sei europarechtswidrig, was sich aus der Rechtsprechung des EuGH im Fall A.-H. gg. P. ergäbe, führt nicht zur Anwendung des TV-UMN. Das vorgenannte Urteil des EuGH steht einer dauerhaften Anwendung des BAT-O bzw. des TV-L nicht entgegen.

(aa)

65

Das BAG hatte zunächst bereits in seinem Urteil vom 21.10.2009, Az. 4 AZR 396/08, entschieden, dass gegen die Annahme eines Überganges einer dynamischen Verweisungsklausel auf das Arbeitsverhältnis nach einem Betriebsübergang weder verfassungsrechtliche noch gemeinschaftsrechtliche Bedenken bestehen (ebenso BAG, Urteil vom 24.02.2010, 4 AZR 691/08). Dem schließt sich die Kammer an. Die negative Koalitionsfreiheit kann schon begrifflich nicht durch eine arbeitsvertragliche Individual-Regelung verletzt sein (BAG, 21.10.2009, 4 AZR 396/08, Rz. 35, zitiert nach juris). Durch § 613 a BGB bzw. im Rahmen des gesetzlichen Überganges des Arbeitsverhältnisses wird der übernehmende Arbeitgeber nur so gestellt, als hätte er die Willenserklärung zum Abschluss des Arbeitsvertrages selbst abgegeben. Im Rahmen des Überganges des Arbeitsverhältnisses bleibt der individual-rechtliche Charakter der Verweisungsklausel erhalten. Die Parteien sind völlig frei, ihre ursprüngliche Vereinbarung einvernehmlich abzuändern. Gleichzeitig sind sie aber auch bis zu einer solchen einvernehmlichen Abänderung an die selbst vertraglich eingegangenen Verpflichtungen gebunden. Das gilt für eine dynamische Verweisungsklausel nicht anders als für jede andere vertragliche Vereinbarung.

66

Davon zu unterscheiden wäre der Fall, dass der BAT-O und der TV-L nach § 4 Abs. 1 TVG normative Wirkung entfalten. Eine solche Wirkung würde nicht aufgrund Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, sondern aufgrund Mitgliedschaft in der tarifschließenden Koalition eintreten. Für einen solchen Fall sieht § 613 a Abs. 1 Satz 2 - 4 BGB denn auch Erleichterungen für den übernehmenden Arbeitgeber ohne entsprechende Tarifbindung vor, da ihm spätere dynamische Entwicklungen nicht mehr zugerechnet werden können.

67

Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Der Klägerin ist schlicht individual-rechtlich, hier sogar im Rahmen einer gestellten allgemeinen Geschäftsbedingung, versprochen worden, dass dauerhaft der BAT-O bzw. die ihn ersetzenden Tarifverträge Anwendung finden sollen. Die Verletzung gewisser Freiheiten des Arbeitgebers ist hier schlechterdings nicht möglich. Der Arbeitgeber hat hier nur die Pflichten einzuhalten, die er selbst angeboten hat. Er hat sich damit selbst freiwillig eine Pflicht auferlegt bzw. seine Freiheit eingeschränkt. Da der Übernehmer des Arbeitsverhältnisses unverändert in die Rechtsposition des früheren Arbeitgebers eintritt, gilt für ihn nichts anderes. Insoweit stellte auch schon das BAG fest, dass die Auslegung eines Arbeitsvertrages als solchem keine gemeinschaftsrechtlichen Bezüge hat (BAG, 21.10.2009, 4 AZR 396/08, Rz. 347, zitiert nach juris). Die Auslegung obliegt allein nationalen Gerichten. Für die Auslegung eines Vertrages, und auf nichts anderes kommt es hier an, ist allein der Wille der Parteien bei Vertragsabschluß maßgeblich. Pflichten aus dem Vertrag können nicht mit dem Argument umgangen werden, dass der Arbeitgeber meint, die von ihm selbst vorgeschlagenen Regelungen würden ihn in seiner Freiheit beschränken.

(bb)

68

Auch das angesprochene, zeitlich nachfolgende Urteil des EuGH vom 18.07.2013, C 426/11 (A.-H.) steht dem nicht entgegen (ebenso Hessisches LAG, 10.12.13, 8 Sa 537/13). Auf den ersten Blick mag dies den Anschein haben. Jedoch ist aus diesem Urteil des EuGH nichts für den hiesigen Fall abzuleiten.

69

Dem Urteil des EuGH lag ein Fall aus dem Vereinigten Königreich zugrunde. Zudem handelte es sich um einen Betriebsübergang vom öffentlichen auf den privaten Sektor. Auch war zu beachten, dass sich im dortigen Fall aufgrund arbeitsvertraglicher Regelung das Entgelt nach Bestimmungen des National Joint Council for Local Government Services (NJC) richten sollte, dem der private Betriebsübernehmer nicht angehören konnte. Der EuGH meinte u. a. (ohne nähe Begründung), dass bei einem Übergang vom öffentlichen auf den privaten Sektor davon auszugehen sei, dass in Anbetracht der unvermeidlichen Unterschiede zwischen beiden Sektoren beträchtliche Anpassungen der Arbeitsbedingungen notwendig seien. Der Verweis auf Arbeitsbedingungen des öffentlichen Sektors könnte den notwendigen Handlungsspielraum des privaten Erwerbers einschränken, da er künftig nicht auf die tarifliche Entwicklung Einfluss nehmen könne. Schließlich kam der EuGH zu dem Schluss, dass Art. 3 der Richtlinie 2001/23 (Betriebsübergangsrichtlinie) in Verbindung Art. 8 dieser Richtlinie nicht dahin auszulegen sei, dass er die Mitgliedsstaaten zum Erlass von Maßnahmen ermächtigt, die zwar für den Arbeitnehmer günstiger sind als die Grundregel des Art. 3, die aber den Wesensgehalt des Rechts des Erwerbers auf unternehmerische Freiheit beeinträchtigen können.

70

Abgesehen davon, dass dieses Urteil des EuGH schon keine nachvollziehbare Darlegung von Gründen enthält, beruht es doch auf einer anderen Sachverhaltskonstellation.

71

So gelten im englischen Tarifrecht die Rechtsnormen eines Tarifvertrages nicht wie in Deutschland unmittelbar und zwingend (§ 4 Abs. 1 TVG), sondern werden in der Regel erst durch eine Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag in das Arbeitsverhältnis einbezogen und damit rechtlich bindend (Naber/Krois, ZESAR 2014, 121, 123). Die Verweisungsklausel im englischen Recht ist daher als Hilfsmittel des kollektiven Rechts zu verstehen. In England können die Rechtsfolgen eines Tarifvertrages nur aufrecht erhalten werden, wenn auch die Verweisungsklausel weiter Bestand hat. Daher ist in England die Verweisungsklausel dem Art. 3 Abs. 3 der Betriebsübergangsrichtlinie zuzuordnen (in Deutschland umgesetzt durch § 613 a Abs. 1 Satz 2-4 BGB) (siehe auch Klauck/Klein, jurisPR-ArbR 40/2013 Anm.1). In Deutschland ist eine Verweisungsklausel allerdings dem Individualrecht zuzuordnen. Die Verweisungsklausel geht als Bestandteil des individuellen Arbeitsvertrages über. Dies ist ein Fall von Art. 3 Abs. 1 der Betriebsübergangsrichtlinie (umgesetzt in Deutschland durch § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine Verweisungsklausel im englischen Recht ist also mit einer hiesigen nicht vergleichbar (Hessisches LAG, a.a.O. Rz. 117, zitiert nach juris).

72

Im Fall des Art. 3 Abs. 3 Betriebsübergangsrichtlinie unterliegen die kollektivrechtlichen Normen einer unionsrechtlichen Mindest-Veränderungssperre, die durch die Mitgliedsstaaten noch anderweitig ausgestaltet werden kann. Dementsprechend hatte der EuGH auch entschieden, dass es „einem Mitgliedsstaat“ „verwehrt“ ist, „vorzusehen“, dass Klauseln eine gewisse Wirkung haben sollen. Hingegen lässt Art. 3 Abs. 1 der Betriebsübergangsrichtlinie eine sofortige Veränderung der individuellen Vereinbarungen zu. Der hier zu entscheidende Fall in Deutschland ist dieser Regelung zuzurechnen. Die Parteien haben individuell etwas vereinbart: die Geltung eines gewissen Tarifvertrages. Im hiesigen Fall hat der Deutsche Staat nicht „vorgesehen“, dass ein gewisser Tarifvertrag gelten soll. Der Staat war hier gar nicht an der Geltung des BAT-O/TV-L beteiligt. Eine staatlich angeordnete Veränderungssperre gibt es nicht. Der hiesige Fall hat nichts mit Art. 3 Abs. 3 und Art. 8 der Betriebsübergangsrichtlinie zu tun. Allein aus diesem Grund kann der Fall des EuGH aus England nicht auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen werden.

73

Bei einem Übergang nach Art. 3 Abs. 1 der Betriebsübergangsrichtlinie sind vertraglich eingegangene Verpflichtungen des früheren Arbeitgebers quasi Eigenschaften, die dem zu übernehmenden Betrieb anhaften. Hier ist der Betriebsübernehmer in seiner unternehmerischen Freiheit völlig frei, im Rahmen eines sogenannten Due Dilligence –Verfahrens vorab die Eigenschaften des zu übernehmenden Betriebes zu prüfen, um sodann zu entscheiden, ob überhaupt eine Übernahme stattfinden soll oder aber zu welchem Preis (ebenso in Zusammenhang mit A.-H.: LAG Köln, 23.09.2013, 2 Sa 242/13 Rz. 39, zitiert nach juris).

74

Hinzu kommt im konkreten Einzelfall, dass es sich hier nicht um einen vom EuGH argumentativ angesprochenen Übergang vom öffentlichen Sektor auf den privaten Sektor handelt. Im vorliegenden Fall ist die Beklagte als Übernehmerin der Arbeitsplätze ebenfalls und weiterhin ein Arbeitgeber des öffentlichen Rechts. Auch muss beachtet werden, dass das Land M-V als Trägerin der Beklagten und frühere Arbeitgeberin weiterhin die Möglichkeit hat, auf die die Entwicklung der im Arbeitsvertrag vereinbarten Tarifverträge Einfluss zu nehmen.

75

Im Ergebnis bleibt es somit dabei, dass die arbeitsvertragliche Vereinbarung der Klägerin weiterhin zur Anwendung des TV-L führt.

2.

76

Der TVÜ-UMR und der TV-UMN sind auch nicht abweichend von der vertraglichen Vereinbarung aufgrund gesetzlicher Regelung in § 3 TKUniMedR.ErG M-V auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden.

77

Das Arbeitsgericht führte bereits aus: „Die landesgesetzliche Regelung steht einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel, die auf den BAT-O bzw. den TV-L in seiner jeweiligen Fassung verweist, nicht entgegen. Das Gesetz verdrängt nicht ggf. günstigere Arbeitsverträge. Die Regelung dient allein dem Schutz der Arbeitnehmer, deren tarifvertragliche Rechte sie sicherstellen soll. Sie hat aber nicht den Zweck, in Arbeitsverträge einzugreifen und die neu errichtete Beklagte von ggf. ungünstigen vertraglichen Vereinbarungen zu befreien.“ Diese Ausführungen des Arbeitsgerichts sind wiederum vollkommen richtig.

78

Das von der Beklagten in die gesetzliche Regelung hineingelesene Verständnis der gesetzlich zwingend angeordneten Geltung eines Tarifvertrages (TV-UMN) unabhängig von individuellen Vereinbarungen oder Mitgliedschaften in Koalitionen des Arbeitsrechts würde zu einer erheblichen Beschränkung grundrechtlicher Freiheiten der Arbeitnehmer, Gewerkschaften und Arbeitgeber führen, ohne dass ein hinreichender Rechtfertigungsgrunde ersichtlich wäre. Auch wäre zu hinterfragen, ob durch die dann landesrechtliche Regelung von Tarifrecht nicht gegen die Bestimmungen der konkurrierenden Gesetzgebung verstoßen würde, die in Art. 74 Abs. 1 GG das Arbeitsrecht zunächst dem Bund zuweist, der mit dem BGB und TVG von seiner Zuständigkeit bereits Gebrauch gemacht hat.

II.

79

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

80

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Die Kammer weicht nicht von der Rechtsprechung des BAG ab. Eine grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung ist auch nicht erkennbar. Für die Entscheidung mussten keine abstrakten Rechtssätze aufgestellt werden, die für die Fortbildung des Arbeitsrechts von Bedeutung sind.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 1. Juni 2012 - 18 Sa 683/11 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Schadensersatz-, Schmerzensgeld- und Entschädigungsansprüche.

