Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 14. Dez. 2016 - 4 Sa 44/16

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2016:1214.4SA44.16.0A
bei uns veröffentlicht am14.12.2016

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.12.2015, Az: 2 Ca 2646/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. Darüber hinaus macht der Kläger gegenüber dem beklagten Land Ansprüche auf Zahlung von Arbeitsvergütung für die Monate Mai bis Oktober 2015 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges geltend.

2

Der Kläger ist Musiker (S.). Das beklagte Land unterhält das C. in K. mit insgesamt 69 Planstellen, davon zwei Stellen als S.. Für diese hat sich der Kläger im Rahmen entsprechender Ausschreibungsverfahren in 2007/2008 und 2009/2010 erfolglos beworben.

3

Im Repertoire des S.s gibt es eine Vielzahl von Werken, die nach den Vorgaben des Komponisten mit mehr als zwei S.n aufzuführen sind, so dass der Kläger ab der Spielzeit 2005/2006 als produktionsbezogene Aushilfe für Konzert- und Theaterdienste am Instrument Schlagzeug häufig engagiert wurde. Sein Einsatz erfolgte in den Spielzeiten 2005/2006 bis 2014/2015 in unterschiedlichem Umfang. So war er etwa in der Spielzeit 2007/2008 für 18 Dienste an insgesamt 12 Tagen, in der Spielzeit 2013/2014 für 151 Dienste an insgesamt 114 Tagen eingesetzt worden.

4

Soweit der Kläger für die einzelnen Produktionen engagiert wurde, waren die zu spielenden Termine bei ihm zuvor (telefonisch, per SMS oder E-Mail) von Seiten der Verwaltung (S. Geschäftsführung/S. Inspektor) oder von einem Mitglied der Schlagzeuggruppe, dem Einteiler der Schlagzeuggruppe, angefragt worden und abschließend unter Verwendung eines Formulars "Antrag für Aushilfen" mit einem bestimmten Honorar abgerechnet worden.

5

Mit Bescheid vom 23.02.2015 teilte die Künstlersozialkasse dem Kläger mit, dass seine Versicherungspflicht zum 28.02.2015 ende. Die Künstlersozialkasse vertritt diesbezüglich - ausweislich der Begründung ihres Widerspruchsbescheids vom 19.05.2015 (Bl. 10 f. d. A.) - die Ansicht, der Kläger sei nicht als selbständiger Künstler bzw. Musiker tätig, sondern stehe als Orchestermusiker in einem Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land.

6

Nachdem der Kläger letztmals für den Monat April 2015 eine Vergütung für einen Einsatz als S. erhalten und drei bereits mit ihm vereinbarte Einsatztermine (25.06., 28.06. und 01.07.2015) von Seiten des Orchesters abgesagt worden waren, hat er mit seiner am 07.08.2015 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage die Feststellung des Bestehens eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses begehrt und mit klageerweiterndem Schriftsatz vom 06.11.2015 das beklagte Land auf Zahlung von Arbeitsvergütung aus Annahmeverzug für die Monate Mai bis Oktober 2015 "auf der Basis einer halben Stelle" in Höhe von monatlich 1.530,00 EUR brutto in Anspruch genommen. Dabei hat er seine Zahlungsansprüche für die Monate Juni und Juli hilfsweise auf die Absage der bereits mit einem Honorar von jeweils 165,00 EUR fest vereinbarten drei Einsatztermine gestützt.

7

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.12.2015 (Bl. 176 bis 181 d. A.).

8

Der Kläger hat erstinstanzlich (zuletzt) beantragt,

9

1. festzustellen, dass sich der Kläger bei der Beklagten jedenfalls seit dem 01. August 2013 (Spielzeit 2013/2014) in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis auf der Basis einer halben Stelle (50 %) befindet,

10

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2015 zu zahlen,

11

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2015 zu zahlen,

12

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.08.2015 zu zahlen,

13

5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2015 zu zahlen,

14

6. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2015 zu zahlen,

15

7. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.11.2015 zu zahlen sowie

16

hilfsweise

17

den Rechtsstreit an das Amtsgericht Koblenz zu verweisen.

18

Das beklagte Land, welches eine Zahlungsverpflichtung für die drei abgesagten Termine in Höhe eines "Ausfallhonorars" von jeweils 165,00 EUR anerkannt hat, hat beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Das Arbeitsgericht hat mit Teilanerkenntnis- und Endurteil vom 09.12.2015 die Beklagte verurteilt, an den Kläger ein Ausfallhonorar für Juni/Juli 2015 in Höhe von 495,00 EUR zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 8 bis 17 dieses Urteils (= Bl. 182 bis 191 d. A.) verwiesen.

21

Der Kläger hat mit am 29.01.2016 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz, dem eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen beigefügt war, beantragt, ihm Prozesskostenhilfe für eine gegen das ihm am 04.01.2016 zugestellte Urteil gerichtete Berufung zu bewilligen. Das Berufungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 14.04.2016 wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht i.S.v. § 114 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist dem Kläger am 02.05.2016 zugestellt worden.

22

Am 11.05.2016 hat der Kläger gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt, diese zugleich begründet und beantragt, ihm wegen der Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

23

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, zu Unrecht sei das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass er beim beklagten Land als freier Mitarbeiter beschäftigt gewesen sei. Eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände führe vielmehr zu dem Ergebnis, dass sein Rechtsverhältnis mit dem beklagten Land als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sei. Er sei aufgrund zeitlicher, örtlicher und inhaltlicher Vorgaben nicht in der Lage gewesen, seine Tätigkeit und seine Arbeitszeit im Wesentlichen frei zu bestimmen. Die Weisungen des beklagten Landes, denen er bei seiner Tätigkeit als S. unterlegen habe, hätten sich u. a. auf folgende Bereiche bezogen: Die zu spielenden Werke, Datum der Probe, Spieleinsätze abweichend vom Notenbild, Lautstärkenangaben, Beginn der Probe, Inhalt der Probe, Ende der Probe, Kleidung und Anwesenheitspflichten. Bei den Aufführungen sei er voll in den Betrieb des S.s eingegliedert gewesen. Auch habe eine zeitliche Weisungsgebundenheit bestanden. So habe er etwa nicht darüber entscheiden können, ob er den Proben fernbleibe. Auch habe eine persönliche Leistungsverpflichtung bestanden, da er gerade nicht wie ein "Selbständiger" einen Termin hätte annehmen, dann jedoch einen anderen Musiker mit der Übernahme der Tätigkeit hätte betrauen können. Zudem hätten sich am Ende nahezu seine gesamten Einnahmen auf die Tätigkeit bei der Philharmonie verengt. Aus der Anzahl der geleisteten Dienste ergebe sich, dass er seine Arbeitszeit nahezu ausschließlich dem beklagten Land zur Verfügung gestellt habe. Soweit das Arbeitsgericht darauf abgestellt habe, dass er habe frei darüber entscheiden können, ob er bei einer geplanten Produktion mitwirke, so sei dieses Kriterium zur Statusabgrenzung wenig geeignet. Insbesondere aufgrund der langjährigen und häufigen Zusammenarbeit könne aus Sicht eines Vertragspartners gerade nicht davon ausgegangen werden, dass stets nur befristete Einzelengagements zustande gekommen seien. Die Tatsache, dass es zwischen den einzelnen Engagements zu spielfreien Zeiten gekommen sei, rechtfertige ebenfalls nicht die Annahme eines befristeten Arbeitsverhältnisses. Da er fast ausschließlich für die Philharmonie tätig gewesen sei und dies nahezu seine einzige Einnahmequelle dargestellt habe, habe für ihn rein tatsächlich keinesfalls die Möglichkeit bestanden, ein Angebot abzulehnen. Auch das beklagte Land sei davon ausgegangen, dass er stets zur Verfügung stehe. Es könne allerdings durchaus sein, dass er einzelne Anfragen abgelehnt habe. Er sei nicht gehalten gewesen, eine Entfristungsklage zu erheben, weil kein befristetes Arbeitsverhältnis bestanden habe. Eine Befristung, die den Anforderungen des § 14 TzBfG entspreche, habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Demnach seien auch die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Verzugsentgelt gerechtfertigt. Das beklagte Land befinde sich in Annahmeverzug, nachdem er seine weitere Mitarbeit vor Mai 2015 erfolglos angeboten habe.

24

Der Kläger beantragt,

25

1. dem Kläger wegen der Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,

26

2. das am 04.01.2016 zugestellte Teilanerkenntnis- und Endurteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.12.2015 - 2 Ca 2646/15 - dahingehend abzuändern, dass

27

a. festgestellt wird, das sich der Kläger bei der Beklagten jedenfalls dem 01. August 2013 (Spielzeit 2013/2014) in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis auf der Basis einer halben Stelle (50 %) befindet,

28

b. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 01.06.2015, abzüglich zugesprochener 247,50 EUR zu zahlen,

29

c. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 01.07.2015, abzüglich zugesprochener 247,50 EUR zu zahlen,

30

d. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 01.08.2015,

31

e. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 01.09.2015,

32

f. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 01.10.2015,

33

g. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 01.11.2015.

34

Das beklagte Land beantragt,

35

die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

36

Das beklagte Land vertritt die Ansicht, der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unbegründet. Im Übrigen verteidigt das beklagte Land das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderungsschrift vom 16.06.2016 (Bl. 321 bis 325 d. A.), auf die Bezug genommen wird.

37

Wegen aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 14.12.2016 (Bl. 349 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

38

Die nach § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthafte Berufung ist zulässig.

39

Der Zulässigkeit der Berufung steht die Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist nach § 66 Abs. 1 ArbGG nicht entgegen, da dem Kläger gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

40

Das wegen Bedürftigkeit begründete Unvermögen einer Partei, einen Rechtsanwalt mit der notwendigen Vertretung zur Vornahme von fristwahrenden Prozesshandlungen zu beauftragen, begründet eine unverschuldete Versäumnis von Rechtsmittelfristen, wenn die Partei alles in ihren Kräften stehende und ihr zumutbare getan hat, um die Frist zu wahren. Demgemäß besteht ein Wiedereinsetzungsgrund dann, wenn die Partei ein vollständiges Gesuch um Prozesskostenhilfe innerhalb der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht eingereicht hat (LAG Rheinland-Pfalz v. 14.07.2015 - 6 Sa 22/15 - juris, m.w.N.).

41

Vorliegend sind die dargelegten Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO gegeben. Der Kläger hat innerhalb der Berufungsfrist unter Vorlage einer Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen Prozesskostenhilfe beantragt. Wiedereinsetzungsantrag, Berufungseinlegung und gleichzeitige -begründung sind nach Zustellung der Entscheidung über den PKH-Antrag innerhalb von zwei Wochen erfolgt. Der Kläger hat damit fristgerecht Wiedereinsetzung beantragt und gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO die versäumten Prozesshandlungen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 ZPO) nachgeholt. Der Umstand, dass das PKH-Gesuch mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung i.S.v. § 114 ZPO zurückgewiesen wurde, steht einer Wiedereinsetzung nicht entgegen, da sich der Kläger in Ansehung des Inhalts der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für bedürftig halten durfte. Die erforderliche Kausalität zwischen Bedürftigkeit und Fristversäumung ist daher gegeben.

42

Anderweitige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht, insbesondere hat der Kläger sich in der Berufungsbegründung hinreichend mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung auseinandergesetzt.

II.

43

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit ihr nicht wegen eines Teilanerkenntnisses in geringem Umfang stattzugeben war, zu Recht abgewiesen.

1.

44

Der Feststellungsantrag (Berufungsantrag zu 2 a) ist unbegründet, da zwischen den Parteien kein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

45

Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. In einem Arbeitsverhältnis ist die vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgebers) unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (BAG v. 22.04.1998 - 5 AZR 342/97 -AP Nr. 26 zu § 611 BGB Rundfunk). Diese Grundsätze gelten auch für Musiker (BAG v. 22.08.2001 - 5 AZR 502/99 - AP Nr. 109 zu § 611 BGB Abhängigkeit).

