Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Apr. 2016 - 6 Sa 299/15
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30. April 2015 und die Berufung des Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30. Juli 2015 - 5 Ca 2152/14 - wird jeweils kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um restliche Vergütungsansprüche des Klägers und um einen Schadensersatzanspruch dem Beklagten.
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Der Beklagte betreibt einen Montageservice, mit dem er für die T E Services GmbH, E, Neu- und Austauschmontageleistungen, sowie Wartungs- und Reparaturarbeiten an Erfassungsgeräten wie Wärmezählern, Wasserzählern und Heizkostenverteilern erbringt. Die Auftraggeberin des Beklagten erteilt ihm hierzu einzelne auf Liegenschaften oder Nutzeinheiten bezogene Aufträge, wobei es dem Beklagten vereinbarungsgemäß obliegt, mindestens 12 Tage vor den geplanten Montageterminen in den betroffenen Liegenschaften und Nutzeinheiten unter Verwendung der von der Auftraggeberin zur Verfügung gestellten Plakate Aushänge zur Information der Endverbraucher anzubringen.
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Der Kläger, dem ein Grad der Behinderung von 50 zuerkannt ist, war bei dem Beklagten ab 07. Oktober 2013 kraft schriftlichen Arbeitsvertrages vom gleichen Tag (Bl. 17 ff. d. A.; im Folgenden: AV) bei einer regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit von 40 Stunden als Montagehelfer beschäftigt zu einem vereinbarten Grundgehalt von 500,00 Euro brutto nebst Provisionen. Wegen der Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf den Akteninhalt verwiesen. Unter dem 02. Dezember 2014 schlossen die Parteien folgende Zusatzvereinbarung zum Anstellungsvertrag:
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„Zusatz
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1. Der Mitarbeiter ist damit einverstanden, dass 10 % der Provision direkt für die Einplanung abgezogen werden.
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2. Die von Herrn B angebrachten Plakate werden mit je 1,50 Euro berechnet. Die daraus entstehenden Kosten werden monatlich als Vorschuss auf der Abrechnung ausgewiesen.“
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Der Beklagte kürzte die dem Kläger zustehende Provision in den Monaten Januar und Februar 2014 um jeweils 10 %. Die unter Zugrundelegung des monatlichen Grundgehalts von 500,00 Euro einschließlich der gekürzten Provision abgerechnete Gesamtbruttovergütung für Januar 2014 in Höhe von 1.502,72 Euro kehrte der Beklagten unter Abzug eines Betrages von 251,00 Euro netto aus. Für den Monat Februar 2014 erfolgte bei einschließlich gekürzter Provision insgesamt abgerechneten 1.647,27 Euro brutto ein Abzug von 144,24 Euro netto.
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Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit mit Schreiben vom 13. Februar 2014 zum 28. Februar 2014.
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Der Kläger hat am 03. Juni 2014 beim Arbeitsgericht Koblenz Klage auf Zahlung restlicher Vergütung für die Monate Januar und Februar 2014 und Urlaubsabgeltung nebst Erteilung korrigierter Abrechnungen und Arbeitspapiere erhoben. Der Beklagte hat im Verlauf des Rechtsstreits widerklagend den Ersatz eines Schadens verlangt, der ihm entstanden sei, weil der Kläger Ankündigungsplakate nicht geklebt habe.
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Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, der Provisionsabzug von 10 % sei rechtlich unzulässig und die Abzüge wegen von der Beklagten behaupteter Vorschüsse, Überzahlung oder angeblich nicht herausgegebener Arbeitskleidung ungerechtfertigt. Da er während der Dauer der Beschäftigung keinen Urlaub genommen habe, stehe ihm ein außergerichtlich mit Schreiben vom 24. März 2014 geltend gemachter anteiliger Urlaubsanspruch für den Zeitraum der Beschäftigung von acht Urlaubstagen zuzüglich zwei Tagen Sonderurlaub wegen seiner Schwerbehinderung zur Abgeltung zu.
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Der Kläger hat zuletzt - unter Teilklagerücknahme mit Zustimmung des Beklagten im Hinblick auf die die korrigierten Lohnabrechnungen und Arbeitspapiere betreffenden Anträge und in Bezug auf die für 2013 anteilig verlangten Urlaubsabgeltungsansprüche - beantragt,
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1. der Beklagte wird verurteilt, 1.614,13 Euro brutto abzüglich gezahlter 944,79 Euro netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11. Februar 2014 an den Kläger zu zahlen,
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2. der Beklagte wird verurteilt, 1.774,74 Euro brutto abzüglich gezahlter 1.166,57 Euro netto nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 11. März 2014 an den Kläger zu zahlen,
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3. Der Beklagte wird verurteilt, 115,38 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01. März 2014 an den Kläger zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Widerklagend hat der Beklagte beantragt,
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den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 17.325,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26. April 2014 zu zahlen.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Der Beklagte hat erstinstanzlich zur Klage im Wesentlichen vorgetragen, weitere Provisionsansprüche stünden dem Kläger angesichts der vereinbarten Verrechnung für Disposition nicht zu und die Nettoabzüge seien berechtigt gewesen. Der Kläger habe an im Einzelnen benannten Tagen insgesamt neun Urlaubstage in Natura in Anspruch genommen.
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Zur Widerklage hat der Beklagte erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, auf Bitte des Klägers sei ab der 51. KW 2013, dh. Anfang Dezember 2013, so verfahren worden, dass dieser zusammen mit seinem Montageteam-Partner E. die Ankündigungsplakate zum Preis von 1,50 Euro das Stück für die Liegenschaften habe anbringen sollen, womit zuvor andere Arbeitnehmer betraut gewesen seien. Wie den anderen Montageteams auch sei dem Kläger morgens eine Liste übergeben worden mit postalischer Bezeichnung der Liegenschaften und den ca. vier Wochen später durchzuführenden Arbeiten, denen die drei Montageteams wahllos zugeordnet worden seien. Exemplarisch werde die lediglich noch für den Zeitraum vom 30. Januar 2014 bis 18. Februar 2014 im Computer gespeicherte Tageseinsatzliste für die drei Teams zur Akte gereicht (Bl. 64 ff. d. A.). Soweit die Einsatzpläne nicht von Mitarbeitern erbracht worden seien, habe er, der Beklagte, die zeitlichen Abläufe koordiniert. Ein Haken auf den zurückgegebenen Listen habe vereinbarungsgemäß dokumentiert, dass die entsprechende Liegenschaft plakatiert worden sei. Obwohl der Kläger behauptet habe, je Arbeitstag 15 Plakate geklebt zu haben, habe der Beklagte am 18. Februar 2014 erfahren, dass der Kläger überhaupt keine Plakate geklebt, aber abgerechnet habe. Hierauf angesprochen, habe der Kläger im Ergebnis einräumen müssen, dass er ertappt worden sei. Er habe erklärt, keine Arbeitsleistung mehr erbringen zu wollen und sich „krankschreiben“ zu lassen und das in die Tat umgesetzt. Auch der Zeuge E. habe Anfang August 2014 gegenüber einem Kollegen erklärt, überhaupt keine Plakate im Team mit dem Kläger aufgehangen zu haben. Weil mindestens 30 Plakate pro Tag à 1,50 Euro angegeben worden seien, sei ihm bei ein Mindestschaden von 1.575,00 Euro entstanden. Mit diesem Anspruch hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 17. Juli 2014 vorsorglich und hilfsweise gegen die Klageforderung aufgerechnet. Da der Kläger an jedem Arbeitstag 6 Plakate habe kleben sollen, ergebe dies für den Zeitraum von 63 Arbeitstagen (51. KW 2013 bis 18. Februar 2014) für drei Montageteams 1.134 Plakate und damit bei 1,50 Euro pro Stück ein Schaden von 1.701,00 Euro. Jede Anfahrt zu einem Montageobjekt werde von der Firma T mit 15,00 Euro vergütet, wobei die Vergütung erst nach zweimaliger Anfahrt der Liegenschaft (erste Anfahrt für das Aufbringen der Plakatankündigung und zweite Anfahrt für den Montagetermin) gezahlt werde. Da die anderen Montageteams wegen der täglich nicht geklebten 30 Plakate ab Beginn der 51. KW bis 18. Februar 2014 1.050 vorgesehene Montagen nicht hätten durchführen können, nachdem er für die nächsten beiden Monate völlig verplant und auch nicht in der Lage sei, ein gesondertes Firmenfahrzeug zur Nachholung der versäumten Arbeitsleistungen anzuschaffen, sei ihm ein Schaden von weiteren mindestens 15.750,00 Euro entstanden. Lediglich im Bezirk F, wo der Zeuge B die Plakate geklebt habe, habe es keine Probleme gegeben. Für diesen Schaden hafte der Kläger gesamtschuldnerisch mit dem Zeugen E.. Nachdem nachgewiesen sei, dass der Kläger keine Ankündigungsplakate geklebt habe, könne das Gericht hierauf beruhend eine Schadensschätzung vornehmen. Darüber hinaus ergebe sich für den Zeitraum vom 30. Januar bis 29. März 2014 ausweislich näherer Darlegungen und unter Zugrundelegung einer zur Akte gereichten Abrechnungsliste (vgl. Bl. 112 ff. d. A.) ein Ausfall in Höhe von 13.293,15 Euro netto, was einem täglichen Verlust in Höhe von 664,65 Euro und je Team entspreche. Bezogen auf 63 Arbeitstage, an denen der Kläger nicht gearbeitet habe, (51. KW bis 18. Februar 2014) ergebe sich ein Vergütungsausfall von 125.620,26 Euro, der vorerst noch nicht geltend gemacht werde. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers werde mit Nichtwissen bestritten. Die Behauptung, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen übergeben zu haben, werde bestritten.
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Der Kläger hat zur Widerklage erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, er habe die ihm übergebenen Plakate weisungsgemäß mit dem Kollegen E. angebracht, wobei die Plakatiertätigkeit nicht nur ihnen oblegen habe, sondern auch durch die anderen Montageteams erfolgt sei. Tatsächlich hätten sich die Teams sogar untereinander „gemischt“ beim Plakatieren. Die Beklagte möge daher darlegen und beweisen, wann welcher Mitarbeiter mit welchem anderen Mitarbeiter in welcher Liegenschaft habe plakatieren sollen, zumal unstreitig sei, dass die Montagearbeiten wahllos zugeteilt worden seien. Er habe zu keinem Zeitpunkt durch Setzen eines Hakens bestätigt, Plakate aufgehangen zu haben, hierdurch sei vereinbarungsgemäß nur bestätigt worden dass die Plakate vorbereitet seien. Unabhängig davon sei er ausweislich einer Mitteilung der Krankenkasse seit 31. Januar 2014 arbeitsunfähig erkrankt gewesen (vgl. Bl. 157 d. A.), was einen Schadensersatzanspruch angesichts des Vorlaufs von 12 Werktagen für den Zeitraum ab 11. Februar 2014 ohnehin bereits ausschließe. Auch habe er nicht am 18. Februar 2014 bestätigt, „ertappt“ worden zu sein, sondern dem Beklagten nach Erhalt der Kündigung lediglich erklärt, dass er nicht dafür verantwortlich gemacht werden könne, wenn Plakate von Bewohnern wieder entfernt würden. Schließlich werde bestritten, dass die Teams im streitigen Zeitraum keinerlei Leistungen hätten erbringen können. Für das Plakatieren sei ihm im Übrigen kein Cent gezahlt worden. Auch der Höhe nach werde der Schadensersatzanspruch bestritten.
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Das Arbeitsgericht hat die Widerklage mit Teilurteil vom 30. April 2015 (Bl. 207 ff. d. A.) abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen angeführt, ein Schadensersatzanspruch scheide bereits mangels Darlegung einer Schadensverursachung durch den Kläger aus. Unabhängig von der Frage, ob der Kläger das Plakatieren weisungsmäßig unterlassen habe, habe die Beklagte für jeden ausgefallenen Montagetermin dartun müssen, dass die jeweiligen Mieter nicht erreichbar waren (was im Übrigen jeder Lebenserfahrung widerspreche) und die Arbeiten nicht hätten durchgeführt werden können; der pauschale Vortrag des Beklagten genüge nicht. Nicht nachvollziehbar sei auch die vorgelegte Montageliste bis 31. März 2014, da das Arbeitsverhältnis bereits zum 28. Februar 2014 geendet habe. Gleiches gelte für die Frage der Plakatierung während der Arbeitsunfähigkeit vom 31. Januar bis 21. März 2014, hinsichtlich derer der Kläger eine Bescheinigung der AOK vorgelegt habe. Schließlich sei auch die Höhe des Schadens nicht nachvollziehbar dargetan. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 211 bis 213 d. A. Bezug genommen.
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Der Beklagte hat gegen das am 05. Juni 2015 zugestellte Teilurteil mit Schriftsatz vom 30. Juni 2015, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am gleichen Tag, Berufung unter vorliegendem Aktenzeichen eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist mit Schriftsatz vom 26. August 20015, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, begründet.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Schlussurteil vom 30. Juli 2015 (Bl. 239 ff. d. A.) im zuletzt zur Entscheidung gestellten Umfang stattgegeben. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 243 bis 248 d. A. Bezug genommen.
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Der Beklagte hat gegen das ihm 06. Oktober 2015 zugestellte Schlussurteil mit am 3. November 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag zunächst fristwahrend vor der Berufungskammer Berufung unter dem Aktenzeichen 6 Sa 488/15 eingelegt. Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2016, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 18. Februar 2016, hat der Beklagte nach gerichtlichem Hinweis auf die unterbliebene Berufungsbegründung erklärt, die Berufung werde weiter verfolgt und sich zur Begründung auf sein erstinstanzliches Vorbringen bezogen.
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Der Beklagte macht zur Begründung seiner gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts gerichteten Berufung nach Maßgabe seiner diesbezüglichen Berufungsbegründungsschrift vom 26. August 2015, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 279 ff. d. A.), zweitinstanzlich unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen geltend,
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der Zeuge E. habe Anfang August 2015 erklärt, er habe mit dem Kläger ab der 51. KW 2013 den Entschluss gefasst, pflichtwidrig die Ankündigungsplakate nicht anzubringen, gleichwohl zu erklären, ordnungsgemäß verklebt zu haben und das Kleben auch abgerechnet zu haben. Auch der Vortrag des Klägers, er sei seit dem 31. Januar 2014 arbeitsunfähig gewesen, sei falsch. Der Zeuge E. sei sich sicher, bis zum 18. Februar 2014 mit dem Kläger gearbeitet zu haben. Damit stehe fest, dass der Kläger dem Grunde nach hafte, weshalb für die Frage der Schadenshöhe Beweiserleichterungen griffen und eine Schätzung zur bereits erstinstanzlich bezifferten Schadenshöhe aufgrund ausreichender Anknüpfungstatsachen möglich sei. Entstanden sei ein Schaden in Höhe von 1.575,00 Euro netto für gezahlte, tatsächlich aber nicht geklebte Plakate und die entgangene Pauschalvergütung von 15,00 Euro pro Anfahrt zur Liegenschaft bei 1.050 nicht geklebten Plakaten, insoweit 15.750,00 Euro. Die Tageseinsatzlisten für Zeiträume vor dem 30. Januar 2014 könne er nicht mehr vorlegen. Den Ausfall der Vergütung konkreter Montagetätigkeiten wegen unterbliebener Plakatankündigungen für die Zeit vom 31. Januar bis 31. März 2014 darzulegen, stelle einen exorbitanten Arbeitsaufwand dar, zumal die Darlegungen zum 31. Januar 2014 deutlich machen, dass - auch angesichts der finanziellen Situation des Klägers - lediglich ein Mindestschaden verlangt werde.
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Die Berufungskammer hat die Berufungen gegen das Teilurteil vom 30. April 2015 und gegen das Schlussurteil vom 30. Juli 2015 mit Beschluss vom 12. April 2016 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des gegen das Teilurteil gerichteten Berufungsverfahrens miteinander verbunden.
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Der Beklagte beantragt,
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1. unter Abänderung des Teilurteils des Arbeitsgerichts Koblenz - 5 Ca 2152/14 - vom 30. April 2015 den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an den Beklagten und Widerkläger 17.325,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 26. April 2014 zu zahlen,
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2. das Schlussurteil vom 30. Juli 2015 des Arbeitsgerichts Koblenz vom - 5 Ca 2152/14 - wird abgeändert und die Klage abgewiesen.
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Der Kläger beantragt,
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1. die Berufung gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30. April 2015 - 5 Ca 2152/14 - wird zurückgewiesen,
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2. die Berufung gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30. Juli 2015 - 5 Ca 2152/14 - wird zurückgewiesen.
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Er verteidigt das vom Beklagten angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 12. November 2015 (Bl. 321 ff. d. A.) und trägt zweitinstanzlich im Wesentlichen vor,
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das Arbeitsgericht habe zutreffend angenommen, dass eine Schadensverursachung durch ihn nicht nachgewiesen sei. Das „Geständnis“ des Zeugen E. werde ebenso bestritten, wie dessen Behauptungen. Vielmehr habe seine (des Klägers) Ehefrau in ihrer Freizeit die Ankündigungsplakate ausgefüllt, was sie sich bei der vom Beklagten behaupteten Vereinbarung hätte sparen können. Nach wie vor habe der Beklagte nicht für einen einzigen Tag substantiiert vorgetragen, wann, wo und wie viele Montagen wegen eines Versäumnisses des Klägers nicht hätten vorgenommen werden können, zumal er nicht in Abrede gestellt habe, dass auch andere Teams plakatiert hätten. Während der Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit sei er nicht zur Arbeit erschienen, sondern habe sich überwiegend in seiner Wohnung oder dem darunter liegenden Friseursalon seiner Ehefrau aufgehalten. Weder sei eine Abrechnung für geklebte Plakate vorgenommen worden, noch Vergütung gezahlt. Der behauptete Schaden scheitere im Übrigen schon daran, dass im streitigen Zeitraum bei insgesamt sechs mit Montageaufgaben beauftragten Mitarbeitern nur ein einziger über die von der Auftraggeberin des Beklagten verlangte Zertifizierung verfüge.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 12. April 2016 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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A Die Berufungen des Beklagten sind nur teilweise zulässig und - soweit zulässig - in der Sache nicht erfolgreich.
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I. Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts ist zulässig, die Berufung gegen dessen Schlussurteil nur teilweise.
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1. Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts vom 30. April 2015 ist zulässig. Sie ist statthaft, wurde vom Beklagten nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 05. Juni 2015 mit am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 30. Juni 2015 form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und diese mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 26. August 2015 rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 ZPO).
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2. Die Berufung des Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts vom 30. Juli 2015 ist nur im Hinblick auf die rein prozessuale Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits nach wirksamer Anfechtung des Teilurteils vom 30. April 2015 zulässig, im Übrigen unzulässig.
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2.1. Der Beklagte hat gegen das ihm am 06. Oktober 2015 zugestellte Schlussurteil zwar mit am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 03. November 2015 noch fristgerecht gemäß §§ 66 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1 und 2, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO Berufung eingelegt. Eine Begründung der Berufung ist jedoch erstmals mit Schriftsatz vom 16. Februar 2016 und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nach § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 ZPO erfolgt. Unabhängig davon mangelt es auch an einer ordnungsgemäßen Begründung, da der Beklagte lediglich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag verwiesen hat. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 18. Mai 2011- 4 AZR 552/09 - Rn. 14, zitiert nach juris; 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 11, jeweils zitiert nach juris). Die Berufung war daher insoweit als unzulässig zu verwerfen (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 522 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO), ohne dass dies im Tenor des Berufungsurteils gesondert zum Ausdruck gebracht werden musste(vgl. LAG Rheinland-Pfalz 21. April 2016 - 5 Sa 243/15 - Rn. 55; 29. Juli 2015 - 4 Sa 4/15 - Rn. 27, jeweils zitiert nach juris).
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2.2. Als zulässig ist die Berufung des Beklagten gegen das Schlussurteil vom 30. Juli 2015 lediglich anzusehen, als sie die rein prozessuale Entscheidung über die Kosten des Gegenstands des Teilurteils vom 30. April 2015 betrifft. Das Schlussurteil beinhaltet insofern lediglich eine Ergänzung des vorausgegangenen, eine Kostenentscheidung nicht enthaltenden Teilurteils und bildet infolgedessen in diesem Umfang mit dem Teilurteil ein einheitliches untrennbares Ganzes, denn die Kostenentscheidung ist eine notwendige Folge der Entscheidung in der Hauptsache; einer Anfechtung der Kostenentscheidung des Schlussurteils steht in derartigen Fällen weder die Bestimmung des § 99 Abs. 1 ZPO, noch das Fehlen der Beschwerdesumme entgegen, sofern das Teilurteil, in dem über die Hauptsache entschieden worden ist, wirksam angefochten wurde(BGH 18. Dezember 1958 - VII ZR 152/57; VII ZR 93/58 - Rn. 11 ff., BGH 09. November 1977 - VIII ZB 36/77 - Rn. 7; OLG Köln 09. August 2013 - I-19 U 137/09, 19 U19 U 137/09 - Rn. 174; OLG Hamm 31. Mai 2000 - 12 U 41/00 - Rn. 3, jeweils zitiert nach juris). Dies ist vorliegend der Fall.
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II. Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil vom 30. April 2015 ist in der Sache nicht erfolgreich.
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1. Das Arbeitsgericht hat über die Widerklageforderung zu Unrecht im Wege des Teilurteils entschieden. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils nach § 301 Abs. 1 ZPO lagen nicht vor. Dennoch kann die Berufungskammer in der Sache entscheiden, ohne dass es der Aufhebung des Teilurteils bedurfte.
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1.1. Die Voraussetzungen für ein Teilurteil nach § 301 Abs.1 ZPO waren im Hinblick auf die Abweisung der Schadensersatzansprüche betreffenden Widerklage nicht gegeben.
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a) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil als Teilurteil zu erlassen (§ 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Hierbei setzt die Entscheidungsreife voraus, dass das Teilurteil unabhängig vom Schlussurteil erlassen werden kann bzw. zwischen dem durch ein Teilurteil entschiedenen Teil einerseits und dem noch nicht entschiedenen Teil andererseits kein Widerspruch entstehen darf; das bedeutet, dass es für den Erlass eines Teilurteils nicht auf solche Urteils- oder Begründungselemente ankommen darf, die auch bei der weiteren Entscheidung über den noch nicht entscheidungsreifen Teil maßgebend sein können (BAG 17. April 2013 - 4 AZR 361/11 - Rn. 12, mwN, zitiert nach juris). Eine solche Gefahr ist namentlich gegeben, wenn in einem Teilurteil aufgrund einer materiellrechtlichen Verzahnung zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über die verbleibenden Ansprüche noch einmal stellt oder stellen kann (BGH 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10 - Rn. 14, BGHZ 189, 356). Insoweit kommt es nicht nur auf das entscheidende Gericht selbst an, sondern darüber hinaus auf eine auch nur mögliche abweichende Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht (BAG 17. April 2013 - 4 AZR 361/11 - Rn. 12 aaO unter Verweis auf BGH 27. Oktober 1999 - VIII ZR 184/98 - zitiert nach juris).
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b) Vorliegend hätte das Arbeitsgericht ausgehend von diesen Grundsätzen über die Widerklage nicht im Wege des Teilurteils entscheiden dürfen, nachdem der Beklagte mit Schriftsatz vom 17. Juli 2014 - hilfsweise - mit einem Teil der Widerklageforderung gegen die Klageforderung aufgerechnet hat. Erklärt ein Beklagter gegenüber der Klageforderung hilfsweise die Aufrechnung mit einer Gegenforderung und macht diese außerdem noch zum Gegenstand einer Widerklage, kann über die Klage bzw. die Widerklage grundsätzlich nicht durch Teilurteil entschieden werden (OLG Sachsen-Anhalt 05. Dezember 2013 - 4 U 28/13 - Rn. 29; vgl. BGH 12. Januar 1994 - XII ZR 167/92 - Rn. 23, jeweils zitiert nach juris). Bei einer derartigen Fallgestaltung ist die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen - und sei es im Instanzenzug - nicht ausgeschlossen.
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1.2. Dennoch war dem Berufungsgericht eine Entscheidung in der Sache vorliegend möglich. Zwar findet ein unzulässiges Teilurteil im Prozessrecht keine Grundlage und ist daher grundsätzlich von Amts wegen aufzuheben, weil nur hierdurch im Allgemeinen sichergestellt wird, dass das weitere Verfahren nicht auf einer als unrichtig erkannten Grundlage aufbaut, im weiteren Verfahren der erkannte Verfahrensfehler nicht vertieft wird und das Urteil nicht dazu führt, dass die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen aufrecht erhalten bleibt (BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - Rn. 19 mwN; BGH 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10 - Rn. 19 ff., jeweils zitiert nach juris). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist jedoch geboten, wenn bei Aufrechterhaltung des Teilurteils weder die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen besteht noch der Verfahrensfehler weiter vertieft wird (BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - Rn. 20, aaO). So liegt der Fall hier. Nachdem neben dem unzulässigen Teilurteil vom 30. April 2015 über die Widerklage zuletzt auch das die Klage betreffende Schlussurteil vom 30. Juli 2015 der Berufungskammer zu einheitlichen Entscheidung angefallen ist, besteht die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen nicht mehr.
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2. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Beklagten der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zusteht. Die gegen sein Teilurteil gerichtete Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg.
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2.1. Dem Beklagten steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht nach § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 619 a BGB zu.
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a) Gemäß §§ 280, 282, 241 Abs. 2 BGB hat der Arbeitnehmer dann Schadensersatz zu leisten, wenn er seinen arbeitsvertraglichen Pflichten - zu denen gemäß § 241 Abs. 2 BGB auch die Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers gehören - schuldhaft verletzt, dadurch dem Arbeitgeber ein Schaden entstanden ist und zwischen der Vertragsverletzung und dem Schadenseintritt ein Kausalzusammenhang besteht(vgl. LAG Rheinland-Pfalz 07. September 2009 - 5 Sa 269/09 - Rn. 33, zitiert nach juris). Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen von ihm geltend gemachter vertraglicher Schadensersatzansprüche, wobei sich der Arbeitgeber gemäß § 619 a BGB nicht auf die Beweislastregelung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB berufen kann; damit hat der Arbeitgeber das Verschulden des Arbeitnehmers und die den Grad des Verschuldens ausmachenden Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen; die Darlegungs- und Beweislast erstreckt sich mithin nicht nur auf die Pflicht- bzw. Rechtsgutverletzung, sondern auch auf die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität sowie den Schaden (LAG Rheinland-Pfalz 07. September 2009 - 5 Sa 269/09 - Rn. 34; vgl. BAG 17. September 1998 - 8 AZR 175/97 - Rn. 61 f., jeweils zitiert nach juris). Allerdings dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, wenn das schädigende Ereignis näher am Arbeitnehmer als am Arbeitgeber gelegen hat; der Arbeitnehmer hat sich im Sinne einer gestuften Darlegungslast substantiiert zu äußern, vom Arbeitgeber vorgetragene Indizien, die auf ein haftungsbegründendes Verschulden des Arbeitnehmers hinweisen, sind sorgfältig zu würdigen (BAG 17. September 1998 - 8 AZR 175/97 - Rn. 63, aaO).
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b) Nach diesen Grundsätzen geht die Berufungskammer davon aus, dass der Beklagte bereits der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung des Klägers und hierdurch kausal verursachte Schäden im Zusammenhang mit unterlassenen Plakatierungen nicht ausreichend nachgekommen ist.
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aa) Es ist dem Beklagten bereits nicht gelungen, eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung des Klägers im Zusammenhang mit nicht durchgeführten Plakatierungen substantiiert vorzutragen. Der Beklagte hat weder schlüssig dargelegt, an welchen Tagen dem Kläger Plakatierungsaufträge für welche Liegenschaften erteilt worden sind, noch wann er mit dem Kläger vereinbart haben will, dass dieser - zusammen mit seinem Team-Kollegen E. - die Ankündigungsplakate für sämtliche für den Beklagten tätigen Montageteams kleben sollte. Nachdem der Kläger bereits in erster Instanz - im Übrigen in teilweiser Übereinstimmung mit dem beklagtenseitigen Vortrag im Schriftsatz vom 16. Oktober 2014 (S. 3 = Bl. 59 d. A.) - vorgetragen hat, auch andere Montageteams hätten plakatiert und die Teams hätten sich hierbei untereinander auch gemischt, wäre derartiger Vortrag unerlässlich gewesen, um auf eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung des Klägers schließen zu können, worauf dieser zutreffend hingewiesen hat. Dies auch vor dem Hintergrund, dass der Beklagte selbst vorgetragen hat, die Plakatierungen für den Raum F seien vom Zeugen B vorgenommen worden, was bereits gegen eine alleinige Verantwortlichkeit des Klägers und des Zeugen E. spricht. Die vom Beklagten als Anlage B2 (Bl. 64 ff. d. A.) „exemplarisch“ vorgelegte Tageseinsatzliste für den Zeitraum vom 30. Januar bis 18. Februar 2014 konnte substantiierten Sachvortrag des Beklagten nicht ersetzen. Sie ergibt weder Aufschluss darüber, wann dem Kläger welche Plakatierungsaufträge zugeteilt worden sind, noch über den Zeitpunkt und die Umstände einer Vereinbarung über die Übernahme sämtlicher Plakatierungsaufträge durch den Kläger. Darüber hinaus enthält die vorgelegte Tageseinsatzliste auch Adressen in F, die vom Kläger bereits nach eigenem Vortrag des Beklagten nicht zu betreuen waren. Soweit der Beklagte sich in der Berufungsinstanz darauf berufen hat, der Zeuge B habe Anfang August 2015 eine Absprache mit dem Kläger dahingehend zugegeben, pflichtwidrig Ankündigungsplakate nicht anzubringen, aber dennoch abzurechnen, erlaubt diese pauschale Behauptung - selbst wenn sie zutreffen sollte - keine Rückschlüsse auf konkrete Pflichtverletzungen des Klägers im kollusiven Zusammenwirken mit dem Zeugen B, so lange nicht erkennbar ist, wann welche Plakatierungsaufträge - deren vom Beklagten angegebene Zahl in dessen Vortrag zudem variiert - den beiden Mitarbeitern überhaupt übertragen worden sind.
- 57
bb) Der Beklagte hat - wie vom Arbeitsgericht zutreffend erkannt - auch keinen ausreichenden Vortrag dazu gehalten, dass und welche Schäden durch das Verhalten des Klägers haftungsbegründend kausal und schuldhaft verursacht worden sind. Die Berufungskammer nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug (Entscheidungsgründe I 1 (S. 5 f. d. Urteils = Bl. 211 f. d. Akten) und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Substantiierte Einwendungen der Berufung, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen können, waren nicht ersichtlich. Soweit der Beklagte sich auf die pauschale Behauptung des Zeugen B berufen hat, nach dessen Erinnerung bis 18. Februar 2014 noch mit dem Kläger zusammen gearbeitet zu haben, entband dies die Beklagte nicht von ihr unproblematisch möglichen eigenen Darlegungen dazu, ob und an welchen Tagen der Kläger seinen Dienst nach dem 30. Januar 2014, dem behaupteten Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit, der den vom Kläger vorgelegten Mitteilungen seiner Krankenkasse entspricht, angetreten hat. Ungeachtet dessen, hat die Berufungskammer erhebliche Bedenken, ob der Beklagte auch ohne unterstellte Versäumnisse des Klägers im Bereich Plakatierung in der Lage gewesen wäre, den Rahmenvertrag mit seiner Auftraggeberin zu erfüllen, der ihn zu einer zweiten Anfahrt bei Nichterreichen der Kundschaft verpflichtete, nachdem der Beklagte erstinstanzlich selbst vorgetragen hat, über ein erforderliches gesondertes Firmenfahrzeug für die Nachholung der Arbeiten nicht zu verfügen. Soweit sich der Beklagte im Übrigen auf einen Schaden von 15.750,00 Euro berufen hat, der ihm entstanden sei, weil er an den Kläger und den Zeugen E. für 35 Arbeitstage bei von diesen - nur behauptet - 30 pro Tag geklebten Plakaten je 1,50 Euro gezahlt habe, hat er bereits nicht ausreichend dargelegt, dass ihm der Schaden überhaupt entstanden ist. Weder die Lohnabrechnungen des Klägers, noch sonstige Auszahlungsnachweise rechtfertigen den Rückschluss, dass an den Kläger, der dies ausdrücklich bestritten hat, Sonderzahlungen für Plakatierungen geflossen sind. Die diesbezügliche pauschale Behauptung des Zeugen B, der betreffend den Kläger allenfalls Zeuge vom Hören-Sagen sein könnte, genügte hierzu nicht.
- 58
2.2 Aus den unter 2.1. genannten Gründen scheidet auch ein deliktischer Anspruch des Beklagten nach § 823 Abs. 1, §§ 823 Abs. 2 BGB iVm. § 263 StGB oder einem vergleichbaren Schutzgesetz aus.
- 59
2.3. Entgegen der Auffassung der Berufung kann der Beklagte aus § 287 Abs. 1 ZPO für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch nichts herleiten.
- 60
a) Nach § 287 Abs. 1 ZPO entscheidet der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch er ist. Eine Schätzung gemäß § 287 ZPO kommt nach ständiger Rechtsprechung, der sich die Berufungskammer anschließt, erst dann in Betracht, wenn feststeht, dass ein Schaden in zurechenbarer Weise verursacht wurde und nur noch zu klären bleibt, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem konkreten Haftungsgrund und dem behaupteten Schaden besteht (haftungsausfüllende Kausalität) und wie hoch dieser Schaden ist; die haftungsbegründende Kausalität ist den strengeren Beweisregeln des § 286 ZPO unterworfen(BAG 29. Januar 1981 - 3 AZR 888/78 – Rn. 40, vgl. BGH 04. November 2003 - VI ZR 28/03 - Rn. 15,; LAG Rheinland-Pfalz 14. August 2007 - 9 Sa 18/07 - Rn. 27, jeweils zitiert nach juris; Zöller-Greger ZPO 31. Aufl. § 287 Rn. 3; Münchener Kommentar ZPO - Prütting 4. Aufl. § 287 Rn. 14). § 287 ZPO dehnt das richterliche Ermessen für die Feststellung der Schadenshöhe über die Schranken des § 286 ZPO aus. Das Gesetz nimmt dabei in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt; allerdings soll die Schätzung möglichst nahe an diese heranführen (BAG 16. Januar 2013 - 10 AZR 560/11 - Rn. 25; 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 49, 20. September 2006 - 10 AZR 439/05 - Rn. 37, jeweils zitiert nach juris). Der Tatrichter muss nach pflichtgemäßem Ermessen auch beurteilen, ob nach § 287 Abs. 1 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens möglich ist. Eine Schätzung darf nur dann unterbleiben, wenn sie mangels konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre; eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens, auch in Form der Schätzung eines Mindestschadens, lässt § 287 ZPO grundsätzlich nicht zu(BAG 16. Januar 2013 - 10 AZR 560/11 - Rn. 25, aaO, mwN)).
- 61
b) Ausgehend hiervon liegen die Voraussetzungen für eine Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO nicht vor. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Beklagte den konkreten Haftungsgrund selbst einschließlich seiner eigenen Kausalbeziehungen aus den unter A II 2 2.1. dargestellten Gründen nicht iSd. § 286 ZPO substantiiert dargelegt hat und damit eine Schadensschätzung ausgeschlossen ist. Selbst wenn der Anwendungsbereich von § 287 Abs. 1 ZPO eröffnet wäre, wäre die Schadensschätzung im Übrigen nach Auffassung der entscheidenden Berufungskammer unzulässig, da sie mangels hinreichend konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“. Es ist weder im Ansatz ersichtlich, welche Listen an welchen Tagen abgearbeitet werden mussten, noch aufgrund welcher nicht geklebter Ankündigungsplakate für welche konkreten Liegenschaften welche Kunden - wenigstens exemplarisch - nicht erreicht werden konnten. Würde man die von der Beklagten vorgenommene pauschale „Hochrechnung“ akzeptieren, würde die Darlegungs- und Beweislast unzulässig zu Gunsten des Beklagten verschoben, da § 287 ZPO zwar Erleichterungen für das Beweismaß und das Verfahren bietet, aber keine Auswirkungen auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast hat (vgl. BAG 26. September 2012 - 10 AZR 370/10 - Rn. 22, mwN, zitiert nach juris).
- 62
B Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO. Nachdem die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts vom 30. Juli 2015 erfolglos geblieben ist, war auch der ausschließlich im Hinblick auf die das Teilurteil betreffende Kostenentscheidung zulässigen Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Schlussurteil kein Erfolg beschieden.
- 63
Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).
Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Apr. 2016 - 6 Sa 299/15
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Apr. 2016 - 6 Sa 299/15 zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
Tenor
-
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 31. März 2009 - 14 Sa 1783/08 - aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 29. Oktober 2008 - 1 Ca 1098/08 - wird als unzulässig verworfen.
-
2. Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten für die Zeit ab 1. Januar 2007 über die zutreffende Eingruppierung der Tätigkeit des Klägers nach dem Entgeltrahmenabkommen in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18. Dezember 2003 (ERA).
- 2
-
Der Kläger ist langjährig bei der Beklagten als Werkstoffprüfer im mechanischen Labor eingesetzt, wo insgesamt vier Werkstoffprüfer mit der Arbeitsaufgabe Qualitätsprüfung-Metallografie unter einem Laborleiter im Zweischichtbetrieb tätig sind.
- 3
-
Die Beklagte bildet ua. Verfahrensmechaniker (Umformtechnik), Drahtzieher und Industriekaufleute aus, Werkstoffprüfer hingegen seit Jahren nicht mehr. Die Auszubildenden zu Industriekaufleuten und zu Verfahrensmechanikern werden jeweils vier Wochen im mechanischen Labor eingesetzt, wobei sie nicht jeden Tag anwesend sind. Bei Auszubildenden zu Verfahrensmechanikern ist eine vierwöchige Ausbildung im mechanischen Labor Bestandteil des Ausbildungsplans und die Inhalte sind prüfungsrelevant. Sie werden in Einzelfällen nach dieser Ausbildung im mechanischen Labor zur Urlaubs- oder Krankheitsvertretung eingesetzt. Außerdem werden für zwei bis drei Wochen pro Jahr zwei bis drei Schülerpraktikanten betreut. Grundsätzlich wird jeweils nur ein Auszubildender oder Praktikant dem mechanischen Labor zugewiesen, wobei es gelegentlich zu Überschneidungen kommt.
- 4
-
Im Hinblick auf die zum 1. Januar 2007 beabsichtigte Einführung des ERA schloss die Beklagte mit dem bei ihr eingerichteten Betriebsrat am 28. April 2005 eine freiwillige Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Einführung von ERA gemäß § 2 Nr. 4 ERA-Einführungstarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (ERA-ETV).In Nr. 9 dieser Betriebsvereinbarung vereinbarten die Betriebsparteien die Anwendung des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens gem. § 7 ERA-ETV, § 4 Nr. 3 ERA und richteten im Rahmen dieses Verfahrens eine Paritätische Kommission ein.
- 5
-
Dem Kläger wurde von der Beklagten im November 2006 eine Aufgabenbeschreibung sowie die Eingruppierung mit Wirkung zum 1. Januar 2007 nach der Entgeltgruppe 11 ERA mitgeteilt. Dagegen wandte er sich mit einem Widerspruch, der auf das Anforderungsmerkmal „Kooperation“ gestützt war und der von der Paritätischen Kommission am 23. Januar 2007 abgelehnt wurde. Dies teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25. Januar 2007 mit, in dem sie gleichzeitig ankündigte, die Aufgabenbeschreibung hinsichtlich der zuvor nicht darin erwähnten Obliegenheit der Betreuung von Auszubildenden zu ergänzen.
- 6
-
Die im Juni 2007 insoweit ergänzte Aufgabenbeschreibung des Klägers bewertet die einzelnen Anforderungsmerkmale des ERA; die Mitarbeiterführung ordnet sie der Stufe 1 zu, vergibt also insoweit 0 Punkte und kommt zu einem Gesamtwert von 110 Punkten, der eine Einstufung in Entgeltgruppe 11 zur Folge hat.
- 7
-
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 12 ERA zu. Seine Tätigkeit sei wegen ihrer Prägung durch regelmäßige Betreuung von Auszubildenden und Praktikanten bezüglich des Anforderungsmerkmales „Mitarbeiterführung“ nach der Stufe 2 zu bewerten, so dass ihm weitere fünf Punkte zuzuerkennen seien und er einen für eine Einstufung in Entgeltgruppe 12 ausreichenden Gesamtwert von 115 Punkten erreiche.
-
Der Kläger hat beantragt
-
festzustellen, dass er mit Wirkung zum 1. Januar 2007 in die Entgeltgruppe 12 des Entgeltrahmenabkommens (ERA) der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen einzugruppieren ist.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, dass die Bewertung des Anforderungsprofils „Mitarbeiterführung“ zutreffend sei. Das Tätigkeitsbild der Arbeitsaufgabe „Werkstoffprüfung“ beinhalte nicht die fachliche Anweisung, Anleitung und Unterstützung anderer Beschäftigter. Die zeitweise Betreuung der Auszubildenden während des vorübergehenden Einsatzes im mechanischen Labor präge die Tätigkeit des Klägers nicht.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts war mangels einer den Anforderungen von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG entsprechenden Berufungsbegründung unzulässig. Sie wäre deshalb vom Landesarbeitsgericht zu verwerfen gewesen.
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I. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessfortsetzungsvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung (BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 17, NZA 2010, 1446). Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. zB BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - aaO; 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 10, BAGE 121, 18 mzN). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sie verworfen wird(im Ergebnis ebenso BAG 15. August 2002 - 2 AZR 473/01 - AP ZPO § 519 Nr. 55 = EzA ZPO § 519 Nr. 14). Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist hierbei ohne Bedeutung (vgl. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 9; 9. Juli 2003 - 10 AZR 615/02 - Rn. 5 mwN, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 33 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 37; 29. November 2001 - 4 AZR 729/00 - EzA ZPO § 519 Nr. 13).
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II. Mit der Berufungsbegründungsschrift ist die erstinstanzliche Entscheidung nicht ausreichend iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG angegriffen worden. Es fehlt an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils.
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1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (st. Rspr., vgl. ua. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 11; 28. Mai 2009 - 2 AZR 223/08 - Rn. 14, AP ZPO § 520 Nr. 2; 6. März 2003 - 2 AZR 596/02 - BAGE 105, 200). Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden (BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 223/08 - aaO). Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (BAG 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 11 mwN, BAGE 121, 18; 25. April 2007 - 6 AZR 436/05 - Rn. 14 mwN, BAGE 122, 190). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - aaO; 25. April 2007 - 6 AZR 436/05 - Rn 14 mwN, aaO).
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2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers vom 12. Dezember 2008 nicht.
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a) Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klage sei unbegründet, weil sich die Paritätische Kommission bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers bei der Überprüfung der Eingruppierung mit dem Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Mit § 7 ERA-ETV hätten die Tarifvertragsparteien festgelegt, dass die Feststellung der Eingruppierung einem besonderen Verfahren unterworfen sei, das nur eine beschränkte Überprüfung des gefundenen Ergebnisses vorsehe. Aus § 7 Abs. 1 und Abs. 4 ERA-ETV ergebe sich, dass die Entscheidung der Paritätischen Kommission gerichtlich nur auf Verfahrensfehler und die grobe Verkennung der tariflichen Bewertungsgrundsätze überprüft werden könne. Beides mache der Kläger jedoch nicht geltend. Da sich die Paritätische Kommission nach seinem eigenen Vorbringen nicht mit dem Merkmal Mitarbeiterführung befasst habe, könne ihr insoweit auch kein Fehler unterlaufen sein. Das Unterlassen der Überprüfung des Merkmales Mitarbeiterführung sei der Paritätischen Kommission nicht vorzuwerfen, da sich der Kläger gegenüber seiner tariflichen Ersteinstufung ausdrücklich nur auf das Merkmal „Kooperation“ bezogen habe. Deshalb habe das Gericht nicht zu prüfen, ob der Kläger im Rahmen seiner Arbeitsaufgabe regelmäßig oder nur gelegentlich während eines Betriebsdurchlaufes Auszubildende und Praktikanten betreue.
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b) Die Berufungsbegründungsschrift des Klägers enthält keinerlei Bezug zu und nicht ansatzweise eine Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts. Entgegen den Anforderungen des § 520 ZPO ist nichts dazu vorgetragen, in welchen Punkten rechtlicher und tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll.
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Das Urteil des Arbeitsgerichts wird in der Berufungsbegründung weder ausdrücklich noch implizit erwähnt. Es findet keinerlei argumentative Auseinandersetzung mit der Auffassung des Arbeitsgerichts statt, dass die Klage bereits unbegründet sei, weil sich die Paritätische Kommission bei der Überprüfung der Eingruppierung mit dem Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Auch die Ansicht des Arbeitsgerichts, dass die Entscheidung der Paritätischen Kommission gerichtlich nur auf Verfahrensfehler und die grobe Verkennung der tariflichen Bewertungsgrundsätze überprüft werden könne, findet weder Erwähnung noch erfolgt irgendeine Auseinandersetzung mit diesem rechtlichen Ansatz.
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Stattdessen enthält die Berufungsbegründungsschrift ausschließlich Vortrag von bereits erstinstanzlich vorgetragenen Tatsachen, teils wiederholend, teils vertiefend. Nachdem referiert worden ist, dass das ERA auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist, welche Bewertung der Tätigkeit des Klägers mit welchem Ergebnis erfolgt ist und woran es dabei aus Sicht des Klägers mangelt, wird auch der Ablauf des Verfahrens vor der Paritätischen Kommission geschildert. Die Ausführungen hierzu bleiben jedoch ausschließlich im Tatsächlichen. Es fehlt an jeder rechtlichen Argumentation, die sich mit den Ausführungen im angefochtenen Urteil auseinandersetzt.
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Soweit der Kläger sich dahingehend äußert, die Paritätische Kommission habe seine Beanstandung im Hinblick auf die nicht zutreffend vorgenommene Bewertung im Rahmen des Merkmales „Mitarbeiterführung“ nicht abgearbeitet, zeigt er keinen Verfahrensfehler auf. Dieses Vorbringen kann zwar anfänglich dahingehend verstanden werden, der Kläger wolle vortragen, dass die Kommission sich mit dem von ihm vorgebrachten Merkmal der „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Darin könnte - obwohl vom Kläger nicht ausdrücklich erwähnt - auf den ersten Blick der Vorwurf eines Verfahrensfehlers liegen. Allerdings ergibt sich aus seinen weiteren Ausführungen etwas anderes. So weist der Kläger ausdrücklich darauf hin, dass der Paritätischen Kommission der Themenbereich „Mitarbeiterführung“ bekannt gewesen, „eine Bewertung, insbesondere im Sinne des Klägers, allerdings nicht“ erfolgt sei. Auch sei der Betriebsratsvorsitzenden von der Kommission erklärt worden, dass die Werkstoffprüfer selbstverständlich zur Ausbildung verpflichtet seien, die Aufgabenbeschreibung entsprechend abgeändert werde, eine Bewertung insofern allerdings nicht erfolge. Damit bringt der Kläger zum Ausdruck, dass er die aus seiner Sicht fehlerhafte Bewertung des Merkmales Mitarbeiterführung durch die Paritätische Kommission beanstandet, nicht aber einen Verfahrensfehler durch Nichtberücksichtigung seines Vorbringens rügt.
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Auch die weiteren Ausführungen in der Berufungsbegründung, insbesondere zu den gleichzeitigen Anwesenheitszeiten von Mitarbeitern des mechanischen Labors und Auszubildenden und Praktikanten in den Jahren 2007 und 2008 und zur Beschreibung der Ausbildungsinhalte im mechanischen Labor, stellen keine argumentative Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts dar.
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III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung und Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
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Bepler
Treber
Winter
Pieper
Plautz
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 4. November 2009 - 6 Sa 18/09 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 17. Dezember 2008 - 4 Ca 1090 b/08 - als unzulässig verworfen wird.
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Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
- 1
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags.
- 2
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Die 1952 geborene Klägerin und die Beklagte verbindet ein Arbeitsverhältnis. Die Beklagte beschäftigt die Klägerin als Krankenschwester in einem Krankenhaus. Der kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbare Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 30. Juni 2000 (TV ATZ) gewährt Beschäftigten unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch gegen den Arbeitgeber, mit ihnen einen Altersteilzeitarbeitsvertrag abzuschließen. Einen solchen Anspruch sieht auch der zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Schleswig-Holstein und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di geschlossene Tarifvertrag „Arbeitszeit für Schleswig-Holstein“ (TV-ArbZ SH) vor.
- 3
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Mit Schreiben vom 17. März 2008, das der Beklagten am 26. März 2008 zuging, forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos auf, mit ihr einen Altersteilzeitarbeitsvertrag für den Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis zum 30. September 2017 zu schließen.
- 4
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Die Klägerin hat die Rechtsauffassung vertreten, die ablehnende Entscheidung der Beklagten diskriminiere sie wegen ihres Alters. Die Tarifvertragsparteien, die an den grundgesetzlichen Gleichheitssatz gebunden seien, hätten den ihnen von Verfassungs wegen zustehenden Regelungsspielraum überschritten. Es verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, den Beschäftigten der Stadt Kiel, nicht aber den Beschäftigten in den Krankenhäusern den Zugang zur Altersteilzeit unter den TV-ArbZ SH spezifizierten Bedingungen zu gewähren.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, ihr Angebot zum Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags in Form des Teilzeitmodells in der Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 30. September 2017 anzunehmen.
- 6
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht gewesen, sie sei berechtigt, Altersteilzeitanträge von Arbeitnehmern, die das 60. Lebensjahr nicht vollendet hätten, aus Kostengründen abzulehnen. Das ihr zustehende Ermessen habe sie fehlerfrei ausgeübt.
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Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
- 8
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Die Revision ist unbegründet, da bereits die Berufung unzulässig gewesen ist. Das Landesarbeitsgericht hätte die Berufung als unzulässig verwerfen müssen; denn die Berufungsbegründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.
- 9
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1. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung (BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 17, NZA 2010, 1446). Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BAG 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 10, BAGE 121, 18). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Berufung verworfen wird(vgl. BAG 15. August 2002 - 2 AZR 473/01 - zu 2 der Gründe, AP ZPO § 519 Nr. 55 = EzA ZPO § 519 Nr. 14). Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist hierbei ohne Bedeutung (vgl. BAG 9. Juli 2003 - 10 AZR 615/02 - zu 1 der Gründe, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 33 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 37).
- 10
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2. Die Berufungsbegründungsschrift genügt nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin hat sich nicht in ausreichender Weise mit den Erwägungen des Arbeitsgerichts, auf die es seine klageabweisende Entscheidung gestützt hat, auseinandergesetzt.
- 11
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a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Begründung der Berufung auch im Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen anwendbar(BAG 10. Februar 2005 - 6 AZR 183/04 - zu 2 a der Gründe, EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 40). Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll (BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 223/08 - Rn. 14, AP ZPO § 520 Nr. 2). Die Regelung des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird(vgl. BAG 11. März 1998 - 2 AZR 497/97 - zu I der Gründe, BAGE 88, 171). Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (vgl. BAG 6. März 2003 - 2 AZR 596/02 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 105, 200). Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt und eine Beschränkung des Rechtsstoffs im Berufungsverfahren erreicht werden (BAG 15. August 2002 - 2 AZR 473/01 - zu 2 der Gründe, AP ZPO § 519 Nr. 55 = EzA ZPO § 519 Nr. 14). Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den Streitfall zugeschnitten sein (BAG 8. Mai 2008 - 6 AZR 517/07 - Rn. 30, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 40 = EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 6). Eine schlüssige Begründung kann zwar nicht verlangt werden; doch muss sich die Berufungsbegründung mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will (BAG 10. Februar 2005 - 6 AZR 183/04 - zu 2 a der Gründe, aaO ; 16. Juni 2004 - 5 AZR 529/03 - zu II 2 b der Gründe, EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 3; 15. August 2002 - 2 AZR 473/01 - zu 2 der Gründe, aaO). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 25. April 2007 - 6 AZR 436/05 - Rn. 14, BAGE 122, 190).
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b) An diesem Maßstab gemessen, hat die Klägerin die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts nicht ausreichend begründet. Das Arbeitsgericht hat in seinem Urteil mit § 2 Abs. 1 TV ATZ(Seite 6 des Urteils) und § 7 TV-ArbZ SH(Seite 8 des Urteils) zwei Anspruchsgrundlagen in Betracht gezogen und deren Voraussetzungen im Ergebnis verneint.
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aa) Zu § 2 Abs. 1 TV ATZ hat das Arbeitsgericht im Einzelnen ausgeführt, die Beklagte habe das ihr von den Tarifvertragsparteien eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die von der Beklagten angeführten wirtschaftlichen Gründe rechtfertigten die Ablehnung des von der Klägerin unter dem 17. März 2008 gestellten Antrags. Eine Diskriminierung der Beschäftigten, die das 60. Lebensjahr nicht vollendet hätten, liege nicht vor, da diese nicht benachteiligt würden. Die Tarifbestimmung begünstige ältere Arbeitnehmer, ohne jüngere zu benachteiligen. Ausweislich der Präambel des Tarifvertrags solle älteren Beschäftigten ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglicht und dadurch vorrangig Auszubildenden und Arbeitslosen Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet werden. Die Tarifvertragsparteien verfolgten mit den Regelungen des TV ATZ arbeitsmarktpolitische Ziele und beschränkten die Begünstigung deshalb auf Arbeitnehmer, für die der gesetzliche Ruhestand alsbald anstehe.
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Die Berufungsbegründungsschrift der Klägerin enthält keine argumentative Auseinandersetzung mit diesen Erwägungen. Soweit die Klägerin auf Seite 1 der Berufungsbegründung ausführt, ihr Anspruch ergebe sich aus § 2 des Arbeitsvertrags, paraphrasiert sie im Folgenden die Tarifnorm des § 2 TV ATZ und rügt „die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes“. Zudem „beruft (sie) sich auch auf das AGG, das jede Diskriminierung aus Altersgründen verbietet“. Hierbei handelt es sich um eine formelhafte Wendung, auf die die Klägerin in ähnlicher Form bereits in der Klageschrift vom 31. Mai 2008 zurückgegriffen hat. Dort hat sie die Ansicht vertreten, in der Regelung liege eine „rechtswidrige Diskriminierung aus Altersgründen, die mit Europa-, Verfassungs- und Bundesrecht unvereinbar“ sei. Die Klägerin legt weder dar, aus welchem Grund sie den Gleichbehandlungsgrundsatz für verletzt erachtet, noch, aufgrund welcher Umstände sie sich auf welche Vorschriften des AGG zur Stützung der Rechtsbehauptung, ihr stehe ein Anspruch auf Abschluss des begehrten Altersteilzeitarbeitsvertrags zu, berufen will. Der pauschale Hinweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Vorschriften des AGG ersetzt nicht die erforderliche Auseinandersetzung mit der die angefochtene Entscheidung tragenden Erwägung des Arbeitsgerichts, es liege keine Ungleichbehandlung zulasten der jüngeren, sondern eine - diskriminierungsrechtlich gerechtfertigte - Begünstigung älterer Arbeitnehmer vor. Auf das weitere Argument des Arbeitsgerichts, die unterschiedliche Behandlung beider Arbeitnehmergruppen sei aufgrund arbeitsmarktpolitischer Erwägungen der Tarifvertragsparteien gerechtfertigt, geht die Klägerin nicht ein.
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bb) Auch hinsichtlich der zweiten von dem Arbeitsgericht in Betracht gezogenen Anspruchsgrundlage, der Regelung des § 7 TV-ArbZ SH, fehlt es an einer der Form des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO entsprechenden Berufungsbegründung. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, es sei Sache der Tarifvertragsparteien, die Gruppe derer zu bestimmen, auf die das zur Verfügung stehende arbeitsmarktpolitische Instrumentarium angewendet werde. Eine Diskriminierung sei nicht ersichtlich, da im Bereich der Krankenpflege keine erhebliche Arbeitslosigkeit bestehe. Angesichts dessen habe kein Bedarf zur Förderung von Arbeitslosen und Jugendlichen bestanden.
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Dieser Urteilsbegründung setzt die Klägerin auf Seite 2 der Berufungsbegründung den pauschalen Hinweis entgegen, die Tarifvertragsparteien hätten ihre Regelungsbefugnis überschritten. Damit wird die Klägerin ihrer Begründungsobliegenheit nicht gerecht. Ihre ohne nähere Erläuterung aufgestellte Behauptung, „Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung sind nicht ersichtlich“ (Seite 3 der Berufungsbegründung), ist nicht auf die Erwägungen, die das erstinstanzliche Gericht zur Klageabweisung bewogen haben, zugeschnitten. Das Arbeitsgericht hat auf die mit der Einführung von Altersteilzeit verfolgten arbeitsmarktpolitischen Zwecke abgestellt und ist davon ausgegangen, es bestehe angesichts der Arbeitsmarktlage kein Bedürfnis, Mitarbeitern in Krankenhäusern den Zugang zur Altersteilzeit zu eröffnen. Mit diesen sowohl rechtlichen als auch tatsächlichen Argumenten des Arbeitsgerichts befasst sich die Klägerin nicht. Sie erhebt weder Verfahrensrügen, noch stellt sie die rechtlichen Folgerungen des Arbeitsgerichts infrage. Wenn sie auf Seite 3 der Berufungsbegründung ohne nähere Erklärung auf eine Gleichstellung von Altenpflegern und Krankenpflegern im Krankenpflegegesetz verweist, steht dies mit den maßgebenden Tarifbestimmungen in keinem erkennbaren Zusammenhang.
