Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 14. Mai 2013 - 5 Sa 283/12

bei uns veröffentlicht am14.05.2013

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 25.10.2012 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 98 Prozent und die Beklagte zu 2 Prozent.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt 28.768,00 Euro wegen sittenwidrig niedrigen Entgelts nebst Zinsen. Andere Teile des Rechtsstreits sind verglichen bzw. in der zweiten Instanz nicht angegriffen.

2

Zwischen den Parteien bestand vom 01.12.2009 bis 30.04.2012 ein Arbeitsverhältnis. Der Beklagte betreibt eine Werkstatt und einen Abschleppdienst. Im Rahmen des Abschleppdienstes ist er verpflichtet, typischerweise in einer halben Stunde nach Anruf am Unfallort zu sein. Er verkauft gebrauchte Autoteile. Der Kläger hat außer dem Lkw-Führerschein keine für den Beklagten nützliche Berufsausbildung.

3

Im Arbeitsvertrag des Klägers vom 24.11.2009 heißt es auszugsweise (Blatt 7 – 11):

4

㤠1
Inhalt, Beginn des Arbeitsverhältnisses

5

1. Herr A. tritt ab 01.12.2009 als Fahrer für den Abschleppdienst und Pannenhelfer in die Dienste der Firma Autoservice S..

6

2. Das Arbeitsverhältnis wird unbefristet geschlossen mit einer Probezeit von 6 (sechs) Monaten.

7

3. Die Verwendung des Arbeitnehmers richtet sich im Rahmen des Direktionsrechts nach den betrieblichen Bedürfnissen des Arbeitgebers. Das unbeachtet des Direktionsrechts auszuübende Tätigkeitsgebiet ergibt sich aus der Stellenbeschreibung.

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9

§ 2
Arbeitsentgelt

10

1. Der Arbeitnehmer erhält eine Nettovergütung in Höhe von 1.000,00 € monatlich in der bereits 30 Einsätze/Monat (außerhalb der normalen Arbeitszeit) enthalten sind. Not- und Bereitschaftsdienst wird nicht gesondert vergütet.

11

Außerdem erhält der Arbeitnehmer eine Zulage für zusätzliche Einsätze während der Bereitschaftszeit:

12

- Pannenhilfe PKW 10€/Brutto/Auftrag
 - Abschleppen PKW 10€/Brutto/Stunde

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2. Die Zulage ist jederzeit frei widerruflich und kann bei Tariflohn- und Ortsklassenänderungen aufgerechnet werden. Auch bei mehrmaliger Zahlung durch den Arbeitgeber erwirbt der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch auf Zahlung der Zulage.

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3. Die Zahlung des Arbeitsentgelts erfolgt bis zum 10. des Folgemonats der Beschäftigung. Evtl. anfallende Zulagen werden am 10. des darauf folgenden Monats auf das Konto des Mitarbeiters überwiesen. Die Lohnabrechnung wird ebenfalls zum 10. ausgehändigt.

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§ 3
Urlaub

17

Nach Ablauf der Probezeit beträgt der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers 24 Tage. Dabei umfasst die Woche 5 Arbeitstage.

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§ 9
Besondere Vereinbarungen

20

1. Der unterzeichnende Arbeitnehmer erklärt sich unwiderruflich bereit im Wechsel mit den anderen Kollegen der Werkstatt die Ruf-Bereitschaft und den damit anfallenden Not-Dienst aufrecht zu erhalten.

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2. Der Dienstplan für die Ruf-Bereitschaft und der damit anfallende Notdienst wird von der Geschäftsleitung erstellt.

22

Änderungswünsche des Dienstplanes bedürfen der Genehmigung der Geschäftsleitung.

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3. Der während der Ruf-Bereitschaft für den Pannen- und Abschlepp-Dienst und die KFZ-Werkstatt anfallenden Not-Dienst umfasst auch die Verpflichtung Nacht-, Samstags-, Sonntags- und Feiertags-Arbeit zu leisten.

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4. Sollte ein Mitarbeiter während der Ruf-Bereitschaft, egal aus welchen Gründen, ausfallen, tritt automatisch derjenige an seine Stelle, der lt. Aufgestelltem Dienstplan als nächstes an der Reihe wäre. Ist dieser Mitarbeiter nicht erreichbar, übernimmt der nächstfolgende die Bereitschaft usw. Es muss auf jeden Fall durch Absprache aller Mitarbeiter gewährleistet sein, dass außerhalb der normalen Arbeitszeit immer Mitarbeiter für den zu leistenden Not-Dienst innerhalb der Ruf-Bereitschaft zur Verfügung stehen.

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5. Weigert sich ein Mitarbeiter die Ruf-Bereitschaft bzw. den Not-Dienst zu übernehmen, ist der Arbeitgeber berechtigt, dass Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen.

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6. Vor Beginn der Ruf-Bereitschaft und innerhalb dieser Zeit, während des Not-Dienstes sowie während der normalen Arbeitszeit, ist der Genuss von Alkohol und anderer berauschender Mittel generell untersagt. Zuwiderhandlungen berechtigen den Arbeitgeber ohne Abmahnung zu sofortiger fristloser Kündigung.

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7. Für die Übernahme der Ruf-Bereitschaft wird ein Pauschal-Entgelt bezahlt, dessen Höhe frei vom Arbeitgeber festgesetzt wird. Zur Frage des Rechtsanspruches einer solchen Vergütung wird auf § 2 Abs. 2 dieses Vertrages verwiesen.

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8. Auf Verlangen des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers müssen angefallene Überstunden und deren Zuschläge als Freizeit genommen werden (siehe § 3 des Manteltarifvertrages). Eine abweichende Regelung muss schriftlich vereinbart werden.

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10. Bedingung für die Einstellung ist der Besitz des Führerscheines Klasse CE.

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32

11. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, auf Verlangen des Arbeitgebers, einen Doppel-Telefonanschluss zu unterhalten, um während der Ruf- Bereitschaft immer erreichbar zu sein.

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§ 12
Erlöschen von Ansprüchen

35

Ansprüche aus diesem Vertrag und aus dem Arbeitsverhältnis erlöschen, wenn sie nicht innerhalb von drei Wochen nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber erhoben sowie innerhalb von weiteren 3 Wochen, also insgesamt 6 Wochen nach dem Ausscheiden, klageweise geltend gemacht werden.

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§ 13
Salvatorische Klausel

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Sollten Bestimmungen dieses Vertrages oder eine künftig aufgenommene Bestimmung ganz oder teilweise nicht rechtswirksam oder nicht durchführbar sein, so wird hierdurch die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen des Vertrages nicht berührt. Anstelle der unwirksamen oder undurchführbaren Bestimmungen soll eine angemessene Regelung vereinbart werden, die dem Sinn und Zweck der unwirksamen bzw. undurchführbaren Bestimmung und der in ihr zum Ausdruck kommenden Interessenbewerbung möglichst nahe kommt.

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§ 16
Zusatzvereinbarungen

40

Es wird weiterhin vereinbart, dass der Arbeitnehmer jede 2. Woche den Nachtbereitschafts-Notdienst übernimmt. Ist genügend anderes einsatzfähiges Personal vorhanden, verringert sich diese Einsatzzeit entsprechend.

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Stellenbeschreibung

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Auszuführende Arbeiten werden u. a. sein: Transport von Stückgut, Bergung, Abschleppen, Transport, Sicherstellung und die Reparatur von Kraftfahrzeugen, Kundenservice, Gebrauchtwagenverkauf, Werkstattpflege, Fahrzeugpflege, weitere Einsatzbereiche nach Absprache mit dem Arbeitnehmer möglich.“

43

Die regelmäßigen Arbeitszeiten des Klägers waren von Montag bis Freitag von etwa 07:00 Uhr bis 15:30 Uhr. Dabei fuhr der Kläger in normalen Wochen zwei bis drei Einsätze in der regelmäßigen Arbeitszeit, bei schlechteren Witterungsverhältnissen teilweise nonstop (Blatt 179). Im Rest der regulären Arbeitszeit beschäftigte sich der Kläger mit dem Reinigen des ihm zugewiesenen Abschleppfahrzeugs und mit dem Verkauf von Gegenständen im Internet. Der Beklagte konnte nach eigenen Angaben den Kläger nicht auslasten. Wegen der Einsätze außerhalb der regulären Arbeitszeit wird auf die zusammenfassende Darstellung zu Kläger- und Beklagten-Vortrag im Schriftsatz vom 28.09.2012, Blatt 91 – 92 der Akte, verwiesen. Danach kam es laut Klägervortag von Dezember 2009 bis März 2012 zu 516 Stunden Einsatzzeit und laut Beklagtenvortrag zu 325,80 Stunden, monatlich also zu 18,45 oder 11,64 Zusatzstunden. Im letzten Quartal 2011 hatte der Kläger Bereitschaftszeit vom 3.10. – 18.10., 24.10. – 06.11., 14.11. – 27.11., 05.12. – 18.12. und 26.12. – 31.12.2011, was exemplarisch ist.

44

Der Kläger erhielt monatlich 1.000,00 Euro netto, was 1.300,00 Euro brutto entspricht, und keine zusätzlichen Zahlungen für Abschleppdienste außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit.

45

Die Parteien haben in der ersten Instanz statistisches Material zur Bezahlung von Fahrern und Kfz-Werkstatt-Mitarbeitern zur Akte gereicht. Wegen der näheren Einzelheiten wird verwiesen auf Blatt 52, 75 – 79 der Akte. Danach verdiente ein Kfz-Führer in Mecklenburg-Vorpommern im Jahre 2006 durchschnittlich 21.931,00 Euro im Jahr, ein Transporte-Geräte-Führer 23.890,00 Euro im Jahr und ein Hilfsarbeiter ohne nähere Tätigkeitsangabe durchschnittlich 19.309,00 Euro im Jahr.

46

Der Kläger hat mit am 20.08.2012 zugestellter Klagerweiterung Zahlungsansprüche geltend gemacht. Wegen der näheren Einzelheiten von Höhe, Zusammensetzung und Begründung der Zahlungsansprüche wird auf den Schriftsatz vom 17.08.2012, Blatt 47 – 60 der Akte verwiesen.

47

Der Kläger hat vorgetragen, das an ihn gezahlte Entgelt möge bezogen auf eine 40-Stunden-Woche noch nicht als sittenwidrig anzusehen sein, in Zusammenschau mit den zu leistenden Bereitschafts- und Einsatzzeiten außerhalb der gewöhnlichen Arbeitszeit erscheine die vereinbarte Vergütung jedoch deutlich zu niedrig und wäre eine Bezahlung in Höhe von 1.992,00 Euro brutto im Monat, wie der Klagerweiterung zu Grunde gelegt, angemessen.

48

Der Kläger hat beantragt:

1.

49

Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 26.03.2012 nicht zum 30.04.2012 aufgelöst ist.

2.

50

Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch sonstige Kündigungen beendet worden ist und ungekündigt fortbesteht.

51

Hilfsweise, für den Fall des Obsiegens mit vorgenanntem Hauptantrag ergänzend,

3.

52

Den Beklagten zu verurteilen, den Kläger über den 30.04.2012 hinaus für die Dauer des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen aus dem Arbeitsvertrag vom 24.11.2009 weiter zu beschäftigen.

4.

53

Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger Arbeitsentgelt in Höhe von 57.769,00 € brutto abzüglich gezahlter 27.000,00 € brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

54

Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit den Klageanträgen zu Ziffer 1. und 2.,

5.

55

Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.011,34 € brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

6.

56

Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger weitere 26,45 € brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

57

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

58

Er hat vorgetragen, das Entgelt des Klägers halte sich im Rahmen des Üblichen. Üblich sei ein Gesellenlohn im Bereich der mechanischen Reparatur- und Wartungsarbeiten in Höhe von 9,88 Euro die Stunde, wobei beim Kläger wegen fehlender Ausbildung 25 Prozent abzuziehen seien. Als Vergleich könnten auch die eingereichten Durchschnitts-Brutto-Monatsbezüge für Mitarbeiter im Bereich Handel und Reparatur von Kraftfahrzeugen in den Leistungsgruppen 4 oder 5 zu Grunde gelegt werden, wobei wegen der ländlichen Struktur ein Abzug von 20 Prozent vorzunehmen sei. Danach seien maßgebliche Entgelte zwischen 1.647,00 Euro bis 1.840,00 Euro im Monat (Blatt 73, 75 – 79). Die Klage scheitere daran, dass dem Beklagten eine besondere Verwerflichkeit bei der Bezahlung nicht vorzuwerfen sei.

59

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 2.000,00 Euro netto wegen Nachzahlung von zwei Nettomonatsentgelten sowie in Höhe von 26,45 Euro Telefonkosten, jeweils nebst Zinsen, stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Der Kläger habe zur üblichen Bezahlung zu wenig vorgetragen. Die eingereichten Statistiken seien dazu ungeeignet. Wegen der näheren Einzelheiten des Urteils wird auf Blatt 108 – 125 der Akte verwiesen.

60

Der Kläger hat gegen das ihm am 22.11.2012 zugestellte Urteil (Blatt 127) mit am 29.11.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schreiben Berufung eingelegt und um Fristverlängerung für die Berufungsbegründung bis 22.02.2013 gebeten. Nach antragsgemäßer Fristverlängerung ist die Berufungsbegründung am 22.02.2013 bei Gericht eingegangen. Danach wehrt der Kläger sich gegen die Klagabweisung hinsichtlich der Zahlungsanträge. Er reicht neue Statistiken zur Bezahlung zur Akte. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Anlage BK 1, Blatt 160 der Akte, verwiesen. Zur Urlaubsabgeltung haben die Parteien sich verglichen.

