Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 25. Juli 2008 - 6 Sa 196/08

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2008:0725.6SA196.08.0A
bei uns veröffentlicht am25.07.2008

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 8.2.2008 - 2 Ca 1794/07 - unter Zurückweisung der Berufung im übrigen abgeändert und der Beklagte verurteilt, an den Kläger 836,54 € brutto zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird der hilfswiderbeklagte Kläger verurteilt, an den Beklagten 2.584,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz zu zahlen. Desweiteren wird der Kläger verurteilt, 1000,- € (Schmerzensgeld) nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten seit 14.5.2008 zu zahlen. Die weitergehende Hilfswiderklage wird abgewiesen. Die Berufung im übrigen zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Verfahrens hat der Kläger 96 %, die Beklagte 4 % zu tragen.

4. Eine Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung, um - teils klageerweiternd - verfolgte Ansprüche auf Überstundenvergütung, um Vergütungsansprüche bis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung, um Folgevergütungsansprüche für die Zeit nach der ausgesprochenen Kündigung, um Urlaubsabgeltung, sowie um zur Aufrechnung gestellte und hilfswiderklagend verfolgte Ansprüche auf Schadenersatz, Schmerzensgeld und die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftigen Schadens.

2

Der verheiratete Kläger war mit schriftlichem Arbeitsvertrag ab 03.07.2006 als Fahrer und Paketzusteller gegen eine monatliche Bruttovergütung von € 1.450,00 zuzüglich Spesen bei dem Beklagten, der in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt, tätig.

3

Der Arbeitsvertrag enthält u. a. folgende Abmachungen:

4

§ 4 Arbeitsvergütung

Der Arbeitnehmer erhält eine mtl. Bruttovergütung von --1.450,00 Euro -- zzgl. Spesen. Spesen werden bei einer Arbeitszeit von mindestens 8 Stunden je Kalendertag in Höhe von 15,00 Euro gezahlt. Die Spesenabrechnung ist von Seiten des Arbeitnehmers spätestens am 3. Tag des Folgemonats einzureichen.

        

Soweit eine zusätzliche Leistung vom Arbeitgeber gewährt wird, ist diese freiwillig und kann jederzeit nach freiem Ermessen widerrufen oder angerechnet werden.

        

Mit diesem vereinbarten Mindestlohn ist die geleistete Arbeitszeit, einschließlich etwaiger Mehrarbeit abgegolten.

....    

§ 10 Vertragsstrafe

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich - ungeachtet der Möglichkeit des Arbeitgebers, weitergehende Schadensersatzansprüche geltend zu machen -, dem Arbeitgeber eine Vertragstrafe in Höhe einer halben Monatsvergütung zu zahlen, wenn er das Arbeitsverhältnis nicht antritt oder das Arbeitsverhältnis vertragswidrig beendet.

....    

Weitere Vertragsstrafen, die von GLS an den Unternehmer belastet werden und aus einem Fehlverhalten des Mitarbeiters hervorgehen, werden an den verschuldeten Fahrer weitergeleitet und mit der Lohnabrechnung verrechnet.

        

§ 12 Verwirkung von Ansprüchen

Der Arbeitnehmer muss Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb eines Monats nach der letzten Vergütungsabrechnung geltend machen. Andernfalls sind sie verwirkt.

5

Am 23.07.2007 kam es zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu einer Auseinandersetzung. Diese führte zu einer fristlosen Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses zum 23.07.2007. Mit einem weiteren Schreiben vom gleichen Tag wurde dem Kläger ersatzweise die fristgerechte Kündigung zum 31.08.2007 erklärt.

6

Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 08.02.2008 (Seite 3 bis 6 = Bl. 103 bis 106 d. A.) Bezug genommen.