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C. Die Klägerin hat als Revisionsführerin die Kosten der ohne Erfolg eingelegten Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
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Düwell
Krasshöfer
Suckow
Faltyn
Kranzusch
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 15. April 2015, Az. 5 Ca 1431/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs, Urlaubsabgeltung und Weihnachtsgeld.
- 2
Der 1962 geborene Kläger ist seit 04.08.2010 bei der Beklagten, die ein Tief- und Straßenbauunternehmen betreibt, als Schachtmeister angestellt. Die Beklagte beschäftigt 115 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Allgemeinverbindlichkeit der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) Anwendung. Im schriftlichen Arbeitsvertrag haben die Parteien einen Stundenlohn von € 22,50 brutto (Lohngruppe 6 BRTV-Bau plus übertarifliche Zulage) vereinbart. In Ziff. 9 des Arbeitsvertrags ist unter der Überschrift "Besondere Vereinbarungen" ua. folgendes geregelt:
- 3
"Weihnachtsgeld
Es wird ein Weihnachtsgeld in Höhe von 780,00 Euro (anteilig, bei Einstellung innerhalb des Jahres) brutto gezahlt."
- 4
Der Kläger ist im April 2011 infolge eines Krebsleidens arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte leistete ihm bis 17.05.2011 Entgeltfortzahlung, anschließend bezog der Kläger bis zum 03.10.2012 Krankengeld, danach bis zum 03.01.2014 Arbeitslosengeld. Dem Kläger wurde von der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bewilligt, die sich ab 01.01.2014 auf € 642,89, ab 01.07.2014 auf € 649,26 monatlich beläuft. Sein Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung blieb erfolglos; der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 28.04.2015 zurückgewiesen.
- 5
Mit Bescheid vom 03.04.2012 wurde dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 zuerkannt. Außerdem sind die Merkzeichen "G", "B", "aG", "H" und "RF" festgestellt worden. Es wurde von folgenden Beeinträchtigungen ausgegangen:
- 6
1. Non-Hodgkin-Erkrankung (100)
2. Funktionseinschränkung der rechten Hüfte nach operativ versorgter Acetabulumfraktur und Symphysensprengung (20)
- 7
Die Hausärzte des Klägers stellten ihm am 10.09.2013 folgende Bescheinigung aus:
- 8
"Bei Herrn A. zeigt sich ein sehr erfreulicher klinischer Verlauf mit jetzt wieder guter körperlicher Belastbarkeit, so dass einer Erwerbstätigkeit wieder nachgegangen werden kann. Hierbei sollte aber berücksichtigt werden, dass der Pat. nicht schwer heben sollte."
- 9
Ebenfalls am 10.09.2013 erstellten die Hausärzte folgende Bescheinigung:
- 10
"Herr A. ist in der Lage die Tätigkeit auszuüben, jedoch ohne schweres Heben."
- 11
Mit Schreiben vom 16.10.2013 teilte die BG BAU dem Kläger folgendes mit:
- 12
"Im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung am 07.10.2013 wurden bei Ihnen folgende Untersuchungen durchgeführt: Biometrie, Lungenfunktion, Hörtest, Sehtest, Labor.
- 13
Dabei fanden sich folgende Auffälligkeiten:
- 14
Zustand nach Tumorresektion BWS und Chemotherapie
Zustand nach Lungenembolie
C84.4 T-Zell-Lymphom, peripher
- 15
Wir möchten Ihnen deshalb folgende Empfehlung aussprechen:
- 16
Weiterführung der Therapie und Nachsorge.
- 17
Arbeitsversuch möglich, Betrieb wurde darüber bereits telefonisch informiert."
- 18
Im Jahr 2013 wurde mit Unterstützung des Integrationsfachdienstes die Möglichkeit einer Wiedereingliederung des Klägers geprüft.
- 19
Mit Schreiben vom 27.03.2014 meldete sich der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten und bat um Mitteilung, wie eine Integration seines Mandanten in das Erwerbsleben erfolgen könne. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 22.04.2015, der Arbeitsplatz des Klägers könne nicht in der Weise umgestaltet werden, dass das Heben schwerer Lasten gänzlich ausgeschlossen sei. Darüber hinaus sei ein stundenweiser Einsatz des Klägers auf auswärtigen Baustellen nicht möglich. Daraufhin erhob der Klägervertreter am 15.05.2014 vor dem Arbeitsgericht Trier (Az. 5 Ca 565/14) eine Klage mit dem Antrag,
- 20
die Beklagte zu verurteilen, die geeigneten Maßnahmen zur arbeitsrechtlichen Wiedereingliederung zu schaffen und den Kläger in seine Stelle einzuweisen.
- 21
Im Vorprozess erklärte der Klägervertreter in der Güteverhandlung am 09.07.2014 auf Nachfrage, sein Mandant sei derzeit nicht mehr arbeitsunfähig erkrankt. Eine Wiedereingliederung werde gleichwohl gewünscht, um es der Beklagten zu ermöglichen, wieder nach und nach mit ihm in eine volle Arbeitszeit hineinzugleiten. Sein Mandant komme am nächsten Montag (14.07.) wieder zur Arbeit und lege eine ärztliche Bescheinigung vor, dass er voll einsatzfähig sei. Anschließend nahm der Klägervertreter die Klage zurück. Am 10.07.2014 teilte er der Beklagten schriftlich mit, dass sich sein Mandant in stationärer Krankenhausbehandlung befinde. Der Kläger habe einen Infekt erlitten, möglicherweise aufgrund eines Zeckenbisses. Am 30.07.2014 kündigte er der Beklagten an, dass sein Mandant jetzt einsatzfähig sei. Er sei "vollumfänglich gesundet" und werde am Montag, dem 04.08.2014 seine Arbeit um 7:00 Uhr anbieten.
- 22
Der Kläger erschien am 04.08.2014 im Betrieb. Die im Vorprozess angekündigte ärztliche Bescheinigung über seine volle Einsatzfähigkeit legte er nicht vor. Auf die Frage des kaufmännischen Leiters der Beklagten, ob er schwere Lasten heben könne, antwortete der Kläger, dies könne er nicht. Nach dem Vorbringen der Beklagten erklärte er außerdem, dass er ihr seine Arbeitsleistung nicht mehr in Vollzeit anbiete, weil er eine Erwerbsminderungsrente beziehe und sein Verdienst ansonsten auf die Rente angerechnet werde. Die Beklagte lehnte eine Beschäftigung ab.
- 23
Mit seiner am 31.10.2014 erhobenen und in der Folge mehrfach erweiterten Klage verlangt der Kläger für die Monate von August 2014 bis März 2015 Abrechnung und Zahlung von mindestens € 30.240,00 brutto (8 x € 3.780,00) sowie Abrechnung und Zahlung des ihm noch für das Jahr 2014 zustehenden Urlaubs. Mit Klageerweiterung vom 02.03.2015 macht er die Zahlung eines Weihnachtsgeldes für das Jahr 2014 iHv. € 780,00 geltend.
- 24
Der Kläger arbeitete seit 01.01.2014 bei der Fa. B. Omnibus GmbH zu einem Stundenlohn von € 8,50 brutto als Busfahrer. Seine Einkünfte wurden nach Steuerklasse VI versteuert. Nach den vorgelegten Lohnabrechnungen arbeitete der Kläger in den hier streitigen Monaten folgende Stunden:
- 25
August 2014
152,00 Std.
Dezember 2014
97,75 Std.
September 2014
177,00 Std.
Januar 2015
106,00 Std.
Oktober 2014
243,00 Std.
Februar 2015
151,22 Std.
November 2014
79,00 Std.
März 2015
126,94 Std.
- 26
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 15.04.2015 Bezug genommen.
- 27
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
- 28
die Beklagte zu verurteilen,
- 29
1. seinen Augustlohn 2014 abzurechnen und ihm mindestens € 3.780,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.09.2014 zu zahlen;
- 30
2. seinen Septemberlohn 2014 abzurechnen und ihm mindestens € 3.780,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.10.2014 zu zahlen;
- 31
3. seinen Oktoberlohn 2014 abzurechnen und ihm mindestens € 3.780,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.11.2014 zu zahlen;
- 32
4. seinen Novemberlohn 2014 abzurechnen und ihm mindestens € 3.780,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.12.2014 zu zahlen;
- 33
5. seinen Dezemberlohn 2014 abzurechnen und ihm mindestens € 3.780,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.01.2015 zu zahlen;
- 34
6. sein Weihnachtsgeld 2014 abzurechnen und ihm € 780,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.01.2015 zu zahlen;
- 35
7. seinen Januarlohn 2015 abzurechnen und ihm mindestens € 3.780,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2015 zu zahlen;
- 36
8. seinen Februarlohn 2015 abzurechnen und ihm mindestens € 3.780,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.03.2015 zu zahlen;
- 37
9. den ihm noch für das Jahr 2014 zustehenden Urlaub abzurechnen und diesen an ihn nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.01.2015 zu zahlen;
- 38
10. seinen Märzlohn 2015 abzurechnen und ihm mindestens € 3.780,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2015 zu zahlen.
- 39
Die Beklagte hat beantragt,
- 40
die Klage abzuweisen.
- 41
Das Arbeitsgericht Trier hat mit Urteil vom 15.04.2015 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Klageantrag zu 9) auf Abrechnung und Auszahlung des dem Kläger noch für das Jahr 2014 zustehenden Urlaubs sei unbestimmt und damit unzulässig. Die Klage sei insgesamt unbegründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vergütung aus Annahmeverzug für den streitigen Zeitraum. Er sei zwar am 04.08.2014 im Betrieb erschienen, er habe der Beklagten jedoch keine Vollzeittätigkeit angeboten. Darüber hinaus habe er seine volle Arbeitsfähigkeit nicht darlegt. Der Kläger sei unstreitig nicht mehr in der Lage, schwere Lasten zu heben. Die Beklagte habe unwidersprochen vorgetragen, dass das Heben, Tragen oder Fortbewegen schwerer Lasten zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers als mitarbeitendem Schachtmeister gehöre. Der Klageantrag zu 9) sei auch unbegründet. Der Kläger könne keine Urlaubsabgeltung für 2014 beanspruchen, weil das Arbeitsverhältnis nicht beendet sei. Der Klageantrag zu 6) sei unbegründet. Der Anspruch auf Weihnachtsgeld für 2014 sei aufgrund der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 14 Abs. 1 BRTV-Bau bei Geltendmachung am 02.03.2015 bereits verfallen gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 15.04.2015 Bezug genommen.
- 42
Gegen das am 30.04.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 01.06.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 21.07.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 21.07.2015 begründet.
- 43
Er macht geltend, er habe der Beklagten am 04.08.2014 seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß angeboten. Die Annahme des Arbeitsgerichts, er habe der Beklagten erklärt, nicht weiter in Vollzeit tätig werden zu wollen, entspreche nicht seinem späteren prozessualen Vortrag, der als jüngerer Vortrag Vorrang habe. Im Übrigen sei es nicht seine Aufgabe darzulegen, dass er seine volle Arbeitsfähigkeit wiedererlangt habe. Kein Arzt der Welt werde ihm ein Attest ausstellen, wie dies im Vorprozess 5 Ca 565/14 angedacht worden sei. Er habe sich am 04.08.2014 gesund gemeldet und dies durch hinreichende Belege der Bauberufsgenossenschaft nachgewiesen. Insofern sei er gesund. Er habe die Beklagte am 04.08.2014 darauf hingewiesen, dass er mit einem GdB von 100 schwerbehindert sei. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht darauf angestellt, dass er gesundheitlich nicht in der Lage sei, "schwerste" Lasten zu heben. Der Schwerpunkt der Arbeit eines mitarbeitenden Schachtmeisters bestehe nicht aus dem Heben und Tragen schwerster Lasten, sondern aus dem Anleiten und Organisieren eines Baustellenteams. Wenn er bspw. als Schachtmeister mit fünf Personen auf einer Baustelle in einem Team eingesetzt werde, lasse es sich einrichten, dass er vom Heben schwerster Lasten durch einen Kollegen befreit werde. Das Arbeitsgericht habe ihn aufgrund seiner Schwerbehinderung diskriminiert, weil es ihn auf eine reine "Lastenesel"-Tätigkeit reduziere. Er habe erstinstanzlich ein Sachverständigengutachten angeboten sowie seine Parteivernehmung beantragt, dass er arbeitsfähig sei. Weiterhin habe er vorgetragen, dass es die von der Beklagten geforderte ärztliche Bescheinigung als solche nicht gebe. Diesem Beweisantritt sei das Arbeitsgericht nicht nachgegangen.
- 44
Hinsichtlich des Urlaubsabgeltungsanspruchs sei das Arbeitsgericht zu Unrecht von einer Fristbestimmung durch den Arbeitgeber ausgegangen. Im Arbeitsvertrag sei nichts bestimmt. Das Weihnachtsgeld 2014 sei nicht bereits am 30.11.2014 fällig gewesen. Wenn man darauf abstelle, dass das Weihnachtsgeld zum Weihnachtsfest da sein soll, werde also erst im Dezember bzw. sogar möglicherweise erst im folgenden Januar eine Fälligkeit anzunehmen sein.
- 45
Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,
- 46
das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 15.04.2015, Az. 5 Ca 1431/14, abzuändern und nach seinen Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.
- 47
Die Beklagte beantragt,
- 48
die Berufung zurückzuweisen.
- 49
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht im Wesentlichen geltend, der Kläger habe seine Arbeitsleistung am 04.08.2014 nicht ordnungsgemäß angeboten. Er habe zum einen erklärt, dass er nicht weiter in Vollzeit tätig werden wolle. Zum anderen habe er den zugesagten Nachweis seiner Arbeitsfähigkeit durch Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung nicht erbracht. Der Kläger sei nach wie vor arbeitsunfähig erkrankt und damit nicht in der Lage, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Er habe als Schachtmeister in ihrem Tief- und Straßenbaubetrieb zu ca. 50 % seiner täglichen Arbeitszeit bei allen anfallenden Arbeiten auf der Baustelle (zB. Verlegen von Pflaster, Setzen von Mauern, Durchführung von Kanal- und Rohrleitungsarbeiten, Vornahme von Erdarbeiten, Herstellung von Randbefestigungen, Böschungen und Entwässerungsgräben) sowie beim Bedienen von Maschinen (Radlader, Minibagger etc.) mitzuarbeiten. Bei diesen Tätigkeiten habe er Mauer- und Pflastersteine, Randsteine und Kanalrohre per Hand, mit Schubkarren und mittels Greifzangen, die insb. an Rohren justiert werden, zu heben, umzusetzen, zu halten und zu tragen. Die Mauer- und Randsteine wögen bis zu 25 kg, Kanalrohre mehr als 25 Kg, je nach Länge könnten sie ein Gewicht von bis zu 50 kg aufweisen. Erdarbeiten würden, soweit sie nicht mit Minibagger durchgeführt werden können, mit Schaufeln vorgenommen, wobei Gewichte von 5 bis 10 kg zu bewegen und zu transportieren seien. Lasten mit einem Gewicht von über 25 kg würden in der Regel von zwei Arbeitnehmern gemeinsam bewegt, gehalten und getragen. Lasten bis zu 25 kg seien in der Regel von einem Mitarbeiter zu bewegen, zu halten und zu tragen.
- 50
Es sei ihr nicht zuzumuten, die Arbeiten im Tief- und Straßenbau so umzuorganisieren, dass der Kläger keine schweren Lasten heben, halten, umsetzen und tragen müsse. Zu ca. 80 % sei auf kleinen Baustellen zu arbeiten; dort setze sie insgesamt zwei bis drei Mitarbeiter ein. Lediglich auf 20 % aller Baustellen setze sie fünf oder in Ausnahmefällen bis zu zehn Mitarbeiter ein. Auf den kleinen Baustellen sei unverzichtbar, dass der Schachtmeister mitarbeite und auch schwere Lasten hebe. Es sei nicht möglich, den Kläger kontinuierlich nur auf großen Baustellen einzusetzen. Zudem müsste sie die Arbeit so organisieren, dass der Kläger keine schweren Lasten heben, halten, umsetzen oder tragen müsse. Der Einsatz einer Ersatzkraft sei nicht planbar. Eine Doppelbesetzung sei ihr nicht zumutbar. Es sei auch den Kollegen des Klägers auf Dauer nicht zuzumuten, zusätzlich zu den ihnen obliegenden schweren Arbeiten auch noch die schweren Arbeiten des Klägers mit zu übernehmen und dadurch körperlich zusätzlich beansprucht zu werden.
- 51
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Außerdem wird auf den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akte 5 Ca 565/14 verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 52
Die Berufung des Klägers ist teilweise unzulässig; soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht in vollem Umfang abgewiesen.
I.
- 53
Soweit der Kläger mit dem Klageantrag zu 9) beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den ihm noch für das Jahr 2014 zustehenden Urlaub abzurechnen und diesen an ihn nebst Zinsen zu zahlen, ist seine Berufung mangels einer den Anforderungen von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG entsprechenden Berufungsbegründung unzulässig.
- 54
1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen. Bei verschiedenen Streitgegenständen gilt dies für jeden von ihnen gesondert, wenn das Arbeitsgericht die einzelnen Ansprüche aus unterschiedlichen Gründen abgewiesen hat (BAG 09.12.2014 - 1 AZR 146/13 - Rn. 19).
- 55
Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers nicht gerecht. Sie bezieht sich ausschließlich auf die Streitgegenstände Annahmeverzugslohn für August 2014 bis März 2015 sowie Weihnachtsgeld 2014. Mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Abweisung des Klageantrags auf Abrechnung und Zahlung einer Urlaubsabgeltung für 2014 setzt sich die Berufungsbegründung nicht ansatzweise auseinander. Fehlen Ausführungen zu einem Anspruch, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Der kryptische Satz: "Hinsichtlich des Urlaubsabgeltungsanspruchs geht das Arbeitsgericht Trier zu Unrecht von einer Fristbestimmung durch den Arbeitgeber aus", bezieht sich vermutlich auf die Fälligkeit des Weihnachtsgeldes. Die Berufung des Klägers war daher hinsichtlich der Urlaubsabgeltung als unzulässig zu verwerfen, ohne dass dies im Urteilstenor gesondert zum Ausdruck zu bringen war.
- 56
2. Die Berufung wäre insoweit auch unbegründet, weil der Klageantrag mangels hinreichender Bestimmtheit iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig ist und auch unbegründet wäre. Den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts ist nichts hinzuzufügen. Dem Antrag ist nicht zu entnehmen, wie viele Urlaubstage der Kläger mit welchem Geldbetrag abgegolten haben will. In der Sache kommt eine Urlaubsabgeltung nur in Betracht, wenn der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann, § 7 Abs. 4 BUrlG. Im bestehenden Arbeitsverhältnis besteht ein Abgeltungsverbot. Hinzu kommt, dass aufgrund der Besonderheiten im Baugewerbe sich ein evtl. Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 8 Ziff. 6.2 BRTV-Bau gegen die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft richtet.
II.
- 57
Soweit die Berufung zulässig ist, hat sie in der Sache keinen Erfolg.
- 58
1. Die Klageanträge zu 1) bis 5), 7) bis 8) und 10) auf Abrechnung und Zahlung von "mindestens" € 30.240,00 brutto (8 x € 3.780,00) Annahmeverzugslohn für die Zeit von August 2014 bis März 2015 sind nach den §§ 611, 615, 293 ff. BGB unbegründet. Die Beklagte befand sich von August 2014 bis März 2015 nicht im Annahmeverzug, obwohl sie die vom Kläger am 04.08.2014 im Betrieb angebotene Arbeitsleistung nicht angenommen hat.
- 59
a) Das Arbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Kläger der Beklagten am 04.08.2014 nur eine Teilleistung angeboten hat. Damit hat er die Arbeitsleistung nicht iSd. § 294 BGB so angeboten, wie sie zu bewirken ist. Nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts ist der Kläger zwar am 04.08.2014 im Betrieb erschienen, er erklärte jedoch, dass er seine Arbeitsleistung nicht mehr in Vollzeit anbiete, weil er eine Erwerbsminderungsrente beziehe und sein Verdienst ansonsten auf die Rente angerechnet werde. Die Verfahrensrüge der Berufung, die Feststellung des Arbeitsgerichts, der Kläger habe dem kaufmännischen Leiter der Beklagten mitgeteilt, nicht weiter in Vollzeit tätig werden zu wollen, entspreche nicht "dem späteren prozessualen Vortrag", der "dann als jüngerer Vortrag Vorrang" habe, ist erfolglos. Stellt eine Partei mehrere einander widersprechende Behauptungen auf, ohne den Widerspruch zu erläutern, so kann von keiner dieser Behauptungen angenommen werden, sie sei richtig (vgl. BAG 13.06.2002 - 2 AZR 589/01 - Rn. 27). Der Kläger hätte dem von der Beklagten behaupteten Inhalt und Verlauf des Gesprächs vom 04.08.2014 mit dem kaufmännischen Leiter substantiiert entgegentreten müssen. Das hat er unterlassen. Damit hat er als insoweit darlegungsbelastete Partei seiner prozessualen Erklärungspflicht gem. § 138 Abs. 2 ZPO nicht genügt. Dass der von der Beklagten geschilderte Gesprächsverlauf frei erfunden sein könnte, vermag schon deshalb nicht einzuleuchten, weil nur der Kläger ein Interesse haben konnte, die rentenrechtliche Hinzuverdienstgrenze nicht zu überschreiten. Auf die angebotene Teilleistung brauchte sich die Beklagte gem. § 266 BGB nicht einzulassen (vgl. BAG 09.04.2014 - 10 AZR 637/13 - Rn. 24).
- 60
b) Das Arbeitsgericht hat mit ebenfalls zutreffender Begründung angenommen, dass der Kläger von August 2014 bis März 2015 aus krankheitsbedingten Gründen nicht in der Lage war, die geschuldete Arbeitsleistung als Schachtmeister im Tief- und Straßenbaubetrieb der Beklagten zu verrichten, so dass die Beklagte auch deswegen nicht in Annahmeverzug geraten ist.
- 61
Unbeschadet der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Leistung zu bewirken, § 297 BGB. Die objektive Leistungsfähigkeit ist - neben dem Leistungswillen - eine vom Leistungsangebot unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss (vgl. BAG 21.10.2015 - 5 AZR 843/14 - Rn. 22 mwN). Grundsätzlich hat bei Streit über die Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande war. Er muss hierfür Indizien vortragen, aus denen darauf geschlossen werden kann. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass sich bereits aus dem Sachvortrag des Arbeitnehmers selbst Indizien ergeben, aus denen auf eine fehlende Leistungsfähigkeit in dem Zeitraum, für den Vergütung wegen Annahmeverzugs begehrt wird, geschlossen werden kann. In einem solchen Falle ist die Klage unschlüssig, wenn der Arbeitnehmer die selbst geschaffene Indizwirkung nicht ausräumt und substantiiert seine Arbeitsfähigkeit darlegt (vgl. BAG 24.09.2014 - 5 AZR 611/12 - Rn. 17, NZA 2014, 1407; BAG 15.05.2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 27, NZA 2013, 1076).
- 62
Im Streitfall war der Kläger seit April 2011 infolge eines Krebsleidens arbeitsunfähig erkrankt. Er hat auch am 04.08.2014 und danach seine volle Arbeitsfähigkeit nicht wiedererlangt. Nach den vorgelegten Bescheinigungen der behandelnden Ärzte vom 10.09.2013 darf der Kläger keine schweren Lasten mehr heben. Er ist nach seinem Vorbringen dreimal an der Wirbelsäule operiert worden. Wegen einer Funktionseinschränkung der rechten Hüfte nach Acetabulumfraktur ist am 03.04.2012 ein Einzel-GbB von 20 festgestellt worden. Dem Kläger wurde ein Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 100 und den Merkzeichen "G", "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung), "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung), "H" (Hilflosigkeit) und "RF" ausgestellt, den er der Beklagten am 04.08.2014 vorgelegt hat. Die BG Bau stellte am 16.10.2013 anlässlich einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung einen "Zustand nach Tumorresektion BWS" fest. Ein "Arbeitsversuch" sei möglich. Nach dem schriftsätzlichen Vortrag des Klägers hat sich "kein Arzt der Welt" bereit erklärt, ihm ein Attest auszustellen, dass er wieder voll einsatzfähig sei. Im Vorprozess (Az. 5 Ca 565/14), den er Mitte Mai 2014 einleitete, machte er seine "Wiedereingliederung" geltend. Er schilderte im Vorprozess die Bemühungen des Integrationsfachdienstes, des Rentenversicherungsträgers und der Bau-Berufsgenossenschaft, die Möglichkeit einer "Wiedereingliederung" in den Betrieb der Beklagten abzuklären. Während einer Wiedereingliederung dauert - was die Berufung übersieht - die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers an. Anders als das Arbeitsverhältnis ist ein Wiedereingliederungsverhältnis durch den Rehabilitationszweck gekennzeichnet. Die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und nicht auf die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gerichtet. Es besteht deshalb kein Anspruch auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung (vgl. BAG 24.09.2014 - 5 AZR 611/12 - Rn. 32 mwN). Während der Klägervertreter im Gütetermin vom 09.07.2014 im Vorprozess die Arbeitsfähigkeit seines Mandanten zu Protokoll erklärte und seine Arbeitsaufnahme am nächsten Montag (14.07.) sowie die Vorlage einer Bescheinigung über die volle Einsatzfähigkeit ankündigte, befand sich der Kläger in stationärer Krankenhausbehandlung.
- 63
Bei dieser Sachlage hätte der Kläger seine Arbeitsfähigkeit ab 04.08.2014 substantiiert darlegen müssen. Das ist auch zweitinstanzlich nicht geschehen. Den Beweisangeboten des Klägers, auf Vernehmung der behandelnden Ärzte oder Einholung eines Sachverständigengutachtens, war deshalb nicht nachzugehen. Eine Beweisaufnahme wäre mangels substantiierten Sachvortrages des Klägers auf eine reine und damit unzulässige Ausforschung hinausgelaufen. Die angebotene eigene Parteivernehmung des Klägers ist mangels Zustimmung der Beklagten auf ein unzulässiges Beweismittel gestützt (vgl. § 447 ZPO).
- 64
Wie das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, war der Kläger im streitigen Zeitraum krankheitsbedingt nicht in der Lage, seine volle vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Dazu gehört auch das Heben schwerer Lasten. Der Kläger ist als Schachtmeister auch zur Mitarbeit auf den Baustellen verpflichtet. Der Schachtmeister (Werkpolier) wird tariflich - wie der Kläger - nach Lohngruppe 6 des BRTV-Bau vergütet. In § 5 Ziff. 3 BRTV-Bau ist die Tätigkeit wie folgt definiert: "Führung und Anleitung einer Gruppe von Arbeitnehmern in Teilbereichen der Bauausführung auch unter eigener Mitarbeit". Zu den Aufgaben gehört nicht nur die Planung, Organisation und Überwachung der Baustelleneinrichtung und des Bauablaufs, sondern auch die Mitarbeit. Es spricht nichts dafür, dass der Kläger noch in der Lage ist, schwere körperliche Arbeiten auf einer Baustelle zu verrichten.
- 65
Zwar schließt im Schwerbehindertenrecht die Unfähigkeit zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeit einen Beschäftigungsanspruch nicht aus. Nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Ist der schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht mehr in der Lage, die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit wegen Art oder Schwere seiner Behinderung zu verrichten, kann er Anspruch auf eine anderweitige Beschäftigung haben (vgl. BAG 13.06.2006 - 9 AZR 229/05 - Rn. 25 mwN). Zur behinderungsgerechten Beschäftigung des schwerbehinderten Menschen ist der Arbeitgeber dann nicht verpflichtet, wenn ihm die Beschäftigung unzumutbar oder eine solche nur mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist, § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX. Er ist auch nicht verpflichtet, für den schwerbehinderten Menschen einen zusätzlichen Arbeitsplatz einzurichten (BAG 04.10.2005 - 9 AZR 632/04 - Rn. 23; BAG 14.03.2006 - 9 AZR 411/05 - Rn. 19).
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Vorliegend hat die Beklagte substantiiert dargelegt, dass und weshalb sie die Arbeiten in ihrem Tief- und Straßenbaubetrieb nicht so umorganisieren kann, dass der Kläger auf den Baustellen keine schweren Lasten heben, halten, umsetzen und tragen müsste. Die Beklagte hat vorgetragen, dass in ihrem Betrieb zu ca. 80 % auf kleinen Baustellen zu arbeiten sei; dort setze sie insgesamt zwei bis drei Mitarbeiter ein. Lediglich auf 20 % aller Baustellen setze sie fünf oder in Ausnahmefällen bis zu zehn Mitarbeiter ein. Auf den kleinen Baustellen sei unverzichtbar, dass der Schachtmeister mitarbeite und auch schwere Lasten hebe. Es sei nicht möglich, den Kläger kontinuierlich nur auf großen Baustellen einzusetzen. Zudem müsste sie die Arbeit auf großen Baustellen so organisieren, dass der Kläger keine schweren Lasten heben, halten, umsetzen oder tragen müsse. Der Einsatz einer Ersatzkraft sei nicht planbar. Eine Doppelbesetzung sei ihr nicht zumutbar. Es sei auch den Kollegen des Klägers auf Dauer nicht zuzumuten, zusätzlich zu den ihnen obliegenden schweren Arbeiten auch noch die schweren Arbeiten des Klägers mit zu übernehmen und dadurch körperlich zusätzlich beansprucht zu werden. Zu diesem Vortrag hat sich der Kläger nicht erklärt. Es genügt nicht pauschal zu behaupten, eine Baustelle lasse sich so einrichten, dass er vom Heben "schwerster" Lasten durch einen Kollegen befreit werde. Es ist zudem völlig unklar geblieben, wie der außergewöhnlich gehbehinderte Kläger, der infolge der Behinderung bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen ist (Merkzeichen "B", § 146 Abs. 2 SGB IX) auf den Baustellen der Beklagten überhaupt zurechtkommen will.
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c) Die geltend gemachte Zahlungsforderung (8 x € 3.780,00 brutto) wäre auch der Höhe nach nicht gerechtfertigt. Der Kläger hat im streitigen Zeitraum von August 2014 bis März 2015 bei der Fa. B. Omnibus GmbH gearbeitet. Das dort erzielte Arbeitsentgelt (Gesamtbrutto € 9.629,74) wäre gem. § 615 S. 2 BGB als anderweitiger Verdienst auf die Gesamtvergütung für die Dauer des Annahmeverzugs anzurechnen.
- 68
Entgegen der Ansicht der Berufung ist unerheblich, dass das Arbeitseinkommen als Busfahrer nach Steuerklasse VI versteuert worden ist. Auch der Einwand des Klägers, die Anrechnung beeinträchtige sein Grundrecht auf freie Berufsausübung nach Art. 12 GG, hat keinen Erfolg. Ein Verdienst aus einer anderen Beschäftigung bleibt nur unberücksichtigt, soweit er auch bei Erfüllung der Vertragspflichten möglich gewesen wäre (vgl. ausführlich BAG 06.09.1990 - 2 AZR 165/90 - NZA 1991, 221). Das ist hier nicht der Fall.
- 69
Nach den vorgelegten Lohnabrechnungen arbeitete der Kläger bei der Fa. B. Omnibus GmbH im August 2014 152 Stunden, im September 2014 177 Stunden, im Oktober 2014 243 Stunden, im November 2014 79 Stunden, im Dezember 2014 97,75 Stunden, im Januar 2015 106 Stunden, im Februar 2015 151,22 Stunden und im März 2015 126,94 Stunden. Die Arbeitsleistung in diesem Umfang war nur durch das Freiwerden der Arbeitskraft im Baubetrieb der Beklagten möglich. Die Tätigkeit als Busfahrer in diesem Umfang wäre mit der geschuldeten Arbeitsleistung als Schachtmeister (regelmäßige Wochenarbeitszeit 40 Stunden; § 3 Ziff. 1.1 BRTV-Bau) zeitlich unvereinbar gewesen. Sie hätte auch gegen zwingende Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes und des Fahrpersonalrechts, das die Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr regelt, verstoßen. Der Verdienst unterläge daher der Anrechnung.
- 70
2. Das Arbeitsgericht hat den Klageantrag zu 6) auf Abrechnung und Zahlung eines Weihnachtsgeldes für das Jahr 2014 iHv. € 780,00 brutto nebst Zinsen zu Recht abgewiesen. Der Anspruch ist verfallen, weil der Kläger die in § 14 BRTV-Bau normierte Ausschlussfrist nicht gewahrt hat.
- 71
Nach § 14 Ziff. 1 Halbs. 1 BRTV-Bau verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Das Weihnachtsgeld für 2014 war jedenfalls vor dem Weihnachtsfest am 24.12.2014 fällig und damit bei erstmaliger Geltendmachung am 02.03.2015 verfallen. Die Ansicht der Berufung, das Weihnachtsgeld werde "sogar möglicherweise erst im folgenden Januar" fällig, kann nur als abwegig bezeichnet werden.
- 72
Die Berufungskammer folgt dem Arbeitsgericht, dass das Weihnachtsgeld mit dem Lohn für den Monat November 2014 fällig war, der nach § 5 Ziff. 7.2 BRTV-Bau spätestens am 15.12.2014 zu zahlen war. Am 02.03.2015 war der Anspruch demnach verfallen. Zwar haben die Parteien im Arbeitsvertrag für das Weihnachtsgeld keine Leistungszeit festgelegt, diese ist jedoch gem. § 271 Abs. 1 BGB zwanglos aus den Umständen zu entnehmen. Es entspricht schon dem allgemeinen Sprachgebrauch und einem verbreiteten Verständnis im Arbeitsleben, dass ein "Weihnachtsgeld" zu Weihnachten gezahlt wird. Das Weihnachtsgeld soll eine Weihnachtsfreude bereiten und einen Beitrag zu den vermehrten Ausgaben im Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest leisten. Es ist so rechtzeitig zu zahlen, dass der Arbeitnehmer mit dem Geldbetrag noch vor dem Fest einkaufen kann (so schon BAG 29.06.1954 - 2 AZR 13/53 - NJW 1954, 1343; vgl. auch Staudinger/Bitter (2014) BGB § 271 Rn. 23).
III.
- 73
Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen.
- 74
Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 9.12.2014, Az.: 6 Ca 649/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Urlaubsabgeltung und auf Zahlung eines tariflichen Urlaubsgeldes.
- 2
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.10.1990 als Lagerarbeiter beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 16.08.2013 ordentlich zum 31.03.2014 sowie außerordentlich mit Schreiben vom 24.07.2014. In den daraufhin zwischen den Parteien geführten Kündigungsschutzverfahren hat das Arbeitsgericht rechtskräftig festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch keine dieser Kündigungen aufgelöst worden ist.
- 3
In einer dem Kläger für den Monat Mai 2014 erteilten Entgeltabrechnung nahm die Beklagte eine Nachberechnung für den Monat März 2014 vor und rechnete diesbezüglich wie folgt ab:
- 4
Nachberechnung für Monat 03/14
- 5
Url.Abgeltung LFD 504
01 8
00 TG
1.221,68
SE
Url.AbgeltungVJ 504
01 30
00 TG
4.581,30
SE
UVGT VJ 523
30
00 TG
2.290,80
SE
Urlaubsvergütung 527
8
00 TG
610,88
SE
GESAMT-BRUTTO 699
8.704,66*
7.424,64
- 6
Von dem Gesamtbruttobetrag in Höhe von 8.704,66 € brachte die Beklagte für die auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers aufgelaufenen Minusstunden einen Betrag in Höhe von 1.280,02 € in Abzug. Eine Auszahlung der verbleibenden Bruttovergütung (7.424,64 €) an den Kläger erfolgte jedoch nicht.
- 7
Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, seinem Urlaubsabgeltungsanspruch stehe nicht entgegen, dass das Kündigungsschutzverfahren (seinerzeit) noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei. Die Beklagte sei auch nicht berechtigt, von dem abgerechneten Urlaubsabgeltungsanspruch die sich aus seinem Arbeitszeitkonto ergebenden Minusstunden in Abzug zu bringen.
- 8
Der Kläger hat beantragt,
- 9
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen Betrag in Höhe von 8.704,66 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.06.2014 zu zahlen, diesen ordnungsgemäß abzurechnen und den sich hieraus ergebenden Nettobetrag an den Kläger auszuzahlen.
- 10
Die Beklagte hat beantragt,
- 11
die Klage abzuweisen.
- 12
Die Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht, die auf Urlaubsabgeltung gerichtete Klage sei (jedenfalls derzeit) unbegründet, da das Kündigungsschutzverfahren noch nicht abgeschlossen sei und daher von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ausgegangen werden könne. Bei der Erstellung der Entgeltabrechnung für den Monat Mai 2014 sei dies leider verkannt worden. Die Verrechnung etwaiger Urlaubsabgeltungsansprüche mit aufgelaufenen Minusstunden sei nach Maßgabe einer diesbezüglich einschlägigen Betriebsvereinbarung nicht zu beanstanden.
- 13
Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 09.12.2014 (Bl. 58-60 d. A.) Bezug genommen.
- 14
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 09.12.2014 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 f. dieses Urteils (= Bl. 60 f. d. A.) verwiesen.
- 15
Gegen das ihm am 05.01.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.01.2015 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.
- 16
Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen, dass die Rechtsmittelfristen bezüglich der beiden Kündigungsschutzverfahren zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung noch nicht abgelaufen gewesen seien und darüber hinaus verkannt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nach Aufgabe der Surrogationstheorie durch das BAG trotz Erhebung der Kündigungsschutzklage als reiner Geldanspruch bestehen bleibe. Es sei unerheblich, ob den Kündigungsschutzklagen stattzugeben sei. Denn nach Aufgabe der Surrogationstheorie entstehe der Abgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Diese rechtliche Beendigung werde durch die Kündigungserklärung festgelegt und trete bei Ablauf der Kündigungsfrist ein. Da das Kündigungsrecht keine aufschiebende Wirkung oder Hemmung des Urlaubsanspruchs durch Erhebung einer Klage kenne, entstehe der Urlaubsabgeltungsanspruch unabhängig davon, ob Kündigungsschutzklage eingereicht werde. Daher sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2014 zunächst eingetreten und der Urlaubsabgeltungsanspruch entstanden. Die vom Arbeitsgericht vertretene Rechtsansicht, wonach das der Kündigungsschutzklage stattgebende Urteil den Abgeltungsanspruch rückwirkend beseitige, stehe in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach ein Arbeitnehmer gehalten sei, seine Urlaubsansprüche auch im gekündigten Arbeitsverhältnis geltend zu machen, um nicht Gefahr zu laufen, dass der Urlaubsanspruch verfalle. Demnach sei der geltend gemachte Urlaubsabgeltungsanspruch am 01.04.2014 in Form eines reinen Geldanspruchs entstanden.
- 17
Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungsbegründungsschrift vom 06.01.2015 (Bl. 76-79 d. A.) Bezug genommen.
- 18
Der Kläger beantragt,
- 19
das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.704,66 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2014 zu zahlen.
- 20
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
- 22
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 11.02.2015 (Bl. 96-98 d. A.), auf die Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
I.
- 23
Die an sich statthafte Berufung ist zum Teil unzulässig.
- 24
Zwar hat der Kläger sein Rechtsmittel sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und auch fristgerecht begründet. Soweit der Kläger seine Klage im Berufungsverfahren auch insoweit weiterverfolgt, als sie die in der Entgeltabrechnung für Mai 2014 enthalten, als Urlaubsvergütung bezeichneten, jedoch unstreitig ein zusätzliches tarifliches Urlaubsgeld betreffenden Beträge von 2.290,80 € und 610,88 € umfasst, fehlt es jedoch an einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung.
- 25
Eine Berufungsbegründung genügt den gesetzlichen Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2-4 ZPO nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht (BAG v. 25.04.2007 - 6 AZR 436/05 - AP Nr. 15 zu § 580 ZPO, m. w. N.). Hat das Arbeitsgericht im Urteil über mehrere Ansprüche oder über einen teilbaren Streitgegenstand entschieden, dann muss sich die Berufungsbegründung mit jedem Teil der Entscheidung auseinandersetzen, der in das Berufungsverfahren gelangen soll (Schwab/Weth, ArbGG, 3. Auflage, § 64 Rz. 162 m. N. a. d. R.).
- 26
Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers nicht gerecht, soweit sich das Rechtsmittel (auch) gegen die Abweisung der Klage auf Zahlung des abgerechneten tariflichen Urlaubsgeldes richtet. Die Berufungsbegründung enthält diesbezüglich keinerlei Ausführungen. Eine auf das tarifliche Urlaubsgeld bezogene Berufungsbegründung war auch nicht etwa deshalb obsolet, weil das erstinstanzliche Urteil hierzu keinerlei Ausführungen enthält und es insoweit daher an einer Entscheidungsbegründung fehlt. Der Kläger wäre zumindest gehalten gewesen, dies in seiner Berufungsbegründung zu rügen.
- 27
Die Berufung war daher insoweit als unzulässig zu verwerfen, ohne dass dies im Tenor des Berufungsurteils gesondert zum Ausdruck gebracht werden musste.
II.
- 28
Die im Übrigen insgesamt zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung.
- 29
Einem Anspruch des Klägers auf Urlaubsabgeltung steht bereits entgegen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet ist. Zwar hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis sowohl mit Schreiben vom 16.08.2013 ordentlich zum 31.03.2014 sowie mit Schreiben vom 24.07.2014 außerordentlich gekündigt. Die Unwirksamkeit dieser Kündigungen ist jedoch mittlerweile rechtskräftig festgestellt worden mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien fortbesteht.
- 30
Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG kann nur verlangt werden, wenn das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet wurde (BAG v. 16.10.2012 - 9 AZR 234/11 - AP Nr. 98 zu § 7 BUrlG; Gallner, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Auflage, § 7 BUrlG Rz. 69). Nur im Falle einer rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandelt sich der noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers in einen Abgeltungsanspruch um. Hieran hat sich - entgegen der Ansicht des Klägers - infolge der Aufgabe der Surrogationstheorie durch das BAG (BAG v. 19.06.2012 - 9 AZR 652/10 - NZA 2012, 1087) nichts geändert. Danach unterfällt der Urlaubsabgeltungsanspruch zwar nicht mehr dem Fristenregime des Bundesurlaubsgesetzes, setzt zu seiner Entstehung jedoch nach wie vor die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Entscheidung des BAG vom 18.09.2001 - 9 AZR 570/00 - berufen. Nach dieser Entscheidung muss der Arbeitnehmer zwar auch im gekündigten Arbeitsverhältnis seinen Urlaubsanspruch ausdrücklich geltend machen, damit sich dieser bei Verfall in einen auf die Gewährung von Ersatzurlaub gerichteten Schadensersatzanspruch umwandeln kann. Einen entsprechenden Abgeltungsbetrag kann der Arbeitnehmer jedoch nur im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangen (vgl. BAG a. a. O. unter II. 1.).
III.
- 31
Die Berufung war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zum Teil als unzulässig zu verwerfen und im Übrigen als unbegründet zurückzuweisen.
- 32
Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72a ArbGG), wird hingewiesen.
(1) Die Anfechtung der Kostenentscheidung ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird.
(2) Ist die Hauptsache durch eine auf Grund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt, so findet gegen die Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.
Tenor
Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Teilverzichts- und Teilurteil des Landgerichts Köln vom 27.08.2009 (-22 O 647/08-) sowie das Schlussurteil des Landgerichts Köln vom 16.12.2010 (-22 O 647/08-) werden die beiden Urteile teilweise abgeändert und einheitlich insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag für erlittenen Verdienstausfall in Höhe von Euro 11.544,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.01.2009 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger einen Schmerzensgeldbetrag in Höhe von Euro 16.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.01.2009 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die ihm in Zukunft aus dem Verkehrsunfall vom 22.04.1982 auf der S-Straße in H entstehen, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Ersatz für die durch die außergerichtliche Rechtsverfolgung entstandenen Kosten in Höhe von Euro 1.641,96 zu zahlen.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
6. Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.
7. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 90% und die Beklagte zu 10%, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 89% und die Beklagte zu 11%.
8. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
9. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2- I
Der Kläger verlangt von der Beklagten Ersatz angeblicher Verdienstausfallschäden sowie Schmerzensgeld wegen eines Verkehrsunfalls im Jahr 1982 sowie die Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz künftiger daraus resultierender materieller und immaterieller Schäden.
4Der am 00.00.1960 geborene Kläger, damals Student der Forstwirtschaft im vierten Semester, befuhr am 22.04.1982 auf dem Weg zum zentralen Hörsaalgebäude der Universität H mit seinem Motorrad die S-Straße in H. Dort kollidierte er mit einem nach links abbiegenden und bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug. Die 100%ige Eintrittspflicht der Beklagten für die Verkehrsunfallfolgen ist unstreitig.
5Nach dem Unfallereignis wurde der unter starken Schmerzen leidende Kläger in die Universitätsklinik H eingeliefert. Die chirurgische Abteilung diagnostizierte eine offene gesplitterte Fraktur des linken Oberschenkels, eine Verrenkung des linken Sprunggelenks (Sprunggelenkluxation) nebst handflächengroßen Verletzungen (Décollement) an der Außenseite des linken Fußes, verbunden mit einem Abriss von Teilen der Sprunggelenkskapsel und der Außenbänder, tiefe Schürfwunden unter anderem an der Ferse des linken Fußes, eine starke Schwellung des linken Knies, eine Kahnbeinfraktur im Bereich der rechten Hand, eine Prellung des Brustkorbs und des Bauchs sowie eine Schnittwunde über dem linken Auge. Während seines nachfolgenden stationären Aufenthalts in der Universitätsklinik H unterzog sich der Kläger zwei mehrstündigen Operationen an dem linken Fuß, dem linken Oberschenkel und der rechten Hüfte. Sein rechter Arm war während der folgenden drei Monate eingegipst und sein – zuvor mit Platten stabilisiertes - linkes Bein geschient in einer Streckvorrichtung gelagert.
6Im Anschluss an den bis zum 29.05.1982 andauernden stationären Aufenthalt in der Universitätsklinik H begab sich der Kläger in die ambulante Behandlung des St.-K-Krankenhauses F. Dort absolvierte der - bis zum 07.08.1982 auf einen Rollstuhl angewiesene - Kläger bis zum 06.07.1982 mehrmals wöchentlich Bewegungstherapien, um die Gehfähigkeit des gebrochenen Beins wieder herzustellen. An die sodann vom 13. bis zum 23.07.1982 absolvierten ambulanten Behandlungen schlossen sich eine zehntägige stationäre Behandlung mit – nach der Entfernung des Handgipses beginnenden – physikalischen Therapien und Gehschulungen mit Hilfe von zwei Unterarmgehstützen sowie in der Zeit bis Ende September 1982 drei weitere Behandlungen in der dortigen Ambulanz an.
7Im Oktober 1982 kehrte der noch immer auf die Zuhilfenahme von Gehstützen angewiesene und nur zur Teilbelastung des linken Beins fähige Kläger, der sich zwischenzeitlich für das Sommersemester 1982 hatte beurlauben lassen, zur Fortsetzung seines Studiums nach H zurück. Dort führte er die ambulante Behandlung an der Universitätsklinik H in Gestalt mehrmals wöchentlich stattfindender Elektrotherapien und Krankengymnastik bis Ende Juli 1983 fort (vgl. im Einzelnen die Behandlungsterminübersicht Anlage K11, Bl. 46 ff. GA). Seitdem konnte sich der Kläger jedenfalls auf kürzeren Strecken ohne Gehhilfe fortbewegen.
8Während eines stationären Aufenthalts in der Universitätsklinik H vom 01. bis zum 07.02.1984 wurden die Metallplatten im linken Oberschenkel des Klägers entfernt (siehe Arztbrief der H2-Universität H, Anlage K33, Bl. 196 GA). Im Anschluss daran war der Kläger bis zum 05.03.1984 erneut auf den Einsatz von Gehstützen angewiesen. Bei Untersuchungen in der Universitätsklinik H Anfang März 1984 und Anfang Juni 1985 klagte der Kläger über Schmerzen im linken Fuß nach der Zurücklegung längerer Wegstrecken insbesondere auf unebenem Gelände, weswegen er bei Exkursionen im Rahmen seines forstwirtschaftlichen Studiums einen Sitzstock benutze.
9Die klinisch-neurophysiologische Abteilung der Universitätsklink H bescheinigte dem Kläger in einem neurologisch-neurophysiologischen Gutachten vom 04.06. 1985 (Anlage K7, Bl. 31 ff. GA) eine irreversible mäßiggradige, funktionell kaum ins Gewicht fallende Restlähmung der Kleinzehenhebung als irreversibles Defektsyndrom mit einer dadurch bedingten zehnprozentigen Minderung der Erwerbsfähigkeit. Überdies wurde eine verminderte Belastbarkeit des linken Beins mit gegebenenfalls vermehrt auftretenden Schmerzen für möglich gehalten. Die allgemeinchirurgische Gutachtenstelle der Universität H ging in ihrem fachchirurgischen Gutachten vom 03.07.1985 (Anlage K8, Bl. 37 ff. GA) von einer Minderung der Erwerbstätigkeit um weitere 10% im Hinblick auf eine wahrscheinlich verbleibende leichte Einschränkung im Bereich des unteren Sprunggelenks sowie eine Knieinstabilität in Folge einer Läsion des hinteren Kreuzbands aus.
10Bei einer Untersuchung in der allgemeinchirurgischen Abteilung der Universitätsklinik H im Januar 1987 klagte der Kläger über Schmerzen im linken außenseitigen Oberschenkel insbesondere nach längerem Sitzen, wenn auch ohne Gangbehinderung. Bei der daraufhin durchgeführten Röntgenuntersuchung fanden sich keine Anhaltspunkte für die Beschwerden, so dass der behandelnde Arzt einen Zusammenhang mit den unfallbedingten Verletzungen weder eindeutig belegen noch ausschließen konnte. Allerdings hielt er die Arbeits- oder Erwerbsfähigkeit des Klägers dadurch nicht für eingeschränkt (siehe ausgefüllten Fragebogen der Beklagten, Anlage K9, Bl. 43 f. GA).
11Der Kläger bezog vom Gemeinde- und Unfallversicherungsverband (GUV) I (einer Ausführungsbehörde der gesetzlichen Unfallversicherung für das Land Niedersachsen) ab April 1982 eine Verletztenrente (Anlage 1, Bl. 96 GA). Nach Streitigkeiten über die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers schloss letzterer mit dem GUV vor dem Sozialgericht Köln am 23.08.1989 einen Vergleich, wonach die Zahlung von Verletztenrente bis zum 30.06.1986 auf der Basis einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von zuletzt 20% erfolgte (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.08.1989, Anlage K27, Bl. 136 f. GA).
12Bereits im Juni 1984 hatte der Kläger sein Vordiplom mit der Gesamtnote 2,5 (= gut) abgelegt (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 25.06.2009, Bl. 180 GA). Am 28.03.1988 beendete er sein Studium nach 15 Semestern erfolgreich mit der Diplomprüfung, bei der er eine Gesamtnote von 2,7 (= befriedigend) erzielte (Anlage K16, Bl. 55 GA).
13Ende September 1988 beantragte der Kläger beim Hessischen Ministerium für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz (im Folgenden als „Hessisches Landwirtschaftsministerium“ bezeichnet) die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des höheren Forstdiensts. Eine solche Zulassung setzte seinerzeit den Nachweis der körperlichen Tauglichkeit etwa in Gestalt des Fehlens die Gehleistung beeinträchtigender Fußveränderungen (so das Merkblatt des Hessischen Landwirtschaftsministeriums aus April 1984, Anlage K26, Bl. 134 f. GA) bzw. der Forstdiensttauglichkeit unter anderem in Form der vollen Gebrauchsfähigkeit der Gliedmaßen und Gelenke (so das entsprechende Merkblatt aus Oktober 1989, Anlage K18, Bl. 57 ff. GA) voraus. Die erfolgreiche Absolvierung des 24monatigen Forstreferendariats, das mit der (bei Bestehen zum Führen der Bezeichnung „Forstassessor“ berechtigenden) Großen Forstlichen Staatsprüfung endete, war Voraussetzung für eine - mit der Eingangsbesoldung A 13 beginnende - Laufbahn im höheren Forstdienst eines Landes oder des Bundes. Nach Merkblättern des Hessisches Landwirtschaftsministerium aus April 1984 und Oktober 1989 konnte allerdings auf absehbare Zeit im Jahr 1984 nur etwa 1/3 der ausgebildeten Forstassessoren sowie im Jahr 1989 höchstens 1/5 eines Referendar-Jahrgangs in den Landesdienst eingestellt werden.
14Mit Schreiben des Sachbearbeiters C des Hessisches Landwirtschaftsministerium vom 17.11.1988 (Anlage K19, Bl. 60 GA) wurde dem Kläger die Zulassung zum Vorbereitungsdienst im Januar 1989 in Aussicht gestellt und dieser aufgefordert, ein amtsärztliches Gesundheitszeugnis vorzulegen. Der Kläger wandte sich daraufhin telefonisch an den Sachbearbeiter und teilte diesem mit, dass er sich derzeit auf Grund seiner eingeschränkten Gehfähigkeit zur Absolvierung des Referendariats körperlich nicht in der Lage sehe. In Absprache mit dem Sachbearbeiter zog der Kläger sodann seine Bewerbung um die Zulassung zum Vorbereitungsdienst zurück. Eine amtsärztliche oder anderweitige medizinische Untersuchung zog er nicht zu Rate. Mit Schreiben vom 30.11.1988 (Bl. 401 GA, Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 15.04.2010) sandte das Hessisches Landwirtschaftsministerium dem Kläger seine Bewerbungsunterlagen zurück und erklärte, dass eine abermalige Bewerbung für die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für den höheren Forstdienst zum 01.01.1990 bis zum 31.10.1989 erfolgen müsse. In diesem Falle würden die drei Wartesemester angerechnet.
15Bereits vor seinem Telefonat mit dem Sachbearbeiter des Hessischen Landwirtschaftsministeriums hatte sich der Kläger erfolgreich um die Teilnahme an einem Lehrgang zur Weiterbildung zur Fachkraft für Umweltschutz beworben. Dort nahm der Kläger nach einem sechswöchigen Praktikum beim Stadtplanungsamt der Stadt Bonn vom 11.01.1989 bis zum 20.12.1989 an einem nicht vergüteten Weiterbildungslehrgang zur Fachkraft für Umweltschutz bei der Gesellschaft für Weiterbildung und Umweltschutz (GWU) mbH teil, in dessen Rahmen er für das bearbeitete Abschlussprojekt die Note „gut“ erhielt (Anlage K20, Bl. 61 ff. GA).
16Ab dem 17.04.1990 war der Kläger zunächst im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme sowie von Dezember 1991 bis Oktober 1994 auf Grund eines befristeten Arbeitsvertrags als Vertretung einer in Erziehungsurlaub befindlichen Angestellten bei der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises D gegen eine Vergütung der Besoldungsgruppe BAT IVa beschäftigt. Für diese Tätigkeit erhielt er ein Abschlusszeugnis (Anlage K24, Bl. 70 f. GA).
17Nach anschließender etwa zehneinhalbmonatiger Arbeitslosigkeit war er vom 18.09. 1995 bis Ende Januar 1996 zunächst als Krankheitsvertretung und sodann als Aushilfe bei der Unteren Naturschutzbehörde der Stadt D tätig. Daran schloss sich erneut eine siebenmonatige Phase der Arbeitslosigkeit an.
18Nach einem Auswahlverfahren – die Einzelheiten sind streitig – trat der Kläger im September 1996 eine Stelle als Sachbearbeiter bei der Oberen Naturschutzbehörde des Regierungspräsidiums Kassel zunächst auf Besoldungsgruppe BAT IVb, ab Mai 1997 auf der Besoldungsgruppe BAT IVa an, die zunächst bis Ende März 2000 befristet wurde. Anschließend wurde er unbefristet übernommen und ist dort auch heute noch tätig, seit dem Jahr 2007 gegen Besoldung der Besoldungsgruppe BAT III im gehobenen Dienst.