61

Der Kläger behauptet, bei einer 40-Stunden-Woche wäre ein Bruttomonatsentgelt von 1.952,00 Euro ortsüblich, was durch Sachverständigengutachten und die eingereichten Unterlagen bewiesen werden könne. Er ist der Ansicht, in einer Zusammenschau der ganz erheblichen Arbeitszeiten einschließlich der Bereitschaftszeiten ergebe sich ein krasses Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Geld. Ergänzend wird wegen des Vortrags des Klägers in der zweiten Instanz auf den Schriftsatz vom 22.02.2013, Blatt 155 – 160 der Akte, verwiesen.

62

Der Kläger legt in der letzten mündlichen Verhandlung zwei Kalenderblätter für 2011 und 2012 zur Einsicht vor und reicht diese ohne Doppel zur Akte. Er erläutert, daraus ergebe sich, dass er in den genannten Jahren mindestens die Hälfte der Zeit zur Bereitschaft eingeteilt gewesen sei. In der Zeit davor sei der Grad der Einteilung sogar noch höher gewesen.

63

Der Kläger beantragt (Blatt 179, 155):

1.

64

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Schwerin vom 25.10.2012 – 6 Ca 640/12 – wird der Beklagte über den Betrag von 2.000,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2012 und weiterer 26,45 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2012 hinaus weiter verurteilt,

65

den Kläger weiteres Arbeitsentgelt in Höhe von 57.768,00 Euro brutto abzüglich gezahlter 27.000,00 Euro netto und bereits durch Urteil zuerkannter 2.000,00 Euro netto nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2012 zu zahlen.

2.

66

Die Revision gegen ein die Berufung ganz oder teilweise zurückweisendes Urteil wird zugelassen.

67

Der Beklagte beantragt (Blatt 180, 148), die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

68

Der Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil, soweit entscheidungserheblich, für zutreffend und verweist auf den eigenen erstinstanzlichen Vortrag. Er behauptet es sei üblich, dass eine in privater Umgebung verbrachte Bereitschaftszeit nicht gesondert vergütet werde. Er ist der Ansicht, der Kläger habe zu den Voraussetzungen einer Sittenwidrigkeit nicht vorgetragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beklagten in der zweiten Instanz wird auf den Schriftsatz vom 11.03.2013, Blatt 164 – 168 der Akte, verwiesen.

69

Der Beklagte erklärt in der Verhandlung vom 14. Mai 2013, ihm sei eine Stellungnahme zu den Kalenderblättern nicht möglich.

Entscheidungsgründe

70

Die Berufung hat keinen Erfolg.

I.

71

Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt, fristgerecht begründet und hinreichend begründet. Der Kläger hat mit dem neu eingereichten statistischen Material der erstinstanzlichen Entscheidung möglicherweise entgegenstehende Umstände vorgetragen.

II.

72

Die Berufung ist unbegründet. Die Klage ist, soweit noch zur Entscheidung anstehend, unbegründet. Kläger hat auch unter Zugrundelegung des neuen Vortrags keinen Anspruch auf ergänzende Entgeltzahlung wegen sittenwidrig niedrigen Entgelts nach §§ 612, 138 BGB. Damit entfällt zugleich der Zinsanspruch.

1.

73

Die Klage ist nicht schon unbegründet wegen Nichteinhaltung der Ausschlussfrist in § 12 des Arbeitsvertrages. Es handelt sich um einen vorformulierten Vertrag nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, so dass sich eventuelle Ausschlussfristen nach § 307 Abs. 1 BGB an Treu und Glauben messen lassen müssen. Nach der Rechtsprechung sind danach Ausschlussfristen, die kürzer als drei Monate sind, unwirksam (Preis in Erf. Kommentar, 13. Auflage, 2013, § 194 BGB, Rz. 34, 46). So liegt es hier.

2.

74

Die Klage ist nicht schon unbegründet, weil der Kläger an Stelle einer Klage wegen Sittenwidrigkeit das vereinbarte Entgelt hätte einklagen müssen (wie dies zwischenzeitlich erfolgte, Bl. 49 d.A., Schreiben 17.08.2012 Seite 3).

a)

75

Nach dem Wortlaut des Arbeitsvertrages unter Außerachtlassung von § 2 Abs. 2 und § 9 Abs. 7 Satz 2 besteht ein derartiger Anspruch nicht, jedenfalls nicht in größerem Umfang. Nach § 2 Abs. 1 werden nur über die Zahl 30 hinausgehende Einsätze im Monat außer der normalen Arbeitszeit vergütet. Weitere Not- und Bereitschaftsdienste werden nicht gesondert vergütet. Auf mehr als 30 Einsätze im Monat kommt der Kläger, wenn überhaupt, dann nur sehr ausnahmsweise.

b)

76

§ 2 Abs. 2 und § 9 Abs. 7 Satz 2 des Arbeitsvertrages sind unwirksam, § 308 Nr. 4 BGB.

c)

77

Im Übrigen ist der Arbeitsvertrag, soweit hier von Interesse, wirksam.

78

Er ist hinsichtlich der Höhe der Bezahlung nicht wegen Unklarheit nach § 305 Abs. 2 BGB unwirksam oder anders als nach dem Wortlaut auszulegen. Es ist klar, wie viele Einsätze außerhalb der Kernarbeitszeit mit dem Grundentgelt abgegolten sind. Es ist klar, wie die darüber hinausgehenden Einsätze zu vergüten sind.

79

Die Höhe des Entgeltes ist nicht an § 307 Abs. 1 BGB zu messen, sondern nur an § 138 BGB, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen steht den Vertragsparteien bei der Vereinbarung des Verhältnisses von Leistung zu Gegenleistung eine sehr weite Vertragsfreiheit zur Seite. Zum anderen fehlen Gerichten typischerweise die wirtschaftlichen Kenntnisse, um eine im Einzelnen sachgerechte Bezahlung zwischen sittenwidrig nach § 138 BGB und üblich nach § 612 BGB zu ermitteln (Preis in Erf. Kommentar, 13. A. 2013, §§ 305 ff. BGB, Rz. 36 f., 39; BAG v. 16.05.2012 – 5 AZR 331/11, juris Rz. 24 f. m.w.N.).

3.

80

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung wegen sittenwidrig niedrigen Entgelts nach §§ 612, 138 BGB.

a)

81

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine Entgeltvereinbarung wegen Sittenwidrigkeit unwirksam sein, wenn das gezahlte Entgelt nicht zwei Drittel des üblichen Entgeltes erreicht. Dabei kann das tarifliche Entgelt als übliches Entgelt zu Grunde gelegt werden, wenn in einem Wirtschaftsgebiet mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer tariflich bezahlt werden. Weiterhin muss eine verwerfliche Gesinnung entweder vorliegen oder auf Grund der Umstände zu vermuten sein. Wenn das gezahlte Entgelt nicht die Hälfte des üblichen Entgeltes erreicht, dann wird die verwerfliche Gesinnung auf Grund der Umstände vermutet (Linck in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 14. Auflage 2011, § 34, Rz. 7, 11; Preis in Erf. Kommentar, a. a. O., § 612 BGB, Rz. 3; beide m. w. N.; BAG vom 22.04.2009 – 5 AZR 436/08, juris Rz. 17 – 20, 27 f.; BAG vom 16.05.2012 – 5 AZR 268/11, juris Rz. 30 - 32, 36 - 38; LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 02.11.2010 – 5 Sa 91/10, juris Rz. 44 – 46, 49 - 55, 106; LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 17.04.2012 – 5 Sa 194/11, juris Rz. 25 - 27). Bei Sittenwidrigkeit ist das übliche Entgelt zu zahlen.

82

Es kommt nicht darauf an, ob weiterhin eine absolute Lohnuntergrenze besteht, ab derer eine Sittenwidrigkeit vorliegt (vgl. Linck, a. a. O., Rz. 12 a). So wenig verdiente der Kläger nicht.

b)

83

Vorliegend ist Maßstab eine Bezahlung von zumindest 50 Prozent unter Wert.

84

Dem Beklagten ist keine besonders verwerfliche Gesinnung im Sinne des Lohnwuchers nach § 138 Abs. 2 BGB vorzuwerfen. Der Wuchertatbestand nach § 138 Abs. 2 BGB setzt in subjektiver Hinsicht zwingend voraus, dass der Wucherer die beim anderen Teil bestehende Schwächesituation ausbeutet. In Betracht kommen nach dem Gesetz zum Beispiel Zwangslage, Unerfahrenheit oder erhebliche Willensschwäche. Ausbeuten bedeutet, dass der Wucherer die Schwächesituation verwendet, um sich ein ihm bekanntes Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen zu Nutze zu machen. Eine derartige Situation liegt nicht vor. Es erscheint denkbar, dass nicht nur für den Kläger das Austauschverhältnis schwierig war, sondern für den Beklagten auch.

85

Damit kommt nur ein wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB in Betracht. Das ist dann der Fall, wenn in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und subjektiv weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten. Bei einem besonders krassen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung muss nach der oben dargestellten Rechtsprechung angenommen werden, dass der Begünstigte sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschloss, es liege ein solches Missverhältnis vor. Ein besonders krasses Missverhältnis liegt nach der dargestellten Rechtsprechung vor, wenn zumindest 50 Prozent unter Wert bezahlt wurde.

c)

86

Eine Sittenwidrigkeit liegt danach vor, wenn das übliche Entgelt in der Größenordnung von 2.600,00 Euro brutto im Monat oder bei 31.200,00 Euro brutto läge, also doppelt so hoch wie das auf der Grundlage des unstreitigen Nettoentgeltes von 1.000,00 Euro geschätzte tatsächliche Bruttomonatsentgelt von 1.300,00 Euro oder Bruttojahresentgelt von 31.200,00 Euro. Das ist nicht der Fall.

87

Üblich wäre ein Bruttojahresentgelt von 21.931,00 Euro und damit ein Bruttomonatsentgelt von 1.828,00 Euro für geleistete Arbeit zwischen 40 und 48 Stunden in der Woche, wobei eine Schätzunsicherheit von 783,00 Euro im Jahr bzw. 62,25 Euro im Monat abzuziehen ist, so dass sich 21.148,00 Euro bzw. 1.765,75 Euro ergeben. Der Kläger liegt mit geschätzten 187 Stunden geleisteter Arbeit im Monat (einschließlich Einsätze außerhalb der Kernarbeitszeit) in diesem Rahmen.

88

Das übliche durchschnittliche Entgelt ist wegen der Bereitschaftszeiten nach Schätzung des Gericht zu erhöhen auf Beträge zwischen 1.992,00 Euro und 2.283,61 Euro brutto im Monat, also 23.904,00 Euro bis 27.403,32 Euro brutto im Jahr. Es LAG im Dezember 2011 bei 2.446,15 Euro brutto.

89

Diese Summen liegen deutlich unter den maßgeblichen 2.600,00 Euro brutto im Monat oder 31.200,00 Euro brutto im Jahr.

d)

90

Wird die übliche Vergütung - wie vorliegend - nicht durch ein einschlägiges Tarifwerk abgebildet, muss das Gericht die übliche Vergütung unter Verwertung aller geeigneter Erkenntnisquellen schätzen und hat gegebenenfalls verbleibende Schätzunsicherheiten durch einen Schätzabschlag zu Gunsten des Arbeitgebers zu berücksichtigen (LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 17.04.2012 – 5 Sa 194/11 -, juris Rz. 31 u. 34). Es können die vom statistischen Landesamt veröffentlichten Vergleichentgelte zu Grunde gelegt werden (LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 02.11.2010 – 5 Sa 91/10 -, juris Rz. 56), hier konkret die Anlage BK 1.

91

Als Vergleichsmaßstab können die Entgelte für Kraftfahrer ohne Transporttätigkeiten herangezogen werden. Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers liegt zwar nicht zeitlich, aber inhaltlich im Abschleppen von Fahrzeugen, wobei als Annextätigkeit die Fahrzeugreinigung mit dazu gehört. Es kann offen bleiben, ob abweichende Tätigkeiten wie Reparieren im Rahmen der Pannenhilfe oder Internetverkauf zeitlich mehr als die Hälfte der Tätigkeit des Klägers ausmachen. Die Abschlepptätigkeit steht m Vordergrund. Im Übrigen würde der Kläger bei Maßgeblichkeit von Pannenhilfe oder Internetverkauf nicht besser stehen, da er für beide Tätigkeiten nicht ausgebildet ist und insoweit daher als Hilfsarbeiter anzusehen wäre.

92

Der Kläger ist von seinem Tätigkeitsfeld einem Kraftfahrer ohne Transporttätigkeiten näherliegend als einem Kraftfahrer mit Transporttätigkeiten. Typisch für Kraftfahrer mit Transporttätigkeiten ist eine fast ununterbrochene Fahrtätigkeit, unterbrochen nur vom Be- und Entladen und vom Tanken. Typisch für den Kraftfahrer ohne Transporttätigkeiten ist ein relativ hoher Anteil von Wartezeiten. Nach diesen Maßstäben ist der Kläger näherliegend am Kraftfahrer ohne Transporttätigkeiten, auch wenn er teilweise ein defektes Fahrzeug transportierte. Das erfolgte dann typischerweise die Hälfte der Strecke.