7

Das Arbeitsgericht hat im vorerwähnten Urteil darauf erkannt, dass dem Kläger ein Anspruch in Höhe von € 724,48 netto nebst Zinsen zusteht, weil ein Lohneinbehalt wegen unwirksamer gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB verstoßende Vertragsstrafenvereinbarung nicht gerechtfertigt sei und eine Aufrechnung mit dem beklagtenseits geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch wegen Unpfändbarkeit der Forderung nicht stattfände. Ferner stünden dem Kläger € 1.075,80 brutto an Vergütung für die Zeit vom 01.07 bis 23.07.2007 zu. Auch hier fände keine Aufrechnung mit einem Schmerzensgeldanspruch statt, da es wegen der Verrechnung von Brutto mit Netto an der Gleichartigkeit der Leistungen fehle; darüber hinaus könne keine Aufrechnung gegen unpfändbare Forderungen erfolgen.

8

Soweit sich die Klage gegen die fristlose Kündigung richte, sei diese unbegründet, da der Kläger einen tätlichen Angriff auf den Beklagten unternommen habe. Hierbei könne offen bleiben, ob der Kläger den Beklagten links am Hals getroffen oder - wie der Beklagte behaupte - am rechten Kiefer, wofür die ärztliche Bescheinigung des Dr. C vom 23.07.2007 spräche. Ein tätlicher Angriff - noch in Anwesenheit anderer Arbeitnehmer - stelle einen gravierenden Vertragsverstoß dar. Für die Behauptung, dass der Beklagte den Kläger zuvor mit der flachen Hand gegen die Brust gedrückt habe, habe der Kläger keinen Beweis angetreten. Im Übrigen hätte auch keine Notwehrsituation vorgelegen. Das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiege. Die Klage sei hinsichtlich der Überstundenvergütung unbegründet. Der Kläger habe nur Beginn und Ende seiner Zustelltätigkeit, ohne die genaue Arbeitszeit unter Angabe von Pausen dargetan. Im Übrigen hätten die Parteien in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrages vereinbart, dass mit dem vereinbarten Mindestlohn Mehrarbeit abgegolten sei.

9

Wegen der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung stünden dem Kläger keine nachfolgende Vergütungsansprüche zu; ebenfalls kein höherer Bruttobetrag für die Zeit vom 01. bis 23.07.2007 als der zuerkannte.

10

Zur weiteren Begründung wird auf das vorbezeichnete Urteils (S. 6 bis 12 = Bl. 106 bis 112 d. A.) Bezug genommen.

11

Gegen dieses Urteil richten sich die fristgerecht eingelegten und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründeten Berufungen der Parteien.

12

Der Kläger bringt zweitinstanzlich weiter vor,

13

bezogen auf die außerordentliche Kündigung habe das Arbeitsgericht die Beweislastverteilung verkannt. Am 23.07.2007 sei es zu einer Abänderung des Einsatzortes für ihn - den Kläger - gekommen. Gleichwohl habe ihm der Beklagte die Auslieferung von Paketen an zwei Geschäfte im L-Center übertragen. Hierbei sei es zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen, in welcher der Beklagte - ihn - den Kläger mit der flachen Hand gegen die Brust gedrückt habe. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Koblenz sei eingestellt worden. Das Arbeitsgericht hätte eine Beweisaufnahme durchführen müssen.

14

Die Regelungen im Arbeitsvertrag, wonach Mehrarbeiten in der Vergütung enthalten seien, stelle eine unwirksame Überraschungsklausel dar. Im Übrigen habe er - der Kläger - vorgetragen, dass die in den Reisekostenabrechnungen eingetragenen Zeiten erforderlich gewesen seien, um das Paketvolumen zu bewältigen. Die Beklagte sei im Besitz der digitalen Aufzeichnungen für die Monate Januar bis April 2007. Insofern sei ihr nach § 142 ZPO aufzugeben, die Tagesrapporte vorzulegen. Im Übrigen habe die Beklagte die Überstunden geduldet und die täglichen Spesen von € 15,00 ausbezahlt.

15

Wegen der Unwirksamkeit der Kündigung stünde ihm, dem Kläger, der Annahmeverzugslohn für die Zeit ab 23.07 bis einschließlich November 2007 zu.

16

Bezüglich der Vertragsstrafenvereinbarung sei dem Arbeitsgericht zu folgen. Die vereinbarte Vertragsstrafe müsse nicht nur die zu leistende Strafe, sondern auch die auslösende Pflichtverletzung klarer bezeichnen. Hieran fehle es.

