Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 14. Jan. 2016 - 5 SaGa 9/15
Gericht
Tenor
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 2. September 2015, Az. 3 Ga 19/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Verfügungsklägerin will Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse mit einstweiliger Verfügung durch Unterlassungsansprüche schützen.
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Die Verfügungsklägerin (kurz: Klägerin) produziert Sägetechnik, sie beschäftigt ca. 60 Arbeitnehmer. Ab 17.06.2013 stellte sie den 1968 geborenen Verfügungsbeklagten (kurz: Beklagter) als Meister und QM-Beauftragten ein, zum 01.05.2014 ernannte sie ihn zum Betriebsleiter Technik. Seine Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt € 4.860,-. Mit Schreiben vom 22.06.2015 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.07.2015. Dagegen hat der Beklagte Kündigungsschutzklage (Az. 3 Ca 842/15) erhoben. Im Kündigungsschreiben vom 22.06.2015 stellte die Klägerin den Beklagten mit sofortiger Wirkung unwiderruflich von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Außerdem forderte sie ihn auf, ua. den Schlüssel einschließlich Toröffner sowie alle Geschäftsunterlagen einschließlich elektronischer Dateien bis zum 24.06.2015 herauszugeben und keinerlei Kopien, Duplikate, Reproduktionen, Auszüge oder Aufzeichnungen zurückzubehalten. Nach Zugang der Kündigung begehrte der Beklagte vergeblich die Herausgabe von Aufzeichnungen über seine Arbeitszeit, um die von ihm behaupteten Überstunden ("im vierstelligen Bereich") beziffern und beweisen zu können. Inzwischen hat er eine Klage auf Zahlung von Überstundenvergütung iHv. ca. € 38.000,- brutto erhoben (Az. 1 Ca 1337/15).
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Am 29.07.2015 klingelte der Beklagte nachts gegen 0:30 Uhr am Betriebstor und veranlasste einen Arbeitnehmer der Nachtschicht, ihm Zutritt zu gewähren. Er begab sich in das Büro des Schichtleiters und hielt sich dort ca. eine Stunde auf. Die Klägerin konnte rekonstruieren, dass er sich von 0:34 bis 01:25 Uhr in ihr betriebliches EDV-System eingeloggt hatte. Der Beklagte räumt ein, dass er in dieser Nacht sowohl Daten heruntergeladen als auch gelöscht hat. Die Einzelheiten sind streitig.
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Die Klägerin befürchtet, dass der Beklagte streng vertrauliche Betriebsinterna an Dritte weitergibt, um sie zu schädigen. Sie stützt ihre Befürchtung ua. auf Äußerungen des Beklagten ggü. dem Zeugen H., die dieser in einer eidesstattlichen Versicherung vom 17.08.2015 - auszugsweise - wie folgt darstellt:
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"Nachdem der [Beklagte] durch die [Klägerin] im Juni 2015 die Kündigung erhalten hatte, wurde diese Kündigung und auch weitere Forderungen, die der [Beklagte] für sich beansprucht, in diversen Gesprächen … thematisiert. Dabei verwies er immer wieder darauf, dass er in der Zeit seiner Beschäftigung angeblich ca. 2.000 Überstunden geleistet habe, die er von der [Klägerin] in jedem Falle bezahlt haben wolle. Er berichtete in diesen Gesprächen auch, dass die [Klägerin] bzw. deren Geschäftsführer offenbar keine Bereitschaft zeigen würde, auf diese Forderung einzugehen.
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In diesem Zusammenhang erklärte er insbesondere in dem letzten Gespräch, das wir zu diesem Thema geführt haben, dass er diese Forderung aber auf jeden Fall gegen die [Klägerin] durchsetzen will und im Falle einer weiteren Zahlungsverweigerung, er der [Klägerin] erheblichen wirtschaftlichen Schaden, insbesondere durch Kontaktaufnahme mit Geschäftspartnern dieses Unternehmens zufügen wird. In diesem Zusammenhang erklärte [der Beklagte] mir gegenüber wörtlich: "Ich bin jetzt auch im Besitz aller notwendigen Betriebsunterlagen."