93

Die Angaben des Klägers unter Verweis auf die Zahlen des statistischen Landesamtes zu einem typischen Bruttojahresverdienst für Kraftfahrer ohne Transporttätigkeiten, nämlich 21.931,00 Euro brutto, also 1.828,00 Euro im Monat, können zu Grunde gelegt werden. Als Schätzunsicherheit ist der Anteil der Sonderzahlungen, nämlich 783,00 Euro im Jahr, abzuziehen. Es ist unklar, ob die Sonderzahlungen besondere Ursachen wie jahrelange Betriebszugehörigkeit oder besonders gute oder umfangreiche Arbeit oder besonders gute Finanzlage des Unternehmens haben.

94

Die Arbeitszeit des Klägers, bestehend aus regulärer Arbeitszeit und Zusatzfahrten außerhalb der regulären Arbeitszeit, liegt nicht höher als die eines typischen Kraftfahrers. Die Arbeitszeit eines typischen Kraftfahrers liegt oberhalb von 40 Stunden die Woche, häufig bei 48 Stunden die Woche, teilweise sogar darüber, wie Tarifverträge zeigen (vgl. § 3 KraftfahrerTV Bund, Fassung 27.02.2010, veröffentlicht u. a. www.bmi.bund.de).

e)

95

Die Tätigkeit des Klägers ist nicht geringer zu bewerten wegen fehlender Ausbildung. Der Kläger hat einen Lkw-Führerschein, wohl Klasse CE (siehe § 9 Abs. 10 des Arbeitsvertrages). Damit hat er eine Berufsausbildung für Kraftfahrer. Die Tätigkeit des Klägers ist nicht geringer zu bewerten wegen eventuell teilweise ausgeübter Hilfstätigkeiten oder eventueller Wartezeiten. Wartezeiten sind bei einem Kraftfahrer ohne Transportmöglichkeiten normal. Es ist das unternehmerische Risiko des Beklagten, den Kläger sinnvoll oder nur mit Hilfstätigkeiten einsetzen zu können.

f)

96

Die Tätigkeit des Klägers ist höher zu bewerten wegen der umfangreichen Bereitschaftsdienstzeiten.

97

Beim Kläger fielen Zeiten des Bereitschaftsdienstes an. Bereitschaftsdienst sind Zeiten, bei denen ein Arbeitnehmer sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten hat, im Gegensatz zu Rufbereitschaft, bei der dem Arbeitnehmer ein weiter Kreis von Aufenthaltsorten erlaubt ist (vgl. § 7 Abs. 2 und 3 TVöD; § 7 Abs. 1 Nr. 1 a ArbZG; Linck in Schaub, § 45, Rz. 57, 59). Der Wortlaut des Arbeitsvertrages spricht zwar für Rufbereitschaft und eine Erlaubnis an den Kläger, sich an verschiedenen Orten aufzuhalten. Aus § 9 Abs. 11 Satz 1 des Arbeitsvertrages ergibt sich aber eine grundsätzliche Pflicht, sich während der Bereitschaft zu Hause aufzuhalten. Damit handelt es sich um Bereitschaftsdienst. Es erübrigt sich zu prüfen, ob es sich um einen Grenzfall handelt. In Zweifelsfällen würde nach § 305 c Abs. 2 BGB die für den Kläger günstigere Variante gelten, was hier Bereitschaftsdienst ist. Letztlich kommt es für die Entscheidung auf die Abgrenzung nicht an.

98

Die Bereitschaftsdienstzeiten sind Wert erhöhend. Sie führen zu ganz erheblichen Einschränkungen des Privatlebens des Klägers. Ein derartiger Umstand wird normalerweise vergütet (Linck in Schaub, a.a.O., § 45, Rz. 58, 59b). Erhebliche Bereitschaftszeiten ohne finanzielle Berücksichtigung des Verlustes an Freizeit können sittenwidrig sein (BAG 28.01.2004 – 5 AZR 530/02 -, juris Rz. 42).

g)

99

Die Bereitschaftszeiten des Klägers sind umfangreich.

100

Die Kammer geht nach derzeitigem Stand davon aus, dass der Kläger die Hälfte des Monats für Bereitschaftszeiten eingeteilt war. Seinen (zugegebenermaßen pauschalen) entsprechenden mündlichen Angaben in der letzten mündlichen Verhandlung ist der Beklagte nicht mit den erforderlichen Einzelheiten entgegengetreten (§ 138 ZPO). Dafür sprechen die Bereitschaftszeiten im 4. Quartal 2011, die 9 von 12 Wochen betreffen. Der Beklagte kann den Umfang der Bereitschaftszeiten mutmaßlich zumindest grob selbst beurteilen, hat also Wissen. Soweit der Kläger pauschal für die Vergangenheit und konkret für 2011 und 2012 mehr als hälftige Bereitschaftszeiten vorträgt, ist der Vortrag für die Jahre 2009 und 2010 zu pauschal und für die Jahre 2011 und 2012 mit Ausnahme des 4. Quartals deswegen nicht zu berücksichtigen, weil der Kläger die entsprechenden Einzelheiten zu spät und nicht mit dem erforderlichen Doppel (§ 133 ZPO) vortrug. Eine Zurückweisung wegen Verspätung findet allein deswegen nicht statt, weil es auf diesen ergänzenden Vortrag nicht ankommt. Auch bei 75 % der Wochen Bereitschaftszeit ergäbe sich nichts Abweichendes.

h)

101

Vorliegend erscheint eine Bezahlung pro Bereitschaftsstunde mit 20 Prozent des normalen Stundenentgelts angemessen, was die unter II. 3 c) genannten Zahlen ergibt.

102

Die Parteien haben zweitinstanzlich nicht vorgetragen, wie Bereitschaftszeiten auf dem Arbeitsmarkt Wert erhöhend gewichtet werden.

103

Nach dem erstinstanzlichen Vortrag des Klägers ist ein Gesamtbruttomonatsentgelt von 1992 € unter Mitberücksichtigung von Bereitschaftszeiten angemessen. Aus im Folgenden noch darzustellenden Gründen ist diese Schätzung vertretbar.

104

Das Bundesarbeitsgericht hat eine Regelung für nicht sittenwidrig gehalten, bei der für Bereitschaftszeiten im Krankenhaus etwa 68 % der Vergütung für normale Arbeitszeit gezahlt wurde, bei (damit mit abgegoltenen Tätigkeiten) in unter der Hälfte der Bereitschaftszeit (BAG vom 28.01.2004 – 5 AZR 530/02 -, Rz. 42 f.). Der vorliegende Fall ist anders gelagert, weil es nur um die Vergütung für nicht geleistete Arbeit geht, die im Wesentlichen an dem Wert des Freizeitverlustes zu messen ist. Die Fahrten sind bereits an anderer Stelle berücksichtigt. Es geht um den Geldwert der Einschränkung der persönlichen Freiheit mit der damit einhergehenden Senkung der Lebensfreude.

105

Tarifverträge zu Abschleppdiensten sind dem Gericht nicht bekannt. Es bietet sich an, sich an die bekanntlich gerichtsbekannten Tarifverträge des öffentlichen Dienstes anzulehnen. Bereitschaftszeiten mit Anwesenheitspflicht am Betriebssitz werden dort teilweise mit grob 50 Prozent der normalen Arbeitsleistung bewertet (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 a) TVöD). Rufbereitschaft wird im öffentlichen Dienst häufig zwischen 17 % und 12,5 % des tariflichen Entgelts abgegolten (§ 8 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 und Satz 9 TVöD; zur Abgrenzung Linck in Schaub, a.a.O., § 184, Rz. 31).

106

Angemessen ist ein niedrigerer Wert als die Mitte zwischen Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst. Die Bereitschaftszeiten des Klägers liegen sehr nah an der Rufbereitschaft, weil er sich zu Hause aufhalten darf, dem Ort, den er bei Rufbereitschaft mutmaßlich in der Regel gewählt hätte. Der Kläger kommt typischerweise zu seinem vollen Nachtschlaf. Der Wert ist höher anzusetzen als bei Rufbereitschaft, weil der Kläger stärker örtlich gebunden ist als bei normaler Rufbereitschaft. Danach sind geschätzt 20 Prozent angemessen. Dabei ist ein Schätzunsicherheitsabschlag bereits berücksichtigt. Wäre die Tätigkeit des Klägers als Rufbereitschaft einzuordnen, so wären geschätzt 15 bis 20 Prozent angemessen.

107

Bei den folgenden Berechnungen wird ausgegangen von geschätzten 259 bis 274 Bereitschaftsstunden im Monat und geschätzten 187 Arbeitsstunden im Monat, davon 15 außerhalb der regulären Arbeitszeit. Bei einer 40 Stundenwoche sind 172 Stunden im Monat denkbar. Die Mehrarbeitsstunden pro Monat liegen nach Vortrag des Klägers bei 18,45 im Monat und nach Vortrag des Beklagten bei 11,64 im Monat. Das Gericht nimmt für folgende Berechnungen 15 Stunden im Monat an, was unter Berücksichtigung der dem Kläger obliegenden Darlegungslast am oberen Rand des Vertretbaren liegen dürfte. Bei hälftigem Bereitschaftsdienst ergeben sich geschätzt 259 Bereitschaftsstunden ohne Arbeitsleistung im Monat [(720 – 172)/2 – 15] oder 274 Bereitschaftsstunden einschließlich der gearbeiteten Stunden.

108

Das Vergleichstundenentgelt liegt bei Teilung des Normalmonatsentgelts durch die durchschnittlich vom Kläger geleisteten Stunden bei 9,44 Euro brutto (1765,75 Euro ./. 187), das angemessene Entgelt für Bereitschaftsdienststunden bei 1,89 Euro (9,44 Euro x 20 Prozent). Bei zu berücksichtigenden 259 Bereitschaftsstunden erhöht sich das Vergleichentgelt um 489,51 Euro, bei 274 Bereitschaftsstunden sind es 517, 86 Euro. Es ergeben sich also Vergleichentgelte von 2.255,26 Euro bzw. 2.283,61 Euro. Im Dezember 2011 fielen 360 Bereitschaftsstunden einschließlich der gearbeiteten Stunden in der Bereitschaftszeit an [(20 x 24) – (3 x 40)]. Das Vergleichsentgelt erhöht sich um 680,40 Euro auf 2.446,15 Euro.

109

Eventuelle Schätzungenauigkeiten sind für den Ausgang des Rechtsstreits ohne Bedeutung. Es würde sich nicht anderes ergeben, wenn 75 % der Wochen Bereitschaftszeit wären, was 396 oder 411 Bereitschaftsstunden im Monat ergäbe. Damit ergäbe sich maximal ein zusätzliches Entgelt von 748,44 Euro und damit 2.514,19 Euro insgesamt. Bei Rufbereitschaft und Berücksichtigung eines Schätzabschlags auf 15 Prozent käme man auf 1,42 Euro pro Stunde Rufbereitschaft (9,44 Euro x 15 Prozent). Das ändert das Ergebnis [oben II. 3. c)] nicht entscheidend.

110

Die erstinstanzliche Schätzung des Kläger erscheint vertretbar, wenn man von 1.300,00 Euro brutto als Basisentgelt ausgeht und 517,86 Euro nach obiger Berechnung für Bereitschaftsstunden addiert. Dann käme man auf 1.817,86 Euro und bei leichter Erhöhung wegen sehr niedrigem Basisentgelts auf 1.992,00 Euro. Diese Schätzung erscheint vertretbar, wenn man bereit ist, als weiteren Umstand zu gewichten, dass der Kläger als ausgebildeter Kraftfahrer für den Beklagten deutlich schlechter einsetzbar ist als ein ausgebildeter Mechatroniker mit Kraftfahrzusatzausbildung, und zwar auch bei den Einsätzen, insbesondere aber in der einsatzfreien Regelarbeitszeit. Die Angemessenheit der Schätzung des Klägers kann offen bleiben. Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist es ohne Bedeutung, ob der erstinstanzlichen Schätzung des Klägers oder der Schätzung des Gerichts zu folgen ist.

III.

111

Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif. Es waren keine weiteren Hinweise nach § 139 ZPO erforderlich. Es ist nicht ersichtlich, wie weitere Erkenntnisse zum Marktwert einer in privater Umgebung verbrachten Bereitschaftszeit gewonnen werden können.

IV.

112

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 ZPO und berücksichtigt hinsichtlich des Vergleiches ein hälftiges Obsiegen beider Seiten (§ 98 ZPO).

V.

113

Die Revisionszulassung erfolgt wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 72 ArbG. Es hat eine grundsätzliche Bedeutung, wie der Wert von Bereitschaftszeiten zu schätzen ist.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 14. Mai 2013 - 5 Sa 283/12

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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

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(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermöge

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(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. (2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung

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(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.

(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.

(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:

1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden;
2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte;
3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.

(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch), unterliegt der Verjährung.

(2) Der Verjährung unterliegen nicht

1.
Ansprüche, die aus einem nicht verjährbaren Verbrechen erwachsen sind,
2.
Ansprüche aus einem familienrechtlichen Verhältnis, soweit sie auf die Herstellung des dem Verhältnis entsprechenden Zustands für die Zukunft oder auf die Einwilligung in die genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung gerichtet sind.