46

Die Beschäftigung als Orchestermusiker ist nicht nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, sondern auch als freier Mitarbeiter möglich. Dabei ist für die Statusabgrenzung insbesondere maßgeblich, ob der betreffende Musiker auch im Rahmen seines übernommenen Engagements seine Arbeitszeit noch im Wesentlichen frei gestalten kann oder insoweit einem umfassenden Weisungsrecht der Orchesterleitung unterliegt. Hat der Orchestermusiker die Teilnahme an einer einzelnen Produktion oder einem bestimmten musikalischen Vorhaben und bei den dazu erforderlichen Einzeldiensten zugesagt, ohne dass diese nach Anzahl, Dauer und zeitlicher Lage bereits abschließend feststanden, so hat er sich in eine entsprechende Weisungsabhängigkeit begeben. Diese begründet regelmäßig seinen Arbeitnehmerstatus. Dagegen reicht es für den Arbeitnehmerstatus in der Regel nicht aus, dass ein Musiker die Teilnahme an bestimmten einzelnen Proben und Aufführungsterminen zugesagt hat, die zeitlich bereits feststanden. Zeitliche Vorgaben und Verpflichtungen, bestimmte Termine für die Erledigung der übertragenen Aufgaben einzuhalten, sind kein ausreichendes Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Das Versprechen, eine Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen oder zu einem bestimmten Zeitpunkt fertigzustellen, macht den Leistenden im arbeitsrechtlichen Sinne nicht weisungsabhängig (BAG v. 09.10.2002 - 5 AZR 405/01 - AP Nr. 114 zu § 611 BGB Abhängigkeit).

47

Vorliegend kann offen bleiben, ob zwischen den Parteien während der einzelnen Einsätze des Klägers als S. bzw. seiner Mitwirkung als S. an gesamten Produktionen des S. ein Arbeitsverhältnis bestand, oder ob die betreffende Tätigkeit des Klägers als diejenigen eines freien Mitarbeiters zu qualifizieren ist. Denn auch dann, wenn man mit dem Kläger davon ausgeht, dass er während seiner einzelnen Engagements in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land stand, so rechtfertigt dies nicht die Annahme, zwischen den Parteien sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen.

48

Ob die Vertragsparteien einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen haben, richtet sich allein nach dem Parteiwillen. Dieser kann sich aus ausdrücklichen Erklärungen der Vertragsparteien, aber auch aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen ergeben, soweit sie Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien zulässt (BAG v. 31.07.2002 - 7 AZR 181/01 - AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG m.w.N.). Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich im vorliegenden Fall häufig wiederkehrender kurzfristiger Beschäftigung. Vertraglich ist dies entweder als unbefristetes Teilzeitarbeitsverhältnis, gegebenenfalls als Abrufarbeitsverhältnis gemäß § 12 TzBfG zu konstruieren oder als kurzfristige, nicht zusammenhängende befristete Arbeitsverträge, denen nicht selten eine Rahmenvereinbarung zugrunde liegt. Beide Typen sind gesetzlich zulässig, eine Verpflichtung zur Begründung eines Dauerschuldverhältnisses besteht nicht (BAG v. 31.07.2002 - 7 AZR 181/01 - AP Nr. 2 zu § 4 TzBfG).

49

Die Parteien haben unstreitig zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet. Auch kann allein aus dem Umstand, dass die Einsätze des Klägers über Jahre hinweg und wohl - zumindest zuletzt - mit einer großen Häufigkeit erfolgten, das Zustandekommen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses nicht abgeleitet werden. Es kann nämlich aus Sicht eines verständigen Vertragspartners nach §§ 133, 157 BGB nicht angenommen werden, dass die Parteien dabei nicht lediglich eine jeweils auf das einzelne Engagement bezogene vertragliche Abrede getroffen haben (vgl. BAG v. 09.10.2002 - 5 AZR 405/01 - AP Nr. 114 zu § 611 BGB Abhängigkeit).

50

Sonstige Umstände, aus denen sich das Zustandekommen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien herleiten ließe, sind nicht gegeben. Insbesondere lässt sich aus dem Verhalten der Parteien nicht schließen, dass dem beklagten Land über die einzelnen Engagements hinaus das Recht eingeräumt wurde, durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen. Die Einsätze des Klägers erfolgten unstreitig stets nur nach vorheriger Anfrage seitens des S. und einer entsprechenden Zusage des Klägers. Eine Einigung erfolgte daher immer für den konkreten Einsatz bzw. für eine konkrete Produktion, begrenzt auf deren Dauer. Der Kläger konnte seine Heranziehung nur dahin verstehen, dass diese lediglich auf die einzelnen Produktionen bezogen sein sollten, nicht jedoch dahin, dass nunmehr ein unbefristetes Abrufarbeitsverhältnis begründet werden sollte. Der Kläger war auch nicht verpflichtet, überhaupt oder in bestimmten Umfang auf Anfragen des S. eine Zusage zu erteilen oder auf kurzfristige Mitteilungen hin zur Verfügung zu stehen. Anhaltspunkte dafür, dass das beklagte Land berechtigt gewesen sein sollte, den Kläger einseitig zur Teilnahme an einzelnen Produktionen einzuteilen, bestehen im vorliegenden Fall nicht. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, dass es durchaus sein könne, dass er einzelne Anfragen abgelehnt habe. Dass eine solche Ablehnung irgendwelche nachteiligen Konsequenzen für den Kläger hatte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Nichts anderes ergäbe sich daraus, wenn das beklagte Land den Kläger nach mehreren "Absagen" nicht mehr angefragt hätte. Vielmehr hätte das S. nach mehreren Absagen seitens des Klägers den Schluss ziehen können, dass dieser keine Möglichkeit oder kein Interesse an weiteren Einsätzen habe. Der Umstand, dass der Kläger - unter Zugrundelegung seines Vorbringens - (jedenfalls zuletzt) nahezu ausschließlich für das beklagte Land als S. tätig gewesen ist, diese Tätigkeit daher nahezu seine einzige Einnahmequelle dargestellt hat und er sich somit aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus zu Zusagen gezwungen sah, ist ohne Belang. Dies vermag zwar u.U. eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Klägers zu begründen, indiziert indessen noch nicht das Zustandekommen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses.

51

Der Feststellungsklage kann - selbst wenn man mit dem Kläger davon ausgeht, dass er seine Tätigkeit jeweils im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht hat - auch nicht mit der Erwägung entsprochen werden, der letzte Einzelarbeitsvertrag der Parteien sei, etwa in Ermangelung der nach § 14 Abs. 4 TzBfG erforderlichen Schriftform, unwirksam befristet gewesen. Die Befristung gilt nämlich vorliegend gemäß § 17 Satz 1 und 2 TzBfG i.V.m. § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam, da der Kläger diesbezüglich keine Entfristungsklage nach § 17 TzBfG erhoben hat. § 17 TzBfG erfasst alle Unwirksamkeitsgründe, auch die Beachtung des Schriftformerfordernisses (BAG v. 04.05.2011 - 7 AZR 252/10 - AP Nr. 11 zu § 17 TzBfG).

2.

52

Die Zahlungsklage (Berufungsanträge zu 2 b bis 2 g) ist ebenfalls unbegründet.

53

Der Kläger hat in dem Zeitraum, für den er die Zahlung von Arbeitsentgelt verlangt, unstreitig keine Tätigkeiten für das beklagte Land mehr erbracht, so dass Zahlungsansprüche unmittelbar aus § 611 Abs. 1 BGB nicht bestehen können. Solche ergeben sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges (§ 615 BGB). Denn das beklagte Land befand sich nicht mit der Annahme der Dienste des Klägers in Verzug, da nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen nach dem letzten Einsatz des Klägers als Schlagzeuger weder ein Arbeitsverhältnis noch ein (sonstiges) Dienstverhältnis mehr bestand.

54

Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

III.

55

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 14. Dez. 2016 - 4 Sa 44/16

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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
2.
die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
3.
der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
4.
die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
5.
die Befristung zur Erprobung erfolgt,
6.
in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
7.
der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
8.
die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.

(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

(2a) In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. Auf die Befristung eines Arbeitsvertrages nach Satz 1 findet Absatz 2 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung.

(3) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. Bis zu der Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.

(4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20. November 2014 - 10 Ca 350/14 - teilweise wie folgt abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 20. Januar 2014, zugegangen am 21. Januar 2014, nicht mit sofortiger Wirkung, sondern zum 28. Februar 2014 aufgelöst worden ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Parteien je zur Hälfte.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der 1974 geborene, ledige und 3 Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war kraft schriftlichen Arbeitsvertrages vom 15. Oktober 2012 bei der Beklagten, einem Logistikunternehmen mit ca. 1.900 Beschäftigten am Standort K, ab 25. Oktober 2012 als Versandmitarbeiter im Bereich Problem Solve/Support beschäftigt, zuletzt zu einem Bruttomonatsgehalt von ca. 2.300,00 Euro. In seiner Funktion war der Kläger Ansprechpartner für Hilfestellungen bei Problemen von Kollegen beispielsweise beim Einpacken oder Versenden der Ware.

3

Am 09. Januar 2014 gerieten der Kläger und seine damalige Lebensgefährtin - und seit Juli 2014 nunmehrige Verlobte - N B, die zu diesem Zeitpunkt ebenfalls Mitarbeiterin der Beklagten war und sich noch in der Probezeit befand, während der gemeinsamen Fahrt mit dem Auto zur Frühschicht über eine Verspätung in Streit. Auf dem Betriebsparkplatz der Beklagten kam es in der Folge zwischen dem Kläger und der Zeugin B zu einer tätlichen Auseinandersetzung, deren Einzelheiten, erstinstanzlich zwischen den Parteien insgesamt umstritten waren, insbesondere, was den Ablauf der Konfrontation betrifft. Nach vom Arbeitsgericht durchgeführter Beweisaufnahme ist zwischen den Parteien im Berufungsverfahren unstreitig, dass der Mitarbeiter der Beklagten O, der sich wie die anliefernden LKW-Fahrer G und D in einiger Entfernung des hell beleuchteten Parkplatzes befand, gehört hat, wie der Kläger und die Zeugin B laut stritten, und dann beobachtet hat, dass der Kläger die Zeugin B gegen ein Auto stieß, so dass diese hörbar auf die Motorhaube des Fahrzeuges fiel. Der Zeuge O griff verbal in die Auseinandersetzung ein. Zuletzt verließ die Zeugin B das Betriebsgelände der Beklagten mit ihrem Fahrzeug. Am 10. Januar 2014 führte die Beklagte mit dem Kläger unter Teilnahme seines direkten Vorgesetzten, einer Mitarbeiterin der Personalabteilung, eines Betriebsratsmitglieds und eines weiteren Mitarbeiters ein Gespräch zum Vorgang vom Vortag, in dem der Kläger die Auffassung vertrat, ein Eingreifen des Zeugen sei nicht geboten gewesen.

4

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20. Januar 2014, dem Kläger zugegangen am 21. Januar 2014, außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Zeitpunkt. Zuvor hatte sie den bei ihr gebildeten Betriebsrat mit Anhörungsbogen vom 14. Januar 2014 (Bl. 57 ff. d. A.) angehört. Der Betriebsrat hat der Kündigung am 17. Januar 2014 widersprochen.

5

Der Kläger hat am beim Arbeitsgericht Koblenz am 22. Januar 2014 Kündigungsschutzklage erhoben.

6

Er hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, der Sachverhalt werde von der Beklagten falsch dargestellt. Die Zeugin B habe ihm am 09. Januar 2014 unzutreffend eine Verspätung angelastet und sich Sorgen wegen der Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis gemacht, ohne dass er ihr das habe ausreden können. Im Zuge des Streits habe die Zeugin B ihn gegen den Hals geschlagen, woraufhin er ihr einen abwehrenden leichten - unterhalb einer Ohrfeige zu gewichtenden - Stoß versetzt habe, der genügt habe, um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen, weshalb sie auf der Bordsteinkante des Fußweges umgeknickt und seitlich auf ein parkendes Auto gefallen sei. Ein Eingreifen des Mitarbeiters O sei nicht geboten gewesen. Die von der Beklagten behauptete Krankmeldung der Zeugin B vom 09. und 10. Januar 2014 werde bestritten; auch sei diese nicht von dem Vorfall mitgenommen gewesen. Er habe entgegen der Behauptung der Beklagten nicht die Krankenhotline angerufen und sich als die Zeugin B ausgegeben, es sei ihm auch nicht erinnerlich, dass er der Zeugin Rache androht und angekündigt habe, er werde dafür sorgen, dass sie ihren Arbeitsplatz verliere. Auch habe er keinen Zucker in den Tank ihres Fahrzeugs geschüttet. Die Zeugin B leide unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung und habe ihn in der Vergangenheit bereits zu Unrecht mit Strafanzeigen überzogen, wobei er vom Vorwurf der Freiheitsberaubung frei gesprochen worden sei. Selbst wenn die Behauptungen der Beklagten zuträfen, sei eine Abmahnung nicht entbehrlich gewesen.