2

Der in Polen geborene Kläger, der die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, war seit 1. September 1983 bei der Beklagten als Arzt beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 30. August 1983 zugrunde. Am 26. Februar 1986 schlossen die Parteien einen weiteren Arbeitsvertrag, in dem es ua. heißt:

㤠1

Herr K, geb. am wird ab 01.03.1986 als Anästhesie Funktions-Oberarzt beim Ev. Krankenhaus W auf unbestimmte Zeit unter Eingruppierung in die Vergütungsgruppe BAT-KF I b weiterbeschäftigt.

§ 2

Vertragsinhalt sind die Bestimmungen der Notverordnungen zum Dienstrecht der kirchlichen Angestellten vom 26.7.1961 und 12.12.1962 und die Änderungen und Ergänzungen, die auf Grund dieser Notverordnungen beschlossen werden.“

3

Eine Oberarztstelle bekleidete der Kläger nicht. Er wurde in der Folgezeit auch nicht zum regulären Oberarzt ernannt. Am 15. Mai 2005 erlitt der Kläger einen Schlaganfall. Seit 1. Juli 2005 ist er als Schwerbehinderter anerkannt (zuletzt, dh. ab 11. Dezember 2009, mit einem Grad der Behinderung von 100). Nachdem der Kläger am 14. November 2005 seinen Dienst wieder angetreten hatte, erlitt er am 19. Juni 2006 einen Bandscheibenvorfall. Danach war er arbeitsunfähig erkrankt und nahm am 2. November 2006 seine Tätigkeit wieder auf. Nachdem durch den Widerspruchsausschuss die zunächst verweigerte Zustimmung des Integrationsamtes erteilt worden war, sprach die Beklagte am 10. Dezember 2007 dem Kläger eine „entfristete“ Änderungskündigung aus mit dem Ziel, ihn in einem Krankenhaus in H einzusetzen. Diese Kündigung erklärte die Beklagte später selbst für unwirksam, weil das Mitbestimmungsverfahren nicht eingehalten worden war. Eine weitere, von der Beklagten am 26. Februar 2008 ausgesprochene Änderungskündigung wurde von den Parteien in einem Kündigungsschutzprozess für erledigt erklärt. Am 4. August 2008 erteilte die Beklagte dem Kläger vier Abmahnungen. Seit 5. August 2008 ist der Kläger fortlaufend arbeitsunfähig krank. Die Beklagte leistete ihm für 26 Wochen Entgeltfortzahlung. Seit dem 1. September 2009 bezieht der Kläger eine Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer. Die Beklagte beantragte daraufhin beim Integrationsamt gemäß § 92 SGB IX die Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die nach § 30 Abs. 2 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte - kirchliche Fassung(TV-Ärzte-KF) mit Gewährung einer unbefristeten Berufsunfähigkeitsrente auf Dauer eintritt.

4

In einem an das Integrationsamt gerichteten Antwortfragebogen vom 6. Januar 2010 gab die Beklagte an, der Kläger sei als „Assistenzarzt“ beschäftigt gewesen. Das Integrationsamt erteilte mit der Beklagten am 8. Februar 2010 zugegangenem Bescheid die Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

5

Mit Anwaltsschreiben vom 6. Januar 2010 ließ der Kläger Schmerzensgeldansprüche in Höhe von 1.135.764,00 Euro, Schadensersatzansprüche in Höhe von 170.168,00 Euro, die Erstattung zukünftiger Schäden in Höhe von 937.810,00 Euro sowie die Erstattung von Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 24.555,00 Euro geltend machen.

6

Der Kläger meint, ihm stehe aufgrund massiver Fürsorgepflichtverletzungen durch die Beklagte, Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, fortlaufender Diskriminierung, Mobbings und Strainings Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld zu. So sei seine Überarbeitung durch monatlich 200 bis 300 Überstunden bzw. Bereitschaftsdienststunden ursächlich für den im Jahre 2005 erlittenen Schlaganfall gewesen. Der Bandscheibenvorfall vom 19. Juni 2006 sei dadurch verursacht worden, dass er schwere Patienten zum Lagern auf dem Operationstisch fast allein habe heben müssen. Die Beklagte habe ihn aufgrund seiner Erkrankungen „herausmobben“ wollen. So habe sie versucht, im Jahre 2006 bereits genehmigten Urlaub zu streichen, ein Urlaubsantrag aus dem Jahre 2007 sei unbeantwortet geblieben und Urlaubsanträge seien aus betrieblichen Gründen, ohne Darlegung derselben, abgelehnt worden. Obwohl ihm eine Oberarztstelle zugesprochen gewesen sei, sei er im Gegensatz zu Kollegen deutscher Herkunft nicht zum regulären Oberarzt ernannt worden. Auch habe ihn die Beklagte herabgewürdigt, als sie ihn gegenüber dem Integrationsamt im Fragebogen vom 6. Januar 2010 als „Assistenzarzt“ und nicht als „Funktionsoberarzt“ bezeichnet habe. Seine Nichteinladung zu einem Symposion anlässlich der 30-jährigen Geschichte der Thorax-Chirurgie im Evangelischen Krankenhaus H stelle ebenfalls eine Diskriminierung dar, nachdem er als Anästhesist an mehreren Tausend thorax-chirurgischen Eingriffen mitgewirkt habe.

7

Mit seiner am 30. Dezember 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger Schadensersatz für Entgelteinbußen in den Jahren 2005 und 2006 in Höhe von 27.730,00 Euro und die Zahlung von nicht weniger als 126.194,00 Euro Schmerzensgeld verlangt.

8

Nach Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 6. April 2010 hat der Kläger zuletzt beantragt:

1. Die beklagte Partei wird verurteilt, an die klägerische Partei einen Betrag in Höhe von 236.905,42 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die beklagte Partei wird verurteilt, an die klägerische Partei ein angemessenes Schmerzensgeld und Entschädigung nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, das 126.194,00 Euro nicht unterschreiten soll.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

10

Sie behauptet, den Kläger weder wegen seiner ethnischen Herkunft noch wegen seiner Behinderung oder seines Alters benachteiligt zu haben. Dass der Kläger nunmehr eine Rente wegen Berufsunfähigkeit beziehe, sei nicht auf Vertragsverletzungen ihrerseits zurückzuführen. Auch sei die Schadensberechnung des Klägers unzutreffend. Im Übrigen habe er die gesetzlichen Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen nicht gewahrt. Auch seien die geltend gemachten Ansprüche gemäß § 36 Bundes-Angestellten-Tarifvertrag in kirchlicher Fassung(BAT-KF) sowie gemäß § 33 TV-Ärzte-KF verfallen.

11

Demgegenüber meint der Kläger, die Ausschlussfristen zur Geltendmachung von Ansprüchen begönnen nicht zu laufen, solange das systematische Mobbing nicht beendet sei. Außerdem seien die Ausschlussfristen der § 15 Abs. 4 AGG, § 61b ArbGG sowie des § 36 BAT-KF und des § 33 TV-Ärzte-KF unwirksam. Das Arbeitsgericht hat nach Säumnis des Klägers im ersten Kammertermin die Klage gemäß § 331a ZPO iVm. § 46 Abs. 2 ArbGG durch ein Urteil nach Aktenlage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Eine Zurückverweisung der Sache an das Arbeitsgericht wegen dessen Verstoßes gegen § 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO hat das Landesarbeitsgericht bereits deshalb nicht vorgenommen, weil es eine solche nicht für prozessökonomisch gehalten hat. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte dieses die Klage nicht abweisen.

13

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

14

Aufgrund der in § 2 des Arbeitsvertrages vom 26. Februar 1986 getroffenen Vereinbarung seien die Anwendbarkeit des BAT-KF und des TV-Ärzte-KF in den jeweils geltenden Fassungen auf das Arbeitsverhältnis vereinbart worden. Diese einzelvertragliche Vereinbarung in Form einer Allgemeinen Geschäftsbedingung (AGB) halte der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB stand. Damit komme auch die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 33 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte-KF zur Anwendung. Diese erfasse auch die streitgegenständlichen Ansprüche wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts und die Ansprüche aus § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG.

15

Die Ausschlussklausel verstoße nicht gegen § 202 Abs. 1 BGB, der eine Erleichterung der Verjährung durch Rechtsgeschäft im Voraus bei Haftung wegen Vorsatzes ausschließe. Das Bundesarbeitsgericht habe entschieden, dass § 202 Abs. 1 BGB einer tariflichen Ausschlussfrist, die auch Schadensersatzansprüche aus vorsätzlichem Handeln erfasse, nicht entgegensteht. Zwar handele es sich bei dem TV-Ärzte-KF nicht um einen Tarifvertrag iSd. Tarifvertragsgesetzes, weil er nicht nach dessen Maßgaben, insbesondere nicht unter Beteiligung der Gewerkschaften (§ 2 Abs. 1 TVG) zustande gekommen sei. Die Arbeitsrechtsregelungen würden nämlich durch Beschluss der Arbeitsrechtlichen Kommission festgelegt und lediglich durch arbeitsvertragliche Inbezugnahmeklauseln Bestandteile der Arbeitsverhältnisse. Diese formale Betrachtungsweise werde indes dem Charakter kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen nicht gerecht. Die Grundsätze, welche für die Auslegung und rechtliche Beurteilung von Tarifverträgen gölten, seien auch auf kirchliche Arbeitsrechtsregelungen anzuwenden. Der Kläger habe die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 33 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte-KF nicht gewahrt. Diese habe mit dem Abschluss der letzten Mobbing-Handlung bzw. Benachteiligung iSd. §§ 7, 1 AGG zu laufen begonnen. Ab Juni 2009 hätten solche Handlungen nicht mehr stattgefunden. Daher sei die Ausschlussfrist zum Zeitpunkt des Klageeinganges am 30. Dezember 2009 und dem Zugang des Anwaltsschreibens vom 6. Januar 2010 bereits verstrichen gewesen.

16

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

17

Ob die Klage und damit die Revision des Klägers begründet ist, kann der Senat aufgrund der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.

18

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts durfte die Klage nicht allein mit der Begründung abgewiesen werden, etwaige Entschädigungs-, Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche des KIägers seien gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte-KF verfallen.

19

a) Zunächst ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der TV-Ärzte-KF kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme Anwendung gefunden hat.

20

Nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 26. Februar 1986 sind die „Bestimmungen der Notverordnungen zum Dienstrecht der kirchlichen Angestellten vom 26.7.1961 und 12.12.1962 und die Änderungen und Ergänzungen, die auf Grund dieser Notverordnungen beschlossen werden“, Vertragsinhalt. Aufgrund dieser Klausel ist der BAT-KF und damit auch dessen Anlage 6, der TV-Ärzte-KF (§ 1 Abs. 3 BAT-KF idF der redaktionellen Überarbeitung vom 21. November 2007 [BAT-KF nF]), als arbeitsvertraglich vereinbart anzusehen (vgl. BAG 25. Oktober 1995 - 4 AZR 531/94 - zu B I der Gründe).

21

b) Mit dem Landesarbeitsgericht ist auch davon auszugehen, dass es sich bei der Inbezugnahmeklausel des § 2 des Arbeitsvertrages um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, weil sie von der Beklagten vorformuliert und für eine Vielzahl von Fällen verwendet worden ist(§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie hält einer Vertragskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB stand. Die Bezugnahmeklausel ist hinreichend klar und verständlich iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und steht nicht zu anderen im Arbeitsvertrag getroffenen Vereinbarungen im Widerspruch. Es handelt sich auch nicht um eine überraschende Klausel iSv. § 305c Abs. 1 BGB. Ein Überraschungsmoment ergibt sich weder aus der äußeren Form und Positionierung der in einem gesonderten Paragrafen vereinbarten Klausel noch aus ihrer inhaltlichen Gestaltung. Ein Arbeitnehmer, der einen Arbeitsvertrag mit einer Einrichtung der evangelischen Kirche schließt, hat davon auszugehen, dass sein Arbeitgeber das spezifisch kirchliche Vertragsrecht in seiner jeweiligen Fassung zum Gegenstand des Arbeitsverhältnisses machen will und dazu auch kirchenrechtlich verpflichtet ist. Dass sich die Verweisungsklausel nicht auf die Bezugnahme einer bestimmten Fassung des TV-Ärzte-KF beschränkt, sondern mit der Formulierung „und die Änderungen und Ergänzungen, die auf Grund dieser Notverordnungen beschlossen werden“, einen Änderungsvorbehalt beinhaltet, benachteiligt den Kläger nicht unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Regelung ist deshalb wirksam (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 16, BAGE 135, 163).