17

Über die erstinstanzlich verfolgen Ansprüche würden für Mai 4, 55 und Juni 81,51 Überstunden in Höhe von € 725,48 zu vergüten sein. Darüber hinaus stünde ihm - dem Kläger - eine Urlaubsabgeltung für 15 Tage in Höhe von € 836,54 zu.

18

Der Kläger hat zweitinstanzlich zuletzt beantragt,

19

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 08.02.2008 - 2 Ca 1794/07 -

20

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 23.07.2007 nicht zum 23.07.2007 aufgelöst wird;

21

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 23.07.2007 nicht zum 31.08.2007 aufgelöst wird;

22

3. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger € 3.675,13 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 2.988,00 brutto sei dem 18.07.2007 sowie aus € 687,13 brutto seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

23

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger € 5.916,33 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

24

4. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger € 1.757,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

25

5. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger € 1.562,02 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

26

Der Beklagte hat beantragt,

27

das am 08.02.2008 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts - 2 Ca 1794/07 - aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen, sowie hinsichtlich der Klageerweiterung die Klage abzuweisen.

28

Der Beklagte hat bezogen auf die ausgesprochene außerordentliche Kündigung die Auffassung vertreten, der Kläger sei auf keinen Fall berechtigt gewesen, ihn zu schlagen, gleich, ob gegen den Hals oder gegen den Kiefer. Eine bloße körperliche Abwehrhaltung habe der Kläger erstinstanzlich nicht behauptet. Das diesbezügliche Vorbringen zu einem Drücken mit der flachen Hand gegen die Brust sei zu bestreiten. Der Anspruch bezüglich der Überstunden sei nicht substantiiert dargelegt. Im Übrigen seien Pauschalierungsabreden üblich und zulässig, solange sich hinsichtlich des Anfalls derartiger Leistungen und der gewährten Vergütung kein auffallendes Missverhältnis ergäbe. Im Übrigen ginge das Arbeitsgericht irrtümlich davon aus, dass die Vertragsstrafenvereinbarungen in § 10 Abs. 2 des Arbeitsvertrages unwirksam sei. Er - der Beklagte - sei Subunternehmer von GLS und stünde dieser gegenüber in Haftung. Im Übrigen habe er mit Beklagte mit einem Schmerzensgeldanspruch in Höhe von € 1.250,00 bis € 1.500,00 aufgerechnet. Es entspräche den Grundsätzen von Treu und Glauben, dass derjenige, der eine vorsätzliche unerlaubte Handlung beginge, sich nicht auf § 394 BGB berufen könne. Für den Fall des Ausschlusses der hilfsweisen Aufrechnungen mit den Heilbehandlungskosten in Höhe von €2.584,78, würde hilfsweise Widerklage erhoben mit folgenden Anträgen:

29

1. Den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an den Beklagten und Widerkläger ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber in Höhe von € 1.500,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

30

2. Der Widerbeklagte wird verurteilt, an den Kläger € 2.584,78 zzgl. € 25,00 pauschaler Schadenskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

31

3. Es wird festgestellt, dass der Widerbeklagte aufgrund der am 23.07.2007 zu Lasten des Widerklägers begangenen unerlaubten Handlungen verpflichtet ist, dem Widerkläger sämtliche materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit dieser nicht auf einen Dritten oder Sozialversicherungsträger übergegangen ist.

32

Zur Begründung dieser Ansprüche führt der Beklagte weiter aus,

33

er habe sich zur Erstversorgung in die Behandlung des Zahnarztes Dr. B1. begeben. Dieser habe festgestellt habe, dass die Verblendung am Zahn 22 und 24 abgeplatzt gewesen sei und einen Schmelzdefekt am Zahn 35 habe. Eine weitere zahnärztliche Behandlung sei nicht auszuschließen.

34

Der Kläger hat Abweisung der Widerklage beantragt und erwidert,

35

er habe den Beklagten nicht verletzt. Es müsse ein Abzug "neu für alt" gemacht werden. Das weitere Vorbringen sei unsubstantiiert.