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam

1.
(Annahme- und Leistungsfrist)eine Bestimmung, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält; ausgenommen hiervon ist der Vorbehalt, erst nach Ablauf der Widerrufsfrist nach § 355 Absatz 1 und 2 zu leisten;
1a.
(Zahlungsfrist)eine Bestimmung, durch die sich der Verwender eine unangemessen lange Zeit für die Erfüllung einer Entgeltforderung des Vertragspartners vorbehält; ist der Verwender kein Verbraucher, ist im Zweifel anzunehmen, dass eine Zeit von mehr als 30 Tagen nach Empfang der Gegenleistung oder, wenn dem Schuldner nach Empfang der Gegenleistung eine Rechnung oder gleichwertige Zahlungsaufstellung zugeht, von mehr als 30 Tagen nach Zugang dieser Rechnung oder Zahlungsaufstellung unangemessen lang ist;
1b.
(Überprüfungs- und Abnahmefrist)eine Bestimmung, durch die sich der Verwender vorbehält, eine Entgeltforderung des Vertragspartners erst nach unangemessen langer Zeit für die Überprüfung oder Abnahme der Gegenleistung zu erfüllen; ist der Verwender kein Verbraucher, ist im Zweifel anzunehmen, dass eine Zeit von mehr als 15 Tagen nach Empfang der Gegenleistung unangemessen lang ist;
2.
(Nachfrist)eine Bestimmung, durch die sich der Verwender für die von ihm zu bewirkende Leistung abweichend von Rechtsvorschriften eine unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Nachfrist vorbehält;
3.
(Rücktrittsvorbehalt)die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, sich ohne sachlich gerechtfertigten und im Vertrag angegebenen Grund von seiner Leistungspflicht zu lösen; dies gilt nicht für Dauerschuldverhältnisse;
4.
(Änderungsvorbehalt)die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist;
5.
(Fingierte Erklärungen)eine Bestimmung, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass
a)
dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und
b)
der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen;
6.
(Fiktion des Zugangs)eine Bestimmung, die vorsieht, dass eine Erklärung des Verwenders von besonderer Bedeutung dem anderen Vertragsteil als zugegangen gilt;
7.
(Abwicklung von Verträgen)eine Bestimmung, nach der der Verwender für den Fall, dass eine Vertragspartei vom Vertrag zurücktritt oder den Vertrag kündigt,
a)
eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den Gebrauch einer Sache oder eines Rechts oder für erbrachte Leistungen oder
b)
einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann;
8.
(Nichtverfügbarkeit der Leistung)die nach Nummer 3 zulässige Vereinbarung eines Vorbehalts des Verwenders, sich von der Verpflichtung zur Erfüllung des Vertrags bei Nichtverfügbarkeit der Leistung zu lösen, wenn sich der Verwender nicht verpflichtet,
a)
den Vertragspartner unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und
b)
Gegenleistungen des Vertragspartners unverzüglich zu erstatten;
9.
(Abtretungsausschluss)eine Bestimmung, durch die die Abtretbarkeit ausgeschlossen wird
a)
für einen auf Geld gerichteten Anspruch des Vertragspartners gegen den Verwender oder
b)
für ein anderes Recht, das der Vertragspartner gegen den Verwender hat, wenn
aa)
beim Verwender ein schützenswertes Interesse an dem Abtretungsausschluss nicht besteht oder
bb)
berechtigte Belange des Vertragspartners an der Abtretbarkeit des Rechts das schützenswerte Interesse des Verwenders an dem Abtretungsausschluss überwiegen;
Buchstabe a gilt nicht für Ansprüche aus Zahlungsdiensterahmenverträgen und die Buchstaben a und b gelten nicht für Ansprüche auf Versorgungsleistungen im Sinne des Betriebsrentengesetzes.

(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.

(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss

1.
die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und
2.
der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,
und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.

(3) Die Vertragsparteien können für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Beachtung der in Absatz 2 bezeichneten Erfordernisse im Voraus vereinbaren.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 26. Oktober 2010 - 6 Sa 595/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - soweit für die Revision von Interesse - über die Vergütung von Überstunden.

2

Der 1976 geborene Kläger, ausgebildeter Kaufmann im Eisenbahn- und Straßenverkehr, war vom 1. Februar 2007 bis zum 15. März 2008 bei der Beklagten in der Disposition beschäftigt. Diese betreibt mit rd. 770 Arbeitnehmern ein Unternehmen der Automobilzulieferindustrie und ist nicht tarifgebunden. Der Kläger erhielt zuletzt bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden ein Grundgehalt von 2.184,84 Euro brutto monatlich. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag schlossen die Parteien nicht.

3

Der Kläger leistete regelmäßig Überstunden, vor allem deshalb, weil er auch in der Mittagszeit im Büro anwesend war, um Kundenanrufe entgegenzunehmen. Die Beklagte zahlte Überstundenvergütung erst ab der 21. Überstunde im Monat, dann jedoch mit einem Zuschlag von 25 %.

4

Mit der am 29. August 2008 eingereichten Klage hat der Kläger ua. geltend gemacht, ihm stehe Überstundenvergütung auch für die ersten zwanzig Überstunden im Monat zu. Außerdem sei die vereinbarte Vergütung sittenwidrig, weil sie zwei Drittel des üblichen Tarifentgelts unterschreite. Heranzuziehen sei der Entgeltrahmentarifvertrag für die bayerische Metall- und Elektroindustrie vom 1. November 2005 (im Folgenden: ERA-TV), in dessen Entgeltgruppe 9 er einzugruppieren wäre.

5

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 18.177,65 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, eine - weitere - Überstundenvergütung könne der Kläger nicht beanspruchen. Bei der Einstellung sei verabredet worden, dass in der vereinbarten Vergütung die ersten zwanzig Überstunden im Monat „mit drin“ seien. Lohnwucher liege nicht vor. Bei Anwendung des ERA-TV wäre der Kläger allenfalls in die Entgeltgruppe 6 eingruppiert.

7

Das Arbeitsgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach erneuter Beweisaufnahme und informatorischer Befragung des Klägers dessen Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

9

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung der ersten zwanzig Überstunden im Monat. Diese sind mit der vereinbarten Vergütung abgegolten.

10

1. Das Landesarbeitsgericht hat für den Senat bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO)festgestellt, dass dem Kläger beim Einstellungsgespräch vom Personalleiter gesagt wurde, bei der vereinbarten Vergütung seien die ersten zwanzig Überstunden im Monat „mit drin“. Einen zulässigen Revisionsangriff hat der Kläger dagegen nicht erhoben. Soweit er moniert, das Landesarbeitsgericht habe sich nicht mit den vielen Möglichkeiten auseinandergesetzt, aufgrund derer er die Ausführungen des Zeugen hätte missverstehen können, zeigt er damit keinen revisionsrechtlich erheblichen Verfahrensfehler des Berufungsgerichts auf.

11

2. Die Pauschalabrede zur Vergütung von Überstunden ist wirksamer Bestandteil des mündlichen Arbeitsvertrags geworden. Die Klausel ist nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB und ausreichend transparent, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Einer - weitergehenden - Inhaltskontrolle unterliegt sie nicht, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.

12

a) Nach bindender Feststellung des Landesarbeitsgerichts verabredet die Beklagte im Angestelltenbereich bei allen stets nur mündlich abgeschlossenen Arbeitsverträgen, dass in dem jeweils vereinbarten monatlichen Gehalt die ersten zwanzig Überstunden im Monat „mit drin“ seien. Es handelt sich damit nach der zutreffenden, von den Parteien auch nicht beanstandeten, rechtlichen Wertung des Landesarbeitsgerichts um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Klausel ist von der Beklagten für eine Vielzahl von Arbeitsverträgen vorformuliert, gleichsam im Kopf des Personalleiters gespeichert, und wird den Arbeitnehmern einseitig bei Abschluss des mündlichen Arbeitsvertrags gestellt.

13

Anhaltspunkte dafür, die Klausel sei „ausgehandelt“ iSv. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB, liegen nicht vor. Die Beklagte hat selbst nicht vorgebracht, dem Kläger die Möglichkeit der Einflussnahme auf die streitgegenständliche Klausel eingeräumt zu haben (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 25 f. mwN, AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10; 1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 21 mwN, BAGE 117, 155).

14

Das Fehlen eines schriftlichen Arbeitsvertrags schließt die Annahme Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht aus, § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB. Auch eine mündliche oder durch betriebliche Übung begründete Vertragsbedingung, die der Arbeitgeber für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen verwendet, ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung (BAG 27. August 2008 - 5 AZR 820/07 - Rn. 20, BAGE 127, 319; 5. August 2009 - 10 AZR 483/08 - Rn. 13, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 85 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 10; vgl. auch Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 35 Rn. 9; ErfK/Preis 12. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 22; Däubler/Bonin/Deinert/Deinert 3. Aufl. § 305 Rn. 5a).

15

b) Die Klausel ist nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB und damit Vertragsbestandteil geworden.

16

aa) Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Dies setzt objektiv eine ungewöhnliche Klausel voraus, mit der der Arbeitnehmer subjektiv nicht zu rechnen brauchte (vgl. dazu BAG 19. Februar 2010 - 8 AZR 645/09 - Rn. 54, AP BGB § 307 Nr. 49; Däubler/Bonin/Deinert/Däubler § 305c Rn. 8 ff.; ErfK/Preis §§ 305 - 310 BGB Rn. 29, jeweils mwN).

17

bb) Gemessen an diesen Anforderungen ist eine Klausel, nach der in dem monatlichen (Grund-)Gehalt die ersten zwanzig Überstunden im Monat „mit drin“ sind, nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB.

18

Die Klausel ist nicht ungewöhnlich. Dass Arbeitgeber versuchen, Überstunden pauschal abzugelten, ist im Arbeitsleben weit verbreitet. Das belegen nicht nur zahlreiche Gerichtsentscheidungen (vgl. zB BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - BAGE 135, 250; 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10; 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 -), sondern auch die vielen Vorschläge und Formulierungshilfen im Schrifttum zur Vertragsgestaltung (siehe nur Preis/Preis/Lindemann Der Arbeitsvertrag 4. Aufl. II M 20 Rn. 15 ff.; Wisskirchen/Bissels in Tschöpe AHB-Arbeitsrecht 7. Aufl. Teil 1 D Rn. 151 ff.; Schiefer in Hümmerich/Reufels Gestaltung von Arbeitsverträgen 2. Aufl. § 1 Arbeitsverträge Rn. 3070 ff.; Lingemann in Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht 4. Aufl. S. 115). Dass die Klausel bei den Vertragsverhandlungen bzw. im Einstellungsgespräch von der Beklagten an unerwarteter Stelle, zB ohne jeglichen Zusammenhang mit dem Themenkomplex „Entgelt“ untergebracht worden wäre, hat der Kläger nicht behauptet.

19

Der Kläger hat auch keine Umstände vorgebracht, aus denen sich ergeben könnte, dass er mit einer derartigen Klausel nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte. Allein die von ihm befürchtete Gefahr, wesentliche Vertragsinhalte nur „by the way“ zu erfahren und nicht nachlesen zu können, reicht für einen Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt nicht aus. Anderenfalls wären - worauf das Landesarbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat - mündliche Allgemeine Geschäftsbedingungen stets überraschend und könnten nie Vertragsbestandteil werden. Das widerspräche § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB, der gerade davon ausgeht, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen auch in mündlichen Verträgen enthalten sein können.

20

c) Die streitgegenständliche Klausel ist nicht mangels hinreichender Transparenz unwirksam, § 307 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 1 Satz 2 BGB.

21

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsabschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistungen er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss (vgl. dazu BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 15, BAGE 135, 250; 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 14, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10; 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 15 f.).

22

bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Klausel, in der vereinbarten Vergütung seien die ersten zwanzig Überstunden im Monat „mit drin“, klar und verständlich. Aus der Formulierung „mit drin“ ergibt sich - nicht nur im bayerischen Sprachraum - unmissverständlich, dass mit der Monatsvergütung neben der Normalarbeitszeit bis zu zwanzig Überstunden abgegolten sind. Durch die hinreichend bestimmte Quantifizierung weiß der Arbeitnehmer, „was auf ihn zukommt“: Er muss für die vereinbarte Vergütung ggf. bis zu zwanzig Überstunden monatlich ohne zusätzliche Vergütung leisten.

23

Dass die Klausel sich nicht zu den Voraussetzungen verhält, unter denen der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden soll anordnen dürfen, steht ihrer Transparenz nicht entgegen. Auch dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Anordnungsbefugnis und Vergütung von Überstunden sind unterschiedliche Regelungsgegenstände. Ob Überstunden überhaupt angeordnet werden dürfen, ist für die Frage ihrer Vergütung unerheblich.

24

d) Einer weitergehenden Inhaltskontrolle unterliegt die streitgegenständliche Klausel nicht, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.

25

aa) Nach dieser Vorschrift unterfallen Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nur dann, wenn durch sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Dazu gehören Klauseln, die (nur) den Umfang der von den Parteien geschuldeten Vertragsleistung festlegen, nicht. Im Arbeitsverhältnis sind das vor allem die Arbeitsleistung und das Arbeitsentgelt (BAG 27. August 2008 - 5 AZR 820/07 - Rn. 22, BAGE 127, 319; 14. März 2007 - 5 AZR 630/06 - Rn. 24, BAGE 122, 12; vgl. auch ErfK/Preis §§ 305 - 310 BGB Rn. 34; Däubler/Bonin/Deinert/Däubler § 307 Rn. 263; Schaub/Linck § 35 Rn. 39, jeweils mwN). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, über die §§ 305 ff. BGB den „gerechten Preis“ zu ermitteln (BAG 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 115, 372).

26

bb) Die Klausel, in der vereinbarten Monatsvergütung seien die ersten zwanzig Überstunden monatlich „mit drin“, betrifft nur die (Mit-)Vergütung dieser Überstunden, ohne zugleich die Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers zur Ableistung von Überstunden zu regeln. Sie ist damit eine Hauptleistungsabrede, die nur die Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung betrifft. Die vom Bundesarbeitsgericht bislang offengelassene Frage, ob eine Klausel, die eine Pauschalvergütung von Überstunden mit einer Abrede über die Befugnis des Arbeitgebers zur Anordnung von Überstunden kombiniert, eine kontrollfähige Preisnebenabrede ist (bejahend etwa LAG Hamm 11. Juli 2007 - 6 Sa 410/07 - AE 2007, 312; ErfK/Preis §§ 305 - 310 BGB Rn. 91; Schaub/Linck § 35 Rn. 79; HWK/Gotthard 5. Aufl. Anh. §§ 305 -310 BGB Rn. 41), bedarf weiterhin keiner Entscheidung.