7

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

8

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 20. Januar 2014, zugegangen am 21. Januar 2014, nicht aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die nach Anhörung des Betriebsrats vom 14. Januar 2014 ausgesprochene Kündigung sei wirksam. Am 09. Januar 2014 habe sich der während der Fahrt aufgetretene Streit zwischen Zeugin B und dem Kläger zugespitzt, als dieser der Zeugin ins Lenkrad gegriffen habe. Sowohl der Zeuge O, als auch die LKW-Fahrer G und D hätten auf dem Betriebsparkplatz lautstarkes Geschrei des Klägers vernommen und beobachtet, wie der Kläger, der die Zeugin lautstark und in aggressivem Tonfall angeschrien habe, die Zeugin ohne ersichtlichen Anlass so stark gestoßen habe, dass sie gegen ein geparktes Auto gefallen sei. Der Zivilcourage zeigende Mitarbeiter O habe sofort versucht zu beschwichtigen, worauf hin die Zeugin zunächst in ihr Auto geeilt, jedoch wieder ausgestiegen sei, nachdem der Kläger sich zu ihr gesetzt habe. Die Zeugin habe sich an diesem Tag und am Folgetag krank gemeldet. Im Gespräch vom 10. Januar 2014 habe der Kläger sich nicht einsichtig gezeigt. In der Folge habe die Zeugin B das Angebot, die Schicht zur Vermeidung von Begegnungen mit dem Kläger zu wechseln, angenommen. Am 13. Januar 2014 und ein weiteres Mal in der gleichen Woche habe jemand bei der Krankenhotline der Beklagten angerufen, sich als die Zeugin B ausgegeben und behauptet, sie wolle kündigen. Am 15. Januar 2014 habe die Zeugin eine Autopanne erlitten, weil ihr jemand Zucker in den Tank geschüttet habe. Als Veranlasser komme nur der Kläger in Betracht, zumal er der Zeugin bereits nach dem Vorfall auf dem Parkplatz angekündigt habe, er werde sich rächen und dafür sorgen, dass sie ihr Arbeitsverhältnis verliere. Zum Racheansinnen des Klägers passe es im Übrigen auch, dass er der zu diesem Zeitpunkt im Krankenhaus befindlichen Zeugin per SMS ein Foto des von der Beklagten letztlich an die Zeugin gerichteten Kündigungsschreibens gesendet habe mit dem Kommentar, er habe nun sein Ziel erreicht. Die Zeugin, die nach eigenen Angaben drei Strafanzeigen gegen den Kläger gestellt habe und deren Erkrankung bestritten werde, sei mittlerweile aus dem Unternehmen ausgeschieden, weil sie die Vorfälle so mitgenommen hätten. Einer vorherigen Abmahnung habe es vor Kündigungsausspruch nicht bedurft, da dem Kläger habe klar sein müssen, dass sie Handgreiflichkeiten gegenüber den Mitarbeitern nicht dulden werde. Auch die Interessenabwägung müsse angesichts der fehlenden Einsicht des Klägers und der betrieblichen Auswirkungen von Tätlichkeiten zwischen Mitarbeitern zu ihren Gunsten ausgehen. Im Übrigen werde das Verhalten des Klägers von verschiedenen Mitarbeitern als sehr bedrohlich und aggressiv empfunden.

12

Das Arbeitsgericht hat aufgrund Beschlusses vom 10. Juli 2014 am 20. November 2014 Beweis erhoben zu den Behauptungen der Beklagten zum pflichtwidrigen Verhalten des Klägers vom 09. Januar 2014 durch Vernehmung des Zeugen O. Die Zeugin B hat als Verlobte des Klägers von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 108 ff. d. A. verwiesen. Auf die Vernehmung der Zeugen G und D hat die Beklagte für die 1. Instanz verzichtet.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. November 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung vom 20. Januar 2014 habe das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund aufgelöst. Ein tätlicher Angriff unter Arbeitskollegen zähle zu den an sich geeigneten außerordentlichen Kündigungsgründen und zwar wegen Beeinträchtigung der betrieblichen Zusammenarbeit und der Auswirkungen auf die übrigen Arbeitnehmer unabhängig davon, wer die Auseinandersetzung angezettelt habe. Der Zeuge O habe ausdrücklich bestätigt, dass der Kläger die Zeugin B - nicht im Rahmen einer Abwehrbewegung - gegen ein Auto geschleudert habe und sie infolgedessen auf die Motorhaube eines Fahrzeuges geprallt sei. Auch habe der Zeuge die Reaktion der Zeugin, im Anschluss zu ihrem Auto zu laufen, als Fluchtbewegung wahrgenommen. Die gesamte Zeugenaussage belege, dass die Beklagte dem Kläger keinesfalls nur eine Bagatelle vorwerfe. Auch die vorzunehmende Interessenabwägung gehe trotz der anzuerkennenden Unterhaltspflichten des Klägers und seinem Interesse am Erhalt des Arbeitsplatzes als wirtschaftliche Grundlage für die Unterhaltsverpflichtungen angesichts der nachgewiesen schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers zu seinen Lasten aus, ohne dass es einer vorherigen Abmahnung bedurft habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 118 - 122 d. A. verwiesen.

14

Der Kläger hat mit am 26. Januar 2015 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 21. Januar 2015 beantragt, ihm Prozesskostenhilfe für eine gegen das ihm am 05. Januar 2015 zugestellte Urteil gerichtete Berufung zu bewilligen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger mit Beschluss vom 09. April 2015 Prozesskostenhilfe einstweilen ohne Ratenzahlungsbestimmung unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt. Der Beschluss ist dem Klägervertreter am 15. April 2015 zugestellt worden.

15

Der Kläger hat mit am 24. April 2015 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 23. April 2015 Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt und diese zugleich begründet.

16

Der Kläger macht zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags und seiner Berufung nach Maßgabe seiner Berufungsbegründungsschrift vom 23. April 2015, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 157 ff. d. A.), zweitinstanzlich im Wesentlichen geltend,
er habe sich wegen bestehender Mittellosigkeit innerhalb der Frist zur Berufungseinlegung darauf beschränken müssen, ein Prozesskostenhilfegesuch einzureichen, da sein Prozessbevollmächtigter nicht bereits gewesen sei, die Berufung trotz Bedürftigkeit einzulegen und zu begründen. Mit der Zustellung des Prozesskostenhilfebewilligungsbeschlusses am 15. April 2015 sei das Hindernis beseitigt und er hole die schuldlos versäumte Prozesshandlung nach. Das Arbeitsgericht habe - auch wenn man, was er weiter bestreite, eine einseitig von ihm ausgehende Aggression unterstelle - sowohl den privaten Charakter der Auseinandersetzung verkannt, als auch, dass die Klägerin, die keine Strafanzeige erstattet habe, sich keine nennenswerten Verletzungen zugezogen habe, sie nicht zum Arzt gegangen sei und auch nicht deswegen krankgeschrieben gewesen sei. Vielmehr habe sie ihm verziehen und man sei wieder versöhnt, sei verlobt und wolle heiraten. Auch am Auto habe es keine Beschädigungen gegeben. All das habe das Arbeitsgericht bei der erforderlichen Abwägung der beiderseitigen Interessen überhaupt nicht bzw. fehlerhaft bewertet. Auch sei keine Störung im Betriebsablauf ersichtlich. Die Zeugin habe bald darauf weiter gearbeitet und sei aus anderen Gründen aus dem Betrieb ausgeschieden. Kein unmittelbarer oder mittelbarer Arbeitskollege habe etwas von dem Vorfall mitbekommen und auch der Zeuge O sei unbeeindruckt gewesen. Demgegenüber habe das Arbeitsverhältnis für ihn nach längerer Arbeitslosigkeit auch angesichts seiner geringen Qualifikation und der Unterhaltspflicht für seine Kinder eine erhebliche Bedeutung. Es sei der Beklagten auch zuzumuten gewesen, ihn abzumahnen. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht, zumal die Zeugin B auch versetzt worden sei.

17

Der Kläger beantragt,

18

1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20. November 2014 - Az.: 10 Ca 350/14 - , zugestellt am 05. Januar 2015, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20. Januar 2014 nicht aufgelöst worden ist.

19

2. dem Kläger wegen Versäumung der Frist für die Berufung und die Berufungsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

20

Die Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Die Beklagte verteidigt das von der Beklagten angefochtene Urteil nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 02. Juni 2015, auf den Bezug genommen wird (Bl. 177 ff. d. A.), zweitinstanzlich im Wesentlichen wie folgt,
das Arbeitsverhältnis sei durch die außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung fristlos beendet worden. Das Gericht habe zu Recht eine Tätlichkeit unter Arbeitskollegen als an sich geeigneten Kündigungsgrund betrachtet. Der Zeuge O habe bei seiner Vernehmung widerspruchsfrei geschildert, dass er habe beobachten können, wie der Kläger die Zeugin B nach einer verbalen Auseinandersetzung gegen ein Auto geschleudert habe. Die Tatsache, dass sie danach zum Auto gelaufen sei, habe er als Fluchtbewegung wahrgenommen. Auch die Interessenabwägung habe das Gericht zutreffend vorgenommen. Es sei unerheblich, ob die Zeugin nicht schwer verletzt worden sei, dass sie - aus dahingestellten Gründen - keine Strafanzeige erstattet habe und dem Kläger offenbar verziehen habe. Entscheidend sei allein, dass der Kläger in nicht banalem Ausmaß gewalttätig geworden sei. Die Beeinträchtigung des Betriebsablaufs ergebe sich allein aus der Zugehörigkeit der beiden Arbeitnehmer zum Betrieb desselben Arbeitgebers. Jedenfalls der Zeuge O und die beiden Spediteure seien Zeugen des Vorfalls gewesen. Einer Abmahnung habe es nicht bedurft, weil dem Kläger habe klar sein müssen, dass er bei einer derart groben Pflichtverletzung sein Arbeitsverhältnis riskiere.

23

Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

24

Die zulässige Berufung ist in der Sache nur teilweise erfolgreich.

I.

25

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. c ArbGG statthafte Berufung ist zulässig.

26

1. Der Zulässigkeit der Berufung steht eine Versäumung der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist nach § 66 Abs. 1 ArbGG nicht entgegen, da dem Kläger gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

27

1.1. Das durch Bedürftigkeit begründete Unvermögen einer Partei, einen Rechtsanwalt mit der notwendigen Vertretung zur Vornahme von fristwahrenden Prozesshandlungen zu beauftragen, begründet eine unverschuldete Versäumung von Rechtsmittelfristen, wenn die Partei alles in ihren Kräften stehende und ihr Zumutbare getan hat, um die Frist zu wahren. Demgemäß besteht ein Wiedereinsetzungsgrund dann, wenn die Partei ein vollständiges Gesuch um Prozesskostenhilfe innerhalb der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht anbringt (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 06. Dezember 2011 - 3 Sa 354/11 - Rn. 27; 13. Januar 2011 - 10 Sa 445/10 - Rn. 29, jeweils zitiert nach juris; Zöller - Greger ZPO 30. Aufl. § 233 Rn. 23 "Prozesskostenhilfe" mwN).