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Ich habe diese Erklärung so verstanden, dass der [Beklagte] diese in seinem Besitz befindlichen Unterlagen zum Nachteil der [Klägerin] auch durch die besagte Kontaktaufnahme mit Geschäftspartnern des Unternehmens verwenden will. …"
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Am 17.08.2015 beantragte die Klägerin beim Arbeitsgericht Trier den Erlass der einstweiligen Verfügung. Ein Hauptsacheverfahren leitete sie nicht ein.
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Die Verfügungsklägerin hat erstinstanzlich beantragt,
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dem Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines durch das Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,- ersatzweise, für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren)
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zu verbieten, ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritten mitzuteilen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen und/oder auf einem zur dauerhaften Speicherung geeigneten Datenträger, worunter insbesondere (aber nicht abschließend) USB-Sticks, Speicherkarten, Festplatten, Disketten-, CD-, DVD-, Bluray- und sonstige physische Laufwerke zählen, zu speichern, aufzubewahren oder in sonstiger Weise zu besitzen bzw. solche Datenträger Dritten zugänglich zu machen.
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Der Verfügungsbeklagte hat beantragt,
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den Antrag abzuweisen.
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Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Urteil vom 02.09.2015 abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, der Unterlassungsantrag sei mangels hinreichender Bestimmtheit iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig. Der Beklagte könne dem Antrag nicht entnehmen, welches Verhalten genau bzw. die Weitergabe welcher genauen Daten ihm untersagt werden soll.
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Gegen das am 04.09.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 21.09.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 03.11.2015 begründet. Sie macht geltend, ihr Hauptantrag sei zulässig, insb. hinreichend bestimmt. Die Frage, ob ein Unterlassungsantrag ausreichend bestimmt sei, sei mittels einer Abwägung im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Das Arbeitsgericht habe ihre berechtigten Interessen gänzlich außer Acht gelassen und eine Interessenabwägung nicht vorgenommen. Es habe nur die Interessen des Beklagten bewertet. Die Entscheidung sei darüber hinaus in sich widersprüchlich. Das Arbeitsgericht sei einerseits davon ausgegangen, dass der Begriff des "Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses" einer präzisen, durch die Rechtsprechung entwickelten, Definition unterliege, es habe andererseits die Auffassung vertreten, dass die in ihrem Antrag verwandten Begriffe "Betriebs- und Geschäftsgeheimnis" nicht präzise genug seien. Bei einer Benennung von konkreten Daten, Dateien, Dokumenten, Listen etc., die sie geschützt haben wolle, bestünde die Gefahr, dass sich diese Benennung im Nachhinein als nicht vollständig erweise und es so zu einer Umgehung des erlassenen Verbots durch den Beklagten komme. Dieses Risiko sei ihr nicht zuzumuten. Demgegenüber sei dem Beklagten zuzumuten, anhand der Definition zu überprüfen, ob es sich bei einer von ihm vorzunehmenden Handlung um die Verbreitung, Veröffentlichung bzw. Weitergabe eines geschützten Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisses handele. Schließlich könne sie nicht gezwungen werden, das zu schützende Geheimnis zu offenbaren, um dem Bestimmtheitserfordernis zu genügen. Dagegen spreche ihr schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse.
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Ihr Hauptantrag sei auch begründet. Dies werde durch den Inhalt der eidesstattlichen Versicherungen des Zeugen H. vom 17.08.2015, 12.10.2015 und 13.01.2016 bestätigt. Sollte der Beklagte seine Ankündigung in die Tat umsetzen, und die unrechtmäßig erlangten Daten veröffentlichen bzw. an Dritte weitergeben, drohe ihr ein erheblicher und nicht wiedergutzumachender Schaden, dem durch Erlass einer einstweiligen Verfügung begegnet werden müsse. Die Gefahr sei nicht dadurch beseitigt, dass der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren den Versuch unternommen habe, seine Äußerungen abzuschwächen.