27

II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere monatliche (Grund-) Vergütung in Anlehnung an die Entgeltgruppe 9 ERA-TV. Die Höhe seiner Vergütung ist durch die arbeitsvertragliche Vergütungsvereinbarung bestimmt iSv. § 612 Abs. 2 BGB. Diese ist auch dann nicht sittenwidrig, wenn der Kläger für das Monatsentgelt 193,33 Stunden arbeiten muss.

28

1. Der objektive Tatbestand sowohl des Lohnwuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) als auch des wucherähnlichen Geschäfts (§ 138 Abs. 1 BGB) setzt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Ein solches kann regelmäßig angenommen werden, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in dem betreffenden Wirtschaftszweig üblicherweise gezahlten Tariflohns erreicht. Entspricht der Tariflohn dagegen nicht der verkehrsüblichen Vergütung, sondern liegt diese unterhalb des Tariflohns, ist von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet auszugehen. Welchem Wirtschaftszweig das Unternehmen des Arbeitgebers zuzuordnen ist, richtet sich nach der durch das Unionsrecht vorgegebenen Klassifikation der Wirtschaftszweige (vgl. BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 14 ff., BAGE 130, 338; 18. April 2012 - 5 AZR 630/10 -).

29

2. Unabhängig davon, dass der Kläger keine Tatsachen zur Verkehrsüblichkeit einer Vergütung nach dem ERA-TV im einschlägigen Wirtschaftszweig vorgetragen hat, fehlt es - worauf schon Landesarbeitsgericht wie Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen haben - an hinreichend substantiiertem Sachvortrag des Klägers zu einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 ERA-TV. Nach § 2 Nr. 3 ERA-TV setzt die Eingruppierung die Erfüllung der in der jeweiligen Entgeltgruppe beschriebenen Eingruppierungskriterien voraus. Entgeltgruppe 9 ERA-TV verlangt eine Arbeitsaufgabe, die neben Entscheidungs- und Dispositionsspielraum im Rahmen der Arbeitsaufgabe Kenntnisse und Fertigkeiten erfordert, wie sie in der Regel durch eine einschlägige mindestens dreijährige abgeschlossene Berufsausbildung und eine über die der Entgeltgruppe 8 hinausgehende fachspezifische Zusatzqualifikation erworben werden. Gleichgestellt sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch eine qualifizierte Weiterbildung und darauf bezogene fachspezifische Zusatzqualifikation oder durch ein einschlägiges, abgeschlossenes Studium mit einer bis zu vierjährigen Regelstudiendauer erworben werden. Die Erfüllung dieser Anforderungen hat der Kläger nicht einmal annähernd schlüssig dargelegt. Sein unsubstantiierter Sachvortrag kommt über pauschale (Rechts-)Behauptungen nicht hinaus. Eine einschlägige mindestens dreijährige abgeschlossene Berufsausbildung und eine fachspezifische Zusatzqualifikation verlangen schon die Eingruppierungskriterien der Entgeltgruppe 6 ERA-TV.

30

3. In subjektiver Hinsicht verlangt der Tatbestand des Lohnwuchers eine Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen. Der subjektive Tatbestand des wucherähnlichen Geschäfts erfordert eine verwerfliche Gesinnung des Arbeitgebers (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 26 f. mwN, BAGE 130, 338). Zu beidem hat der Kläger nichts vorgebracht.

31

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    S. Röth-Ehrmann    

        

    Christen    

                 

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

(3) (weggefallen)

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Februar 2011 - 11 Sa 567/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.

2

Der 1981 geborene Kläger nahm von 2002 bis Anfang 2009 Dienste als Rettungssanitäter für die Rettungswache R wahr. Diese Rettungswache wurde bis zum 31. Dezember 2006 durch den DRK-Kreisverband K e. V. betrieben und ab 1. Januar 2007 dem Beklagten zu 1. zugeordnet. Zum 1. April 2008 übertrug der Beklagte zu 1. den Betriebsbereich Rettungsdienst auf die von ihm gegründete Beklagte zu 2. Die Arbeitsverträge des Klägers wurden nicht schriftlich niedergelegt.

3

Die Beklagte zu 2. ist in der Wirtschaftsregion Westpfalz, die dem Rettungsdienstbereich Kaiserslautern iSd. § 4 RettDG Rheinland-Pfalz entspricht, die einzige im Rettungsdienstbereich tätige DRK-Anbieterin. Sie führte 2008 83 % aller rettungsdienstlichen Einsatzfahrten durch.

4

Der Kläger ist seit Mai 2008 Mitglied der Gewerkschaft ver.di mit Tarifbindung ab Juni 2008. Die Beklagten sind Mitglieder der Landestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes in Rheinland-Pfalz, die nach § 1 Abs. 3 ihrer Satzung wiederum Mitglied der Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes ist. Der zwischen der Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossene DRK-Reformtarifvertrag vom 22. Dezember 2006 enthält in Anlage 5 Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte. § 3 der Anlage 5 bestimmt in der auf die Rettungssanitäter anwendbaren VergGr. III in der seit dem 1. Januar 2007 geltenden Fassung ein Stundenentgelt von 8,00 Euro. § 41 DRK-Reformtarifvertrag regelt eine sechsmonatige Ausschlussfrist.

5

Der Kläger und ca. 200 weitere in gleicher Weise eingesetzte Rettungsassistenten bzw. -sanitäter durchweg Mitarbeiter im Nebenerwerb oder Studenten, konnten sich - nach Eintragung der Vollzeitbeschäftigten in den Jahresdienstplan - auf die noch 20 bis 30 % offenen Dienste bei den Wachleitern „bewerben“. Hierzu trugen sie sich im Vormonat im PC der Rettungswache ein oder teilten dem Wachenleiter fernmündlich mit, an welchen Tagen/Nächten des folgenden Monats sie Dienste leisten könnten. Aus den so angegebenen Diensten wählte der Wachenleiter aus und teilte kurz vor Beginn des nächsten Monats mit, ob und wenn ja welche und wie viele Dienste der jeweilige Rettungsassistent bzw. -sanitäter bekommen habe. Darüber hinaus riefen die Beklagten bei (zB krankheitsbedingtem) Ausfall eines Vollzeitbeschäftigten den Kläger oder andere Rettungsassistenten bzw. -sanitäter kurzfristig an und fragten deren Bereitschaft ab, den Dienst zu übernehmen. Zur Übernahme eines solchen Dienstes bestand keine Verpflichtung. Auch eine Stornierung bereits übernommener Dienste durch die einzelnen Rettungsassistenten bzw. -sanitäter war möglich.

6

Bis zum 31. Dezember 2007 zahlte der Beklagte zu 1. an den Kläger 3,20 Euro für Nachtdienststunden und 5,20 Euro für Tagdienststunden, ab dem 1. Januar 2008 ein einheitliches Stundenentgelt von 5,11 Euro. Letzteres zahlte auch die Beklagte zu 2. ab 1. April 2008.

7

Der Kläger und die Beklagte zu 2. führten einen Rechtsstreit, in dem die Anträge des Klägers auf Feststellung eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses sowie auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für die Zeit von Januar bis Juni 2009 rechtskräftig abgewiesen wurden.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das gezahlte Entgelt sei sittenwidrig, weil ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliege und ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehe. Er habe in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden, welches vom DRK-Kreisverband K e. V. auf den Beklagten zu 1. und sodann auf die Beklagte zu 2. übergegangen sei, so dass die Beklagten als Gesamtschuldner auch für die Ansprüche aus 2005 und 2006 hafteten.

9

Die Forderung von Arbeitsentgelt für Januar 2009 hat der Kläger erstmals mit der Klageänderung vom 29. Juni 2010 geltend gemacht.

10

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 8.665,28 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen.

        

Hilfsweise

        

a)    

den Beklagten zu 1. zu verurteilen, an den Kläger 5.301,68 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen und

        

b)    

die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an den Kläger weitere 317,69 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen.

11

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Ansprüche aus 2005 und 2006 müssten sie nicht erfüllen, weil kein mit dem DRK-Kreisverband K e. V. bestehendes Arbeitsverhältnis auf den Beklagten zu 1. übergegangen sei. Die Vergütung sei auch nicht sittenwidrig gewesen.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist - stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

13

I. Die Revision ist gemäß § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO unzulässig, soweit der Kläger mit dem Hauptantrag weiterhin die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner für Ansprüche aus den Jahren 2007 und 2008 begehrt. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten unter II. 2.5. und II. 1. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verneint, weil die Voraussetzungen eines bei Betriebsübergang bestehenden Arbeitsverhältnisses nach § 613a BGB nicht vorlägen. Hiermit setzt sich die Revisionsbegründung nicht auseinander. Die Ausführungen unter II. 1. der Revisionsbegründung betreffen ausdrücklich nur die Ansprüche aus den Jahren 2005 und 2006 und damit einen anderen Streitgegenstand.

14

II. Im Übrigen ist die Revision des Klägers unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage in Höhe der noch streitigen Ansprüche zu Recht abgewiesen.

15

1. Die mit dem Hauptantrag geltend gemachten Ansprüche für 2005 und 2006 bestehen nicht. Die Beklagten haften nicht als Gesamtschuldner für Ansprüche aus den Jahren 2005 und 2006. In diesem Zeitraum bestand weder zum Beklagten zu 1. noch zu der Beklagten zu 2. ein Arbeitsverhältnis. Auch eine Haftung gemäß § 613a Abs. 2 BGB scheidet aus, weil kein Arbeitsverhältnis des Klägers zum DRK-Kreisverband K e. V. infolge eines Betriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Beklagten zu 1. übergegangen ist. Ein Arbeitsverhältnis ist auch nicht vom Beklagten zu 1. auf die Beklagte zu 2. gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangen, so dass auch eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten untereinander ausscheidet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger lediglich im Rahmen auf den konkreten Einsatz bezogener, befristeter Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse beschäftigt war, die zum Zeitpunkt der jeweiligen Betriebsübergänge nicht mehr bestanden.

16

a) Der Kläger und der DRK-Kreisverband K e. V. haben weder ausdrücklich noch konkludent einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen.

17

aa) Notwendige Voraussetzung für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses ist nach § 611 Abs. 1 BGB, dass sich der Arbeitnehmer vertraglich zur Leistung von Diensten verpflichtet(BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - zu B 1 a der Gründe, AP TzBfG § 4 Nr. 2 = EzA TzBfG § 12 Nr. 1). Allerdings muss die Arbeitsleistung nicht schon von vornherein im Einzelnen festgelegt sein. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung kann auch beinhalten, dass der Arbeitgeber die konkrete Verpflichtung zur Arbeitsleistung erst durch eine einseitige, gemäß § 106 Satz 1 GewO zu treffende Weisung auslöst(vgl. BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - aaO). Ebenso kann vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 TzBfG). Demgegenüber ist ein Vertrag, der keine Verpflichtung zur Dienstleistung begründet, kein Dienstvertrag und damit auch kein Arbeitsvertrag (BAG 15. Februar 2012 - 10 AZR 111/11 - Rn. 15, NZA 2012, 733; 12. November 2008 - 7 ABR 73/07 - Rn. 18; 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 - zu I 1 der Gründe, BAGE 106, 79; 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - aaO). Ob ein unbefristeter Arbeitsvertrag oder einzelne, jeweils befristete Arbeitsverträge geschlossen werden, richtet sich allein nach dem Parteiwillen. Dieser kann sich aus den ausdrücklichen Erklärungen der Vertragsparteien, aber auch aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen ergeben, soweit sie Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien zulassen (BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - aaO; 13. Februar 1985 - 7 AZR 345/82 - zu B I 1 der Gründe).

18

bb) Hiernach stand der Kläger nicht in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Er hat keine dauerhaften Dienste zugesagt und sich nicht dauerhaft zur Erbringung von Diensten verpflichtet. Den Beklagten wurde auch nicht das Recht eingeräumt, durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen (BAG 15. Februar 2012 - 10 AZR 111/11 - Rn. 18; 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 - zu I 1 der Gründe, BAGE 106, 79). Die tatsächliche Durchführung der Tätigkeit des Klägers lässt nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ebenfalls nicht darauf schließen, dass dem Arbeitgeber über den einzelnen vereinbarten Einsatz hinaus das Recht eingeräumt werden sollte, einseitig die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen. Die Initiative zur Ableistung eines Dienstes ging - ausgenommen von kurzfristigen Krankheitsvertretungen - regelmäßig vom Kläger aus. Dieser bewarb sich durch die Eintragung im PC der Rettungswache oder durch telefonische Mitteilung um bestimmte Dienste. In der Bereitstellung eines leeren Dienstplanformulars - oder wie hier, der Möglichkeit, sich im PC für einen Dienst einzutragen - ist nichts anderes zu sehen als die Mitteilung, dass der Arbeitgeber grundsätzlich bereit ist, mit den eingetragenen dienstbereiten Personen für den Fall seines konkreten Bedarfs und für den Fall der persönlichen Eignung auf Dauer des Einsatzes begrenzte Arbeitsverträge abzuschließen (vgl. BAG 13. Januar 1993 - 5 AZR 54/92 - zu II der Gründe, ZTR 1993, 248). Der Kläger war auch nicht verpflichtet, sich stets für eine bestimmte Anzahl von Diensten zu bewerben. Die Parteien hatten keinen festen (Mindest-)Umfang der monatlichen oder jährlichen Arbeitszeit vereinbart. Die mittel- und längerfristig erbrachte Arbeitszeit unterlag vielmehr deutlichen Schwankungen.