28

1.2. Vorliegend sind die dargelegten Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO gegeben. Der Kläger hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21. Januar 2015 am 26. Januar 2015 und damit innerhalb der Berufungsfrist beim Landesarbeitsgericht Prozesskostenhilfe beantragt und eine erneute Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Wiedereinsetzungsantrag, Berufungseinlegung und gleichzeitige -begründung mit Schriftsatz vom 23. April 2015 sind nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 09. April 2015, zugestellt am 15. April 2015, erfolgt. Nach der Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat der Kläger damit gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO die versäumten Prozesshandlungen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 ZPO) nachgeholt.

29

2. Anderweitige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht, insbesondere hat der Kläger sich in der Berufungsbegründung hinreichend mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung auseinandergesetzt.

II.

30

Die Berufung des Klägers ist nur teilweise begründet. Die Kündigung der Beklagten vom 20. Januar 2014 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht außerordentlich mit sofortiger Wirkung, sondern unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 28. Februar 2014 beendet. Das erstinstanzliche Urteil unterlag insoweit unter teilweiser Zurückweisung der Berufung der Abänderung im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

31

1. Die Berufung ist im Hinblick auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die außerordentliche Kündigung in der Sache erfolgreich. Die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 20. Januar 2014, die der Kläger fristgemäß nach § 4 Satz 1 KSchG angegriffen hat, hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht mit sofortiger Wirkung beendet, da es an einem außerordentlichen Kündigungsgrund iSd. § 626 Abs. 1 BGB fehlt.

32

1.1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar war oder nicht (BAG 18. Dezember 2014 - 2 AZR 265/14 - Rn. 14; 31. Juli 2014 - 2 AZR 505/13 - Rn. 39; 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16; jeweils zitiert nach juris).

33

1.2. Gemessen hieran geht die Berufungskammer mit dem Arbeitsgericht davon aus, dass das Verhalten des Klägers gegenüber der damals ebenfalls bei der Beklagten beschäftigten Zeugin B auf dem Betriebsparkplatz der Beklagten am 09. Januar 2014 einen an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneten Grund darstellt.

34

1.2.1. Tätlichkeiten unter Arbeitnehmern sind grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund zur Kündigung zu bilden. Der tätliche Angriff auf einen Arbeitskollegen ist eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten. Der Arbeitgeber ist nicht nur allen Arbeitnehmern verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sie keinen Tätlichkeiten ausgesetzt sind, sondern hat auch ein eigenes Interesse daran, dass die betriebliche Zusammenarbeit nicht durch tätliche Auseinandersetzungen beeinträchtigt wird und nicht durch Verletzungen Arbeitskräfte ausfallen. Der Arbeitgeber darf auch berücksichtigen, wie es sich auf das Verhalten der übrigen Arbeitnehmer auswirkt, wenn er von einer Kündigung absieht. Insoweit handelt es sich noch um Folgen des Fehlverhaltens, für das der Arbeitnehmer einzustehen hat (vgl. insgesamt BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 20, mwN, zitiert nach juris). Für die Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers an einem ungestörten Betriebsablauf und die durch das gezeigte Verhalten indizierte zukünftige Gefährdung schutzwürdiger Rechtsgüter anderer Arbeitnehmer ist es - soweit nicht eine Notwehrlage bestanden hat - regelmäßig unerheblich, wer den ersten Schlag ausführt und welche Handlung ggf. zu einer Körperverletzung führt (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 25, aaO).

35

1.2.2. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen O steht fest, dass der Kläger am 09. Januar 2014 vor der Frühschicht auf dem Betriebsparkplatz der Beklagten gegenüber seiner ebenfalls bei der Beklagten beschäftigten Lebensgefährtin handgreiflich wurde, indem er sie so gegen ein Auto schleuderte, dass sie auf die Motorhaube eines geparkten Autos prallte. Der Stoß des Klägers war keine Abwehrbewegung und nicht durch eine gegen den Kläger gerichtete Handgreiflichkeit veranlasst. Im Anschluss ist die Zeugin B nach Wahrnehmung des Zeugen O in einer Art Fluchtbewegung zu ihrem Auto gelaufen. Der Kläger hat weder das erstinstanzliche Beweisverfahren, noch die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts konkret mit der Berufung angegriffen. Allein die Tatsache, dass er in der Berufungsinstanz das Vorliegen einer einseitigen Aggression seinerseits weiter bestritten hat, genügt nicht, um Fehler des erstinstanzlichen Gerichts bei Beweiserhebung oder Beweiswürdigung aufzuzeigen. Derartige Fehler sind im Übrigen auch nicht ersichtlich.

36

1.2.3. In Ergebnis und Begründung zu Recht geht das Arbeitsgericht davon aus, dass es sich beim festgestellten Verhalten des Klägers um eine erhebliche Pflichtverletzung handelt, die als an sich geeigneter Kündigungsgrund iSd. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht kommt. Die Berufungskammer macht sich zur Vermeidung von Wiederholungen die diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts (Entscheidungsgründe B, Bl. 6 f. = Bl. 120 f. d. A.) zu eigen und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die Angriffe der Berufung vermögen nicht, in der ersten Stufe der Prüfung das Vorliegen eines an sich geeigneten Kündigungsgrundes in Zweifel zu ziehen. Weder die Tatsache, dass die Zeugin B keine Strafanzeige erstattet hat, noch dass nennenswerte Verletzungen nicht ersichtlich waren und eine Beschädigung des Fahrzeuges durch den Sturz nicht eingetreten ist, vermochten zu negieren, dass der Kläger die Zeugin unter Verletzung ihrer persönlichen Selbstbestimmung tätlich angegriffen hat. Auch wenn die Zeugin B und der Kläger offenbar in einen Streit verwickelt waren, kann nicht außer Betracht bleiben, dass es der Kläger war, der - ohne dass nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts eine Notwehrsituation gegeben gewesen wäre - die Beherrschung verloren hat und gegenüber seiner Lebensgefährtin gewalttätig wurde. Dass der Vorfall auf dem Betriebsparkplatz stattfand und zudem vom Zeugen O als Mitarbeiter der Beklagten und den beiden anliefernden LKW-Fahrern G und D beobachtet wurde, ist zuletzt nicht mehr streitig. Darauf, dass es sich hierbei nicht um unmittelbare oder mittelbare Kollegen des Klägers handelte, kommt es nicht entscheidungserheblich an.

37

1.3. Obgleich dem Kläger eine erhebliche Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, erweist sich die außerordentliche Kündigung der Beklagten in Anbetracht der erforderlichen Interessenabwägung im Einzelfall als unverhältnismäßig. Der Beklagten war die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zuzumuten.

38

1.3.1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen.

39

a) Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 21, zitiert nach juris; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 15 mwN, jeweils zitiert nach juris).

40

b) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 22; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16; aaO).

41

1.3.2. Entgegen der Auffassung der Berufung war die Beklagte vorliegend nicht auf den vorrangigen Ausspruch einer Abmahnung zu verweisen.

42

a) Bei Tätlichkeiten unter Arbeitskollegen bedarf es vor Ausspruch einer Kündigung regelmäßig keiner Abmahnung (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 22; 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - Rn. 41). Denn der Arbeitnehmer weiß von vornherein, dass der Arbeitgeber ein derartiges Fehlverhalten missbilligt. Dies gilt uneingeschränkt bei schweren Tätlichkeiten (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 22, aaO).

43

b) Gemessen hieran stellte der Ausspruch einer Abmahnung gegenüber dem Kläger für die Beklagte selbst dann kein milderes Mittel im Verhältnis zur Kündigung dar, wenn man vorliegend keine schwere Tätlichkeit annimmt. Auch wenn davon auszugehen ist, dass die Zeugin B bleibende Verletzungen durch den Stoß des Klägers nicht davongetragen hat, war der Beklagten die Hinnahme des Vorfalls für den Kläger erkennbar nicht zuzumuten. Der Kläger hat anlässlich des Geschehens vom 09. Januar 2014 die Kontrolle über sein Verhalten verloren und gegenüber der Zeugin B, die nicht nur seine Lebensgefährtin, sondern zum damaligen Zeitpunkt auch seine Arbeitskollegin war, körperliche Gewalt angewendet. Er musste wissen, dass die Beklagte einen derartigen Vorfall unter Betriebsangehörigen auf dem Betriebsgelände bereits zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Betriebsablaufs nicht durch den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses tolerieren kann. Hinzu kommt, dass das Geschehen nicht nur vom Zeugen O, sondern auch von den beiden Lieferanten der Beklagten G und D beobachtet worden ist und damit geeignet war, das Ansehen der Beklagten aufgrund der - vermeintlichen - Verhältnisse in ihrem Betrieb zu schädigen. Soweit der Kläger sich im Berufungsverfahren auf eine fehlende konkrete Wiederholungsgefahr für die vorliegende Beziehungsstreitigkeit berufen hat, vermochte die Berufungskammer der Argumentation nicht zu folgen. Es kann hierbei dahinstehen, dass der Kläger selbst in der Berufungsbegründung eingeräumt hat, dass bei Beziehungsvorfällen eher eine Wiederholungsgefahr gegeben sei. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger sogar gegenüber einer ihm nahe stehenden Person wie seiner Lebensgefährtin Grenzen überschritten hat und tätlich wurde, musste die Beklagte nicht davon ausgehen, dass eine Abmahnung die Wiederholung eines vergleichbaren Vorfalls gegenüber Kollegen dauerhaft verhindert hätte.

44

1.3.3. Die weitere Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ergibt jedoch, dass der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zuzumuten war und sich damit der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung als milderes Mittel erweist. Zwar ist zu Gunsten der Beklagten im Rahmen der Interessenabwägung ihre Verpflichtung zum Schutz ihrer Mitarbeiter, ihr potentieller Ansehensverlust und die Auswirkungen auf den betrieblichen Ablauf ebenso zu berücksichtigen wie das offenbar vorhandene Aggressionspotential des Klägers. Allerdings kann nicht außer Betracht bleiben, dass der körperliche Angriff auf die Zeugin B zwar deren Selbstbestimmung beeinträchtigt hat, jedoch die Auswirkungen der Tat nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts jedenfalls kein solches Ausmaß angenommen haben, dass die Zeugin sich nicht in der Lage gesehen hätte, dem Kläger zu verzeihen. Zu Gunsten des Klägers war weiterhin zu werten, dass der Anlass für die Auseinandersetzung mit der Zeugin B im privaten Bereich lag und nur mittelbar mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stand. Bewertet man schließlich die Unterhaltspflichten des Klägers gegenüber seinen drei Kindern zu seinen Gunsten, ergibt eine Gesamtschau, dass es der Beklagten, auch wenn ihr ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzubilligen ist, zuzumuten war, die bis 28. Februar 2014 währende ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten. Eine unmittelbare Gefährdung der Zeugin B durch den unter dem Eindruck der Kündigung stehenden Kläger war nicht zuletzt angesichts der von der Beklagten in die Wege geleiteten Versetzung der Zeugin nicht zu befürchten. Damit schloss die ordentliche Kündigung als mildere Reaktionsmöglichkeit der Beklagten die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung aus.

45

2. Ist das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung vom 20. Januar 2014 nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden, kommt es darauf an, ob es durch die hilfsweise von der Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung beendet worden ist. Die Kündigung vom 20. Januar 2014 ist als ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG und hat das Arbeitsverhältnis in Ermangelung sonstiger Unwirksamkeitsgründe unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB zum 28. Februar 2014 beendet. Die weitergehende Berufung des Klägers blieb erfolglos.

46

2.1. Die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten, auf deren Betrieb unzweifelhaft gemäß § 23 Abs. 1 KSchG das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist, ist sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 KSchG.

47

2.1.1. Eine Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers „bedingt“, wenn dieser seine Vertragspflichten erheblich - in der Regel schuldhaft - verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die - fristgemäße - Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere Versetzung und Abmahnung in Betracht (vgl. BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 13; 20. Juni 2013 - 2 AZR 583/12 - Rn. 24; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12, jeweils zitiert nach juris).