22

Behält sich ein Arbeitgeber in einem Arbeitsvertrag einseitig das Recht vor, eine versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, ist diese Abrede nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer zumutbar ist. Ein Abänderungsvorbehalt stellt eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar. Dass Verträge die Vertragsparteien grundsätzlich binden, gehört zu den Grundelementen des Vertragsrechts. Auf vom Arbeitgeber formulierte Allgemeine Arbeitsbedingungen verweisende Jeweiligkeitsklauseln unterliegen daher den strengen Anforderungen der Änderungsvorbehalte (BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 17, BAGE 135, 163).

23

Bei der Angemessenheitskontrolle ist nicht auf die durch den Arbeitgeber tatsächlich erfolgten Änderungen abzustellen, sondern auf die Möglichkeiten, die ihm eine Klausel einräumt. Die gesetzlichen Vorschriften der §§ 305 ff. BGB missbilligen bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Allgemeiner Geschäftsbedingungen, nicht erst den unangemessenen Gebrauch einer Klausel im konkreten Einzelfalle. Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit tragen auch solche Klauseln in sich, die in ihrem Übermaßteil in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich im Entscheidungsfalle nicht realisiert hat (BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 18, BAGE 135, 163).

24

Der Änderungs- und Ergänzungsvorbehalt in § 2 des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien erfasst insbesondere nicht die einseitige Änderung einer Arbeitsordnung durch den Arbeitgeber. Er bezieht sich nur auf für das Arbeitsverhältnis einschlägige kirchliche Arbeitsvertragsregelungen, die auf dem Dritten Weg entstehen und von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossen werden. Ein so eingeschränkter Änderungs- und Ergänzungsvorbehalt stellt keine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Er trägt dem Umstand Rechnung, dass das Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis einer Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen bedarf, und schränkt wesentliche Rechte des Klägers, die sich aus der Natur des Arbeitsvertrages ergeben, nicht so ein, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

25

Die angemessene Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB schließt es ein, dass in einem Arbeitsvertrag mit einem kirchlichen Anstellungsträger auf die für das Arbeitsverhältnis einschlägige, von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossene Arbeitsvertragsordnung in der jeweils gültigen Fassung Bezug genommen werden darf. Eine solche Bezugnahme gewährleistet ebenso wie die arbeitsvertragliche Inbezugnahme eines einschlägigen Tarifvertrages eine Anpassung der Arbeitsbedingungen an veränderte Umstände und nicht nur im Interesse des Anstellungsträgers, sondern auch des Arbeitnehmers. Unabhängig davon, ob man den Beschlüssen der Arbeitsrechtlichen Kommission eine Richtigkeitsgewähr zubilligt, gewährleisten die paritätische Besetzung und die Unabhängigkeit der Mitglieder der Kommission, dass die Arbeitgeberseite bei der Festlegung des Inhalts der Arbeitsbedingungen ihre Interessen nicht einseitig durchsetzen kann. Die Bezugnahme stabilisiert das Arbeitsverhältnis insofern, als eine notwendige Anpassung der Arbeitsbedingungen an veränderte Umstände auch ohne Änderungskündigung und damit ohne Gefährdung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses erreicht werden kann. Beschließt die Arbeitsrechtliche Kommission für den Arbeitnehmer günstige Regelungen, zB die Erhöhung der Vergütung, finden diese ohne eigenes Zutun des Arbeitnehmers auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Die Bezugnahmeklausel verschafft dem Arbeitnehmer damit die Teilhabe an der Lohn- und Gehaltsentwicklung (BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 22, BAGE 135, 163).

26

c) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts sind vom Kläger im Wesentlichen mit vorsätzlichen Verstößen der Beklagten gegen gesetzliche und/oder vertragliche Verpflichtungen begründete Ansprüche unabhängig von ihrem Bestehen nicht bereits deshalb nach § 33 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte-KF verfallen, weil sie der Kläger nicht innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemacht hat. Die Ausschlussfrist ist wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nichtig(§ 134 BGB), soweit sie Ansprüche des Klägers wegen vorsätzlicher Pflicht- und/oder Rechts(gut)verletzungen durch die Beklagte erfasst.

27

aa) Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, dass es sich beim TV-Ärzte-KF um keinen Tarifvertrag iSd. Tarifvertragsgesetzes handelt. Er ist nicht nach Maßgabe dieses Gesetzes und insbesondere nicht unter Beteiligung von Gewerkschaften (§ 2 Abs. 1 TVG) zustande gekommen. Der BAT-KF und damit auch der TV-Ärzte-KF ist vielmehr eine im sog. Dritten Weg beschlossene Arbeitsrechtsregelung. Es handelt sich um eine Kollektivvereinbarung besonderer Art, in welcher allgemeine Bedingungen für die Vertragsverhältnisse der kirchlichen Arbeitnehmer durch eine paritätisch zusammengesetzte Kommission festgelegt werden. Sie finden - wie im Streitfalle - nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung (st. Rspr., vgl. BAG 29. Juni 2011 - 5 AZR 855/09 - Rn. 20). Dennoch erfolgt die Auslegung kirchenrechtlicher Arbeitsvertragsordnungen nach denselben Grundsätzen, die für die Tarifauslegung maßgeblich sind (BAG 26. Oktober 2006 - 6 AZR 307/06 - Rn. 23, BAGE 120, 55; 16. Februar 2012 - 6 AZR 573/10 - Rn. 21, BAGE 141, 16).

28

bb) Eine an diesen Grundsätzen ausgerichtete Auslegung des § 33 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte-KF ergibt, dass von dieser Ausschlussfrist auch Ansprüche aus vorsätzlich unerlaubten Handlungen und vorsätzlichen Vertragsverletzungen erfasst werden sollen.

29

§ 33 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte-KF lautet:

„Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Ärzten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden.“

30

Eine solche generell für alle Arten von Ansprüchen aus einem Arbeitsverhältnis geltende Verfallklausel umfasst regelmäßig auch Ansprüche wegen vorsätzlicher Pflichtverletzungen (vgl. BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 40, BAGE 122, 304; 30. Oktober 2008 - 8 AZR 886/07 - Rn. 20 und 21; 18. August 2011 - 8 AZR 187/10 - Rn. 24). Die vom Senat im Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 AZR 280/12 - entwickelten, von diesen Grundsätzen teilweise abweichenden Gesichtspunkte zur Auslegung von generellen Ausschlussklauseln beziehen sich ausdrücklich nur auf die Auslegung einer als Allgemeine Geschäftsbedingung arbeitsvertraglich vereinbarten, vom Arbeitgeber vorformulierten Verfallfrist.

31

Es ergeben sich insbesondere aus der Formulierung des § 33 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte-KF keine Anhaltspunkte dafür, dass nur bestimmte Ansprüche gemeint sind, insbesondere solche wegen vorsätzlich begangener, ggf. auch unerlaubter Handlungen ausgenommen sein sollen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterfallen wegen des einheitlichen Lebensvorganges nicht nur vertragliche Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche einer Klausel, die „(alle) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ einer bestimmten Frist zur Geltendmachung unterwirft, sondern auch solche aus unerlaubten Handlungen iSd. §§ 823, 826 BGB(vgl. BAG 18. August 2011 - 8 AZR 187/10 - Rn. 26).

32

cc) Eine solche umfassende Ausschlussfrist ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in einem Tarifvertrag grundsätzlich zulässig. Insbesondere ist sie nicht nach §§ 134, 202 Abs. 1 BGB nichtig bzw. teilnichtig.

33

Nach § 202 Abs. 1 BGB kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Die Vorschrift ergänzt den allgemeinen Grundsatz des § 276 Abs. 3 BGB, wonach die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden darf. § 276 Abs. 3 BGB entfaltet erst durch § 202 Abs. 1 BGB seine volle Wirksamkeit. Das Gesetz bezweckt einen umfassenden Schutz gegen im Voraus vereinbarte Einschränkungen von Haftungsansprüchen aus vorsätzlichen Schädigungen. Deshalb verbietet § 202 Abs. 1 BGB nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen, die sich auf eine Vorsatzhaftung des Schädigers beziehen(BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 280/12 - Rn. 20). § 202 BGB stellt eine Verbotsnorm im Sinne von § 134 BGB dar. An die Stelle der unwirksamen Abrede tritt die gesetzliche Verjährungsregelung (vgl. BGH 3. Dezember 1987 - VII ZR 363/86 - zum alten Recht). Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussfrist, sofern sie auch vorsätzliche Vertragsverstöße und vorsätzlich begangene unerlaubte Handlungen erfassen sollte, als teilnichtig angesehen (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - BAGE 115, 19).

34

§ 202 Abs. 1 BGB steht einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist, die auch Ansprüche aus vorsätzlichem Handeln erfasst und nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG(Tarifbindung) oder § 5 Abs. 4 TVG(Allgemeinverbindlichkeit) normative Wirkung entfaltet, allerdings nicht entgegen (vgl. BAG 18. August 2011 - 8 AZR 187/10 - Rn. 31 ff.). Dieser Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben.

35

dd) Selbst wenn man, wie es das Landesarbeitsgericht getan hat, diese für tarifvertragliche Ausschlussfristen entwickelte Rechtsprechung auch auf den TV-Ärzte-KF, der nicht die Rechtsnatur eines Tarifvertrages aufweist, anwendet, scheidet eine Anwendbarkeit des § 33 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte-KF auf den Streitfall aus, soweit die Haftung für von der Beklagten selbst begangene vorsätzliche Handlungen ausgeschlossen wird. Insoweit verstößt die Ausschlussfrist gegen den seit 1. Januar 2002 geltenden § 202 Abs. 1 BGB. Dabei kommt Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB zur Anwendung, dh. § 202 BGB gilt für das vor dem 1. Januar 2002 begründete Arbeitsverhältnis der Parteien erst ab dem 1. Januar 2003 (vgl. BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 44, BAGE 122, 304; 19. Januar 2010 - 3 AZR 191/08 - Rn. 36, BAGE 133, 90; 30. Oktober 2008 - 8 AZR 886/07 - Rn. 18).

36

ee) Entgegen der Meinung des Landesarbeitsgerichts ist eine an sich zulässige tarifliche Verfallklausel, welche auch Ansprüche aufgrund von vorsätzlichen Handlungen erfasst, nur dann auf ein Arbeitsverhältnis anwendbar, wenn der Tarifvertrag für dieses normativ Anwendung findet, dh. aufgrund beiderseitiger Tarifbindung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG) oder Allgemeinverbindlicherklärung (§ 5 Abs. 4 TVG).

37

In seinen Entscheidungen vom 18. August 2011 - 8 AZR 187/10 - Rn. 37 und vom 20. Juni 2013 - 8 AZR 280/12 - hat es der Senat ausdrücklich offengelassen, ob eine individual-rechtliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien und damit ein Rechtsgeschäft iSd. § 202 BGB dann vorliegt, wenn ein Tarifvertrag aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel insgesamt auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung findet oder wenn ein Tarifvertrag ausschließlich bzgl. seiner Ausschlussfristen Anwendung finden soll. Eine solche Fallgestaltung liegt im Streitfalle vor, weil die Geltung des TV-Ärzte-KF für das Arbeitsverhältnis der Parteien arbeitsvertraglich vereinbart worden ist.

38

In einem solchen Falle wirken die Tarifnormen nicht von außen auf das Arbeitsverhältnis ein wie bei einer Tarifbindung oder Allgemeinverbindlichkeit, bei denen die Tarifnormen nicht Bestandteile des Arbeitsvertrages werden. Vielmehr vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien bei einer einzelvertraglichen Inbezugnahme eines Tarifvertrages, dass dieser, dh. dessen Rechtsnormen iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, zum Inhalt des Arbeitsvertrages werden(allgemeine Meinung, vgl. BAG 24. November 2004 - 10 AZR 202/04 - zu II 3 c aa der Gründe, BAGE 113, 29). Die Arbeitsvertragsparteien „ergänzen“ gleichsam ihren Arbeitsvertrag um diese Tarifnormen. Sie wirken für die Arbeitsvertragsparteien daher nicht anders, als wenn sie diese Normen als Vertragsbestimmungen in den Arbeitsvertrag aufgenommen hätten (herrschende Meinung; vgl. Wiedemann/Oetker 7. Aufl. § 3 TVG Rn. 285 mwN).

39

Damit stellt sich die Vereinbarung der Parteien, ihr Arbeitsverhältnis solle den kirchenrechtlichen Arbeitsvertragsregelungen unterliegen, als eine individual-rechtliche Vereinbarung dar, nach welcher der TV-Ärzte-KF Bestandteil ihres Arbeitsverhältnisses sein soll. Dies hat zur Folge, dass auch § 33 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte-KF als durch „Rechtsgeschäft“ vereinbart iSd. § 202 Abs. 1 BGB gilt.

40

Dies führt insoweit zur Unwirksamkeit des § 33 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte-KF, als dieser auch durch vorsätzliches Handeln der Beklagten selbst verursachte Ansprüche miteinbezieht.