36

Hinsichtlich des weiteren Sachvortrages wird auf die Berufungsbegründungsschrift des Klägers vom 09.05.2008 (Bl. 153-160 d. A.) und das weitere Vorbringen im Schriftsatz vom 16.06.2008 (Bl. 190-204 d. A.), sowie zur Berufung des Beklagten auf den Schriftsatz vom 09.05.2008 (Bl. 169-175 d. A.), den weiteren Schriftsatz vom 06.06.2008 (Bl. 189-191 d. A.) und letztlich den Schriftsatz vom 08.07.2008 (Bl. 210-211 d. A.) nebst sämtlichen vorgelegten Unterlagen und die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 25.07.2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

37

Die Rechtsmittel der Berufungen der Parteien sind gemäß § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Sie sind gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt, sowie begründet worden und damit zulässig.

38

Die in der Berufung erfolgten Klageerweiterungen bezogen auf weitere Überstundenvergütungen für Mai und Juni 2007 sowie auf Urlaubsabgeltung und die im Wege der Hilfswiderklage verfolgten Ansprüche sind nach § 535 Nr. 1 ZPO sachdienlich, da der Streitstoff an bereits erstinstanzlich vorgetragenen Tatsachen anknüpft und damit nicht zu einer völligen Neubeurteilung führt (vgl. Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 533 ZPO Rz. 6).

II.

39

Die Berufung des Klägers ist lediglich insoweit begründet, dass er vom Beklagten über die erstinstanzlich zuerkannten Ansprüche hinaus, Urlaubsabgeltung in Höhe von € 836,54 für 15 nicht genommene Urlaubstage gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG verlangen kann. Soweit der Beklagte einwendet, dass der Anspruch der Höhe nach nicht gegeben sei, führt dies zu keiner anderen Beurteilung, da es an substantiierten Ausführungen zu vom Kläger gegebenenfalls genommenem Urlaub fehlt.

40

Die weitergehende Berufung des Klägers ist n i c h t begründet. Hierzu hat das Arbeitsgericht im Ergebnis der Begründung zutreffend festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 23.07.2007 beendet worden ist, dem Kläger keine Überstundenvergütung zusteht, ihm ferner keine Vergütungsansprüche für die Zeit nach der fristlosen Kündigung und keine höhere Bruttovergütung für die Zeit vom 01.07. bis 23.07.2007 als die zuerkannten zuzusprechen ist. Hierzu nimmt die Berufungskammer zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den diesbezüglich begründeten Teil des angefochtenen Urteils Bezug, stellt dies ausdrücklich fest und sieht hier unter Übernahme der Entscheidungsgründe von einer weiteren Darstellung ab.

III.

41

Die Angriffe der Berufung des Klägers geben zu folgenden Ergänzungen Anlass:

42

1. Soweit der Kläger bezogen auf die vom Arbeitsgericht anerkannte Rechtmäßigkeit der außerordentlichen Kündigung vom 23.07.2007 eine Verkennung der Beweislastverteilung des Arbeitsgerichts rügt und das Erfordernis einer Beweisaufnahme sieht, gilt im vorliegenden Fall, dass für den Kläger - ein Drücken des Beklagten mit der flachen Hand gegen die Brust des Klägers als wahr unterstellt - keine Notwehrsituation vorgelegen hat, die ihn zu einer körperlichen Reaktion in der in ihren Auswirkungen von der Berufungskammer für zutreffend gehaltenen Dimensionen berechtigte (vgl. zur Beweislast: ErfK-Oetker, 8. Aufl., 430 KSchG § 1 Rz. 290). Im Übrigen wird auf die nachfolgenden Ausführungen zu den zuerkannten Schadensersatzansprüchen verwiesen.