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Nur vorsorglich und für den Fall, dass auch das Berufungsgericht ihren Hauptantrag für unbestimmt halten sollte, stelle sie zweitinstanzlich den Hilfsantrag. Hier habe sie ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die nicht verbreitet werden sollen, im Einzelnen beschrieben.
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Die Verfügungsklägerin beantragt zweitinstanzlich,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 02.09.2015, Az. 3 Ga 19/15, abzuändern und dem Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung
bei Meidung eines durch das Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Ordnungsgeldes bis zu € 250.000 ersatzweise, für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren)
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zu verbieten, ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritten mitzuteilen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen und/oder auf einem zur dauerhaften Speicherung geeigneten Datenträger, insbesondere (aber nicht abschließend) USB-Sticks, Speicherkarten, Festplatten, Disketten-, CD-, DVD-, Bluray- und sonstige physische Laufwerke zählen, zu speichern, aufzubewahren oder in sonstiger Weise zu besitzen bzw. solche Datenträger Dritten zugänglich zu machen.
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hilfsweise zu verbieten, ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse wie folgt:
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- nicht offenkundige Angaben über Materialgüte und Härtespezifikationen sowie Toleranzangaben des jeweiligen Materials zur Herstellung von Sägeblättern,
- nicht offenkundige Angaben über Vorrichtungen/Spannvorrichtungen zum Aufspannen der Sägeblätter auf CNC-Maschinen,
- nicht offenkundige Angaben über Geometrie und Spezifikationen von Fräsen und Diamant-Abrichtrollen zur Herstellung von Sägeblättern,
- nicht offenkundige Angaben über die Entwicklung neuer Fertigungsverfahren zur Optimierung des Produktionsprogramms "Hartfräsen",
- nicht offenkundige Angaben über Entwicklung neuer Fertigungsverfahren in der Stanz-Technologie,
- nicht offenkundige Angaben über die Induktivhärten von Kohlenstoffbändern/Stahlbändern,
- nicht offenkundige technische Zeichnungen aller Produkte, Werkzeuge, Vorrichtung sowie Material der Verfügungsklägerin,
- nicht offenkundige und vertrauliche Informationen zum Projekt "Rescut" zur Erarbeitung neuer Zahngeometrien bei der Fertigung hochfester Stähle in der Automobilindustrie,
- nicht offenkundige Angaben über ihre Preise und Preiskalkulationen sowie Lieferantenlisten,
- nicht offenkundige Verträge mit Kunden/Mitarbeitern,
- nicht offenkundige Statistiken und Kennzahlen über interne Bewertungskriterien zur Erstellung von Bilanzen der Verfügungsklägerin,
- nicht offenkundigen Schriftverkehr (über Outlook) mit ihren Lieferanten und Kunden sowie ihren betriebsinternen Schriftverkehr
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Dritten mitzuteilen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen und/oder auf einem zur dauerhaften Speicherung geeigneten Datenträger, insbesondere (aber nicht abschließend) USB-Sticks, Speicherkarten, Festplatten, Disketten-, CD-, DVD-, Bluray- und sonstige physische Laufwerke zählen, zu speichern, aufzubewahren oder in sonstiger Weise zu besitzen bzw. solche Datenträger Dritten zugänglich zu machen.
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Der Verfügungsbeklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er macht im Wesentlichen geltend, der Hauptantrag sei unzulässig; der Hilfsantrag sei verspätet und ebenfalls unzulässig. Er habe bereits in erster Instanz vorgetragen, dass er keine Betriebsgeheimnisse heruntergeladen habe. Er habe ggü. dem Zeugen H. geäußert, dass er auf jeden Fall seine Arbeitnehmerrechte - wie Überstunden - gegen die Klägerin durchsetzen werde. Da er vom Zeugen H. auf seinen Wissensstand über Firmeninterna angesprochen worden sei, habe er sich in seiner Wut über die Kündigung in Rage geredet und erklärt, dass er der Klägerin wirtschaftlichen Schaden zufügen "könnte". Im selben Atemzug habe er jedoch angefügt, dies sei eine Frage des Charakters, er wolle es keinesfalls darauf ankommen lassen, 65 Menschen den Arbeitsplatz zu nehmen. Er habe erklärt, dass er die ihm bekannten Informationen nicht an die entsprechenden Behörden weitergeben werde, er wolle nur das, was ihm zustehe.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Das Vorbringen der Verfügungsklägerin in der Berufungsinstanz rechtfertigt keine abändernde Entscheidung.