48

2.1.2. Ausgehend hiervon ist die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten sozial gerechtfertigt. Tätlichkeiten unter Arbeitnehmern - wie vorliegend - können einen ausreichenden Grund zumindest für eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung darstellen (vgl. BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 900/95 - Rn. 14, zitiert nach juris). Die Ergreifung eines milderen Mittels - etwa in Form einer Abmahnung - kam für die Beklagte vorliegend nicht in Betracht. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Ausführungen unter II 1.3.2. und II 1.3.3. verwiesen. Inwieweit eine Versetzung des Klägers künftige Vertragstreue hätte bewirken sollen, ist nicht ersichtlich.

49

2.2. Die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 20. Januar 2014 ist nicht aus sonstigen Gründen unwirksam. Insbesondere ist die Kündigung nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam, nachdem die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat, der der Kündigung am 17. Januar 2014 widersprochen hat, mit Anhörungsbogen vom 14. Januar 2014 ordnungsgemäß durch die vollständige Mitteilung des für ihren Kündigungsentschluss maßgeblichen Sachverhaltes angehört hat. Dass die Beklagte aus ihrer Sicht dem Betriebsrat bewusst eine unrichtige oder unvollständige Sachverhaltsdarstellung unterbreitet hätte, ist nicht ersichtlich und wird von der Berufung auch nicht geltend gemacht.

B.

50

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

51

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart. Wenn die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen.

(2) Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach Absatz 1 Satz 2 eine Mindestarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 25 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen. Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nach Absatz 1 Satz 2 eine Höchstarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 20 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen.

(3) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Zeitrahmen, bestimmt durch Referenzstunden und Referenztage, festzulegen, in dem auf seine Aufforderung hin Arbeit stattfinden kann. Der Arbeitnehmer ist nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt und die Arbeitsleistung im Zeitrahmen nach Satz 1 zu erfolgen hat.

(4) Zur Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist die maßgebende regelmäßige Arbeitszeit im Sinne von § 4 Absatz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten drei Monate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit (Referenzzeitraum). Hat das Arbeitsverhältnis bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit keine drei Monate bestanden, ist der Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruchs die durchschnittliche Arbeitszeit dieses kürzeren Zeitraums zugrunde zu legen. Zeiten von Kurzarbeit, unverschuldeter Arbeitsversäumnis, Arbeitsausfällen und Urlaub im Referenzzeitraum bleiben außer Betracht. Für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen zur Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall finden Anwendung.

(5) Für die Berechnung der Entgeltzahlung an Feiertagen nach § 2 Absatz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes gilt Absatz 4 entsprechend.

(6) Durch Tarifvertrag kann von Absatz 1 und von der Vorankündigungsfrist nach Absatz 3 Satz 2 auch zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, wenn der Tarifvertrag Regelungen über die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit und die Vorankündigungsfrist vorsieht. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen über die Arbeit auf Abruf vereinbaren.

(1) Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.

(2) Ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Befristung des Arbeitsvertrages nicht schlechter behandelt werden, als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung, die für einen bestimmten Bemessungszeitraum gewährt wird, mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Beschäftigungsdauer am Bemessungszeitraum entspricht. Sind bestimmte Beschäftigungsbedingungen von der Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen abhängig, so sind für befristet beschäftigte Arbeitnehmer dieselben Zeiten zu berücksichtigen wie für unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer, es sei denn, dass eine unterschiedliche Berücksichtigung aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
2.
die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
3.
der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
4.
die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
5.
die Befristung zur Erprobung erfolgt,
6.
in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
7.
der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
8.
die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.

(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

(2a) In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. Auf die Befristung eines Arbeitsvertrages nach Satz 1 findet Absatz 2 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung.

(3) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. Bis zu der Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.

(4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

Will der Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung nicht beendet ist. Die §§ 5 bis 7 des Kündigungsschutzgesetzes gelten entsprechend. Wird das Arbeitsverhältnis nach dem vereinbarten Ende fortgesetzt, so beginnt die Frist nach Satz 1 mit dem Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung beendet sei.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Will der Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung nicht beendet ist. Die §§ 5 bis 7 des Kündigungsschutzgesetzes gelten entsprechend. Wird das Arbeitsverhältnis nach dem vereinbarten Ende fortgesetzt, so beginnt die Frist nach Satz 1 mit dem Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung beendet sei.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 15. März 2010 - 16 Sa 882/09 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr letzter Arbeitsvertrag wirksam bis 30. Dezember 2008 befristet wurde.

2

Die Klägerin war seit 1. März 2006 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge als Registraturkraft in der Familienkasse O bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit beschäftigt.

3

Bei der Beklagten ist in N der Bereich „Interner Service Personal“ gebildet. Außerdem gibt es den „Personalservice in Rh“, der in die Zuständigkeit der Familienkasse Direktion der Beklagten fällt. Laut Intranet der Beklagten ist der Personalservice in Rh Ansprechpartner in allen Angelegenheiten, die das Arbeits- oder Beamtenverhältnis betreffen. Darunter fallen ua. Bezüge und Gehälter, Anzeigen von Änderungen, Beurlaubungen, Altersteilzeit, Sozialversicherung, Verdienstbescheinigungen, Urlaubs- und Krankheitsangelegenheiten, Arbeits- und Dienstunfälle, Nebentätigkeitsgenehmigungen, Abrechnungen von Lehrtätigkeit und Praxisberatung. Der Personalservice in Rh setzt ferner die vom Internen Service Personal in N getroffenen Entscheidungen - zB der Einstellung, Umsetzung, Beauftragung, Abordnung, Versetzung, Höhergruppierung oder Beförderung - um. Wird einem Mitarbeiter der Familienkasse Direktion der Beklagten schriftlich ein Dienstposten übertragen, zeichnet er nach Nr. 3 Abs. 1 aE der Amtsverfügung Nr. 01/2006 des Leiters der Familienkasse Direktion vom 20. September 2006 mit „Im Auftrag“. Die Amtsverfügung trifft „Zuständigkeitsregelungen im Inneren Dienstbetrieb der Familienkasse“. Sie regelt die Zeichnungs-, Entscheidungs- und Anordnungsbefugnis. Nach Nr. 3 des Anhangs 1 zur Amtsverfügung Nr. 01/2006 ist Zeichnungsbefugnis die Befugnis, Schriftstücke und Aktenverfügungen verantwortlich zu unterzeichnen. Die beauftragten Mitarbeiter zeichnen mit dem Zusatz „Im Auftrag“. Das gilt auch für die Leiter der örtlichen Familienkassen und der Service Center Familienkasse.

4

Alle Arbeitsverträge der Parteien wurden von der Klägerin und „der Bundesagentur für Arbeit, ..., vertreten durch den Leiter der Familienkasse“ geschlossen. Die Arbeitsverträge wurden von dem Mitarbeiter R unterzeichnet, der dem Personalservice in Rh angehörte. Den im Dezember 2006 geschlossenen Arbeitsvertrag, der vom 1. Januar 2007 bis 30. Juni 2007 befristet war, unterschrieb Herr R unter dem Text „Für den Leiter der Familienkasse Im Auftrag“. Unter seiner Unterschrift war angegeben: „Der Leiter des Stützpunktes Personalservice des BA-Service-Hauses in Rh“. Die Änderungsvereinbarung vom 27. April 2007, mit der die Tätigkeitsebene geändert wurde, und der für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis 31. Dezember 2007 befristete Arbeitsvertrag vom 27. Juni 2007 enthielten über der Unterschrift von Herrn R die gleichen Passagen wie der Arbeitsvertrag von Dezember 2006. Unter der Unterschrift folgte die Angabe „Personalservice der Familienkasse“. Mit dem letzten Arbeitsvertrag vom 11. Juni 2008 wurde die Klägerin ab 1. Juli 2008 „als Vollbeschäftigte eingestellt“. Nach § 1 des Arbeitsvertrags war das Arbeitsverhältnis „befristet bis zum Erreichen folgenden Zwecks: ‚Dauer der Beauftragung von Herrn B.’; längstens bis zum 30.12.2008“. Dieser Vertrag enthielt über der Unterschrift von Herrn R die Angabe „Im Auftrag“ und unter seiner Unterschrift den Passus „Personalservice der Familienkasse“.

5

Der Sachgrund des zuletzt geschlossenen Arbeitsvertrags war mit Vermerk vom 30. Mai 2008 erläutert worden, den beide Parteien, die Beklagte durch Herrn R, unterzeichnet hatten. Die Registraturkraft B sollte danach in der Zeit vom 1. Juli 2008 bis 30. Dezember 2008 mit der Funktion der seit mehreren Monaten arbeitsunfähig erkrankten Assistentin L beauftragt werden. Die Klägerin sollte während der Beauftragung von Herrn B als Assistent „zur Überbrückung der Vakanz auf Registraturkräfteebene“ beschäftigt werden. Die Beauftragung von Herrn B mit den Aufgaben der erkrankten Assistentin endete nicht vor dem 30. Dezember 2008.

6

Die Klägerin war seit 1. September 2008 bis zum Ende der Zeitbefristung arbeitsunfähig erkrankt. Nach dem Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums stellte die Beklagte zur Vertretung eine andere Arbeitnehmerin bis 30. Dezember 2008 ein. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihr Arbeitsverhältnis ende zum 30. Dezember 2008.

7

Die Klägerin hat mit ihrer am 12. Januar 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Auffassung vertreten, die letzte Befristung sei mangels Sachgrundes unwirksam. Mit der Berufung hat sie erstmals und zuletzt ausschließlich einen Verstoß der letzten Befristung gegen das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG und eine fehlende Vertretungsmacht von Herrn R gerügt. Aus der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags vom 11. Juni 2008 mit „Im Auftrag“ folge, dass eine Botenerklärung und keine Vertretererklärung vorliege. Auch aus den Gesamtumständen gehe nicht hervor, dass Herr R in Vertretung habe handeln wollen. Er sei nicht zur selbständigen Einstellung und Entlassung befugt gewesen und habe lediglich das umzusetzen gehabt, was andere zuvor entschieden hätten.

8

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten aufgrund der Befristung in dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 11. Juni 2008 nicht zum 30. Dezember 2008 sein Ende gefunden hat;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Entfristungsklage weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Befristung sei sachlich gerechtfertigt. Die Klägerin sei als Ersatzkraft für Herrn G tätig geworden, der vor seiner Ehe Be geheißen habe. Die Befristung sei auch wirksam. Aus den Gesamtumständen werde deutlich, dass die Personalfachkraft R bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrags eine eigene Willenserklärung in fremdem Namen abgegeben habe. Herr R sei berechtigt, Arbeitsverträge zu unterschreiben. Die Zeichnungsbefugnis sei der Klägerin bekannt gewesen. Unterzeichnet werde aufgrund des behördlichen Aufbaus der Beklagten stets „Im Auftrag“, wie es die Amtsverfügung Nr. 01/2006 des Leiters der Familienkasse Direktion vom 20. September 2006 vorgebe. Lediglich der ständige Vertreter des Dienststellenleiters, der in der Dienststelle Familienkasse nicht bestellt sei, zeichne aus hierarchischen Gründen „In Vertretung“. Die Klägerin habe um die Vertreterstellung von Herrn R gewusst, zumal er seit Beginn des Arbeitsverhältnisses als Vertreter der Beklagten aufgetreten sei.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage ohne Hinweis nach § 17 Satz 2 TzBfG, § 6 Satz 2 KSchG abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Befristungskontrollklage zu Recht abgewiesen. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund seiner zeitlichen Höchstbefristung am 30. Dezember 2008. Die Kalenderbefristung ist durch den Sachgrund der Vertretung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG sachlich gerechtfertigt. Sie ist nicht aus anderen Gründen unwirksam. Das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG ist gewahrt. Der Personalrat musste der Befristung nicht zustimmen. Die Kombination aus Zeit- und Zweckbefristung oder auflösender Bedingung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch die Rüge der fehlenden Vertretungsmacht von Herrn R führt nicht zum Erfolg der Klage. Der Senat hat nicht über den unechten Hilfsantrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung zu entscheiden, der nur für den Fall des Erfolgs des Befristungskontrollantrags gestellt ist.

12

A. Der Befristungskontrollantrag ist nach gebotener Auslegung zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin wendet sich allein gegen die zeitliche Höchstbefristung des Arbeitsverhältnisses bis 30. Dezember 2008.