41

ff) Da die Haftung für fremdes vorsätzliches Handeln nach § 278 Satz 2 BGB iVm. § 276 Abs. 3 BGB jedoch ausgeschlossen werden darf, können auch Ansprüche aufgrund vorsätzlichen Handelns von Personen iSd. § 278 Satz 1 BGB einer individualrechtlich vereinbarten allumfassenden Ausschlussklausel unterfallen. § 202 Abs. 1 BGB steht dem nicht entgegen(vgl. BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 43, BAGE 122, 304; 30. Oktober 2008 - 8 AZR 886/07 - Rn. 17; 20. Juni 2013 - 8 AZR 280/12 - Rn. 22). Nach herrschender Meinung ist aber ein Haftungsausschluss nach § 278 Satz 2 BGB iVm. § 276 Abs. 3 BGB nicht für das vorsätzliche Verschulden von Organen einer juristischen Person möglich, bei denen Verschulden als eigenes Verschulden der juristischen Person gilt(vgl. Palandt/Grüneberg 72. Aufl. § 278 BGB Rn. 6 mwN). Die für die Beklagte, eine GmbH und damit eine juristische Person (§ 13 Abs. 1 GmbHG), handelnden Geschäftsführer werden als organschaftliche Vertreter der Beklagten tätig, sodass deren Handeln der Beklagten als juristische Person als Eigenhandeln zuzurechnen ist (vgl. Altmeppen in Roth/Altmeppen GmbHG 7. Aufl. § 35 Rn. 7; Fichtelmann/Schmitt in HK-GmbH-Recht 7. Aufl. § 35 Rn. 37).

42

Das hat zur Folge, dass das Handeln der Geschäftsführer der Beklagten ohne Entlastungsmöglichkeit nach § 278 Satz 2 BGB der Beklagten zugerechnet wird(vgl. Altmeppen in Roth/Altmeppen GmbHG 7. Aufl. § 35 Rn. 94; Fichtelmann/Schmitt in HK-GmbH-Recht 7. Aufl. § 35 Rn. 93 mwN). Inwieweit daneben auch andere Personen organschaftlich für die Beklagte als GmbH gehandelt haben könnten, konnte der Senat aufgrund fehlender Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht nicht entscheiden.

43

2. Damit gilt im Streitfalle Folgendes: Ansprüche des Klägers wegen vorsätzlicher Gesetzes- oder Vertragsverstöße durch die Personen, welche die Beklagte organschaftlich vertreten, werden von der Ausschlussfrist des § 33 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte-KF nicht erfasst. Insoweit ist die im Ergebnis einzelvertraglich vereinbarte Verfallklausel wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB teilweise nichtig. Die einzelvertraglich in Bezug genommene Verfallklausel erfasst jedoch Ansprüche, welche der Kläger darauf stützt, dass er durch fahrlässiges Handeln von Organen der Beklagten oder durch vorsätzliche bzw. fahrlässige Handlungen von Personen iSd. § 278 Satz 1 BGB in seinen Rechten verletzt worden ist. Inwieweit das der Fall ist, hat das Landesarbeitsgericht aus seiner Sicht der Rechtslage folgerichtig nicht geprüft. Dies wird es nach der gemäß § 562 Abs. 1, § 563 ZPO erforderlichen Zurückverweisung der Sache nachzuholen haben.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Wein    

        

    Pauli    

                 

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien hat lange Jahre ein Arbeitsverhältnis verbunden. Dieses Arbeitsverhältnis endete durch außerordentliche fristlose Kündigung des klagenden Arbeitnehmers vom 19. Mai 2009 mit Ablauf des 25. Mai 2009. Im Rahmen der vorliegenden Zahlungsklage begehrt der Kläger – soweit im Berufungsrechtszug noch von Interesse – auf Basis von § 628 BGB eine Abfindung in Anlehnung an §§ 9, 10 KSchG sowie ein Schmerzensgeld wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Beklagten.

2

Der Kläger war bei der beklagten Selbstverwaltungskörperschaft des Handwerks seit 1992 als Umweltberater angestellt. Grundlage war der Arbeitsvertrag vom 2. Juni 1992. Der Vertrag lautet auszugsweise wörtlich (Anlage K 2, hier Blatt 10 f):

3

§ 1 Vertragsgrundlagen

4

Soweit dieser Arbeitsvertrag nichts anderes bestimmt, sind Grundlagen des Arbeitsverhältnisses der Bundesangestelltentarifvertrag – Fassung Ost – (BAT-O) … und [die] diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich des Bundes jeweils geltenden Fassung.

5

6

§ 4 Sonstiges

7

8

(3) Die Tätigkeit von Herrn [es folgt der Name des Klägers] richtet sich ab dem 15.06.1992 nach den "Grundsätzen und Förderrichtlinien für das Beratungs- und Informationswesens im Handwerk" von 1974.

9

Der Kläger war nach der Aktenlage zunächst als Beratungsassistent tätig und seit 1996 als Betriebsberater im Sinne der im Vertrag erwähnten Förderrichtlinie. 1998 ist er aufgrund eines Bewährungsaufstiegs von der Vergütungsgruppe IVa in die Vergütungsgruppe III der Anlage 1a zum BAT/BAT-O aufgestiegen. Der Kläger war zuletzt eingestuft in die Entgeltgruppe E 11 des TV-L und er hatte zuletzt bei Vollzeitbeschäftigung etwas über 3.500,00 EUR brutto monatlich verdient.

10

Als Betriebsberater war der Kläger auf seinem Fachgebiet des Umweltschutzes tätig, weshalb beide Parteien seine Tätigkeit gelegentlich auch mit dem Begriff Umweltberater bezeichnen. Der Arbeitsplatz des Klägers als Betriebsberater wird über Subventionen weitgehend durch den Bund finanziert. Nach den Förderrichtlinien (Kopie hier Blatt 166 ff sowie Anlage B 8, hier Blatt 193 ff) ist darauf zu achten, dass die Betriebsberater nicht im Rahmen der allgemeinen Kammerverwaltung eingesetzt werden, und es ist bei ihrem Einsatz in den Betrieben darauf zu achten, dass es bei interner Beratung verbleibt und sie dort weder in das operative Geschäft eingebunden werden, noch in Konkurrenz treten zu freien Berufen wie etwa Steuerberatern.

11

Insbesondere in den Aufbaujahren – nach Ansicht des Klägers auch weit darüber hinaus – ist der Kläger von der Beklagten neben seiner Tätigkeit als Betriebsberater auch zu weiteren Aufgaben herangezogen worden.

12

So war der Kläger von 1992 bis 1994 auch als Systemadministrator eingesetzt. Aufgrund seiner Kenntnisse in diesem Bereich ist der Kläger auch bei der Implementierung der halbjährlichen Konjunkturumfragen der Kammer bei ihren Mitgliedern und in den Folgejahren dann auch bei der Organisation der Umfrage, bei der Auswertung der Ergebnisse sowie bei der Aufbereitung und Präsentation der Ergebnisse eingebunden gewesen. Die Parteien streiten allerdings darum, welche Bedeutung dieser Mitarbeit zukommt.

13

Soweit die beklagte Kammer vom Staat und den Kommunen um Mitarbeit und Stellungnahmen gebeten wurde, die den Fachbereich des Klägers (Umweltschutz) be-treffen, ist der Kläger auch in die Erarbeitung solcher Stellungnahmen eingebunden gewesen, teilweise hat er die Beklagte auch in Gremien vertreten. Viele Einzelheiten dazu sind allerdings streitig geblieben.

14

Wegen seiner Tätigkeiten in dem zuletzt genannten Bereich, für den der Kläger seine Rolle als die eines "Assistenten der Geschäftsführung" bezeichnet, hatte der Kläger wohl Ende der 90er Jahre, genauere Angaben lassen sich dem Parteivortrag nicht entnehmen, eine Zuordnung zum höheren Dienst und damit eine Höhergruppierung verlangt. Das hat die Beklagte abgelehnt.

15

Der Kläger war jedenfalls über die fehlende eingruppierungsrechtliche Anerkennung seines besonderen persönlichen Engagements enttäuscht. Die ehemals möglicherweise sogar unkomplizierte Zusammenarbeit zwischen ihm und der Geschäftsführung wurde in den Folgejahren zusehends schwieriger. Der Kläger versuchte, seine Heranziehung zu den Arbeiten, die er mit "Assistent der Geschäftsführung" bezeichnet, zu verstetigen und auch förmlich abzusichern, wozu die Beklagte nicht bereit war. Seit dem Jahre 2003 hatte sich die Hauptgeschäftsführerin der Beklagten sogar geweigert, weiterhin direkte Kontakte mit dem Kläger zu pflegen. Sie legte vielmehr seitdem Wert darauf, dass bei allen Geschäftsvorfällen der Dienstweg über die Fachabteilung, der der Kläger als Betriebsberater zugeordnet war, eingehalten wird. Sofern dies thematisch nicht passte, wurde das Sekretariat oder ein Referent der Geschäftsführung dazwischengeschaltet.

16

Der Konflikt der Parteien über die tatsächliche und die vertragliche Stellung des Klägers konzentrierte sich in den Folgejahren auf den Wunsch des Klägers nach einer Arbeitsplatzbeschreibung, die die tatsächlichen Verhältnisse besser abbilden sollte. Dem kam die Beklagte mit Hinweis auf die bestehende Arbeitsplatzbeschreibung als Betriebsberater nicht nach.

17

Maßgeblich für die Eigenkündigung des Klägers im Mai 2009 waren dann mehrere Konflikte in Einzelfragen aus den Jahren 2008 und 2009.

18

Im Februar 2008 wurde dem Kläger von seiner Vorgesetzten in A-Stadt mitgeteilt, dass geplant sei, ihn und einen weiteren Kollegen nunmehr gemeinsam in einem anderen Büroraum, der sich im Untergeschoss befindet, unterzubringen. Anlass dafür war der Plan der Beklagten, die Abteilung mit der Außenwirtschaftsberatung personell aufzustocken und diese räumlich in dem Bereich zu konzentrieren, in dem der Kläger bisher seinen Büroraum hatte. Der Kläger hat den sachlichen Anlass für dieses Ansinnen in Frage gestellt und den für ihn und den Kollegen vorgesehenen Raum wegen der Lärmbelästigungen aufgrund einer Dauerbaustelle der Bahn AG in unmittelbarer Nähe für unzumutbar gehalten.

19

In der Folgezeit hat sich der Kläger geweigert, in den Raum umzuziehen und über den Personalrat und andere Kontakte versucht, den Umzugsplan zu verhindern. Am 13. Juni 2008 sind sodann drei Beschäftigte der Beklagten, unter anderem der Kläger, im Rahmen einer Dienstberatung durch die Vorgesetzte Frau S. per Weisung aufgefordert worden, ihre bisherigen Büroräume zu räumen, damit diese über das Wochenende gestrichen werden könnten. Davon war nunmehr auch die Kollegin B. betroffen, die daran in der Dienstberatung heftige Kritik übte. Darauf sagte die Vorgesetzte Frau S. erkennbar auf den Kläger gemünzt in die Runde "Der, Frau B., dem Sie es nun verdanken können, dass Sie in den Keller ziehen müssen, sitzt hier im Raum". – Als die Zimmer so gut wie vollständig ausgeräumt waren, wurde die gesamte Umzugsaktion jedoch durch Frau S. abgebrochen. Der Kläger ist dann bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses in seinem Büroraum verblieben.

20

Der Kläger war über diese fehlgeschlagene Umzugsaktion trotz des für ihn letztlich günstigen Ausgangs verärgert, weil er an jenem Tag eine dringende Fristsache erledigen wollte und wegen des Umzugsversuchs nur dazu kam, bei dem Hauptzollamt, das ihm diese Frist gesetzt hatte, eine kurzfristige Fristverlängerung zu erwirken. In diesem Zusammenhang hat er am 20. August 2008 bei der Hauptgeschäftsführerin der Beklagten den Antrag gestellt, ihm gegenüber zur Abarbeitung der Fristsache zwei Tage Mehrarbeit anzuordnen und diese nach Ableistung auch zusätzlich zu vergüten (Anlage K 18, hier Blatt 99). Das hat die Beklagte mit Hinweis auf die eigenen Steuerungsmöglichkeiten für die Beschäftigten aufgrund der Dienstvereinbarung Gleitzeit abgelehnt.