19Mit Schreiben vom 14.07.1989 (Anlage 2 zur Klageerwiderung, Bl. 97 ff. GA) hatten die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Beklagte, die ihre Schadensersatzpflicht dem Grunde nach anerkannt hatte, zum Ausgleich eines Verdienstausfallschadens des Klägers in Höhe von DM 91.577,46 aufgefordert. Zur Begründung führten sie aus, dass der Kläger ohne seine verletzungsbedingte Studienverlängerung bereits zwei Jahre früher ins Berufsleben dergestalt eingetreten wäre, dass er nach Beendigung der Referendarzeit in den öffentlichen Dienst übernommen worden wäre und eine Eingangsbesoldung von A 13 erhalten hätte (was streitig ist). In diesem Zusammenhang wiesen die Prozessbevollmächtigten des Klägers weiter darauf hin, dass dieser die ihm angebotene Referendarstelle nicht habe antreten können, da sich für ihn die Möglichkeit einer interessanten Fortbildung im Bereich des Umweltschutzes, verbunden mit besseren Berufsaussichten, ergeben habe.
20Nachdem die letzte Untersuchung der Bein- bzw. Fußverletzungen des Klägers 1987 stattgefunden hatte, suchte der Kläger schmerzbedingt im September 2003 die Radiologische Gemeinschaftspraxis H auf, in der sodann eine „Dünnschicht-CT“ des linken oberen und unteren Sprunggelenkes durchgeführt wurde. Die Beurteilung ergab u.a. „arthrotische Umbauvorgänge des oberen Sprunggelenks“ (Arztbrief vom 16.09.2003, Anlage K25, Bl. 132 f. GA).
21Die Beklagte bezahlte an den Kläger einen Betrag in Höhe von Euro 18.000,00 zum Ersatz des Verdienstausfallschadens. Im Anschluss an eine entsprechende Ankündigung im Dezember 2005 zahlte die Beklagte dann ein Schmerzensgeld in Höhe von Euro 26.000,00 an den Kläger.
22Der Kläger hat behauptet, in Folge der zahlreichen therapeutischen Anwendungen und Krankenhausaufenthalte, aber auch wegen anhaltender Schmerzen insbesondere in dem nicht voll belastbaren linken Fußgelenk und dadurch eingeschränkter Gehfähigkeit habe er auch ab Oktober 1982 zahlreiche Vorlesungen und Übungen sowie im Wald stattfindende Praktika und Exkursionen versäumt. In Folge dessen habe sich der Abschluss seines Studiums um etwa anderthalb Jahre verzögert.
23Darüber hinaus habe er auf Grund seiner stark eingeschränkten Gehfähigkeit die Voraussetzungen für die Zulassung zu dem (unstreitig) zu absolvierenden zweijährigen Vorbereitungsdienst für die ursprünglich angestrebte Laufbahn im höheren (staatlichen) Forstdienst nicht erfüllt.
24Hätte er sein Studium planmäßig im Sommer 1986 abschließen können, so wäre er voraussichtlich Anfang Januar 1987 in den Referendardienst eingetreten und hätte während der folgenden zwei Jahre eine monatliche Nettovergütung von umgerechnet Euro 681,00 (die Vergütungshöhe ist unstreitig) erhalten. Im Anschluss daran wäre er nach Ablegung der Großen Forstlichen Staatsprüfung im Januar 1989 mit aller Wahrscheinlichkeit nach überdurchschnittlich gutem Ergebnis, jedenfalls aber – wie zahlreiche andere Forstassessoren – zu einem späteren Zeitpunkt als Forstassessor in den höheren Beamtendienst des Landes Hessen, eines anderen Bundeslandes oder des Bundes übernommen worden. Demnach hätte er in der dafür vorgesehenen Eingangsbesoldungsgruppe A 13 ein monatliches Nettoeinkommen von Euro 1.676,00 sowie später unter Berücksichtigung seines (unstreitigen) Familienstandes (verheiratet, zwei Kinder) ein durchschnittliches Nettoeinkommen von Euro 3.460,00 statt des während der Beschäftigungsphasen tatsächlich erhaltenen Durchschnittslohns von Euro 2.197,00 netto erzielt. Zumindest aber hätte er eine Anstellung mit entsprechend hoher Vergütung in der Privatwirtschaft erhalten.
25Für einen solchen Verlauf seines beruflichen Werdegangs sprächen, so hat der Kläger gemeint, seine überdurchschnittlichen persönlichen und intellektuellen Fähigkeiten, die sich in der Überlegenheit gegenüber einer Vielzahl von anderen Kandidaten bei seinen Bewerbungen beim Landkreis D und beim Regierungspräsidium Kassel gezeigt habe. Seine überdurchschnittliche Qualifikation zeige sich zudem in den nach dem Studium erhaltenen Zeugnissen sowie im Inhalt seiner Tätigkeiten insbesondere beim Regierungspräsidium Kassel, die sich, so hat der Kläger behauptet, mit Ausnahme der mangelnden Wahrnehmung von Leitungsfunktionen inhaltlich kaum von den Aufgabenbereichen zahlreicher dort beschäftigter Forstbeamter des höheren Dienstes unterscheide. Dabei sei er für die Wahrnehmung von Leitungsfunktionen auch auf Grund des positiven Einflusses seines Elternhauses, insbesondere auf Grund der von seinem Vater als Vorstand eines überregionalen Wasser- und Abwasserverbands jahrelang wahrgenommenen Führungsverantwortung, prädestiniert gewesen.
26Demgemäß schulde ihm die Beklagte, so hat der Kläger gemeint, Schadensersatz in Höhe von jeweils Euro 681,00 monatlich wegen der ansonsten von Januar 1987 bis Dezember 1989 erzielten Referendarbezüge, der ohne den verzögerten Berufseinstieg schon von Januar 1990 bis zum 17.04.1991 erzielten Eingangsbesoldung nach A 13 in Höhe von Euro 1.676,00 monatlich, der späteren Durchschnittsbesoldung von Euro 3.460,00 monatlich für die insgesamt 17 ½ Monate der Arbeitslosigkeit (worauf bezogenes Arbeitslosengeld von insgesamt Euro 19.912,47 anzurechnen sei) sowie in Höhe der monatlichen Gehaltsdifferenz in Höhe von Euro 1.263,00 für die Zeiten der Beschäftigung (davon 195 Monate bis Dezember 2007 beziffert, von Januar 2008 bis August 2025 sodann als monatliche Rente).
27Daneben hat der Kläger den Ersatz außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von Euro 3.928,43 auf der Basis einer 1,3fachen Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von (anfangs verlangten) Euro 367.514,00 zuzüglich 20,00 EUR Auslagenpauschale und 19% Umsatzsteuer verlangt.
28Zudem hat der Kläger insbesondere wegen der erlittenen Unfallverletzungen, der nachfolgenden Vielzahl stationärer und ambulanter Behandlungen, der Abstandnahme von seinem angeblichen ursprünglichen Berufsziel, der vermeintlichen Aufgabe zahlreicher bis dahin praktizierter sportlicher Aktivitäten sowie der seit dem Unfallereignis angeblich ununterbrochen anhaltenden Einschränkung der Gehfähigkeit und der vermeintlich zunehmenden Schmerzen im linken Fußgelenk bei Zurücklegen längerer Wegstrecken sowie von vermeintlichen Schmerzen im linken Hüftgelenk nach längerem Sitzen ein Schmerzensgeld von jedenfalls Euro 40.000,00 und in Folge dessen eine weitere immaterielle Entschädigung von mindestens Euro 14.000,00 für angemessen erachtet. In diesem Zusammenhang hat der Kläger behauptet, er leide auf Grund der unfallbedingten Verletzung des Sprunggelenks und der dortigen Bänder sowie der damit einhergehenden Schädigung des Gelenkknorpels unter zunehmenden Arthrosebeschwerden, die wegen der schlechten Verheilung der unfallbedingten Wunde nicht – etwa in Gestalt der Versteifung des Sprunggelenks – therapierbar seien.
29Der Kläger hat zunächst unter anderem beantragt, die Beklagte zum Ersatz bis zum Jahr 2007 entgangener Verdienste in Höhe von Euro 367.514,00 zu verurteilen. Diesen Antrag hat der Kläger mit Einwilligung der Beklagten in Höhe von Euro 42.269,47 zurückgenommen und auf die Weiterverfolgung seines Schadensersatzanspruchs in dieser Höhe verzichtet.
30Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Euro 311.244,53 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.01.2009 zu zahlen, 2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld in angemessener Höhe, jedoch mindestens in Höhe von Euro 14.000,00, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.01.2009 zu zahlen, 3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Ersatz für die durch die außergerichtliche Rechtsverfolgung entstandenen Kosten in Höhe von Euro 3.928,43 zu zahlen, 4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01.01.2008 eine monatliche Rente in Höhe von Euro 1.263,00 jeweils zum Ersten jedes Monats bis zum 31.08.2025 (65. Lebensjahr des Klägers) zu zahlen, 5. festzustellen, dass die Beklagte die auf die Schadensersatzzahlungen anfallenden Steuern einschließlich der bestehenden und zukünftigen steuerlichen Nachteile zu ersetzen hat, 6. festzustellen, dass die Beklagte zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der ihm dadurch entsteht, dass er unfallbedingt geringere Rentenzahlungen erhalten wird (Rentenminderung), 7. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche Schäden, die ihm in Zukunft aus dem Verkehrsunfall auf der S-Straße in H entstehen, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
31Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
32Sie hat behauptet, beim Kläger habe ab Oktober 1982 nur noch eine geringfügige Minderung der Erwerbsfähigkeit von allenfalls 10% vorgelegen. Im Hinblick darauf hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger bei der Fortsetzung seines Studiums Einschränkungen unterworfen gewesen sei. Erst recht hätten die unfallbedingten Verletzungen mangels anhaltender Gehbehinderung und fortdauernder Schmerzen weder den Kläger an der (wegen des großen Bewerberandrangs ohnehin mit Wartezeiten verbundenen) Aufnahme des Forstreferendariats ge- noch die Übernahme in den höheren Staatsdienst verhindert.
33Tatsächlich habe der Kläger die ihm angebotene Referendarstelle nicht aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt, sondern weil er sich im Bereich des Umweltschutzes zu Recht bessere berufliche Perspektiven erhofft habe. Die Aussichten, in den höheren Staatsdienst eines Bundeslands übernommen zu werden, seien bereits damals - erst recht für den Kläger auf Grund seines allenfalls mittelmäßigen Diplomabschlusses - denkbar schlecht gewesen. Eine spätere Übernahme des Klägers in den höheren Dienst hat die Beklagte deshalb mit Nichtwissen bestritten.
34Darüber hinaus hat die Beklagte die immateriellen Schäden des Klägers mit dem gezahlten Betrag von Euro 26.000,00 für angemessen entschädigt angesehen.
35Mit Teilverzichts- und Teilurteil vom 27.08.2009 hat das Landgericht die Klage abgewiesen, soweit der Kläger den Ersatz von Verdienstausfallschäden verlangt (Klageanträge zu 1. sowie 3. bis 6.).
36Zur Begründung hat es ausgeführt, im Rahmen der anzustellenden Zukunftsprognose könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Ausbildung ohne den Unfall nach der Durchführung des Referendariats mit dem Assessorexamen abgeschlossen hätte. Der Kläger habe schlüssig dargelegt, dass er auf Grund der verbliebenen Einschränkung den Vorbereitungsdienst nicht angetreten habe. Von einer Abstandnahme aus davon unabhängigen autonomen Motiven könne angesichts der vorangegangenen Arztberichte und des danach anhaltenden jedenfalls subjektiven Schmerzempfindens des Klägers, dessen erfolgter Bewerbung um die Zulassung zum Referendariat sowie der mangelnden Gleichwertigkeit des stattdessen absolvierten einjährigen Lehrgangs nicht ausgegangen werden. Ein deshalb in Betracht kommender Anspruch auf Ersatz der entgangenen Referendarvergütung in Höhe von 16.344,00 EUR sei indessen durch die vorgerichtliche Zahlung der Beklagten von 18.000,00 EUR erloschen.
37Soweit der Kläger Ansprüche verfolge, die auf der angenommenen Besoldung als Beamter im höheren Forstdienst ab Januar 1989 beruhten, könne nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Kläger im Anschluss an das Referendariat die höhere Forstlaufbahn eingeschlagen hätte. Hierfür habe im Jahr 1989 eine Chance von allenfalls 20% bestanden, die sich in der Folgezeit nicht wesentlich verbessert habe. Dass der Kläger eine Einstellungswahrscheinlichkeit erhöhende überdurchschnittliche Leistungen erzielt habe, lasse sich an Hand seines – die erfolgreiche Ablegung der forstlichen Abschlussprüfung gerade nicht voraussetzenden – beruflichen Werdegangs und den auf einer niedrigeren Einstiegsqualifikation basierenden Arbeitszeugnissen nicht ersehen. Dagegen spreche im Übrigen entscheidend sein mittelmäßiges Diplomzeugnis. Soweit der Kläger weiter behauptet habe, er sei zu einem späteren Zeitpunkt in den Forstdienst eingestellt worden oder hätte gegen ein entsprechendes Einkommen in der Privatwirtschaft gearbeitet, fehle es an dem zur Schadensschätzung erforderlichen konkreten Tatsachenvortrag.
38In der Folgezeit hat das Landgericht durch Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. D2 Beweis darüber erhoben, welche bleibenden körperlichen Schäden der Kläger auf Grund des Unfalls vom 22.04.1982 davongetragen hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Sachverständigengutachten vom 30.11.2009 (Bl. 261 ff. GA) und vom 27.03.2010 (Bl. 860 ff. GA) Bezug genommen.
39Mit Schlussurteil vom 16.12.2010 hat das Landgericht dem Kläger auf den Klageantrag zu 2. ein weiteres Schmerzensgeld von Euro 16.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.01.2009 zugesprochen und entsprechend dem Klageantrag zu 7. festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche unfallbedingten künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergehen. Von den Kosten des Rechtsstreits hat es dem Kläger 93% und der Beklagten 7% auferlegt.
40Im Hinblick auf die vom Kläger erlittenen immateriellen Schäden hat das Landgericht ein Schmerzensgeld von insgesamt Euro 42.000,00 für angemessen sowie ausreichend und deshalb abzüglich der von der Beklagten bereits gezahlten Euro 26.000,00 einen Betrag von Euro 16.000,00 als noch offen erachtet. Dabei hat es darauf abgestellt, dass der Unfall zu erheblichen Verletzungen des Klägers geführt und sich auf dessen weiteres Leben gravierend ausgewirkt habe, und weiter das Regulierungsverhalten der Beklagten einbezogen. Weiter zu berücksichtigen sei insbesondere, dass nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. D2 das Unfallereignis beim Kläger zu einem Dauerschaden im Bereich des linken Fußes in Gestalt einer diskreten peronaealen Schädigung mit sensiblen Ausfallerscheinungen ohne signifikante motorische Defizite sowie einer linksseitigen initialen posttraumatischen oberen Sprunggelenks- und Talonaviculargelenksarthrose sowie zu einer Narbenbildung im Bereich des linken Außenknöchels nach Décollement-Verletzung geführt habe. Insoweit falle bei der Bemessung des Schmerzensgelds besonders ins Gewicht, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen mit einer Progredienz der unfallbedingten Verschleißerscheinungen im Bereich des linken oberen und unteren Sprunggelenks zu rechnen sei, die künftig mit weiteren Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit mit den entsprechenden Folgen etwa auf seine Freizeitgestaltung verbunden seien und die Lebensqualität des Klägers in erheblichem Maße einschränkten.
41Da der Kläger schriftsätzlich klargestellt habe, dass der Feststellungsantrag die in Zukunft zu erwartenden immateriellen Schäden erfassen solle, sei jener Antrag im Hinblick auf die Ausführungen des Sachverständigen, dass der Kläger einen unfallbedingten Dauerschaden mit einer zu erwartenden Progredienz der unfallbedingten Verschleißerscheinungen im Bereich des linken Sprunggelenks erlitten habe, gerechtfertigt.
42Der Kläger hat gegen das ihm am 01.09.2009 zugestellte Teilverzichts- und Teilurteil mit am 29.09.2009 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel innerhalb der bis zum 30.11.2009 verlängerten Frist begründet. Ebenso hat er gegen das ihm am 20.12.2010 zugestellte Schlussurteil am 30.12. 2010 Berufung eingelegt und diese begründet.
43Mit seinem Rechtsmittel gegen das Teilverzichts- und Teilurteil verfolgt der Kläger seine erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträge auf Zahlung vergangener Verdienstausfälle bis Ende des Jahres 2007 und einer monatlichen Rente ab dem Jahr 2008 sowie auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten weiter. Im Hinblick auf die ihm angeblich rechtsfehlerhaft abgesprochenen Ansprüche wendet sich der Kläger weiter gegen die zu seinem Nachteil getroffene Kostenentscheidung des Landgerichts im ebenfalls angefochtenen Schlussurteil.
44Der Kläger behauptet, dass er das Forstreferendariat allein wegen seiner erheblichen körperlichen Beeinträchtigung auf Grund des dauerhaften Unfallschadens am Sprunggelenk sowie der damit einher gehenden Einschränkung der Gehleistung und Schmerzen bei körperlicher Beanspruchung nicht angetreten habe. Insoweit habe der zuständige Sachbearbeiter des Hessischen Landwirtschaftsministeriums nach der telefonischen Schilderung des attestierten körperlichen Zustands den Antritt des Forstreferendariats abgelehnt. Zudem sei ihm bereits nach der ersten Operation wegen des Teilabrisses der Gelenkkapsel eine schmerzhafte, je nach Beanspruchung des Fußgelenks fortschreitende Arthrose sowie die Notwendigkeit einer Versteifung des Fußgelenks prognostiziert worden und er habe deshalb von einer Forstbeamtenlaufbahn im öffentlichen Dienst Abstand genommen.
45Das Landgericht sei bei der Prognoseentscheidung über seine (des Klägers) hypothetische anschließende berufliche Entwicklung allein an Hand der Heranziehung der Merkblätter des Hessischen Landwirtschaftsministeriums – wo er sich im Hinblick auf das Verlangen der Beklagten nur pro forma beworben habe – zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Übernahme in den höheren Forstdienst nur bei überdurchschnittlichen Leistungen in Betracht gekommen sei. So hätten ausweislich der von ihm vorgelegten Studie im Jahr 1989 in Baden-Württemberg 40% der Forstassessoren eine Dauerbeschäftigung und weitere 9% eine befristete Anstellung im öffentlichen Dienst sowie insgesamt 85% der Forstassessoren eine Beschäftigung gefunden. Darüber hinaus habe das Landgericht seine Chancen zur Einstellung in den höheren Forstdienst des Landes Nordrhein-Westfalen, wo er nach wie vor seinen Erstwohnsitz gehabt habe und deshalb dort auch das Referendariat hätte absolvieren können, nicht ausreichend berücksichtigt.
46Im Übrigen habe das Landgericht für die Prognose seines voraussichtlichen Referendariatsabschlusses rechtsfehlerhaft allein auf seine Diplomnote abgestellt. Dabei habe es schon nicht berücksichtigt, dass sein weiteres Studium – so behauptet der Kläger – in Anbetracht der zu einem erheblichen Teil bei Waldwanderungen und mehrstündigen Exkursionen vermittelten Lehrinhalte durch seine anhaltende körperliche Behinderung und die ständigen Schmerzen beeinträchtigt worden sei. Dass das Abschlusszeugnis andernfalls weit überdurchschnittlich ausgefallen wäre, zeige sich auch an dem – vom Landgericht unberücksichtigt gelassenen - Vordiplomzeugnis.
47Überdies habe es das Landgericht versäumt, zur Beurteilung des voraussichtlichen Prüfungsabschlusses nach Absolvierung des Referendariats als praktischem Teil der Forstausbildung den beruflichen Werdegang und die dabei erhaltenen Arbeitszeugnisse einzubeziehen. Diese belegten seine überdurchschnittlich guten Fähigkeiten, das theoretische Wissen in der Praxis umzusetzen und die praktische Arbeit im Bereich des Forstwesens zu bewältigen. Gerade derartige Befähigungen spielten im praxisorientierten Forstreferendariat eine besondere Rolle. Dass es sich bei den beurteilten Arbeitstätigkeiten um nicht für Forstassessoren ausgeschriebene Stellen gehandelt habe, sei allein auf seine unfallbedingt fehlende Qualifikation zurückzuführen und könne deshalb nicht zu seinen Lasten gehen.
48Im Übrigen habe er – was das Landgericht außer acht gelassen habe - dargelegt, dass er um die Stellen mit Forstassessoren sowie anderen Akademikern konkurriert und mit diesen später Hand in Hand gearbeitet habe. Zudem habe er sich, so behauptet der Kläger, Anfang bis Mitte der 90er Jahre auch bei weiteren Stellenbewerbungen gegen eine Vielzahl von – teils über akademische Ausbildungen verfügende – Mitbewerber durchgesetzt, wobei er die Stellen dann auf Grund besserer Angebote abgelehnt habe.
49Schließlich habe das Landgericht zu Unrecht außer acht gelassen, dass – so behauptet der Kläger – die berufliche Führungsverantwortung seines Vaters positiven Einfluss auf ihn ausgeübt habe.
50Bei zutreffender Würdigung der Gesamtumstände seien deshalb keine Zweifel daran angebracht, dass er - der Kläger - in den höheren Forstdienst übernommen worden wäre. Jedenfalls aber hätten diesbezüglich verbleibende Zweifel keine vollständige Versagung eines Verdienstausfallschadens, sondern allenfalls Abschläge rechtfertigen können.
51Das Landgericht habe sich weiter zu Unrecht außer Stande gesehen, im Hinblick auf einen späteren Eintritt in den höheren Forstdienst oder eine vergleichbar vergütete Anstellung in der typischer Weise bessere Verdienstmöglichkeiten als der öffentliche Dienst bietenden Privatwirtschaft eine Schätzung vorzunehmen. Zu ersterem habe er durch den Verweis auf diverse „Quereinsteiger“, so unter anderem das Beispiel eines Kollegen, auf eine Anstellung von 85% der Forstassessoren in Baden-Württemberg laut vorgelegter Studie sowie durch den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens eine hinreichende Schätzungsgrundlage geliefert. Jedenfalls aber hätte ihm auf einen entsprechenden Hinweis des Landgerichts die Möglichkeit zu ergänzendem Sachvortrag eröffnet werden müssen. Genauere Angaben – etwa zum Zeitpunkt einer späteren Einstellung – seien ihm indessen nicht möglich.
52Zumindest aber sei ihm – was er nunmehr hilfsweise geltend mache – als Mindestschaden ein Verdienstausfall von insgesamt Euro 90.853,80 zu ersetzen, den er wegen des unfallbedingt um anderthalb Jahre verlängerten Studiums und des statt des Referendariats absolvierten einjährigen Qualifikationslehrgangs sowie des damit einher gehenden 30 Monate späteren Eintritts ins Berufsleben und des entsprechend späteren Bezugs seines jetzigen BAT III-Gehalts (in Höhe von Euro 3.028,46 netto) erlitten habe.
53Zudem sei – so die Auffassung des Klägers – die Kostenformel im Schlussurteil des Landgerichts fehlerhaft.
54Mit Berufungsbegründungsschriftsatz vom 29.12.2009 (Bl. 295 ff. GA) hat der Kläger zunächst u.a. den Antrag angekündigt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Schäden, die ihm in Zukunft aus dem Verkehrsunfall entstünden, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind. Diesen Antrag hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.01.2010 (Bl.320 GA) vor erster mündlicher Berufungsverhandlung zurückgenommen.
55Der Kläger beantragt jetzt,
56- 57
I unter Abänderung des am 27.08.2009 verkündeten Teilverzichts- und Teilurteils des Landgerichts Köln – 22 O 647/08 -
- 59
1 die Beklagte zu verurteilen, an ihn
a) Euro 311.244,53 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
61b) Ersatz für die durch die außergerichtliche Rechtsverfolgung entstandenen Kosten in Höhe von Euro 3.928,43;
62c) ab dem 01.01.2008 eine monatliche Rente in Höhe von Euro 1.263,00 jeweils zum Ersten eines jeden Monats bis zum 31.08.2025 (65. Lebensjahr des Klägers)
63zu zahlen;
64- 65
2 hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an ihn Euro 90.853,80 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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II unter teilweiser Abänderung des am 16.12.2010 verkündeten Schlussurteils des Landgerichts Köln (-22 O 647/08-)
die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen.
69Die Beklagte beantragt,
70die Berufungen des Klägers zurückzuweisen.
71Sie ist der Auffassung, dass sich das Landgericht zu Recht außerstande gesehen habe, festzustellen, dass der Kläger ohne das Unfallereignis in den höheren Staatsdienst übernommen worden wäre.
72Dabei habe es allerdings zu Unrecht unterstellt, dass der Kläger das Referendariat unfallbedingt nicht angetreten habe. Aus dem anwaltlichen Schreiben vom 14.07.1989 ergebe sich nämlich unmissverständlich, dass der Kläger die Referendariatsstelle ausschließlich deshalb abgelehnt habe, weil er in dem Bereich Umweltschutz bessere berufliche Möglichkeiten gesehen habe, als diejenigen Möglichkeiten, die sich ihm hinsichtlich einer Übernahme in den höheren Staatsdienst geboten hätten. Im Übrigen werde nach wie vor bestritten, dass der Kläger auf Grund seiner Gehbehinderung zum Antritt des Referendariats subjektiv und objektiv nicht in der Lage gewesen sei.
73Jedenfalls aber sei das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die anschließende Übernahme des Klägers in den höheren Forstdienst nicht überwiegend wahrscheinlich sei. Insoweit könne die spätere berufliche Laufbahn des Klägers nicht berücksichtigt werden, zumal diese auf Grund der andersartigen Anforderungen sowie der im Übrigen wenig aussagekräftigen Zeugnisse keinen Rückschluss darauf zulasse, dass der Kläger auch die Voraussetzungen für die höher besoldete Laufbahn im öffentlichen Dienst erfüllt hätte. Die vom Kläger vorgelegten Unterlagen belegten gerade nicht, dass ein Großteil der Forstassessoren in den höheren Forstdienst übernommen worden seien oder annähernd gleich dotierte Stellen gefunden hätten. Dass das Diplom des Klägers wegen unfallbedingter Studienbeeinträchtigungen schlechter ausgefallen sei und dieser weitere – im Übrigen noch geringerwertige – Stellen ausgeschlagen habe, bestreitet die Beklagte ebenso mit Nichtwissen wie die berufliche Vita seiner Familie.
74Soweit der Kläger als Mindestschaden ein Nettogehalt von Euro 3.028,46 monatlich geltend mache, fehle jegliche Darlegung, dass und warum dieser ohne das Unfallereignis ein solches BAT III-Gehalt vermeintlich früher bezogen hätte. So sei schon nicht erkennbar, dass der Unfall zu Studienverzögerungen geführt habe. Bei seiner Berechnung über 30 Monate lasse der Kläger zudem außer acht, dass er ohne den (nicht unfallbedingt absolvierten) einjährigen Qualifikationslehrgang seine jetzige Stelle gar nicht erst bekommen hätte. Im Übrigen seien Verzögerungen beim Erhalt der fiktiven Referendarstelle allein darauf zurückzuführen, dass dem Kläger andere Bewerber vorgezogen worden seien.
75Im Hinblick darauf sei die weitere – als Angriff allein gegen die Kostenentscheidung nach § 99 Abs. 1 ZPO schon unzulässige – Berufung des Klägers gegen das angefochtene Schlussurteil jedenfalls unbegründet.
76Die Beklagte selbst hat gegen das ihr am 22.12.2010 zugestellte Schlussurteil des Landgerichts mit einem am 21.01.2011 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel innerhalb der bis zum 22.03.2011 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet. Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte die Abweisung der erstinstanzlichen Klageanträge zu 2. und 7.
77Sie ist der Auffassung, dass die vom Kläger erlittenen Unfallfolgen auch unter Berücksichtigung der Feststellungen des Sachverständigen und unter Einbeziehung absehbarer Gesundheitsverschlechterungen mit dem gezahlten Betrag von Euro 26.000,00 ausreichend abgegolten seien. Der Sachverständige habe eine lediglich beginnende Arthrose festgestellt, die – so behauptet die Beklagte – bislang keine Beschwerden des Klägers auslöse. Im Hinblick auf die erst später aufgetretenen arthrotischen Veränderungen und die fehlenden Beschwerden des Klägers könne ihr kein verzögertes Regulierungsverhalten angelastet werden.
78Die Feststellung, dass sie, die Beklagte, zum Ersatz sämtlicher künftiger unfallbedingter materieller und immaterieller Schäden verpflichtet sei, sei in der tenorierten Form zu weit gefasst, weil sie auch die vom Kläger daneben geltend gemachten Ansprüche im Hinblick auf eine monatliche Rente und die Erstattung des angeblich erlittenen Steuerschadens sowie bereits vorhersehbare – vom zugesprochenen Schmerzensgeld abgedeckte – immaterielle Schäden umfasse. Zudem sei der Feststellungsantrag unbegründet, da weitere Schäden des Klägers weder materieller noch immaterieller Art zu befürchten seien.
79Die Beklagte beantragt,
80das am 16.12.2010 verkündete Schlussurteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Köln (-22 O 647/08-) aufzuheben und die Klageanträge zu 2. und 7. abzuweisen.
81Der Kläger beantragt,
82die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
83Er meint, das vom Landgericht weiter zugesprochene Schmerzensgeld sei gerade noch ausreichend, so dass die Berufung der Beklagten insofern erkennbar unbegründet sei. Bei der Bemessung habe berücksichtigt werden müssen, dass er in jungem Alter zahlreiche und schwerwiegende Verletzungen mit – so behauptet der Kläger – langzeitigen Folgen erlitten habe und sich belastenden Operationen sowie stationären und ambulanten Behandlungen hätte unterziehen müssen. Auch die Arthrose sei in die Bemessungshöhe einzubeziehen. Diese habe sich bereits unmittelbar nach dem Unfall abgezeichnet und Beschwerden ausgelöst. Auch sei er in seiner Freizeitgestaltung stark eingeschränkt. Zu berücksichtigen sei auch das zögerliche Regulierungsverhalten der Beklagten.
84Zukünftig zu erwartende Beeinträchtigungen habe das Landgericht zutreffend nicht in die Bemessung des zugesprochenen Schmerzensgelds einbezogen, da er, der Kläger, diese von seinem Antrag auf Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz künftiger immaterieller Schäden erfasst wissen wolle.
85Sein Feststellungsantrag umfasse auch die mit den weiteren erstinstanzlichen Klageanträgen zu 1., 2. und 4. geltend gemachten Schäden, soweit diese künftig aufträten und nicht vorhersehbar gewesen seien. Im Hinblick auf die erlittenen und vom Sachverständigen festgestellten, sich weiter verschlimmernden Langzeitschäden habe das Landgericht den Feststellungsantrag zu Recht für begründet erachtet.
86Der Senat hat mit Beschluss vom 10.01.2011 (Bl. 539 GA) die Berufungsverfahren 19 U 137/09 und 19 U 167/10 unter Führung des gegenständlichen Verfahrens zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Darüber hinaus hat der Senat mit Beschlüssen vom 21.05.2010 (Bl. 451 f. GA), 30.08.2010 (Bl. 481 GA) sowie 08.07.2011 (Bl. 997 ff. GA) Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugen S2, L sowie S3 angeordnet. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.07.2011 (Bl. 997 ff. GA) verwiesen. Mit Beschluss vom 29.07.2011 (Bl. 1031 ff. GA) hat der Senat zudem Sachverständigenbeweis zu den Verletzungen des Klägers erhoben. Auf das schriftliche Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. D2 (Bl. 1047 ff. GA) wird Bezug genommen. Mit weiterem Beschluss vom 12.03.2012 (Bl. 1177 ff. GA) hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines Ergänzungsgutachtens durch den Sachverständigen Dr. D2 sowie durch schriftliche Vernehmung des Zeugen Dr. M. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Angaben des Dr. M (Bl. 1202 f. GA) sowie das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dr. D2 vom 02.01.2013 (Bl. 1215 ff. GA) verwiesen. Zudem ist der Sachverständige Dr. D2 im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.06.2013 (Bl. 1330 ff. GA) informatorisch zu seinen Begutachtungen angehört worden.
87Ergänzend wird auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Schriftsätze und Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.03.2010 (Bl. 375 ff. GA) verwiesen.
88II.
89Die Berufungen des Klägers gegen das Teilverzichts- und Teilurteil des Landgerichts (hierzu im Folgenden unter A. und C.) sowie das Schlussurteil des Landgerichts Köln sind – wie aus dem Tenor ersichtlich – teilweise begründet, wohingegen die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Landgerichts (hierzu unter B.) erfolglos bleibt.
90Im Einzelnen:
91A. Berufung des Klägers gegen das Teilverzichts- und Teilurteil
921. Soweit der Kläger mit der Berufung die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Verdienstausfallschäden erstrebt, hat die Berufung im tenorierten Umfang Erfolg.
93a. Zunächst steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7 Abs. 1, 11 StVG, §§ 823 Abs. 1, 249, 252 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG a.F. bzw. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG in Höhe von Euro 16.344,00 wegen des unfallbedingt nicht angetretenen Referendariats zu.
94(1) Der Kläger ist für die Geltendmachung von Verdienstausfallersatzansprüchen aktivlegitimiert. Die materielle Berechtigung des Klägers, Ansprüche auf Verdienstausfall gegen die Beklagte geltend zu machen, hätte lediglich dann entfallen können, wenn der GUV als Sozialversicherungsträger dem Kläger eine Verletztenrente zahlen würde. Denn derartige Leistungen können wegen Kongruenz mit dem Erwerbsschaden den Anspruch auf Ersatz von Verdienstausfallschäden vermindern (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 02.12.2008, -VI ZR 312/07-, zitiert nach juris). Auf Grund des mit dem Kläger am 23.08.1989 geschlossenen gerichtlichen Vergleichs haben die Zahlungen des GUV indessen mit Ablauf des Monats Juni 1986 geendet (Anlage K27, Bl. 136 f. GA). Stellt sich aber heraus, dass – aus welchem Grund auch immer – eine zeitlich und sachlich kongruente Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers nicht besteht, so fallen die – im Zeitpunkt des Unfalls nur auflösend bedingt auf den Versicherungsträger übergegangenen – Schadensersatzansprüche des Geschädigten gemäß § 158 Abs. 2 BGB wieder an diesen zurück (vgl. BGH, a.a.O.). Somit ist der Kläger aufgrund des Vergleichsabschluss wieder Inhaber von Ansprüchen auf Ersatz der mit der Klage ab Januar 1987 geltend gemachten Verdienstausfallschäden geworden.
95(2) Soweit das Landgericht auf Seite 13 des Teilverzichts- und Teilurteils lediglich dazu tendiert hat („…kommt zwar grundsätzlich ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz hinsichtlich des Verdienstausfalls für sein nicht angetretenes Referendariat in Betracht…“), einen Verdienstausfallschaden in Höhe von Euro 16.344,00 wegen des nicht angetretenen Referendariats anzunehmen, einen solchen dann aber aufgrund der Zahlung durch die Beklagte in Höhe von Euro 18.000,00 als erloschen angesehen hat, bedarf es auf die Berufung des Klägers, mit dem Ziel, ihm einen Gesamtverdienstausfallschaden von über Euro 311.000,00 zuzusprechen, einer Entscheidung, ob der Verdienstausfallschaden in Höhe von Euro 16.344,00 besteht oder nicht. Eine unzulässige reformatio in peius (§ 528 ZPO) droht deshalb nicht, weil das Landgericht den Anspruch nicht als bestehend festgestellt hat, so dass eine entsprechende Feststellung schon für sich gesehen nicht zu einer unzulässigen Verschlechterung der Position des Klägers führen würde. Zudem hat das Landgericht die Klage zum Verdienstausfallschaden aber auch komplett abgewiesen, so dass auch aus diesem Grund eine nicht zulässige Verböserung nicht droht, weil es für die Feststellung einer solchen auf die in der Entscheidung enthaltene Beschwer (also den Tenor), nicht aber auf die dazu führenden Gründe ankommt (vgl. Heßler in: Zöller, ZPO, 29. Auflage, § 528 Rn. 24, 29).
96(3) Der Kläger hat zur Überzeugung des Senats das Referendariat deshalb nicht angetreten, weil er unfallbedingt die körperlichen Voraussetzungen für die Ableistung des Referendariats nicht aufgewiesen hat.
97Für die Ableistung des Referendariats bedurfte es zum damaligen Zeitpunkt, wie der Kläger durch Vorlage des Merkblatts zur Berufsberatung Stand Oktober 1989 (Anlage K18) belegt hat, der Forstdiensttauglichkeit, zu der es in Ziffer 1.2 u.a. hieß:
98„[…] u.a. werden vorausgesetzt:
99Volle Sehleistung, […] volle Gebrauchsfähigkeit der Gliedmaßen und Gelenke […]“
100In einem derartigen Zustand befand sich der Kläger allerdings Ende 1989/Anfang 1990 zur Überzeugung des Senats nicht. So hat der Kläger im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 28.05.2009 angegeben, in dieser Zeit Probleme insbesondere beim Gehen gehabt zu haben. Er habe sich nicht in der Lage gefühlt, insbesondere die dreimonatige Forsteinrichtungsausbildung, die im Wald zu absolvieren ist, durchzuführen. Das habe er auch dem Sachbearbeiter beim Hessisches Landwirtschaftsministerium, Herrn C, erläutert. Gemeinsam sei man dann zu dem Ergebnis gekommen, erst einmal den ihm, dem Kläger, anderweitig angebotenen Lehrgang als Fachkraft für Umweltschutz abzuleisten und anschließend gegebenenfalls – soweit die Gehbeschwerden sich verringert hätten – die Referendarstelle anzutreten.
101Gestützt wird diese – streitige – Behauptung durch das neurologisch-neurophysiologische Gutachten der Universität H vom 04.06.1985 (Anlage K7, Bl. 31 ff. GA), in dem eine anhaltende verminderte Belastbarkeit des linken Beins mit gegebenenfalls vermehrt auftretenden Schmerzen in der Zukunft für möglich gehalten worden ist. Zudem hat der Sachverständige Dr. D2 in seinem durch den Senat eingeholten Gutachten vom 03.10.2011 (Bl. 1048 ff. GA) ausdrücklich angegeben, dass aufgrund der traumatischen Luxation des oberen Sprunggelenks mit entsprechender Weichteilschädigung unter Betrachtung des Gesamtverlaufs festzustellen sei, dass schon im Zeitraum 1986-1990 eine „deutliche Gehfähigkeitsbeeinträchtigung vorgelegen“ habe.
102Für die Richtigkeit dieser Behauptung spricht auch die Aussage des Vaters des Klägers, des Zeugen S2, der im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 08.07.2011 (Bl. 997 ff. GA) angegeben hat, dass sich der Kläger seinerzeit nicht in der Lage gesehen habe, den Vorbereitungsdienst zu absolvieren. Weiter hat er angegeben, dass insbesondere wegen der Anforderungen an die Gehfähigkeit es dem Kläger nicht möglich gewesen sei, den Dienst anzutreten und der Kläger durchweg seit dem Unfall bis heute in seiner Gehfähigkeit beeinträchtigt (gewesen) sei. Der Kläger – so der Zeuge weiter – habe in den Jahren 1988-1990 schon bei kürzeren Spaziergängen über Schmerzen geklagt und sei deshalb teilweise zu Hause geblieben und gar nicht erst mitgegangen.
103Der Zeuge S2 hat glaubhafte Angaben gemacht. Der Senat verkennt nicht, dass er als Vater des Klägers aufgrund seiner familiären Verbundenheit anfällig dafür gewesen sein kann, eine für den Sohn günstige Aussage zu machen. Hiergegen spricht aber insbesondere, dass er an anderer Stelle nicht bereitwillig die – streitigen – Angaben des Klägers bestätigt hat. So hat er z.B. die Behauptung des Klägers, in H Volkstanz ausgeübt zu haben, nicht bestätigt, sondern erklärt, hierzu könne er nichts sagen; das wisse er nicht. Gleiches gilt für angeblich ambitioniertes Laufverhalten des Klägers vor dem Unfall, welches der Zeuge ebenfalls nicht bestätigt hat.
104Insofern spricht alles dafür, dass der Kläger 1988/1989 körperlich nicht in der Lage gewesen ist, den Vorbereitungsdienst zu absolvieren.
105Die Einwendungen der Beklagten gegen diese Annahme greifen nicht durch. Richtig ist, dass der Kläger im Rahmen einer allgemeinchirurgischen Untersuchung im Jahr 1987 offenbar angegeben hat, er verspüre zwar besonders nach längerem Sitzen Schmerzen im linken Oberschenkel, aber keine Gangbehinderung. Dabei kann es sich aber auch um eine Momentaufnahme gehandelt haben; jedenfalls besagt eine Angabe im Rahmen einer Untersuchung im Jahr 1987 nichts über den Zustand ein bzw. zwei Jahre später.
106Auch aus dem vorprozessualen Anwaltsschreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 14.07.1989 (Anlage 2 zur Klageerwiderung, Bl. 97 ff. GA) ergibt sich im Ergebnis nichts Anderes. Zwar spricht die dort gewählte Formulierung („…Da unser Mandant aufgrund seines Studienabschlusses über die erforderlichen Voraussetzungen verfügte und sich für ihn die Möglichkeit einer interessanten Fortbildung im Bereich des Umweltschutzes verbunden mit besseren Berufsaussichten ergab, hat er hiervon Gebrauch gemacht, so dass er die Referendarstelle nicht antreten konnte…“) dafür, dass er die ihm angebotene Referendarstelle deshalb nicht angetreten hat, weil er den Weiterbildungslehrgang im Bereich des Umweltschutzes für seine berufliche Zukunft als erfolgversprechender ansah. In eben jenem Schreiben ist allerdings weiter auf die Unfallverletzungen des Klägers und darauf verwiesen worden, dass dieser nach Beendigung der Referendarzeit und Übernahme in den öffentlichen Dienst die Eingangsbesoldung A 13 erhalten hätte. Die Systematik des Schreibens lässt deshalb darauf schließen, dass ein Zusammenhang zwischen den unfallbedingten Verletzungen und der beruflichen Umorientierung des Klägers hergestellt werden sollte. Hinzu kommt, dass – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – ein anderweitiger plausibler Grund, das Referendariat nicht zu absolvieren, nicht ersichtlich war. Selbst wenn die anschließende Übernahme in den höheren Forstdienst fraglich gewesen sein sollte, so erhielt das Referendariat dem Kläger dafür zumindest eine wenn auch ggf. geringe Chance. Unter diesen Umständen sprechen die Ausführungen des damaligen Rechtsbeistands des Klägers eher dafür, dass der Kläger in Anbetracht des unfallbedingt nicht angetretenen Referendariats seine beruflichen Perspektiven anderweitig hat verbessern wollen. Zu bedenken ist auch, dass der Kläger für die Ableistung des Referendariats eine Vergütung erhalten hätte, während der Umweltschutzlehrgang unbezahlt bleiben sollte, so dass auch insofern nahe liegt, dass der Kläger nicht freiwillig für eine unbezahlte Tätigkeit auf eine bezahlte Tätigkeit verzichtet hat.
107Auch die Tatsache, dass der Kläger sich nicht einer amtsärztlichen Eignungsuntersuchung unterzogen hat, sondern sich aus eigener Einschätzung und eigenem Empfinden zur Ableistung des Referendariats ab Januar 1989 körperlich außer Stande gesehen hat, lässt – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht darauf schließen, dass die körperliche Beeinträchtigung nicht der Hintergrund für den Nichtantritt des Vorbereitungsdienstes gewesen wäre. Denn wenn es dem Kläger – wie sein Vater im Rahmen seiner Aussage glaubhaft versichert hat – zu dieser Zeit kaum möglich war, Wegstrecken von einigen hundert Metern zu Fuß zu absolvieren, bedurfte es aus seiner Sicht keines Amtsarztes, um ihm dies und die daraus folgende Untauglichkeit zur Ableistung des praktischen Teils des Vorbereitungsdienstes zu attestieren.
108Dem Kläger steht danach der geltend gemachte Verdienstausfallschaden in Höhe von Euro 16.344,00 zu, der sich aus den monatlichen Bezügen in Höhe von Euro 681,00 für den Zeitraum von 24 Monaten errechnet.
109b. Hingegen stehen dem Kläger keine Ansprüche gemäß §§ 7 Abs. 1, 11 StVG, §§ 823 Abs. 1, 249, 252 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG a.F. bzw. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG auf Verdienstausfall in Höhe von Euro 286.922,53 unter dem Gesichtspunkt der ausgebliebenen Übernahme in den höheren Forstdienst zu.
110Soweit der Kläger insofern die Differenz zwischen seinem als Beamter des höheren Forstdienstes erzielbaren und seinem in der Vergangenheit tatsächlich erhaltenen Durchschnittsnettoeinkommen verlangt, fehlt es an der Kausalität zwischen Unfall und Nichteintritt in den höheren Forstdienst. Auch dann, wenn – wie das vorliegend der Fall ist – davon auszugehen ist, dass der Kläger ohne die unfallbedingten Verletzungen den Vorbereitungsdienst für den höheren Forstdienst durchlaufen hätte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger anschließend in den höheren Forstdienst übernommen worden wäre.
111Für die Frage, wie die berufliche Entwicklung eines Geschädigten ohne das Schadensereignis verlaufen wäre, bedarf es gemäß § 252 BGB einer Prognose entsprechend dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, insbesondere auf der Grundlage dessen, was zur Ausbildung und bisherigen beruflichen Situation des Betroffenen festgestellt werden kann (BGH, Urt. v. 06.06.2000, -VI ZR 172/99-, zitiert nach juris). Dabei muss der Geschädigte zwar soweit wie möglich konkrete Anhaltspunkte und Anknüpfungstatsachen für diese Prognose dartun. Die insoweit zu stellenden Anforderungen dürfen indes gerade dann nicht überspannt werden, wenn sich der Geschädigte noch in der Ausbildung befindet, weil er dann regelmäßig nur wenige Anhaltspunkte dafür darzutun vermag, wie sich seine berufliche Entwicklung voraussichtlich gestaltet hätte (BGH, a.a.O.). In solchen Fällen darf der Tatrichter den Geschädigten deshalb im Rahmen der Schadensermittlung gemäß den §§ 252 BGB, 287 ZPO nicht vorschnell auf die Unsicherheit möglicher Prognosen verweisen und insbesondere nicht daraus herleiten, dass kein Erwerbsschaden eingetreten ist. Vielmehr liegt es dann, wenn sich weder für einen Erfolg noch für einen Misserfolg hinreichende Anhaltspunkte ergeben, nahe, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von einem voraussichtlich durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten in seiner Tätigkeit auszugehen und auf dieser Grundlage die weitere Prognose hinsichtlich der entgangenen Einnahmen anzustellen und den Verdienstausfallschaden gemäß § 287 ZPO zu schätzen (BGH a.a.O; Pardey in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 25. Auflage, Kap. 4 Rn. 134). Es genügt danach für die Annahme, dass der Geschädigte ohne das schädigende Ereignis den behaupteten Berufsweg eingeschlagen hätte, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit (Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 252 Rn. 36).
112Auch unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen ist nicht mit einer die Verurteilung der Beklagten erforderlichen Gewissheit anzunehmen, dass der Kläger eine Beamtenlaufbahn im höheren Forstdienst durchlaufen hätte.
113(1) Das Landgericht hat insofern zu Recht angenommen, dass im Zeitraum 1989 generell von durchwachsenen Chancen zur Übernahme eines Forstassessors in den höheren Forstdienst auszugehen war. So enthielt das Merkblatt des Hessisches Landwirtschaftsministerium aus Oktober 1989 – also aus dem Jahr, in dem der Kläger nach eigenem Vorbringen ansonsten in den höheren Forstdienst übernommen worden wäre – den Hinweis, dass auf absehbare Zeit allenfalls 1/5 eines Referendariatslehrgangs in den Landesdienst eingestellt würden. Dass die Chancen zur Übernahme in den höheren Forstdienst deutlich aussichtsreicher gewesen wären, hat der Kläger über seine pauschale Behauptung hinaus nicht näher aufgezeigt. Jedenfalls nicht entscheidend spricht der von ihm selbst als Anlage (Bl. 172 f. GA) zum Schriftsatz vom 25.06.2009 übermittelte Artikel des Referenten für Forstpersonal und Forstorganisation im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, Herrn L2, in der Allgemeinen Forstzeitschrift aus dem Jahr 1990, dafür, dass die Chancen zur Übernahme in der höheren Forstdienst tatsächlich deutlich aussichtsreicher gewesen wären. Denn nach dessen Einschätzung habe nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch in anderen Bundesländern in Anbetracht der allgemein restriktiven Haushaltspolitik eine Situation vorgelegen, die es lediglich rund 1/3 der jungen Forstleute ermöglicht hätten, mit einer Dauerbeschäftigung in diesem Bereich rechnen zu können. Soweit der Kläger erstinstanzlich auf zwei weitere Studien zum beruflichen Werdegang der Forststudenten verwiesen hat, hat er diese nicht vorgelegt, so dass sich insofern nichts Anderes ergibt.
114(2) Waren danach schon die Chancen an sich, eine Beamtenlaufbahn im höheren Forstdienst zu durchlaufen, gering, ergibt sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass dies dem Kläger gleichwohl gelungen wäre, auch nicht aus den von ihm im Rahmen seiner Ausbildung erbrachten Leistungen. Denn hierfür wäre jedenfalls Voraussetzung gewesen, dass der Kläger deutlich überdurchschnittliche Prüfungsleistungen erbracht hat, die einen Rückschluss darauf zuließen, dass der Kläger trotz der generell schlechten Einstellungsvoraussetzungen gleichwohl in den höheren Forstdienst aufgenommen worden wäre. Hiervon kann allerdings nicht ausgegangen werden.
115Denn es ist zunächst unstreitig, dass sich die Einstellung in den höheren Dienst nach den Ergebnissen der Großen Staatlichen Forstprüfung sowie unter anderem nach den während des Forstreferendariats erstellten Befähigungsberichten gerichtet hat. Dabei lag nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten der Schwerpunkt auf den Prüfungsergebnissen.
116Die durch den Kläger erzielten Prüfungsergebnisse waren allerdings nicht deutlich überdurchschnittlich. So hat der Kläger im Vordiplom zwar einen Notendurchschnitt von 2,5 und damit als Gesamtnote noch ein „gut“ erhalten (Anlage 4 zum Schriftsatz des Klägers vom 25.06.2009, Bl. 180 GA); allerdings hat er in einigen Fächern auch durchschnittliche bis unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielt, so eine 3,7 in Botanik, eine 4,0 in Bodenkunde und Waldernährung, jeweils eine 3,0 in Wildbiologie und den Wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen sowie eine 3,0 in Chemie. Zudem hat er lediglich in einem einzigen Fach eine 1,0 (Genetik) erzielt, so dass das Zeugnis jedenfalls nicht geeignet ist, deutlich überdurchschnittliche Leistungen zu belegen bzw. für die Zukunft nahezulegen.
117Noch weniger lassen sich künftig deutlich überdurchschnittliche Leistungen unter Zuhilfenahme des Diplomprüfungszeugnisses (Anlage K16, Bl. 55 GA) prognostizieren. Denn der Kläger hat die Diplomprüfung nur mit der Note 2,7 bestanden, was einer Gesamtnote von „befriedigend“ entspricht. Dabei hat er in 9 von 17 Fächern durchschnittliche (= 4 x befriedigend) oder unterdurchschnittliche (= 5 x ausreichend) Zensuren erhalten und nur in 8 Fächern überdurchschnittliche Leistungen erbracht (6 x gut und 2 x sehr gut).
118Soweit der Kläger mit der Berufung nunmehr behauptet, die Prüfungsergebnisse hätten sich durch seine unfallbedingte Gehbehinderung und die dadurch verminderte Fähigkeit zur Wissensaufnahme sowie die anhaltenden Schmerzen verschlechtert, ist er mit diesem neuen Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen, da er Entsprechendes auch erstinstanzlich hätte vortragen können und es sich um eine neue Erkenntnis nicht hat handeln können. Entgegen der Ansicht des Klägers war das Landgericht auch nicht gehalten zu erfragen, ob die dargelegten körperlichen Beeinträchtigungen dazu geführt haben, dass dieser sich schlechter auf die Vordiplom- und Diplomprüfung vorbereiten konnte oder bei der Waldprüfung schlechter abgeschnitten hat, da es Sache des Klägers gewesen ist, die tatsächlichen Anhaltspunkte für seinen voraussichtlichen beruflichen Werdegang ohne das Unfallereignis aufzuzeigen. Hierzu zählten erkennbar auch die Prüfungsergebnisse, zumal der Kläger schon in der Klageschrift selbst maßgeblich auf sein Diplomzeugnis rekurriert und dieses als Anlage vorgelegt hat.
119(3) Auch die im Rahmen seines beruflichen Werdegangs attestierten Leistungen lassen keinen hinreichenden Rückschluss darauf zu, dass der Kläger die Große Staatliche Forstprüfung mit einem Ergebnis abgelegt oder im Forstreferendariat Befähigungsnachweise erzielt hätte, die ihn über den Durchschnitt der anderen Referendare seines Jahrgangs herausgehoben hätte.
120Soweit sich der Kläger insofern auf seine im Berufsleben erhaltenen Arbeitszeugnisse (Anlage K20, Bl. 64 GA, Anlage K21, Bl. 65 GA, Anlage K24, Bl. 70 f. GA) stützt, sind diese nicht ausreichend aussagekräftig, um indiziell für sich oder im Zusammenwirken mit anderen Indizien den Schluss herbeizuführen, dass ohne Unfallereignis die Laufbahn im höheren Forstdienst durchlaufen worden wäre.
121Zunächst hat der Kläger nicht lückenlos seine Beschäftigungen mit Arbeitszeugnissen belegt, da ein Zeugnis über die Beschäftigung bei der Stadt D von September 1995 bis Januar 1996 fehlt. Die lückenhafte Dokumentation der geleisteten Arbeiten schwächt freilich den Beweiswert der vorgelegten Zeugnisse insofern, als nur eine lückenlose Dokumentation den Schluss nahelegt, dass sämtliche Arbeitgeber mit den Leistungen des Klägers sehr zufrieden gewesen sind.
122Zudem ist der Aussagegehalt der vorgelegten Zeugnisse deshalb eingeschränkt, weil diese sich lediglich zum Kläger verhalten, ohne einen Bezug zur Leistung seiner Arbeitskollegen (und damit der potentiellen Konkurrenten um eine Stelle) herzustellen. Im Übrigen bringen sie zwar zum Ausdruck, dass der Kläger die ihm übertragenen Aufgaben regelmäßig zur vollen Zufriedenheit seines jeweiligen Arbeitgebers erledigt hat. Dass er dabei eine Eignung und Befähigung gezeigt hat, die ihn für ein höherwertiges Amt als die ihm übertragene, allenfalls dem gehobenen Dienst zuzuordnende Stelle qualifizieren würden, lässt sich den Zeugnissen indessen nicht entnehmen. Auch soweit das Regierungspräsidium Kassel in seiner „Bescheinigung zur Feststellung eines Vermögensschadens“ (Anlage 7 zum Schriftsatz des Klägers vom 25.06.2009, Bl. 190 GA) angeführt hat, der Kläger habe herausragende Leistungen erbracht, bezieht sich diese Einschätzung auf die Aufgabenerledigung des Klägers innerhalb des gehobenen Dienstes. Dass der Kläger auch Mitbewerbern um eine Stelle im höheren Forstdienst überlegen gewesen wäre, lässt sich daraus nicht ableiten.
123Zudem betreffen die Arbeitszeugnisse, anders als der inhaltlich breiter gestreute Vorbereitungsdienst, mit dem Umweltschutz einen speziellen Teilsektor, auf dem sich der Kläger zuvor ein Jahr lang zur Fachkraft für Umweltschutz weitergebildet hatte. Auf Grund dieser Spezialkenntnisse hat sich der Kläger offenbar auch beim Regierungspräsidium Kassel besonders bewährt. Sofern dieser sich deshalb darauf beruft, die von ihm ausgeübten Tätigkeiten unterschieden sich inhaltlich nicht nennenswert von den ansonsten von Beamten des höheren Forstdienstes (welchen Einstellungsjahrs, ist nicht ersichtlich) ausgeübten Tätigkeiten, kann daraus nicht geschlussfolgert werden, dass er auch bei der Einstellung im Anschluss an das Referendariat erfolgreich mit Mitbewerbern um eine Stelle im höheren Dienst konkurriert hätte.