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1. Das Arbeitsgericht hat den Antrag, den die Verfügungsklägerin zweitinstanzlich als Hauptantrag weiterverfolgt, zu Recht abgewiesen. Der Antrag, dem Verfügungsbeklagten zu verbieten, ihre "Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse" an Dritte weiterzugeben, ist nicht hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und damit unzulässig.
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Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dürfen ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung - nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis nicht mehr klar umrissen sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist. Inhalt und Umfang eines beantragten Unterlassungsgebots müssen eindeutig feststehen, so dass der Gegner sein Verhalten im Hinblick auf die gem. § 890 Abs. 1 ZPO drohenden Ordnungsmittel nach dem gerichtlichen Unterlassungsurteil richten kann (st. Rspr., vgl. BAG 03.12.2008 - 5 AZR 469/07 - Rn. 11 mwN, ZTR 2009, 369).
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Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der im vorliegenden Verfahren (als Hauptantrag) gestellte Unterlassungsantrag diesen Anforderungen nicht entspricht. Zwar ist nicht zu verkennen, dass der Bestimmtheitsgrundsatz und der Geheimnisschutz im Einzelfall zu einem schwer aufzulösenden Gegensatz führen können. Ein Kläger braucht in seinem Klageantrag das zu schützende Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis deshalb nicht erst zu offenbaren. Jedoch müssen Klageantrag und Urteilsformel das Geheimnis jedenfalls so deutlich beschreiben, dass zu ersehen ist, was geschützt werden soll (vgl. BAG 30.09.2014 - 3 AZR 617/12 - Rn. 102, NZA 2015, 544; BAG 25.04.1989 - 3 AZR 35/88 - zu I 1 der Gründe, NZA 1989, 2340; Köhler/Bornkamm UWG 33. Aufl. § 17 Rn. 64 mwN). Daran fehlt es hier.
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2. Auch der zweitinstanzlich gestellte Hilfsantrag ist unzulässig. Der Hilfsantrag enthält eine Aufzählung von Tatbeständen (12 Spiegelstriche), die die Verfügungsklägerin als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geschützt haben will. Eine Antragsbegründung fehlte zunächst. Die Verfügungsklägerin hat insbesondere nicht vorgetragen, aus welchem Grund ein Interesse an der Geheimhaltung besteht.
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Die Verfügungsklägerin verkennt, dass Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehen, nicht schon dann Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sind, wenn sie nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem bekundeten Willen des „Betriebsinhabers“ geheim gehalten werden sollen. Weitere Voraussetzung ist, dass der „Betriebsinhaber“ an deren Geheimhaltung ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat, etwa weil die Aufdeckung der Tatsache dazu geeignet wäre, ihm Schaden zuzufügen. Zwar muss zur Darlegung eines berechtigten Interesses an der Geheimhaltung das Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis selbst nicht offenbart werden. Es muss aber zum einen so deutlich beschrieben werden, dass zu ersehen ist, was geschützt werden soll; zum anderen muss dargetan werden, aus welchem Grund ein Interesse an der Geheimhaltung besteht (vgl. BAG 30.09.2014 - 3 AZR 617/12 - Rn. 102 mwN, aaO). Auch daran fehlt es.