19

Auch die einzelnen Tage, an denen der Kläger tätig wurde, variierten. Er konnte zudem nicht gegen seinen Willen zu einem Dienst eingeteilt werden. Es bedurfte immer einer einvernehmlichen Einigung. Bezüglich des konkreten Arbeitseinsatzes bestand das Konsensprinzip (BAG 15. Februar 2012 - 10 AZR 111/11 - Rn. 20, NZA 2012, 733). Schließlich war er sogar berechtigt, kurzfristig Dienste, für die er bereits eingeteilt war, wieder zu stornieren. All dies spricht gegen die Annahme, der Kläger habe den Willen erklärt, sich dauerhaft zu einer Arbeitsleistung zu verpflichten.

20

Aus den monatlichen Entgeltabrechnungen und der Anmeldung bei der Bayerischen Versorgungskammer zur Zusatzversorgung lässt sich ebenfalls kein unbefristetes Arbeitsverhältnis schließen. Entsprechende Handhabungen liegen auch bei häufig wiederkehrenden, jeweils kurzzeitig befristeten Arbeitsverhältnissen nahe und sprechen nicht für ein unbefristetes Dauerarbeitsverhältnis (vgl. BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - zu B 1 b der Gründe, AP TzBfG § 4 Nr. 2 = EzA TzBfG § 12 Nr. 1; 30. Oktober 1991 - 7 AZR 653/90 - zu I b der Gründe).

21

b) Die auf den jeweiligen Einsatz bezogenen Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse stellen nach ihrem objektiven Geschäftsinhalt keine unzulässige, zu einem unbefristeten Dauerarbeitsverhältnis führende Vertragsgestaltung dar. Es liegt weder eine Gesetzesumgehung noch der Missbrauch einer an sich zulässigen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit vor. Die Arbeitsvertragsparteien sind nicht gezwungen, statt Einzelarbeitsverträgen ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG zu begründen. § 12 TzBfG verbietet den Abschluss jeweils befristeter Einzelarbeitsverträge nicht. Auch kann der Arbeitnehmer ein Interesse an einer solchen Vertragskonstruktion haben; denn er kann dadurch über seine Zeit frei verfügen und läuft nicht Gefahr, dass seine anderweitigen Dispositionen und Verpflichtungen mit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung kollidieren (grundlegend BAG 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - zu B 3 a der Gründe mwN, AP TzBfG § 4 Nr. 2 = EzA TzBfG § 12 Nr. 1; zuletzt 15. Februar 2012 - 10 AZR 111/11 - Rn. 22 ff. mwN, NZA 2012, 733). Der durch Art. 12 Abs. 1 GG gebotene Bestandsschutz wird nicht in unzulässiger Weise beseitigt oder beschränkt. Es unterliegt der vollen Überprüfung durch die Arbeitsgerichte, ob eine Verpflichtung zur Erbringung von Arbeitsleistung und damit ein Arbeitsverhältnis begründet wird. Auch wenn dies nicht der Fall ist, unterliegen die zwischen den Parteien geschlossenen Einzelvereinbarungen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle (vgl. BAG 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 - zu I 2 der Gründe, BAGE 106, 79). Nach dem TzBfG kommt es nicht darauf an, ob die Wartezeit des § 1 KSchG erfüllt ist(BAG 6. November 2003 - 2 AZR 690/02 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 108, 269).

22

c) Der Senat kann eine abschließende Sachentscheidung treffen. Es besteht keine Verpflichtung, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) zu richten ( Art. 267 AEUV ). Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob auch in Zeiten zwischen dem Ablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses und der Neubegründung eines weiteren befristeten Arbeitsverhältnisses von einem bestehenden Arbeitsverhältnis iSd. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/23/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen auszugehen ist, wenn in diesem Zeitraum ein Betriebsübergang stattfindet, ist unzweifelhaft aus dem Wortlaut der Richtlinie heraus zu beantworten und zudem vom EuGH geklärt(vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - C-283/81 - [C.I.L.F.I.T. ua.] Slg. 1982, 3415; BVerfG 30. August 2010 - 1 BvR 1631/08  - Rn. 56, NJW 2011, 288 ; 4. Oktober 2011 - 1 BvL 3/08 - Rn. 51, NJW 2012, 45).

23

aa) Die Betriebsübergangsrichtlinie basiert auf einem einzelstaatlichen Arbeitnehmerbegriff, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a, b der Richtlinie 2001/23/EG. Der EuGH entschied bereits zur Vorgängerrichtlinie 77/187/EWG in der Rechtssache Danmols Inventar (11. Juli 1985 - C-105/84 - Slg. 1985, 2639), dass eine gemeinschaftsrechtliche Definition des Arbeitnehmerbegriffs nicht erforderlich sei. Art. 2 der Richtlinie 2001/23/EG schrieb diese Rechtsprechung fest. Arbeitnehmer ist hiernach zunächst jede Person, die in dem betreffenden Mitgliedstaat aufgrund des einzelstaatlichen Arbeitsrechts geschützt ist. Nach Art. 2. Abs. 2 der Richtlinie 2001/23/EG lässt diese das einzelstaatliche Recht in Bezug auf die Begriffsbestimmung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses unberührt. Die Mitgliedstaaten können vom Anwendungsbereich der Richtlinie lediglich Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse nicht allein deshalb ausschließen, weil entweder a) nur eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden geleistet wird oder zu leisten ist oder b) es sich um Arbeitsverhältnisse aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags iSv. Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 91/383/EWG des Rates vom 25. Juni 1991 zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis handelt oder aber c) es sich um Leiharbeitsverhältnisse iSv. Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 91/383/EWG und bei dem übertragenen Unternehmen oder dem übertragenen Betrieb oder Unternehmens- bzw. Betriebsteil als Verleihunternehmen oder Teil eines Verleihunternehmens um den Arbeitgeber handelt.

24

bb) Damit folgt bereits unmittelbar aus dem Wortlaut der geänderten Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG, dass nur die Arbeitnehmer geschützt werden, bei denen zum Zeitpunkt des Übergangs ein Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsverhältnis besteht, und dass die Frage, ob zu diesem Zeitpunkt ein Vertrag oder ein Arbeitsverhältnis bestehe oder nicht, nach dem innerstaatlichen Recht zu beurteilen ist (EuGH 15. September 2010 - C-386/09 - [Briot] AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 6 unter Bezugnahme auf 15. Juni 1988 - C-101/87 - [Bork International ua.] Slg. 1988, 3057; vgl. auch Ziegler Arbeitnehmerbegriffe im Europäischen Arbeitsrecht S. 213 ff.; Wank EuZA 2008, 184, 193; Lunk/Rodenbusch GmbHR 2012, 188, 190 f.).

25

cc) Die Parteien haben gerade kein unbefristetes Abrufarbeitsverhältnis iSd. § 12 TzBfG abgeschlossen. Die jeweils auf den einzelnen Dienst bezogenen Befristungen standen zudem in keinem Zusammenhang mit den Betriebsübergängen. Die Konstruktion der befristeten Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse wurden vom DRK-Kreisverband K e. V. und dem Kläger schon Jahre vor dem Betriebsübergang praktiziert. Die letzte Befristung endete auch nicht zeitgleich mit dem Betriebsübergang am 31. Dezember 2006, sondern mit Ablauf des Tages, an dem der Kläger im Jahre 2006 seinen letzten Dienst für den DRK-Kreisverband K e. V. verrichtete. Fehlt es aber schon an einem Zusammenhang der Befristung mit dem Betriebsübergang, wurden durch die Vertragswahl der Befristung auch keine zwingenden Vorschriften der Richtlinie 2001/23/EG über den Schutz der Arbeitnehmer gegen eine wegen des Übergangs erfolgten Kündigung missachtet.

26

dd) Die vom Kläger angezogene Entscheidung des EuGH vom 20. September 2007 (- C-116/06 - [Kiiski] Slg. 2007, I-7643) betrifft nicht die Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs iSd. Richtlinie 2001/23/EG, sondern den Begriff der „schwangeren Arbeitnehmerin“ iSd. Art. 2 der Richtlinie 92/85/EWG und den der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen. Dort gilt aber ein anderer Arbeitnehmerbegriff (vgl. EuGH 19. März 2002 - C-476/99 - [Lommers] Slg. 2002, I-2891; 7. Dezember 2000 - C-79/99 - [Schnorbus] Slg. 2000, I-10997). Die in der Entscheidung des EuGH vom 20. September 2007 (- C-116/06 - [Kiiski] aaO) zitierten weiteren Urteile des EuGH betrafen durchweg den Arbeitnehmerbegriff iSd. Art. 48 EWG-Vertrag bzw. iSd. Art. 39 EGV (Freizügigkeit der Arbeitnehmer). Auch dort gilt aber ein eigenständiger Arbeitnehmerbegriff (vgl. EuGH 23. März 1982 - C-53/81 - [Levin] Slg. 1982, 1035).

27

ee) Die Überprüfung einer missbräuchlichen Verwendung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge aufgrund anderer Bestimmungen des Unionsrechts, insbesondere der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, kommt nicht in Betracht (zu dieser Anforderung EuGH 15. September 2010 - C-386/09 - [Briot] Rn. 36, AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 6). Zwar waren die einzelnen Befristungen der Arbeitsverträge schon mangels Einhaltung der Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam. Sie gelten jedoch gemäß § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 KSchG als wirksam, weil der Kläger keine Befristungskontrollklagen erhob(§ 17 Satz 1 TzBfG).

28

2. Der Kläger hat keine Ansprüche auf Differenzvergütung gegen den Beklagten zu 1. für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März 2008 und gegen die Beklagte zu 2. für die Zeit vom 1. April bis zum 31. Mai 2008.

29

a) Die zwischen den Parteien getroffenen Entgeltvereinbarungen waren nicht wegen Lohnwuchers unwirksam. Nach § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilsvermögen eines anderen für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Tatbestand des Lohnwuchers nicht erfüllt sei, weil der Kläger nicht dargelegt habe, dass die Beklagten eine Zwangslage oder seine Unerfahrenheit ausgebeutet hätten. Gegen diese Würdigung werden von der Revision keine Einwände erhoben.

30

b) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen eines wucherähnlichen Geschäfts iSd. § 138 Abs. 1 BGB verneint. Ein wucherähnliches Geschäft liegt vor, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände wie zB eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten hinzutreten (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 9, BAGE 130, 338; 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - BAGE 118, 66; BGH 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99 - zu 4 b der Gründe, NJW 2002, 55, jeweils mwN).

31

aa) Im Streitfall standen Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis. Damit ist der objektive Tatbestand des wucherähnlichen Geschäfts erfüllt.

32

(1) Das auffällige Missverhältnis bestimmt sich nach dem objektiven Wert der Leistung des Arbeitnehmers. Ausgangspunkt der Wertbestimmung sind hierbei in der Regel die Tarifentgelte des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Sie drücken den objektiven Wert der Arbeitsleistung aus, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise gezahlt werden (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 14, BAGE 130, 338; 18. April 2012 - 5 AZR 630/10 -). Von der Üblichkeit der Tarifvergütung kann ohne weiteres ausgegangen werden, wenn mehr als 50 % der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 % der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen (vgl. BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 24, aaO; LAG Mecklenburg-Vorpommern 2. November 2010 - 5 Sa 91/10 - Rn. 55).

33

(2) Die vom Kläger angezogene tarifliche Vergütung ist die im Wirtschaftsgebiet übliche. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten ist die tarifgebundene Beklagte zu 2. Marktführerin mit 83 % aller rettungsdienstlichen Einsätze der Region. Zugunsten des Klägers ist mit dem Landesarbeitsgericht deshalb davon auszugehen, dass sie als tarifgebundene Arbeitgeberin des Wirtschaftsgebiets mehr als 50 % der (vergleichbaren) Arbeitnehmer beschäftigte.

34

(3) Das Missverhältnis der Vergütung des Klägers zu der tariflichen Vergütung war in den Jahren 2007 und 2008 auffällig, denn diese lag unterhalb der maßgeblichen Grenze von zwei Dritteln des Tarifentgelts (vgl. BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 17, BAGE 130, 338 und BGH 22. April 1997 - 1 StR 701/96 - BGHSt 43, 53).

35

bb) Die Beklagten handelten, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, nicht in verwerflicher Gesinnung. Damit fehlt der subjektive Tatbestand des wucherähnlichen Geschäfts.

36

(1) Kann ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung festgestellt werden, weil der Wert der Leistung (mindestens) doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, gestattet dies den tatsächlichen Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten (vgl. BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 27, BAGE 130, 338 unter Hinweis auf BGH 13. Juni 2001 - XII ZR 49/99 - zu 4 b der Gründe, NJW 2002, 55; BGH 8. März 2012 - IX ZR 51/11 - Rn. 13 mwN, NJW 2012, 2099; 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08 - Rn. 12, NJW 2010, 363). Dann bedarf es zwar noch der Behauptung der verwerflichen Gesinnung (BGH 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08 - Rn. 11, aaO), doch sind an diesen Vortrag keine hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, dass die benachteiligte Vertragspartei sich auf die tatsächliche Vermutung einer verwerfliche Gesinnung der anderen Vertragspartei beruft ( BGH 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08 - Rn. 19, aaO; 8. März 2012 - IX ZR 51/11 - Rn. 19, aaO).