124Insgesamt mögen die vorgelegten Arbeitszeugnisse deshalb darauf hindeuten, dass sich der Kläger im beruflichen Alltag bei den von ihm wahrgenommenen Tätigkeiten im Laufe der Jahre – jedenfalls überwiegend – in besonderem Maße bewährt hat. Dass diese praktischen Fähigkeiten auf ein Leistungsniveau des Klägers auch im Jahr 1989 schließen lassen, das ihn während des Vorbereitungsdienstes vom Durchschnitt der anderen Referendare abgehoben und ihn zu einem überdurchschnittlichen Ergebnis bei der Großen Staatlichen Forstprüfung verholfen hätte, kann jedoch nicht angenommen werden. Zumindest aber kommt ihnen im Rahmen der zu treffenden Prognoseentscheidung kein größeres Gewicht als dem Diplomzeugnis des Klägers zu. Dann aber ist von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit im Sinne der §§ 287 ZPO, 252 BGB, dass der Kläger im Jahr 1989 in den höheren Forstdienst übernommen worden wäre, gerade nicht auszugehen.
125(4) Aber auch aus dem beruflichen Werdegang des Klägers lässt sich nicht für sich und auch nicht in Kombination mit anderen Indizien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ableiten, dass er im Fall der Ableistung des Forstreferendariats jedenfalls im Laufe seines weiteren Berufslebens in den höheren Dienst übernommen worden wäre.
126Nach der Bescheinigung des Regierungspräsidiums Kassel vom 23.06.2009 sind dem Kläger zwar jedenfalls ab dem Jahr 1997 herausragende Leistungen attestiert worden (Anlage 7 zum Schriftsatz des Klägers vom 25.06.2009, Bl. 190 GA). Ob zu diesem Zeitpunkt eine Verbeamtung des damals 36jährigen Klägers überhaupt noch möglich gewesen wäre, ist allerdings schon sehr fraglich. Jedenfalls aber besteht mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen keine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass eine etwaige Bewerbung des Klägers um eine Stelle im höheren Forstdienst erfolgreich gewesen wäre.
127Der Kläger hat weder aufgezeigt, in welchem Jahr wie viele Stellen des höheren Dienstes ausgeschrieben worden sind, noch, wie viele Mitbewerber sich mit welchen Qualifikationen und Arbeitszeugnissen auf eine solche Stelle beworben haben. Ohne diesbezügliche Angaben kann aber keine auch nur einigermaßen zuverlässige Prognose über die Erfolgsaussichten einer Bewerbung des Klägers angestellt werden. Dass der Bekannte eines Kollegen des Klägers einen Laufbahnwechsel vollzogen hat (vgl. Schreiben vom 17.01.2008, Anlage 8 zum Schriftsatz des Klägers vom 25.06.2009, Bl. 191 f. GA), belegt nur eine solche generelle Möglichkeit, ohne weitergehende Schlüsse auf die Umsetzbarkeit auch für den Kläger zuzulassen. Ebenso wenig ersetzt der Verweis auf den späteren Eintritt „zahlreicher“ zunächst befristet oder freiberuflich tätiger Forstassessoren in den höheren Dienst die Darlegung der für die Erfolgsprognose einer Bewerbung des Klägers erforderlichen konkreten Anknüpfungstatsachen. Dies gilt umso mehr, als sich dem Beitrag des Herrn L2 in der Allgemeinen Forstzeitschrift aus dem Jahr 1990 sowie der Besprechung von Frau H3 (Anlage 2 zum Schriftsatz des Klägers vom 25.06.2009, Bl. 174 GA) entnehmen lässt, dass der Ersatzbedarf für Beamte und Angestellte des höheren Forstdienstes eher zurückgegangen ist und auch die Ende der 1980er Jahre noch bestehenden Sonderprogramme der Landesregierungen, die den Abschluss von befristeten Zwei-Jahres-Verträgen (mit welcher Vergütung, bleibt unklar) ermöglicht haben, nicht weiter ausgebaut worden sind.
128Der Notwendigkeit, konkrete Anknüpfungstatsachen für die Wahrscheinlichkeit eines späteren Eintritts in den höheren Forstdienst aufzuzeigen, kann sich der Kläger nicht dadurch entziehen, dass er zum Beweis die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten hat. In einem solchen Fall können an die Mitteilung der Anknüpfungstatsachen zwar geringere Anforderungen gestellt werden (Zöller/Greger a.a.O. § 287 Rn. 5). Eine Beweiserhebung ist aber auch in diesem Fall unzulässig, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann (BGH, Urt. v. 18.01.1995, -XII ZR 30/93-, zitiert nach juris). Selbst wenn ein Sachverständiger aber den späteren Eintritt bereits im Berufsleben stehender Forstassessoren in den höheren Dienst ermitteln würde, könnte auf Grund dessen eine Wahrscheinlichkeitsprognose im Hinblick auf eine Bewerbung des Klägers mangels Kenntnis der jeweiligen konkreten Bewerbungssituation nicht angestellt werden.
129Entsprechendes gilt, soweit der Kläger pauschal behauptet, er habe bei Absolvierung des Forstreferendariats früher oder später eine Anstellung in der Privatwirtschaft mit einer der Besoldung nach A 13 vergleichbaren Vergütung gefunden. Auch hierfür bestehen keine konkreten Anhaltspunkte. Vielmehr verweist der Beitrag des Herrn L2 in der Allgemeinen Forstzeitschrift 8/1990 darauf, dass zahlreiche Dauerbeschäftigungen außerhalb des öffentlichen Dienstes nur unter Hinnahme von Verdienstmöglichkeiten teils wesentlich unter dem Anfangsgehalt im höheren Dienst gefunden werden konnten. Selbst wenn ein Sachverständiger im Übrigen Arbeitsstellen in der freien Wirtschaft mit einem der Besoldung A 13 entsprechenden Lohn ermitteln würde, könnte daraus mangels Kenntnis der Anzahl und Qualifikation etwaiger Mitbewerber nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf eine Anstellung des Klägers geschlossen werden.
130(5) Soweit der Kläger weiter anführt, dass aus dem Umstand, dass seine Familie Führungspersönlichkeiten mit beachtlichem beruflichen Werdegang hervorgebracht habe, geschlossen werden könne, dass er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ohne das Unfallereignis die Karriere als Beamter im höheren Forstdienst durchlaufen hätte, vermag er auch damit nicht durchzudringen. Denn im Rahmen der hier erforderlichen Prognoseentscheidung sind Beruf, die Vor- und Weiterbildung der Eltern und deren Qualifikation in der Berufstätigkeit sowie der Werdegang der Geschwister als Indizien lediglich dann heranzuziehen (vgl. Küppersbusch a.a.O. Rn. 173), wenn es sich um den zu prognostizierenden Lebensweg eines geschädigten Kindes oder Jugendlichen handelt, der Werdergang also schon mangels Berufsausbildungsbeginn noch völlig unklar ist. Denn in diesen Fällen sind andere Anknüpfungspunkte für eine Prognose noch nicht vorhanden, so dass auf derartige Indizien, die nur ganz geringe Aussagekraft haben, zurückgegriffen werden muss.
131Ereignet sich aber – wie dies vorliegend der Fall ist – die Verletzung zu einem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte seine Ausbildung weitgehend gefördert hat oder vor ihrem Abschluss steht, so liegen angesichts der Erkennbarkeit seines Ausbildungs- und Berufsziels sowie seiner bisherigen Leistungen regelmäßig in der Person des Geschädigten selbst konkrete Anhaltspunkte für die Schätzung des Fortkommensschadens vor, wie ausgeführt worden ist. Ein Zurückgreifen auf die Leistungen der Eltern oder anderer Familienmitglieder verbietet sich dann schon deswegen, weil sie an sich deutlich weniger aussagekräftig sind, als eigene Leistungen.
132(6) Nach alledem kann insgesamt nicht als überwiegend wahrscheinlich erachtet werden, dass der Kläger bei Ableistung des Forstreferendariats eine Dienst- oder Arbeitsstelle mit einem Nettoeinkommen von Euro 3.460,00 gefunden hätte. Zudem kommt aber auch kein Verdienstausfallschaden in Höhe eines geringeren Betrages in Betracht.
133Denn angesichts der Arbeitsmarktsituation für Forstassessoren ist nicht ersichtlich, dass die Ablegung der Großen Forstlichen Staatsprüfung auch außerhalb des höheren Forstdienstes überhaupt mit einer greifbaren Chance auf einen Mehrverdienst oder eine Beschäftigung ohne vorübergehende Arbeitslosigkeit gegenüber einem Diplomforstwirt, der das Referendariat nicht abgeleistet hatte, verbunden gewesen wäre. Soweit die Rechtsprechung davon ausgeht, dass im Hinblick auf die Unsicherheit der beruflichen Entwicklung verbleibenden Risiken mit einem gewissen Abschlag Rechnung zu tragen ist (vgl. BGH, Urt. v. 06.06.2000, -VI ZR 172/99-, zitiert nach juris), bezieht sich dies allein auf Unwägbarkeiten bei der Höhe der ohne das Unfallereignis voraussichtlich zu erzielenden und deshalb den Umfang der durch den Unfall entgangenen Einkünfte. Bestehen dagegen keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen dafür, dass dem Geschädigten unfallbedingt überhaupt ein Mehreinkommen entgangen ist, so kann mangels Vorliegens der Grundvoraussetzungen einer Schadensschätzung nach den §§ 287 ZPO, 252 BGB auch kein Teilbetrag als entgangener Verdienst zugesprochen werden.
134c. Hingegen steht dem Kläger ein Verdienstausfallschaden gemäß §§ 7 Abs. 1, 11 StVG, §§ 823 Abs. 1 BGB, 249, 252 BGB, §§ 3 Nr. 1 PflVG a.F. bzw. 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG wegen unfallbedingt verzögerten Eintritts in das Berufsleben in Höhe von Euro 13.200,00 zu. Unter Berücksichtigung der dem Kläger zugutekommenden Beweiserleichterungen gemäß §§ 252 BGB, 287 ZPO (vgl. hierzu KG Berlin, Urt. v. 20.10.2005, -12 U 31/03-, zitiert nach juris) ist davon auszugehen, dass der Kläger ohne die beim Unfall erlittenen erheblichen Verletzungen ein halbes Jahr früher als tatsächlich geschehen die Tätigkeit bei der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises D gegen eine Vergütung der Besoldungsgruppe BAT IVa angetreten hätte.
135(1) Es ist anerkannt (BGH, Urt. v. 09.11.2010, -VI ZR 300/08-; KG Berlin, a.a.O.; beide zitiert nach juris), dass bei Unfällen vor Eintritt in das Berufsleben gemäß § 287 ZPO zu schätzen ist, wie der berufliche Weg des Geschädigten voraussichtlich verlaufen wäre, wobei die Anforderungen an die Schätzgrundlagen nicht überspannt werden dürfen. Hierzu gehört auch die Beantwortung der Frage, ob der Geschädigte früher ins Erwerbsleben eintreten wäre, wenn der Unfall nicht stattgefunden hätte.
136Unter Beachtung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass der Kläger ohne das Unfallereignis ein halbes Jahr früher seine Erwerbstätigkeit begonnen hätte.
137Diese Annahme ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
138Während des Sommersemesters 1982 ist der Kläger aufgrund des Unfalls mehrere Wochen lang stationär behandelt worden. Überdies waren sein linkes Bein sowie seine rechte Hand eingegipst und der Kläger konnte sich zu dieser Zeit nur im Rollstuhl fortbewegen. Im Wintersemester 1982/83 sowie im Sommersemester 1983 hat er sich zwar überwiegend nur noch in ambulanter Behandlung befunden und sein Studium an der Universität H fortgesetzt. Bis Juli 1983 konnte er sich aber nur mit Hilfe von Gehstützen fortbewegen. Dass er in Folge dessen jedenfalls die praktischen Seminare und Übungen, die teilweise mit mehrstündigen Aufenthalten und Wanderungen im Wald verbunden waren, nicht in dem vorgesehenen Ausmaß absolvieren konnte, liegt auf der Hand.
139Zudem hat sich der Kläger bis Sommer 1983 mehrmals in der Woche in krankengymnastische und elektrotherapeutische Behandlung begeben. Derartige Termine hatten nahe liegender Weise zur Folge, dass der Kläger an Vorlesungen und praktischen Übungen nur eingeschränkt teilnehmen konnte. Dementsprechend betrug die Minderung der Erwerbsfähigkeit während dieser Zeit (wie auch noch bis März 1984) wegen der eingeschränkten Gehfähigkeit des Klägers 40%.
140Soweit der Kläger im Februar 1984 abermals eine Woche in stationärer Behandlung und einen weiteren Monat auf Gehstützen angewiesen war, ist demgegenüber nicht ersichtlich, dass das Studium durch diese – wohl in den Semesterferien liegenden – Einschränkungen beeinträchtigt worden ist.
141Unter diesen Umständen ist es angebracht, die unfallbedingte Verzögerung des Studiums auf ein Jahr (da der Kläger Veranstaltungen während des Wintersemesters 1982/83 und des Sommersemesters 1983 jeweils nur teilweise nicht wahrnehmen konnte) zu schätzen.
142Allerdings ergibt sich hieraus nicht ein entsprechend langer Zeitraum des verspäteten Eintritts in das Berufsleben. Denn insoweit ist der Soll-Verlauf, wie er ohne den Unfall eingetreten wäre, und der Ist-Verlauf nach dem Unfall zu vergleichen und sind dabei auch Einkommensreduzierungen oder –verzögerungen zu berücksichtigen, die ohne den Unfall eingetreten wären (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 26.11.1997, -13 U 92/96-, zitiert nach juris).
143Danach gilt:
144Hätte der Kläger seine Ausbildung wie geplant fortgesetzt, hätte er die Diplomprüfung nach 12 (bzw. 13) statt nach 15 Semestern – mithin frühestens im Sommer 1986 (bzw. im Winter 1986/87) – abgelegt. Da die Einstellungen in den Referendardienst zum 01.01. und 01.07. eines Jahres erfolgten und wegen der großen Anzahl von Bewerbern – ähnlich wie im Jahr 1988 geschehen – nicht mit einer Einstellung zum nächsten, sondern erst zum übernächsten Termin zu rechnen war, hätte der Kläger (wegen des wohl verpassten Einstellungstermins zum 01.07.1986 bzw. zum 01.01.1987) eine Referendarstelle voraussichtlich nicht vor dem 01.07.1987 (bzw. dem 01.01.1988) erhalten. Das zweijährige Forstreferendariat wäre demnach erst Mitte 1989 (bzw. Ende 1989) beendet gewesen.
145Stattdessen hat der Kläger im Anschluss an seine im März 1988 abgelegte Diplomprüfung einen nicht vergüteten Weiterbildungslehrgang zur Fachkraft für Umweltschutz absolviert und stand dem Arbeitsmarkt deshalb erst Ende des Jahres 1989 zur Verfügung. Sein Zutritt zum Berufsleben hat sich daher (wegen der Verkürzung der weiteren Ausbildung im Anschluss an das Studium) um ein halbes Jahr und eben nicht um ein ganzes Jahr verzögert.
146Sofern der Kläger nunmehr in der Berufung mit Schriftsatz vom 15.04.2010 und mit weiterem Schriftsatz vom 06.08.2013 anführt, das Studium habe sich nicht nur um 18 Monate im Grundstudium, sondern darüber hinaus um ein weiteres halbes bzw. ganzes Jahre wegen unfallbedingter Nichtteilnahme an Veranstaltungen im Hauptstudium verzögert, kann er mit dieser neuen Behauptung schon aus prozessualen Gründen nicht mehr gehört werden (§§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO). In erster Instanz hat er diese angeblich weitere Verzögerung nicht etwa nur „nicht ausdrücklich geltend gemacht“, wie er jetzt behauptet, sondern sich – wie im Übrigen auch noch in der Berufungsbegründung (Bl. 304 GA) – ausdrücklich auf eine Verzögerung der Studienzeit (nur) um anderthalb Jahre berufen. Eine entsprechendes Vorbringen ist demgemäß (mit der Beweiskraft des § 314 ZPO) auch im Tatbestand des angefochtenen Teilverzichts- und Teilurteils festgehalten.
147Abgesehen davon ist auch nicht ersichtlich, dass die Nichtteilnahme an den Grundveranstaltungskursen „Dendrometrie“ und „Forsteinrichtung“ (die zur Verlängerung des Studiums um ein weiteres Jahr geführt haben soll) auf den Unfall zurückzuführen ist. Zu den maßgeblichen Veranstaltungszeiten hat der Kläger an einer fiebrigen Mandelentzündung und einer Virusinfektion gelitten. Dass diese Erkrankungen mit der vorangegangenen Entfernung der Metallplatten im linken Oberschenkel in Zusammenhang standen, ist nicht erkennbar.
148(2) Der in dieser Zeit von sechs Monaten entgangene Verdienst bemisst sich – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht auf sein seit Frühjahr 2007 bezogenes BAT III-Gehalt. Die Gegenüberstellung von Soll- und Ist-Verlauf hat pro rata temporis zu erfolgen, d.h. Soll- und Ist-Verlauf müssen jeweils exakt für die einzelnen Zeiträume gegenüber gestellt werden (Küppersbusch a.a.O. Rn. 170). Dann aber kann für das erste halbe Jahr der Berufstätigkeit allenfalls auf das Einstiegsgehalt des Klägers in seiner ersten „festen“ Arbeitsstelle beim Landkreis D in der Vergütungsgruppe BAT IV a, das er nach der von Mitte April 1990 bis November 1991 durchlaufenen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme bezogen hat, abgestellt werden. Dieses Gehalt hat der Kläger unter Einbeziehung seines jetzigen Familienstandes (verheiratet, zwei Kinder) und auf der Basis der Gehaltstabelle aus dem Jahr 2004 mit durchschnittlich 2.197,00 EUR netto angegeben, ohne dass diese Angabe (substantiiert) bestritten worden wäre. Insgesamt sind dem Kläger daher Einnahmen von geschätzt Euro 13.200,00 (6 x Euro 2.200,00) entgangen, die er gegenüber der Beklagten geltend machen kann.
149Dass der Verdienst des Klägers in Folge seines verzögerten Berufseintritts auch in der Folgezeit gegenüber dem ansonsten zu erzielenden Gehalt verringert geblieben ist (er also etwa beim Regierungspräsidium Kassel andernfalls schon im November 1996 statt im Mai 1997 von der Vergütungsgruppe BAT IV b auf BAT IV a und im Herbst 2006 statt im Frühjahr 2007 weiter auf die Vergütungsgruppe BAT III hochgestuft worden wäre), kann nicht angenommen werden. Dagegen spricht bereits, dass der Kläger zwischen den angetretenen Arbeitsstellen jeweils mehr als sechs Monate arbeitslos gewesen ist. Im Hinblick darauf ist nicht ersichtlich, dass ihn der um ein halbes Jahr verzögerte Berufszutritt beim Antritt der Stellen zeitlich zurückgeworfen hat. Im Übrigen haben die nachfolgenden Arbeitsstellen jeweils einen besonderen Zuschnitt dergestalt aufgewiesen, dass der Kläger bei der Unteren Naturschutzbehörde der Stadt D erst als Krankheitsvertretung und dann als Aushilfe sowie bei der Oberen Naturschutzbehörde des Regierungspräsidiums Kassel zunächst auf Grund eines befristeten Arbeitsverhältnisses beschäftigt war, so dass nicht angenommen werden kann, dass der Kläger bei früherem Berufseinstieg auch früher eine höhere Besoldungsstufe erreicht hätte.
1502. Weiter steht dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe des tenorierten Betrages gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu.
151Es ist anerkannt (BGH, Urt. v. 10.01.2006, -VI ZR 43/05-, zitiert nach juris), dass sich bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen aus § 823 Abs. 1 BGB, § 7 StVG eine Ersatzpflicht von im Zusammenhang mit der Verfolgung dieser Ansprüche entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten regelmäßig unmittelbar aus § 280 Abs. 1 BGB ergibt. Da der Kläger ebensolche Ansprüche verfolgt, steht ihm auch der entsprechende Ersatz für die außergerichtlich aufgewandten Rechtsanwaltskosten zu. Für diese ist eine 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von Euro 47.544,00 (Euro 11.544,00 Verdienstausfall, Euro 16.000,00 Schmerzensgeld und Euro 20.000,00 Wert des Feststellungsantrages) zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer anzusetzen, also ein Betrag in Höhe von Euro 1.641,96.
1523. Hingegen besteht der vom Kläger weiter geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Rente in Höhe von Euro 1.263,00 für die Zeit von Januar 2008 bis zu seinem 65. Lebensjahr aus den §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 PflVG a.F. bzw. 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG nicht. Die insoweit verlangte Differenz zwischen dem als Beamter des höheren Forstdienstes erzielbaren und dem nach der Vergütungsgruppe BAT IVa tatsächlich erzielten Durchschnittsnettoeinkommen steht dem Kläger nicht zu, da von dessen Beschäftigung im höheren Dienst oder einer vergleichbar dotierten Stelle in der Privatwirtschaft nach den vorstehenden Erörterungen selbst bei Ableistung des Forstreferendariats auch in späteren Jahren keine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht.
153Ebenso wenig kann dem Kläger eine geringere Monatsrente zugesprochen werden. Dafür, dass ihm die Ablegung des Assessorexamens im weiteren Berufsleben messbare finanzielle Vorteile gebracht hätte, bestehen keine konkreten Anhaltspunkte.
1544. Auch der Hilfsantrag, mit dem der Kläger einen Zahlungsanspruch in Höhe von Euro 90.853,80 als Mindestschaden geltend macht, ist nicht begründet. Denn inwiefern dem Kläger ein Verdienstausfallschaden entstanden ist, ist im Rahmen der Prüfung unter A.1. geprüft worden. Ein darüber hinausgehender „Mindestschaden“ ist – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht erkennbar. Soweit der Kläger zur Begründung darauf abstellt, dass er wegen des Unfalls mit einer dreißigmonatigen Verspätung ins Berufsleben eingestiegen sei, ist ebenso auf die obigen Ausführungen zu verweisen, als auch hinsichtlich der Auffassung, dass ihm für diesen Zeitraum ein monatliches Gehalt aus der Vergütungsgruppe BAT III entgangen sei.
155B. Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil
156Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
1571. Soweit das Landgericht dem Kläger ein über das durch die Beklagte bereits gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von Euro 26.000,00 in Höhe von weiteren Euro 16.000,00 zugestanden hat, ist diese Entscheidung nicht zu beanstanden. Die hiergegen durch die Beklagte vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch.
158Bei der Bemessung des Schmerzensgelds sind alle für eine billige Entschädigung nach § 253 Abs. 2 BGB relevanten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Zu den bei der Abwägung zu beachtenden Faktoren zählen insbesondere die Art, Schwere und Dauer der erlittenen Verletzungen sowie Schmerzen und Leiden, die Dauer der stationären und ambulanten Behandlungen, die Belastung durch Operationen und andere Behandlungsmaßnahmen sowie Art, Ausmaß und Dauer der Auswirkungen auf das berufliche und soziale Leben des Geschädigten (OLG Nürnberg, Urt. v. 22.12.2006, -5 U 1921/06-, zitiert nach juris; Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Auflage, § 253 Rn. 16). Dabei hat das Gericht bei der Ausübung seines ihm nach § 287 ZPO eingeräumten Ermessens weiter zu beachten, dass vergleichbare Verletzungen und Beeinträchtigungen annähernd gleiche Entschädigungen zur Folge haben (OLG Oldenburg, Urt. v. 02.08.2006, -5 U 16/06-, zitiert nach juris).
159Wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Schmerzensgelds, der eine ganzheitliche Betrachtung und Bemessung gebietet, ist die künftige Entwicklung des Schadensbilds in die Bemessung des Schmerzensgelds mit einzubeziehen (vgl. BGH, Urt. v. 20.03.2001, -VI ZR 325/99-, zitiert nach juris). Deshalb sind neben den bereits eingetretenen auch alle erkennbaren sowie alle nicht völlig fernliegenden, objektiv vorhersehbaren unfallbedingten Verletzungsfolgen bei der Bemessung des Schmerzensgelds zu berücksichtigen (BGH, a.a.O.). Nicht erfasst sind deshalb generell nur Verletzungsfolgen, an die auch ein mit der Beurteilung des Ausmaßes und der voraussichtlichen weiteren Entwicklung eines unfallursächlichen Körperschadens des Verletzten beauftragter Sachverständiger nicht denken musste, die aber entgegen aller Wahrscheinlichkeit später doch eingetreten sind (vgl. BGH, Urt. v. 08.07.1980, -VI ZR 72/79-, zitiert nach juris).
160Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen ist die durch das Landgericht ausgeurteilte Schmerzensgeldhöhe nicht zu beanstanden.
161a. Der Kläger hat auf Grund des Unfalls diverse Verletzungen unter anderem in Gestalt einer Oberschenkel- und einer Handfraktur sowie einer Luxation des linken Sprunggelenks erlitten, die mehrere Operationen an Hüfte, Oberschenkel und Fuß im Rahmen eines mehr als einmonatigen Klinikaufenthalts erforderlich gemacht haben. Auch in der Folgezeit war der Kläger in seiner Bewegungsfreiheit zunächst noch stark dadurch eingeschränkt, dass sein rechter Arm etwa drei Monate lang eingegipst war und er sich auf Grund der Schienung des linken Beins in einer Streckvorrichtung über drei Monate lang nur in einem Rollstuhl sowie auch danach noch Monate lang unter Zuhilfenahme von Gehstützen fortbewegen konnte. Darüber hinaus musste sich der Kläger über ein Jahr lang mehrmals wöchentlich ambulanten Behandlungen und Therapien unterziehen.
162b. Mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht zudem angenommen, dass beim Kläger auch eine zu berücksichtigende Dauerschädigung eingetreten sei. Denn der Sachverständige Dr. D2 hat ausgeführt, dass bei dem Kläger unfallbedingte Veränderungen im Bereich des linken Fußes festzustellen seien und zwar eine diskrete peronaeale Schädigung mit sensiblen Ausfallerscheinungen. Die zudem durch den Sachverständigen festgestellte Décollementverletzung des Klägers am linken Außenknöchel hat zu einer dauerhaften Schädigung in Gestalt einer dortigen Narbe geführt. Darüber hinaus ist nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme erwiesen, dass eine Dauerschädigung des Klägers in Gestalt einer unfallbedingten beginnenden Arthrose vorliegt. Der Sachverständige Dr. D2 hat festgestellt, dass das linke Rückfußgelenk des Klägers beginnende posttraumatische degenerative arthrotische Veränderungen aufweist, die auf den Unfall zurückzuführen seien (Bl. 278, 861 GA). Hierzu hat der Sachverständige erläutert, dass das linke, zuvor keine Deformität aufweisende Sprunggelenk des Klägers anlässlich des Unfalls mechanisch geschädigt worden ist, was zu einem frühzeitigen Gelenkverschleiß geführt hat (Bl. 862 f. GA).
163Zu berücksichtigen ist daher, dass die Bein- bzw. Fußverletzungen zu erheblichen dauerhaften Einschränkungen des Klägers geführt haben. So hat der Vater des Klägers im Rahmen seiner Vernehmung angegeben, dass der Kläger seit dem Unfall dauerhaft Gehprobleme habe, also keine längeren Wegstrecken zurücklegen könne. Damit fallen für den Kläger sämtliche sportlichen Aktivitäten, die mit Laufen einhergehen, von vorne herein weg, was eine ganz erhebliche Einschränkung darstellt. Das gilt vor allem auch deshalb, weil nach den Angaben des Zeugen S2 davon auszugehen ist, dass der Kläger durchaus sportlich gewesen ist und z.B. Volleyball gespielt hat. Zudem bedarf es aber auch keiner weiteren Erklärungen dazu, dass die signifikante Einschränkung der Gehfähigkeit ganz erhebliche Einwirkungen auch auf tägliche Verrichtungen sowie familiäre Unternehmungen hat.
164c. Zudem ist erschwerend zu berücksichtigen, dass der Kläger erst 22 Jahre alt und damit jung war, als es zu dem Unfallereignis gekommen ist. Gerade bei einem jungen sportlichen Menschen ist eine dauerhafte erhebliche Bewegungseinschränkung aber besonders problematisch und führt zwangsläufig zu einer deutlich verschlechterten Lebensqualität, was bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen ist und zu einer signifikanten Erhöhung des immateriellen Schadensersatzanspruchs führen kann und vorliegend auch führt.
165Auch diese Dauerschädigung, die progredient verläuft, ist bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen.
166Denn der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 08.07.2011 ausdrücklich erklärt, dass auch die zukünftig zu erwartende Entwicklung seiner Verletzungen bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen sein solle, was grundsätzlich möglich ist (vgl. Saarländisches OLG, Urt. v. 10.12.1998, -3 U 244/98-, zitiert nach juris), ihm allerdings die Möglichkeit verwehrt, künftig weiteres Schmerzensgeld zu verlangen.
167d. Bei der Schmerzensgeldbemessung ist zudem zu berücksichtigen, dass der Kläger den von ihm angestrebten Beruf, Beamtenlaufbahn im höheren Forstdienst, nicht hat verfolgen können. Zwar hätte er diesen Beruf – wie bereits dargelegt worden ist – auch ohne den Unfall möglicherweise nicht ergreifen können; durch das Unfallereignis ist ihm aber die Chance hierauf verwehrt worden und er hat sich insofern notgedrungen einer anderen Tätigkeit zuwenden müssen.
168e. Des Weiteren hat das Landgericht auch zu Recht das zögerliche Regulierungsverhalten der Beklagten als das Schmerzensgeld erhöhenden Umstand gewertet. Eine ungebührliche Verzögerung der Regulierung rechtfertigt eine Erhöhung des ermittelten Schmerzensgelds (OLG Nürnberg, Urt. v. 22.12.2006, -5 U 1921/06-, zitiert nach juris), wobei „ungebührliche Verzögerung“ nur dann anzunehmen sein kann, wenn die unterbliebene Regulierung nicht auf – zulässiges – Verteidigungsvorbringen gestützt werden kann.
169Letzteres ist vorliegend allerdings nicht der Fall, so dass ein erheblicher Schmerzensgeldaufschlag gerechtfertigt ist. Denn streitig war lediglich, ob und in welchem Umfang der Kläger in Folge des Unfalls körperlich und damit auch in seiner Lebensplanung dauerhaft beeinträchtigt war. Fest stand aber, dass der Kläger bei dem Unfall erheblich verletzt worden war. Auf Grund der diversen der Beklagten vorliegenden ärztlichen Berichte, Atteste und Gutachten waren die vom Kläger erlittenen Verletzungen und die durchgeführten stationären und ambulanten Behandlungen auch dokumentiert. Diese daher nicht von der Hand zu weisenden Verletzungen machten schon für sich genommen die Zahlung eines nicht unerheblichen Schmerzensgelds erkennbar erforderlich. Vor diesem Hintergrund handelt es sich nicht um gerechtfertigtes Verteidigungsverhalten, wenn die Beklagte, die immerhin im Jahr 1986 ein Anerkenntnis zur Zahlung eines Schmerzensgeldes abgegeben hatte, erstmals 2005 und damit über 23 Jahre nach dem Unfallereignis und über 19 Jahre nach eben diesem Grundanerkenntnis eine Zahlung vorgenommen hat.
170Vor diesem Hintergrund ist das vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt Euro 42.000,00 gerechtfertigt. Auf die weiteren angeblichen Verletzungen, die der Kläger erlitten haben will (Schnapphüfte, passive Flexibilität des linken Fußgelenks, Knieverletzung bzw. Gonarthrose im linken Knie sowie Meniskus- und Knorpelschaden), kommt es danach nicht an, wobei für diese – wie vom Sachverständigen Dr. D2 festgestellt – überwiegend die Unfallursächlichkeit ausscheidet bzw. nicht erkennbar ist.
1712. Sofern das Landgericht entsprechend dem Klageantrag zu 7. festgestellt hat, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle unfallbedingten künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, ist die Berufung der Beklagten ebenfalls unbegründet.
172a. Soweit die Beklagte die Unzulässigkeit des Feststellungsantrags wegen doppelter Rechtshängigkeit gerügt hat, vermag sie damit nicht durchzudringen. Denn der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 08.07.2011 klargestellt, dass der im Berufungsverfahren weiter verfolgte Feststellungsantrag (erstinstanzlich zu 7.) nicht den ebenfalls zweitinstanzlich (als Antrag zu I.1.c)) weiter geltend gemachten Antrag zu 4. erfasse.
173Eine doppelte Rechtshängigkeit im Hinblick auf die erstinstanzlich geltend gemachten Anträge zu 5. und 6. auf Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz künftig auf Schadensersatzzahlungen anfallender Steuern sowie unfallbedingt geringerer Rentenzahlungen verpflichtet ist, besteht gleichermaßen nicht. Dem steht entgegen, dass das Landgericht diese Anträge im Teilverzichts- und Teilurteil vom 27.08.2009 insoweit rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen hat, die mit den Anträgen zu 5. und 6. erfassten speziellen Vermögenseinbußen seien vom umfassenden Feststellungsantrag zu 7. umfasst.
174Eine doppelte Rechtshängigkeit bzw. ein mangelndes Rechtsschutzbedürfnis des Klägers besteht auch nicht im Hinblick auf die in den Feststellungsantrag einbezogenen künftigen immateriellen Schäden. Insoweit ist zwar die unfallbedingte Arthrose des Klägers in den bezifferten Schmerzensgeldantrag eingeflossen und kann daher nicht mehr Gegenstand des Feststellungsantrags sein. Aber auch von einem umfassend zugesprochenen Schmerzensgeld unter Einbeziehung künftig zu erwartender Beeinträchtigungen werden solche Verletzungsfolgen nicht abgegolten, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht eingetreten und deren Eintritt objektiv nicht vorhersehbar, das heißt mit denen nicht oder nicht ernstlich zu rechnen war (vgl. BGH, Urt. v. 20.03.2001, -VI ZR 325/99-, zitiert nach juris). Dass der Feststellungsantrag – wie das vorliegend der Fall ist – keine Beschränkung auf derartige Folgen enthält, hat der Bundesgerichtshof in einem Fall mit vergleichbaren Leistungs- und Feststellungsanträgen nicht beanstandet (Urt. v. 20.03.2001, -VI ZR 325/99-, zitiert nach juris). Für die Zulässigkeit spricht im Übrigen, dass sich jedenfalls aus den Entscheidungsgründen des entsprechenden Urteils ergibt, dass die vorhersehbare künftige Entwicklung des Schadensbilds grundsätzlich von einem bezifferten Schmerzensgeld abgegolten ist.
175b. Das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO liegt vor. Besteht die Möglichkeit, dass in Zukunft noch Spätfolgen der Unfallverletzungen auftreten, so reicht dies für das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse grundsätzlich aus. Eine solche Möglichkeit ist schon dann anzunehmen, wenn der Eintritt von Spätschäden nicht ausgeschlossen werden kann (BGH, Urt. v. 20.03.2001, -VI ZR 325/99-, zitiert nach juris), was vorliegend erkennbar der Fall ist. Die Möglichkeit künftiger materieller Vermögenseinbußen besteht schon im Hinblick auf die nach den Feststellungen des Sachverständigen voranschreitende unfallbedingte Arthrose im linken Sprunggelenk des Klägers, die nicht vollumfänglich von der Krankenkasse abgegoltene ärztliche Behandlungen, Medikationen und Hilfsmittel befürchten lässt. Aber auch künftige anderweitige Beeinträchtigungen des Klägers etwa im Hinblick auf die vom Kläger außerdem erlittene Oberschenkelfraktur und die Operationen an dem linken Oberschenkel und der rechten Hüfte – etwa in Gestalt mit zunehmendem Alter auftretender Schmerzen – erscheinen nicht ausgeschlossen.
176c. Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Denn für den Eintritt künftiger Schäden genügt eine gewisse dahingehende Wahrscheinlichkeit, so dass das Begehren nur dann unbegründet ist, wenn prognostisch feststeht, dass keine Spätfolgen eintreten werden (BGH, Urt. v. 12.11.1991, -VI ZR 7/91-, zitiert nach juris).
177Eine solche Feststellung kann hier aber nicht getroffen werden. Es steht nicht fest, dass keine künftigen materiellen Schäden aus dem Unfall mehr drohen. Vielmehr spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass noch Behandlungskosten, Medikamente und Hilfsmittel wegen der Progredienz der unfallbedingten Arthrose des Klägers im linken Sprunggelenk benötigt werden. Ebenso erscheint wahrscheinlich, dass der Kläger auf Grund seines unfallbedingt verspäteten Eintritts ins Berufsleben und des deshalb geringeren Zeitumfangs der Einzahlung von Beiträgen in die Rentenversicherung geringere Altersbezüge als ohne den seine Berufsausbildung verzögernden Unfall erhalten wird.
178Gleiches gilt auch im Hinblick auf künftige immaterielle Schäden. Angesichts der Schwere und Komplexität der Verletzungen kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung damit gerechnet werden, dass die erlittenen Frakturen mit weiter zunehmendem Alter des Klägers bislang noch nicht aufgetretene Beschwerden, die ein weiteres Schmerzensgeld angezeigt erscheinen lassen, auslösen können.
179C. Die Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil
180Die Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil ist, auch wenn sich diese nur gegen die zu Lasten des Klägers getroffene Kostenentscheidung richtet, zulässig, aber nur in geringem Umfang begründet.
1811. Hat ein Gericht von der Möglichkeit der Erlasses eines Teilurteils Gebrauch gemacht und erst im Schlussurteil über die Kosten entschieden, so kann die im Schlussurteil enthaltene Kostenentscheidung für sich allein angefochten werden, wenn – wie vorliegend – auch gegen das Teilurteil ein Rechtsmittel anhängig ist (BGH, Urt. v. 09.11.1977, -VIII ZB 36/77-, zitiert nach juris). Denn in diesem Fall ist das Rechtsmittel gegen das Schlussurteil nur als Ergänzung des gegen das Teilurteil eingelegten Rechtsmittels anzusehen, so dass beide Rechtsmittel nunmehr eine Einheit bilden und deshalb keine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung im Sinne des § 99 Abs. 1 ZPO gegeben ist (BGH, a.a.O.).
1822. Das Rechtsmittel des Klägers bleibt in der Sache weitgehend ohne Erfolg.
183Mit der landgerichtlichen Entscheidung vom 27.08.2009 ist ein auf den Klageantrag zu 1. entfallender Teilbetrag von Euro 56.269,47 im Wege des Teilverzichtsurteils abgewiesen worden. Zudem sind die Klageanträge zu 5. und 6., auf die Streitwerte von jeweils 5.000,00 EUR entfallen, im Wege des Teilurteils abgewiesen worden. Insoweit ist, da der Kläger dagegen keine Berufung eingelegt hat, das Teilverzichts- und Teilurteil rechtskräftig geworden.
184Darüber hinaus ist der ursprüngliche Antrag zu 1. und jetzige Antrag zu I.1.a) nur in Höhe eines Betrags von Euro 11.544,00 (Euro 16.344,00 zuzüglich Euro 13.200,00 abzüglich vorprozessual gezahlter Euro 18.000,00) gerechtfertigt, so dass der Kläger in Höhe eines Teilbetrags von Euro 299.700,53 der streitig weiter verfolgten Euro 311.244,53 unterliegt. Der frühere Klageantrag zu 4. und jetzige Antrag zu I.1.c) ist unbegründet (s.o.) und hinsichtlich des Streitwertes abweichend vom Streitwertbeschluss des Landgerichts vom 27.08.2009 und im Einklang mit dem ursprünglichen Streitwertbeschluss des Landgerichts vom 05.01.2009 nicht mit Euro 36.375,00, sondern gemäß § 42 Abs. 2 GKG mit Euro 75.780,00 zu bewerten. Der Schmerzensgeldanspruch (Streitwert Euro 16.000,00) sowie der Feststellungsantrag (Streitwert Euro 20.000,00) waren zusprechen, so dass der Kläger insofern obsiegt.
185Der Streitwert belief sich daher bis zum 03.08.2009 auf Euro 489.294,00 und anschließend auf Euro 433.024,53.
186Die Kostenentscheidung war daher – wie tenoriert – geringfügig abzuändern.
187D. Die Zinsentscheidungen ergeben sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 Satz 1, 1. Halbsatz BGB. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO, 45 Abs. 1 Satz 3 GKG.
188- III
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1, Abs. 2 ZPO). Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits waren maßgeblich Tatsachenfragen. Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.
190Streitwert: Euro 423.024,53 (Euro 311.244,53 Verdienstausfall, Euro 75.780,00 Rente, Euro 20.000,00 Feststellungsantrag, Euro 16.000,00 Schmerzensgeld)
(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.
(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.
Tenor
-
1. Die Revision des Klägers gegen das Teil-Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. Januar 2011 - 18 Sa 744/10 - wird zurückgewiesen.
-
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten über die Eingruppierung des Klägers und sich daraus ergebende Lohnansprüche.
- 2
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Die Beklagte betreibt ein Bauunternehmen und ist kraft Verbandszugehörigkeit tarifgebunden. Der Kläger ist jedenfalls seit 2009 Mitglied der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU).
- 3
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Der Kläger, der eine dreieinhalbjährige Ausbildung zum Kfz-Mechaniker mit Schwerpunkt Nutzkraftwagen-Instandhaltung absolviert hat und über eine Fahrerlaubnis für die (früheren) Klassen 2 und 3 verfügt, ist seit Februar 1999 bei der Beklagten beschäftigt. Er wurde zunächst überwiegend in der Werkstatt und daneben auch als Kraftfahrer tätig. Seit März 2006 arbeitete er überwiegend als Kraftfahrer. Dabei transportierte er auch Gefahrengüter. Er besitzt eine „ADR-Bescheinigung über die Schulung der Führer von Kraftfahrzeugen zur Beförderung gefährlicher Güter“. Seit Januar 2009 wird er nicht mehr in der Werkstatt eingesetzt und verrichtet seit dem Frühjahr 2010 überwiegend Bauhilfstätigkeiten. Er erhielt zuletzt einen Stundenlohn von 12,90 Euro brutto sowie eine Zulage in Höhe von 0,20 Euro brutto je Stunde.
- 4
-
Der Kläger hat mit seiner Klage die Ansicht vertreten, er übe eine Tätigkeit iSd. Lohngruppe 3 des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (BRTV Bau) aus, weshalb ihm die für diese Lohngruppe im Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der fünf neuen Länder und des Landes Berlin (TV-Lohn West) vorgesehene Vergütung zustehe. Für den Zeitraum von Juli bis September 2009 belaufe die sich daraus ergebende Vergütungsdifferenz auf 777,46 Euro. Als gelernter Kraftfahrzeugmechaniker könne er eine anerkannte Ausbildung vorweisen und habe auch Facharbeiten als Kraftfahrzeugschlosser verrichtet. Bei seiner Werkstatttätigkeit habe er Geräte und Maschinen gewartet und betreut. Auch als Kraftfahrer habe er Facharbeiten des Berufsbildes ausgeübt, auch ohne dass es einer Prüfung als Berufskraftfahrer bedurft hätte, da er über die im BRTV Bau alternativ vorgesehenen, durch längere Berufserfahrung erworbenen gleichwertigen Fertigkeiten verfüge. Sein weiterer, außerhalb der Werkstatt erfolgte Einsatz seit Januar 2009 widerspreche der vertraglich vereinbarten Tätigkeit als Betriebsschlosser. Der arbeitsvertragswidrige Einsatz könne nicht zu einem Entzug der vertraglich geschuldeten Vergütung nach der Lohngruppe 3 TV-Lohn West führen.
- 5
-
Ferner ergebe sich aus den Regelungen des Tarifvertrags zur Einführung neuer Lohnstrukturen für die gewerblichen Arbeitnehmer des Baugewerbes vom 4. Juli 2002 (TV-Lohnstrukturen) die begehrte Eingruppierung in die Lohngruppe 3 BRTV Bau bzw. zumindest in die Lohngruppe 2a TV-Lohn West. Der TV-Lohnstrukturen habe die Überleitung der bis zum 31. August 2002 nach dem Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV Bau aF) eingruppierten Arbeitnehmer des Baugewerbes geregelt. Nach der zuvor geltenden Vergütungsordnung sei er in die Berufsgruppe M IV BRTV Bau aF einzugruppieren gewesen. Die frühere Berufsgruppe M IV entspreche nach dem TV-Lohnstrukturen der Lohngruppe 3 des neuen Systems, die der Berufsgruppe M V der Lohngruppe 2a des TV-Lohn West.
- 6
-
Der Kläger hat, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt:
-
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 777,46 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Oktober 2009 zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Vergütung nach der Lohngruppe 3 des Tarifvertrags zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der fünf neuen Länder und des Landes Berlin vom 23. Mai 2009 in Verbindung mit dem Manteltarifvertrag für das Baugewerbe (gewerblicher Arbeitnehmer) zu zahlen.
Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2):
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Vergütung nach der Lohngruppe 2a des Tarifvertrags zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der fünf neuen Länder und des Landes Berlin vom 23. Mai 2009 in Verbindung mit dem Manteltarifvertrag für das Baugewerbe (gewerblicher Arbeitnehmer) zu zahlen.
- 7
-
Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, der Kläger sei als Kraftfahrer lediglich nach der Lohngruppe 2 TV-Lohn West zu vergüten. Es gebe keine vertragliche Vereinbarung über eine Tätigkeit als Schlosser. Er sei bis zum Jahr 2008 lediglich für zwei bis maximal drei Monate in den Wintermonaten in der Werkstatt eingesetzt worden. Die Kfz-Mechaniker-Ausbildung sei keine anerkannte Ausbildung im Sinne des BRTV Bau aF. Der Kläger sei kein Berufskraftfahrer und habe keine gleichwertigen Fertigkeiten erworben. Auf den TV-Lohnstrukturen könne er sich nicht berufen. Er sei vor dessen Inkrafttreten weder mit einer Tätigkeit nach der früheren Berufsgruppe M IV BRTV Bau aF noch nach der Berufsgruppe M V BRTV Bau aF beschäftigt gewesen. Eine Überleitung in die Lohngruppe 3 bzw. 2a TV-Lohn West scheide deshalb aus. Die Berufsgruppe M V BRTV Bau aF sei nicht in die Lohngruppe 2a TV-Lohn West überzuleiten gewesen. Im Übrigen seien mögliche Ansprüche verfallen, verjährt oder verwirkt. Der Kläger habe sie über die sieben Jahre seit Inkrafttreten des neuen Lohngruppensystems nicht geltend gemacht.
- 8
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Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit noch rechtshängig, abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hinsichtlich des Antrags zu 2) durch ein Teilurteil zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
- 9
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Die Revision des Klägers ist erfolglos. Das Landesarbeitsgericht konnte durch Teilurteil entscheiden und hat den Feststellungsantrag zu 2) zu Recht abgewiesen.
- 10
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I. Das Landesarbeitsgericht hat entgegen der Auffassung der Revision kein unzulässiges Teilurteil iSv. § 301 ZPO erlassen.
- 11
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1. Der Erlass eines Teilurteils ist nach § 301 Abs. 1 ZPO nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.
- 12
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Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil als Teilurteil zu erlassen (§ 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung (zB BAG 23. März 2005 - 4 AZR 243/04 - mwN, BAGE 114, 194; BGH 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10 - mwN, BGHZ 189, 356) und Literatur (zB Zöller/Vollkommer ZPO 29. Aufl. § 301 Rn. 7; Stein/Jonas/Leipold ZPO 22. Aufl. § 301 Rn. 14 ff.; Musielak FS Lüke S. 561, 568 ff.) setzt die Entscheidungsreife voraus, dass das Teilurteil unabhängig vom Schlussurteil erlassen werden kann bzw. zwischen dem durch ein Teilurteil entschiedenen Teil einerseits und dem noch nicht entschiedenen Teil andererseits kein Widerspruch entstehen darf. Das bedeutet, dass es für den Erlass eines Teilurteils nicht auf solche Urteils- oder Begründungselemente ankommen darf, die auch bei der weiteren Entscheidung über den noch nicht entscheidungsreifen Teil maßgebend sein können. Eine solche Gefahr ist namentlich gegeben, wenn in einem Teilurteil aufgrund einer materiellrechtlichen Verzahnung zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über die verbleibenden Ansprüche noch einmal stellt oder stellen kann (BGH 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10 - Rn. 14, BGHZ 189, 356). Insoweit kommt es nicht nur auf das entscheidende Gericht selbst an, sondern darüber hinaus auf eine auch nur mögliche abweichende Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht (BGH 27. Oktober 1999 - VIII ZR 184/98 -). Ist eine Entscheidung über den Gegenstand des Teilurteils nur möglich, wenn bei der Rechtsanwendung Fragen beantwortet werden, die auch für den verbleibenden Teil des Rechtsstreits von entscheidungserheblicher Bedeutung sind, ist ein Teilurteil unzulässig.
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Die notwendige Widerspruchsfreiheit bezieht sich allerdings weder auf den Tenor des Teilurteils - dieser bindet das Gericht nach § 318 ZPO ohnehin - noch auf die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen im Teilurteil, die für den weiteren Teil des Rechtsstreits von Bedeutung sind oder sein können. An die Beurteilung abstrakter Rechtsfragen in einem abgetrennten Teil des Zivilprozesses ist ein Gericht nicht gebunden; es kann sie im weiteren Verfahren auch abweichend beantworten (BAG 23. März 2005 - 4 AZR 243/04 - BAGE 114, 194; BGH 28. November 2003 - V ZR 123/03 - BGHZ 157, 133).
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2. Unter Zugrundelegung dieser Kriterien erweist sich das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts nicht als unzulässig.
- 15
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a) Das Revisionsgericht ist auch ohne eine - hier allerdings ausdrücklich erhobene - entsprechende Verfahrensrüge gehalten, die Zulässigkeit des Teilurteils zu überprüfen (nunmehr BGH 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10 - Rn. 19 ff., BGHZ 189, 356).
- 16
-
b) Das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts hat den im Hauptantrag zu 2) geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Feststellung der Vergütungsverpflichtung der Beklagten nach der Lohngruppe 3 BRTV Bau verneint und sich bei der Überprüfung insgesamt mit vier verschiedenen Anspruchsgrundlagen befasst, die sämtlich auf unterschiedliche Lebenssachverhalte zurückzuführen sind und deshalb in der Sache jeweils einen eigenen Streitgegenstand bilden.
- 17
-
aa) Dabei hat das Landesarbeitsgericht folgende tarifliche Bestimmungen aus dem BRTV Bau, die für das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gelten, als maßgeblich angesehen:
-
„§ 5
Lohn
1. Lohngrundlage
…
2. Grundlagen der Eingruppierung
2.1
Jeder Arbeitnehmer ist unter Beachtung des § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes nach den folgenden Grundlagen in eine der Lohngruppen 1 bis 6 einzugruppieren.
2.2
Für die Eingruppierung des Arbeitnehmers sind seine Ausbildung, seine Fertigkeiten und Kenntnisse sowie die von ihm auszuübende Tätigkeit maßgebend. Die vereinbarte Eingruppierung ist dem Arbeitnehmer innerhalb eines Monats schriftlich zu bestätigen.
2.3
Führt ein Arbeitnehmer mehrere Tätigkeiten gleichzeitig aus, die in verschiedenen Gruppen genannt sind, wird er in diejenige Gruppe eingruppiert, die seiner überwiegenden Tätigkeit entspricht.
…
3. Lohngruppen
Es werden die folgenden Lohngruppen festgelegt:
…
Lohngruppe 3 - Facharbeiter/Baugeräteführer/Berufskraftfahrer -
Tätigkeit:
-
Facharbeiten des jeweiligen Berufsbildes
Regelqualifikation:
-
baugewerbliche Stufenausbildung in der zweiten Stufe im ersten Jahr
-
baugewerbliche Stufenausbildung in der ersten Stufe und Berufserfahrung
-
anerkannte Ausbildung außerhalb der baugewerblichen Stufenausbildung
-
anerkannte Ausbildung als Maler und Lackierer, Garten- und Landschaftsbauer, Tischler jeweils mit Berufserfahrung
-
anerkannte Ausbildung, deren Berufsbild keine Anwendung für eine baugewerbliche Tätigkeit findet, und Berufserfahrung
-
Berufsausbildung zum Baugeräteführer
-
Prüfung als Berufskraftfahrer
-
durch längere Berufserfahrung erworbene gleichwertige Fertigkeiten
Tätigkeitsbeispiele:
keine“
- 18
-
Weiter hat der Kläger seinen Klageanspruch auf die Überleitungsbestimmungen im TV-Lohnstrukturen gestützt, die ua. den folgenden Wortlaut haben:
-
„§ 2
Übergang in die neuen Lohngruppen
(1) Zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe vom 4. Juli 2002 gehen die gewerblichen Arbeitnehmer wie folgt in die neuen Lohngruppen über:
1.
Berufsgruppen I bis VIII
1.1
Berufsgruppe I
in die Lohngruppe 6
…
…
…
1.8
Berufsgruppe VIII
in die Lohngruppe 1
2.
Berufsgruppen M I bis M VI
2.1
Berufsgruppe M I
in die Lohngruppe 6
…
…
…
2.4
Berufsgruppe M IV
in die Lohngruppe 3
(M IV 1 - M IV 3)
2.5
Berufsgruppe M V
in die Lohngruppe 2
(M V 1 - M V 4)
2.6
Berufsgruppe M VI
in die Lohngruppe 1
(2) …
§ 3
Lohnanspruch nach Übergang
(1) Ist der sich nach dem Übergang in die neue Lohnstruktur ergebende neue Gesamttarifstundenlohn niedriger als der bisherige Gesamttarifstundenlohn des gewerblichen Arbeitnehmers, so behält der Arbeitnehmer auch nach In-Kraft-Treten der neuen Lohnstruktur den Anspruch auf seinen bisherigen Gesamttarifstundenlohn (Besitzstandsregelung). Dieser nimmt an zukünftigen tariflichen Lohnerhöhungen teil. …
§ 4
Inkrafttreten
Dieser Tarifvertrag tritt am 1. September 2002 in Kraft und kann mit einer Frist von sechs Monaten jeweils zum 31. Dezember, erstmals zum 31. Dezember 2006, gekündigt werden.“
- 19
-
bb) Über die weiteren Anträge des Klägers, den Hilfsantrag auf Feststellung der Vergütungsverpflichtung nach Lohngruppe 2a TV-Lohn West aufgrund der Überleitung aus der alten Berufsgruppe M V BRTV Bau aF und aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes sowie über den unbedingt gestellten bezifferten Zahlungsantrag zu 1), dessen Berechnung sich auf die Differenz zwischen dem gezahlten Lohn und der begehrten Lohngruppe 3 BRTV Bau bezieht, hat das Landesarbeitsgericht keine Entscheidung getroffen.
- 20
-
cc) Bei der Anwendung der oa. tariflichen Bestimmungen auf den vom Kläger mit seinem Hauptantrag zu 2) zur Entscheidung gestellten Sachverhalt hat das Landesarbeitsgericht keine entscheidungserhebliche Frage beantwortet, die sich bei der Entscheidung über den Zahlungsantrag zu 1) und den Hilfsantrag zu 3) erneut stellen würde.
- 21
-
(1) Zur Begründung seines Hauptantrags zu 2) hat sich der Kläger auf vier verschiedene Anspruchsgrundlagen gestützt.
- 22
-
(a) Zum einen hat er die Auffassung vertreten, er erfülle die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals des dritten Spiegelstrichs von Lohngruppe 3 BRTV Bau. Er sei im Jahre 1999 als Schlosser eingestellt worden und zunächst auch tätig gewesen. Die Beklagte dürfe ihn nicht vertragswidrig beschäftigen und sich dann bei der Eingruppierung auf diese vertragswidrige Beschäftigung berufen. Seiner vertraglich geschuldeten Tätigkeit als Schlosser liege eine anerkannte Ausbildung außerhalb der baugewerblichen Stufenausbildung zugrunde.
- 23
-
(b) Zum anderen sei er auch in die Lohngruppe 3 letzter Spiegelstrich BRTV Bau einzugruppieren, wenn man seine tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als Kraftfahrer zugrunde lege, da er über die einem Berufskraftfahrer gleichwertigen Fertigkeiten verfüge.
- 24
-
(c) Weiterhin ergebe sich seine Eingruppierung in die Lohngruppe 3 BRTV Bau aus den anlässlich der grundlegenden Neustrukturierung des BRTV Bau im Jahre 2002 vereinbarten Überleitungsregelungen des TV-Lohnstrukturen, die nach wie vor in Kraft seien. Es spiele keine Rolle, dass er erst zu einem späteren Zeitpunkt Gewerkschaftsmitglied geworden sei. Er sei früher als Baugeräteführer iSv. Berufsgruppe M IV 1 BRTV Bau aF tätig gewesen; daraus ergebe sich nach dem TV-Lohnstrukturen eine Überleitung in die Lohngruppe 3 BRTV Bau.
- 25
-
(d) Schließlich müsse man zumindest seine frühere Tätigkeit als Kraftfahrer zugrunde legen, die entsprechend der Berufsgruppe M IV 2 BRTV Bau aF nach dem TV-Lohnstrukturen zu einer Eingruppierung in die Lohngruppe 3 BRTV Bau führe.
- 26
-
(2) Das Landesarbeitsgericht hat die Abweisung des Feststellungsantrags zu 2) auf die Nichterfüllung der Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale des BRTV Bau und auf die Unanwendbarkeit des TV-Lohnstrukturen gestützt.