21

Am 3. August 2008 bekam der Kläger von der Beklagten den Auftrag, eine Stellungnahme zu erarbeiten für das von der Hansestadt im Entwurf vorgelegte "Verkehrslärm-Konzept der Hansestadt A-Stadt". Die Stellungnahme, die der Kläger hausintern erstellt hat, hatte einen kritischen Grundtenor. Von der Hauptgeschäftsführerin gab es dann die Vorgabe, die Stellungnahme solle positiv ausfallen. Der Kläger wurde dann nur noch gebeten, die Datei zu seiner Stellungnahme zur Verfügung zu stellen. Letztlich hat dann der Abteilungsleiter des Klägers, Herr S., die Stellungnahme im Sinne der Vorgaben der Geschäftsführung umgeschrieben. In diesem Zusammenhang kam es am 8. August 2008 zu einem Telefonat zwischen Herrn S. und dem Kläger, in dem Herr S. – nach Darstellung des Klägers – ihn als "total inkompetent" bezeichnet haben soll.

22

Im weiteren Verlauf des August 2008 musste dann der Kläger zur Kenntnis nehmen, dass er entgegen der ständigen Übung seit vielen Jahren für die zweite Jahreshälfte 2008 keinen Zusatzvertrag mehr für Dozententätigkeit bekommen hat. Die Beklagte war auch tätig im Rahmen der Meisterausbildung und hat dazu den Kläger wie auch andere Beschäftigte durch zusätzliche jeweils nur für kurze Zeit geltende Dozentenverträge eingebunden. Diese Zusatztätigkeit war zuletzt mit 23,00 EUR brutto pro Stunde vergütet gewesen.

23

Im September 2008 hat die R. Vorgesetzte des Klägers, Frau S., von diesem verlangt, er solle den Arbeitsplatz-PC eines Kollegen, der seinerzeit krankgeschrieben war, für eine vorübergehende Nutzung für einen Auszubildenden präparieren. Das hat der Kläger abgelehnt, wobei er sich zum einen auf den Datenschutz des erkrankten Kollegen bezogen hat, zum andern aber auch das Grundthema der vergangenen Jahre thematisiert hatte, ob er denn überhaupt zuständig sei für Aufgaben außerhalb des Bereichs eines Betriebsberaters im engeren Sinne. Daraufhin hatte die R. Vorgesetzte des Klägers diesem – so die Darstellung des Klägers – den Arbeitszeiterfassungsbogen entzogen und ihm mitgeteilt, er sei nunmehr von der Gleitzeit ausgeschlossen. Zusätzlich hat sie sich bei dem weiteren Vorgesetzten, dem Abteilungsleiter Herrn S., der seinen Arbeitsplatz in N. hat, über den Kläger beschwert. Das führte dann zu einer Aussprache zwischen dem Kläger, seiner R. Vorgesetzten und dem Abteilungsleiter am 17. September 2008 in A-Stadt, in deren Ergebnis die Weigerung des Klägers akzeptiert wurde und dieser nur ganz allgemein dazu aufgefordert wurde, mit seinen Vorgesetzten loyal zusammen zu arbeiten. Der Ausschluss des Klägers von der Gleitzeit ist zu keinem Zeitpunkt umgesetzt worden.

24

Im zeitlichen Zusammenhang mit den zuvor geschilderten Ereignissen forderte der Kläger von der Beklagten mit Schreiben an die Hauptgeschäftsführerin vom 16. September 2008 nunmehr förmlich eine neue Arbeitsplatzbeschreibung und hat dies unter anderem mit den Weisungen seiner R. Vorgesetzten zur Aufgabenerfüllung außerhalb der Tätigkeit als Betriebsberater begründet. Gleichzeitig hat er in dem Schreiben kritisiert, dass die Beklagte seinen tariflichen Qualifizierungsanspruch aus § 5 TV-L missachte und es auch keine systematische Leistungsbewertung bei der Beklagten gebe. Eine Reaktion auf dieses Schreiben ist nicht erfolgt.

25

Am 6. November 2008 traf sich die Abteilung, der der Kläger angehört, einschließlich der Kollegen aus N. zu einer Dienstbesprechung in A-Stadt. Der Beginn der Besprechung verzögerte sich und der Abteilungsleiter Herr S. hat den wartenden Teilnehmern dazu mitgeteilt, der Beginn werde sich verzögern, weil die Hauptgeschäftsführerin mit dem Ausgang des Konflikts mit dem Kläger bezüglich der Freischaltung des PC für den Auszubildenden nicht einverstanden sei und sie zudem das klägerische Schreiben vom 16. September 2008 als frech und dreist empfinde. Im Laufe dieser Dienstberatung hat der Abteilungsleiter auch geäußert, der Kläger erpresse die Beklagte mit seinem Verlangen nach Überstundenvergütung. Das avisierte Personalgespräch hat dann allerdings weder an diesem Tage stattgefunden noch zu einem anderen Zeitpunkt.

26

Am 12. November 2008 befand sich der Kläger im Außendienst bei verschiedenen Unternehmen im Umland von S.. Als er bei einem Unternehmen in V. angelangt war, war dort schon eine Rückrufbitte seines Abteilungsleiters angekommen, der der Kläger nachgekommen ist. In diesem Telefongespräch wurde der Kläger mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe Subventionsbetrug begangen. Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe im Rahmen seiner Aufgabe als Betriebsberater Beratungsgespräche dokumentiert mit Unternehmen, die es gar nicht mehr gebe. Dieser Vorwurf hat den Kläger so getroffen, dass er seine Arbeit an diesem Tage abbrechen musste.

27

Das nächste aus der Sicht des Klägers auffällige Ereignis spielt im April 2009. Es ging um die halbjährlichen Konjunkturumfragen im eigenen Mitgliederbereich und um deren Auswertung und Präsentation. Die Umfrageergebnisse wurden immer extern ausgewertet und dann als komprimierter Datensatz der Beklagten zurückübermittelt. Zum Auslesen dieser Daten wurde eine spezielle Software benutzt, die nur auf dem Rechner im Sekretariat der Abteilung installiert war. Anlässlich eines Austausches der Hardware wurde dieser Rechner allerdings 2008 entsorgt. Auf dem neuen Rechner im Sekretariat war diese spezielle Software nicht mehr installiert. Das hatte zur Folge, dass nunmehr die zurückgemeldeten Roh-Daten händisch in ein Excel-Arbeitsblatt übertragen werden mussten.

28

Der Kläger hat den Ausdruck eines solchen Roh-Datensatzes als Anlage K 44 (hier Blatt 301 ff) zur Akte gereicht. Es handelt sich um vier Blätter, die überwiegend aus in Zeilen angeordneten und durch Semikolon getrennte Zahlen- oder Buchstabenwerten bestehen. Der zur Akte gelangte Ausdruck erscheint stark verkleinert, auf einer Seite sind wohl vier Ursprungsseiten abgebildet. Nach der laienhaften Kenntnis des Gerichts könnte es sich also um einen 32 Seiten umfassenden Ausdruck einer CSV-Datei handeln.

29

Bereits im Herbst 2008 wurde der Kläger von der Beklagten dazu aufgefordert, einen solchen Dateiausdruck händisch in eine Excel-Tabelle aufzunehmen, um die Daten dann aufbereiten und präsentieren zu können. Dem kam der Kläger nach längeren Diskussionen mit dem Hinweis nach, dass er sich dazu nur einmalig bereit erkläre. Nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat der Kläger 12 Stunden dafür aufgewendet, die Daten einzugeben.

30

Bei der nächsten Umfrage im April 2009 hat nun der Abteilungsleiter des Klägers, Herr S., erneut vom Kläger verlangt, die neuen Daten händisch zu erfassen, was der Kläger nunmehr in einem Telefonat mit Herrn S. am 3. April 2009 abgelehnt hat. Daraufhin ist ihm die Abmahnung vom 6. April 2009 erteilt worden (Anlage K 14, hier Blatt 94, es wird Bezug genommen). Diese Abmahnung hat beim Kläger einen Nervenzusammenbruch ausgelöst, der zu einer vierwöchigen Arbeitsunfähigkeit führte.

31

Mit Schreiben vom 30. April 2009, unterzeichnet von Herrn S., wurde der Kläger für den 11. Mai 2009 zu einem "Gespräch zu Fragen der Umweltberatung" eingeladen. An dem Gespräch nahmen Herr S. und der Kläger teil sowie die Abteilungsleiterin Personal. Im Rahmen dieses Gesprächs wurde der Kläger damit konfrontiert, dass man seine Tätigkeit im Rahmen der "Koppelstelle" zum Hauptzollamt S. in Fragen der Entlastung der Mitgliedsunternehmen von der Energiesteuer als nicht mit den Förderrichtlinien vereinbar ansehe.

32

Über diese Sachfrage kam es zu einer wohl letztlich unergiebigen Diskussion, in der auch all die gegenüber dem Kläger in den letzten Monaten erhobenen Vorwürfe wieder zur Sprache kamen. Ein konstruktives Ergebnis konnte nicht erzielt werden. Die Beklagte hat dem Kläger dann noch zum Ende des Gesprächs seine Aufgabe als Umweltberater entzogen.

33

Etwa eine Woche später hat der Kläger das Arbeitsverhältnis durch die Eigenkündigung vom 19. Mai 2009, zugegangen bei der Beklagten am 25. Mai 2009 beendet. Die weitere Erbringung der Arbeitsleistung hatte er schon einige Tage vorher, wohl am 20. Mai 2009, eingestellt.

34

Ohne vorangehende außergerichtliche Geltendmachung hat der Kläger mit seiner Klage, die am 3. September 2012 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, die Zahlung von rund 40.000,00 EUR auf Basis von § 628 BGB geltend gemacht. Der Betrag setzte sich zusammen aus etwa 10.000,00 EUR Entgelt (Annahmeverzugslohn) bei Zugrundelegung einer ordentlichen statt einer außerordentlichen Eigenkündigung sowie weiteren 30.000,00 EUR als fiktive Abfindung nach §§ 9,10 KSchG, die der Kläger als weiteren Schadensposten im Rahmen von § 628 BGB verlangt. Mit einer Klageerweiterung vom 28. Dezember 2012, die noch am 28. Dezember 2012 beim Arbeitsgericht eingegangen war und die am 16. Januar 2013 der Beklagten zugestellt wurde (Blatt 33), verlangt der Kläger darüber hinaus ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 30.000,00 EUR wegen der Verletzungen seines Persönlichkeitsrechts durch die Beklagte.

35

Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits hat dann die Beklagte noch Widerklage über rund 167.000,00 EUR erhoben mit dem Argument, einen Betrag in dieser Höhe habe sie an den Bund zurückgezahlt, da in diesem Umfang der Dienstposten des Klägers wegen der Vertretung der Mitgliedsunternehmen im Außenverhältnis nicht förderfähig gewesen sei.

36

Das Arbeitsgericht Rostock hat die Klage und die Widerklage mit Urteil vom 17. Dezember 2014 abgewiesen, da alle denkbaren Ansprüche schon länger nach § 37 TV-L verfallen gewesen seien. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

37

Gegen dieses Urteil hat allein der Kläger Berufung eingelegt. Im Berufungsrechtszug hat er den Anspruch auf Annahmeverzugslohn bei fiktiver ordentlicher Kündigung fallengelassen, verfolgt im Übrigen jedoch seine Ansprüche unverändert fort. Er verlangt 30.000,00 EUR Schmerzensgeld wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung sowie etwas über 30.000,00 EUR Abfindung auf Basis von § 628 BGB. Die Berufung ist rechtzeitig eingelegt und begründet worden.

38

Der Kläger vertritt die Auffassung, die tarifliche Ausschlussfrist gelte für den Abfin-dungsanspruch auf Basis von § 628 BGB und für den Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht. Außerdem sei die tarifliche Ausschlussfrist nicht wirksam durch die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel in den Arbeitsvertrag einbezogen worden.

39

Die Beklagte hätte ihn im Laufe der Jahre gesundheitlich ruiniert. Jahrelang hätte die Beklagte ihm die Zusatzaufgaben außerhalb der Tätigkeit als Betriebsberater übertragen, ohne dass der Kläger dafür eine Anerkennung erfahren habe. Qualität und Menge der Zusatzaufgaben hätten sich über die Jahre sogar gesteigert. Die negativen gesundheitlichen Auswirkungen dieser Praxis wären auch für die Beklagte erkennbar gewesen. So sei beim Kläger schon 1999 ein Burn-Out-Syndrom diagnostiziert worden und schon 2002 hätte er einen ersten Nervenzusammenbruch erlitten. Auch seine akute Verkrümmung der Wirbelsäule sei als psychosomatische Folge der Arbeitsbedingungen zu deuten.

40

Als der Kläger dann angefangen habe, seine aus dem tatsächlichen Einsatz folgenden Rechte geltend zu machen ("Stellenbeschreibung, Aufstieg und Entlohnung") habe die Beklagte lediglich mit "Unverständnis und Ignoranz" reagiert.

41

Der Kläger beantragt,

42

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Rostock - 4 Ca 1397/12 - vom 17.12.2014 zu Ziffer I die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 60.019,02 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz per anno seit Zustellung des Schriftsatzes vom 28.12.2012 zu zahlen.