13

B. Der Befristungskontrollantrag ist unbegründet. Die Kalenderbefristung (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, § 15 Abs. 1 TzBfG) ist wirksam.

14

I. Die Klägerin hat die dreiwöchige Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG gewahrt. Sie hat innerhalb dieser Frist keinen Verstoß gegen das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG gerügt. Der Senat kann offenlassen, ob die Klägerin den Unwirksamkeitsgrund des Schriftformmangels innerhalb der verlängerten Anrufungsfrist der § 17 Satz 2 TzBfG, § 6 Satz 1 KSchG geltend gemacht hat. Letztlich kann auch dahinstehen, ob das Arbeitsgericht seine Hinweispflicht aus § 17 Satz 2 TzBfG, § 6 Satz 2 KSchG verletzt hat. Das Landesarbeitsgericht hat jedenfalls zutreffend einen Verstoß gegen § 14 Abs. 4 TzBfG verneint.

15

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Befristungsabrede das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG nicht verletzt. Diese Prüfung war ihm entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verwehrt. Es musste die Sache nicht an das Arbeitsgericht zurückverweisen.

16

a) Nach § 17 Satz 2 TzBfG ist § 6 KSchG entsprechend anzuwenden. Die entsprechende Anwendung des § 6 Satz 1 KSchG nach § 17 Satz 2 TzBfG hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz die Unwirksamkeit der Befristung aus anderen Gründen als denjenigen geltend machen kann, die er innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist benannt hat. Auch im Befristungskontrollrecht muss der Arbeitnehmer alle anderen Unwirksamkeitsgründe grundsätzlich im ersten Rechtszug geltend machen. Eine andere Würdigung als im Kündigungsschutzrecht ist wegen des identischen Zwecks der Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG und der entsprechenden Anwendung der verlängerten Anrufungsfrist nach § 17 Satz 2 TzBfG, § 6 Satz 1 KSchG nicht geboten.

17

aa) Das Erfordernis der fristgebundenen Befristungskontrollklage schützt die Interessen des Arbeitgebers und des Rechtsverkehrs an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit (vgl. BAG 6. April 2011 - 7 AZR 704/09 - Rn. 21, DB 2011, 1756; 9. Februar 2011 - 7 AZR 221/10 - Rn. 21 und 25, NZA 2011, 854). Dem Streitgegenstand der Befristungskontrollklage unterliegen seit Inkrafttreten des § 17 Satz 1 TzBfG am 1. Januar 2001 - und schon zuvor nach seiner Vorgängerregelung in § 1 Abs. 5 BeschFG 1996 -(fast) alle Unwirksamkeitsgründe.

18

bb) Seit Inkrafttreten des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt am 1. Januar 2004 (BGBl. I S. 3002) ist der Geltungsbereich der Klagefrist in beiden Rechtsgebieten, dem Kündigungsschutzrecht und dem Befristungskontrollrecht, insofern weitgehend parallel ausgestaltet, als die Dreiwochenfrist in beiden Bereichen (fast) alle Unwirksamkeitsgründe erfasst. Abweichend vom Wortlaut des § 4 Satz 1 KSchG, der eine schriftliche Kündigung verlangt, knüpft § 17 Satz 1 TzBfG nicht an eine schriftliche Befristungsvereinbarung an. Der Arbeitnehmer muss die dreiwöchige Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG auch dann wahren, wenn er sich gegen die Wirksamkeit der Befristung mit der Begründung wehrt, die Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG sei nicht eingehalten. Wortlaut, Zusammenhang, Zweck und Geschichte der Regelung des § 17 Satz 1 TzBfG lassen keine einschränkende Auslegung zu, die den Schriftformverstoß nicht der Klagefrist unterwirft(vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 21; im Ergebnis ebenso zB APS/Backhaus 3. Aufl. § 17 TzBfG Rn. 12; KR/Bader 9. Aufl. § 17 TzBfG Rn. 5; Arnold/Gräfl/Spinner TzBfG 2. Aufl. § 17 TzBfG Rn. 4).

19

cc) Demnach muss der Arbeitnehmer den Verstoß gegen die Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG nach rechtzeitiger Klageerhebung aus anderen Gründen spätestens in der verlängerten Anrufungsfrist der § 17 Satz 2 TzBfG, § 6 Satz 1 KSchG geltend machen. Sonst ist er mit dieser Rüge ausgeschlossen (vgl. Hk-TzBfG/Boecken 2. Aufl. § 14 Rn. 167; Dörner Der befristete Arbeitsvertrag 2. Aufl. Rn. 93; Arnold/Gräfl/Gräfl § 14 TzBfG Rn. 382; ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 17 TzBfG Rn. 11; Schlachter in Laux/Schlachter TzBfG 2. Aufl. § 17 TzBfG Rn. 5; nicht ausdrücklich behandelt für eine Rüge des Schriftformverstoßes erst in der Revisionsinstanz von BAG 25. März 2009 - 7 AZR 59/08 - Rn. 28, ZTR 2009, 441 ).

20

b) Der Arbeitnehmer ist allerdings nicht damit ausgeschlossen, einen Unwirksamkeitsgrund geltend zu machen, wenn das Arbeitsgericht seine Hinweispflicht aus § 17 Satz 2 TzBfG, § 6 Satz 2 KSchG verletzt hat. In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer den erstinstanzlich nicht geltend gemachten Unwirksamkeitsgrund noch in das Berufungsverfahren einführen (vgl. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Zweiten Senats BAG 16. April 2003 - 7 AZR 119/02 - zu I 3 d aa der Gründe, BAGE 106, 72 im Rahmen einer entsprechenden Anwendung des § 6 Satz 1 KSchG aF nach § 17 Satz 2 TzBfG).

21

2. Im Streitfall kann im Ergebnis offenbleiben, welche Anforderungen an eine Geltendmachung weiterer Unwirksamkeitsgründe iSv. § 17 Satz 2 TzBfG, § 6 Satz 1 KSchG zu stellen sind(vgl. die strengen Anforderungen von BAG 8. November 2007 - 2 AZR 314/06 - Rn. 18 ff., BAGE 124, 367). Es kann auch dahinstehen, ob die Klägerin die mangelnde Schriftform und die fehlende Vertretungsbefugnis von Herrn R im ersten Rechtszug geltend gemacht hat. Sollte die Klägerin den Unwirksamkeitsgrund in erster Instanz nicht geltend gemacht haben, kann ferner auf sich beruhen, nach welchen Maßstäben sich die Hinweispflicht des Arbeitsgerichts richtet (vgl. dazu APS/Ascheid/Hesse § 6 KSchG Rn. 22; KR/Friedrich § 6 KSchG Rn. 31; ErfK/Kiel § 6 KSchG Rn. 6 mwN). Sollte das Arbeitsgericht nicht gegen seine Hinweispflicht nach § 17 Satz 2 TzBfG, § 6 Satz 2 KSchG verstoßen haben, wäre die Klägerin ohnehin damit ausgeschlossen, sich auf andere als die in erster Instanz geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe zu berufen. Der Senat kann jedoch zugunsten der Klägerin unterstellen, dass das Arbeitsgericht seine Hinweispflicht verletzt hat. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht in eigener Prüfungskompetenz angenommen, jedenfalls sei das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG gewahrt.

22

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, selbst zur Sachentscheidung über den Unwirksamkeitsgrund des § 14 Abs. 4 TzBfG befugt zu sein. Es musste die Sache nicht an das Arbeitsgericht zurückverweisen.

23

aa) Das Bundesarbeitsgericht hat über die Frage der Pflicht des Landesarbeitsgerichts zur Zurückverweisung der Sache an das Arbeitsgericht bei Verstoß gegen die Hinweispflicht bisher erst einmal tragend entschieden.

24

(1) So hat es in einem älteren, noch zu § 5 KSchG in der Fassung vor der Umnummerierung durch das Kündigungsschutzgesetz 1969 ergangenen Urteil vom 30. November 1961 ausgeführt, das Landesarbeitsgericht habe die Sache an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen (- 2 AZR 295/61 - zu 4 und 5 der Gründe, BAGE 12, 75). § 5 KSchG in der damaligen Fassung entsprach der Fassung des § 6 KSchG vor Inkrafttreten des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 am 1. Januar 2004 (BGBl. I S. 3002). Der Zweite Senat hat in dieser älteren Entscheidung vor allem damit argumentiert, dass zum Streit über die Wirksamkeit einer Kündigung zwei Tatsacheninstanzen zur Verfügung stehen sollten. Die Zurückverweisung der Sache durch das Berufungsgericht an das Arbeitsgericht sei nicht schlechthin verboten. Die Auslegung des § 68 ArbGG dürfe nicht am Wortlaut haften. Der Beschleunigungszweck dieser Vorschrift müsse zurücktreten, wenn eine Korrektur durch das Berufungsgericht ausscheide und der Arbeitnehmer ohne Zurückverweisung nicht vor dem Verfahrensverstoß geschützt werden könne.

25

(2) In späteren Entscheidungen haben der Zweite und der Siebte Senat die Frage der Zurückverweisungspflicht bei Verletzung der Hinweispflicht dagegen offengelassen (vgl. zu § 6 KSchG nF: BAG 8. November 2007 - 2 AZR 314/06 - Rn. 21 mwN, BAGE 124, 367; noch zu § 6 KSchG aF: 12. Mai 2005 - 2 AZR 426/04 - zu B II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 53 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 70; 16. April 2003 - 7 AZR 119/02 - zu I 3 d bb der Gründe, BAGE 106, 72). Der Zweite Senat hat sich in der jüngsten zitierten Entscheidung vom 8. November 2007 (aaO) allerdings tendenziell für eine eigene Entscheidungsbefugnis des Berufungsgerichts ausgesprochen („… oder ob es - wofür einiges sprechen mag - zu einer eigenen Entscheidung befugt ist …“; offengelassen auch von LAG Berlin-Brandenburg 3. Juni 2010 - 26 Sa 263/10 - zu II 2 b bb der Gründe, LAGE KSchG § 6 Nr. 5).

26

bb) Das Schrifttum ist in der Frage des Zurückverweisungserfordernisses bei Verletzung der Hinweispflicht des § 6 Satz 2 KSchG gespalten. Ein Teil der kündigungsschutzrechtlichen Literatur hält die Zurückverweisung für geboten (vgl. etwa APS/Ascheid/Hesse § 6 KSchG Rn. 28; ErfK/Kiel § 6 KSchG Rn. 7; Löwisch/Spinner 9. Aufl. § 6 Rn. 13; SPV/Vossen 10. Aufl. Rn. 1942 mwN). Ein anderer Teil lehnt sie - zumindest nach neuem Recht - ab (vgl. bspw. Bader NZA 2004, 65, 69; Bayreuther ZfA 2005, 391, 401 f.; KR/Friedrich § 6 KSchG Rn. 38; HaKo/Gallner 3. Aufl. § 6 KSchG Rn. 26; von Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 6 Rn. 15; Raab RdA 2004, 321, 329). Die befristungskontrollrechtliche Literatur befürwortet zum Teil eine eigene Sachentscheidungsbefugnis des Landesarbeitsgerichts (vgl. APS/Backhaus § 17 TzBfG Rn. 60a).

27

cc) Jedenfalls seit der Neufassung des § 6 Satz 1 KSchG durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt sprechen im Bereich der unmittelbaren Anwendung der Norm im Kündigungsschutzrecht die besseren Gründe für eine eigene Sachentscheidungsbefugnis des Berufungsgerichts. Das gilt erst recht für die Befristungskontrollklage, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt hat.