- 27
-
(a) Da der Kläger schon seit März 2006 überwiegend als Kraftfahrer eingesetzt worden und seit Januar 2009 überhaupt nicht mehr in der Werkstatt tätig gewesen sei, könne er sich auf seine frühere Tätigkeit als Schlosser nicht berufen. Es habe keine vertragliche Abrede des Inhalts gegeben, nach der er ausschließlich oder hauptsächlich als Schlosser in der Werkstatt hätte tätig werden sollen. Zumindest über die Arbeit als Kraftfahrer hätten die Parteien stillschweigend eine vertragliche Vereinbarung getroffen.
- 28
-
(b) Als Kraftfahrer erfülle er die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der Lohngruppe 3 letzter Spiegelstrich BRTV Bau nicht. Er sei kein geprüfter Berufskraftfahrer und verfüge auch nicht über durch längere Berufserfahrung erworbene gleichwertige Fertigkeiten. Hierfür mangele es unter anderem an Kenntnissen der Tank- und Siloreinigung, der Nahrungsmittel- und Gefahrguttransporte sowie der Personenbeförderung mit Kraftomnibussen.
- 29
-
(c) Auf eine Überleitung in die Lohngruppe 3 BRTV Bau aus dem bis 2002 geltenden System des BRTV Bau 2001 nach dem TV-Lohnstrukturen könne sich der Kläger schon deshalb nicht berufen, weil der TV-Lohnstrukturen nicht auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar sei. Dieser Überleitungstarifvertrag habe lediglich zum damaligen Zeitpunkt die Überleitung in das neue Tarifsystem geregelt. Damals sei das alte Tarifsystem aber nicht maßgebend für das Arbeitsverhältnis gewesen, weil der Kläger erst im Jahre 2009 in die Gewerkschaft eingetreten sei. Damit könne keine von den zu diesem Zeitpunkt geltenden Eingruppierungsregelungen im BRTV Bau (neu) unabhängige Eingruppierung begründet werden.
- 30
-
(3) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Hauptantrag zu 2) enthält damit keine Begründungselemente, die für die Entscheidung über den verbleibenden Teil des Rechtsstreits, den Hauptantrag zu 1) und den Hilfsantrag zu 3) von Bedeutung sein können und das Berufungsgericht nicht über § 318 ZPO sowieso schon binden.
- 31
-
(a) Der Tenor des Teilurteils ist nach § 318 ZPO im weiteren Rechtsstreit verbindlich zugrunde zu legen. Hinsichtlich des Hilfsantrags hat dies keinerlei Auswirkungen, da dieser auf die Feststellung der Vergütungsverpflichtung nach Lohngruppe 2a TV-Lohn West gerichtet ist. Soweit der Hauptantrag zu 1) auf Zahlung gerichtet ist, entfaltet die getroffene Feststellung Bindungswirkung dahin gehend, dass einem etwaigen Restvergütungsanspruch des Klägers jedenfalls nicht die Eingruppierung in die Lohngruppe 3 BRTV Bau zugrunde gelegt werden kann. Das hat zwar unmittelbare Auswirkungen auf die Entscheidung über den Zahlungsantrag. Dies betrifft aber nicht das Gebot der Widerspruchsfreiheit zwischen Teil- und Schlussurteil, da es hier nicht um ein Begründungselement des Teilurteils geht, sondern um den Tenor selbst, an den das Berufungsgericht nach Maßgabe des § 318 ZPO ohnehin gebunden ist.
- 32
-
(b) Bei der Widerspruchsfreiheit des entschiedenen Teils zum verbleibenden Teil der Entscheidung über den Hilfsantrag des Klägers auf Feststellung der Lohngruppe 2a TV-Lohn West ist zu differenzieren.
- 33
-
(aa) Dieser Hilfsantrag bezieht sich nach der Begründung des Landesarbeitsgerichts ausschließlich auf die Frage, ob ein Verstoß der Beklagten gegen das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot vorliegt, indem die Beklagte andere bei ihr beschäftigte Kraftfahrer aufgrund eines generalisierenden Prinzips bewusst übertariflich nach der Lohngruppe 2a TV-Lohn West vergütet. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht zu Recht einen Einfluss der Begründungselemente seines Teilurteils auf diese Folgeentscheidung verneint. Denn dabei handelt es sich um einen Sachverhalt, dessen rechtliche Bewertung von der Eingruppierung des Klägers in die Lohngruppe 3 BRTV Bau - sei es originär, sei es aufgrund des TV-Lohnstrukturen - unabhängig ist.
- 34
-
(bb) Das Landesarbeitsgericht hat zwar im Weiteren übersehen, dass der Kläger eine Eingruppierung in die Lohngruppe 2a TV-Lohn West auch auf eine tarifliche Überleitungsregelung stützt. Diese ist aber nicht Inhalt des vom Landesarbeitsgericht behandelten und für unanwendbar gehaltenen TV-Lohnstrukturen, sondern des TV-Lohn West. Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien sollte mit dieser „Sonderlohngruppe 2a“ in einem besondern Teil des Tarifgebiets für bestimmte Arbeitnehmer der 2002 neu geschaffenen Lohngruppe 2 eine neue Lohngruppe mit einer höheren Vergütung gebildet werden (vgl. dazu BAG 28. September 2005 - 10 AZR 593/04 -). Die Kriterien für die Überleitung aus dem bisherigen Berufsgruppensystem in die Sonderlohngruppe 2a sind in § 2 Abs. 7 Satz 2 TV-Lohn West(jetzt § 2 Abs. 6 Satz 2 TV-Lohn West idF vom 23. Mai 2009) geregelt worden.
- 35
-
Mit dem TV-Lohn West und den Voraussetzungen für die Überleitung in die Sonderlohngruppe 2a befasst sich das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts jedoch nicht, sondern lediglich mit dem für den Hilfsantrag danach unbeachtlichen Überleitungsbestimmungen des TV-Lohnstrukturen. Deshalb ist ein möglicher Widerspruch der noch offenen Entscheidung über den Hilfsantrag zu einem Begründungselement des Teilurteils nicht ersichtlich.
- 36
-
II. Die Revision ist in der Sache unbegründet. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts weist keine revisiblen Rechtsfehler auf. Der Kläger hat keinen Anspruch auf ein Entgelt nach der Lohngruppe 3 BRTV Bau.
- 37
-
1. Der Kläger ist nicht als Schlosser nach dem Tätigkeitsmerkmal dritter Spiegelstrich der Lohngruppe 3 BRTV Bau zu vergüten.
- 38
-
a) Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die Eingruppierung des Klägers komme es nicht auf seine frühere Tätigkeit als Schlosser an, da er schon seit März 2006 überwiegend als Kraftfahrer eingesetzt worden und seit Januar 2009 überhaupt nicht mehr in der Werkstatt tätig gewesen sei. Zumindest über den überwiegenden Einsatz als Kraftfahrer hätten die Parteien stillschweigend eine vertragliche Vereinbarung getroffen. Dieser habe niemals geltend gemacht, dass sein Einsatz als Kraftfahrer vertragswidrig sei. Deshalb sei die Zuweisung von Tätigkeiten als Kraftfahrer, die der Kläger ab März 2006 überwiegend ausgeübt habe, auch zulässig gewesen.
- 39
-
b) Diese Begründung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Der Kläger hat nicht dargetan, dass sein überwiegender Einsatz als Kraftfahrer nicht vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt gewesen ist. Er hat lediglich vorgetragen, die zur ursprünglich vereinbarten Tätigkeit als Schlosser „hinzutretende zusätzliche Tätigkeit als Kraftfahrer (sei) jedenfalls nicht ausschließlich Inhalt des vorliegenden Arbeitsvertragsverhältnisses geworden“. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht aber auch nicht ausgegangen. Wie der Kläger selbst hat es lediglich dessen Einsatz als Kraftfahrer als vertragsgemäß angesehen, auch wenn dieser nicht ausschließlich Inhalt des Arbeitsvertrags sei. Insofern reicht aber schon die vertragsgemäße überwiegende Tätigkeit des Klägers als Kraftfahrer, auf die selbst bei mehreren Tätigkeiten unterschiedlicher Bewertung nach § 5 Nr. 2.3 BRTV Bau abzustellen ist, um eine etwaige frühere Schlossertätigkeit geringen Umfangs für die Eingruppierung nicht heranzuziehen.
- 40
-
2. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht entschieden, dass der Kläger als nicht geprüfter Kraftfahrer, der auch nicht über durch längere Berufserfahrung erworbene gleichwertige Fertigkeiten eines Berufskraftfahrers verfüge, kein Berufskraftfahrer iSd. Lohngruppe 3 BRTV Bau ist. Ihm fehlten unter anderem die erforderlichen Kenntnisse in der Tank- und Siloreinigung, für die Nahrungsmittel- und Gefahrguttransporte sowie der Personenbeförderung mit Kraftomnibussen.
- 41
-
Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision sind erfolglos. Soweit der Kläger geltend macht, dass lediglich diejenigen Ausbildungsinhalte „gleichwertig“ erworben sein müssten, die in einem Betrieb des Baugewerbes - allgemein oder gar dem konkreten Beschäftigungsbetrieb - abverlangt werden könnten, ist dies unzutreffend. Das Landesarbeitsgericht ist bei seinen Erwägungen zutreffend von der Voraussetzung ausgegangen, dass die Formulierung im letzten Spiegelstrich der Aufzählung der Regelqualifikationen in der Lohngruppe 3 BRTV Bau („durch längere Berufserfahrung erworbene gleichwertige Fertigkeiten“) sich auf alle davor, also in den Spiegelstrichen 1 bis 7 genannten beruflichen Qualifikationsanforderungen bezieht. Bereits aus dem Wortlaut der Tarifnorm ergibt sich damit, dass die erworbenen Fertigkeiten der jeweils genannten formalen Regelqualifikation „gleichwertig“ sein müssen. Diese Gleichwertigkeit bezieht sich auf die in der Ausbildung vermittelten Inhalte (zB für die der baugewerblichen Stufenausbildung - zweiter Spiegelstrich - entsprechenden Fertigkeiten BAG 14. November 2007 - 4 AZR 863/06 - BAGE 125, 57).
- 42
-
3. Das Landesarbeitsgericht hat weiter zu Recht angenommen, dass die Überleitungsvorschriften des TV-Lohnstrukturen die zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens 2002 bestehenden Eingruppierungen und Vergütungen in die neuen Lohnstrukturen gem. § 5 BRTV Bau überleiten sollten, auf nach dem Überleitungszeitpunkt begründete oder der Tarifgebundenheit unterworfene Arbeitsverhältnisse nicht anwendbar sind.
- 43
-
Der Hinweis der Revision, der Kläger könne sich als Gewerkschaftsmitglied gegenüber der tarifgebundenen Beklagten auf den TV-Lohnstrukturen berufen, soweit die sonstigen Voraussetzungen der jeweiligen Vergütungsgruppe gegeben seien, weil der TV-Lohnstrukturen nach wie vor gelte, geht fehl.
- 44
-
Der TV-Lohnstrukturen befasste sich zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens im Jahre 2002 mit der Überleitung der nach dem BRTV Bau aF eingruppierten Arbeitnehmer. Zu diesen gehörte der Kläger nicht. Sein Arbeitsverhältnis unterlag zu diesem Zeitpunkt nicht dem BRTV Bau aF. Er war nicht nach diesem Tarifvertrag eingruppiert. Er wurde deshalb von dem Überleitungstarifvertrag nicht erfasst. Es bedurfte für ihn keiner Überleitung. Die Eingruppierung derjenigen Arbeitsverhältnisse, die erst nach dem Inkrafttreten der Neuregelungen des BRTV Bau im Jahre 2002 diesem erstmals unterfielen, erfolgt allein nach dem BRTV Bau in seiner ab 2002 geltenden Fassung, unabhängig davon, ob diese erstmalige Geltung des BRTV Bau auf einer Neueinstellung oder einer erst in diesem Zeitraum entstandenen Tarifgebundenheit beruhte. So hätte auch ein Arbeitgeber, der zB im Jahre 2005 dem tarifschließenden Arbeitgeberverband beitrat, eine Eingruppierung allein nach Maßgabe des BRTV Bau durchführen und keine - gleichsam rückwirkende - Eingruppierung nach den alten Regelungen des BRTV Bau aF nebst anschließender fiktiver Überleitung nach dem TV-Lohnstrukturen vornehmen müssen. Der Kläger hat niemals einer „Berufsgruppe“ des alten BRTV Bau angehört, so dass die Überleitungsregelungen für ihn nicht gelten.
- 45
-
III. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
-
Eylert
Treber
Creutzfeldt
Kiefer
Fritz
Tenor
-
1. Die Revision des Klägers gegen das Teil-Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14. Januar 2011 - 18 Sa 744/10 - wird zurückgewiesen.
-
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Eingruppierung des Klägers und sich daraus ergebende Lohnansprüche.
- 2
-
Die Beklagte betreibt ein Bauunternehmen und ist kraft Verbandszugehörigkeit tarifgebunden. Der Kläger ist jedenfalls seit 2009 Mitglied der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU).
- 3
-
Der Kläger, der eine dreieinhalbjährige Ausbildung zum Kfz-Mechaniker mit Schwerpunkt Nutzkraftwagen-Instandhaltung absolviert hat und über eine Fahrerlaubnis für die (früheren) Klassen 2 und 3 verfügt, ist seit Februar 1999 bei der Beklagten beschäftigt. Er wurde zunächst überwiegend in der Werkstatt und daneben auch als Kraftfahrer tätig. Seit März 2006 arbeitete er überwiegend als Kraftfahrer. Dabei transportierte er auch Gefahrengüter. Er besitzt eine „ADR-Bescheinigung über die Schulung der Führer von Kraftfahrzeugen zur Beförderung gefährlicher Güter“. Seit Januar 2009 wird er nicht mehr in der Werkstatt eingesetzt und verrichtet seit dem Frühjahr 2010 überwiegend Bauhilfstätigkeiten. Er erhielt zuletzt einen Stundenlohn von 12,90 Euro brutto sowie eine Zulage in Höhe von 0,20 Euro brutto je Stunde.
- 4
-
Der Kläger hat mit seiner Klage die Ansicht vertreten, er übe eine Tätigkeit iSd. Lohngruppe 3 des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (BRTV Bau) aus, weshalb ihm die für diese Lohngruppe im Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der fünf neuen Länder und des Landes Berlin (TV-Lohn West) vorgesehene Vergütung zustehe. Für den Zeitraum von Juli bis September 2009 belaufe die sich daraus ergebende Vergütungsdifferenz auf 777,46 Euro. Als gelernter Kraftfahrzeugmechaniker könne er eine anerkannte Ausbildung vorweisen und habe auch Facharbeiten als Kraftfahrzeugschlosser verrichtet. Bei seiner Werkstatttätigkeit habe er Geräte und Maschinen gewartet und betreut. Auch als Kraftfahrer habe er Facharbeiten des Berufsbildes ausgeübt, auch ohne dass es einer Prüfung als Berufskraftfahrer bedurft hätte, da er über die im BRTV Bau alternativ vorgesehenen, durch längere Berufserfahrung erworbenen gleichwertigen Fertigkeiten verfüge. Sein weiterer, außerhalb der Werkstatt erfolgte Einsatz seit Januar 2009 widerspreche der vertraglich vereinbarten Tätigkeit als Betriebsschlosser. Der arbeitsvertragswidrige Einsatz könne nicht zu einem Entzug der vertraglich geschuldeten Vergütung nach der Lohngruppe 3 TV-Lohn West führen.
- 5
-
Ferner ergebe sich aus den Regelungen des Tarifvertrags zur Einführung neuer Lohnstrukturen für die gewerblichen Arbeitnehmer des Baugewerbes vom 4. Juli 2002 (TV-Lohnstrukturen) die begehrte Eingruppierung in die Lohngruppe 3 BRTV Bau bzw. zumindest in die Lohngruppe 2a TV-Lohn West. Der TV-Lohnstrukturen habe die Überleitung der bis zum 31. August 2002 nach dem Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV Bau aF) eingruppierten Arbeitnehmer des Baugewerbes geregelt. Nach der zuvor geltenden Vergütungsordnung sei er in die Berufsgruppe M IV BRTV Bau aF einzugruppieren gewesen. Die frühere Berufsgruppe M IV entspreche nach dem TV-Lohnstrukturen der Lohngruppe 3 des neuen Systems, die der Berufsgruppe M V der Lohngruppe 2a des TV-Lohn West.
- 6
-
Der Kläger hat, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt:
-
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 777,46 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Oktober 2009 zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Vergütung nach der Lohngruppe 3 des Tarifvertrags zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der fünf neuen Länder und des Landes Berlin vom 23. Mai 2009 in Verbindung mit dem Manteltarifvertrag für das Baugewerbe (gewerblicher Arbeitnehmer) zu zahlen.
Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2):
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Vergütung nach der Lohngruppe 2a des Tarifvertrags zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der fünf neuen Länder und des Landes Berlin vom 23. Mai 2009 in Verbindung mit dem Manteltarifvertrag für das Baugewerbe (gewerblicher Arbeitnehmer) zu zahlen.
- 7
-
Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, der Kläger sei als Kraftfahrer lediglich nach der Lohngruppe 2 TV-Lohn West zu vergüten. Es gebe keine vertragliche Vereinbarung über eine Tätigkeit als Schlosser. Er sei bis zum Jahr 2008 lediglich für zwei bis maximal drei Monate in den Wintermonaten in der Werkstatt eingesetzt worden. Die Kfz-Mechaniker-Ausbildung sei keine anerkannte Ausbildung im Sinne des BRTV Bau aF. Der Kläger sei kein Berufskraftfahrer und habe keine gleichwertigen Fertigkeiten erworben. Auf den TV-Lohnstrukturen könne er sich nicht berufen. Er sei vor dessen Inkrafttreten weder mit einer Tätigkeit nach der früheren Berufsgruppe M IV BRTV Bau aF noch nach der Berufsgruppe M V BRTV Bau aF beschäftigt gewesen. Eine Überleitung in die Lohngruppe 3 bzw. 2a TV-Lohn West scheide deshalb aus. Die Berufsgruppe M V BRTV Bau aF sei nicht in die Lohngruppe 2a TV-Lohn West überzuleiten gewesen. Im Übrigen seien mögliche Ansprüche verfallen, verjährt oder verwirkt. Der Kläger habe sie über die sieben Jahre seit Inkrafttreten des neuen Lohngruppensystems nicht geltend gemacht.
- 8
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit noch rechtshängig, abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hinsichtlich des Antrags zu 2) durch ein Teilurteil zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
- 9
-
Die Revision des Klägers ist erfolglos. Das Landesarbeitsgericht konnte durch Teilurteil entscheiden und hat den Feststellungsantrag zu 2) zu Recht abgewiesen.
- 10
-
I. Das Landesarbeitsgericht hat entgegen der Auffassung der Revision kein unzulässiges Teilurteil iSv. § 301 ZPO erlassen.
- 11
-
1. Der Erlass eines Teilurteils ist nach § 301 Abs. 1 ZPO nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.
- 12
-
Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil als Teilurteil zu erlassen (§ 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung (zB BAG 23. März 2005 - 4 AZR 243/04 - mwN, BAGE 114, 194; BGH 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10 - mwN, BGHZ 189, 356) und Literatur (zB Zöller/Vollkommer ZPO 29. Aufl. § 301 Rn. 7; Stein/Jonas/Leipold ZPO 22. Aufl. § 301 Rn. 14 ff.; Musielak FS Lüke S. 561, 568 ff.) setzt die Entscheidungsreife voraus, dass das Teilurteil unabhängig vom Schlussurteil erlassen werden kann bzw. zwischen dem durch ein Teilurteil entschiedenen Teil einerseits und dem noch nicht entschiedenen Teil andererseits kein Widerspruch entstehen darf. Das bedeutet, dass es für den Erlass eines Teilurteils nicht auf solche Urteils- oder Begründungselemente ankommen darf, die auch bei der weiteren Entscheidung über den noch nicht entscheidungsreifen Teil maßgebend sein können. Eine solche Gefahr ist namentlich gegeben, wenn in einem Teilurteil aufgrund einer materiellrechtlichen Verzahnung zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über die verbleibenden Ansprüche noch einmal stellt oder stellen kann (BGH 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10 - Rn. 14, BGHZ 189, 356). Insoweit kommt es nicht nur auf das entscheidende Gericht selbst an, sondern darüber hinaus auf eine auch nur mögliche abweichende Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht (BGH 27. Oktober 1999 - VIII ZR 184/98 -). Ist eine Entscheidung über den Gegenstand des Teilurteils nur möglich, wenn bei der Rechtsanwendung Fragen beantwortet werden, die auch für den verbleibenden Teil des Rechtsstreits von entscheidungserheblicher Bedeutung sind, ist ein Teilurteil unzulässig.
- 13
-
Die notwendige Widerspruchsfreiheit bezieht sich allerdings weder auf den Tenor des Teilurteils - dieser bindet das Gericht nach § 318 ZPO ohnehin - noch auf die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen im Teilurteil, die für den weiteren Teil des Rechtsstreits von Bedeutung sind oder sein können. An die Beurteilung abstrakter Rechtsfragen in einem abgetrennten Teil des Zivilprozesses ist ein Gericht nicht gebunden; es kann sie im weiteren Verfahren auch abweichend beantworten (BAG 23. März 2005 - 4 AZR 243/04 - BAGE 114, 194; BGH 28. November 2003 - V ZR 123/03 - BGHZ 157, 133).
- 14
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2. Unter Zugrundelegung dieser Kriterien erweist sich das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts nicht als unzulässig.
- 15
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a) Das Revisionsgericht ist auch ohne eine - hier allerdings ausdrücklich erhobene - entsprechende Verfahrensrüge gehalten, die Zulässigkeit des Teilurteils zu überprüfen (nunmehr BGH 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10 - Rn. 19 ff., BGHZ 189, 356).
- 16
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b) Das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts hat den im Hauptantrag zu 2) geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Feststellung der Vergütungsverpflichtung der Beklagten nach der Lohngruppe 3 BRTV Bau verneint und sich bei der Überprüfung insgesamt mit vier verschiedenen Anspruchsgrundlagen befasst, die sämtlich auf unterschiedliche Lebenssachverhalte zurückzuführen sind und deshalb in der Sache jeweils einen eigenen Streitgegenstand bilden.
- 17
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aa) Dabei hat das Landesarbeitsgericht folgende tarifliche Bestimmungen aus dem BRTV Bau, die für das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gelten, als maßgeblich angesehen:
-
„§ 5
Lohn
1. Lohngrundlage
…
2. Grundlagen der Eingruppierung
2.1
Jeder Arbeitnehmer ist unter Beachtung des § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes nach den folgenden Grundlagen in eine der Lohngruppen 1 bis 6 einzugruppieren.
2.2
Für die Eingruppierung des Arbeitnehmers sind seine Ausbildung, seine Fertigkeiten und Kenntnisse sowie die von ihm auszuübende Tätigkeit maßgebend. Die vereinbarte Eingruppierung ist dem Arbeitnehmer innerhalb eines Monats schriftlich zu bestätigen.
2.3
Führt ein Arbeitnehmer mehrere Tätigkeiten gleichzeitig aus, die in verschiedenen Gruppen genannt sind, wird er in diejenige Gruppe eingruppiert, die seiner überwiegenden Tätigkeit entspricht.
…
3. Lohngruppen
Es werden die folgenden Lohngruppen festgelegt:
…
Lohngruppe 3 - Facharbeiter/Baugeräteführer/Berufskraftfahrer -
Tätigkeit:
-
Facharbeiten des jeweiligen Berufsbildes
Regelqualifikation:
-
baugewerbliche Stufenausbildung in der zweiten Stufe im ersten Jahr
-
baugewerbliche Stufenausbildung in der ersten Stufe und Berufserfahrung
-
anerkannte Ausbildung außerhalb der baugewerblichen Stufenausbildung
-
anerkannte Ausbildung als Maler und Lackierer, Garten- und Landschaftsbauer, Tischler jeweils mit Berufserfahrung
-
anerkannte Ausbildung, deren Berufsbild keine Anwendung für eine baugewerbliche Tätigkeit findet, und Berufserfahrung
-
Berufsausbildung zum Baugeräteführer
-
Prüfung als Berufskraftfahrer
-
durch längere Berufserfahrung erworbene gleichwertige Fertigkeiten
Tätigkeitsbeispiele:
keine“
- 18
-
Weiter hat der Kläger seinen Klageanspruch auf die Überleitungsbestimmungen im TV-Lohnstrukturen gestützt, die ua. den folgenden Wortlaut haben:
-
„§ 2
Übergang in die neuen Lohngruppen
(1) Zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe vom 4. Juli 2002 gehen die gewerblichen Arbeitnehmer wie folgt in die neuen Lohngruppen über:
1.
Berufsgruppen I bis VIII
1.1
Berufsgruppe I
in die Lohngruppe 6
…
…
…
1.8
Berufsgruppe VIII
in die Lohngruppe 1
2.
Berufsgruppen M I bis M VI
2.1
Berufsgruppe M I
in die Lohngruppe 6
…
…
…
2.4
Berufsgruppe M IV
in die Lohngruppe 3
(M IV 1 - M IV 3)
2.5
Berufsgruppe M V
in die Lohngruppe 2
(M V 1 - M V 4)
2.6
Berufsgruppe M VI
in die Lohngruppe 1
(2) …
§ 3
Lohnanspruch nach Übergang
(1) Ist der sich nach dem Übergang in die neue Lohnstruktur ergebende neue Gesamttarifstundenlohn niedriger als der bisherige Gesamttarifstundenlohn des gewerblichen Arbeitnehmers, so behält der Arbeitnehmer auch nach In-Kraft-Treten der neuen Lohnstruktur den Anspruch auf seinen bisherigen Gesamttarifstundenlohn (Besitzstandsregelung). Dieser nimmt an zukünftigen tariflichen Lohnerhöhungen teil. …
§ 4
Inkrafttreten
Dieser Tarifvertrag tritt am 1. September 2002 in Kraft und kann mit einer Frist von sechs Monaten jeweils zum 31. Dezember, erstmals zum 31. Dezember 2006, gekündigt werden.“
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bb) Über die weiteren Anträge des Klägers, den Hilfsantrag auf Feststellung der Vergütungsverpflichtung nach Lohngruppe 2a TV-Lohn West aufgrund der Überleitung aus der alten Berufsgruppe M V BRTV Bau aF und aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes sowie über den unbedingt gestellten bezifferten Zahlungsantrag zu 1), dessen Berechnung sich auf die Differenz zwischen dem gezahlten Lohn und der begehrten Lohngruppe 3 BRTV Bau bezieht, hat das Landesarbeitsgericht keine Entscheidung getroffen.
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cc) Bei der Anwendung der oa. tariflichen Bestimmungen auf den vom Kläger mit seinem Hauptantrag zu 2) zur Entscheidung gestellten Sachverhalt hat das Landesarbeitsgericht keine entscheidungserhebliche Frage beantwortet, die sich bei der Entscheidung über den Zahlungsantrag zu 1) und den Hilfsantrag zu 3) erneut stellen würde.
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(1) Zur Begründung seines Hauptantrags zu 2) hat sich der Kläger auf vier verschiedene Anspruchsgrundlagen gestützt.
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(a) Zum einen hat er die Auffassung vertreten, er erfülle die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals des dritten Spiegelstrichs von Lohngruppe 3 BRTV Bau. Er sei im Jahre 1999 als Schlosser eingestellt worden und zunächst auch tätig gewesen. Die Beklagte dürfe ihn nicht vertragswidrig beschäftigen und sich dann bei der Eingruppierung auf diese vertragswidrige Beschäftigung berufen. Seiner vertraglich geschuldeten Tätigkeit als Schlosser liege eine anerkannte Ausbildung außerhalb der baugewerblichen Stufenausbildung zugrunde.
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(b) Zum anderen sei er auch in die Lohngruppe 3 letzter Spiegelstrich BRTV Bau einzugruppieren, wenn man seine tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als Kraftfahrer zugrunde lege, da er über die einem Berufskraftfahrer gleichwertigen Fertigkeiten verfüge.
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(c) Weiterhin ergebe sich seine Eingruppierung in die Lohngruppe 3 BRTV Bau aus den anlässlich der grundlegenden Neustrukturierung des BRTV Bau im Jahre 2002 vereinbarten Überleitungsregelungen des TV-Lohnstrukturen, die nach wie vor in Kraft seien. Es spiele keine Rolle, dass er erst zu einem späteren Zeitpunkt Gewerkschaftsmitglied geworden sei. Er sei früher als Baugeräteführer iSv. Berufsgruppe M IV 1 BRTV Bau aF tätig gewesen; daraus ergebe sich nach dem TV-Lohnstrukturen eine Überleitung in die Lohngruppe 3 BRTV Bau.
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(d) Schließlich müsse man zumindest seine frühere Tätigkeit als Kraftfahrer zugrunde legen, die entsprechend der Berufsgruppe M IV 2 BRTV Bau aF nach dem TV-Lohnstrukturen zu einer Eingruppierung in die Lohngruppe 3 BRTV Bau führe.
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(2) Das Landesarbeitsgericht hat die Abweisung des Feststellungsantrags zu 2) auf die Nichterfüllung der Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale des BRTV Bau und auf die Unanwendbarkeit des TV-Lohnstrukturen gestützt.
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(a) Da der Kläger schon seit März 2006 überwiegend als Kraftfahrer eingesetzt worden und seit Januar 2009 überhaupt nicht mehr in der Werkstatt tätig gewesen sei, könne er sich auf seine frühere Tätigkeit als Schlosser nicht berufen. Es habe keine vertragliche Abrede des Inhalts gegeben, nach der er ausschließlich oder hauptsächlich als Schlosser in der Werkstatt hätte tätig werden sollen. Zumindest über die Arbeit als Kraftfahrer hätten die Parteien stillschweigend eine vertragliche Vereinbarung getroffen.
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(b) Als Kraftfahrer erfülle er die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der Lohngruppe 3 letzter Spiegelstrich BRTV Bau nicht. Er sei kein geprüfter Berufskraftfahrer und verfüge auch nicht über durch längere Berufserfahrung erworbene gleichwertige Fertigkeiten. Hierfür mangele es unter anderem an Kenntnissen der Tank- und Siloreinigung, der Nahrungsmittel- und Gefahrguttransporte sowie der Personenbeförderung mit Kraftomnibussen.
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(c) Auf eine Überleitung in die Lohngruppe 3 BRTV Bau aus dem bis 2002 geltenden System des BRTV Bau 2001 nach dem TV-Lohnstrukturen könne sich der Kläger schon deshalb nicht berufen, weil der TV-Lohnstrukturen nicht auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar sei. Dieser Überleitungstarifvertrag habe lediglich zum damaligen Zeitpunkt die Überleitung in das neue Tarifsystem geregelt. Damals sei das alte Tarifsystem aber nicht maßgebend für das Arbeitsverhältnis gewesen, weil der Kläger erst im Jahre 2009 in die Gewerkschaft eingetreten sei. Damit könne keine von den zu diesem Zeitpunkt geltenden Eingruppierungsregelungen im BRTV Bau (neu) unabhängige Eingruppierung begründet werden.
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(3) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Hauptantrag zu 2) enthält damit keine Begründungselemente, die für die Entscheidung über den verbleibenden Teil des Rechtsstreits, den Hauptantrag zu 1) und den Hilfsantrag zu 3) von Bedeutung sein können und das Berufungsgericht nicht über § 318 ZPO sowieso schon binden.
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(a) Der Tenor des Teilurteils ist nach § 318 ZPO im weiteren Rechtsstreit verbindlich zugrunde zu legen. Hinsichtlich des Hilfsantrags hat dies keinerlei Auswirkungen, da dieser auf die Feststellung der Vergütungsverpflichtung nach Lohngruppe 2a TV-Lohn West gerichtet ist. Soweit der Hauptantrag zu 1) auf Zahlung gerichtet ist, entfaltet die getroffene Feststellung Bindungswirkung dahin gehend, dass einem etwaigen Restvergütungsanspruch des Klägers jedenfalls nicht die Eingruppierung in die Lohngruppe 3 BRTV Bau zugrunde gelegt werden kann. Das hat zwar unmittelbare Auswirkungen auf die Entscheidung über den Zahlungsantrag. Dies betrifft aber nicht das Gebot der Widerspruchsfreiheit zwischen Teil- und Schlussurteil, da es hier nicht um ein Begründungselement des Teilurteils geht, sondern um den Tenor selbst, an den das Berufungsgericht nach Maßgabe des § 318 ZPO ohnehin gebunden ist.
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(b) Bei der Widerspruchsfreiheit des entschiedenen Teils zum verbleibenden Teil der Entscheidung über den Hilfsantrag des Klägers auf Feststellung der Lohngruppe 2a TV-Lohn West ist zu differenzieren.
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(aa) Dieser Hilfsantrag bezieht sich nach der Begründung des Landesarbeitsgerichts ausschließlich auf die Frage, ob ein Verstoß der Beklagten gegen das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot vorliegt, indem die Beklagte andere bei ihr beschäftigte Kraftfahrer aufgrund eines generalisierenden Prinzips bewusst übertariflich nach der Lohngruppe 2a TV-Lohn West vergütet. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht zu Recht einen Einfluss der Begründungselemente seines Teilurteils auf diese Folgeentscheidung verneint. Denn dabei handelt es sich um einen Sachverhalt, dessen rechtliche Bewertung von der Eingruppierung des Klägers in die Lohngruppe 3 BRTV Bau - sei es originär, sei es aufgrund des TV-Lohnstrukturen - unabhängig ist.
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(bb) Das Landesarbeitsgericht hat zwar im Weiteren übersehen, dass der Kläger eine Eingruppierung in die Lohngruppe 2a TV-Lohn West auch auf eine tarifliche Überleitungsregelung stützt. Diese ist aber nicht Inhalt des vom Landesarbeitsgericht behandelten und für unanwendbar gehaltenen TV-Lohnstrukturen, sondern des TV-Lohn West. Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien sollte mit dieser „Sonderlohngruppe 2a“ in einem besondern Teil des Tarifgebiets für bestimmte Arbeitnehmer der 2002 neu geschaffenen Lohngruppe 2 eine neue Lohngruppe mit einer höheren Vergütung gebildet werden (vgl. dazu BAG 28. September 2005 - 10 AZR 593/04 -). Die Kriterien für die Überleitung aus dem bisherigen Berufsgruppensystem in die Sonderlohngruppe 2a sind in § 2 Abs. 7 Satz 2 TV-Lohn West(jetzt § 2 Abs. 6 Satz 2 TV-Lohn West idF vom 23. Mai 2009) geregelt worden.
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Mit dem TV-Lohn West und den Voraussetzungen für die Überleitung in die Sonderlohngruppe 2a befasst sich das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts jedoch nicht, sondern lediglich mit dem für den Hilfsantrag danach unbeachtlichen Überleitungsbestimmungen des TV-Lohnstrukturen. Deshalb ist ein möglicher Widerspruch der noch offenen Entscheidung über den Hilfsantrag zu einem Begründungselement des Teilurteils nicht ersichtlich.
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II. Die Revision ist in der Sache unbegründet. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts weist keine revisiblen Rechtsfehler auf. Der Kläger hat keinen Anspruch auf ein Entgelt nach der Lohngruppe 3 BRTV Bau.
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1. Der Kläger ist nicht als Schlosser nach dem Tätigkeitsmerkmal dritter Spiegelstrich der Lohngruppe 3 BRTV Bau zu vergüten.
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a) Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, für die Eingruppierung des Klägers komme es nicht auf seine frühere Tätigkeit als Schlosser an, da er schon seit März 2006 überwiegend als Kraftfahrer eingesetzt worden und seit Januar 2009 überhaupt nicht mehr in der Werkstatt tätig gewesen sei. Zumindest über den überwiegenden Einsatz als Kraftfahrer hätten die Parteien stillschweigend eine vertragliche Vereinbarung getroffen. Dieser habe niemals geltend gemacht, dass sein Einsatz als Kraftfahrer vertragswidrig sei. Deshalb sei die Zuweisung von Tätigkeiten als Kraftfahrer, die der Kläger ab März 2006 überwiegend ausgeübt habe, auch zulässig gewesen.
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b) Diese Begründung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Der Kläger hat nicht dargetan, dass sein überwiegender Einsatz als Kraftfahrer nicht vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt gewesen ist. Er hat lediglich vorgetragen, die zur ursprünglich vereinbarten Tätigkeit als Schlosser „hinzutretende zusätzliche Tätigkeit als Kraftfahrer (sei) jedenfalls nicht ausschließlich Inhalt des vorliegenden Arbeitsvertragsverhältnisses geworden“. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht aber auch nicht ausgegangen. Wie der Kläger selbst hat es lediglich dessen Einsatz als Kraftfahrer als vertragsgemäß angesehen, auch wenn dieser nicht ausschließlich Inhalt des Arbeitsvertrags sei. Insofern reicht aber schon die vertragsgemäße überwiegende Tätigkeit des Klägers als Kraftfahrer, auf die selbst bei mehreren Tätigkeiten unterschiedlicher Bewertung nach § 5 Nr. 2.3 BRTV Bau abzustellen ist, um eine etwaige frühere Schlossertätigkeit geringen Umfangs für die Eingruppierung nicht heranzuziehen.
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2. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht entschieden, dass der Kläger als nicht geprüfter Kraftfahrer, der auch nicht über durch längere Berufserfahrung erworbene gleichwertige Fertigkeiten eines Berufskraftfahrers verfüge, kein Berufskraftfahrer iSd. Lohngruppe 3 BRTV Bau ist. Ihm fehlten unter anderem die erforderlichen Kenntnisse in der Tank- und Siloreinigung, für die Nahrungsmittel- und Gefahrguttransporte sowie der Personenbeförderung mit Kraftomnibussen.
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Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision sind erfolglos. Soweit der Kläger geltend macht, dass lediglich diejenigen Ausbildungsinhalte „gleichwertig“ erworben sein müssten, die in einem Betrieb des Baugewerbes - allgemein oder gar dem konkreten Beschäftigungsbetrieb - abverlangt werden könnten, ist dies unzutreffend. Das Landesarbeitsgericht ist bei seinen Erwägungen zutreffend von der Voraussetzung ausgegangen, dass die Formulierung im letzten Spiegelstrich der Aufzählung der Regelqualifikationen in der Lohngruppe 3 BRTV Bau („durch längere Berufserfahrung erworbene gleichwertige Fertigkeiten“) sich auf alle davor, also in den Spiegelstrichen 1 bis 7 genannten beruflichen Qualifikationsanforderungen bezieht. Bereits aus dem Wortlaut der Tarifnorm ergibt sich damit, dass die erworbenen Fertigkeiten der jeweils genannten formalen Regelqualifikation „gleichwertig“ sein müssen. Diese Gleichwertigkeit bezieht sich auf die in der Ausbildung vermittelten Inhalte (zB für die der baugewerblichen Stufenausbildung - zweiter Spiegelstrich - entsprechenden Fertigkeiten BAG 14. November 2007 - 4 AZR 863/06 - BAGE 125, 57).
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3. Das Landesarbeitsgericht hat weiter zu Recht angenommen, dass die Überleitungsvorschriften des TV-Lohnstrukturen die zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens 2002 bestehenden Eingruppierungen und Vergütungen in die neuen Lohnstrukturen gem. § 5 BRTV Bau überleiten sollten, auf nach dem Überleitungszeitpunkt begründete oder der Tarifgebundenheit unterworfene Arbeitsverhältnisse nicht anwendbar sind.
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Der Hinweis der Revision, der Kläger könne sich als Gewerkschaftsmitglied gegenüber der tarifgebundenen Beklagten auf den TV-Lohnstrukturen berufen, soweit die sonstigen Voraussetzungen der jeweiligen Vergütungsgruppe gegeben seien, weil der TV-Lohnstrukturen nach wie vor gelte, geht fehl.
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Der TV-Lohnstrukturen befasste sich zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens im Jahre 2002 mit der Überleitung der nach dem BRTV Bau aF eingruppierten Arbeitnehmer. Zu diesen gehörte der Kläger nicht. Sein Arbeitsverhältnis unterlag zu diesem Zeitpunkt nicht dem BRTV Bau aF. Er war nicht nach diesem Tarifvertrag eingruppiert. Er wurde deshalb von dem Überleitungstarifvertrag nicht erfasst. Es bedurfte für ihn keiner Überleitung. Die Eingruppierung derjenigen Arbeitsverhältnisse, die erst nach dem Inkrafttreten der Neuregelungen des BRTV Bau im Jahre 2002 diesem erstmals unterfielen, erfolgt allein nach dem BRTV Bau in seiner ab 2002 geltenden Fassung, unabhängig davon, ob diese erstmalige Geltung des BRTV Bau auf einer Neueinstellung oder einer erst in diesem Zeitraum entstandenen Tarifgebundenheit beruhte. So hätte auch ein Arbeitgeber, der zB im Jahre 2005 dem tarifschließenden Arbeitgeberverband beitrat, eine Eingruppierung allein nach Maßgabe des BRTV Bau durchführen und keine - gleichsam rückwirkende - Eingruppierung nach den alten Regelungen des BRTV Bau aF nebst anschließender fiktiver Überleitung nach dem TV-Lohnstrukturen vornehmen müssen. Der Kläger hat niemals einer „Berufsgruppe“ des alten BRTV Bau angehört, so dass die Überleitungsregelungen für ihn nicht gelten.
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III. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
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Eylert
Treber
Creutzfeldt
Kiefer
Fritz
Tenor
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1. Die Revision des Klägers gegen das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 19. März 2010 - 9 Sa 1138/09 - wird zurückgewiesen.
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2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des vom Kläger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärten Rücktritts von einem noch mit der Schuldnerin geschlossenen Aufhebungsvertrag.
-
Der Kläger war seit dem 2. Januar 1995 bei der Schuldnerin bzw. deren Rechtsvorgängern beschäftigt. Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 1. März 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1. zum Insolvenzverwalter bestellt. Bereits am 5. August 2008 hatten die Schuldnerin und der Kläger einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Danach sollte das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. März 2009 enden. § 5 des Aufhebungsvertrags lautet:
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„§ 5
Abfindung
Wegen Verlustes des Arbeitsplatzes erhält der Arbeitnehmer eine soziale Abfindung iHv. 23.900,- (dreiundzwanzigtausendneunhundert) Euro brutto. …
Der Abfindungsanspruch entsteht zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 1 und ist mit der letzten Entgeltzahlung zur Zahlung fällig.“
- 3
-
Dieser Aufhebungsvertrag wurde im Rahmen eines Personalabbaus der Schuldnerin geschlossen. Ein am 31. August 2007 vereinbarter Sozialplan sah vor, dass bis zu 50 Arbeitnehmer von einem Angebot der Schuldnerin für ein freiwilliges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu festgelegten Bedingungen Gebrauch machen konnten. Neben dem Kläger schlossen noch neun andere Arbeitnehmer über 50 Jahren zu diesen Konditionen Aufhebungsverträge ab.
- 4
-
Der Beklagte zu 1. zahlte die Abfindung am 31. März 2009 nicht an den Kläger aus. Der Kläger forderte ihn mit Schreiben vom 1. April 2009 unter Fristsetzung bis zum 8. April 2009 zur Zahlung auf und kündigte für den Fall der Nichterfüllung seinen Rücktritt von dem Aufhebungsvertrag an. Mit Schreiben vom 8. April 2009, das dem Beklagten zu 1. am 9. April 2009 zuging, trat der Kläger vom Aufhebungsvertrag zurück und bot seine Arbeitskraft an. Die im Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindung meldete er gleichwohl zur Insolvenztabelle an. Der Abfindungsanspruch des Klägers wurde als Insolvenzforderung festgestellt.
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Mit seiner am 20. April 2009 rechtshängig gewordenen, zunächst ausschließlich gegen den Beklagten zu 1. gerichteten Klage begehrt der Kläger - soweit für die Revision noch von Relevanz - die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag nicht beendet worden ist, hilfsweise seine Wiedereinstellung. Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Kläger die Klage gegen die Beklagte zu 2. als Betriebserwerberin erweitert. Ausweislich des Protokolls des Arbeitsgerichts ist im Kammertermin nur der gegen den Beklagten zu 1. gerichtete Antrag gestellt worden. Der in erster Instanz unterlegene Kläger hat Berufung gegen beide Beklagten eingelegt und seine erstinstanzlich mit der Klagerweiterung angekündigten Anträge weiterverfolgt. Im Berufungsverfahren hat er die Klage wegen eines zwischenzeitlich erfolgten Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 3. erweitert mit dem Ziel der Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 1. Januar 2010 von der Beklagten zu 2. auf die Beklagte zu 3. übergegangen ist. Vor dem Landesarbeitsgericht hat er im dortigen Termin zur mündlichen Verhandlung hilfsweise einen Wiedereinstellungsantrag gestellt.
- 6
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Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe nicht zum Verlust seines gesetzlichen Rücktrittsrechts geführt.
-
Der Kläger hat zuletzt - soweit für die Revision noch von Bedeutung - beantragt,
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festzustellen, dass das zwischen dem Kläger und der GmbH begründete Arbeitsverhältnis, das seit Insolvenzeröffnung am 1. März 2009 mit dem Beklagten zu 1. bestanden hat, durch die Aufhebungsvereinbarung vom 5. August 2008 nicht zum 31. März 2009 beendet worden ist;
hilfsweise, den Beklagten zu 1. zu verurteilen, das Angebot des Klägers, ihn mit Wirkung vom 1. April 2009 unter Anerkennung der bisherigen Betriebszugehörigkeit wieder einzustellen, anzunehmen.
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Die Beklagten zu 1. bis 3. haben im Umfang ihrer jeweiligen Beteiligung beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte zu 1. hat geltend gemacht, das insolvenzrechtliche Leistungsstörungsrecht sei gegenüber dem des Bürgerlichen Gesetzbuchs eigenständig. Das Rücktrittsrecht des § 323 BGB werde durch die Insolvenz blockiert. Die Beklagten zu 2. und zu 3. haben die Auffassung vertreten, als einfache Insolvenzforderung sei die Abfindungsforderung im Zeitpunkt der Ausübung des Rücktritts nicht mehr durchsetzbar gewesen. Ohnehin sei § 323 BGB nicht anwendbar, weil die Auflösung des Arbeitsverhältnisses und der Anspruch auf Abfindungszahlung nicht synallagmatisch verknüpft seien. Darüber hinaus hätten die Parteien im Aufhebungsvertrag konkludent ein etwaig dem Kläger zustehendes Rücktrittsrecht abbedungen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat durch Teilurteil die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen, soweit dieses die Klage gegen den Beklagten zu 1. abgewiesen hatte, sowie den Hilfsantrag abgewiesen.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Kläger am 8. April 2009 nicht wirksam von dem am 5. August 2008 geschlossenen Aufhebungsvertrag zurückgetreten ist und nach wie vor an diesen Vertrag gebunden ist. Es hat deshalb rechtsfehlerfrei die Klage gegen den Beklagten zu 1. abgewiesen.
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I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht durch Teilurteil über die Berufung gegen den Beklagten zu 1. erkannt. Dies ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Gleichwohl kann der Senat in der Sache entscheiden.
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1. Das Landesarbeitsgericht hat tatsächlich nur über einen Teil des bei ihm zur Entscheidung angefallenen Berufungsrechtsstreits entschieden. Es liegt kein (unerkanntes) Endurteil vor. Zwar hat das Arbeitsgericht im Kammertermin den Kläger nur den Antrag gegen den Beklagten zu 1. stellen lassen. Es kann dahinstehen, ob der Antrag gegen die Beklagte zu 2. jedenfalls konkludent gestellt worden ist (zur Zulässigkeit einer solchen konkludenten Antragstellung: BAG 4. Dezember 2002 - 5 AZR 556/01 - zu I 2 b cc (2) der Gründe, BAGE 104, 86; offengelassen BAG 18. Mai 2004 - 9 AZR 319/03 - zu A III 1 der Gründe, BAGE 110, 356). In jedem Fall ist der Antrag gegen die Beklagte zu 2. durch Parteierweiterung in der Berufungsinstanz (wieder) eingeführt worden. Der Kläger hat ausdrücklich Berufung auch gegen die Beklagte zu 2. eingelegt, den Antrag gegen diese für die zweite Instanz angekündigt, ihn im Verlauf des Berufungsverfahrens modifiziert sowie auf die Beklagte zu 3. erweitert und diese Anträge zu Protokoll des Landesarbeitsgerichts gestellt. Sie waren damit als neuer Antrag zu werten (vgl. RG 23. Dezember 1904 - VII 281/04 - RGZ 59, 397, 399).
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Hätte das Landesarbeitsgericht diese Rechtslage erkannt, hätte es die Berufung des Klägers gegen die Beklagte zu 2. als Parteierweiterung werten und diese zulassen müssen. Eine Parteierweiterung auf der Beklagtenseite ist zulässig, wenn der neue Beklagte zustimmt oder die Zustimmung rechtsmissbräuchlich verweigert (BGH 4. Oktober 1985 - V ZR 136/84 - zu 1 der Gründe, MDR 1986, 304). Hier haben die Beklagten zu 2. und zu 3. zur Sache verhandelt und Sachanträge gestellt. Sie haben dadurch zumindest konkludent ihre Zustimmung zur Parteierweiterung erteilt. Der Umstand, dass das Landesarbeitsgericht die Parteierweiterung nicht ausdrücklich geprüft und zugelassen hat, erfordert keine Zurückverweisung an das Berufungsgericht. Das wäre eine bloße Förmelei (vgl. BGH 23. November 1964 - II ZR 200/62 - zu I der Gründe, MDR 1965, 193).
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2. Die prozessualen Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils lagen nicht vor. Bei einer einfachen Streitgenossenschaft wie der hier vorliegenden ist der Erlass eines Teilurteils grundsätzlich zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 301 Abs. 1 ZPO vorliegen(BAG 20. November 2003 - 8 AZR 580/02 - zu II 1 der Gründe mwN, NZA 2004, 489). Das Landesarbeitsgericht hat nicht beachtet, dass nach seiner eigenen Rechtsauffassung diese Voraussetzungen nicht vorlagen. Der Rechtsstreit war insgesamt zur Entscheidung reif.
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a) Zwar hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, dass keine Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen, auch durch das Rechtsmittelgericht, bestand. Die Rechtskraft eines gegen den früheren Arbeitgeber ergehenden Urteils wirkt in entsprechender Anwendung der §§ 265, 325 Abs. 1 ZPO für und gegen den neuen Arbeitgeber, wenn der Betriebsübergang nach Rechtshängigkeit erfolgt(BAG 18. Mai 2010 - 1 AZR 864/08 - Rn. 17 mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 102). Das ist hier der Fall. Der Betriebsübergang zunächst auf die Beklagte zu 2. und von dieser auf die Beklagte zu 3. ist unstreitig. Der Betriebsübergang vom Beklagten zu 1. auf die Beklagte zu 2. ist am 22. April 2009 und damit zwei Tage nach Rechtshängigkeit des Rechtsstreits erfolgt. Deshalb besteht keine Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen gegenüber dem Beklagten zu 1. einerseits und den Beklagten zu 2. und zu 3. andererseits.
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b) Das Landesarbeitsgericht ist jedoch zu Unrecht von der Entscheidungsreife nur gegenüber dem Beklagten zu 1. und der fehlenden Entscheidungsreife gegenüber den Beklagten zu 2. und zu 3. ausgegangen. Es hat die Entscheidungsreife gegenüber Letzteren verneint, weil es angenommen hat, wenn es dem Antrag auf Wiedereinstellung stattgebe, gelte nach § 894 ZPO ein neuer Arbeitsvertrag noch nicht als zustande gekommen, solange das Urteil (noch) nicht rechtskräftig sei. Es hat bei dieser Argumentation nicht berücksichtigt, dass es den Hilfsantrag aus Gründen des Insolvenzrechts als unbegründet angesehen, ihm also gerade nicht stattgegeben hat. Nach seinem eigenen Rechtsstandpunkt (zur Maßgeblichkeit dieses Standpunkts für die Beurteilung der Entscheidungsreife: BFH 30. November 1993 - IX R 92/91 - BFHE 173, 204) war die Klage also insgesamt unbegründet und daher im Sinne einer Klageabweisung auch gegenüber den Beklagten zu 2. und zu 3. zur Entscheidung reif.
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3. Die Unzulässigkeit eines in den Vorinstanzen verkündeten Teilurteils ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen (§ 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Dies führt hier jedoch nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits.
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a) Die Zulässigkeit eines in den Vorinstanzen verkündeten Teilurteils ist auch ohne Verfahrensrüge durch das Revisionsgericht zu überprüfen. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 301 ZPO und damit die Frage, ob ein Teilurteil ergehen darf oder nicht, unterliegen nicht der Dispositionsbefugnis der Parteien(BGH 17. Februar 1999 - X ZR 101/97 - zu I 2 der Gründe, MDR 1999, 1379; 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98 - zu II der Gründe, NJW 1999, 1035; vgl. auch bereits BAG 21. März 1978 - 1 AZR 11/76 - zu I der Gründe, BAGE 30, 189). Ein unzulässiges Teilurteil findet im Prozessrecht keine Grundlage und ist daher grundsätzlich von Amts wegen aufzuheben. Nur hierdurch wird im Allgemeinen sichergestellt, dass das weitere Verfahren nicht auf einer als unrichtig erkannten Grundlage aufbaut, im weiteren Verfahren der erkannte Verfahrensfehler nicht vertieft wird und das Urteil nicht dazu führt, dass die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen aufrecht erhalten bleibt (BGH 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10 - Rn. 19 ff., NJW 2011, 2736 unter Aufgabe der Entscheidungen des Achten Senats vom 6. März 1996 - VIII ZR 212/94 - NJW 1996, 2165 und 17. Mai 2000 - VIII ZR 216/99 - NJW 2000, 3007; 13. Juli 2011 - VIII ZR 342/09 - Rn. 31 f., NJW 2011, 2800).
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b) Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist jedoch geboten, wenn wie hier bei Aufrechterhaltung des Teilurteils weder die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen besteht noch der Verfahrensfehler weiter vertieft wird. § 301 ZPO ermöglicht es dem Gericht, zur Vereinfachung der Entscheidung und Beschleunigung der Durchsetzung der Rechte der obsiegenden Partei über den entscheidungsreifen Teil des Rechtsstreits vorab zu entscheiden(MünchKommZPO/Musielak 3. Aufl. § 301 Rn. 1 unter Bezug auf die Begründung des Entwurfs zur ZPO; Zöller/Vollkommer ZPO 27. Aufl. § 301 Rn. 1; Klose MDR 2007, 1351, 1354). Die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht unter Aufhebung des Teilurteils, damit es unter Bindung an die Auffassung des Revisionsgerichts über den gesamten Rechtsstreit entscheidet, führte zu einer Verzögerung der endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits. In der hier vorliegenden Konstellation widerspräche eine solche Verzögerung dem Gebot eines prozessökonomischen Verfahrens, dem arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz und dem Normzweck des § 301 ZPO(vgl. BAG 21. März 1978 - 1 AZR 11/76 - zu I der Gründe, BAGE 30, 189). Dies gilt umso mehr, als bei Bestand des Teilurteils das Landesarbeitsgericht im weiteren Verfahren an den Urteilsausspruch gebunden ist (§ 318 ZPO).
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II. Der Umstand, dass der Kläger bereits am 5. August 2008 der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. März 2009 zugestimmt hat und die Schuldnerin nach § 5 des Aufhebungsvertrags die Abfindung erst mit der Vergütung des Klägers für März 2009 zu zahlen hatte, berührt die Rechtswirksamkeit der Aufhebungsvereinbarung nicht. Die Regelung in § 5 des Aufhebungsvertrags, wonach der Abfindungsanspruch erst über sechs Monate nach dem Abschluss des Aufhebungsvertrags vom 5. August 2008 entsteht und mit der Vergütung des Klägers für März 2009 fällig ist, führte zwar dazu, dass der Kläger die Annahme des Aufhebungsangebots der Schuldnerin als Vorleistung zu erbringen hatte. Das verstieß jedoch weder gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB noch gegen die guten Sitten(§ 138 Abs. 1 BGB) noch benachteiligte die Vorleistungspflicht den Kläger unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Vereinbarung einer Vorleistung des Arbeitnehmers bei Abschluss eines außergerichtlichen Aufhebungsvertrags durch die Festlegung von Entstehen und Fälligkeit der Abfindung auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weicht nicht für den Arbeitnehmer nachteilig vom Leitbild eines Aufhebungsvertrags, durch den der Arbeitnehmer gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ab (vgl. Roth Anm. EWiR 2010, 449, 450). Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses stand der Kläger wirtschaftlich so, wie er ohne den Abschluss des Aufhebungsvertrags gestanden hätte. Dieser wirtschaftlichen Situation hätte es nicht entsprochen, wenn die Schuldnerin durch die Zahlung der Abfindung vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Vorleistung getreten wäre. Nach ganz überwiegender Ansicht in der Rechtsprechung und im Schrifttum kann eine vertraglich vereinbarte Abfindung auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig gestellt werden (vgl. Bauer Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge 8. Aufl. IV Rn. 341 und für den Prozessvergleich BAG 15. Juli 2004 - 2 AZR 630/03 - zu B II 2 g der Gründe mwN, BAGE 111, 240). Hinzu kommt, dass nach der Regelung in § 5 des Aufhebungsvertrags kein Anspruch des Klägers auf die Abfindung entstanden wäre, wenn das Arbeitsverhältnis aus einem anderen als dem in § 1 des Aufhebungsvertrags genannten Grund vor dem oder am 31. März 2009 geendet hätte. Ein Aufhebungsvertrag steht regelmäßig unter der aufschiebenden Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis bis zu dem vereinbarten Auflösungszeitpunkt fortgesetzt wird (BAG 5. April 2001 - 2 AZR 217/00 - zu II 3 b der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 34 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 29. Januar 1997 - 2 AZR 292/96 - BAGE 85, 114). Löst später zB eine außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis vor dem im Aufhebungsvertrag vorgesehenen Zeitpunkt auf, wird der Aufhebungsvertrag einschließlich einer darin vereinbarten Abfindungszahlung gegenstandslos (DFL/Fischermeier 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 32).