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Der Vortrag im Schriftsatz vom 13.01.2016 und in der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin vom 14.01.2016, die in der mündlichen Berufungsverhandlung am 14.01.2016 vorgelegt worden ist, verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Was "nicht offenkundige" Angaben, Zeichnungen, Informationen, Verträge, Statistiken, Schriftverkehr sein soll, ist zwischen den Parteien streitig. Erst im Vollstreckungsverfahren müsste entschieden werden, wie weit das Unterlassungsgebot reicht. Wo die Grenze zwischen "offenkundig" und "nicht offenkundig" zu ziehen ist, müsste das Vollstreckungsgericht aufklären. Die Zuweisung von Aufklärungs- und Wertungsaufgaben in diesem erheblichen Umfang ist durch die Umstände des vorliegend zu beurteilenden Einzelfalls und das schutzwürdige Interesse der Verfügungsklägerin an einem wirksamen Rechtsschutz nicht mehr gerechtfertigt.
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3. Im Übrigen wäre der Unterlassungsantrag mangels einer Begehungsgefahr nicht (mehr) begründet. Ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter vorbeugender Unterlassungsanspruch besteht nur, soweit ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, der Anspruchsgegner werde sich in naher Zukunft in der näher bezeichneten Weise rechtswidrig verhalten. Die Frage, ob eine Erstbegehungsgefahr besteht, ist nach dem Stand der letzten mündlichen Verhandlung zu beantworten (vgl. BGH 31.05.2001 - I ZR 106/99 - Rn. 35-38, NJW-RR 2001, 1483). Die Verfügungsklägerin leitet die Erstbegehungsgefahr daraus her, dass der Beklagte laut eidesstattlicher Versicherung vom 17.08.2015 ggü. dem Zeugen H. erklärt haben soll, dass er ihr - insbesondere durch Kontaktaufnahme mit Geschäftspartnern - einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden zufügen werde, wenn sie sich weigern sollte, die von ihm behaupteten Überstunden zu zahlen. Er habe wörtlich erklärt: "Ich bin jetzt auch im Besitz aller notwendigen Betriebsunterlagen". Selbst wenn aufgrund dieser Erklärung, die der Beklagte lediglich in Nuancen bestreitet, eine Erstbegehungsgefahr bestanden haben sollte, ist diese durch seine Einlassungen im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens beseitigt worden. Er hat versichert, dass er es in keinem Fall darauf ankommen lassen wolle, 65 Menschen den Arbeitsplatz zu nehmen und deshalb weder Kontakt mit Geschäftspartnern der Verfügungsklägerin aufnehmen noch Informationen an Behörden weiterleiten werde. Damit ist eine zuvor in dieser Hinsicht etwa entstandene Erstbegehungsgefahr zumindest nachträglich durch die Erklärung des Unterlassungswillens ausgeräumt. Im Übrigen kann dem Beklagten nicht untersagt werden, in den arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien Betriebsunterlagen vorzulegen oder Erklärungen abzugeben, um die von ihm verfolgten Ansprüche durchzusetzen. Dadurch würde auf die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung des Verfügungsbeklagten im Kündigungsschutzverfahren oder im Überstundenprozess eingewirkt werden, was grundsätzlich unzulässig ist.
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Die Verfügungsklägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 72 Abs. 4 ArbGG).
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Annotations
(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).
(2) Die Klageschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; - 2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.
(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; - 2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; - 3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.
(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.
(1) Das Urteil enthält:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten; - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben; - 3.
den Tag, an dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist; - 4.
die Urteilsformel; - 5.
den Tatbestand; - 6.
die Entscheidungsgründe.
(2) Im Tatbestand sollen die erhobenen Ansprüche und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel unter Hervorhebung der gestellten Anträge nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp dargestellt werden. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden.
(3) Die Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht.
(1) Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250.000 Euro, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.
(2) Der Verurteilung muss eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird.
(3) Auch kann der Schuldner auf Antrag des Gläubigers zur Bestellung einer Sicherheit für den durch fernere Zuwiderhandlungen entstehenden Schaden auf bestimmte Zeit verurteilt werden.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.