43

Die Beklagte beantragt,

44

die Berufung zurückzuweisen.

45

Die Beklagte verteidigt das ergangene Urteil, die klägerischen Ansprüche seien alle nach § 37 TV-L verfallen. Die tarifliche Ausschlussfrist sei durch die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag wirksam Bestandteil desselben geworden.

46

Im Übrigen liege kein schlüssiger Vortrag des Klägers zu einer unfairen Behandlung durch die Beklagte vor. Der Kläger sei nie Assistent der Geschäftsführung gewesen und er habe daher auch keinen Anspruch, direkt gegenüber der Hauptgeschäftsführerin vortragen zu können. Aus der Übertragung einzelner Aufgaben könne jedenfalls nicht auf diesen Wechsel in der gesamten Aufgabenstellung geschlossen werden. Im Sinne der Gleichbehandlung mit den anderen Beschäftigten hätte man dem Kläger keine zu vergütende Mehrarbeit anweisen können. Soweit die Beklagte von ihrem vertraglichen Rügerecht Gebrauch gemacht habe, habe dafür stets ein sachlicher Anlass bestanden. Das "normale menschliche Miteinander", das auch gegenüber dem Kläger gepflegt worden sei, könne man nicht als Mobbing charakterisieren.

47

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags im Berufungsrechtszug wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

48

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

I.

49

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schmerzensgeld wegen vorsätzlicher Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch die Beklagte.

1.

50

Der Auffassung des Arbeitsgerichts, mögliche Ansprüche des Klägers wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts seien aufgrund der arbeitsvertraglichen Inbezugnahme des Tarifwerks des öffentlichen Dienstes und damit nach § 37 TV-L verfallen, kann nicht für alle denkbaren Begehungsvarianten gefolgt werden.

51

Das Arbeitsgericht hat übersehen, dass bei einer lediglich arbeitsvertraglichen Inbezugnahme von Tarifvorschriften diese im Arbeitsverhältnis nicht normativ gelten, sondern Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden sind. Damit können diese Vorschriften aber nur insoweit gelten, wie sie nicht gegen zwingende staatliche Gesetze verstoßen. Nach § 202 Absatz 1 BGB kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatz nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Damit verstoßen rechts-geschäftliche Regelungen, die einen Verfall der Haftung wegen Vorsatz sogar im Rahmen einer wesentlich früher eingreifenden Ausschlussfrist vorsehen, gegen § 202 Absatz 1 BGB (BAG 26. September 2013 – 8 AZR 1013/12 – AP Nr. 204 zu § 4 TVG Ausschlussfristen = NZA-RR 2014, 177).

a)

52

Das ist hier der Fall. Der durch die arbeitsvertragliche Inbezugnahme des Tarifwerkes im Arbeitsverhältnis der Parteien vereinbarte § 37 TV-L ist als arbeitsvertragliche Regelung teilweise nichtig, soweit damit die Haftung für vorsätzliche Schädigungen durch die Beklagte ausgeschlossen sein soll. Die Teilnichtigkeit bezieht sich allerdings nur auf Haftung für Vorsatz durch die Beklagte selbst, denn die Haftung eines Arbeitgebers für vorsätzliche Schädigungen durch von ihm eingesetzte Erfüllungsgehilfen im Sinne von § 278 BGB, also durch seine Angestellten, kann wirksam rechtsgeschäftlich ausgeschlossen werden. Im Falle einer juristischen Person, wie die Beklagte es ist, kann damit allein die Haftung aufgrund vorsätzlichen Verhaltens ihrer Organvertreter nicht ausgeschlossen werden, da dieses der juristischen Person wie eigenes Verhalten zugerechnet wird (BAG 26. September 2013 aaO).

53

In diesem Sinne ist die Hauptgeschäftsführerin der Beklagten als Organvertreterin anzusehen. Die Ansprüche des Klägers sind demnach nicht verfallen, soweit er sie darauf stützt, dass die Hauptgeschäftsführerin der Beklagten den Kläger vorsätzlich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt hat. Dabei ist es sowohl denkbar, dass diese das Persönlichkeitsrecht des Klägers durch eigenes Handeln verletzt hat, als auch, dass sie vorsätzlich ihre Fürsorgepflicht verletzt hat, indem sie ihr bekannte Persönlichkeits-rechtsverletzungen ihrer Untergebenen gegenüber dem Kläger nicht im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger unterbunden hat.

b)

54

Die im soeben skizzierten Umfang denkbaren nicht verfallenen Ansprüche des Klägers sind auch nicht verjährt. Für einen Schmerzensgeldanspruch gilt die regelmäßige Ver-jährungsfrist von drei Jahren, § 195 BGB. Nach § 199 Absatz 1 BGB beginnt die regel-mäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem zum einen der Anspruch entstanden ist und in dem zum anderen der Gläubiger von den den Anspruch begrün-denden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. In Mobbingfällen ist daher der verjährungs-relevante Zeitpunkt regelmäßig auf den Abschluss der zeitlich letzten vorgetragenen Mobbinghandlung festzusetzen (BAG 11. Dezember 2014 – 8 AZR 838/13 – NJW 2015, 2061 = NZA 2015, 808; BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BAGE 122, 304 = AP Nr. 5 zu § 611 BGB Mobbing = NZA 2007, 1154).

55

Nach Darstellung des Klägers ist er bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis im Mai 2009 durch die Beklagte gemobbt worden. Die Verjährung daraus resultierender Schmerzensgeldansprüche wäre also mit Ablauf des Jahres 2012 eingetreten. Durch die Klageerweiterung vom 28. Dezember 2012, die das Arbeitsgericht noch an diesem Tag erreicht hat, hat der Kläger den weiteren Ablauf der Verjährungsfrist wirksam gehemmt (§§ 204, 209 BGB). Dass dieser Schriftsatz der Beklagten erst im Januar 2013 und damit nach Ablauf der Verjährungsfrist zugegangen ist, ist unschädlich (§ 167 ZPO).

c)

56

Alle weiteren denkbaren Ansprüche des Klägers wegen der behaupteten Persönlich-keitsrechtsverletzung sind hingegen – wie vom Arbeitsgericht zutreffend angenommen – verfallen.

57

Die klägerische Rüge, die arbeitsvertragliche Einbeziehung von § 37 TV-L vermittels der Bezugnahme auf das Tarifwerk des öffentlichen Dienstes scheitere schon an § 305 Absatz 2 BGB greift nicht durch, da diese Vorschrift nach § 310 Absatz 10 Satz 4 BGB auf Arbeitsverhältnisse keine Anwendung findet (BAG 19. März 2014 – 5 AZR 252/12 (B) – BAGE 147, 342 = AP Nr. 26 zu § 130 BGB = DB 2014, 1623).

58

Die arbeitsvertragliche Einbeziehung von § 37 TV-L vermittels der Bezugnahme auf das Tarifwerk des öffentlichen Dienstes scheitert auch nicht an § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB. Nach dieser Vorschrift kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das kann für den vorliegenden Arbeitsvertrag nicht festgestellt werden. Der einleitende Satzteil von § 1 des Arbeitsvertrages("Soweit dieser Arbeitsvertrag nichts anderes bestimmt …") ist klar und verständlich. Damit ist klar geregelt, dass das Tarifwerk insgesamt gelten soll mit Ausnahme der wenigen Regelungen, die im Arbeitsvertrag ausdrücklich selbst getroffen worden sind. Die in Bezug genommenen Tarifvertragsregelungen und die Arbeitsvertragsregelungen stehen daher in einem deutlich erkennbaren Regel-Ausnahme-Verhältnis.

59

Da der Arbeitsvertrag ohnehin nur sehr knapp gestaltet ist, konnte beim Kläger oder einem anderen Arbeitnehmer in der Position des Klägers auch kein Zweifel daran entstehen, welche Arbeitsbedingungen nun im Einzelnen gelten sollten. Es ist auch nicht erkennbar, dass diese Regelung beim Kläger jemals zu Missverständnissen geführt hat. Insbesondere soweit über § 1 des Arbeitsvertrages die tarifliche Ausschlussfrist als arbeitsvertraglich vereinbart gelten sollte, ergeben sich aus dem Arbeitsvertrag im Übrigen keine Regelungen, aus denen der Kläger oder ein vergleichbarer Arbeitnehmer auch nur im Entferntesten den Schluss hätten ziehen können, es liege eine abweichende arbeitsvertragliche Spezialregelung zu § 37 TV-L (vormals § 70 BAT-O) vor.

2.

60

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit dennoch im Ergebnis zutreffend entschieden. Denn eine vorsätzliche Schädigung des Klägers durch die Beklagte im oben skizzierten Umfang kann nicht festgestellt werden.

a)

61

Ein Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Mobbings setzt eine hinreichend schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts voraus. Das allgemeine Persönlich-keitsrecht ist das Recht des Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner Persönlichkeit. Zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört auch der sogenannte Ehrenschutz, der auf den Schutz gegen unwahre Behauptungen und gegen herabsetzende, entwürdigende Äußerungen und Verhaltensweisen und die Wahrung des sozialen Geltungsanspruchs gerichtet ist (BAG 11. Dezember 2014 aaO; BAG 28. Oktober 2010 - 8 AZR 546/09 - AP Nr. 7 zu § 611 BGB Mobbing = NZA-RR 2011, 378).

62

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es Fälle gibt, in welchen die einzelnen, vom Arbeitnehmer dargelegten Handlungen oder Verhaltensweisen seines Arbeitgebers für sich allein betrachtet noch keine Rechtsverletzungen darstellen, jedoch die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen zu einer Vertrags- oder Rechtsgutsverletzung führt, weil deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechtes des Arbeitnehmers führt.

63

Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Dies entspricht der in § 3 Absatz 3 AGG erfolgten Definition des Begriffes "Belästigung“, die eine Benachteiligung im Sinne des § 1 AGG darstellt. Da ein Umfeld grundsätzlich nicht durch ein einmaliges, sondern durch ein fortdauerndes Verhalten geschaffen wird, sind alle Handlungen bzw. Verhaltensweisen, die dem systematischen Prozess der Schaffung eines bestimmten Umfeldes zuzuordnen sind, in die Betrachtung mit einzubeziehen. Demzufolge dürfen einzelne zurückliegende Handlungen oder Verhaltensweisen bei der Beurteilung nicht unberücksichtigt gelassen werden (BAG 28. Oktober 2010 – 8 AZR 546/09 – AP Nr. 7 zu § 611 BGB Mobbing = NZA-RR 2011, 378; BAG 25. Oktober 2007 – 8 AZR 593/06 – BAGE 124, 295 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Mobbing = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 7).

b)

64

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte in Person der Hauptgeschäftsführerin vorsätzlich das Persönlichkeitsrecht des Klägers in einer Weise verletzt hat, die die Zuerkennung eines Schmerzensgeldanspruchs erforderlich macht.

65

aa) Bei isolierter Betrachtung der Konflikte, an denen die Hauptgeschäftsführerin aktiv beteiligt war, lässt sich eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers nicht feststellen, jedenfalls keine Persönlichkeitsrechtsverletzung, die die Verhängung eines Schmerzensgeldes rechtfertigen könnte.

66

(i) Es kann nicht festgestellt werden, dass die Hauptgeschäftsführerin das Persön-lichkeitsrecht des Klägers verletzt hat, als sie 2003 angeordnet hatte, zukünftig nur noch auf dem Dienstweg mit dem Kläger in Kontakt zu treten.

67

Die Organisationsstruktur bei der Beklagten ist nicht zuletzt mit Rücksicht auf die regionale Gliederung recht komplex und vielschichtig. Zwischen der Hauptgeschäftsführung und dem Kläger in seiner Stellung als Umweltberater befand sich die Ebene der Bereichsleitung, der Abteilungsleitung und der örtlichen Leitung der klägerischen Abteilung in A-Stadt. Sofern der Kläger tatsächlich vor 2003 unmittelbar gegenüber der Geschäftsleitung vortragsberechtigt war, so war dies jedenfalls ein Zustand, der nicht den offiziellen Organisationsvorgaben entsprochen hat. 2003 hat sich also eine Rückkehr zu der Organisationsform vollzogen, wie sie offiziell vorgesehen war und deren Einhaltung mit Rücksicht auf die Stellung der übergangenen Vorgesetzten und mit Rücksicht auf die Vernunft, die sich hinter einer transparenten und gelebten Organisationsstruktur verbirgt, nicht zu beanstanden.

68

Dass der Kläger trotz dieser Zurückverweisung in seine ursprüngliche arbeitsvertragliche Position auch in der Zeit danach noch zu allgemeinen Kammertätigkeiten herangezogen wurde, soweit es sein Themengebiet des Umweltschutzes oder seine besondere Expertise im IT-Bereich betrifft, steht dazu zwar in Widerspruch, kann aber noch nicht als vorsätzliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts bewertet werden.