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III. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht erkannt, dass der Kläger nicht wirksam von dem am 5. August 2008 geschlossenen Aufhebungsvertrag zurückgetreten ist. Das folgt allerdings entgegen der Ansicht des Beklagten zu 1. und des Landesarbeitsgerichts weder aus einer unmittelbaren noch einer analogen Anwendung des § 103 InsO oder des § 105 Satz 2 InsO, sondern daraus, dass der Umstand, dass der Abfindungsanspruch des Klägers durch die Insolvenzeröffnung zu einer Insolvenzforderung geworden ist, kein Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB begründet. Darum bedarf die Frage keiner Entscheidung, ob gemäß der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und eines Teils des Schrifttums ein bei Ausübung des Rücktrittsrechts bereits beendetes Arbeitsverhältnis im Wege der Rückabwicklung des Aufhebungsvertrags neu begründet werden muss (vgl. LAG Niedersachsen 15. Dezember 2010 - 2 Sa 742/10 - Rn. 60, LAGE BGB 2002 § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 9; ArbG Siegburg 9. Februar 2010 - 5 Ca 2017/09 - ZIP 2010, 1101, 1102; Besgen/Velten NZA-RR 2010, 561, 562 f.; Roth Anm. EWiR 2010, 449, 450) oder ob bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 323 Abs. 1 BGB Rechtsfolge des Rücktritts von einem Aufhebungsvertrag der rückwirkende Wegfall dieses Vertrags ist (Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 122 Rn. 37; Moll/Bengelsdorf MAH Arbeitsrecht § 46 Rn. 348; Bauer NZA 2002, 169, 171; ders. Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge 8. Aufl. I Rn. 164; KR/Spilger 9. Aufl. AufhebungsV Rn. 26).
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1. Dem Kläger ist einzuräumen, dass ein Arbeitnehmer entgegen der Auffassung der Beklagten grundsätzlich von einer Aufhebungsvereinbarung gemäß § 323 Abs. 1 BGB wegen Nichtleistung zurücktreten kann, wenn sein Arbeitgeber die im Aufhebungsvertrag für den Verlust des Arbeitsplatzes zugesagte Abfindung nicht zahlt(ErfK/Müller-Glöge 12. Aufl. § 620 BGB Rn. 15; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 122 Rn. 37; HWK/Kliemt 4. Aufl. Anh. § 9 KSchG Rn. 30; MünchKommBGB/Hesse 5. Aufl. Vor § 620 BGB Rn. 33; Moll/Bengelsdorf MAH Arbeitsrecht § 46 Rn. 348; Preis/Rolfs Der Arbeitsvertrag 4. Aufl. II A 100 Rn. 33; Besgen/Velten NZA-RR 2010, 561, 562; Lingemann/Groneberg NJW 2010, 3496, 3497; Bauer NZA 2002, 169, 170 f.; vgl. zum Rücktrittsrecht des Arbeitnehmers nach § 326 BGB aF auch LAG Köln 5. Januar 1996 - 4 Sa 909/94 - BB 1996, 907 und Bauer/Haußmann BB 1996, 901; aA v. Puttkamer Anm. BB 1996, 1440, der einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung als Vergleich im Sinne von § 779 BGB einordnet). Der außergerichtliche Aufhebungsvertrag, mit dem das Arbeitsverhältnis gegen die Zahlung einer Abfindung beendet wird, ist ein gegenseitiger Vertrag im Sinne von § 323 BGB. Die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht grundsätzlich im Gegenseitigkeitsverhältnis zu der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der zugesagten Abfindung. Diese ist bei einem außergerichtlichen, auf Initiative des Arbeitgebers zustande gekommenen Aufhebungsvertrag die Gegenleistung des Arbeitgebers für die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (st. Rspr. seit BAG 25. Juni 1987 - 2 AZR 504/86 - zu II 4 der Gründe, EzA KSchG 1969 § 9 nF Nr. 23; vgl. auch 26. August 1997 - 9 AZR 227/96 - zu 3 der Gründe, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 8 = EzA BGB § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 29; 26. September 2001 - 4 AZR 497/00 - zu I 2 b der Gründe, EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 51; aA v. Puttkamer Anm. BB 1996, 1440). Die von den Beklagten zu 2. und zu 3. angeführte Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, wie sie im Urteil vom 16. Oktober 1969 (- 2 AZR 373/68 - AP ZPO § 794 Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Nr. 15) Niederschlag gefunden hatte, wonach die Gegenseitigkeit zweifelhaft sei, ist mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Juni 1987 (- 2 AZR 504/86 - EzA KSchG 1969 § 9 nF Nr. 23) ausdrücklich aufgegeben worden.
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2. Allerdings ist § 323 BGB dispositiv, so dass die Regelungen dieser Vorschrift grundsätzlich durch Individualvereinbarungen in jeder Hinsicht abgeändert oder abbedungen werden können(MünchKommBGB/Ernst 5. Aufl. § 323 Rn. 266; Bamberger/Roth/Grohe BGB 2. Aufl. Bd. 1 § 323 Rn. 3). Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, dass die Vertragsparteien bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einer Abfindungsvereinbarung das gesetzliche Rücktrittsrecht des Arbeitnehmers in aller Regel konkludent abbedingen (Preis/Rolfs Der Arbeitsvertrag 4. Aufl. II A 100 Rn. 34; für den Fall einer Beendigungs- und Abfindungsvereinbarung in einem gerichtlichen Vergleich LAG Köln 5. Januar 1996 - 4 Sa 909/94 - BB 1996, 907; aA auch für den Fall eines Aufhebungsvertrags in der Form eines Prozessvergleichs Bauer/Haußmann BB 1996, 901 und Bauer NZA 2002, 169, 171). Ob dies ohne weiteres angenommen werden kann oder ob dafür besondere Anhaltspunkte im Aufhebungsvertrag vorliegen müssen (so Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 122 Rn. 37), bedarf hier keiner Entscheidung. Zugunsten des Klägers kann davon ausgegangen werden, dass sein gesetzliches Rücktrittsrecht beim Abschluss des Aufhebungsvertrags mit der Schuldnerin am 5. August 2008 nicht konkludent abbedungen wurde.
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3. Die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts aus § 323 Abs. 1 BGB wegen Nichtleistung lagen am 8. April 2009 nicht vor. Nach Eröffnung der Insolvenz war die Abfindungsforderung des Klägers aus dem noch mit der Schuldnerin geschlossenen Aufhebungsvertrag vom 5. August 2008 nicht mehr durchsetzbar. Für die Anwendung des § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB war damit kein Raum mehr.
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a) Es erscheint bereits fraglich, ob bei Erklärung des Rücktritts nach Insolvenzeröffnung überhaupt die für das gesetzliche Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB erforderliche „Nichtleistung“ vorlag bzw. ob das Rücktrittsrecht nicht zumindest nachträglich untergegangen ist.
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aa) Der Schuldner leistet dann nicht, wenn die nach dem Schuldinhalt zu erbringende Leistung zum Zeitpunkt der Fälligkeit ausbleibt. Schuldet er eine Handlung ohne besonderen Erfolg, besteht die Nichterfüllung in der Nichtvornahme der Leistungshandlung (Staudinger/Otto/Schwarze [2009] § 323 Rn. B 29). Wegen der vor Entstehung und Fälligkeit der Abfindungsforderung erfolgten Insolvenzeröffnung war der Anspruch des Klägers auf die aus § 5 des Aufhebungsvertrags geschuldete Abfindung von vornherein als Insolvenzforderung entstanden(BAG 27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - Rn. 21, BAGE 124, 150). Die Anerkennung der Insolvenzforderung zur Tabelle ist jedenfalls der erste Akt der insolvenzspezifischen Erfüllung von Forderungen. Es spricht deshalb viel dafür, dass es in Fällen, in denen wie hier der Insolvenzverwalter vor der Erklärung des Rücktritts durch den Arbeitnehmer die Anmeldung der Abfindung zur Tabelle nicht abgelehnt hat, bereits an der Nichterfüllung der Verpflichtung des Insolvenzverwalters aus dem Aufhebungsvertrag fehlt.
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bb) Unabhängig davon könnte dem Rücktrittsrecht des Klägers entgegenstehen, dass er trotz des erklärten Rücktritts die im Aufhebungsvertrag vom 5. August 2008 vereinbarte Abfindung beim Beklagten zu 1. angemeldet hat und dass sein Abfindungsanspruch als Insolvenzforderung festgestellt worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (20. Januar 2006 - V ZR 124/05 - zu II 2 b aa der Gründe, NJW 2006, 1198) kann zwar die Vorschrift des § 281 Abs. 4 BGB nicht „reziprok“ angewendet werden, wenn der Gläubiger weiter Erfüllung begehrt. Vielmehr ist aus § 281 Abs. 4 BGB der Umkehrschluss zu ziehen, dass nur der Anspruch auf Erfüllung durch die Entscheidung des Gläubigers für einen der sekundären Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 Abs. 1 BGB oder auf Rückabwicklung des Vertrags ausgeschlossen wird. Es erscheint aber fraglich, ob ein einmal begründetes Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 BGB auch dann nicht untergeht, wenn der Gläubiger nicht nur weiterhin Erfüllung verlangt, sondern darüber hinaus sein Anspruch nach der Rücktrittserklärung als Insolvenzforderung festgestellt wird.
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cc) Diese Fragen müssen hier jedoch nicht beantwortet werden. Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass die Anmeldung und Anerkennung seiner Abfindungsforderung zur Insolvenztabelle einem Rücktritt gemäß § 323 Abs. 1 BGB nicht entgegenstehen.
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b) Der Kläger konnte jedenfalls deshalb mit Schreiben vom 8. April 2009 nicht mehr wirksam vom Aufhebungsvertrag zurücktreten, weil zu diesem Zeitpunkt der Abfindungsanspruch aus § 5 des Aufhebungsvertrags nicht (mehr) durchsetzbar war.
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aa) § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB verlangt anders als § 326 Abs. 1 BGB aF weder den Verzug des Schuldners mit der Leistung noch ein Vertretenmüssen. Nach dem Gesetzeswortlaut reicht es vielmehr aus, wenn eine fällige Leistung trotz Fristsetzung, soweit eine solche nach § 323 Abs. 2 BGB nicht entbehrlich ist, nicht erbracht worden ist. Gleichwohl ist nach allgemeiner Meinung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal (zu diesem Begriff: Herresthal JURA 2008, 561) die Durchsetzbarkeit der Forderung Voraussetzung für das gesetzliche Rücktrittsrecht nach § 323 BGB(Staudinger/Otto/Schwarze [2009] § 323 Rn. B 28; Soergel/Gsell 13. Aufl. § 323 Rn. 50; Bamberger/Roth/Grothe BGB 2. Aufl. Bd. 1 § 323 Rn. 5; MünchKommBGB/Ernst 5. Aufl. § 323 Rn. 47). § 323 BGB ermöglicht dem Gläubiger die Wahl, von der Durchsetzung der Forderung durch Leistungsklage abzusehen und sich stattdessen für eine Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses zu entscheiden. Das gesetzliche Rücktrittsrecht setzt damit voraus, dass der Schuldner die geschuldete Leistung ordnungsgemäß erbringen kann und muss, dies aber - warum auch immer - nicht tut (vgl. Staudinger/Otto/Schwarze [2009] § 323 Rn. A 8). Die von § 323 BGB nach wie vor vorausgesetzte Verletzung der Leistungspflicht ist begriffsnotwendig ausgeschlossen, wenn der Schuldner nicht leisten muss oder unter Umständen auch gar nicht leisten darf, die Forderung also nicht durchsetzbar ist(vgl. Herresthal JURA 2008, 561). In der Literatur wird eine fehlende Durchsetzbarkeit bei Vorliegen von Einreden und Einwendungen, insbesondere der Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB), der Verjährung oder des Vorliegens eines Zurückbehaltungsrechts (§ 273 BGB) angenommen (ausführlich mwN: Herresthal JURA 2008, 561, 564 ff.).
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bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Durchsetzbarkeit eines Abfindungsanspruchs aus einem noch mit dem Schuldner geschlossenen Aufhebungsvertrag, der im Zeitpunkt der Ausübung des Rücktrittsrechts wegen der zwischen Vertragsschluss und Fälligkeit der Abfindung erfolgten Insolvenzeröffnung nur noch eine Insolvenzforderung ist, zu verneinen. Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen nicht mehr die ursprünglich geschuldete Zahlung der Abfindung mit der Leistungsklage verfolgen, sondern nur noch die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle verlangen. Die Abfindungsforderung ist damit nicht mehr durchsetzbar iSd. § 323 BGB.
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(1) § 323 BGB liegt als Grundgedanke eine objektive Risikozuordnung zugrunde. Ein Schuldner, der trotz Ablaufs einer angemessenen Nachfrist nicht leistet, darf grundsätzlich nicht erwarten, dass der Gläubiger weiterhin an den Vertrag gebunden bleiben will. Ihm wird deshalb unabhängig vom Grund des Ausbleibens der Leistung das Risiko der Vertragsaufhebung für den Fall auferlegt, dass er nicht wie geschuldet leistet (Herresthal JURA 2008, 561, 562). Diese in § 323 BGB zum Ausdruck kommende Verteilung des Risikos von Vertragsstörungen entspricht der Rechtslage bei einer vor Fälligkeit der Abfindung erfolgten Insolvenzeröffnung nicht. Die insolvenzrechtliche Einstufung als Insolvenzforderung, die zum Verlust der Möglichkeit des Arbeitnehmers, die Abfindung im Wege der Leistungsklage geltend zu machen, führt und ihn auf die Anmeldung dieser Forderung zur Insolvenztabelle verweist, hat zugleich eine Verlagerung des Risikos dieser Vertragsstörung auf den Arbeitnehmer als Gläubiger zur Folge. Dem Insolvenzverwalter ist es verwehrt, den erst nach Insolvenzeröffnung entstandenen oder fällig gewordenen Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers durch Auszahlung der vereinbarten Abfindungssumme zu erfüllen. Dieses insolvenzrechtlich begründete Durchsetzungshindernis hebt die objektive Verantwortung des Insolvenzverwalters als Schuldner für die nicht erfolgte tatsächliche Zahlung der Abfindung auf. Deswegen kann das Risiko der Nichtleistung nicht dem Insolvenzverwalter zugeordnet werden (vgl. zu diesen Grundsätzen der Risikotragung und -verlagerung: Herresthal JURA 2008, 561, 562 f.). Vielmehr hat der Arbeitnehmer als Gläubiger die Nachteile zu tragen, die sich daraus ergeben, dass die Abfindung zunächst nicht gezahlt und nach Abschluss des Insolvenzverfahrens nur in Höhe der Quote erfüllt wird. Er bleibt deshalb an den einmal geschlossenen Aufhebungsvertrag gebunden.
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(2) Dieses Ergebnis steht im Einklang mit den Zwecken des Insolvenzverfahrens. Hauptzweck des Insolvenzverfahrens ist die bestmögliche und gemeinschaftliche, dh. gleichmäßige und anteilige Befriedigung der Insolvenzgläubiger (BGH 13. März 2003 - IX ZR 64/02 - zu II 2 c cc der Gründe, BGHZ 154, 190). Mit diesem Grundgedanken des Insolvenzrechts stünde es in unauflösbarem Widerspruch, wenn dem Arbeitnehmer als Gläubiger mit dem Rücktrittsrecht ein besonderes Zwangsmittel zur Durchsetzung der Abfindung als Insolvenzforderung zur Seite stünde. Für eine solche Bevorzugung einzelner Gläubiger gibt es im Insolvenzrecht keine Rechtsgrundlage (vgl. BGH 21. Januar 2010 - IX ZR 226/08 - Rn. 17, MDR 2010, 591 für die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts). Es hat sich lediglich das Risiko verwirklicht, das der Arbeitnehmer dadurch eingegangen ist, dass er ungesichert in Vorleistung getreten ist. Anspruch auf Besserstellung gegenüber anderen, ebenso ungesicherten Kreditgebern des Schuldners hat er nicht (vgl. MünchKommInsO/Huber 2. Aufl. § 103 Rn. 60).
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4. Die von den Parteien und dem Landesarbeitsgericht umfangreich erörterten §§ 103, 105 Satz 2 InsO sind für die vorliegende Konstellation nicht einschlägig(aA ohne jede Auseinandersetzung mit dem Anwendungsbereich der §§ 103, 105 InsO allein unter Berufung auf den Charakter des Aufhebungsvertrags als gegenseitiger Vertrag: Besgen/Velten NZA-RR 2010, 561, 563). Darauf, ob diese Bestimmungen, wie der Beklagte zu 1. annimmt, das gesetzliche Rücktrittsrecht nach § 323 BGB blockieren(Uhlenbruck/Wegener 13. Aufl. § 103 InsO Rn. 103) oder dieses verdrängen bzw. jedenfalls modifizieren (in diesem Sinne KPB/Tintelnot InsO Stand Mai 2011 § 103 Rn. 5 und § 108 Rn. 27; aA Marotzke in HK-InsO 5. Aufl. § 103 Rn. 35, der § 103 InsO auch im Fall des gesetzlichen Rücktrittsrechts anwenden will), kommt es deshalb nicht an.
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a) § 103 InsO erfasst nach seinem eindeutigen Wortlaut nur solche Verträge, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch vonkeiner Vertragspartei vollständig erfüllt worden sind (BGH 10. August 2006 - IX ZR 28/05 - Rn. 13, BGHZ 169, 43; 7. März 2002 - IX ZR 457/99 - zu IV 2 e der Gründe, BGHZ 150, 138; MünchKommInsO/Kreft/Huber 2. Aufl. § 103 Rn. 1, 57; Uhlenbruck/Wegener 13. Aufl. § 103 InsO Rn. 94). Der Kläger hat jedoch - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat - seine ihm obliegende Leistung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. März 2009 bereits mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrags vollständig erbracht.
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aa) Nach § 362 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Unter „Schuldverhältnis“ ist dabei die einzelne Leistungspflicht einer Partei zu verstehen (BGH 17. Juli 2007 - X ZR 31/06 - Rn. 17, NJW 2007, 3488). Vollständige Erfüllung iSd. § 103 InsO setzt damit voraus, dass die geschuldete Leistung so, wie sie nach dem Inhalt des Vertrags zu erbringen ist, bewirkt worden ist. Dabei genügt nicht die Vornahme der Leistungshandlung allein, sondern ausschlaggebend ist der Eintritt des Leistungserfolges (BGH 25. März 1983 - V ZR 168/81 - zu II 2 a bb der Gründe, BGHZ 87, 156; MünchKommInsO/Huber 2. Aufl. § 103 Rn. 122).
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bb) Bei Anlegung dieses Maßstabs hat der Kläger die ihm obliegende Leistung bereits mit Abschluss des Aufhebungsvertrags am 5. August 2008 und damit vor der am 1. März 2009 erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt. Die Leistung des Klägers bestand in seinem Einverständnis mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Mit der Abgabe dieser Erklärung hatte er alles seinerseits zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses Erforderliche getan und seine Leistungspflicht vollständig erfüllt. Das Eingehen der Leistungspflicht, in die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einzuwilligen, und ihre Erfüllung erfolgten zeitgleich und fielen zusammen (vgl. Hueck Anm. AP ZPO § 794 Nr. 20; Thies Der Schutz des Arbeitnehmers bei Abschluss arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge S. 180 f.). Der vom Kläger geschuldete Leistungserfolg war damit bereits am 5. August 2008 eingetreten.
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cc) Auch nach seinem Zweck erfasst § 103 InsO die vorliegende Konstellation nicht. Diese Bestimmung soll es dem Insolvenzverwalter ermöglichen, einen von keiner Seite bereits vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrag zum Vorteil der Masse und damit der Gläubigergesamtheit zu erfüllen, und soll zugleich dem Vertragspartner den durch das funktionelle Synallagma vermittelten Schutz erhalten. Der Sinn des Wahlrechts des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO besteht vornehmlich darin, ihm diejenigen noch ausstehenden Leistungen des Vertragspartners zu den bisherigen Vertragsbedingungen zu verschaffen, auf die er ohne die Erfüllungswahl keinen durchsetzbaren Anspruch hätte(BGH 27. Februar 1997 - IX ZR 5/96 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 135, 25; MünchKommInsO/Kreft 2. Aufl. § 103 Rn. 2). Der Insolvenzverwalter muss aber bei einem vom Schuldner geschlossenen Aufhebungsvertrag, durch den erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Arbeitsverhältnis endet und ein Anspruch auf Abfindung entsteht oder zumindest fällig wird, nicht die Erfüllung dieses Vertrags wählen, damit die Masse von der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses profitiert. Dazu kommt es aufgrund des Aufhebungsvertrags bereits ohne sein weiteres Zutun (vgl. Thies Der Schutz des Arbeitnehmers bei Abschluss arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge S. 180 f.).
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b) § 105 Satz 2 InsO ist ebenfalls nicht einschlägig. Der Kläger hat nicht lediglich eine Teilleistung, sondern, wie ausgeführt, seine Leistung vollständig erbracht. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung kommt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts in der vorliegenden Konstellation nicht in Betracht.
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Fischermeier
Brühler
Spelge
Lauth
M. Jostes
Tenor
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1. Die Revision des Klägers gegen das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 19. März 2010 - 9 Sa 1138/09 - wird zurückgewiesen.
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2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des vom Kläger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärten Rücktritts von einem noch mit der Schuldnerin geschlossenen Aufhebungsvertrag.
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Der Kläger war seit dem 2. Januar 1995 bei der Schuldnerin bzw. deren Rechtsvorgängern beschäftigt. Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 1. März 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1. zum Insolvenzverwalter bestellt. Bereits am 5. August 2008 hatten die Schuldnerin und der Kläger einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Danach sollte das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. März 2009 enden. § 5 des Aufhebungsvertrags lautet:
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„§ 5
Abfindung
Wegen Verlustes des Arbeitsplatzes erhält der Arbeitnehmer eine soziale Abfindung iHv. 23.900,- (dreiundzwanzigtausendneunhundert) Euro brutto. …
Der Abfindungsanspruch entsteht zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 1 und ist mit der letzten Entgeltzahlung zur Zahlung fällig.“
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Dieser Aufhebungsvertrag wurde im Rahmen eines Personalabbaus der Schuldnerin geschlossen. Ein am 31. August 2007 vereinbarter Sozialplan sah vor, dass bis zu 50 Arbeitnehmer von einem Angebot der Schuldnerin für ein freiwilliges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu festgelegten Bedingungen Gebrauch machen konnten. Neben dem Kläger schlossen noch neun andere Arbeitnehmer über 50 Jahren zu diesen Konditionen Aufhebungsverträge ab.
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Der Beklagte zu 1. zahlte die Abfindung am 31. März 2009 nicht an den Kläger aus. Der Kläger forderte ihn mit Schreiben vom 1. April 2009 unter Fristsetzung bis zum 8. April 2009 zur Zahlung auf und kündigte für den Fall der Nichterfüllung seinen Rücktritt von dem Aufhebungsvertrag an. Mit Schreiben vom 8. April 2009, das dem Beklagten zu 1. am 9. April 2009 zuging, trat der Kläger vom Aufhebungsvertrag zurück und bot seine Arbeitskraft an. Die im Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindung meldete er gleichwohl zur Insolvenztabelle an. Der Abfindungsanspruch des Klägers wurde als Insolvenzforderung festgestellt.
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Mit seiner am 20. April 2009 rechtshängig gewordenen, zunächst ausschließlich gegen den Beklagten zu 1. gerichteten Klage begehrt der Kläger - soweit für die Revision noch von Relevanz - die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag nicht beendet worden ist, hilfsweise seine Wiedereinstellung. Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Kläger die Klage gegen die Beklagte zu 2. als Betriebserwerberin erweitert. Ausweislich des Protokolls des Arbeitsgerichts ist im Kammertermin nur der gegen den Beklagten zu 1. gerichtete Antrag gestellt worden. Der in erster Instanz unterlegene Kläger hat Berufung gegen beide Beklagten eingelegt und seine erstinstanzlich mit der Klagerweiterung angekündigten Anträge weiterverfolgt. Im Berufungsverfahren hat er die Klage wegen eines zwischenzeitlich erfolgten Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 3. erweitert mit dem Ziel der Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 1. Januar 2010 von der Beklagten zu 2. auf die Beklagte zu 3. übergegangen ist. Vor dem Landesarbeitsgericht hat er im dortigen Termin zur mündlichen Verhandlung hilfsweise einen Wiedereinstellungsantrag gestellt.
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Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe nicht zum Verlust seines gesetzlichen Rücktrittsrechts geführt.
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Der Kläger hat zuletzt - soweit für die Revision noch von Bedeutung - beantragt,
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festzustellen, dass das zwischen dem Kläger und der GmbH begründete Arbeitsverhältnis, das seit Insolvenzeröffnung am 1. März 2009 mit dem Beklagten zu 1. bestanden hat, durch die Aufhebungsvereinbarung vom 5. August 2008 nicht zum 31. März 2009 beendet worden ist;
hilfsweise, den Beklagten zu 1. zu verurteilen, das Angebot des Klägers, ihn mit Wirkung vom 1. April 2009 unter Anerkennung der bisherigen Betriebszugehörigkeit wieder einzustellen, anzunehmen.
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Die Beklagten zu 1. bis 3. haben im Umfang ihrer jeweiligen Beteiligung beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte zu 1. hat geltend gemacht, das insolvenzrechtliche Leistungsstörungsrecht sei gegenüber dem des Bürgerlichen Gesetzbuchs eigenständig. Das Rücktrittsrecht des § 323 BGB werde durch die Insolvenz blockiert. Die Beklagten zu 2. und zu 3. haben die Auffassung vertreten, als einfache Insolvenzforderung sei die Abfindungsforderung im Zeitpunkt der Ausübung des Rücktritts nicht mehr durchsetzbar gewesen. Ohnehin sei § 323 BGB nicht anwendbar, weil die Auflösung des Arbeitsverhältnisses und der Anspruch auf Abfindungszahlung nicht synallagmatisch verknüpft seien. Darüber hinaus hätten die Parteien im Aufhebungsvertrag konkludent ein etwaig dem Kläger zustehendes Rücktrittsrecht abbedungen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat durch Teilurteil die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen, soweit dieses die Klage gegen den Beklagten zu 1. abgewiesen hatte, sowie den Hilfsantrag abgewiesen.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Kläger am 8. April 2009 nicht wirksam von dem am 5. August 2008 geschlossenen Aufhebungsvertrag zurückgetreten ist und nach wie vor an diesen Vertrag gebunden ist. Es hat deshalb rechtsfehlerfrei die Klage gegen den Beklagten zu 1. abgewiesen.
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I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht durch Teilurteil über die Berufung gegen den Beklagten zu 1. erkannt. Dies ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Gleichwohl kann der Senat in der Sache entscheiden.
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1. Das Landesarbeitsgericht hat tatsächlich nur über einen Teil des bei ihm zur Entscheidung angefallenen Berufungsrechtsstreits entschieden. Es liegt kein (unerkanntes) Endurteil vor. Zwar hat das Arbeitsgericht im Kammertermin den Kläger nur den Antrag gegen den Beklagten zu 1. stellen lassen. Es kann dahinstehen, ob der Antrag gegen die Beklagte zu 2. jedenfalls konkludent gestellt worden ist (zur Zulässigkeit einer solchen konkludenten Antragstellung: BAG 4. Dezember 2002 - 5 AZR 556/01 - zu I 2 b cc (2) der Gründe, BAGE 104, 86; offengelassen BAG 18. Mai 2004 - 9 AZR 319/03 - zu A III 1 der Gründe, BAGE 110, 356). In jedem Fall ist der Antrag gegen die Beklagte zu 2. durch Parteierweiterung in der Berufungsinstanz (wieder) eingeführt worden. Der Kläger hat ausdrücklich Berufung auch gegen die Beklagte zu 2. eingelegt, den Antrag gegen diese für die zweite Instanz angekündigt, ihn im Verlauf des Berufungsverfahrens modifiziert sowie auf die Beklagte zu 3. erweitert und diese Anträge zu Protokoll des Landesarbeitsgerichts gestellt. Sie waren damit als neuer Antrag zu werten (vgl. RG 23. Dezember 1904 - VII 281/04 - RGZ 59, 397, 399).
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Hätte das Landesarbeitsgericht diese Rechtslage erkannt, hätte es die Berufung des Klägers gegen die Beklagte zu 2. als Parteierweiterung werten und diese zulassen müssen. Eine Parteierweiterung auf der Beklagtenseite ist zulässig, wenn der neue Beklagte zustimmt oder die Zustimmung rechtsmissbräuchlich verweigert (BGH 4. Oktober 1985 - V ZR 136/84 - zu 1 der Gründe, MDR 1986, 304). Hier haben die Beklagten zu 2. und zu 3. zur Sache verhandelt und Sachanträge gestellt. Sie haben dadurch zumindest konkludent ihre Zustimmung zur Parteierweiterung erteilt. Der Umstand, dass das Landesarbeitsgericht die Parteierweiterung nicht ausdrücklich geprüft und zugelassen hat, erfordert keine Zurückverweisung an das Berufungsgericht. Das wäre eine bloße Förmelei (vgl. BGH 23. November 1964 - II ZR 200/62 - zu I der Gründe, MDR 1965, 193).
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2. Die prozessualen Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils lagen nicht vor. Bei einer einfachen Streitgenossenschaft wie der hier vorliegenden ist der Erlass eines Teilurteils grundsätzlich zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 301 Abs. 1 ZPO vorliegen(BAG 20. November 2003 - 8 AZR 580/02 - zu II 1 der Gründe mwN, NZA 2004, 489). Das Landesarbeitsgericht hat nicht beachtet, dass nach seiner eigenen Rechtsauffassung diese Voraussetzungen nicht vorlagen. Der Rechtsstreit war insgesamt zur Entscheidung reif.
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a) Zwar hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, dass keine Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen, auch durch das Rechtsmittelgericht, bestand. Die Rechtskraft eines gegen den früheren Arbeitgeber ergehenden Urteils wirkt in entsprechender Anwendung der §§ 265, 325 Abs. 1 ZPO für und gegen den neuen Arbeitgeber, wenn der Betriebsübergang nach Rechtshängigkeit erfolgt(BAG 18. Mai 2010 - 1 AZR 864/08 - Rn. 17 mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 102). Das ist hier der Fall. Der Betriebsübergang zunächst auf die Beklagte zu 2. und von dieser auf die Beklagte zu 3. ist unstreitig. Der Betriebsübergang vom Beklagten zu 1. auf die Beklagte zu 2. ist am 22. April 2009 und damit zwei Tage nach Rechtshängigkeit des Rechtsstreits erfolgt. Deshalb besteht keine Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen gegenüber dem Beklagten zu 1. einerseits und den Beklagten zu 2. und zu 3. andererseits.
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b) Das Landesarbeitsgericht ist jedoch zu Unrecht von der Entscheidungsreife nur gegenüber dem Beklagten zu 1. und der fehlenden Entscheidungsreife gegenüber den Beklagten zu 2. und zu 3. ausgegangen. Es hat die Entscheidungsreife gegenüber Letzteren verneint, weil es angenommen hat, wenn es dem Antrag auf Wiedereinstellung stattgebe, gelte nach § 894 ZPO ein neuer Arbeitsvertrag noch nicht als zustande gekommen, solange das Urteil (noch) nicht rechtskräftig sei. Es hat bei dieser Argumentation nicht berücksichtigt, dass es den Hilfsantrag aus Gründen des Insolvenzrechts als unbegründet angesehen, ihm also gerade nicht stattgegeben hat. Nach seinem eigenen Rechtsstandpunkt (zur Maßgeblichkeit dieses Standpunkts für die Beurteilung der Entscheidungsreife: BFH 30. November 1993 - IX R 92/91 - BFHE 173, 204) war die Klage also insgesamt unbegründet und daher im Sinne einer Klageabweisung auch gegenüber den Beklagten zu 2. und zu 3. zur Entscheidung reif.
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3. Die Unzulässigkeit eines in den Vorinstanzen verkündeten Teilurteils ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen (§ 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Dies führt hier jedoch nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits.
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a) Die Zulässigkeit eines in den Vorinstanzen verkündeten Teilurteils ist auch ohne Verfahrensrüge durch das Revisionsgericht zu überprüfen. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 301 ZPO und damit die Frage, ob ein Teilurteil ergehen darf oder nicht, unterliegen nicht der Dispositionsbefugnis der Parteien(BGH 17. Februar 1999 - X ZR 101/97 - zu I 2 der Gründe, MDR 1999, 1379; 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98 - zu II der Gründe, NJW 1999, 1035; vgl. auch bereits BAG 21. März 1978 - 1 AZR 11/76 - zu I der Gründe, BAGE 30, 189). Ein unzulässiges Teilurteil findet im Prozessrecht keine Grundlage und ist daher grundsätzlich von Amts wegen aufzuheben. Nur hierdurch wird im Allgemeinen sichergestellt, dass das weitere Verfahren nicht auf einer als unrichtig erkannten Grundlage aufbaut, im weiteren Verfahren der erkannte Verfahrensfehler nicht vertieft wird und das Urteil nicht dazu führt, dass die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen aufrecht erhalten bleibt (BGH 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10 - Rn. 19 ff., NJW 2011, 2736 unter Aufgabe der Entscheidungen des Achten Senats vom 6. März 1996 - VIII ZR 212/94 - NJW 1996, 2165 und 17. Mai 2000 - VIII ZR 216/99 - NJW 2000, 3007; 13. Juli 2011 - VIII ZR 342/09 - Rn. 31 f., NJW 2011, 2800).
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b) Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist jedoch geboten, wenn wie hier bei Aufrechterhaltung des Teilurteils weder die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen besteht noch der Verfahrensfehler weiter vertieft wird. § 301 ZPO ermöglicht es dem Gericht, zur Vereinfachung der Entscheidung und Beschleunigung der Durchsetzung der Rechte der obsiegenden Partei über den entscheidungsreifen Teil des Rechtsstreits vorab zu entscheiden(MünchKommZPO/Musielak 3. Aufl. § 301 Rn. 1 unter Bezug auf die Begründung des Entwurfs zur ZPO; Zöller/Vollkommer ZPO 27. Aufl. § 301 Rn. 1; Klose MDR 2007, 1351, 1354). Die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht unter Aufhebung des Teilurteils, damit es unter Bindung an die Auffassung des Revisionsgerichts über den gesamten Rechtsstreit entscheidet, führte zu einer Verzögerung der endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits. In der hier vorliegenden Konstellation widerspräche eine solche Verzögerung dem Gebot eines prozessökonomischen Verfahrens, dem arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz und dem Normzweck des § 301 ZPO(vgl. BAG 21. März 1978 - 1 AZR 11/76 - zu I der Gründe, BAGE 30, 189). Dies gilt umso mehr, als bei Bestand des Teilurteils das Landesarbeitsgericht im weiteren Verfahren an den Urteilsausspruch gebunden ist (§ 318 ZPO).
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II. Der Umstand, dass der Kläger bereits am 5. August 2008 der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. März 2009 zugestimmt hat und die Schuldnerin nach § 5 des Aufhebungsvertrags die Abfindung erst mit der Vergütung des Klägers für März 2009 zu zahlen hatte, berührt die Rechtswirksamkeit der Aufhebungsvereinbarung nicht. Die Regelung in § 5 des Aufhebungsvertrags, wonach der Abfindungsanspruch erst über sechs Monate nach dem Abschluss des Aufhebungsvertrags vom 5. August 2008 entsteht und mit der Vergütung des Klägers für März 2009 fällig ist, führte zwar dazu, dass der Kläger die Annahme des Aufhebungsangebots der Schuldnerin als Vorleistung zu erbringen hatte. Das verstieß jedoch weder gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB noch gegen die guten Sitten(§ 138 Abs. 1 BGB) noch benachteiligte die Vorleistungspflicht den Kläger unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Vereinbarung einer Vorleistung des Arbeitnehmers bei Abschluss eines außergerichtlichen Aufhebungsvertrags durch die Festlegung von Entstehen und Fälligkeit der Abfindung auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weicht nicht für den Arbeitnehmer nachteilig vom Leitbild eines Aufhebungsvertrags, durch den der Arbeitnehmer gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ab (vgl. Roth Anm. EWiR 2010, 449, 450). Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses stand der Kläger wirtschaftlich so, wie er ohne den Abschluss des Aufhebungsvertrags gestanden hätte. Dieser wirtschaftlichen Situation hätte es nicht entsprochen, wenn die Schuldnerin durch die Zahlung der Abfindung vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Vorleistung getreten wäre. Nach ganz überwiegender Ansicht in der Rechtsprechung und im Schrifttum kann eine vertraglich vereinbarte Abfindung auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig gestellt werden (vgl. Bauer Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge 8. Aufl. IV Rn. 341 und für den Prozessvergleich BAG 15. Juli 2004 - 2 AZR 630/03 - zu B II 2 g der Gründe mwN, BAGE 111, 240). Hinzu kommt, dass nach der Regelung in § 5 des Aufhebungsvertrags kein Anspruch des Klägers auf die Abfindung entstanden wäre, wenn das Arbeitsverhältnis aus einem anderen als dem in § 1 des Aufhebungsvertrags genannten Grund vor dem oder am 31. März 2009 geendet hätte. Ein Aufhebungsvertrag steht regelmäßig unter der aufschiebenden Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis bis zu dem vereinbarten Auflösungszeitpunkt fortgesetzt wird (BAG 5. April 2001 - 2 AZR 217/00 - zu II 3 b der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 34 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 29. Januar 1997 - 2 AZR 292/96 - BAGE 85, 114). Löst später zB eine außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis vor dem im Aufhebungsvertrag vorgesehenen Zeitpunkt auf, wird der Aufhebungsvertrag einschließlich einer darin vereinbarten Abfindungszahlung gegenstandslos (DFL/Fischermeier 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 32).
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III. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht erkannt, dass der Kläger nicht wirksam von dem am 5. August 2008 geschlossenen Aufhebungsvertrag zurückgetreten ist. Das folgt allerdings entgegen der Ansicht des Beklagten zu 1. und des Landesarbeitsgerichts weder aus einer unmittelbaren noch einer analogen Anwendung des § 103 InsO oder des § 105 Satz 2 InsO, sondern daraus, dass der Umstand, dass der Abfindungsanspruch des Klägers durch die Insolvenzeröffnung zu einer Insolvenzforderung geworden ist, kein Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB begründet. Darum bedarf die Frage keiner Entscheidung, ob gemäß der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und eines Teils des Schrifttums ein bei Ausübung des Rücktrittsrechts bereits beendetes Arbeitsverhältnis im Wege der Rückabwicklung des Aufhebungsvertrags neu begründet werden muss (vgl. LAG Niedersachsen 15. Dezember 2010 - 2 Sa 742/10 - Rn. 60, LAGE BGB 2002 § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 9; ArbG Siegburg 9. Februar 2010 - 5 Ca 2017/09 - ZIP 2010, 1101, 1102; Besgen/Velten NZA-RR 2010, 561, 562 f.; Roth Anm. EWiR 2010, 449, 450) oder ob bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 323 Abs. 1 BGB Rechtsfolge des Rücktritts von einem Aufhebungsvertrag der rückwirkende Wegfall dieses Vertrags ist (Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 122 Rn. 37; Moll/Bengelsdorf MAH Arbeitsrecht § 46 Rn. 348; Bauer NZA 2002, 169, 171; ders. Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge 8. Aufl. I Rn. 164; KR/Spilger 9. Aufl. AufhebungsV Rn. 26).
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1. Dem Kläger ist einzuräumen, dass ein Arbeitnehmer entgegen der Auffassung der Beklagten grundsätzlich von einer Aufhebungsvereinbarung gemäß § 323 Abs. 1 BGB wegen Nichtleistung zurücktreten kann, wenn sein Arbeitgeber die im Aufhebungsvertrag für den Verlust des Arbeitsplatzes zugesagte Abfindung nicht zahlt(ErfK/Müller-Glöge 12. Aufl. § 620 BGB Rn. 15; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 122 Rn. 37; HWK/Kliemt 4. Aufl. Anh. § 9 KSchG Rn. 30; MünchKommBGB/Hesse 5. Aufl. Vor § 620 BGB Rn. 33; Moll/Bengelsdorf MAH Arbeitsrecht § 46 Rn. 348; Preis/Rolfs Der Arbeitsvertrag 4. Aufl. II A 100 Rn. 33; Besgen/Velten NZA-RR 2010, 561, 562; Lingemann/Groneberg NJW 2010, 3496, 3497; Bauer NZA 2002, 169, 170 f.; vgl. zum Rücktrittsrecht des Arbeitnehmers nach § 326 BGB aF auch LAG Köln 5. Januar 1996 - 4 Sa 909/94 - BB 1996, 907 und Bauer/Haußmann BB 1996, 901; aA v. Puttkamer Anm. BB 1996, 1440, der einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung als Vergleich im Sinne von § 779 BGB einordnet). Der außergerichtliche Aufhebungsvertrag, mit dem das Arbeitsverhältnis gegen die Zahlung einer Abfindung beendet wird, ist ein gegenseitiger Vertrag im Sinne von § 323 BGB. Die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht grundsätzlich im Gegenseitigkeitsverhältnis zu der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der zugesagten Abfindung. Diese ist bei einem außergerichtlichen, auf Initiative des Arbeitgebers zustande gekommenen Aufhebungsvertrag die Gegenleistung des Arbeitgebers für die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (st. Rspr. seit BAG 25. Juni 1987 - 2 AZR 504/86 - zu II 4 der Gründe, EzA KSchG 1969 § 9 nF Nr. 23; vgl. auch 26. August 1997 - 9 AZR 227/96 - zu 3 der Gründe, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 8 = EzA BGB § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 29; 26. September 2001 - 4 AZR 497/00 - zu I 2 b der Gründe, EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 51; aA v. Puttkamer Anm. BB 1996, 1440). Die von den Beklagten zu 2. und zu 3. angeführte Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, wie sie im Urteil vom 16. Oktober 1969 (- 2 AZR 373/68 - AP ZPO § 794 Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Nr. 15) Niederschlag gefunden hatte, wonach die Gegenseitigkeit zweifelhaft sei, ist mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Juni 1987 (- 2 AZR 504/86 - EzA KSchG 1969 § 9 nF Nr. 23) ausdrücklich aufgegeben worden.
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2. Allerdings ist § 323 BGB dispositiv, so dass die Regelungen dieser Vorschrift grundsätzlich durch Individualvereinbarungen in jeder Hinsicht abgeändert oder abbedungen werden können(MünchKommBGB/Ernst 5. Aufl. § 323 Rn. 266; Bamberger/Roth/Grohe BGB 2. Aufl. Bd. 1 § 323 Rn. 3). Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, dass die Vertragsparteien bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einer Abfindungsvereinbarung das gesetzliche Rücktrittsrecht des Arbeitnehmers in aller Regel konkludent abbedingen (Preis/Rolfs Der Arbeitsvertrag 4. Aufl. II A 100 Rn. 34; für den Fall einer Beendigungs- und Abfindungsvereinbarung in einem gerichtlichen Vergleich LAG Köln 5. Januar 1996 - 4 Sa 909/94 - BB 1996, 907; aA auch für den Fall eines Aufhebungsvertrags in der Form eines Prozessvergleichs Bauer/Haußmann BB 1996, 901 und Bauer NZA 2002, 169, 171). Ob dies ohne weiteres angenommen werden kann oder ob dafür besondere Anhaltspunkte im Aufhebungsvertrag vorliegen müssen (so Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 122 Rn. 37), bedarf hier keiner Entscheidung. Zugunsten des Klägers kann davon ausgegangen werden, dass sein gesetzliches Rücktrittsrecht beim Abschluss des Aufhebungsvertrags mit der Schuldnerin am 5. August 2008 nicht konkludent abbedungen wurde.
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3. Die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts aus § 323 Abs. 1 BGB wegen Nichtleistung lagen am 8. April 2009 nicht vor. Nach Eröffnung der Insolvenz war die Abfindungsforderung des Klägers aus dem noch mit der Schuldnerin geschlossenen Aufhebungsvertrag vom 5. August 2008 nicht mehr durchsetzbar. Für die Anwendung des § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB war damit kein Raum mehr.
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a) Es erscheint bereits fraglich, ob bei Erklärung des Rücktritts nach Insolvenzeröffnung überhaupt die für das gesetzliche Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB erforderliche „Nichtleistung“ vorlag bzw. ob das Rücktrittsrecht nicht zumindest nachträglich untergegangen ist.
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aa) Der Schuldner leistet dann nicht, wenn die nach dem Schuldinhalt zu erbringende Leistung zum Zeitpunkt der Fälligkeit ausbleibt. Schuldet er eine Handlung ohne besonderen Erfolg, besteht die Nichterfüllung in der Nichtvornahme der Leistungshandlung (Staudinger/Otto/Schwarze [2009] § 323 Rn. B 29). Wegen der vor Entstehung und Fälligkeit der Abfindungsforderung erfolgten Insolvenzeröffnung war der Anspruch des Klägers auf die aus § 5 des Aufhebungsvertrags geschuldete Abfindung von vornherein als Insolvenzforderung entstanden(BAG 27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - Rn. 21, BAGE 124, 150). Die Anerkennung der Insolvenzforderung zur Tabelle ist jedenfalls der erste Akt der insolvenzspezifischen Erfüllung von Forderungen. Es spricht deshalb viel dafür, dass es in Fällen, in denen wie hier der Insolvenzverwalter vor der Erklärung des Rücktritts durch den Arbeitnehmer die Anmeldung der Abfindung zur Tabelle nicht abgelehnt hat, bereits an der Nichterfüllung der Verpflichtung des Insolvenzverwalters aus dem Aufhebungsvertrag fehlt.
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bb) Unabhängig davon könnte dem Rücktrittsrecht des Klägers entgegenstehen, dass er trotz des erklärten Rücktritts die im Aufhebungsvertrag vom 5. August 2008 vereinbarte Abfindung beim Beklagten zu 1. angemeldet hat und dass sein Abfindungsanspruch als Insolvenzforderung festgestellt worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (20. Januar 2006 - V ZR 124/05 - zu II 2 b aa der Gründe, NJW 2006, 1198) kann zwar die Vorschrift des § 281 Abs. 4 BGB nicht „reziprok“ angewendet werden, wenn der Gläubiger weiter Erfüllung begehrt. Vielmehr ist aus § 281 Abs. 4 BGB der Umkehrschluss zu ziehen, dass nur der Anspruch auf Erfüllung durch die Entscheidung des Gläubigers für einen der sekundären Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 Abs. 1 BGB oder auf Rückabwicklung des Vertrags ausgeschlossen wird. Es erscheint aber fraglich, ob ein einmal begründetes Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 BGB auch dann nicht untergeht, wenn der Gläubiger nicht nur weiterhin Erfüllung verlangt, sondern darüber hinaus sein Anspruch nach der Rücktrittserklärung als Insolvenzforderung festgestellt wird.
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cc) Diese Fragen müssen hier jedoch nicht beantwortet werden. Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass die Anmeldung und Anerkennung seiner Abfindungsforderung zur Insolvenztabelle einem Rücktritt gemäß § 323 Abs. 1 BGB nicht entgegenstehen.
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b) Der Kläger konnte jedenfalls deshalb mit Schreiben vom 8. April 2009 nicht mehr wirksam vom Aufhebungsvertrag zurücktreten, weil zu diesem Zeitpunkt der Abfindungsanspruch aus § 5 des Aufhebungsvertrags nicht (mehr) durchsetzbar war.
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aa) § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB verlangt anders als § 326 Abs. 1 BGB aF weder den Verzug des Schuldners mit der Leistung noch ein Vertretenmüssen. Nach dem Gesetzeswortlaut reicht es vielmehr aus, wenn eine fällige Leistung trotz Fristsetzung, soweit eine solche nach § 323 Abs. 2 BGB nicht entbehrlich ist, nicht erbracht worden ist. Gleichwohl ist nach allgemeiner Meinung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal (zu diesem Begriff: Herresthal JURA 2008, 561) die Durchsetzbarkeit der Forderung Voraussetzung für das gesetzliche Rücktrittsrecht nach § 323 BGB(Staudinger/Otto/Schwarze [2009] § 323 Rn. B 28; Soergel/Gsell 13. Aufl. § 323 Rn. 50; Bamberger/Roth/Grothe BGB 2. Aufl. Bd. 1 § 323 Rn. 5; MünchKommBGB/Ernst 5. Aufl. § 323 Rn. 47). § 323 BGB ermöglicht dem Gläubiger die Wahl, von der Durchsetzung der Forderung durch Leistungsklage abzusehen und sich stattdessen für eine Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses zu entscheiden. Das gesetzliche Rücktrittsrecht setzt damit voraus, dass der Schuldner die geschuldete Leistung ordnungsgemäß erbringen kann und muss, dies aber - warum auch immer - nicht tut (vgl. Staudinger/Otto/Schwarze [2009] § 323 Rn. A 8). Die von § 323 BGB nach wie vor vorausgesetzte Verletzung der Leistungspflicht ist begriffsnotwendig ausgeschlossen, wenn der Schuldner nicht leisten muss oder unter Umständen auch gar nicht leisten darf, die Forderung also nicht durchsetzbar ist(vgl. Herresthal JURA 2008, 561). In der Literatur wird eine fehlende Durchsetzbarkeit bei Vorliegen von Einreden und Einwendungen, insbesondere der Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB), der Verjährung oder des Vorliegens eines Zurückbehaltungsrechts (§ 273 BGB) angenommen (ausführlich mwN: Herresthal JURA 2008, 561, 564 ff.).
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bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Durchsetzbarkeit eines Abfindungsanspruchs aus einem noch mit dem Schuldner geschlossenen Aufhebungsvertrag, der im Zeitpunkt der Ausübung des Rücktrittsrechts wegen der zwischen Vertragsschluss und Fälligkeit der Abfindung erfolgten Insolvenzeröffnung nur noch eine Insolvenzforderung ist, zu verneinen. Der Arbeitnehmer kann in diesen Fällen nicht mehr die ursprünglich geschuldete Zahlung der Abfindung mit der Leistungsklage verfolgen, sondern nur noch die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle verlangen. Die Abfindungsforderung ist damit nicht mehr durchsetzbar iSd. § 323 BGB.
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(1) § 323 BGB liegt als Grundgedanke eine objektive Risikozuordnung zugrunde. Ein Schuldner, der trotz Ablaufs einer angemessenen Nachfrist nicht leistet, darf grundsätzlich nicht erwarten, dass der Gläubiger weiterhin an den Vertrag gebunden bleiben will. Ihm wird deshalb unabhängig vom Grund des Ausbleibens der Leistung das Risiko der Vertragsaufhebung für den Fall auferlegt, dass er nicht wie geschuldet leistet (Herresthal JURA 2008, 561, 562). Diese in § 323 BGB zum Ausdruck kommende Verteilung des Risikos von Vertragsstörungen entspricht der Rechtslage bei einer vor Fälligkeit der Abfindung erfolgten Insolvenzeröffnung nicht. Die insolvenzrechtliche Einstufung als Insolvenzforderung, die zum Verlust der Möglichkeit des Arbeitnehmers, die Abfindung im Wege der Leistungsklage geltend zu machen, führt und ihn auf die Anmeldung dieser Forderung zur Insolvenztabelle verweist, hat zugleich eine Verlagerung des Risikos dieser Vertragsstörung auf den Arbeitnehmer als Gläubiger zur Folge. Dem Insolvenzverwalter ist es verwehrt, den erst nach Insolvenzeröffnung entstandenen oder fällig gewordenen Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers durch Auszahlung der vereinbarten Abfindungssumme zu erfüllen. Dieses insolvenzrechtlich begründete Durchsetzungshindernis hebt die objektive Verantwortung des Insolvenzverwalters als Schuldner für die nicht erfolgte tatsächliche Zahlung der Abfindung auf. Deswegen kann das Risiko der Nichtleistung nicht dem Insolvenzverwalter zugeordnet werden (vgl. zu diesen Grundsätzen der Risikotragung und -verlagerung: Herresthal JURA 2008, 561, 562 f.). Vielmehr hat der Arbeitnehmer als Gläubiger die Nachteile zu tragen, die sich daraus ergeben, dass die Abfindung zunächst nicht gezahlt und nach Abschluss des Insolvenzverfahrens nur in Höhe der Quote erfüllt wird. Er bleibt deshalb an den einmal geschlossenen Aufhebungsvertrag gebunden.
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(2) Dieses Ergebnis steht im Einklang mit den Zwecken des Insolvenzverfahrens. Hauptzweck des Insolvenzverfahrens ist die bestmögliche und gemeinschaftliche, dh. gleichmäßige und anteilige Befriedigung der Insolvenzgläubiger (BGH 13. März 2003 - IX ZR 64/02 - zu II 2 c cc der Gründe, BGHZ 154, 190). Mit diesem Grundgedanken des Insolvenzrechts stünde es in unauflösbarem Widerspruch, wenn dem Arbeitnehmer als Gläubiger mit dem Rücktrittsrecht ein besonderes Zwangsmittel zur Durchsetzung der Abfindung als Insolvenzforderung zur Seite stünde. Für eine solche Bevorzugung einzelner Gläubiger gibt es im Insolvenzrecht keine Rechtsgrundlage (vgl. BGH 21. Januar 2010 - IX ZR 226/08 - Rn. 17, MDR 2010, 591 für die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts). Es hat sich lediglich das Risiko verwirklicht, das der Arbeitnehmer dadurch eingegangen ist, dass er ungesichert in Vorleistung getreten ist. Anspruch auf Besserstellung gegenüber anderen, ebenso ungesicherten Kreditgebern des Schuldners hat er nicht (vgl. MünchKommInsO/Huber 2. Aufl. § 103 Rn. 60).
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4. Die von den Parteien und dem Landesarbeitsgericht umfangreich erörterten §§ 103, 105 Satz 2 InsO sind für die vorliegende Konstellation nicht einschlägig(aA ohne jede Auseinandersetzung mit dem Anwendungsbereich der §§ 103, 105 InsO allein unter Berufung auf den Charakter des Aufhebungsvertrags als gegenseitiger Vertrag: Besgen/Velten NZA-RR 2010, 561, 563). Darauf, ob diese Bestimmungen, wie der Beklagte zu 1. annimmt, das gesetzliche Rücktrittsrecht nach § 323 BGB blockieren(Uhlenbruck/Wegener 13. Aufl. § 103 InsO Rn. 103) oder dieses verdrängen bzw. jedenfalls modifizieren (in diesem Sinne KPB/Tintelnot InsO Stand Mai 2011 § 103 Rn. 5 und § 108 Rn. 27; aA Marotzke in HK-InsO 5. Aufl. § 103 Rn. 35, der § 103 InsO auch im Fall des gesetzlichen Rücktrittsrechts anwenden will), kommt es deshalb nicht an.
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a) § 103 InsO erfasst nach seinem eindeutigen Wortlaut nur solche Verträge, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch vonkeiner Vertragspartei vollständig erfüllt worden sind (BGH 10. August 2006 - IX ZR 28/05 - Rn. 13, BGHZ 169, 43; 7. März 2002 - IX ZR 457/99 - zu IV 2 e der Gründe, BGHZ 150, 138; MünchKommInsO/Kreft/Huber 2. Aufl. § 103 Rn. 1, 57; Uhlenbruck/Wegener 13. Aufl. § 103 InsO Rn. 94). Der Kläger hat jedoch - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat - seine ihm obliegende Leistung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. März 2009 bereits mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrags vollständig erbracht.