37

(2) Die mit einem besonders groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung begründete tatsächliche Vermutung der verwerflichen Gesinnung des begünstigten Vertragsteils kann im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert werden. Insoweit trägt die begünstigte Vertragspartei die Darlegungs- und Beweislast (BGH 10. Februar 2012 - V ZR 51/11 - Rn. 10 mwN, NJW 2012, 1570; 29. Juni 2007 -  V ZR 1/06  - NJW 2007, 2841 ).

38

(3) Liegt ein besonders grobes Missverhältniss von Leistung und Gegenleistung nicht vor, bedarf es zusätzlicher Umstände, aus denen geschlossen werden kann, der Arbeitgeber habe die Not oder einen anderen den Arbeitnehmer hemmenden Umstand in verwerflicher Weise zu seinem Vorteil ausgenutzt. Dafür ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig.

39

cc) Im Streitfall ist eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten nicht festzustellen. Der Kläger hat diese nicht im Einzelnen dargelegt, sondern lediglich pauschal auf ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung hingewiesen. Zugunsten des Klägers streitet, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch keine tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung aufgrund eines besonders groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, denn der Wert der von ihm erbrachten Arbeitsleistung war nicht (mindestens) doppelt so hoch ist wie die gezahlte Vergütung.

40

Die unstreitigen Gesamtumstände belegen nicht, dass die Beklagten als überlegene Vertragsparteien eine schwächere Lage des Klägers bewusst zu ihrem Vorteil ausgenutzt oder sich leichtfertig der Einsicht verschlossen haben, der Kläger lasse sich nur wegen seiner schwächeren Lage oder unter dem Zwang der Verhältnisse auf die ungünstigen Bedingungen ein. Das Gegenteil ist der Fall. Der zu Beginn des Klagezeitraums immerhin 23-jährige Kläger akzeptierte, wie 200 andere in gleicher Weise eingesetzten und häufig ehrenamtlich tätigen Rettungsassistenten bzw. -sanitäter, durchweg Mitarbeiter im Nebenerwerb oder Studenten, die Vertragsbedingungen bei jedem Einsatz immer wieder neu. Die Bedingungen waren bekannt. Dass der Kläger sie jeweils unter einem irgend gearteten Druck und aus einer Notsituation heraus annahm, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Zudem ist im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB zu beachten, dass die Beklagten als Untergliederungen des Deutschen Roten Kreuzes ausschließlich gemeinnützige und mildtätige Zwecke iSd. §§ 51 ff. AO verfolgen. Zu einer Gewinnerzielung sind sie nicht berechtigt.

41

3. Der Kläger kann von der Beklagten zu 2. keine Vergütung für Januar 2009 beanspruchen.

42

a) Es kann offenbleiben, ob die Ansprüche bereits im Vorprozess rechtskräftig abgewiesen wurden. Die Ansprüche sind jedenfalls nach § 41 des DRK-Reformtarifvertrags verfallen. Der Kläger hat die auf § 611 BGB gestützten, mit tatsächlicher Arbeitsleistung begründeten Ansprüche erstmals mit Schriftsatz vom 29. Juni 2010 beziffert geltend gemacht. Das Schreiben vom 23. Mai 2008 wahrte die Ausschlussfrist nicht, weil zu diesem Zeitpunkt ein Vergütungsanspruch des Klägers für den Monat Januar 2009 überhaupt noch nicht entstanden war (vgl. BAG 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 3 a der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168; 20. Juli 1989 - 6 AZR 774/87 - zu III 3 a der Gründe, ZTR 1990, 155).

43

b) Das Berufen auf die Ausschlussfrist ist nicht treuwidrig iSd. § 242 BGB. Dies käme nur in Betracht, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit durch ein positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen der Gegenpartei veranlasst worden ist (BAG 13. Oktober 2010 - 5 AZR 648/09 - Rn. 19 f., AP BGB § 814 Nr. 2 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 199; 15. Juli 2009 - 5 AZR 867/08 - Rn. 30, BAGE 131, 215; 18. November 2004 - 6 AZR 651/03 - zu 6 a der Gründe, BAGE 112, 351; 5. Juni 2003 - 6 AZR 249/02 - zu II 2 c aa der Gründe mwN, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 167). Die Beklagte zu 2. hat den Kläger von einer Geltendmachung der Ansprüche nicht abgehalten. Als die Vergütung für den Monat Januar 2009 fällig wurde, hatte der gewerkschaftlich vertretene Kläger bereits die Vergütung für Juni bis Dezember 2008 eingeklagt. Dass er die Vergütung für im Januar 2009 geleistete Dienste nicht geltend gemacht hat, lag nicht an einem treuwidrigen Verhalten der Beklagten zu 2., sondern daran, dass er während der gesamten Dauer des Vorprozesses lediglich Annahmeverzugsansprüche für Januar 2009 mit der Begründung forderte, er sei 2009 nicht mehr zum Dienst eingeteilt worden.

44

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    S. Röth-Ehrmann    

        

    A. Christen    

                 

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Das klagende Jobcenter A-Stadt verlangt von der beklagten Arbeitgeberin die Zahlung weiterer Vergütung aus übergegangenem Recht. Die Nachforderung der Vergütung begründet das Jobcenter mit der sittenwidrig niedrigen Vergütung, die die Beklagte an ihre Arbeitnehmerin, die gleichzeitig Leistungen vom Jobcenter erhalten hat, gezahlt hat.

2

Die Beklagte betreibt einen Schönheitssalon mit kosmetischen und fußpflegerischen Dienstleistungen, in dem sie zehn Arbeitnehmerinnen – überwiegend geringfügig - beschäftigt.

3

Zum 3. November 2003 hat die Beklagte die 1952 geborene Frau S. eingestellt. Dieses Arbeitsverhältnis endete zunächst zum Jahresende 2004, wurde von den Arbeitsvertragsparteien jedoch im Mai 2005 wieder aufgegriffen und fortgesetzt. In dem bis zum Schluss der Zusammenarbeit maßgeblichen Arbeitsvertrag vom 1. Dezember 2005 (Anlage K 1 zur Klageschrift, hier Blatt 11) vereinbarten die Arbeitsvertragsparteien einen Monatslohn in Höhe von 100,00 Euro bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 14,9 Stunden für eine Beschäftigung als Servicekraft. Zudem hat die Beklagte monatlich einen Arbeitgebersozialversicherungsanteil von 28,00 Euro abgeführt. Frau S. war im Wesentlichen mit dem Telefondienst, der Terminvergabe, dem Abkassieren von Kunden, dem Kaffeekochen und mit Reinigungsarbeiten betraut.

4

In den von der Klägerin vorgegebenen Nebenverdienstbescheinigungen hat die Beklagte für den Streitzeitraum (Juni 2009 bis Juni 2010) monatlich durch ihre Unterschrift die Arbeitszeiten der Frau S. und deren Einkommen bestätigt.

5

Danach hat Frau S. im Juni 2009 tatsächlich 64,5 Stunden gearbeitet; Montag, der 1. Juni 2009 war ein Feiertag (Pfingstmontag) und an vier weiteren Arbeitstagen hat die Klägerin wegen Arbeitsunfähigkeit nicht gearbeitet. Im Juli 2009 hat Frau S. 90 Stunden gearbeitet, im August waren es 68 Stunden. Im September 2009 hat sie 15 Tage Urlaub erhalten und deshalb nur 28 Stunden gearbeitet. Im Oktober 2009 hat sie 68 Stunden gearbeitet, im November dann 64 Stunden und im Dezember 2009 wieder 68 Stunden.

6

Im Jahre 2010 hat Frau S. im Januar 60 Stunden gearbeitet, im Februar 61,5 Stunden, im März 54,5 Stunden und im April 2010 bei zwei Feiertagen 46 Stunden. Im Mai 2010 (mit einem Feiertag) hat sie noch 47,5 Stunden gearbeitet und im Juni 2010 hat sie zehn Tage Urlaub gehabt und zusätzlich noch 27 Stunden gearbeitet. Gezahlt wurde die Vergütung jeweils nachschüssig zu Beginn des Folgemonats.

7

Die Klägerin gewährte Frau S. in diesem Zeitraum durchgängig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für Frau S. selbst und für die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft:

8

Monat 

Betrag in Euro

06/09 

874,00

07/09 

1.080,18

08/09 

1.080,18

09/09 

1.059,56

10/09 

1.080,18

11/09 

1.064,28

12/09 

1.079,36

01/10 

1.079,36

02/10 

1.079,36

03/10 

1.079,36

04/10 

1.079,36

05/10 

1.063,28

06/10 

1.099,46

9

Mit den Schreiben vom 9. September 2010 und vom 3. November 2010 machte die Klägerin aus übergegangenem Recht weitere Lohnansprüche gegenüber der Beklagten geltend und forderte sie erfolglos zur Zahlung bis spätestens 31. Dezember 2010 auf. Außergerichtlich hatte die Klägerin ursprünglich die Zahlung von etwas über 4.800,00 Euro verlangt.

10

Mit der Klage, die beim Arbeitsgericht im Februar 2011 eingegangen ist, hat die Klägerin noch die Zahlung von 2.837,33 Euro aus übergegangenem Recht im Streitzeitraum wegen der Beschäftigung von Frau S. bei sittenwidrig niedriger Vergütung begehrt.

11

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit dem Urteil vom 17. Mai 2011 in der Hauptsache zur Zahlung von 2.143,98 Euro brutto verurteilt und im Übrigen die Klage in der Hauptsache abgewiesen. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat den Wert der Arbeitsleistung von Frau S. nach einem Vergleich mit Stundenlöhnen, die im Friseurhandwerk gezahlt werden, auf 5,50 Euro brutto je Stunde geschätzt und ist daher davon ausgegangen, dass der tatsächlich gezahlte Lohn von durchschnittlich 1,98 Euro brutto als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Absatz 1 BGB auch ohne Darlegung einer Zwangslage im Sinne von § 138 Absatz 2 BGB als sittenwidrig niedrig anzusehen sei.

12

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese auch rechtzeitig begründet. Sie verfolgt mit der Berufung nach wie vor das Ziel der vollständigen Abweisung der Klage weiter.

13

Die Beklagte meint, die Vergütung im Arbeitsverhältnis zu Frau S. sei nicht sittenwidrig niedrig gewesen.

14

Zutreffend sei das Arbeitsgericht zwar davon ausgegangen, dass man zur Bewertung des Werts der Tätigkeit von Frau S. nicht auf das Entgeltniveau im Einzelhandel abstellen dürfe. Es sei aber falsch, wenn das Arbeitsgericht für die Bestimmung des Wertes auf die Einkommensverhältnisse im Friseurhandwerk abstelle. Denn schon die vom Arbeitsgericht herangezogenen Daten aus der Verdienststrukturerhebung 2006 des statistischen Landesamtes über die Einkommensverhältnisse im Friseurhandwerk in Mecklenburg-Vorpommern seien nicht belastbar. Sie würden für ein kleines Geschäft, wie es die Beklagte betreibt, schon gar nicht zutreffen.

15

Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass Frau S. aufgrund ihres körperlichen Defizits und ihrer beruflichen Vita ohnehin nicht als vollwertige Arbeitskraft am Arbeitsmarkt gezählt werden könne. Letztlich sei auch zu berücksichtigen, dass Frau S. und ihr Ehemann aus der Zusammenarbeit neben dem Verdienst auch viele andere Vorteile in Form von kostenfreien Behandlungen und ähnlichen Sachleistungen bezogen hätten. Das Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien sei über eine rein geschäftliche Beziehung hinausgegangen, die Beklagte habe Frau S. im Rahmen des Arbeitsverhältnisses auch gefördert, wo es nur ging, es wäre angedacht gewesen, dass sich Frau S. nach einer Zeit bei der Beklagten vielleicht sogar selbstständig machen könne. Daher habe man auch viele Zeiten, die Frau S. im Betrieb verbracht habe, gegenüber der Klägerin als Arbeitszeit deklariert, was man sicherlich nicht getan hätte, wenn die Arbeitszeit die Grundlage für die Vergütung von Frau S. dargestellt hätte.

16

Die Beklagte beantragt,

17

die Klage unter teilweiser Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils insgesamt abzuweisen.

18

Die Klägerin beantragt,

19

die Berufung zurückzuweisen.

20

Die Klägerin verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil mit Rechtsargumenten.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit zutreffenden Argumenten, die sich das Berufungsgericht ausdrücklich zu Eigen macht, zur Zahlung verurteilt. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts sind lediglich um die folgenden Anmerkungen zu ergänzen.

23

Die Klägerin hat nach § 611 Absatz 1, § 612 BGB in Verbindung mit § 115 Absatz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung weiteren Arbeitsentgelts für die Monate Juni 2009 bis Juni 2010, der mindestens in Höhe des ausgeurteilten Betrages von 2.143,98 Euro besteht.

1.

24

Die Vergütungsvereinbarung der Beklagten mit Frau S. ist unwirksam, weil sie sittenwidrig niedrig ist. Es liegt ein Fall des wucherähnlichen Geschäfts im Sinne von § 138 Absatz 1 BGB vor.

a)

25

Nach § 138 Absatz 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen (Wucher – § 138 Absatz 2 BGB). Der privatautonomen Rechtsgestaltung sind dort Grenzen gesetzt, wo sie nicht mehr mit den in der Rechtsordnung angelegten Wertmaßstäben vereinbar ist und sich deshalb als Missbrauch wirtschaftlicher Macht darstellt (Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl. 2011, § 138, Rn. 3). Liegen die besonderen Voraussetzungen des § 138 Absatz 2 BGB insbesondere die dort geforderte Ausnutzung einer Zwangslage nicht vor, so kann das Rechtsgeschäft gleichwohl als wucherähnliches Rechtsgeschäft auch nach § 138 Absatz 1 BGB sittenwidrig sein.