43

2. Die weiteren Angriffe der Berufung gegen die Versagung von Überstundenvergütung sind auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht gerechtfertigt. Offen bleiben kann hierbei, ob die § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrages vereinbarte Mehrarbeitsklausel den verfolgten Ansprüchen - auch soweit sie in der Berufungsinstanz klageerweiternd verfolgt werden - entgegen steht; denn zivilprozessual wäre erforderlich, dass der Kläger dargetan hätte, dass die angefallenen Überstunden zur Erledigung seiner Zustelltätigkeit zumindest notwendig waren (vgl. hierzu HBK-Thüsing, BGB § 611 Rz. 136 ff). Hieran fehlt es. Die in der mündlichen Verhandlung von dem Beklagten vorgelegten Tagesrapportliste lässt u. a. feststellen, wann der Kunde die Entgegennahme von Paketen unterzeichnet hat, nicht jedoch, dass die vom Kläger in seinen Reisekostenaufstellungen angegebene Zeiten zur Erfüllung des ihm übertragenen Paketvolumens wirklich nötig waren. Der Beklagten hat in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Zustellung von 100 Paketen - nach längerer Erfahrung - auch mehr - ohne weiteres in dem vorgegebenen Arbeitszeitrahmen zu bewältigen war. Zu dieser Stückzahl und sonstigen Umständen, die die zwingende Notwendigkeit von Mehrarbeit begründet hätte, hat der Kläger keine konkreten Ausführungen geliefert. Die Auszahlung von Spesen in Höhe von € 15,00 gemäß § 4 des Arbeitsvertrages bei einer Arbeitszeit von mindestens 8 Stunden je Kalendertag ersetzt den Sachvortrag zum Grund und zur Höhe der Überstunden nicht. Diese Ausführungen gelten unabhängig auch davon, ob die Ansprüche nach § 12 des Arbeitsvertrages verwirkt wären.

IV.

44

Die mit der Berufung des Beklagten verfolgten Hilfswiderklageansprüche sind zum Teil begründet. Die weitergehende Berufungsangriffe gegen die Feststellungen des arbeitsgerichtlichen Urteil sind jedoch unbegründet.

45

1. Der Beklagte hat gegen den Kläger einen Anspruch auf Zahlung von € 2.584,78 nebst Zinsen in der zuerkannten Höhe gemäß § 823 BGB. Der Kläger hat dem Beklagten zur Überzeugung der Kammer einen entsprechenden Schaden zugefügt. Nach der ärztlichen Bescheinigung des Dr. C vom 23.07.2007 (Bl. 87 d. A.) ist am gleichen Tag der Auseinandersetzung zwischen den Parteien eine Prellung an dem rechten Kiefer des Beklagten festgestellt worden. Eine ärztliche Bescheinigung birgt eine hohe Richtigkeitsgewähr. Ihr kommt ein hoher Beweiswert zu (vgl. BAG Urteil vom 11.7.2007 - 5 AZR 883/06 -). Auch der zeitliche Zusammenhang zwischen der Erstellung des Attestes und dem Vorfall spricht für die Richtigkeit der Darstellung des Beklagten zu dem schadensstiftenden Vorgang. Nicht unbeachtlich ist der Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, wonach der Kläger ohne Vorwarnung zugeschlagen habe. Die Höhe des Anspruchs ist durch die Privatliquidation des Dr. B2. vom 13.09.2007 hinreichend belegt. Hierzu wird auf die entsprechende Urkunde (Bl. 56-58 d. A.) Bezug genommen, die den Vortrag des Beklagten zu mehreren nötigen Behandlungsterminen bestätigt.

46

Für einen Abzug "neu für alt" fehlt es am vom Kläger vorzutragende Eckdaten. Bei einem Abzug "neu für alt" handelt es sich um eine Art der Vorteilsausgleichung, wenn der Geschädigte durch den Schadenersatz besser gestellt würde als seine Lage vorher war (vgl. Müko-Oetker, BGB, Bd. II, 5. Aufl., § 249 BGB Rn. 333). Für die Kammer bestehen keine vom Kläger vorgetragenen Anhaltspunkte dafür, dass durch die Wiederherstellung von Zahnverblendungen oder gar der Reparatur des Zahnschmelzes des Beklagten die Notwendigkeit eines gemäß § 287 ZPO zu schätzenden Abzugs besteht.