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aa) Nach § 362 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Unter „Schuldverhältnis“ ist dabei die einzelne Leistungspflicht einer Partei zu verstehen (BGH 17. Juli 2007 - X ZR 31/06 - Rn. 17, NJW 2007, 3488). Vollständige Erfüllung iSd. § 103 InsO setzt damit voraus, dass die geschuldete Leistung so, wie sie nach dem Inhalt des Vertrags zu erbringen ist, bewirkt worden ist. Dabei genügt nicht die Vornahme der Leistungshandlung allein, sondern ausschlaggebend ist der Eintritt des Leistungserfolges (BGH 25. März 1983 - V ZR 168/81 - zu II 2 a bb der Gründe, BGHZ 87, 156; MünchKommInsO/Huber 2. Aufl. § 103 Rn. 122).
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bb) Bei Anlegung dieses Maßstabs hat der Kläger die ihm obliegende Leistung bereits mit Abschluss des Aufhebungsvertrags am 5. August 2008 und damit vor der am 1. März 2009 erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt. Die Leistung des Klägers bestand in seinem Einverständnis mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Mit der Abgabe dieser Erklärung hatte er alles seinerseits zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses Erforderliche getan und seine Leistungspflicht vollständig erfüllt. Das Eingehen der Leistungspflicht, in die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einzuwilligen, und ihre Erfüllung erfolgten zeitgleich und fielen zusammen (vgl. Hueck Anm. AP ZPO § 794 Nr. 20; Thies Der Schutz des Arbeitnehmers bei Abschluss arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge S. 180 f.). Der vom Kläger geschuldete Leistungserfolg war damit bereits am 5. August 2008 eingetreten.
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cc) Auch nach seinem Zweck erfasst § 103 InsO die vorliegende Konstellation nicht. Diese Bestimmung soll es dem Insolvenzverwalter ermöglichen, einen von keiner Seite bereits vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrag zum Vorteil der Masse und damit der Gläubigergesamtheit zu erfüllen, und soll zugleich dem Vertragspartner den durch das funktionelle Synallagma vermittelten Schutz erhalten. Der Sinn des Wahlrechts des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO besteht vornehmlich darin, ihm diejenigen noch ausstehenden Leistungen des Vertragspartners zu den bisherigen Vertragsbedingungen zu verschaffen, auf die er ohne die Erfüllungswahl keinen durchsetzbaren Anspruch hätte(BGH 27. Februar 1997 - IX ZR 5/96 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 135, 25; MünchKommInsO/Kreft 2. Aufl. § 103 Rn. 2). Der Insolvenzverwalter muss aber bei einem vom Schuldner geschlossenen Aufhebungsvertrag, durch den erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Arbeitsverhältnis endet und ein Anspruch auf Abfindung entsteht oder zumindest fällig wird, nicht die Erfüllung dieses Vertrags wählen, damit die Masse von der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses profitiert. Dazu kommt es aufgrund des Aufhebungsvertrags bereits ohne sein weiteres Zutun (vgl. Thies Der Schutz des Arbeitnehmers bei Abschluss arbeitsrechtlicher Aufhebungsverträge S. 180 f.).
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b) § 105 Satz 2 InsO ist ebenfalls nicht einschlägig. Der Kläger hat nicht lediglich eine Teilleistung, sondern, wie ausgeführt, seine Leistung vollständig erbracht. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung kommt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts in der vorliegenden Konstellation nicht in Betracht.
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Fischermeier
Brühler
Spelge
Lauth
M. Jostes
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Verletzt der Schuldner eine Pflicht nach § 241 Abs. 2, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn ihm die Leistung durch den Schuldner nicht mehr zuzumuten ist.
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 20. 05. 2009 – 3 (7) Ca 603/08 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses, Weiterbeschäftigung, Vergütung und Schadensersatz.
- 2
Der 1952 geborene und verheiratete Kläger war bei der Beklagten seit dem 29. 10. 2007 als PC-Leiter (= Profitcenter-Leiter = Niederlassungsleiter) in U gemäß Arbeitsvertrages vom 29. 10. 2007 beschäftigt. Danach gelten die ersten 6 Monate als Probezeit, in der das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit einer Frist von 14 Kalendertagen gekündigt werden kann. Die Monatsvergütung des Klägers setzte sich zusammen aus 5.000,00 Euro brutto Gehalt sowie dem Arbeitgeberzuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die Beklagte hatte dem Kläger außerdem die Nutzung eines Dienst-PKW zugesagt. Für die unter Anderem private Nutzung des PKW durch den Kläger rechnete die Beklagte im Monat April 2007 einen Betrag in Höhe von 792,30 Euro brutto ab.
- 3
Wegen des weiteren Inhalts dieses Arbeitsvertrages wird auf Blatt 17-20 der Akte verwiesen.
- 4
Die Beklagte kündigte dem Kläger am 28. 4. 2008 fristgemäß innerhalb der Probezeit zum 13.05.2008. Das Kündigungsschreiben vom 28. 4. 2008 wurde von der damaligen Personalleiterin, der Zeugin H , unterschrieben. Mit einem weiteren Schreiben vom 28. 4. 2008, welches ebenfalls die Unterschrift der damaligen Personalleiterin, der Zeugin H trägt, stellte die Beklagte den Kläger widerruflich unter Fortzahlung des Monatslohns bis zum 13. 5. 2008 von der Arbeitsleistung frei. Damit sollten bestehende Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche abgegolten werden. Im Rahmen der Übergabe des Kündigungsschreibens am 28. 4. 2008 gab der Kläger auf Weisung der Beklagten u.a. den Dienst-PKW zurück. In der Zeit vom 29. 4. 2008 bis zum 23. 5. 2008 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Die Kündigung vom 28. 4. 2008 wies der Kläger mit Schreiben vom 29. 4. 2008 wegen Vollmachtslosigkeit der Unterzeichnerin zurück.
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Der Kläger hält die streitbefangene Kündigung für unwirksam und begehrt in Abhängigkeit etwaigens Unterliegens Urlaubsabgeltung. Der Kläger verfolgt weiter Zahlungsansprüche auf Vergütung und Schadensersatz wegen Nutzungsentziehung des Dienst-PKW sowie im Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsanträgen Weiterbeschäftigungsansprüche.
- 6
Der Kläger hat gemeint, die Kündigung 2008 sei wegen Vollmachtslosigkeit unwirksam. Die damalige Personalleiterin, die Zeugin H , habe keine Vollmacht zu seiner Kündigung gehabt. Er sei als Niederlassungsleiter gemäß seiner Stellenbeschreibung direkt der Geschäftsführung der Beklagten unterstellt gewesen. Die Zeugin H habe ihn in Personalfragen lediglich beraten; alle Personalangelegenheiten von Relevanz (Einstellungen und Kündigungen) der Niederlassung in U seien ausschließlich direkt zwischen ihm und der Geschäftsführung der Beklagten abgestimmt worden. Daher sei die Zeugin H eine in der Unternehmenshierarchie ihm, dem Kläger, untergeordnete Mitarbeiterin der Beklagten gewesen, die keine Vollmacht gehabt habe, Arbeitnehmer in Leitungspositionen wie ihn, den Kläger, zu kündigen.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt,
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1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 28.04.2008 am 13.05.2008 aufgelöst worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht; hilfsweise festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht;
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2. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziffer 1 insgesamt die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Urlaubsabgeltung in Höhe von 5.076,94 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.05.2008 zu zahlen;
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3. die Beklagte im Falle des Obsiegens des Klägers mit dem Antrag zu Ziffer 1 zu verurteilen, den Kläger zu den Bedingungen des Arbeitsverhältnisses vom 29.10.2007 in Vollzeit zu einem Bruttomonatsgehalt von 5.000,00 € bis zum rechtskräftigen Abschluss der Bestandsstreitigkeit als PC-Leiter weiter zu beschäftigen;
- 11
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Differenzvergütung für den Kalendermonat Mai 2008 in Höhe von 3.250,00 € brutto sowie 149,98 € netto abzüglich 376,24 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2008 zu zahlen;
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5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Mai 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2008 zu zahlen;
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6. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Vergütung für den Kalendermonat Juni 2008 in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 264,67 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2008 zu zahlen;
- 14
7. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Juni 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2008 zu zahlen;
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8. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Juli 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008 zu zahlen;
- 16
9. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Juli 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008 zu zahlen;
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10. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat August 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2008 zu zahlen;
- 18
11. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat August 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2008 zu zahlen;
- 19
12. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat September 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2008 zu zahlen;
- 20
13. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat September 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2008 zu zahlen;
- 21
14. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Oktober 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2008 zu zahlen;
- 22
15. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Oktober 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2008 zu zahlen;
- 23
16. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat November 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen;
- 24
17. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat November 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen;
- 25
18. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Dezember 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2009 zu zahlen;
- 26
19. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Dezember 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2009 zu zahlen;
- 27
20. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Januar 2009 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 240,32 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2009 zu zahlen;
- 28
21. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Januar 2009 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2009 zu zahlen;
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22. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Februar 2009 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 240,32 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2009 zu zahlen;
- 30
23. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Februar 2009 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2009 zu zahlen.
- 31
Die Beklagte hat beantragt,
- 32
die Klage abzuweisen.
- 33
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Zeugin H sei nicht verpflichtet gewesen, dem Kündigungsschreiben vom 28. 4. 2008 eine Kündigungsvollmacht beizufügen. Der Kläger habe auf Grund der Stellung der Zeugin H als Personalleiterin, die er auch gekannt habe, erkennen können, dass sie zu seiner Kündigung berechtigt gewesen sei. Die Zeugin H war – unstreitig - Personalleiterin für alle Unternehmen der Unternehmensgruppe der Beklagten. Zu dieser zählen auch die F GmbH , die MKL GmbH , die asb GmbH sowie die Luckenwalder Fl GmbH . Die Zeugin H gehöre daher der erweiterten Unternehmensführung an und habe daher hierarchisch über dem Kläger gestanden. Der Kläger habe aus eigener Befugnis heraus weder einstellen noch entlassen können. Selbst Abmahnungen seien mit Frau H zunächst abgestimmt worden.
- 34
Wegen der weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Parteivorbringens wird auf die in der ersten Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
- 35
Mit Urteil vom 20. 5. 2009 hat das Arbeitsgericht die Klage weitestgehend abgewiesen. Es hat entschieden, das Arbeitsverhältnis des Klägers sei durch die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 28.04.2008 zum 13.05.2008 beendet worden. Dem Kläger stünde daher die geltend gemachte Vergütung anteilig nur bis zu diesem Zeitpunkt, anteilige Urlaubsabgeltung für das Kalenderjahr 2008 sowie anteiliger Schadensersatz für den Entzug des Dienst-PKW bis zum 13. 5. 2008 zu.
- 36
Der Kläger sei im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch keine sechs Monate im Betrieb der Beklagten beschäftigt gewesen (§ 1 Abs. 1 KSchG) und könne sich daher mangels Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht auf die soziale Ungerechtigkeit der Kündigung berufen.
- 37
Die Kündigung sei auch nicht gegenüber dem Kläger gemäß § 174 BGB rechtsunwirksam. Der Kündigungsempfänger sei nach § 174 BGB zur Zurückweisung der Kündigung befugt, wenn er keine Gewissheit habe, ob der Erklärende wirklich bevollmächtigt sei und der Vertretene die Erklärung gegen sich geltend lassen müsse.
- 38
Eine solche Ungewissheit bestehe nicht, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmer allgemein darüber in Kenntnis gesetzt habe, dass ein bestimmter Mitarbeiter zu derartigen Erklärungen wie einer Kündigung bevollmächtigt sei.
- 39
Nach der Rechtsprechung bedeute die Berufung eines Mitarbeiters in die Stellung als Leiter der Personalabteilung, als Prokurist oder als Generalbevollmächtigter in der Regel, dass die Arbeitnehmer des Betriebs auch im Sinne des § 174 S. 2 BGB davon in Kenntnis gesetzt seien, dass der Betreffende zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen berechtigt sei.
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Der Kläger, der sich darauf berufe, er sei auf einer höheren Ebene tätig gewesen als die Zeugin H , da er der Geschäftsleitung direkt unterstellt gewesen sei, wisse bzw. müsse wissen, wie die Führungsstruktur bei der Beklagten aufgebaut sei. Als Niederlassungsleiter habe er mit den übrigen Führungspersonen am Hauptsitz der Beklagten, insbesondere mit der Personalleiterin, zu kommunizieren und im Team mit diesen tätig zu werden müssen. Der Kläger müsse sich deshalb zumindest so behandeln lassen, dass er die Hierarchieebene bei der Beklagten und die insoweit handelnden maßgeblichen Personen gekannt habe.
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Es komme hinzu, dass das Kündigungsschreiben vom 28. 4. 2008 ausdrücklich ausweise, das die Zeugin H als Personalleiterin tätig geworden ist. Dem Kläger sei aufgrund der – wenn auch kurzen – Zusammenarbeit bekannt gewesen, welche Person dieses Kündigungsschreiben unterzeichnet habe.
- 42
Als Leiterin der Personalabteilung sei die Zeugin H berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis des Klägers zu kündigen.
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Soweit der Kläger im letzten Schriftsatz vom 8. 5. 2009 nunmehr die Stellung der Zeugin H als Personalleiterin anzweifele, sei dies unsubstantiiert und daher unbeachtlich.
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Es spiele auch - entgegen der Auffassung des Klägers - keine Rolle, wenn der Personalleiter im Innenverhältnis mit der Vollmacht eingeschränkt sei. Es komme vielmehr alleine darauf an, ob die Person in die entsprechende Stellung berufen worden sei, sie also im Außenverhältnis zur Vertretung berechtigt sei. Sofern der Personalleiter zu sämtlichen Kündigungen im Außenverhältnis berechtigt sei, was die Beklagte schriftsätzlich ausdrücklich erklärt habe, sei deshalb eine interne Einschränkung unbeachtlich.
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Auch seien im konkreten Fall keine Umstände ersichtlich, dass sich die Position des Personalleiters für einen objektiven Betrachter so darstelle, dass eine Kündigungsbefugnis auf der Ebene eines Niederlassungsleiters nicht vorhanden sei. Entgegen der Wertung des Klägers sei nicht erkennbar, dass der Kläger auf einer höheren Hierarchieebene tätig gewesen sei als die Zeugin H . Beide Bereiche unterstünden direkt der Geschäftsleitung, wobei jedoch die Zeugin H unstreitig die Personalverantwortung für die gesamte Unternehmensgruppe der Beklagten getragen habe. Selbst wenn der Kläger auf einer höheren Hierarchieebene gestanden hätte als die Zeugin H , folge daraus noch keine fehlende Kündigungsbefugnis. Die Kündigungsbefugnis sei das Ergebnis der Aufgabenteilung in einer betrieblichen Organisation und nicht der von Hierarchieebenen.
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Da weitere Unwirksamkeitsgründe nicht ersichtlich seien, sei die Kündigung vom 28. 4. 2008 wirksam.
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Ergänzend wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
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Gegen dieses ihm am 9. 6. 2009 zugestellt Urteil hat der Kläger am 9. 7. 2010 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 9, 9, 2009 – an diesem Tage begründet.
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Der Kläger hält die streitbefangene Kündigung weiterhin für unwirksam.
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Er stützt diese Ansicht zunächst darauf, dass die damalige Personalleiterin H der Beklagten der Kündigung keine Vollmacht beigefügt habe und er, der Kläger, die Kündigung wegen deren Fehlens fristgemäß zurückgewiesen habe, sodann darauf, dass die Zeugin H von der Beklagten überhaupt nicht ermächtigt gewesen sei, Kündigungen insbesondere ihm, dem Kläger, in seiner Eigenschaft als Niederlassungsleiter gegenüber zu erklären.
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Deshalb stünden ihm auch die weiteren mit der Berufung geltend gemachten Leistungsansprüche gegen die Beklagte, deren Entstehen allerdings von der Unwirksamkeit der Kündigung abhingen, zu.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgericht Halle vom 20.05.2009 , Az. 3 Ca 603/08 Nmb abzuändern und zusätzlich
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1. festzustellen, das das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 28.04.2008 am 13.05.2010 aufgelöst worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht; hilfsweise festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht;
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2. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziff. 1, insgesamt die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere Urlaubsabgeltung in Höhe von 923,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.05.2008 zu zahlen.
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3. die Beklagte im Falle des Obsiegens des Klägers mit dem Antrag zu Ziffer 1 zu verurteilen, den Kläger zu den Bedingungen des Arbeitsverhältnisses vom 29.10.2007 in Vollzeit zu einem Bruttomonatsgehalt von 5.000,00 € bis zum rechtskräftigen Abschluss der Bestandsstreitigkeit als PC-Leiter weiter zu beschäftigen;
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4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere Differenzvergütung für den Kalendermonat Mai 2008 in Höhe von 2.954,55 € brutto sowie 149,98 € netto abzüglich 374,24 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008 zu zahlen;
- 58
5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Mai 2008 weiteren Schadensersatz in Höhe von 460,05 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2008 zu zahlen;
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6. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Vergütung für den Kalendermonat Juni 2008 in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 264,67 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2008 zu zahlen;
- 60
7. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Juni 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2008 zu zahlen;
- 61
8. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Juli 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008 zu zahlen;
- 62
9. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Juli 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008 zu zahlen;
- 63
10. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat August 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2008 zu zahlen;
- 64
11. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat August 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2008 zu zahlen;
- 65
12. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat September 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2008 zu zahlen;
- 66
13. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat September 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2008 zu zahlen;
- 67
14. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Oktober 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2008 zu zahlen;
- 68
15. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Oktober 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2008 zu zahlen;
- 69
16. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat November 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen;
- 70
17. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat November 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen;
- 71
18. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Dezember 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2009 zu zahlen;
- 72
19. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Dezember 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2009 zu zahlen;
- 73
20. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Januar 2009 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 240,32 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2009 zu zahlen;
- 74
21. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Januar 2009 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2009 zu zahlen;
- 75
22. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Februar 2009 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 240,32 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2009 zu zahlen;
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23. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Februar 2009 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2009 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
- 79
Ergänzend wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
- 80
Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, die Zeugin H habe Kündigungsbefugnis gehabt, insbesondere bezüglich des Klägers als Niederlassungsleiter, durch Vernehmung der Zeugin H .
- 81
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 9. 6. 2010 (Bl. 412 – 417 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
- 82
Der Antrag der Beklagten auf Zurückweisung der Berufung ist zulässig und begründet.
- 83
Die Beklagte war im Verfahren ordnungsgemäß vertreten, und in der Sache hat das Arbeitsgericht die Feststellungsklage bezüglich der Unwirksamkeit der streitbefangenen Kündigung zu Recht zurückgewiesen.
II.
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Die Beklagte war ordnungsgemäß vertreten.
- 85
1. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Rechtsanwalt K in der mündlichen Verhandlung vom 9. 6. 2010 ausdrücklich den Mangel der Vollmacht des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, Rechtsanwalt Dr. B , gerügt. Darüber hinaus hat er gerügt, dass alle der Sozietät D… – angehörenden Rechtsanwälte von der Beklagten zur Führung des vorliegenden Verfahrens nicht bevollmächtigt seien.
- 86
2. Zutreffend ist insoweit, dass Rechtsanwalt Dr. B erklärt hat, eine schriftliche Vollmacht der Beklagten nicht vorlegen zu können. Allerdings hat Rechtsanwalt Dr. B den Rechtsstreit bereits seit seiner Klagerwiderung vom 26. 5. 2008 und damit seit über zwei Jahren für die Beklagte geführt. Er hat die Beklagte in den mündlichen Verhandlungen erster Instanz vertreten. In der mündlichen Verhandlung vom 20. 5. 2009 hat Rechtsanwalt Dr. B eine ihm vom zum persönlichen Erscheinen geladenen Geschäftsführer Dr. T der Beklagten ausgestellte Vollmacht vorgelegt, ohne dass der Kläger den Mangel der Vollmacht gerügt hat.
- 87
3. Damit steht zum einen fest, dass der Geschäftsführer der Beklagten jedenfalls ihren Prozessbevollmächtigten Dr. B zumindest konkludent zur Führung des vorliegenden Verfahrens bevollmächtigt hat. Zum anderen hat der Kläger sein evtl. Recht, den Mangel der Vollmacht bezüglich der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu rügen, angesichts der nun über zwei Jahre andauernden Prozessführung einschließlich der streitigen Antragstellung in der Kammerverhandlung erster Instanz verwirkt.
II.
- 88
Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist durch die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 28. 4. 2008 zum 13. 5. 2008 beendet worden. Dem Kläger stehen daher die geltend gemachten Beträge, die den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den Kündigungstermin hinaus voraussetzten nicht zu.
- 89
1. Der Kläger war im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch keine sechs Monate im Betrieb (§ 1 Abs. 1 KSchG) und kann sich daher mangels Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht auf eine soziale Ungerechtfertigkeit der Kündigung berufen.
- 90
2. a) Die Kündigungserklärung stammt von der damaligen Personalleiterin der Beklagten, der Zeugin H . Der Kläger hat (zunächst) bestritten, dass die Geschäftsführung der Beklagten Frau H bevollmächtigt hat, Kündigungen namens der Beklagten zu erklären. Sodann hat er bestritten, dass die Zeugin H bevollmächtigt gewesen sei, ihm, dem Kläger, gegenüber eine im Verhältnis zu der Beklagten wirksame Kündigung zu erklären.
- 91
b) Allerdings hat die Zeugin H im Rahmen ihrer Vernehmung klar und unmissverständlich bestätigt, für den Ausspruch von Kündigungen gegenüber den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Beklagten, auch gegenüber Niederlassungsleitern, von der Geschäftsleitung ermächtigt und damit bevollmächtigt worden zu sein.
- 92
Somit ist festzustellen, dass die (damalige) Personalleiterin, die Zeugin H , ermächtigt gewesen ist, die Kündigung des Klägers mit Wirkung für die Beklagte zu erklären. Eine Kündigung eines Nichtberechtigten (hierzu instruktiv BAG 26. 3. 2009 - 2 AZR 403/07 - AP Nr. 70 zu § 4 KSchG 1979 = NZA 2009, 1146 = BB 2009, 1749 mit Anm. Berkowsky BB 2010, 1149) liegt deshalb nicht vor.
- 93
c) Ob die Zeugin H „Personalleiterin“ gewesen ist oder nicht, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Der Begriff der „Personalleiterin“ ist ein Funktionsbegriff, der keinen feststehenden Inhalt hat und an sich über die Frage, ob jemand, der innerbetrieblich mit dem Begriff „Personalleiter“ bezeichnet wird, namens des Arbeitgebers kündigungsberechtigt ist, nichts aussagt. Die Bezeichnung als „Personalleiter“ kann nur dann Bedeutung gewinnen, wenn es um die Frage geht, ob die (vorausgesetzte) materielle Kündigungsbefugnis dadurch, dass der betreffende Mitarbeiter als „Personalleiter“ eingesetzt worden ist und als solcher gegenüber den übrigen Mitarbeitern des Betriebs auftritt, als im Sinne von § 174 S. 2 BGB hinreichend zur „Kenntnis“ gegeben worden ist, so dass die Vorlage einer Vollmacht gerade wegen dieser – vorausgesetzten – Kenntnis nicht verlangt werden kann. (BAG 20. 8. 1997 - 2 AZR 518/96 – AP Nr. 11 Zu § 620 BGB Kündigungserklärung = NZA 1997, 1343; BAG 29. 6. 1989 – 2 AZR 482/88 – AP Nr. 7 zu § 174 BGB).
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3. Die Kündigung ist auch nicht gegenüber dem Kläger gemäß § 174 BGB unwirksam. Nach dieser Vorschrift ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist dann ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.
- 95
a) § 174 BGB setzt zunächst voraus, dass der Kündigungserklärende materiell kündigungsbefugt war, im Zweifel also entsprechend bevollmächtigt war (§ 174 BGB spricht davon, dass ein Bevollmächtigter das einseitige Rechtsgeschäft vornimmt – ein Umstand, der in der arbeitsrechtlichen Tagespraxis oft nicht hinreichend berücksichtigt wird). Ist dies nicht der Fall, bedarf es der Zurückweisung nicht; es handelt sich dann um eine Kündigung eines Nichtberechtigten, die dem Berechtigten, hier der Arbeitgeberin, sowieso nicht zuzurechnen wäre (hierzu bereits oben Ziff. II, 2.). Die Voraussetzung der Bevollmächtigung ist vorliegend gegeben (s. oben Ziff. II 2.).
- 96
b) In diesem Fall ist ein Kündigungsempfänger nach § 174 BGB zur Zurückweisung der Kündigung befugt, wenn er keine Gewissheit hat, ob der Erklärende wirklich bevollmächtigt ist und der Vertretene die Erklärung gegen sich geltend lassen muss (BAG 22. 1. 1998 - 2 AZR 267/97 - AP Nr. 97 zu § 102 BetrVG 1972; BAG 6. 2. 1997 - 2 AZR 128/96 - AP Nr. 10 zu § 620 BGB Kündigungserklärung sowie BAG 29. 10. 1992 - 2 AZR 460/92 - AP Nr. 10 zu § 174 BGB;).
- 97
c) Eine solche Ungewissheit besteht nach der st. Rechtsprechung des BAG dann nicht, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmer allgemein darüber in Kenntnis gesetzt hat, dass ein bestimmter Mitarbeiter zu derartigen Erklärungen wie einer Kündigung bevollmächtigt ist. Dieses kann etwa dadurch geschehen, dass im Betrieb allgemein bekannt gemacht wird, dass eine bestimmte Person zur Kündigung berechtigt ist oder dadurch, dass der betreffende Mitarbeiter in eine Stellung berufen wird, mit der das Kündigungsrecht regelmäßig verbunden ist (so schon BAG 30. 5. 1972 - 2 AZR 298/71 - AP Nr. 1 zu § 174 BGB).
- 98
Nach dieser ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bedeutet die Berufung eines Mitarbeiters in die Stellung als Leiter der Personalabteilung , als Prokurist oder als Generalbevollmächtigter in der Regel, dass die Arbeitnehmer des Betriebs auch im Sinne des § 174 S. 2 BGB davon in Kenntnis gesetzt sind, dass der Betreffende zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen berechtigt ist (BAG 22. 1. 1998 - 2 AZR 267/97 - AP Nr. 97 zu § 102 BetrVG 1972).
- 99
d) Der Kläger beruft sich darauf, er sei auf einer höheren Ebene tätig gewesen sei als die Personalleiterin Frau H , da er der Geschäftsleitung direkt unterstellt gewesen sei.
- 100
aa) Ob dieser Umstand so zutrifft oder nicht, braucht nicht näher geprüft zu werden. denn auf die hierarchische Stellung der betreffenden Mitarbeiter kommt es in diesem Zusammenhang nicht entscheidend an. Es kommt vielmehr darauf an, ob die kündigende Person – hier die Zeugin H – rechtsgeschäftlich bevollmächtigt war, gegenüber dem Kläger eine gegenüber der Beklagten wirksame Kündigungserklärung abzugeben, und ob der Kläger über diese Befugnis hinreichend „in Kenntnis gesetzt“ (i. S. von § 174 S. 2 BGB) worden ist.
- 101
bb) Die bestehende Bevollmächtigung ist aufgrund der Beweisaufnahme festgestellt (s. o. II. 2. b).
- 102
cc) Die Zeugin H fungierte bei der Beklagten unter der Funktionsbezeichnung „Personalleiterin“. In dieser Funktion hatte sie auch das Kündigungsschreiben vom 28. 4. 2008 erstellt und dies ausdrücklich ausgewiesen vgl. Bl. 15 d. A.). Nach der bereits zitierten st. Rechtsprechung des BAG setzt der Arbeitgeber seine Mitarbeiter von einer bestehenden Kündigungsbefugnis in der Regel in Kenntnis, wenn er ihn in der Funktion und mit der entsprechenden Bezeichnung tätig werden lässt. Insoweit weist der Kläger an sich zutreffend darauf hin, dass dies nur „ in der Regel “ gelte. Jedoch kann vorliegend ein Ausnahmefall, in dem festgestellt werden könnte, dass die Bezeichnung der Zeugin H als „Personalleiterin“ keine „In-Kenntnis-Setzung“ (auch) des Klägers von deren Kündigungsbefugnis bedeute, nicht angenommen werden. Der Kläger war Niederlassungsleiter, und es wird ihm nicht verborgen geblieben sein, dass die Zeugin H Einstellungen und Entlassungen vorgenommen hat, und damit ihre Funktionsbezeichnung auch praktisch umgesetzt hat. Wenn der Kläger nun für sich in Anspruch nimmt, das gelte aber nicht für ihn, und sich dabei insbesondere auf seine „höhere Hierarchieebene“ stützt, so ist dies letztlich nicht überzeugend.
III.
- 103
Die streitbefangene Kündigung ist wirksam.
- 104
Daraus folgt, dass die weitergehend geltend gemachten Ansprüche des Klägers, deren Begründetheit von der Unwirksamkeit der Kündigung abhängen, ebenfalls unbegründet sind.
- 105
Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 20. 05. 2009 – 3 (7) Ca 603/08 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses, Weiterbeschäftigung, Vergütung und Schadensersatz.
- 2
Der 1952 geborene und verheiratete Kläger war bei der Beklagten seit dem 29. 10. 2007 als PC-Leiter (= Profitcenter-Leiter = Niederlassungsleiter) in U gemäß Arbeitsvertrages vom 29. 10. 2007 beschäftigt. Danach gelten die ersten 6 Monate als Probezeit, in der das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit einer Frist von 14 Kalendertagen gekündigt werden kann. Die Monatsvergütung des Klägers setzte sich zusammen aus 5.000,00 Euro brutto Gehalt sowie dem Arbeitgeberzuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die Beklagte hatte dem Kläger außerdem die Nutzung eines Dienst-PKW zugesagt. Für die unter Anderem private Nutzung des PKW durch den Kläger rechnete die Beklagte im Monat April 2007 einen Betrag in Höhe von 792,30 Euro brutto ab.
- 3
Wegen des weiteren Inhalts dieses Arbeitsvertrages wird auf Blatt 17-20 der Akte verwiesen.
- 4
Die Beklagte kündigte dem Kläger am 28. 4. 2008 fristgemäß innerhalb der Probezeit zum 13.05.2008. Das Kündigungsschreiben vom 28. 4. 2008 wurde von der damaligen Personalleiterin, der Zeugin H , unterschrieben. Mit einem weiteren Schreiben vom 28. 4. 2008, welches ebenfalls die Unterschrift der damaligen Personalleiterin, der Zeugin H trägt, stellte die Beklagte den Kläger widerruflich unter Fortzahlung des Monatslohns bis zum 13. 5. 2008 von der Arbeitsleistung frei. Damit sollten bestehende Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche abgegolten werden. Im Rahmen der Übergabe des Kündigungsschreibens am 28. 4. 2008 gab der Kläger auf Weisung der Beklagten u.a. den Dienst-PKW zurück. In der Zeit vom 29. 4. 2008 bis zum 23. 5. 2008 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Die Kündigung vom 28. 4. 2008 wies der Kläger mit Schreiben vom 29. 4. 2008 wegen Vollmachtslosigkeit der Unterzeichnerin zurück.
- 5
Der Kläger hält die streitbefangene Kündigung für unwirksam und begehrt in Abhängigkeit etwaigens Unterliegens Urlaubsabgeltung. Der Kläger verfolgt weiter Zahlungsansprüche auf Vergütung und Schadensersatz wegen Nutzungsentziehung des Dienst-PKW sowie im Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsanträgen Weiterbeschäftigungsansprüche.
- 6
Der Kläger hat gemeint, die Kündigung 2008 sei wegen Vollmachtslosigkeit unwirksam. Die damalige Personalleiterin, die Zeugin H , habe keine Vollmacht zu seiner Kündigung gehabt. Er sei als Niederlassungsleiter gemäß seiner Stellenbeschreibung direkt der Geschäftsführung der Beklagten unterstellt gewesen. Die Zeugin H habe ihn in Personalfragen lediglich beraten; alle Personalangelegenheiten von Relevanz (Einstellungen und Kündigungen) der Niederlassung in U seien ausschließlich direkt zwischen ihm und der Geschäftsführung der Beklagten abgestimmt worden. Daher sei die Zeugin H eine in der Unternehmenshierarchie ihm, dem Kläger, untergeordnete Mitarbeiterin der Beklagten gewesen, die keine Vollmacht gehabt habe, Arbeitnehmer in Leitungspositionen wie ihn, den Kläger, zu kündigen.
- 7
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- 8
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 28.04.2008 am 13.05.2008 aufgelöst worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht; hilfsweise festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht;
- 9
2. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziffer 1 insgesamt die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Urlaubsabgeltung in Höhe von 5.076,94 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.05.2008 zu zahlen;
- 10
3. die Beklagte im Falle des Obsiegens des Klägers mit dem Antrag zu Ziffer 1 zu verurteilen, den Kläger zu den Bedingungen des Arbeitsverhältnisses vom 29.10.2007 in Vollzeit zu einem Bruttomonatsgehalt von 5.000,00 € bis zum rechtskräftigen Abschluss der Bestandsstreitigkeit als PC-Leiter weiter zu beschäftigen;
- 11
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Differenzvergütung für den Kalendermonat Mai 2008 in Höhe von 3.250,00 € brutto sowie 149,98 € netto abzüglich 376,24 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2008 zu zahlen;
- 12
5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Mai 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2008 zu zahlen;
- 13
6. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Vergütung für den Kalendermonat Juni 2008 in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 264,67 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2008 zu zahlen;
- 14
7. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Juni 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2008 zu zahlen;
- 15
8. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Juli 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008 zu zahlen;
- 16
9. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Juli 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008 zu zahlen;
- 17
10. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat August 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2008 zu zahlen;
- 18
11. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat August 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2008 zu zahlen;
- 19
12. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat September 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2008 zu zahlen;
- 20
13. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat September 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2008 zu zahlen;
- 21
14. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Oktober 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2008 zu zahlen;
- 22
15. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Oktober 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2008 zu zahlen;
- 23
16. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat November 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen;
- 24
17. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat November 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen;
- 25
18. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Dezember 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2009 zu zahlen;
- 26
19. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Dezember 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2009 zu zahlen;
- 27
20. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Januar 2009 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 240,32 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2009 zu zahlen;
- 28
21. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Januar 2009 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2009 zu zahlen;
- 29
22. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Februar 2009 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 240,32 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2009 zu zahlen;
- 30
23. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Februar 2009 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2009 zu zahlen.
- 31
Die Beklagte hat beantragt,
- 32
die Klage abzuweisen.
- 33
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Zeugin H sei nicht verpflichtet gewesen, dem Kündigungsschreiben vom 28. 4. 2008 eine Kündigungsvollmacht beizufügen. Der Kläger habe auf Grund der Stellung der Zeugin H als Personalleiterin, die er auch gekannt habe, erkennen können, dass sie zu seiner Kündigung berechtigt gewesen sei. Die Zeugin H war – unstreitig - Personalleiterin für alle Unternehmen der Unternehmensgruppe der Beklagten. Zu dieser zählen auch die F GmbH , die MKL GmbH , die asb GmbH sowie die Luckenwalder Fl GmbH . Die Zeugin H gehöre daher der erweiterten Unternehmensführung an und habe daher hierarchisch über dem Kläger gestanden. Der Kläger habe aus eigener Befugnis heraus weder einstellen noch entlassen können. Selbst Abmahnungen seien mit Frau H zunächst abgestimmt worden.
- 34
Wegen der weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Parteivorbringens wird auf die in der ersten Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
- 35
Mit Urteil vom 20. 5. 2009 hat das Arbeitsgericht die Klage weitestgehend abgewiesen. Es hat entschieden, das Arbeitsverhältnis des Klägers sei durch die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 28.04.2008 zum 13.05.2008 beendet worden. Dem Kläger stünde daher die geltend gemachte Vergütung anteilig nur bis zu diesem Zeitpunkt, anteilige Urlaubsabgeltung für das Kalenderjahr 2008 sowie anteiliger Schadensersatz für den Entzug des Dienst-PKW bis zum 13. 5. 2008 zu.
- 36
Der Kläger sei im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch keine sechs Monate im Betrieb der Beklagten beschäftigt gewesen (§ 1 Abs. 1 KSchG) und könne sich daher mangels Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht auf die soziale Ungerechtigkeit der Kündigung berufen.
- 37
Die Kündigung sei auch nicht gegenüber dem Kläger gemäß § 174 BGB rechtsunwirksam. Der Kündigungsempfänger sei nach § 174 BGB zur Zurückweisung der Kündigung befugt, wenn er keine Gewissheit habe, ob der Erklärende wirklich bevollmächtigt sei und der Vertretene die Erklärung gegen sich geltend lassen müsse.
- 38
Eine solche Ungewissheit bestehe nicht, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmer allgemein darüber in Kenntnis gesetzt habe, dass ein bestimmter Mitarbeiter zu derartigen Erklärungen wie einer Kündigung bevollmächtigt sei.
- 39
Nach der Rechtsprechung bedeute die Berufung eines Mitarbeiters in die Stellung als Leiter der Personalabteilung, als Prokurist oder als Generalbevollmächtigter in der Regel, dass die Arbeitnehmer des Betriebs auch im Sinne des § 174 S. 2 BGB davon in Kenntnis gesetzt seien, dass der Betreffende zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen berechtigt sei.
- 40
Der Kläger, der sich darauf berufe, er sei auf einer höheren Ebene tätig gewesen als die Zeugin H , da er der Geschäftsleitung direkt unterstellt gewesen sei, wisse bzw. müsse wissen, wie die Führungsstruktur bei der Beklagten aufgebaut sei. Als Niederlassungsleiter habe er mit den übrigen Führungspersonen am Hauptsitz der Beklagten, insbesondere mit der Personalleiterin, zu kommunizieren und im Team mit diesen tätig zu werden müssen. Der Kläger müsse sich deshalb zumindest so behandeln lassen, dass er die Hierarchieebene bei der Beklagten und die insoweit handelnden maßgeblichen Personen gekannt habe.
- 41
Es komme hinzu, dass das Kündigungsschreiben vom 28. 4. 2008 ausdrücklich ausweise, das die Zeugin H als Personalleiterin tätig geworden ist. Dem Kläger sei aufgrund der – wenn auch kurzen – Zusammenarbeit bekannt gewesen, welche Person dieses Kündigungsschreiben unterzeichnet habe.
- 42
Als Leiterin der Personalabteilung sei die Zeugin H berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis des Klägers zu kündigen.
- 43
Soweit der Kläger im letzten Schriftsatz vom 8. 5. 2009 nunmehr die Stellung der Zeugin H als Personalleiterin anzweifele, sei dies unsubstantiiert und daher unbeachtlich.
- 44
Es spiele auch - entgegen der Auffassung des Klägers - keine Rolle, wenn der Personalleiter im Innenverhältnis mit der Vollmacht eingeschränkt sei. Es komme vielmehr alleine darauf an, ob die Person in die entsprechende Stellung berufen worden sei, sie also im Außenverhältnis zur Vertretung berechtigt sei. Sofern der Personalleiter zu sämtlichen Kündigungen im Außenverhältnis berechtigt sei, was die Beklagte schriftsätzlich ausdrücklich erklärt habe, sei deshalb eine interne Einschränkung unbeachtlich.
- 45
Auch seien im konkreten Fall keine Umstände ersichtlich, dass sich die Position des Personalleiters für einen objektiven Betrachter so darstelle, dass eine Kündigungsbefugnis auf der Ebene eines Niederlassungsleiters nicht vorhanden sei. Entgegen der Wertung des Klägers sei nicht erkennbar, dass der Kläger auf einer höheren Hierarchieebene tätig gewesen sei als die Zeugin H . Beide Bereiche unterstünden direkt der Geschäftsleitung, wobei jedoch die Zeugin H unstreitig die Personalverantwortung für die gesamte Unternehmensgruppe der Beklagten getragen habe. Selbst wenn der Kläger auf einer höheren Hierarchieebene gestanden hätte als die Zeugin H , folge daraus noch keine fehlende Kündigungsbefugnis. Die Kündigungsbefugnis sei das Ergebnis der Aufgabenteilung in einer betrieblichen Organisation und nicht der von Hierarchieebenen.
- 46
Da weitere Unwirksamkeitsgründe nicht ersichtlich seien, sei die Kündigung vom 28. 4. 2008 wirksam.
- 47
Ergänzend wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
- 48
Gegen dieses ihm am 9. 6. 2009 zugestellt Urteil hat der Kläger am 9. 7. 2010 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 9, 9, 2009 – an diesem Tage begründet.
- 49
Der Kläger hält die streitbefangene Kündigung weiterhin für unwirksam.
- 50
Er stützt diese Ansicht zunächst darauf, dass die damalige Personalleiterin H der Beklagten der Kündigung keine Vollmacht beigefügt habe und er, der Kläger, die Kündigung wegen deren Fehlens fristgemäß zurückgewiesen habe, sodann darauf, dass die Zeugin H von der Beklagten überhaupt nicht ermächtigt gewesen sei, Kündigungen insbesondere ihm, dem Kläger, in seiner Eigenschaft als Niederlassungsleiter gegenüber zu erklären.
- 51
Deshalb stünden ihm auch die weiteren mit der Berufung geltend gemachten Leistungsansprüche gegen die Beklagte, deren Entstehen allerdings von der Unwirksamkeit der Kündigung abhingen, zu.
- 52
Der Kläger beantragt,
- 53
das Urteil des Arbeitsgericht Halle vom 20.05.2009 , Az. 3 Ca 603/08 Nmb abzuändern und zusätzlich
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1. festzustellen, das das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 28.04.2008 am 13.05.2010 aufgelöst worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht; hilfsweise festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht;
- 55
2. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziff. 1, insgesamt die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere Urlaubsabgeltung in Höhe von 923,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.05.2008 zu zahlen.
- 56
3. die Beklagte im Falle des Obsiegens des Klägers mit dem Antrag zu Ziffer 1 zu verurteilen, den Kläger zu den Bedingungen des Arbeitsverhältnisses vom 29.10.2007 in Vollzeit zu einem Bruttomonatsgehalt von 5.000,00 € bis zum rechtskräftigen Abschluss der Bestandsstreitigkeit als PC-Leiter weiter zu beschäftigen;
- 57
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere Differenzvergütung für den Kalendermonat Mai 2008 in Höhe von 2.954,55 € brutto sowie 149,98 € netto abzüglich 374,24 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008 zu zahlen;
- 58
5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Mai 2008 weiteren Schadensersatz in Höhe von 460,05 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2008 zu zahlen;
- 59
6. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Vergütung für den Kalendermonat Juni 2008 in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 264,67 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2008 zu zahlen;
- 60
7. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Juni 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2008 zu zahlen;
- 61
8. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Juli 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008 zu zahlen;
- 62
9. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Juli 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008 zu zahlen;
- 63
10. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat August 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2008 zu zahlen;
- 64
11. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat August 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2008 zu zahlen;
- 65
12. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat September 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2008 zu zahlen;
- 66
13. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat September 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2008 zu zahlen;
- 67
14. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Oktober 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2008 zu zahlen;
- 68
15. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Oktober 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2008 zu zahlen;
- 69
16. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat November 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen;
- 70
17. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat November 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen;
- 71
18. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Dezember 2008 Vergütung in Höhe von 5.000,00 brutto sowie 266,13 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2009 zu zahlen;
- 72
19. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Dezember 2008 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2009 zu zahlen;
- 73
20. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Januar 2009 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 240,32 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2009 zu zahlen;
- 74
21. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Januar 2009 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2009 zu zahlen;
- 75
22. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Februar 2009 Vergütung in Höhe von 5.000,00 € brutto sowie 240,32 € netto abzüglich 1.410,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2009 zu zahlen;
- 76
23. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Kalendermonat Februar 2009 Schadensersatz in Höhe von 792,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2009 zu zahlen.
- 77
Die Beklagte beantragt,
- 78
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
- 79
Ergänzend wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
- 80
Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, die Zeugin H habe Kündigungsbefugnis gehabt, insbesondere bezüglich des Klägers als Niederlassungsleiter, durch Vernehmung der Zeugin H .
- 81
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 9. 6. 2010 (Bl. 412 – 417 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
- 82
Der Antrag der Beklagten auf Zurückweisung der Berufung ist zulässig und begründet.
- 83
Die Beklagte war im Verfahren ordnungsgemäß vertreten, und in der Sache hat das Arbeitsgericht die Feststellungsklage bezüglich der Unwirksamkeit der streitbefangenen Kündigung zu Recht zurückgewiesen.
II.
- 84
Die Beklagte war ordnungsgemäß vertreten.
- 85
1. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Rechtsanwalt K in der mündlichen Verhandlung vom 9. 6. 2010 ausdrücklich den Mangel der Vollmacht des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, Rechtsanwalt Dr. B , gerügt. Darüber hinaus hat er gerügt, dass alle der Sozietät D… – angehörenden Rechtsanwälte von der Beklagten zur Führung des vorliegenden Verfahrens nicht bevollmächtigt seien.
- 86
2. Zutreffend ist insoweit, dass Rechtsanwalt Dr. B erklärt hat, eine schriftliche Vollmacht der Beklagten nicht vorlegen zu können. Allerdings hat Rechtsanwalt Dr. B den Rechtsstreit bereits seit seiner Klagerwiderung vom 26. 5. 2008 und damit seit über zwei Jahren für die Beklagte geführt. Er hat die Beklagte in den mündlichen Verhandlungen erster Instanz vertreten. In der mündlichen Verhandlung vom 20. 5. 2009 hat Rechtsanwalt Dr. B eine ihm vom zum persönlichen Erscheinen geladenen Geschäftsführer Dr. T der Beklagten ausgestellte Vollmacht vorgelegt, ohne dass der Kläger den Mangel der Vollmacht gerügt hat.
- 87
3. Damit steht zum einen fest, dass der Geschäftsführer der Beklagten jedenfalls ihren Prozessbevollmächtigten Dr. B zumindest konkludent zur Führung des vorliegenden Verfahrens bevollmächtigt hat. Zum anderen hat der Kläger sein evtl. Recht, den Mangel der Vollmacht bezüglich der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu rügen, angesichts der nun über zwei Jahre andauernden Prozessführung einschließlich der streitigen Antragstellung in der Kammerverhandlung erster Instanz verwirkt.
II.
- 88
Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist durch die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 28. 4. 2008 zum 13. 5. 2008 beendet worden. Dem Kläger stehen daher die geltend gemachten Beträge, die den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den Kündigungstermin hinaus voraussetzten nicht zu.
- 89
1. Der Kläger war im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch keine sechs Monate im Betrieb (§ 1 Abs. 1 KSchG) und kann sich daher mangels Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht auf eine soziale Ungerechtfertigkeit der Kündigung berufen.
- 90
2. a) Die Kündigungserklärung stammt von der damaligen Personalleiterin der Beklagten, der Zeugin H . Der Kläger hat (zunächst) bestritten, dass die Geschäftsführung der Beklagten Frau H bevollmächtigt hat, Kündigungen namens der Beklagten zu erklären. Sodann hat er bestritten, dass die Zeugin H bevollmächtigt gewesen sei, ihm, dem Kläger, gegenüber eine im Verhältnis zu der Beklagten wirksame Kündigung zu erklären.
- 91
b) Allerdings hat die Zeugin H im Rahmen ihrer Vernehmung klar und unmissverständlich bestätigt, für den Ausspruch von Kündigungen gegenüber den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Beklagten, auch gegenüber Niederlassungsleitern, von der Geschäftsleitung ermächtigt und damit bevollmächtigt worden zu sein.
- 92
Somit ist festzustellen, dass die (damalige) Personalleiterin, die Zeugin H , ermächtigt gewesen ist, die Kündigung des Klägers mit Wirkung für die Beklagte zu erklären. Eine Kündigung eines Nichtberechtigten (hierzu instruktiv BAG 26. 3. 2009 - 2 AZR 403/07 - AP Nr. 70 zu § 4 KSchG 1979 = NZA 2009, 1146 = BB 2009, 1749 mit Anm. Berkowsky BB 2010, 1149) liegt deshalb nicht vor.
- 93
c) Ob die Zeugin H „Personalleiterin“ gewesen ist oder nicht, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Der Begriff der „Personalleiterin“ ist ein Funktionsbegriff, der keinen feststehenden Inhalt hat und an sich über die Frage, ob jemand, der innerbetrieblich mit dem Begriff „Personalleiter“ bezeichnet wird, namens des Arbeitgebers kündigungsberechtigt ist, nichts aussagt. Die Bezeichnung als „Personalleiter“ kann nur dann Bedeutung gewinnen, wenn es um die Frage geht, ob die (vorausgesetzte) materielle Kündigungsbefugnis dadurch, dass der betreffende Mitarbeiter als „Personalleiter“ eingesetzt worden ist und als solcher gegenüber den übrigen Mitarbeitern des Betriebs auftritt, als im Sinne von § 174 S. 2 BGB hinreichend zur „Kenntnis“ gegeben worden ist, so dass die Vorlage einer Vollmacht gerade wegen dieser – vorausgesetzten – Kenntnis nicht verlangt werden kann. (BAG 20. 8. 1997 - 2 AZR 518/96 – AP Nr. 11 Zu § 620 BGB Kündigungserklärung = NZA 1997, 1343; BAG 29. 6. 1989 – 2 AZR 482/88 – AP Nr. 7 zu § 174 BGB).
- 94
3. Die Kündigung ist auch nicht gegenüber dem Kläger gemäß § 174 BGB unwirksam. Nach dieser Vorschrift ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist dann ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.
- 95
a) § 174 BGB setzt zunächst voraus, dass der Kündigungserklärende materiell kündigungsbefugt war, im Zweifel also entsprechend bevollmächtigt war (§ 174 BGB spricht davon, dass ein Bevollmächtigter das einseitige Rechtsgeschäft vornimmt – ein Umstand, der in der arbeitsrechtlichen Tagespraxis oft nicht hinreichend berücksichtigt wird). Ist dies nicht der Fall, bedarf es der Zurückweisung nicht; es handelt sich dann um eine Kündigung eines Nichtberechtigten, die dem Berechtigten, hier der Arbeitgeberin, sowieso nicht zuzurechnen wäre (hierzu bereits oben Ziff. II, 2.). Die Voraussetzung der Bevollmächtigung ist vorliegend gegeben (s. oben Ziff. II 2.).
- 96
b) In diesem Fall ist ein Kündigungsempfänger nach § 174 BGB zur Zurückweisung der Kündigung befugt, wenn er keine Gewissheit hat, ob der Erklärende wirklich bevollmächtigt ist und der Vertretene die Erklärung gegen sich geltend lassen muss (BAG 22. 1. 1998 - 2 AZR 267/97 - AP Nr. 97 zu § 102 BetrVG 1972; BAG 6. 2. 1997 - 2 AZR 128/96 - AP Nr. 10 zu § 620 BGB Kündigungserklärung sowie BAG 29. 10. 1992 - 2 AZR 460/92 - AP Nr. 10 zu § 174 BGB;).
- 97
c) Eine solche Ungewissheit besteht nach der st. Rechtsprechung des BAG dann nicht, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmer allgemein darüber in Kenntnis gesetzt hat, dass ein bestimmter Mitarbeiter zu derartigen Erklärungen wie einer Kündigung bevollmächtigt ist. Dieses kann etwa dadurch geschehen, dass im Betrieb allgemein bekannt gemacht wird, dass eine bestimmte Person zur Kündigung berechtigt ist oder dadurch, dass der betreffende Mitarbeiter in eine Stellung berufen wird, mit der das Kündigungsrecht regelmäßig verbunden ist (so schon BAG 30. 5. 1972 - 2 AZR 298/71 - AP Nr. 1 zu § 174 BGB).
- 98
Nach dieser ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bedeutet die Berufung eines Mitarbeiters in die Stellung als Leiter der Personalabteilung , als Prokurist oder als Generalbevollmächtigter in der Regel, dass die Arbeitnehmer des Betriebs auch im Sinne des § 174 S. 2 BGB davon in Kenntnis gesetzt sind, dass der Betreffende zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen berechtigt ist (BAG 22. 1. 1998 - 2 AZR 267/97 - AP Nr. 97 zu § 102 BetrVG 1972).
- 99
d) Der Kläger beruft sich darauf, er sei auf einer höheren Ebene tätig gewesen sei als die Personalleiterin Frau H , da er der Geschäftsleitung direkt unterstellt gewesen sei.
- 100
aa) Ob dieser Umstand so zutrifft oder nicht, braucht nicht näher geprüft zu werden. denn auf die hierarchische Stellung der betreffenden Mitarbeiter kommt es in diesem Zusammenhang nicht entscheidend an. Es kommt vielmehr darauf an, ob die kündigende Person – hier die Zeugin H – rechtsgeschäftlich bevollmächtigt war, gegenüber dem Kläger eine gegenüber der Beklagten wirksame Kündigungserklärung abzugeben, und ob der Kläger über diese Befugnis hinreichend „in Kenntnis gesetzt“ (i. S. von § 174 S. 2 BGB) worden ist.
- 101
bb) Die bestehende Bevollmächtigung ist aufgrund der Beweisaufnahme festgestellt (s. o. II. 2. b).
- 102
cc) Die Zeugin H fungierte bei der Beklagten unter der Funktionsbezeichnung „Personalleiterin“. In dieser Funktion hatte sie auch das Kündigungsschreiben vom 28. 4. 2008 erstellt und dies ausdrücklich ausgewiesen vgl. Bl. 15 d. A.). Nach der bereits zitierten st. Rechtsprechung des BAG setzt der Arbeitgeber seine Mitarbeiter von einer bestehenden Kündigungsbefugnis in der Regel in Kenntnis, wenn er ihn in der Funktion und mit der entsprechenden Bezeichnung tätig werden lässt. Insoweit weist der Kläger an sich zutreffend darauf hin, dass dies nur „ in der Regel “ gelte. Jedoch kann vorliegend ein Ausnahmefall, in dem festgestellt werden könnte, dass die Bezeichnung der Zeugin H als „Personalleiterin“ keine „In-Kenntnis-Setzung“ (auch) des Klägers von deren Kündigungsbefugnis bedeute, nicht angenommen werden. Der Kläger war Niederlassungsleiter, und es wird ihm nicht verborgen geblieben sein, dass die Zeugin H Einstellungen und Entlassungen vorgenommen hat, und damit ihre Funktionsbezeichnung auch praktisch umgesetzt hat. Wenn der Kläger nun für sich in Anspruch nimmt, das gelte aber nicht für ihn, und sich dabei insbesondere auf seine „höhere Hierarchieebene“ stützt, so ist dies letztlich nicht überzeugend.
III.
- 103
Die streitbefangene Kündigung ist wirksam.
- 104
Daraus folgt, dass die weitergehend geltend gemachten Ansprüche des Klägers, deren Begründetheit von der Unwirksamkeit der Kündigung abhängen, ebenfalls unbegründet sind.
- 105
Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.
(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.
(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.
(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat, - 2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen, - 3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt, - 4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder - 5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.
(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.
(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.
(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(7) (weggefallen)
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf materiellen und immateriellen Schadensersatz wegen gesundheitlicher Schäden in Anspruch, die bei ihr nach ihrer Behauptung aufgrund eines Verkehrsunfalls eingetreten sind, der sich Anfang Dezember 1997 ereignete. Die volle Haftung der Beklagten ist außer Streit. Die Klägerin befand sich als Beifahrerin in einem der unfallbeteiligten Fahrzeuge. Nach dem Unfall hatte sie zunächst keine gesundheitlichen Beschwerden. Später spürte sie ein Kribbeln in der linken Hand, das mit der Zeit an Intensität zunahm. Ende Januar 1998 suchte die Klägerin deswegen erstmals einen Arzt auf, der sie arbeitsunfähig schrieb. Die Schmerzen in der linken Hand nahmen zu. Es entwickelte sich das Krankheitsbild eines Morbus Sudeck. Die Krankheit hat sich inzwischen derart verschlimmert, daß es zu einer Versteifung der Hand mit geschlossenen Fingern gekommen ist. Eine Besserung ist nicht zu erwarten. Die Klägerin hat behauptet, sie habe sich bei dem Unfallmit der linken Hand am Armaturenbrett abgestützt und auf Grund der Kollision mit dem von der Beklagten zu 1 geführten Fahrzeug einen kurzen schweren Anstoß in der Hand verspürt. Aufgrund dieses Vorgangs habe sich der Morbus Sudeck entwickelt. Das Landgericht hat die Klage nach Einholung des Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Sachverständigen ergänzend gehört und die Berufung alsdann zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Klägerin nicht bewiesen, daß ihre Erkrankung an dem Morbus Sudeck eine kausale Folge des Unfallgeschehens ist, für das die Beklagten einzustehen haben. Die Klägerin müsse eine Primärverletzung nach den Grundsätzen des § 286 ZPO zur vollen Überzeugung des Gerichts beweisen. Dies sei ihr nicht gelungen. Der Sachverständige habe sein schriftliches Gutachten mündlich dahin erläutert, daß zwar auch Bagatellunfälle und Bagatellverletzungen, wie beispielsweise Prellungen oder Verstauchungen, die Sudecksche Dystrophie verursachen könnten. Das bloße Abstützen mit der Hand allein reiche jedoch als Ursache nicht aus. Es müsse schon irgendeine traumatische Einwirkung gegeben sein. Über die Frage, ob bei der Klägerin ein solches Trauma stattgefunden habe, könne er nur spekulieren. Es komme darauf an, wie die Abstützung erfolgt sei. Hierzu hebt das Berufungsgericht hervor, nach ihrem eigenen Vortrag habe die Klägerin unmittel-bar nach dem Unfall keinerlei Beschwerden beklagt. Vielmehr hätten sich Beschwerden in Form eines Kribbelns an der linken Hand erst zwei Wochen nach dem Unfallereignis eingestellt. Aus diesem Vorbringen ergebe sich nicht der juristische Tatbestand der Körperverletzung. Bei dem bloßen Spüren eines schweren Anstoßes sei die Erheblichkeitsschwelle für eine Körperverletzung noch nicht überschritten. Im übrigen reiche selbst ein schwerer Anstoß nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht aus, um einen Morbus Sudeck auszulösen. Der Senat sei deshalb mit dem Landgericht nicht vollends davon überzeugt, daß der Verkehrsunfall den Morbus Sudeck bei der Klägerin verursacht habe. In den Genuß der Beweismaßerleichterung des § 287 ZPO komme die Klägerin nicht, weil schon der Haftungsgrund in Frage stehe, der allein nach § 286 ZPO zu beweisen sei; die Anwendung des § 287 ZPO auf diese Frage wäre systemwidrig.