69

Es kann schon objektiv nicht festgestellt werden, dass es rechtswidrig war, auf den Sachverstand des Klägers zurückzugreifen, soweit bei Stellungnahmen, die die Kammer abzugeben hatte, sein Fachgebiet berührt war. Das Gericht erkennt in der Wahrnehmung beider Aufgaben durchaus eine positive Wechselwirkung. Soweit der Kläger auch in die Kommunikationsprozesse auf der politischen Ebene, wo es um fachliche Stellungnahmen der Kammer zu möglichen zukünftigen Normen und Standards geht, eingebunden wird, kann das durchaus auch die Tätigkeit als Betriebsberater befruchten, da er sozusagen das Ohr am Puls der Zeit hat und seine Beratung demnach schon an den kommenden Gegebenheiten ausrichten kann. Aber selbst dann, wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass bereits diese Einbindung in die Stellungnahmen der Kammer den Förderrichtlinien widersprochen haben sollte, folgt daraus noch nicht, dass mit der Einbindung des Klägers in diese Prozesse sein Persönlichkeitsrecht verletzt wird.

70

Was die Einbindung des Klägers in IT-Angelegenheiten angeht, geht das Gericht davon aus, dass diese Tätigkeit jedenfalls in den letzten Jahren der Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten vom zeitlichen Umfang her nur eine so untergeordnete Rolle gespielt hat, dass dies sowohl bei der Frage einer möglichen Überforderung des Klägers als auch bei der Frage des förderrichtlinienwidrigen Einsatzes unberücksichtigt bleiben kann.

71

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Hauptgeschäftsführerin davon Kenntnis hatte, dass sich der Kläger durch die Menge der ihm übertragenen (Zusatz-)Aufgaben überfordert gefühlt hatte. Zum einen ist es unstreitig, dass der Kläger nie eine Überlastung wegen der Aufbürdung von zu vielen Aufgaben angezeigt hatte. Zum anderen hat der Kläger ja jahrelang alle Zusatzaufgaben angenommen, da er meinte, damit seinem Ziel näher zu kommen, nicht nur tatsächlich sondern auch rechtlich als Assistent der Geschäftsführung anerkannt zu werden.

72

Selbst wenn man hilfsweise zu Gunsten des Klägers unterstellen würde, die Haupt-geschäftsführerin hätte erkannt, dass sie den Kläger durch die Aufbürdung von Zusatz-aufgaben überfordert, würde daraus noch kein Schmerzensgeldanspruch folgen, denn der Kläger hat es verabsäumt, sich durch naheliegende Maßnahmen gegen diese Überforderung zu schützen.

73

Zum einen hätte er die Annahme von Zusatztätigkeiten im IT-Bereich ohne weiteres mit Hinweis auf seine arbeitsvertragliche Stellung als Betriebsberater verweigern können. Die Abmahnung vom 6. April 2009, in der die Beklagte den Standpunkt einnimmt, der Kläger wäre arbeitsvertraglich verpflichtet gewesen, Aufgaben im IT-Bereich wahrzunehmen, ist erkennbar falsch. Zum anderen hätte der Kläger hinsichtlich aller Zusatzaufgaben auch jederzeit eine Überlastungsanzeige stellen können, damit sich die Beklagte Gedanken macht, wie sie zukünftig die Arbeit so neu verteilt, dass eine weitere Überforderung des Klägers ausgeschlossen ist.

74

(ii) Es kann nicht festgestellt werden, dass die Hauptgeschäftsführerin das Persön-lichkeitsrecht des Klägers verletzt hat, als sie es im August 2008 abgelehnt hatte, ver-gütungspflichtige Überstunden gegenüber dem Kläger anzuordnen.

75

Für den klägerischen Antrag auf Anordnung von 2 Tagen Mehrarbeit zur Abarbeitung der Fristsache mit dem Hauptzollamt bestand auch aus der Sicht des Berufungsgerichts keinerlei Anlass. Der Anlass ergibt sich schon gar nicht aus dem abgebrochenen Umzugsversuch am 13. Juni 2008. Denn nach dem eigenen Vortrag des Klägers hat er durch diese Aktion allenfalls vier oder fünf Arbeitsstunden verloren, was es nicht rechtfertigt, die Anordnung von zwei vollen Tagen vergütungspflichtiger Mehrarbeit zu fordern.

76

(iii) Es kann nicht festgestellt werden, dass die Hauptgeschäftsführerin das Persön-lichkeitsrecht des Klägers verletzt hat, als sie im August 2008 die klägerische Stellung-nahme zum Verkehrslärm-Konzept der Hansestadt A-Stadt in einem von ihr für richtig gehaltenen Sinne hat umschreiben lassen.

77

Der richtige Inhalt von Stellungnahmen der Kammer wird immer aus einer Mischung aus politischem Vorverständnis, Wahrnehmung der Interessen der Mitgliedsunternehmen und fachlich gebotenen Folgerungen bestehen. Der Kläger war im Rahmen des Entstehens solcher Stellungnahme für die Einbringung der fachlichen Expertise verantwortlich. Es ist ein völlig normaler Vorgang, wenn die Stellungnahme im Einzelfall nicht auf der fachlichen Expertise aufbaut, sondern auf einer Vorgabe, wie sie vom Vorstand gegeben wird, oder einer Vorgabe von der Hauptgeschäftsführung, die in Anlehnung an mutmaßliche Stellungnahmen des Vorstandes entwickelt wurde.

78

Im Rahmen der Grundsätze guter Personalführung wäre es zwar wichtig und richtig gewesen, dem Kläger gegenüber in einem Gespräch zu erläutern, weshalb man eine von seiner Stellungnahme abweichende Stellungnahme verfasst hat. Ein Verstoß gegen die Grundsätze guter Personalführung kann aber noch nicht ohne weiteres mit einer Persönlichkeitsrechtsverletzung gleichgestellt werden, schon gar nicht mit einer vorsätzlichen Missachtung desselben.

79

(iv) Das Gericht lässt offen, ob die Hauptgeschäftsführerin das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt hat, als sie im August 2008 dem Kläger keinen Lehrauftrag mehr im Rahmen der Meisterausbildung zugeteilt hat. Denn selbst wenn man insoweit von einer Persönlichkeitsrechtsverletzung ausgehen würde, wäre diese so geringfügig, dass sich daraus kein Schmerzensgeldanspruch ableiten ließe.

80

Die Beklagte hat im Rechtsstreit keinen Grund für die Versagung des Lehrauftrages mitgeteilt. Damit muss das Gericht davon ausgehen, dass die klägerische Mutmaßung, dass dies durch die Hauptgeschäftsführerin nur gemacht wurde, weil sie sich so über den Kläger in den geschilderten Zusammenhängen geärgert hat, zutreffend ist. Es ist auch kein Sachgrund ersichtlich. Der Sachgrund kann jedenfalls nicht in einer Entlastung des Klägers aufgrund einer Überforderungssituation gesehen werden, denn die Beklagte hat im Rechtsstreit immer betont, der Kläger sei durch die ihm übertragenen Arbeiten zu keinem Zeitpunkt überlastet gewesen.

81

Es gehört nicht zu den Grundsätzen guter Personalführung, einem Untergebenen eine als positiv und attraktiv angesehene (Zusatz-)Aufgabe zu entziehen, nur weil man sich in anderem Zusammenhang über ihn geärgert hat oder er sich im anderen Zusammenhang mit aus Sicht des Arbeitgebers nicht nachvollziehbaren Argumenten einem Verlangen des Arbeitgebers widersetzt hat.

82

Das Gericht geht davon aus, dass dieser Personalführungsfehler der Hauptgeschäfts-führerin noch nicht so gravierend war, dass man von einer Persönlichkeitsrechtsverletzung auf Seiten des Klägers sprechen könnte. Aber selbst dann, wenn man insoweit zu Gunsten des Klägers von einer Persönlichkeitsrechtsverletzung ausgehen würde, wäre diese als geringfügig anzusehen, da es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt hatte, der den sozialen Geltungsanspruch des Klägers nur in einem Randbereich beeinträchtigt hätte. Darauf kann noch kein Schmerzensgeldanspruch gegründet werden.

83

(v) Es kann nicht festgestellt werden, dass die Hauptgeschäftsführerin das Persön-lichkeitsrecht des Klägers verletzt hat, als sie es unterlassen hat, dem Kläger auf sein Schreiben vom 16. September 2008, mit dem er eine Stellenbeschreibung gefordert hat und der Beklagten weitere Versäumnisse vorgeworfen hatte, zu antworten.

84

Auch hier kann lediglich festgestellt werden, dass es zu den Grundsätzen guter Personalführung gehört, in ständiger Kommunikation mit den Untergebenen zu bleiben. Stellen diese Anträge an die Geschäftsführung, muss daher die Geschäftsführung darauf reagieren, die Sache muss abgearbeitet werden, damit auch der Untergebene merkt, dass sein Anliegen bei der Geschäftsführung angekommen ist.

85

Ein einmaliger Verstoß gegen diesen Führungsgrundsatz kann aber für sich betrachtet noch nicht als ein Angriff auf die Persönlichkeit des Klägers gewertet werden.

86

(vi) Es kann nicht festgestellt werden, dass die Hauptgeschäftsführerin das Persön-lichkeitsrecht des Klägers verletzt hat, als sie ihm am 6. April 2009 eine Abmahnung erteilt hat, weil sich der Kläger geweigert hatte, die Roh-Daten der Konjunkturumfrage nochmals händisch in eine Excel-Tabelle zu übertragen.

87

Wie bereits erwähnt, hält das Gericht diese Abmahnung zwar für nahezu offensichtlich unwirksam. Zum einen ist es nicht ersichtlich, dass es zu den arbeitsvertraglichen Aufgaben des Klägers gehört hatte, seine Expertise im IT-Bereich der Beklagten im Rahmen des Arbeitsvertrages als Betriebsberater kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Zum anderen handelt es sich bei der Eingabe der Roh-Daten in eine Excel-Tabelle um eine einfachste Arbeit, die vom Niveau weit unterhalb der Arbeiten liegt, die zu erbringen der Kläger arbeitsvertraglich versprochen hat. Und zum dritten wäre es technisch möglich gewesen, das alte Programm, das eine automatisierte Übernahme der Roh-Daten ermöglicht, wieder auf einem der Rechner des Hauses zu installieren. Durch dieses Versäumnis der Beklagten hat die Weigerung des Klägers, selbst wenn sie arbeitsvertragswidrig gewesen sein sollte, nahezu jeden Unrechtsgehalt verloren.

88

Dennoch kann das Gericht in der Erteilung der Abmahnung durch die Hauptgeschäfts-führerin keine vorsätzliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers erblicken. Eine vorsätzliche Überforderung des Klägers kann ausgeschlossen werden, dazu kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden. Nach Überzeugung des Gerichts kann der Hauptgeschäftsführerin aber auch nicht vorgeworfen werden, sie hätte die Eitelkeit des Klägers und seine Schwäche für eine Arbeit in der Nähe der Geschäftsführung ausgenutzt, um den Kläger zur Ableistung von Arbeiten anzuhalten, von denen sie wusste, dass er sie nicht schuldet. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass die Hauptgeschäftsführerin aufgrund der jahrelangen klaglosen Erledigung der Zusatzarbeiten durch den Kläger – rechtlich unzutreffend – davon ausgegangen war, dass sie berechtigt sei, von ihm all die Zusatzarbeiten abzufordern. Anders lässt sich die Naivität der Abmahnung vom 6. April 2009 nach Überzeugung des Gerichts nicht erklären.

89

bb) Soweit der Kläger Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch weitere Mitarbeiter der Beklagten behauptet, ist ihm der Nachweis nicht gelungen, dass die Beklagte in Person der Hauptgeschäftsführerin davon Kenntnis hatte und es trotzdem unterlassen hat, den Kläger gegen derartige Angriffe zu schützen. Einzelne vom Kläger geschilderte Vorkommnisse lassen auch nicht erkennen, dass sie als Angriff auf seine Persönlichkeit zu deuten sind.

90

(i) Bei dem letztlich gescheiterten Ansinnen des Umzugs des Klägers in einen Büroraum im Untergeschoss (erste Jahreshälfte 2008) kann das Gericht in dem Umzugsplan an sich keine Persönlichkeitsrechtsverletzung erblicken. Es bestand ein sachlicher Anlass für den Umzug (Aufstockung des Bereichs der Außenwirtschaftsberater). Insoweit hat der Arbeitgeber ein weites nur in Grenzen kontrollierbares Ermessen, wie er einen solchen Plan auch in räumlicher Hinsicht umsetzt. Dass der Plan nur zum Schein und zum Ärgernis des Klägers erdacht worden ist, hält das Gericht jedenfalls für abwegig.