26

Ein wucherähnliches Geschäft im Sinne von § 138 Absatz 1 BGB liegt vor, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände, z. B. eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten, hinzutreten. Ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spricht im Regelfall ohne weiteres für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten (BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - NZA 2009, 837).

27

Ob ein auffälliges oder gar ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt, richtet sich nach dem jeweiligen objektiven Wert der erbrachten Arbeitsleistung im Vergleich mit der dafür erhaltenen Vergütung (BAG 22. April 2009 aaO). Auffällig ist ein Missverhältnis, wenn das Ungleichgewicht ins Auge springt und nicht mehr hinnehmbar ist (BAG 22. April 2009 aaO). Das trifft auf Löhne zu, die die übliche Vergütung dieser Arbeitsleistung in der Branche und an dem jeweiligen Ort um mehr als 1/3 unterschreiten. Von einem besonders auffälligen und krassen Missverhältnis im Sinne des wucherähnlichen Geschäftes nach § 138 Absatz 1 BGB ist auszugehen, wenn die gezahlte Vergütung nicht einmal 50 Prozent des Wertes der Arbeitsleistung erreicht (LAG Mecklenburg-Vorpommern 2. November 2010 - 5 Sa 91/10 - ArbRB 2011, 111; LAG Rheinland-Pfalz 17. Februar 2011 -11 Sa 568/10 -).

b)

28

Legt man diesen Maßstab an, liegt ein Fall des wucherähnlichen Geschäfts vor, da die tatsächliche Vergütung für Frau S. weniger als die Hälfte des Wertes der Arbeitsleistung der Mitarbeiterin betragen hat.

29

Die Beklagte hat ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 1. Dezember 2005 mit Frau S. eine monatliche Vergütung in Höhe von 100,00 Euro bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 14,9 Stunden vereinbart. Daraus ergibt sich ein durchschnittlicher Stundenlohn von 1,55 Euro (100,00 Euro monatlich bei 64,52 Stunden monatlich) bzw. im Falle der Hinzurechnung des von der Beklagten entrichteten Sozialversicherungsbeitrags in Höhe von 28,00 Euro monatlich ein Stundenlohn von 1,98 Euro brutto. Der Arbeitsvertrag ist auch tatsächlich in diesem Umfang durchgeführt worden. Stellt man allein auf die tatsächlich geleisteten Stunden ab und auf die gewährten 25 Urlaubstage, hat Frau S. im Streitzeitraum für die Beklagte 822 Arbeitsstunden geleistet, was einem monatlichen Umfang von etwa 63,2 Arbeitsstunden entspricht. Würde man noch die Ausfalltage wegen Feiertagen und die Ausfalltage wegen Arbeitsunfähigkeit dem Gesetz entsprechend in die Betrachtung einbeziehen, würde man auf eine durchschnittliche Auslastung der Frau S. mit ungefähr 64,9 Stunden monatlich kommen.

c)

30

Auch die Bestimmung des Wertes der Arbeitsleistung der Frau S. mit 5,50 Euro brutto pro Stunde durch das Arbeitsgericht begegnet keinen Bedenken.

31

In Ermangelung von Anhaltspunkten über die Einkommen in der Branche der Schönheitssalons müssen die Gerichte versuchen, unter Verwertung indirekter Erkenntnisquellen den Wert der Arbeitsleistung in dieser Branche abzuschätzen. Unter diesem Blickwinkel drängt sich ein Vergleich mit den Einkommen im Friseurhandwerk geradezu auf, da die erbrachten Dienstleistungen durchaus gewisse Ähnlichkeiten besitzen und sie auch vergleichbaren Marktgesetzen unterliegen. Soweit es wie hier um Anlern- oder Hilfstätigkeiten geht, rekrutieren die beteiligten Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer auch aus demselben Arbeitsmarktsegment. Zutreffend hat das Arbeitsgericht ergänzend berücksichtigt, dass nach der Verdienststrukturerhebung 2006 des statistischen Landesamtes die Einkommen im Friseurhandwerk am aller untersten Ende der Einkommensskala liegen und sie nur noch von dem Einkommen der Floristen unterboten werden. Insoweit gibt es ohnehin kaum einen Spielraum, für eine ganze Branche von noch niedrigeren Einkommen auszugehen.

32

Der Vergleich mit den Einkommensverhältnissen im Friseurhandwerk gewinnt nach Überzeugung des Berufungsgerichts noch durch einen weiteren Gesichtspunkt an Aussagekraft. Denn es ist bekannt, dass die schlechten Einkommen im Friseurhandwerk teilweise durch die von den Kunden erhaltenen Trinkgelder ausgeglichen werden. Davon kann für die Tätigkeit der Frau S. und die Branche der Beklagten nicht ausgegangen werden. Damit fehlen auf dem Arbeitsmarkt die Spielräume, die Löhne in der Branche der Beklagten durch die Einbeziehung des Trinkgeldes weiter zu kürzen.

33

Die im Rahmen der Verdienststrukturerhebung gewonnen Daten können der gerichtlichen Ermittlung von Vergleichsentgelten zu Grunde gelegt werden. Die von den statistischen Ämtern der Bundesländer regelmäßig erstellte Verdienststrukturerhebung nach dem Gesetz über die Statistik der Verdienste und Arbeitskosten (Verdienststatistikgesetz) vom 21. Dezember 2006 ist eine geeignete Erkenntnisquelle für die Ermittlung von Durchschnittseinkommen in den dort berücksichtigten Branchen (so schon mit ausführlicher Begründung LAG Mecklenburg-Vorpommern 2. November 2010 - 5 Sa 91/10 ArbRB 2011, 111).

34

Eventuelle Schätzungenauigkeiten hat das Arbeitsgericht dadurch ausreichend berücksichtigt, dass es einen Schätzabschlag von fast 10 Prozent auf den statistisch ermittelten Wert der Arbeitsleistung vorgenommen hat.

35

Gegen die Verwendung der Daten aus der Verdienststrukturerhebung 2006 für das hiesige Bundesland hat die Beklagte auch keine erheblichen Einwendungen vorgebracht. Ihr Vergleich mit ähnlichen statistischen Erhebungen für das Bundesland Sachsen hat im Ergebnis nicht zu anderen Ergebnissen geführt und damit sogar indirekt die Aussagekraft der vom Arbeitsgericht herangezogenen Statistik erhöht, weil damit schon für zwei durchaus vergleichbare Bundesländer ähnliche Ergebnisse ermittelt wurden.

36

Eine weitere Personalisierung des Wertes der Arbeitsleistung von Frau S. unter Berücksichtigung ihrer speziellen Arbeitsmarktschwächen kommt aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Es ist bereits nicht ersichtlich, in welcher Weise der humpelnde Gang der Frau S. als wertbildender Faktor auf dem Arbeitsmarkt eine Rolle für die Tätigkeit von Frau S. im Betrieb der Beklagten spielen könnte. Im Übrigen wäre es auch nicht statthaft, dieses Handicap der Frau S. bei der Lohnfindung zu berücksichtigen, was sich unmittelbar aus § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ergibt. Auch wenn es zutreffend sein sollte, dass Frau S. aus weiteren - hier nicht weiter aufgeklärten - Gründen, auf dem Arbeitsmarkt nur schwer zu vermitteln sein sollte, könnte sich daraus kein Grund ergeben, den Wert der von ihr erbrachten Arbeitsleistung anders einzuschätzen. Denn insoweit ist auf die Kalkulation der Beklagten abzustellen. Wenn sie ihren Betrieb so organisiert, dass sie einen Arbeitnehmer mit dem Anforderungsprofil der Frau S. beschäftigen kann, muss sie auch bereit sein, den dafür marktüblichen Lohn zu zahlen.

d)

37

Der mit Frau S. vereinbarte Stundenlohn in Höhe von 1,98 Euro brutto (unter Berücksichtigung des von der Beklagten abgeführten Sozialversicherungsbeitrags) unterschreitet die Hälfte des Werts der Arbeitsleistung von Frau S. so deutlich, dass das Arbeitsgericht zutreffend von einem besonders auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ausgegangen ist, das ohne Weiteres den Rückschluss auf eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten bei der Vereinbarung und Durchführung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 138 Absatz 1 BGB zulässt.

38

Geldwerte Sachleistungen können – wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat – nicht ergänzend als Einkommen berücksichtigt werden, denn sie waren weder vereinbart, noch wurden sie von der Beklagten in den monatlichen Erklärungen gegenüber der Klägerin angegeben, obwohl das Formular einen entsprechenden Eintrag ermöglicht hätte.

2.

39

Das Arbeitsgericht hat auch die Höhe der klägerischen Forderung richtig berechnet, wenngleich die textliche Darstellung der dafür erforderlichen Gedankengänge offensichtlich etwas zu kurz geraten ist.

40

Maßgeblich ist insoweit der Vergleich der Leistungen, die die Klägerin an Frau S. und ihre Bedarfsgemeinschaft hätte erbringen müssen, für den Fall, dass diese bei der Beklagen eine marktübliche Vergütung erzielt hätte mit den tatsächlich wegen der sittenwidrig niedrigen Vergütung erbrachten höheren Leistungen. Im Einzelnen ergibt sich unter Verwertung der Zahlenangaben aus der Anlage K9 (Blatt 63) Folgendes. Bei einer Vergütung in den dreizehn Monaten des Streitzeitraums mit 5,50 Euro pro Stunde hätte die Beklagte insgesamt eine Lohnforderung in Höhe von 4.108,50 Euro zu zahlen gehabt, die bisher nur durch die Zahlung von 1.300,00 Euro an Frau S. teilweise erfüllt ist. Die weitere Forderung steht der Klägerin allerdings nicht vollständig zu, da berücksichtigt werden muss, dass Frau S. einen Teil des Geldes nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II im Falle der Zahlung für sich hätte behalten dürfen, nämlich 20 Prozent des 100,00 Euro übersteigenden Betrages. Eine Umrechnung des Bruttobetrages in einen Nettobetrag ist insoweit nicht erforderlich, da es sich auch bei marktüblicher Vergütung noch um einen sozialversicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis gehandelt hätte. Dieser Freibetrag summiert sich aus den 13 Monaten auf insgesamt 561,90 Euro auf. Die Gesamtforderung der Klägerin berechnet sich also auf 4.108,50 Euro abzüglich gezahlter 1.300,00 Euro abzüglich weiterer 561,90 Euro, die Frau S. zustehen und nicht auf die Klägerin übergegangen sind, was einen Betrag in Höhe von 2.246,80 Euro ergibt. Damit ist die leicht darunter liegende durch das Arbeitsgericht ausgeurteilte Forderung auf jeden Fall begründet. Die von der Beklagten abgeführten Sozialversicherungsbeträge für Frau S. können nicht anspruchsmindernd berücksichtigt werden, weil sie auch angefallen wären, wenn diese Frau S. verkehrsüblich entlohnt hätte.

41

Der Anspruchsübergang von Frau S. auf die Klägerin nach § 115 SGB X bewegt sich für die einzelnen Monate auf Beträge um die 200,00 Euro. Damit steht auch fest, dass der Anspruchsübergang allenfalls ausreicht, dabei zu helfen, den Bedarf der Frau S. persönlich abzudecken. Es kann daher auch im vorliegenden Rechtsstreit dahinstehen, ob der Anspruchsübergang auch Leistungen erfasst, die die Klägerin an die gesamte Bedarfsgemeinschaft erbringt.

42

Es ist vorliegend auch nicht entscheidungserheblich, dass die Klägerin bei ihrer Vergleichsberechnung immer Monate mit derselben Bezeichnung miteinander verglichen hat. Bei strenger Betrachtung müsste man wegen der nachschüssigen Lohnzahlung durch die Beklagte eigentlich immer den Abrechnungsmonat mit dem darauf folgenden Bedarfsmonat vergleichen. Insbesondere hätte man eigentlich das Einkommen, das Frau S. im letzten streitgegenständliche Monat (Juni 2010) verdient hat, mit ihrem Bedarf im Monat Juli 2010, der allerdings nicht mitgeteilt ist, vergleichen müssen. Diese methodische Ungenauigkeit hat aber keine Auswirkungen auf die Höhe des Anspruchs, da davon auszugehen ist, dass Frau S. auch im Juli 2010 Leistungen im bisherigen Umfang von der Klägerin bezogen hat. Diesen Gesichtspunkt hatte das Berufungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung angesprochen, ohne dass dem eine der Parteien entgegengetreten wäre.

3.

43

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen, da ihr Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist.

44

Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG sind nicht erfüllt.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

(1) Die Parteien sollen den Schriftsätzen, die sie bei dem Gericht einreichen, die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften der Schriftsätze und deren Anlagen beifügen. Das gilt nicht für elektronisch übermittelte Dokumente sowie für Anlagen, die dem Gegner in Urschrift oder in Abschrift vorliegen.

(2) Im Falle der Zustellung von Anwalt zu Anwalt (§ 195) haben die Parteien sofort nach der Zustellung eine für das Prozessgericht bestimmte Abschrift ihrer vorbereitenden Schriftsätze und der Anlagen bei dem Gericht einzureichen.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Die Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs sind als gegeneinander aufgehoben anzusehen, wenn nicht die Parteien ein anderes vereinbart haben. Das Gleiche gilt von den Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstreits, soweit nicht über sie bereits rechtskräftig erkannt ist.