28

(1) § 6 Satz 1 KSchG erfasst seit der Kündigungsschutznovelle in seiner unmittelbaren Anwendung nicht länger einen Antragswechsel vom allgemeinen Feststellungsantrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO zum punktuellen Antrag oder - in Analogie zu § 6 Satz 1 KSchG - den umgekehrten Wechsel. Es kommt im Regelfall auch nicht zu einer objektiven Häufung (§ 260 ZPO) von punktuellem und allgemeinem Streitgegenstand. § 6 Satz 1 KSchG nF ermöglicht es vielmehr nur, weitere Unwirksamkeitsgründe in den Rechtsstreit einzubringen. Der - punktuelle - Streitgegenstand bleibt derselbe. Das Berufungsgericht kann den Verstoß des Arbeitsgerichts gegen § 6 Satz 2 KSchG iVm. § 139 Abs. 2 ZPO ohne Weiteres beheben, indem es als zweite Tatsacheninstanz die notwendige ergänzende Sachaufklärung betreibt, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4, § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO(vgl. Bader NZA 2004, 65, 69; Bayreuther ZfA 2005, 391, 402; KR/Friedrich § 6 KSchG Rn. 38; von Hoyningen-Huene/Linck § 6 Rn. 15).

29

(2) Auf eine eigene Sachentscheidungsbefugnis des Berufungsgerichts deuten auch der Wortlaut des § 6 Satz 2 KSchG und der des § 68 ArbGG hin. § 6 Satz 2 KSchG gibt nicht vor, wie nach einem Verstoß gegen die Hinweispflicht durch das Arbeitsgericht zu verfahren ist. § 68 ArbGG trifft demgegenüber die unzweideutige Aussage, dass die Zurückverweisung der Sache wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts nicht zulässig ist. Davon ist nur dann abzuweichen, wenn es sich um einen Verfahrensmangel handelt, der im zweiten Rechtszug nicht mehr korrigiert werden kann (vgl. GMP/Germelmann 7. Aufl. § 68 Rn. 4).

30

(3) Für eine eigene Sachentscheidungsbefugnis des Landesarbeitsgerichts spricht entscheidend der allgemeine arbeitsgerichtliche Beschleunigungsgrundsatz, der für Bestandsschutzstreitigkeiten - also auch für Befristungskontrollklagen - in besonderem Maß gilt (vgl. §§ 61a, 64 Abs. 8 ArbGG). Der Beschleunigungsgedanke drückt sich ferner in dem Zurückverweisungsverbot des § 68 ArbGG aus. Er geht auch aus der Begründung der Neufassung des § 6 Satz 1 KSchG durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt hervor(vgl. BT-Drucks. 15/1204 S. 13). Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Parteien „verlören“ bei einer eigenen Sachentscheidung des Landesarbeitsgerichts „eine Tatsacheninstanz“. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt nicht zwingend einen mehrstufigen Instanzenzug. Das Grundgesetz garantiert sowohl in Art. 19 Abs. 4 als auch im Rahmen des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs nur, dass der Rechtsweg, dh. der Zugang zu Gericht eröffnet ist. Grundsätzlich reicht es aus, dass die Rechtsordnung eine einmalige Möglichkeit vorsieht, um eine gerichtliche Entscheidung zu erwirken. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen zu entscheiden, ob es bei einer Instanz bleiben soll, ob mehrere Instanzen bereitgestellt werden und unter welchen Voraussetzungen sie angerufen werden können (vgl. BVerfG 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - [Fachgerichtlicher Rechtsschutz] zu C I 2 a der Gründe, BVerfGE 107, 395; siehe auch Bayreuther ZfA 2005, 391, 402). Verstößt das Arbeitsgericht gegen die Hinweispflicht der § 17 Satz 2 TzBfG, § 6 Satz 2 KSchG, hat das Landesarbeitsgericht daher selbst zu prüfen, ob die Befristung des Arbeitsvertrags gegen weitere Unwirksamkeitsgründe verstößt, die im zweiten Rechtszug geltend gemacht worden sind. Es muss die Sache nicht an das Arbeitsgericht zurückverweisen.

31

b) Die Befristung des Arbeitsvertrags vom 11. Juni 2008 wahrt das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG.

32

aa) Die von § 14 Abs. 4 TzBfG für die Befristung von Arbeitsverträgen vorgeschriebene Schriftform erfordert nach § 126 Abs. 1 BGB, dass die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet wird. Bei einem Vertrag wie einer Befristungsabrede müssen die Parteien nach § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB regelmäßig auf derselben Urkunde unterzeichnen. Wird ein Vertrag für eine Vertragspartei von einem Vertreter iSv. § 164 Abs. 1 BGB unterzeichnet, muss das Vertretungsverhältnis in der Vertragsurkunde deutlich zum Ausdruck kommen. Das kann insbesondere durch einen entsprechenden Zusatz bei der Unterschrift erfolgen. Für die Frage, ob jemand eine Erklärung in fremdem Namen abgibt, kommt es auf deren objektiven Erklärungswert an. Nach §§ 133, 157 BGB ist maßgeblich, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen darf. Dabei sind außer dem Erklärungswortlaut alle Umstände zu berücksichtigen, die unter Beachtung der Verkehrssitte Schlüsse auf den Sinn der Erklärung zulassen. Von Bedeutung sind insbesondere die dem Rechtsverhältnis zugrunde liegenden Lebensverhältnisse, die Interessenlage, der Geschäftsbereich, dem der Erklärungsgegenstand angehört, und verkehrstypische Verhaltensweisen. Die gesetzliche Schriftform (§ 126 BGB) ist nur gewahrt, wenn der ermittelte rechtsgeschäftliche Vertretungswille in der Urkunde jedenfalls andeutungsweise Ausdruck gefunden hat (vgl. BAG 25. März 2009 - 7 AZR 59/08 - Rn. 30 mwN, ZTR 2009, 441; 13. Dezember 2007 - 6 AZR 145/07 - Rn. 14 mwN, BAGE 125, 208).

33

bb) Ist eine Erklärung mit dem Zusatz „Im Auftrag“ unterschrieben, kann das im Einzelfall dafür sprechen, dass der Unterzeichner nicht selbst handelnd wie ein Vertreter die Verantwortung für den Inhalt der von ihm unterzeichneten Erklärung übernehmen will. Der Zusatz „In Vertretung“ deutet demgegenüber darauf hin, dass der Erklärende selbst für den Vertretenen handelt. Bei der nach §§ 133, 157 BGB gebotenen Auslegung der Erklärung ist aber zu berücksichtigen, dass im allgemeinen, unjuristischen Sprachgebrauch nicht immer hinreichend zwischen „Auftrag“ und „Vertretung“ unterschieden wird(vgl. Klein NZA 2004, 1198, 1200). Die Zusätze „In Vertretung“ und „Im Auftrag“ werden häufig nur verwendet, um unterschiedliche Hierarchieebenen auszudrücken. Das zeigt sich hier deutlich an Nr. 3 Abs. 1 aE der Amtsverfügung Nr. 01/2006 des Leiters der Familienkasse Direktion vom 20. September 2006 und der Regelung der Zeichnungsbefugnis in Nr. 3 des Anhangs 1 zu dieser Amtsverfügung. Deswegen folgt nicht allein aus dem Zusatz „Im Auftrag“, dass der Erklärende lediglich als Bote und nicht als Vertreter gehandelt hat. Maßgeblich sind vielmehr die Gesamtumstände. Ergibt sich daraus, dass der Unterzeichner die Erklärung ersichtlich im Namen eines anderen abgegeben hat, ist von einem Handeln als Vertreter auszugehen. Für die Wahrung der Schriftform kommt es nicht darauf an, ob der Unterzeichner tatsächlich bevollmächtigt war (vgl. BAG 25. März 2009 - 7 AZR 59/08 - Rn. 31 mwN, ZTR 2009, 441; 13. Dezember 2007 - 6 AZR 145/07 - Rn. 15 mwN, BAGE 125, 208).

34

cc) Nach diesen Grundsätzen ist die Schriftform für die Befristung des Arbeitsvertrags vom 11. Juni 2008 gewahrt. Der Vertrag ist von der Klägerin und für die Beklagte von der Fachkraft in Personalangelegenheiten R unterzeichnet. Herr R unterschrieb den Vertrag erkennbar in Vertretung der Beklagten und handelte nicht nur als Erklärungsbote. Der Senat braucht nicht darüber zu befinden, ob es sich bei der Befristungsabrede in § 1 des Arbeitsvertrags vom 11. Juni 2008 um eine typische oder eine atypische Vertragsbestimmung handelt. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts hält selbst einer uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Auslegungstatsachen stehen fest.

35

(1) Der Wille, für die Beklagte zu handeln, ergibt sich bereits aus dem äußeren Erscheinungsbild des Arbeitsvertrags. Er ist nach seinem Kopf geschlossen zwischen der Klägerin und der Beklagten, vertreten durch den Leiter der Familienkasse. Herr R unterschrieb den Vertrag nach dem Unterschriftenzusatz für den Personalservice der Familienkasse.

36

(2) Herr R überbrachte keine fremde Erklärung als Bote in einem gesonderten Schriftstück. Botenerklärungen werden häufig in Textform (§ 126b BGB) mit einem separaten Schriftstück, zB einem Begleitschreiben, versehen, das den Aussteller erkennen lässt (vgl. BAG 25. März 2009 - 7 AZR 59/08 - Rn. 33, ZTR 2009, 441; 13. Dezember 2007 - 6 AZR 145/07 - Rn. 19, BAGE 125, 208). Ein solches Begleitschreiben fehlt hier.

37

(3) Auch aus den früheren Arbeitsverträgen der Parteien ergibt sich, dass Herr R erkennbar eine eigene Erklärung in Vertretung für die Beklagte abgeben wollte. Der Arbeitsvertrag von Dezember 2006, die Änderungsvereinbarung vom 27. April 2007 und der weitere Arbeitsvertrag vom 27. Juni 2007 enthielten über der Unterschrift von Herrn R den Text „Für den Leiter der Familienkasse Im Auftrag“. Daran wird deutlich, dass eine Unterzeichnung in Vertretung für die Beklagte erfolgen und nicht lediglich eine Botenerklärung überbracht werden sollte. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zuzustimmen, dass „für“ eine andere Person nicht unterzeichnet wird, wenn eine Erklärung als Bote überbracht wird. Im letzten Arbeitsvertrag vom 11. Juni 2008 ist der Unterschriftenzusatz „Für den Leiter der Familienkasse“ zwar nicht mehr enthalten. Mit Blick auf die Unterzeichnung aller Arbeitsverträge durch Herrn R musste die Klägerin aber entgegen der Auffassung der Revision davon ausgehen, dass er auch den letzten Arbeitsvertrag als Vertreter der Beklagten unterzeichnen wollte. Dafür spricht der Umstand, dass sich unter seiner Unterschrift - wie bei der Änderungsvereinbarung vom 27. April 2007 und dem Arbeitsvertrag vom 27. Juni 2007 - der Zusatz „Personalservice der Familienkasse“ befand. Auch der begleitende Vermerk vom 30. Mai 2008 wurde von Herrn R unterschrieben. Der Kopf des Vertrags vom 11. Juni 2008 entsprach mit der Formulierung „vertreten durch den Leiter der Familienkasse“ den bisherigen Verträgen.

38

(4) Einer ausreichenden Erkennbarkeit des von Herrn R gewollten Vertretungsverhältnisses in der Vertragsurkunde, die dem Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG genügt, läuft nicht zuwider, dass der Personalservice in Rh bei Einstellungen nur die vom Internen Service Personal in N getroffenen Entscheidungen umsetzt. Eine bereits getroffene Einstellungsentscheidung wird durch den Vertragsschluss umgesetzt. Sie kann mit dem Willen zum Handeln in fremdem Namen erfolgen.

39

II. Die Befristung ist nicht aus personalvertretungsrechtlichen Gründen unwirksam.

40

1. Es spricht viel dafür, dass die Klägerin den Unwirksamkeitsgrund der fehlerhaften Beteiligung des Personalrats in erster Instanz nicht ansatzweise iSv. § 17 Satz 2 TzBfG, § 6 Satz 1 KSchG geltend gemacht und das Arbeitsgericht nicht gegen seine Hinweispflicht aus § 17 Satz 2 TzBfG, § 6 Satz 2 KSchG verstoßen hat.