47

2. Aus vorgenannten Gründen steht dem widerklagenden Beklagten gemäß §§ 847, 253 Abs. 2 BGB auch ein Schmerzensgeld zu, das die Berufungskammer auf € 1000,00 taxiert. Die Kammer hat sich hierbei davon leiten lassen, dass im Hinblick auf den geschilderten Schaden - Abplatzen der Verblendung an Zahn 22 und 24 sowie ein Schmelzdefekt an Zahn 35 - mit Ausnahme des auslösenden Vorfalls des Schlages keine größeren Schmerzen veranlasst sein dürften und das Anbringen von erneuten Verblendungen zwar lästig, jedoch nicht zwingend zu einer erheblichen über den zuerkannten Betrag hinausgehenden, Genugtuung führen muss. Die Beseitigung des Schmelzdefekts an Zahn 35 sowie der Schlag des Klägers mit der ärztlicherseits festgestellten Prellung führt daher zur Anerkennung von nur temporären Schmerzen. Das Maß der Beeinträchtigung der körperlichen Befindlichkeit durch die Häufung der Zahnarzttermine war jedoch entsprechend zu berücksichtigen (vgl. ADAC-Schmerzensgeldbeträge 2008 m. w. N. OLG Thüringen v. 26.9.2000 - 24 271/2000).

48

3. Das weitergehende Begehren, das auf Ersatz künftiger materieller und immaterieller Schäden gerichtet ist (Bl. 173 d. A.), ist nicht begründet. Der Sachvortrag des Beklagten, wonach nicht auszuschließen sei, dass noch eine weitere zahnärztliche Behandlung folge, die im Zusammenhang mit der Verletzungshandlung durch den Kläger stünde, ist nicht durch nähere Tatsachen belegt.

V.

49

Die weitergehende Berufung ist unbegründet. Hier treffen die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Unwirksamkeit der Vertragsstrafenvereinbarung § 10 Abs. 2 des Arbeitsvertrages und zur fehlenden Gleichartigkeit der Ansprüche für eine Aufrechnung von Brutto mit Nettoansprüchen zu. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

50

1. Bezogen auf die Vertragsstrafenvereinbarung § 10 Abs. 2 des Arbeitsvertrages bringt der Beklagte lediglich eine andere Interpretation der Rechtsprechungsgrundsätze zur Verletzung des Transparenzgebotes vor, übersieht jedoch, dass die auslösende Pflichtverletzung klar bezeichnet werden muss und in der vorliegenden Vereinbarung schlicht und einfach eine generelle Überwälzung des den Beklagten treffenden Unternehmerrisikos auf den Kläger liegt (vgl. BAG, Urteil vom 18.08.2005 - 8 AZR 65/05 = NZA 2006, 34).

VI.

51

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 92 ZPO.

52

Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 25. Juli 2008 - 6 Sa 196/08

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2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Das Gericht kann anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Das Gericht kann hierfür eine Frist setzen sowie anordnen, dass die vorgelegten Unterlagen während einer von ihm zu bestimmenden Zeit auf der Geschäftsstelle verbleiben.

(2) Dritte sind zur Vorlegung nicht verpflichtet, soweit ihnen diese nicht zumutbar ist oder sie zur Zeugnisverweigerung gemäß den §§ 383 bis 385 berechtigt sind. Die §§ 386 bis 390 gelten entsprechend.

(3) Das Gericht kann anordnen, dass von in fremder Sprache abgefassten Urkunden eine Übersetzung beigebracht wird, die ein Übersetzer angefertigt hat, der für Sprachübertragungen der betreffenden Art in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften ermächtigt oder öffentlich bestellt wurde oder einem solchen Übersetzer jeweils gleichgestellt ist. Eine solche Übersetzung gilt als richtig und vollständig, wenn dies von dem Übersetzer bescheinigt wird. Die Bescheinigung soll auf die Übersetzung gesetzt werden, Ort und Tag der Übersetzung sowie die Stellung des Übersetzers angeben und von ihm unterschrieben werden. Der Beweis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Übersetzung ist zulässig. Die Anordnung nach Satz 1 kann nicht gegenüber dem Dritten ergehen.

Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt. Gegen die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine, zu beziehenden Hebungen können jedoch geschuldete Beiträge aufgerechnet werden.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Das im ersten Rechtszuge abgelegte gerichtliche Geständnis behält seine Wirksamkeit auch für die Berufungsinstanz.

(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.

(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.