91

Am 13. Juni 2008, als die Rostocker Vorgesetzte des Klägers die Räumung von drei Büros angeordnet hatte, ist es allerdings zu einem unschönen Führungsversagen durch diese Vorgesetzte gekommen, als sie vor versammelter Mannschaft die "Schuld" für diese Maßnahme, die nunmehr auch noch die darüber erboste Kollegin B. betreffen sollte, dem Kläger zuwies. Es zeugt zum einen schon von geringer Führungskompetenz, wenn man sich für eine Maßnahme, die man selbst anordnet, auf die unverständlich sture Haltung eines untergebenen Mitarbeiters beruft, weil man dadurch indirekt zu erkennen gibt, dass es einem nicht gelungen war, im Rahmen der Führung eine für richtig gehaltene Maßnahme auch umzusetzen. Zum anderen gehört es nach der Kenntnis des Gerichts nicht zu den Grundsätzen guter Personalführung, untergebene Mitarbeiter in Personalfragen in Anwesenheit anderer Kolleginnen und Kollegen zu kritisieren.

92

Daraus lässt sich allerdings nichts zu Gunsten des Klägers ableiten, da weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die Hauptgeschäftsführerin von diesem Ausrutscher der R. Vorgesetzten des Klägers Kenntnis erlangt hat.

93

(ii) Ähnliches gilt für den Versuch dieser Vorgesetzten im September 2008, den Kläger dazu anzuhalten, den PC des erkrankten Kollegen für einen Auszubildenden freizuschalten.

94

Soweit die Vorgesetzte tatsächlich versucht haben sollte, den Kläger zu dieser Tätigkeit durch die Drohung des Entzugs der Vorteile der Gleitzeitregelung anzuhalten, wäre dies zwar ein offensichtlicher Verstoß gegen die Grundsätze guter Personalführung, da es keinerlei sachlichen Zusammenhang zwischen dem angedrohten Nachteil und dem zu lösenden Sachkonflikt gibt. Daraus lässt sich allerdings nichts zu Gunsten des Klägers ableiten, da weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die Hauptgeschäftsführerin von diesem Ausrutscher der R. Vorgesetzten des Klägers Kenntnis erlangt hat.

95

In der Sache selbst musste die Vorgesetzte offensichtlich im Rahmen der Besprechung mit dem dafür eigens angereisten Abteilungsleiter S. am 17. September 2008 einen Rückzieher machen, denn im Ergebnis dieser Besprechung ist es dabei geblieben, dass der PC nicht freigeschaltet wird.

96

(iii) Der klägerische Vorwurf, sein Abteilungsleiter hätte ihn im Rahmen eines Telefongesprächs am 8. August 2008 wegen seiner Stellungnahme zum Verkehrs-lärmkonzept der Hansestadt A-Stadt als "total inkompetent" bezeichnet, bedarf hier keiner näheren Bewertung, denn es ist nicht vorgetragen, dass die Hauptgeschäftsführerin der Beklagten hiervon Kenntnis erlangt hat.

97

(iv) Es kann zwar festgestellt werden, dass der Abteilungsleiter des Klägers in der Dienstberatung vom 6. November 2008 die Regeln guter Personalführung vernachlässigt hatte, als er vor versammelter Mannschaft den Konflikt zwischen dem Kläger und der Beklagten thematisiert hatte und dabei auch noch die persönliche Verärgerung der Hauptgeschäftsführerin über den Kläger betriebsöffentlich gemacht hatte.

98

Das Gericht kann aber nicht erkennen, dass der Abteilungsleiter damit den Kläger herabsetzen oder sonst in seinem Persönlichkeitsrecht beschädigen wollte. Aus dem ganzen Agieren des Abteilungsleiters schließt das Gericht vielmehr, dass er im richtigen Umgang mit dem Kläger überfordert war, und er diese Äußerungen in Unkenntnis der Wirkungen auf den Kläger und die anderen Kollegen getätigt hat.

99

(iv) Ähnliches gilt für das Telefongespräch, das der Abteilungsleiter mit dem Kläger über den angeblichen Subventionsbetrug auf die bei einem Mitgliedsunternehmen hinterlegte Rückrufbitte am 12. November 2008 führte. Angesichts der im Raum stehenden Vorwürfe war es schon sehr ungeschickt, dazu lediglich um einen Rückruf zu bitten. Besser wäre es gewesen, den Kläger nach N. zum Rapport zu bitten. Völlig unakzeptabel war es dann aber, den Kläger in dem Telefongespräch, das dieser in den Räumen eines Mitgliedsunternehmens geführt hatte, mit den Vorwürfen in der Sache zu konfrontieren. – Das einzige, was dieses Führungsversagen in einem etwas milderen Licht erscheinen lässt, ist der Umstand, dass sich der Kläger jederzeit aus dieser unzumutbaren Zwangssituation durch Beenden des Telefonats hätte befreien können.

100

(v) Was schließlich das abschließende Personalgespräch vom 11. Mai 2009 angeht, kann das Gericht kein Fehlverhalten der Beklagten gegenüber dem Kläger feststellen.

101

Es ist bereits nicht ganz nachvollziehbar, wenn der Kläger meint, er sei zu dem Gespräch ohne Hinweis auf dessen Charakter als Personalgespräch eingeladen worden. Denn ausweislich der schriftlichen Einladung vom 20. April 2009 (Anlage K 29, hier Blatt 113) sollte es in dem Gespräch um "Fragen der Umweltberatung" gehen. Angesichts des Vorlaufs mit dem Vorwurf, der Kläger habe Betriebsberatungen für nicht mehr bestehende Unternehmen abgerechnet, musste der Kläger damit rechnen, dass die Beklagte auch noch tiefer kontrollieren würde, und damit auch seine Tätigkeit als Firmenvertreter im Verhältnis zum Hauptzollamt einer kritischen Bewertung anhand der Förderrichtlinien unterziehen könnte.

102

Unabhängig davon ist nach der Aktenlage im hiesigen Rechtsstreit auch davon auszugehen, dass die Vorwürfe der Beklagten im Kern zutreffend sind. Der Kläger hat hier im Rechtsstreit sich allein damit verteidigt, dass diese Praxis seiner Beratungstätigkeit in Fragen der Vermeidung und Verringerung der Energiesteuern der Beklagten seit Jahren bekannt gewesen sei und dass sie sich die Ergebnisse der Arbeit des Klägers als Koppelstelle zum Hauptzollamt auch jahrelang als Erfolg auf die Fahnen geschrieben hatte. Dies ändert aber nichts an dem Umstand, dass damit das Feld der internen Beratung der Mitgliedsunternehmen, wie es durch die Förderrichtlinie begrenzt ist, verlassen war. Es liegt sogar nahe, dass die Konfliktparteien des vorliegenden Rechtsstreits durch die Unnachgiebigkeit, mit der der Konflikt um die richtige Bestimmung der Rolle des Klägers im Betrieb der Beklagten auf beiden Seiten geführt wurde, eine so große Welle ausgelöst hatte, dass sich auch außenstehende Dritte, die einen unbefangeneren Blick auf die Brisanz der Koppelstelle hatten, mit der Angelegenheit befasst haben und dabei sozusagen zufällig bei ihrer Bewertung des arbeitsrechtlichen Konflikts der Parteien entdeckt haben, wie weit sich die Geschäftspraxis der Beklagten mit der Koppelstelle zum Hauptzollamt schon von den Vorgaben der Förderrichtlinie entfernt hatte.

103

cc) Auch im Rahmen der notwendigen Gesamtbetrachtung der einzelnen Vorfälle konnte sich das Gericht nicht zu der Überzeugung durchringen, dass die Beklagte in Person der Hauptgeschäftsführerin vorsätzlich das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzen wollte.

104

Nach der klägerischen Schilderung der von ihm gesehenen Persönlichkeitsrechtsverletzung geht es im Kern um zwei Dauerthemen, nämlich zum einen um die Überforderung mit den vielen Zusatzaufgaben und zum anderen um die fehlende Anerkennung seiner Verdienste um die Beklagte gerade im Bereich der Zusatzaufgaben. Es ist für das Gericht durchaus nachvollziehbar, dass das jahrelang anhaltende Gefühl der Überforderung gepaart mit fehlender Anerkennung tiefgreifende gesundheitliche Auswirkungen haben kann und auch den Geltungsanspruch in der sozialen Gemeinschaft berühren.

105

Bei allem Verständnis für die vom Kläger tatsächlich so empfundene Verzweiflung über seine Situation kann ihm jedoch nicht gefolgt werden, soweit er meint, dies alles beruhe auf einer vorsätzlichen Schädigung durch die Beklagte in Person der Hauptgeschäftsführerin. Gerade die Zusammenschau aller oben vorgestellten und bewerteten Einzelfälle lässt kein klares Bild erkennen, das auf einen Plan hindeutet, den Kläger aus der Betriebsgemeinschaft und aus dem Arbeitsverhältnis drängen zu wollen. Für das Gericht entsteht bei der Zusammenschau aller Einzelereignisse eher das Bild einer Überforderung der Führungskräfte bei der richtigen Führung des Klägers, die aber auch durch die ambivalente Haltung des Klägers zum Thema Zusatzaufgaben mit verursacht wurde. Denn trotz des Grundthemas der Überforderung war der Kläger immer wieder bereit, Zusatzaufgaben in der Nähe der Geschäftsführung zu übernehmen, da er damit die Hoffnung verbunden hatte, ihm werde eines Tages doch noch die schmerzlich vermisste Anerkennung zuteil, möglicherweise sogar in Form eines geänderten Arbeitsvertrages mit einer über den Betriebsberater hinausgehenden Aufgabenstellung.

c)

106

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beklagte vorsätzlich die Gesundheit des Klägers beschädigt hat. Es ist zwar anerkannt, dass Gesundheitsschäden als mittelbare Folgen von Persönlichkeitsrechtsverletzungen auftreten können. Vorliegend ist jedoch bereits fraglich, ob der Kläger überhaupt ausreichend zu dem notwendigen kausalen Zusammenhang zwischen den bei ihm nach eigener Schilderung aufgetretenen Gesundheitsproblemen (Nervenzusammenbruch 2002 und 2009, Burnout 1999, Verkrümmung der Wirbelsäule) und vorsätzlichen Handlungen der Beklagten vorgetragen hat. Die Frage braucht hier nicht abschließend geklärt zu werden, denn der Kläger hat jedenfalls nicht vorgetragen, dass er der Beklagten seine gesundheitlichen Probleme mitgeteilt hat und dabei auf den Zusammenhang zwischen den Problemen und dem Umgang mit ihm durch die Beklagte hergestellt hatte.

II.

107

Zutreffend hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, soweit der Kläger eine Abfindung nach dem Maßstab der §§ 9, 10 KSchG auf Basis der Schadensersatznorm aus § 628 BGB verlangt. Das Arbeitsgericht ist insoweit vom Verfall der klägerischen Ansprüche nach § 37 TV-L ausgegangen. Dieser Begründung schließt sich das Berufungsgericht ausdrücklich an.

108

§ 37 TV-L gilt im Arbeitsverhältnis der Parteien kraft der vertraglichen Inbezugnahme des Tarifwerks für den öffentlichen Dienst. Diese rechtsgeschäftliche Einbindung der tariflichen Regelungen ist – wie bereits oben festgestellt – wirksam. Nimmt man an, dass die hier streitige Forderung spätestens mit Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung fällig geworden wäre, hätte die Ausschlussfrist mit Ablauf des 31. Dezember 2009 zu laufen begonnen. Nach § 34 Absatz 1 Satz 2 TV-L beträgt die Kündigungsfrist auch für die Kündigung des Arbeitnehmers bei einer Beschäftigungszeit von mindestens 12 Jahren – hier zutreffend – sechs Monate zum Ende eines Quartals. Bei der klägerischen Kündigung aus Mai 2009 reichen die sechs Monate bis in das letzte Quartal 2009, so dass die Kündigungsfrist mit Jahresende abgelaufen wäre. Damit sind die klägerischen Ansprüche aus § 628 BGB spätestens mit Ablauf des 30. Juni 2010 und damit lange vor der Klageerhebung verfallen.

109

Unabhängig davon spricht auch viel für die Annahme des Arbeitsgerichts, dass die Frist aus § 37 TV-L bereits mit dem Ausscheiden des Klägers im Mai 2009 zu laufen begonnen hat, so dass seine Ansprüche aus § 628 BGB bereits gegen Ende des Jahres 2009 verfallen sind.

III.

110

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen, da seine Berufung keinen Erfolg hatte (§ 97 ZPO).

111

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG sind nicht erfüllt.

(1) Die Verjährung kann bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden.

(2) Die Verjährung kann durch Rechtsgeschäft nicht über eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn hinaus erschwert werden.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.