41

2. Die Fragen können auf sich beruhen. Die Befristung ist nicht aus personalvertretungsrechtlichen Gründen unwirksam. In den Dienststellen der beklagten Bundesagentur für Arbeit findet das Bundespersonalvertretungsgesetz Anwendung. Nach § 75 Abs. 1 BPersVG in der bei Vertragsschluss am 11. Juni 2008 geltenden Fassung vom 14. September 2005 hatte der Personalrat bei der Befristung von Arbeitsverträgen nicht mitzubestimmen. Im Übrigen sah auch § 72 Abs. 1 Satz 1 LPVG NW in der Fassung, die vom 17. Oktober 2007 bis 31. März 2009 galt, kein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei Befristungen vor. Die zu Beginn der Berufungsinstanz von der Klägerin erhobene Rüge eines Verstoßes gegen § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LPVG NW war darauf zurückzuführen, dass sie irrtümlich die bei Vertragsschluss schon außer Kraft getretene Fassung des LPVG NW herangezogen hatte, die in der Zeit vom 1. Januar 2004 bis 16. Oktober 2007 galt. Die Klägerin hat diese Rüge nach einem Hinweis des Landesarbeitsgerichts fallen gelassen.

42

III. Die Rüge der Klägerin, Herr R habe nicht die für den Abschluss des letzten Arbeitsvertrags vom 11. Juni 2008 erforderliche Vertretungsmacht gehabt, führt nicht zum Erfolg der Klage. Sollte Herr R Vertretungsmacht gehabt haben, wäre der Einwand der Klägerin unbegründet. Sollte er dagegen Vertreter ohne Vertretungsmacht gewesen sein, wäre die Klage unschlüssig. Es wäre nicht zu einem Vertragsschluss, sondern nur zu einem faktischen Arbeitsverhältnis gekommen.

43

IV. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Befristung sei nicht deswegen unwirksam, weil die Parteien in § 1 des Arbeitsvertrags vom 11. Juni 2008 eine Zweckbefristung iSv. § 15 Abs. 2 TzBfG oder eine auflösende Bedingung iSv. § 21 TzBfG mit einer zeitlichen Höchstbefristung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 TzBfG, § 15 Abs. 1 TzBfG verbunden hätten.

44

1. Der Senat braucht nicht darüber zu entscheiden, ob es sich bei der Vereinbarung in § 1 des Arbeitsvertrags vom 11. Juni 2008 um eine typische oder eine atypische Vertragsbestimmung handelt. Während die Auslegung einer typischen Regelung revisionsrechtlich uneingeschränkt überprüfbar ist, kann eine atypische Bestimmung nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Landesarbeitsgericht die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB richtig angewandt, nicht gegen Denkgesetze sowie allgemeine Erfahrungssätze verstoßen und den für die Auslegung maßgeblichen Tatsachenstoff vollständig verwertet hat(vgl. im Zusammenhang der sog. Doppelbefristung BAG 16. Juli 2008 - 7 AZR 322/07 - Rn. 13). Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts hält auch einer uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

45

2. Das Landesarbeitsgericht ist richtig davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis zweckbefristet - oder auflösend bedingt - mit dem Ende der Beauftragung von Herrn B enden sollte, zeitbefristet spätestens am 30. Dezember 2008.

46

a) Eine solche Kombination oder auch sog. Doppelbefristung ist grundsätzlich zulässig (vgl. BAG 15. August 2001 - 7 AZR 263/00 - zu B II 3 b der Gründe, BAGE 98, 337; in jüngerer Vergangenheit mittelbar auch BAG 18. Juni 2008 - 7 AZR 214/07 - Rn. 15, AP TzBfG § 14 Nr. 50 = EzA TzBfG § 14 Nr. 50). Die Wirksamkeit der Zweckbefristung oder der auflösenden Bedingung und der Höchstbefristung sind rechtlich getrennt zu beurteilen. Eine mögliche Unwirksamkeit der Zweckbefristung oder der auflösenden Bedingung hat auf die zugleich vereinbarte Zeitbefristung keinen Einfluss. Sie führt nur dazu, dass das Arbeitsverhältnis nicht bereits aufgrund der möglichen früheren Zweckerreichung endet, sondern bis zum Ablauf der vorgesehenen Höchstfrist fortbesteht. Wurde das Arbeitsverhältnis bis zu diesem Zeitpunkt fortgesetzt, gewinnt die Zweckbefristung oder auflösende Bedingung keine Bedeutung (vgl. BAG 15. August 2001 - 7 AZR 263/00 - aaO mwN).

47

b) Das ist hier der Fall. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde bis 30. Dezember 2008 und damit bis zum Ablauf der kalendermäßig vereinbarten Höchstfrist fortgesetzt. Die Parteien streiten lediglich über dieses Befristungsende.

48

V. Die Befristung ist schließlich nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG sachlich gerechtfertigt.

49

1. Der Senat ist revisionsrechtlich nicht an dieser Prüfung gehindert, obwohl die Klägerin den aus ihrer Sicht fehlenden Sachgrund nur in erster Instanz beanstandet und die Rüge seit dem zweiten Rechtszug nicht weiterverfolgt hat. Die Klägerin greift mit der Revisionsbegründung lediglich Verstöße gegen § 14 Abs. 4, § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 6 Satz 2 KSchG, §§ 164 ff. BGB und die fehlende Sachentscheidungsbefugnis des Landesarbeitsgerichts an. Diese Rügen sind für die Zulässigkeit der Revision erforderlich (§ 73 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Sie binden das Revisionsgericht nach § 557 Abs. 3 Satz 1 ZPO innerhalb desselben Streitgegenstands aber nicht an die geltend gemachten materiellen Revisionsgründe. Bei einer fehlerhaften Rechtsanwendung ist das angefochtene Urteil auch dann aufzuheben, wenn ein materieller Mangel oder ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensfehler nicht gerügt ist (vgl. für die st. Rspr. BAG 15. April 2008 - 9 AZR 159/07 - Rn. 34 mwN, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 38 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 21).

50

2. Die Befristungsabrede im letzten Arbeitsvertrag vom 11. Juni 2008 ist durch den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gerechtfertigt.

51

a) Ein sachlicher Grund liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Der Sachgrund der Vertretung setzt nicht voraus, dass der befristet zur Vertretung eingestellte Arbeitnehmer die vorübergehend ausfallende Stammkraft unmittelbar vertritt und die von ihr bislang ausgeübten Tätigkeiten erledigt. Der Vertreter kann auch mit anderen Aufgaben betraut werden (vgl. zB BAG 12. Januar 2011 - 7 AZR 194/09 - Rn. 15 mwN, NZA 2011, 507). Werden dem befristet beschäftigten Arbeitnehmer ohne tatsächliche Neuverteilung der Arbeitsaufgaben Tätigkeiten zugewiesen, die der vertretene Beschäftigte zu keinem Zeitpunkt ausgeübt hat, besteht der erforderliche Kausalzusammenhang, wenn der Arbeitgeber tatsächlich und rechtlich in der Lage wäre, dem vorübergehend abwesenden Beschäftigten im Fall seiner Weiterarbeit nicht seine bisherigen Tätigkeiten, sondern den Aufgabenbereich des Vertreters zu übertragen. Um den Kausalzusammenhang zwischen der zeitweiligen Arbeitsverhinderung der Stammkraft und der Einstellung der Vertretungskraft darzulegen, ist außerdem erforderlich, dass der Arbeitgeber bei Vertragsschluss mit dem Vertreter dessen Aufgaben einem oder mehreren vorübergehend abwesenden Beschäftigten, etwa durch eine entsprechende Angabe im Arbeitsvertrag, erkennbar gedanklich zuordnet (vgl. BAG 12. Januar 2011 - 7 AZR 194/09 - aaO).

52

b) Die Vorinstanzen sind unter Berücksichtigung dieser Grundsätze rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Fall der Vertretung gegeben ist.

53

aa) Der für den Sachgrund der Vertretung erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Beauftragung des Arbeitnehmers G (früher: Be) mit den Aufgaben einer erkrankten Assistentin besteht. Die Klägerin sollte wie Herr G vor seiner Assistententätigkeit in der Funktion einer Registraturkraft tätig werden. Es kann offenbleiben, ob die Klägerin den Arbeitnehmer G unmittelbar vertreten oder auch Aufgaben anderer Beschäftigter „zur Überbrückung der Vakanz auf Registraturkräfteebene“ übernehmen sollte. Die Beklagte wäre rechtlich und tatsächlich in der Lage gewesen, die von der Klägerin versehenen Tätigkeiten dem Arbeitnehmer G zu übertragen, wenn er nicht mit der Funktion eines Assistenten beauftragt worden wäre. Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) war der Arbeitnehmer G vor seiner Beauftragung mit der höherwertigen Tätigkeit eines Assistenten als Registraturkraft in der Familienkasse Direktion beschäftigt. Die Klägerin wurde ebenfalls als Registraturkraft eingesetzt. Ihre Tätigkeit hätte dem Arbeitnehmer G nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses wieder übertragen werden können. Die befristete Übertragung der Aufgaben einer Registraturkraft an die Klägerin und der durch die Beauftragung des Arbeitnehmers G verursachte Vertretungsbedarf wurden durch die Angabe in § 1 des Arbeitsvertrags vom 11. Juni 2008 und die Erläuterungen im begleitenden Vermerk vom 30. Mai 2008 erkennbar verknüpft.

54

bb) Die Beklagte durfte von der Rückkehr Herrn Gs an den Arbeitsplatz einer Registraturkraft nach seiner Beauftragung als Assistent in der Zeit vom 1. Juli 2008 bis 30. Dezember 2008 ausgehen. Er hatte gegenüber der Beklagten nicht verbindlich erklärt, seine bisherigen Aufgaben als Registraturkraft mit dem Ende der Beauftragung nicht wieder aufnehmen zu wollen. Die Beklagte konnte und musste mit seiner Rückkehr auf Registraturkräfteebene rechnen. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin in erster Instanz den Vortrag der Beklagten bestritten hat, die von Herrn G vertretene, arbeitsunfähig erkrankte Assistentin werde wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Die Klägerin vertrat eine Arbeitskraft auf Registraturkräfte-, nicht auf Assistentenebene. Herr G hatte seine Rückkehr nicht verbindlich abgelehnt, zumal die Beklagte ihm die höherwertigen Aufgaben eines Assistenten über die Dauer der befristeten Beauftragung hinaus aus Rechtsgründen nicht ohne sein Einverständnis hätte übertragen können. Dem Arbeitnehmer können andere Tätigkeiten nur durch Weisung iSv. § 106 Satz 1 GewO zugewiesen werden, soweit sie die Merkmale seiner Vergütungsgruppe erfüllen(vgl. BAG 12. Januar 2011 - 7 AZR 194/09 - Rn. 19 mwN, NZA 2011, 507).

55

cc) Aus der Befristungs(-höchst)dauer vom 1. Juli 2008 bis 30. Dezember 2008 ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der geltend gemachte Sachgrund der Vertretung vorgeschoben ist. Die Befristungsdauer deckt sich mit der befristeten Beauftragung des Arbeitnehmers G mit der Assistententätigkeit. Auch die früheren, für die Zeit ab 1. März 2006 geschlossenen Arbeitsverträge deuten nicht auf einen Missbrauch der Befristungsmöglichkeiten hin. Die Klägerin wurde mit den früheren Verträgen nicht zur Vertretung von Herrn G beschäftigt. Die zu den Akten gereichten, im Dezember 2006 und unter dem 27. Juni 2007 geschlossenen Arbeitsverträge sehen die Vertretung einer anderen Arbeitnehmerin - von Frau L - vor.

56

C. Der auf Weiterbeschäftigung gerichtete Klageantrag zu 2. fällt nicht zur Entscheidung des Senats an. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag zutreffend dahin ausgelegt, dass die Klägerin ihre vorläufige Weiterbeschäftigung für die Dauer dieses Rechtsstreits geltend macht. Der Weiterbeschäftigungsantrag steht damit unter der innerprozessualen Bedingung des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1. Die Bedingung ist nicht eingetreten.

57

D. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

    Gallner    

        

        

        

    Holzhausen    

        

    Donath    

                 

Will der Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung nicht beendet ist. Die §§ 5 bis 7 des Kündigungsschutzgesetzes gelten entsprechend. Wird das Arbeitsverhältnis nach dem vereinbarten Ende fortgesetzt, so beginnt die Frist nach Satz 1 mit dem Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung beendet sei.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.