II.
Die dagegen gerichtete Revision ist unbegründet. 1. Die Revision macht geltend, ein schwerer Anstoß, wie ihn die Klägerin aufgrund des Zusammenstoßes der Fahrzeuge verspürt habe, sei juristisch auch dann als Körperverletzung zu qualifizieren, wenn er keine erkennbaren körperlichen Folgen nach sich ziehe. Deshalb hätte das Berufungsgericht eine Primärverletzung bejahen und die Ursächlichkeit des Unfalls für den Morbus Sudeck nach § 287 ZPO beurteilen müssen. Dem kann nicht gefolgt werden.a) Der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anstoß, den ein Fahrzeuginsasse beim Abstützen am Armaturenbrett spürt, als Körperverletzung zu qualifizieren ist, müßte nur dann nachgegangen werden, wenn die
Folgeerkrankung, nämlich der Morbus Sudeck, durch eine solche Primärverletzung verursacht sein könnte. Davon ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht auszugehen. Die Revision wendet sich nicht dagegen, daß das Berufungsgericht den Ausführungen des Sachverständigen entnimmt, ein schwerer Anstoß, wie ihn die Klägerin beim Abstützen auf das Armaturenbrett verspürt habe, reiche nicht aus, um einen Morbus Sudeck auszulösen; hierzu bedürfe es einer traumatischen Einwirkung, wie einer Verstauchung oder Prellung, die für die Klägerin fühlbar gewesen wäre. Das sei jedoch bereits nach ihrem Vorbringen nicht der Fall. Auf der Grundlage dieser tatsächlichen Feststellungen kann aber der von der Klägerin vorgetragene Anstoß nicht die Ursache für das vorliegende Krankheitsbild sein.
b) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe jedenfalls das Kribbeln in der Hand der Klägerin als Primärverletzung ansehen müssen. Sie übersieht, daß das Berufungsgericht keinen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Kribbeln festgestellt hat. Dem angefochtenen Urteil ist zu entnehmen, daß das Berufungsgericht das Kribbeln als erstes Anzeichen der beginnenden Erkrankung angesehen hat, seine Ursache aber gerade nicht hat feststellen können.
c) Daß ansonsten ausreichende Tatsachen festgestellt sind oder feststellbar wären, die die Ursächlichkeit des Unfalls für eine den Morbus Sudeck auslösende Körperverletzung nach dem Maßstab des § 286 ZPO als ausreichend sicher erscheinen lassen, macht die Revision nicht geltend. Sie sind auch nicht ersichtlich. Die bloße zeitliche Nähe der Entstehung der Erkrankung zu dem Unfallereignis reicht dazu nicht aus. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß sich das Berufungsgericht auch im Hinblick darauf, daß nach
den weiteren Ausführungen des Sachverständigen andere Möglichkeiten als Auslöser für die Erkrankung als möglich erscheinen (Entwicklung ohne äußeren Anlaß bei ca. 10 % der Patienten oder ein bisher nicht bekanntes Trauma vor oder unmittelbar nach dem Unfall), die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung nicht hat bilden können. Diese verlangt zwar keine absolute oder unumstößliche Gewißheit und auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ; ausreichend ist vielmehr ein unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung gewonnener für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewißheit , der den Zweifeln Schweigen gebietet (Senatsurteil vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - VersR 2003, 474, 475 m.w.N.). Die von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen hat das Berufungsgericht indes auch nach diesem Maßstab ohne Rechtsfehler nicht für ausreichend gehalten, um die erforderliche Überzeugung zu gewinnen. 2. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung habe, soweit es um die Frage gehe, ob § 287 ZPO für den Beweis einer Primärverletzung jedenfalls dann Anwendung finden könne , wenn der Vollbeweis nach § 286 ZPO wegen der Art der Unfallfolge nicht geführt werden kann.
a) Das Revisionsgericht ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO an die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht gebunden. Die vom Berufungsgericht aufgeworfene grundsätzliche Frage stellt sich allerdings im Streitfall nicht. Der Tatrichter kann auch eine haftungsausfüllende Kausalität nur feststellen , wenn er von diesem Ursachenzusammenhang überzeugt ist. Dabei werden lediglich geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt;
es genügt, je nach Lage des Einzelfalls, eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit (Senatsurteil vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - VersR 2003, 474, 476 m.w.N.). Bei der Feststellung von Kausalbeziehungen ist der Tatrichter nach § 287 ZPO insofern freier gestellt, als er in einem der jeweiligen Sachlage angemessenen Umfang andere, weniger wahrscheinliche Verlaufsmöglichkeiten nicht mit der sonst erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausschließen muß (vgl. Senatsurteile vom 7. Juli 1970 - VI ZR 233/69 - VersR 1970, 924, 926; vom 27. Februar 1973 - VI ZR 27/72 - VersR 1973, 619, 620; vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - aaO). Weder das Berufungsgericht noch die Revision zeigen auf, inwiefern die Klägerin bei Anwendung dieses Maßstabes angesichts der vorstehend bereits beschriebenen Beweislage den Kausalitätsbeweis sollte führen können. Wenn ein Vorgang, der Ursache der jetzigen Erkrankung der Klägerin sein kann, nicht vorgetragen ist und die ernsthafte Möglichkeit besteht, daß sich die Krankheit schicksalhaft entwickelt hat, können andere Kausalverläufe nicht ausgeschlossen und die Ursächlichkeit des Unfalls für die Beschwerden der Klägerin nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit bejaht werden. Die zeitliche Nähe zwischen dem Unfallereignis und der Entstehung der Beschwerden und die daran anknüpfende "gefühlsmäßige" Wertung, beide Ereignisse müßten irgendwie miteinander in Zusammenhang stehen, reicht dazu nicht aus. Die Tatsache , daß die Beklagte zu 1 den Unfall pflichtwidrig verursacht hat, mag als Grundlage für die Anwendung des § 287 ZPO zu diskutieren sein (vgl. etwa Hanau, Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit, 1971, S. 119 ff., 127 ff.; dagegen Arens, ZZP 88 (1975), 1, 20; Stoll, AcP 176 (1976), 145, 187); sie ist aber für sich genommen kein Element der nach dem Maßstab dieser Vorschrift erforderlichen Überzeugungsbildung.
b) Darüber hinaus gibt die vorliegende Fallgestaltung keinen Anlaß, den Anwendungsbereich des § 287 ZPO auf die haftungsbegründende Kausalität auszudehnen. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats unterliegt der Nachweis des Haftungsgrundes (die haftungsbegründende Kausalität) den strengen Anforderungen des § 286 ZPO, während der Tatrichter nur bei der Ermittlung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Haftungsgrund und dem eingetretenen Schaden (der haftungsausfüllenden Kausalität) nach Maßgabe des § 287 ZPO freier gestellt ist (vgl. etwa Senatsurteile vom 24. Juni 1986 - VI ZR 21/85 - VersR 1986, 1121, 1122 f.; vom 21. Oktober 1986 - VI ZR 15/85 - VersR 1987, 310; vom 21. Juli 1998 - VI ZR 15/98 - VersR 1998, 1153, 1154; vom 28. Januar 2003 - VI ZR 139/02 - aaO, S. 475, jew. m.w.N.). Davon abzuweichen besteht kein Anlaß. Der Grund für die Differenzierung im Beweismaß ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Ausnahmeregelung des § 287 ZPO und auch aus der Überlegung, daß eine Haftung des Schädigers nur in Betracht kommt, wenn die Voraussetzungen des gesetzlichen Haftungsgrundes (hier § 823 Abs. 1 BGB oder § 7 Abs. 1 StVG), insbesondere der Zusammenhang zwischen dem Handeln des Schädigers und einem ersten Verletzungserfolg feststehen. Das Handeln des Schädigers als solches ohne festgestellte Rechtsgutverletzung (hier Körperverletzung) scheidet als Haftungsgrundlage aus (vgl. Senatsurteil vom 24. Juni 1986 - VI ZR 21/85 - aaO). In der Literatur vertretene Ansichten, die - etwa im Hinblick auf die Gefährdung der Rechtsgüter des Geschädigten durch den Schädiger und die von diesem letztlich veranlaßten Beweisschwierigkeiten - § 287 ZPO auch im Bereich der Feststellung der haftungsbegründenden Kausalität anwenden wollen (vgl. Hanau , aaO; Gottwald, Schadenszurechnung und Schadensschätzung, 1979, S. 78 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., § 116 II 3 m.w.N.), nehmen eine Haftung des Schädigers für eine nur möglicherweise von
ihm verursachte Rechtsgutverletzung in Kauf und dehnen damit seine Haftung ohne gesetzliche Grundlage zu weit aus. Erst wenn eine vom Schädiger verursachte Primärverletzung feststeht, ist es gerechtfertigt, den Richter hinsichtlich der Feststellung der Schadensfolgen auf Wahrscheinlichkeitserwägungen zu verweisen. Die Notwendigkeit, den Ursachenzusammenhang zwischen dem Handeln des Schädigers und einer bestimmten Rechtsgutverletzung nach Maßgabe des § 286 ZPO beweisen zu müssen, führt freilich für den Geschädigten oft zu erheblichen Beweisschwierigkeiten. In geeigneten Fällen können diese durch gesetzliche (z.B. § 84 Abs. 2 AMG, § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder tatsächliche Vermutungen, einen Anscheinsbeweis oder durch sonstige Beweiserleichterungen (vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 104, 323, 332 ff. zur Produzentenhaftung und BGHZ 132, 47, 49 ff. zur Arzthaftung) gemildert werden. Darüber hinaus kann den Beweisschwierigkeiten des Geschädigten je nach den Umständen des Falles durch angemessene Anforderungen an den Sachvortrag, Ausschöpfung der angebotenen Beweismittel und sorgfältige, lebensnahe Würdigung der erhobenen Beweise Rechnung getragen werden. Eine weitergehende Beweiserleichterung durch Anwendung des § 287 ZPO bei Feststellung der haftungsbegründenden Kausalität ist indes abzulehnen (so auch Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 287 Rn. 3; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 287 Rn. 13 ff.; vgl. auch MünchKommZPO/Prütting, 2. Aufl., § 286 Rn. 47, § 287 Rn. 10 ff.).
III.
Die Revision ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
Tenor
-
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Mai 2011 - 11 Sa 27/11 - aufgehoben, soweit es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 6. Dezember 2010 - 2 Ca 533/10 - hinsichtlich des Zahlungsantrags zurückgewiesen hat.
-
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin Frau N (vormals handelnd unter „Häusliche Krankenpflege A“, im Folgenden: Pflegedienst A), nimmt den Ehemann und langjährigen Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin, Herrn D, auf Schadensersatz wegen Wettbewerbsverletzungen in Anspruch.
- 2
-
Nachdem am 2. April 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet worden war, erstrebte der Kläger als Insolvenzverwalter wiederholt die Stilllegung des Betriebs. Dazu kam es jedoch zunächst nicht. Der Kläger stellte Zeitarbeitskräfte und den - zuvor schon bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigten - Beklagten ein und führte mit Hilfe der Insolvenzschuldnerin den Geschäftsbetrieb weiter.
- 3
-
Nachdem es zu Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin sowie dem Beklagten gekommen war, wies die Insolvenzschuldnerin den Kläger mit Schreiben vom 10. November 2009 auf den bestehenden Personalmangel hin, der sie außerstande setze, den Pflegedienst ordnungsgemäß weiterzuführen. Der Kläger nahm hierauf in seinem Schreiben vom 25. November 2009 Bezug und kündigte an, den Betrieb zu schließen, wenn gewisse Bedingungen nicht kurzfristig erfüllt würden. Versuche des Klägers, über Stellenanzeigen neue Mitarbeiter zu gewinnen, schlugen fehl. Nach Auskunft der Insolvenzschuldnerin ihm gegenüber meldeten sich auf die Anzeigen keine Interessenten.
- 4
-
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2009 teilte die Insolvenzschuldnerin dem Kläger mit, sie werde den Betrieb zum 31. Dezember 2009 einstellen, da sie über zu wenig Personal verfüge. Daraufhin kündigte der Kläger sämtliche Pflegeverträge zum 31. Dezember 2009. Unter dem 23. Dezember 2009 kündigte der Beklagte sein Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Januar 2010.
-
Mit „Übernahmevertrag“ vom 29. Dezember 2009 veräußerte der Kläger den Pflegedienst A an Herrn H. In dem Vertrag heißt es ua.:
-
„Der Erwerber übernimmt die derzeitigen Betreuungsverträge per 01.01.2010 und zahlt hierfür als Entgelt einen durchschnittlichen Monatsumsatz, ausgehend von der Vergütung der letzten Monate mithin der Monate Juli bis Dezember 2009. Soweit der Veräußerer nicht in der Lage sein sollte, diese Entgelte nachvollziehbar zu errechnen, wird das Entgelt aufgrund einer Berechnung aus den Vergütungen der ersten drei Monate nach Übernahme der Vertragsverhältnisse durch die Erwerber berechnet.
...
Soweit Patienten sich weigern, das Vertragsverhältnis auf den Erwerber zu übertragen, wird der Kaufpreis um diesen Umsatz gemindert.“
- 6
-
Die Insolvenzschuldnerin erzielte in den Monaten Juli 2009 bis Oktober 2009 einen Umsatz von insgesamt 123.838,55 Euro. Aus dem Übernahmevertrag realisierte der Kläger lediglich 471,35 Euro.
- 7
-
Beginnend mit dem 1. Januar 2010 gründete der Beklagte unter dem Namen „P“ einen eigenen Pflegedienst, stellte zu diesem Zweck zwei Mitarbeiter ein und schloss vor dem 1. Januar 2010 neun Pflegeverträge mit Patienten ab, die zuvor Kunden des Pflegedienstes A waren.
- 8
-
Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen, es hätten sich zwei Personen auf seine Ende 2009 aufgegebenen Stellenanzeigen gemeldet. Diese hätten aber bei dem Beklagten einen Vertrag unterzeichnet. Der Beklagte habe sämtliche Patienten der Insolvenzschuldnerin für seinen neuen Pflegedienst übernommen. Wäre dies nicht geschehen, hätten die Patienten sich zwangsläufig mit dem Pflegedienst H für eine kurzfristige Fortführung der Pflege in Verbindung setzen müssen, sodass nach der Übernahmevereinbarung ein höheres Entgelt aus dem Verkauf des Pflegedienstes A hätte erzielt werden können. Mit Herrn H sei vereinbart gewesen, dass er - der Kläger - die Patientenpflegeverträge kündige und diese dann dem Pflegedienst H vermittle. Diese Vermittlung habe der Beklagte durch seine Übernahme der Patientenverträge unmöglich gemacht. Unter Berücksichtigung der letzten aufgeklärten Umsätze, wobei im November und Dezember 2009 von zumindest gleichbleibenden Umsätzen auszugehen sei, hätte er - der Kläger - aus dem Übernahmevertrag 30.939,95 Euro erzielen können, sodass sich sein Schaden auf insgesamt 30.468,24 Euro belaufe. Von diesem Betrag sei noch - aufgrund einer Aufrechnung im Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf mit dem Aktenzeichen - 1 Ca 1428/10 - ein Betrag von 4.412,96 Euro in Abzug zu bringen.
-
Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt,
-
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 26.055,28 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage vom 8. Januar 2010 zu zahlen.
- 10
-
Der Beklagte, der im ersten Rechtszug beantragt hatte, die Klage abzuweisen, hat in zweiter Instanz weder vorgetragen noch Anträge gestellt. Erstinstanzlich hat er die Ansicht vertreten, der Übernahmevertrag des Klägers mit Herrn H vom 29. Dezember 2009 sei rechtlich unzulässig.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Der Beklagte ist zum Termin vor dem Bundesarbeitsgericht nicht erschienen.
Entscheidungsgründe
- 12
-
I. Die Revision hat Erfolg. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die auf Leistung von Schadensersatz gerichtete Klage nicht abweisen. Der Beklagte hat seine Pflicht zur Unterlassung von Konkurrenztätigkeiten während des Arbeitsverhältnisses verletzt (§ 60 HGB). Ob und in welchem Umfang der Kläger vom Beklagten Schadensersatz verlangen kann (§ 61 Abs. 1 HGB), steht noch nicht fest. Deshalb musste das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden (§ 563 ZPO).
- 13
-
1. Der Beklagte hat gegen das vertragliche Konkurrenzverbot verstoßen. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe insoweit nicht ausreichend vorgetragen, trifft unter Berücksichtigung der Säumnislage im Berufungstermin nicht zu. Nach § 539 Abs. 2 ZPO ist bei Säumnis des Berufungsbeklagten das zulässige tatsächliche Vorbringen des Berufungsklägers als zugestanden anzunehmen. Soweit es den Berufungsantrag rechtfertigt, ist nach dem Antrag zu erkennen.
- 14
-
a) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt (st. Rspr., BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 227 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30; 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN, AP BGB § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21). Durch gleichwohl entfaltete Konkurrenztätigkeiten - einschließlich des Abwerbens von Arbeitnehmern und Kunden - verstößt der Arbeitnehmer gegen seine vertraglichen Pflichten.
- 15
-
aa) Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers ohne dessen Einwilligung Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (BAG 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - zu II 1 a der Gründe, EzA BGB § 626 nF Nr. 162; 26. Januar 1995 - 2 AZR 355/94 - zu II 2 a der Gründe, EzA BGB § 626 nF Nr. 155).
- 16
-
bb) Der Arbeitnehmer darf auch dann keine Konkurrenzgeschäfte tätigen, wenn sicher ist, dass der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer betreuten Sektor oder die betreffenden Kunden nicht erreichen wird (BAG 16. Juni 1976 - 3 AZR 73/75 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 8 = EzA BGB § 611 Treuepflicht Nr. 1). Die Darlegungs- und Beweislast für eine Einwilligung des Arbeitgebers trägt der Arbeitnehmer (BAG 16. Juni 1976 - 3 AZR 73/75 - zu II 2 b der Gründe, aaO).
- 17
-
cc) Allerdings darf der Arbeitnehmer, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten(vgl. BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN, AP BGB § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21). Verboten ist aber die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, zB durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden oder Arbeitnehmern. Bloße Vorbereitungshandlungen, die in die Interessen des Arbeitgebers nicht unmittelbar eingreifen, erfüllen diese Voraussetzungen nicht (BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - aaO).
- 18
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b) Die danach maßgeblichen Anforderungen an das tatsächliche Vorbringen für einen Wettbewerbsverstoß hat der Kläger erfüllt.
- 19
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aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Beklagte vor dem 1. Januar 2010 neun Verträge mit Kunden des Pflegedienstes A geschlossen und nach den Behauptungen des Klägers auch die übrigen Patienten der Insolvenzschuldnerin in seinen eigenen Pflegedienst übernommen. Dazu war der Beklagte nicht berechtigt. Er stand bis zum 31. Januar 2010 im Arbeitsverhältnis mit dem Kläger und durfte deshalb mit dessen Kunden keine Pflegeverträge schließen. Tat er es, wie im Streitfall, doch, so verstieß er gegen seine vertraglichen Pflichten. Mit dem Abschluss der Verträge hat der Beklagte den Bereich erlaubter Vorbereitungshandlungen weit überschritten.
- 20
-
bb) Zu einer weiter konkretisierten Darstellung der Vertragsgespräche zwischen dem Beklagten und den Patienten war der Kläger nicht gehalten. Er musste nicht, wie vom Landesarbeitsgericht gefordert, darlegen, wie, wann und wo der Beklagte unter welchen Umständen die Pflegeverträge mit den vormaligen Kunden des Pflegedienstes A geschlossen hat. Schon in der vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsache, dass er die Vereinbarungen noch während seines Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger getroffen hat, liegt ein Verstoß gegen seine vertragliche Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb. Deshalb musste der Kläger nicht vortragen, es habe festgestanden, dass Herr H zum 1. Januar 2010 alle 15 Pflegeverträge, die zuvor mit der Insolvenzschuldnerin bestanden, übernehmen würde. Auch kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden, der Beklagte habe angesichts der Kündigung sämtlicher Pflegeverträge durch den Kläger zum 31. Dezember 2009 von der Absicht des Klägers zur Geschäftsaufgabe und „Freigabe“ der Kunden und damit von einem Einverständnis des Klägers mit der Konkurrenztätigkeit ausgehen dürfen. Der Arbeitgeber muss weder darlegen, dass er die betreffenden Geschäfte selbst hätte abschließen können, noch gehört es zur Schlüssigkeit seines Vorbringens, dass er darlegt, mit der Konkurrenztätigkeit nicht einverstanden gewesen zu sein. Vielmehr ist es Sache des Arbeitnehmers, entsprechende Tatsachen für das Vorliegen eines (mutmaßlichen) Einverständnisses vorzutragen (BAG 16. Juni 1976 - 3 AZR 73/75 - zu II 2 b der Gründe, AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 8 = EzA BGB § 611 Treuepflicht Nr. 1). Allein die Kündigung der Verträge durch den Kläger begründete kein Einverständnis; vielmehr war die Veräußerung des Pflegedienstes einschließlich des Abschlusses von Anschlussverträgen durch einen Übernehmer eine bereits längere Zeit im Raum stehende Option des Insolvenzverwalters.
- 21
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cc) Eine Wettbewerbsverletzung durch den Beklagten ist, anders als das Landesarbeitsgericht meint, auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger mit Herrn H am 29. Dezember 2009 einen Übernahmevertrag geschlossen hat und darin ein Betriebsübergang liege. Feststellungen, aus denen sich das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Betriebsübergangs (vgl. zuletzt BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 243/11 - Rn. 26 bis 29) ergeben könnten, hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen und sind dem Vorbringen des Klägers auch nicht zu entnehmen.
- 22
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2. Ob und in welchem Umfang der Kläger vom Beklagten Schadensersatz verlangen kann, steht noch nicht fest.
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a) Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 HGB kann der Arbeitgeber Zahlung von Schadensersatz verlangen, wenn der Arbeitnehmer gegen die Pflicht zur Unterlassung von Konkurrenz verstößt. Da im Streitfall die Verletzungshandlung feststeht, muss der Beklagte unter den Voraussetzungen des § 249 ff. BGB Schadensersatz leisten. Insoweit mangelt es an Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil. Ferner ist die in Betracht kommende Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO grundsätzlich dem Tatsachengericht vorbehalten. Deshalb musste der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden. Das Landesarbeitsgericht wird bei seiner erneuten Beurteilung folgende Gesichtspunkte berücksichtigen müssen.
- 24
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aa) Nach § 249 Abs. 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre(Naturalrestitution). Ist die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen, § 251 Abs. 1 BGB. Ob ein Vermögensschaden vorliegt, ist nach der Differenzhypothese durch Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen (BAG 15. September 2011 - 8 AZR 846/09 - Rn. 47 mwN, AP BGB § 280 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 611 Krankenhausarzt Nr. 4; BGH 18. Januar 2011 - VI ZR 325/09 - Rn. 8 mwN, BGHZ 188, 78). Nach § 252 BGB umfasst der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte(BAG 26. September 2012 - 10 AZR 370/10 - Rn. 18 bis 20, DB 2013, 122).
- 25
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bb) Nach § 287 Abs. 1 ZPO entscheidet der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch er ist. Die Norm dehnt das richterliche Ermessen für die Feststellung der Schadenshöhe über die Schranken des § 286 ZPO aus. Das Gesetz nimmt dabei in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt; allerdings soll die Schätzung möglichst nahe an diese heranführen (BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 49, BAGE 125, 147; 20. September 2006 - 10 AZR 439/05 - Rn. 37, BAGE 119, 294). Der Tatrichter muss nach pflichtgemäßem Ermessen auch beurteilen, ob nach § 287 Abs. 1 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens möglich ist. Eine Schätzung darf nur dann unterbleiben, wenn sie mangels konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre (BGH 24. Juni 2009 - VIII ZR 332/07 - Rn. 16, NJW-RR 2009, 1404; 23. Oktober 1991 - XII ZR 144/90 - zu 3 a der Gründe, WM 1992, 36; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 287 Rn. 4); eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens, auch in Form der Schätzung eines Mindestschadens, lässt § 287 ZPO grundsätzlich nicht zu(st. Rspr., BGH 8. Mai 2012 - VI ZR 37/11 - Rn. 9, NJW 2012, 2267; 16. März 2004 - VI ZR 138/03 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, NJW 2004, 1945).
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cc) Der Geschädigte muss die Umstände darlegen und in den Grenzen des § 287 ZPO beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. Da die Beweiserleichterung des § 252 BGB und § 287 ZPO auch die Darlegungslast des Geschädigten mindert, der Ersatz entgangenen Gewinns verlangt, dürfen insoweit keine strengen Anforderungen gestellt werden(BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 48, BAGE 125, 147; BGH 18. Februar 2002 - II ZR 355/00 - zu A II 1 der Gründe, NJW 2002, 2553). Dies gilt auch für den Nachweis eines wettbewerblichen Schadens, für den es im Hinblick auf die künftigen Entwicklungen des Geschäftsverlaufs in der Natur der Sache liegende Beweisschwierigkeiten gibt (BAG 20. September 2006 - 10 AZR 439/05 - Rn. 37, BAGE 119, 294; BGH 17. April 1997 - X ZR 2/96 - zu III 1 der Gründe, NJW-RR 1998, 331; 17. Juni 1992 - I ZR 107/90 - zu II B 1 c der Gründe, BGHZ 119, 20). Greifbare Anknüpfungstatsachen, die für eine Schadensschätzung unabdingbar sind, muss der Geschädigte im Regelfall darlegen und beweisen (BGH 8. Mai 2012 - VI ZR 37/11 - Rn. 9, NJW 2012, 2267).
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b) Im Streitfall hat der Kläger geltend gemacht, er habe für die Veräußerung des Pflegedienstes A wegen der unerlaubten Konkurrenz durch den Beklagten nur einen sehr geringen Preis erzielen können. Er hätte bei Abschluss von Anschlusspflegeverträgen mit allen Kunden einen durchschnittlichen Monatsumsatz zugunsten der Masse erhalten. Das ist im Grundsatz nachvollziehbar und legt die Schlussfolgerung nahe, dass jedenfalls im Rahmen des § 287 ZPO vom Eintritt eines Schadens auszugehen sein wird.
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aa) Die Auffassung, der Übernahmevertrag sei insgesamt nichtig, weil die Weitergabe von Patientendaten erforderlich sei, ist nicht zutreffend. Grundsätzlich bestehen keine Bedenken gegen die Veräußerung von Pflegediensten (vgl. FG Münster 7. Dezember 2010 - 15 K 2529/07 U - EFG 2011, 677, das von der Zulässigkeit eines solchen Vertrags ohne Weiteres ausgeht). Die Lage ist, was die Weitergabe von Patientendaten betrifft, nicht anders als bei der Veräußerung von Arztpraxen, die ebenfalls zulässig ist. Die - für den Erwerber entscheidende - Fortführung der Vertragsbeziehungen mit Pflegebedürftigen kann mit deren Einwilligung erfolgen (vgl. zur Weitergabe von Patientenkarteien bei der Veräußerung von Arztpraxen: BGH 11. Dezember 1991 - VIII ZR 4/91 - zu I 3 der Gründe, BGHZ 116, 268).
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bb) Bei einer Schätzung wird allerdings auch zu berücksichtigen sein, dass der Kläger nicht sicher sein konnte, dass die Patienten mit Herrn H Folgeverträge abschließen würden. Bei der Schätzung ist zu beachten, dass ohne das schädigende Dazwischentreten des Beklagten zwar eine Chance für Herrn H bestand, die Pflegeverträge zu übernehmen; das Ausmaß dieser Chance hängt jedoch von mehreren Umständen ab.
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(1) Die Patienten waren in ihrer Entscheidung frei. Wie weit sie in der Lage waren, kurzfristig mit dritten Pflegediensten Verträge zu schließen, ist bisher nicht festgestellt. Eine besondere persönliche Bindung bestand weder zum Kläger noch zu Herrn H, wohl aber zur Insolvenzschuldnerin und dem Beklagten. Es kommt jedenfalls in Betracht, dass die Patienten, wenn sich der Beklagte nicht wettbewerbswidrig verhalten hätte, den Vertrag gleichwohl nicht mit Herrn H geschlossen hätten.
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(2) Die Bewertung der Chance, die dem Kläger entging, kann auch durch sein eigenes Verhalten beeinflusst worden sein. Mussten zB die Patienten aufgrund der kurzfristigen Kündigung eine nicht unerhebliche Zeit lang damit rechnen, der Betrieb werde vollständig eingestellt und der Kläger habe auch kein Interesse an der Fortsetzung des jeweiligen Vertragsverhältnisses, wird die durch die Verletzungshandlungen des Beklagten zunichtegemachte Chance als eher gering anzusehen sein. Waren dagegen die Patienten rechtzeitig auf ein Angebot durch Herrn H vorbereitet, dürfte eine höhere Vergütung aus dem Übernahmevertrag zu erwarten gewesen sein.
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(3) Ebenso kann sich auf die Bewertung der mit der Veräußerung verbundenen Chance ausgewirkt haben, ob die Versuche des Herrn H, mit den Patienten Verträge abzuschließen, auf einer mit ihrer Einwilligung zustande gekommenen Kenntnis von den Patientendaten beruhte (vgl. Jaeger/Henckel InsO Stand 2004 § 35 Rn. 14; Nerlich/Römermann/Andres Stand August 2012 § 35 InsO Rn. 74; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 35 InsO Rn. 280) oder ob Herr H ohne eine solche Einwilligung in den Besitz der notwendigen Informationen kam.
-
II. Über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Revision wird das Landesarbeitsgericht zu entscheiden haben.
-
Rechtsbehelfsbelehrung
-
Gegen dieses Versäumnisurteil kann der Beklagte innerhalb einer Frist von zwei Wochen seit Zustellung Einspruch beim
-
Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt,
einlegen.
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Der Einspruch muss von einem Rechtsanwalt, dem Vertreter einer Gewerkschaft oder eines Zusammenschlusses von Gewerkschaften mit der Befähigung zum Richteramt oder dem Vertreter einer juristischen Person gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 ArbGG mit der Befähigung zum Richteramt unterzeichnet sein.
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Mikosch
Mestwerdt
Schmitz-Scholemann
Thiel
Stefan Fluri
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Tenor
-
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Mai 2011 - 11 Sa 27/11 - aufgehoben, soweit es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 6. Dezember 2010 - 2 Ca 533/10 - hinsichtlich des Zahlungsantrags zurückgewiesen hat.
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2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin Frau N (vormals handelnd unter „Häusliche Krankenpflege A“, im Folgenden: Pflegedienst A), nimmt den Ehemann und langjährigen Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin, Herrn D, auf Schadensersatz wegen Wettbewerbsverletzungen in Anspruch.
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Nachdem am 2. April 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet worden war, erstrebte der Kläger als Insolvenzverwalter wiederholt die Stilllegung des Betriebs. Dazu kam es jedoch zunächst nicht. Der Kläger stellte Zeitarbeitskräfte und den - zuvor schon bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigten - Beklagten ein und führte mit Hilfe der Insolvenzschuldnerin den Geschäftsbetrieb weiter.
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Nachdem es zu Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin sowie dem Beklagten gekommen war, wies die Insolvenzschuldnerin den Kläger mit Schreiben vom 10. November 2009 auf den bestehenden Personalmangel hin, der sie außerstande setze, den Pflegedienst ordnungsgemäß weiterzuführen. Der Kläger nahm hierauf in seinem Schreiben vom 25. November 2009 Bezug und kündigte an, den Betrieb zu schließen, wenn gewisse Bedingungen nicht kurzfristig erfüllt würden. Versuche des Klägers, über Stellenanzeigen neue Mitarbeiter zu gewinnen, schlugen fehl. Nach Auskunft der Insolvenzschuldnerin ihm gegenüber meldeten sich auf die Anzeigen keine Interessenten.
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Mit Schreiben vom 23. Dezember 2009 teilte die Insolvenzschuldnerin dem Kläger mit, sie werde den Betrieb zum 31. Dezember 2009 einstellen, da sie über zu wenig Personal verfüge. Daraufhin kündigte der Kläger sämtliche Pflegeverträge zum 31. Dezember 2009. Unter dem 23. Dezember 2009 kündigte der Beklagte sein Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Januar 2010.
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Mit „Übernahmevertrag“ vom 29. Dezember 2009 veräußerte der Kläger den Pflegedienst A an Herrn H. In dem Vertrag heißt es ua.:
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„Der Erwerber übernimmt die derzeitigen Betreuungsverträge per 01.01.2010 und zahlt hierfür als Entgelt einen durchschnittlichen Monatsumsatz, ausgehend von der Vergütung der letzten Monate mithin der Monate Juli bis Dezember 2009. Soweit der Veräußerer nicht in der Lage sein sollte, diese Entgelte nachvollziehbar zu errechnen, wird das Entgelt aufgrund einer Berechnung aus den Vergütungen der ersten drei Monate nach Übernahme der Vertragsverhältnisse durch die Erwerber berechnet.
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Soweit Patienten sich weigern, das Vertragsverhältnis auf den Erwerber zu übertragen, wird der Kaufpreis um diesen Umsatz gemindert.“
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Die Insolvenzschuldnerin erzielte in den Monaten Juli 2009 bis Oktober 2009 einen Umsatz von insgesamt 123.838,55 Euro. Aus dem Übernahmevertrag realisierte der Kläger lediglich 471,35 Euro.
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Beginnend mit dem 1. Januar 2010 gründete der Beklagte unter dem Namen „P“ einen eigenen Pflegedienst, stellte zu diesem Zweck zwei Mitarbeiter ein und schloss vor dem 1. Januar 2010 neun Pflegeverträge mit Patienten ab, die zuvor Kunden des Pflegedienstes A waren.
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Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen, es hätten sich zwei Personen auf seine Ende 2009 aufgegebenen Stellenanzeigen gemeldet. Diese hätten aber bei dem Beklagten einen Vertrag unterzeichnet. Der Beklagte habe sämtliche Patienten der Insolvenzschuldnerin für seinen neuen Pflegedienst übernommen. Wäre dies nicht geschehen, hätten die Patienten sich zwangsläufig mit dem Pflegedienst H für eine kurzfristige Fortführung der Pflege in Verbindung setzen müssen, sodass nach der Übernahmevereinbarung ein höheres Entgelt aus dem Verkauf des Pflegedienstes A hätte erzielt werden können. Mit Herrn H sei vereinbart gewesen, dass er - der Kläger - die Patientenpflegeverträge kündige und diese dann dem Pflegedienst H vermittle. Diese Vermittlung habe der Beklagte durch seine Übernahme der Patientenverträge unmöglich gemacht. Unter Berücksichtigung der letzten aufgeklärten Umsätze, wobei im November und Dezember 2009 von zumindest gleichbleibenden Umsätzen auszugehen sei, hätte er - der Kläger - aus dem Übernahmevertrag 30.939,95 Euro erzielen können, sodass sich sein Schaden auf insgesamt 30.468,24 Euro belaufe. Von diesem Betrag sei noch - aufgrund einer Aufrechnung im Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf mit dem Aktenzeichen - 1 Ca 1428/10 - ein Betrag von 4.412,96 Euro in Abzug zu bringen.
-
Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt,
-
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 26.055,28 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage vom 8. Januar 2010 zu zahlen.
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Der Beklagte, der im ersten Rechtszug beantragt hatte, die Klage abzuweisen, hat in zweiter Instanz weder vorgetragen noch Anträge gestellt. Erstinstanzlich hat er die Ansicht vertreten, der Übernahmevertrag des Klägers mit Herrn H vom 29. Dezember 2009 sei rechtlich unzulässig.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Der Beklagte ist zum Termin vor dem Bundesarbeitsgericht nicht erschienen.
Entscheidungsgründe
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I. Die Revision hat Erfolg. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die auf Leistung von Schadensersatz gerichtete Klage nicht abweisen. Der Beklagte hat seine Pflicht zur Unterlassung von Konkurrenztätigkeiten während des Arbeitsverhältnisses verletzt (§ 60 HGB). Ob und in welchem Umfang der Kläger vom Beklagten Schadensersatz verlangen kann (§ 61 Abs. 1 HGB), steht noch nicht fest. Deshalb musste das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden (§ 563 ZPO).
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1. Der Beklagte hat gegen das vertragliche Konkurrenzverbot verstoßen. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe insoweit nicht ausreichend vorgetragen, trifft unter Berücksichtigung der Säumnislage im Berufungstermin nicht zu. Nach § 539 Abs. 2 ZPO ist bei Säumnis des Berufungsbeklagten das zulässige tatsächliche Vorbringen des Berufungsklägers als zugestanden anzunehmen. Soweit es den Berufungsantrag rechtfertigt, ist nach dem Antrag zu erkennen.
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a) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt (st. Rspr., BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 227 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30; 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN, AP BGB § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21). Durch gleichwohl entfaltete Konkurrenztätigkeiten - einschließlich des Abwerbens von Arbeitnehmern und Kunden - verstößt der Arbeitnehmer gegen seine vertraglichen Pflichten.
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aa) Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers ohne dessen Einwilligung Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (BAG 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - zu II 1 a der Gründe, EzA BGB § 626 nF Nr. 162; 26. Januar 1995 - 2 AZR 355/94 - zu II 2 a der Gründe, EzA BGB § 626 nF Nr. 155).
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bb) Der Arbeitnehmer darf auch dann keine Konkurrenzgeschäfte tätigen, wenn sicher ist, dass der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer betreuten Sektor oder die betreffenden Kunden nicht erreichen wird (BAG 16. Juni 1976 - 3 AZR 73/75 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 8 = EzA BGB § 611 Treuepflicht Nr. 1). Die Darlegungs- und Beweislast für eine Einwilligung des Arbeitgebers trägt der Arbeitnehmer (BAG 16. Juni 1976 - 3 AZR 73/75 - zu II 2 b der Gründe, aaO).
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cc) Allerdings darf der Arbeitnehmer, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten(vgl. BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN, AP BGB § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21). Verboten ist aber die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, zB durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden oder Arbeitnehmern. Bloße Vorbereitungshandlungen, die in die Interessen des Arbeitgebers nicht unmittelbar eingreifen, erfüllen diese Voraussetzungen nicht (BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - aaO).
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b) Die danach maßgeblichen Anforderungen an das tatsächliche Vorbringen für einen Wettbewerbsverstoß hat der Kläger erfüllt.
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aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Beklagte vor dem 1. Januar 2010 neun Verträge mit Kunden des Pflegedienstes A geschlossen und nach den Behauptungen des Klägers auch die übrigen Patienten der Insolvenzschuldnerin in seinen eigenen Pflegedienst übernommen. Dazu war der Beklagte nicht berechtigt. Er stand bis zum 31. Januar 2010 im Arbeitsverhältnis mit dem Kläger und durfte deshalb mit dessen Kunden keine Pflegeverträge schließen. Tat er es, wie im Streitfall, doch, so verstieß er gegen seine vertraglichen Pflichten. Mit dem Abschluss der Verträge hat der Beklagte den Bereich erlaubter Vorbereitungshandlungen weit überschritten.
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bb) Zu einer weiter konkretisierten Darstellung der Vertragsgespräche zwischen dem Beklagten und den Patienten war der Kläger nicht gehalten. Er musste nicht, wie vom Landesarbeitsgericht gefordert, darlegen, wie, wann und wo der Beklagte unter welchen Umständen die Pflegeverträge mit den vormaligen Kunden des Pflegedienstes A geschlossen hat. Schon in der vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsache, dass er die Vereinbarungen noch während seines Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger getroffen hat, liegt ein Verstoß gegen seine vertragliche Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb. Deshalb musste der Kläger nicht vortragen, es habe festgestanden, dass Herr H zum 1. Januar 2010 alle 15 Pflegeverträge, die zuvor mit der Insolvenzschuldnerin bestanden, übernehmen würde. Auch kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden, der Beklagte habe angesichts der Kündigung sämtlicher Pflegeverträge durch den Kläger zum 31. Dezember 2009 von der Absicht des Klägers zur Geschäftsaufgabe und „Freigabe“ der Kunden und damit von einem Einverständnis des Klägers mit der Konkurrenztätigkeit ausgehen dürfen. Der Arbeitgeber muss weder darlegen, dass er die betreffenden Geschäfte selbst hätte abschließen können, noch gehört es zur Schlüssigkeit seines Vorbringens, dass er darlegt, mit der Konkurrenztätigkeit nicht einverstanden gewesen zu sein. Vielmehr ist es Sache des Arbeitnehmers, entsprechende Tatsachen für das Vorliegen eines (mutmaßlichen) Einverständnisses vorzutragen (BAG 16. Juni 1976 - 3 AZR 73/75 - zu II 2 b der Gründe, AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 8 = EzA BGB § 611 Treuepflicht Nr. 1). Allein die Kündigung der Verträge durch den Kläger begründete kein Einverständnis; vielmehr war die Veräußerung des Pflegedienstes einschließlich des Abschlusses von Anschlussverträgen durch einen Übernehmer eine bereits längere Zeit im Raum stehende Option des Insolvenzverwalters.
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cc) Eine Wettbewerbsverletzung durch den Beklagten ist, anders als das Landesarbeitsgericht meint, auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger mit Herrn H am 29. Dezember 2009 einen Übernahmevertrag geschlossen hat und darin ein Betriebsübergang liege. Feststellungen, aus denen sich das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Betriebsübergangs (vgl. zuletzt BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 243/11 - Rn. 26 bis 29) ergeben könnten, hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen und sind dem Vorbringen des Klägers auch nicht zu entnehmen.
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2. Ob und in welchem Umfang der Kläger vom Beklagten Schadensersatz verlangen kann, steht noch nicht fest.
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a) Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 HGB kann der Arbeitgeber Zahlung von Schadensersatz verlangen, wenn der Arbeitnehmer gegen die Pflicht zur Unterlassung von Konkurrenz verstößt. Da im Streitfall die Verletzungshandlung feststeht, muss der Beklagte unter den Voraussetzungen des § 249 ff. BGB Schadensersatz leisten. Insoweit mangelt es an Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil. Ferner ist die in Betracht kommende Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO grundsätzlich dem Tatsachengericht vorbehalten. Deshalb musste der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden. Das Landesarbeitsgericht wird bei seiner erneuten Beurteilung folgende Gesichtspunkte berücksichtigen müssen.
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aa) Nach § 249 Abs. 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre(Naturalrestitution). Ist die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen, § 251 Abs. 1 BGB. Ob ein Vermögensschaden vorliegt, ist nach der Differenzhypothese durch Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen (BAG 15. September 2011 - 8 AZR 846/09 - Rn. 47 mwN, AP BGB § 280 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 611 Krankenhausarzt Nr. 4; BGH 18. Januar 2011 - VI ZR 325/09 - Rn. 8 mwN, BGHZ 188, 78). Nach § 252 BGB umfasst der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte(BAG 26. September 2012 - 10 AZR 370/10 - Rn. 18 bis 20, DB 2013, 122).
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bb) Nach § 287 Abs. 1 ZPO entscheidet der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch er ist. Die Norm dehnt das richterliche Ermessen für die Feststellung der Schadenshöhe über die Schranken des § 286 ZPO aus. Das Gesetz nimmt dabei in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt; allerdings soll die Schätzung möglichst nahe an diese heranführen (BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 49, BAGE 125, 147; 20. September 2006 - 10 AZR 439/05 - Rn. 37, BAGE 119, 294). Der Tatrichter muss nach pflichtgemäßem Ermessen auch beurteilen, ob nach § 287 Abs. 1 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens möglich ist. Eine Schätzung darf nur dann unterbleiben, wenn sie mangels konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre (BGH 24. Juni 2009 - VIII ZR 332/07 - Rn. 16, NJW-RR 2009, 1404; 23. Oktober 1991 - XII ZR 144/90 - zu 3 a der Gründe, WM 1992, 36; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 287 Rn. 4); eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens, auch in Form der Schätzung eines Mindestschadens, lässt § 287 ZPO grundsätzlich nicht zu(st. Rspr., BGH 8. Mai 2012 - VI ZR 37/11 - Rn. 9, NJW 2012, 2267; 16. März 2004 - VI ZR 138/03 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, NJW 2004, 1945).
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cc) Der Geschädigte muss die Umstände darlegen und in den Grenzen des § 287 ZPO beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. Da die Beweiserleichterung des § 252 BGB und § 287 ZPO auch die Darlegungslast des Geschädigten mindert, der Ersatz entgangenen Gewinns verlangt, dürfen insoweit keine strengen Anforderungen gestellt werden(BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 48, BAGE 125, 147; BGH 18. Februar 2002 - II ZR 355/00 - zu A II 1 der Gründe, NJW 2002, 2553). Dies gilt auch für den Nachweis eines wettbewerblichen Schadens, für den es im Hinblick auf die künftigen Entwicklungen des Geschäftsverlaufs in der Natur der Sache liegende Beweisschwierigkeiten gibt (BAG 20. September 2006 - 10 AZR 439/05 - Rn. 37, BAGE 119, 294; BGH 17. April 1997 - X ZR 2/96 - zu III 1 der Gründe, NJW-RR 1998, 331; 17. Juni 1992 - I ZR 107/90 - zu II B 1 c der Gründe, BGHZ 119, 20). Greifbare Anknüpfungstatsachen, die für eine Schadensschätzung unabdingbar sind, muss der Geschädigte im Regelfall darlegen und beweisen (BGH 8. Mai 2012 - VI ZR 37/11 - Rn. 9, NJW 2012, 2267).
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b) Im Streitfall hat der Kläger geltend gemacht, er habe für die Veräußerung des Pflegedienstes A wegen der unerlaubten Konkurrenz durch den Beklagten nur einen sehr geringen Preis erzielen können. Er hätte bei Abschluss von Anschlusspflegeverträgen mit allen Kunden einen durchschnittlichen Monatsumsatz zugunsten der Masse erhalten. Das ist im Grundsatz nachvollziehbar und legt die Schlussfolgerung nahe, dass jedenfalls im Rahmen des § 287 ZPO vom Eintritt eines Schadens auszugehen sein wird.
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aa) Die Auffassung, der Übernahmevertrag sei insgesamt nichtig, weil die Weitergabe von Patientendaten erforderlich sei, ist nicht zutreffend. Grundsätzlich bestehen keine Bedenken gegen die Veräußerung von Pflegediensten (vgl. FG Münster 7. Dezember 2010 - 15 K 2529/07 U - EFG 2011, 677, das von der Zulässigkeit eines solchen Vertrags ohne Weiteres ausgeht). Die Lage ist, was die Weitergabe von Patientendaten betrifft, nicht anders als bei der Veräußerung von Arztpraxen, die ebenfalls zulässig ist. Die - für den Erwerber entscheidende - Fortführung der Vertragsbeziehungen mit Pflegebedürftigen kann mit deren Einwilligung erfolgen (vgl. zur Weitergabe von Patientenkarteien bei der Veräußerung von Arztpraxen: BGH 11. Dezember 1991 - VIII ZR 4/91 - zu I 3 der Gründe, BGHZ 116, 268).
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bb) Bei einer Schätzung wird allerdings auch zu berücksichtigen sein, dass der Kläger nicht sicher sein konnte, dass die Patienten mit Herrn H Folgeverträge abschließen würden. Bei der Schätzung ist zu beachten, dass ohne das schädigende Dazwischentreten des Beklagten zwar eine Chance für Herrn H bestand, die Pflegeverträge zu übernehmen; das Ausmaß dieser Chance hängt jedoch von mehreren Umständen ab.
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(1) Die Patienten waren in ihrer Entscheidung frei. Wie weit sie in der Lage waren, kurzfristig mit dritten Pflegediensten Verträge zu schließen, ist bisher nicht festgestellt. Eine besondere persönliche Bindung bestand weder zum Kläger noch zu Herrn H, wohl aber zur Insolvenzschuldnerin und dem Beklagten. Es kommt jedenfalls in Betracht, dass die Patienten, wenn sich der Beklagte nicht wettbewerbswidrig verhalten hätte, den Vertrag gleichwohl nicht mit Herrn H geschlossen hätten.
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(2) Die Bewertung der Chance, die dem Kläger entging, kann auch durch sein eigenes Verhalten beeinflusst worden sein. Mussten zB die Patienten aufgrund der kurzfristigen Kündigung eine nicht unerhebliche Zeit lang damit rechnen, der Betrieb werde vollständig eingestellt und der Kläger habe auch kein Interesse an der Fortsetzung des jeweiligen Vertragsverhältnisses, wird die durch die Verletzungshandlungen des Beklagten zunichtegemachte Chance als eher gering anzusehen sein. Waren dagegen die Patienten rechtzeitig auf ein Angebot durch Herrn H vorbereitet, dürfte eine höhere Vergütung aus dem Übernahmevertrag zu erwarten gewesen sein.
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(3) Ebenso kann sich auf die Bewertung der mit der Veräußerung verbundenen Chance ausgewirkt haben, ob die Versuche des Herrn H, mit den Patienten Verträge abzuschließen, auf einer mit ihrer Einwilligung zustande gekommenen Kenntnis von den Patientendaten beruhte (vgl. Jaeger/Henckel InsO Stand 2004 § 35 Rn. 14; Nerlich/Römermann/Andres Stand August 2012 § 35 InsO Rn. 74; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 35 InsO Rn. 280) oder ob Herr H ohne eine solche Einwilligung in den Besitz der notwendigen Informationen kam.
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II. Über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Revision wird das Landesarbeitsgericht zu entscheiden haben.
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Rechtsbehelfsbelehrung
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Gegen dieses Versäumnisurteil kann der Beklagte innerhalb einer Frist von zwei Wochen seit Zustellung Einspruch beim
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Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt,
einlegen.
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Der Einspruch muss von einem Rechtsanwalt, dem Vertreter einer Gewerkschaft oder eines Zusammenschlusses von Gewerkschaften mit der Befähigung zum Richteramt oder dem Vertreter einer juristischen Person gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 ArbGG mit der Befähigung zum Richteramt unterzeichnet sein.
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Mikosch
Mestwerdt
Schmitz-Scholemann
Thiel
Stefan Fluri
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Tenor
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1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 23. Februar 2010 - 17 Sa 1133/08 - wird zurückgewiesen.
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2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision und die Kosten der Streitverkündeten zu 1., zu 2. und zu 3. zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Wechsel einer Vielzahl von Arbeitnehmern von der Klägerin zur Beklagten.
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Die Klägerin ist ein Unternehmen der Verkehrswegebaubranche. Sie gehörte dem W-Bau-Konzern an und war mit der Muttergesellschaft, der W Bau AG, wirtschaftlich über einen Cash-Pool verbunden. Die W Bau AG geriet im Jahr 2004 in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Klägerin konnte ab Mitte 2004 Rechnungen nicht mehr vollständig begleichen, auf Baustellen traten organisatorische und logistische Schwierigkeiten auf. Die Auszahlung der Arbeitsentgelte im Januar 2005 verzögerte sich. Im Dezember 2004 kündigte die Klägerin den Cash-Pool.
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Am 1. Februar 2005 stellte die W Bau AG einen Insolvenzantrag, am 1. April 2005 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum 14. Februar 2005 wurde die Klägerin zusammen mit weiteren Gesellschaften an den S-Konzern verkauft.
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Auch die Beklagte war am Erwerb der Klägerin interessiert gewesen. Nach dem Scheitern der Verhandlungen entschloss sie sich, eine eigene Verkehrswegebaugesellschaft zu gründen. Mit dem Streitverkündeten zu 1., zuvor Mitglied im Aufsichtsrat der W Bau AG und später ihr Berater, dem Streitverkündeten zu 2., dem technischen Leiter der D Niederlassung der Klägerin, dem Streitverkündeten zu 3., dem kaufmännischen Leiter dieser Niederlassung und mit weiteren Mitarbeitern der Klägerin schloss sie Dienst- und Arbeitsverträge. Ab Anfang März 2005 gab es mehrere Treffen zwischen den Streitverkündeten und Mitgliedern der Führungsebene der Beklagten sowie zwischen den Streitverkündeten zu 2. und zu 3. und weiteren Führungskräften der Klägerin. Dabei wurden formularmäßige Einstellungszusagen der Beklagten ausgehändigt und ausgefüllt. Der Austausch der Einstellungszusagen mit der Beklagten erfolgte unter Mithilfe der Sekretärinnen der Streitverkündeten zu 2. und zu 3. Bis zum 31. März 2005 kündigten 25 und bis zum 31. Mai 2005 weitere 32 Mitarbeiter der Klägerin ihr Arbeitsverhältnis und wechselten im Laufe des Jahres zur Beklagten. Weitere 47 Arbeitnehmer gingen zu anderen Arbeitgebern. Insgesamt reduzierte sich die Belegschaft der Klägerin von 1.329 Mitarbeitern zum Stichtag 31. Dezember 2004 auf 1.101 Mitarbeiter zum Stichtag 31. Dezember 2005. Im Zusammenhang mit dem Wechsel der Mitarbeiter zur Beklagten wurden Daten der Klägerin gelöscht und für die Beklagte genutzt. Bei einer von der Staatsanwaltschaft veranlassten Durchsuchung von Büroräumen der Beklagten wurden Kalkulations-, Projektsteuerungs- und weitere Unterlagen der Klägerin gefunden. In einer E-Mail eines Mitglieds der Führungsebene der Beklagten an den Vorstandsvorsitzenden der Beklagten vom 15. März 2005 heißt es:
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„… Der Ball rollt weiter und wir haben heute sechs weitere Schlüsselpersonen wie Kalkulatoren, Arbeitsvorbereiter etc. … verpflichtet. Übrigens, die zukünftige Geschäftsführung arbeitet nun (noch informell) mit Volldampf an der Sache. …“
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Am 21. April 2005 wurde die Verkehrswegebaugesellschaft der Beklagten ins Handelsregister eingetragen. Am 3. Mai 2005 reichte sie ein vollständig kalkuliertes Angebot auf eine Ausschreibung zum Bau der Bundesautobahn A 72 ein. Vorarbeiten hierzu wurden mit Hilfe eines Laptops des Streitverkündeten zu 2. sowie einer Baugeräteliste der Klägerin getätigt. Den Zuschlag erhielt weder die Beklagte noch die gleichfalls an der Ausschreibung teilnehmende Klägerin. Am 26. April 2005 stellte die Klägerin die Streitverkündeten zu 2. und zu 3. von der Erbringung der Arbeitsleistung frei und kündigte mit Schreiben vom 12. Mai 2005 die Arbeitsverhältnisse fristlos. Am 29. Juni 2005 wurden beide Streitverkündete als Geschäftsführer der neu gegründeten Verkehrswegebaugesellschaft der Beklagten eingetragen.
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Der Verlust der Klägerin aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit betrug im Jahr 2005 68.759.000,00 Euro und im Jahr 2006 16.767.000,00 Euro.
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Im Lagebericht der Klägerin für das Jahr 2005 heißt es:
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„…
Geschäftsergebnis
Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit 2005 in Höhe von -68,8 Mio. Euro ist in erheblichem Maße geprägt von indirekten Auswirkungen aus der Insolvenz der ehemaligen Muttergesellschaft W Bau AG, insbesondere von der Verunsicherung bei der Bauherrenschaft und wichtigen Nachunternehmern sowie massiver Abwanderung und Abwerbung von technischem und kaufmännischem Führungspersonal und dem damit verbundenen Know-how. Mehr als die Hälfte der Verluste des Geschäftsjahres 2005 sind auf die Abwertung von Forderungen und laufenden Projekten durch Anpassung an die strengeren Grundsätze der Nachtragsbewertung der S-Gruppe entstanden.
…
Im unverändert schrumpfenden inländischen Baumarkt ging die Bauleistung der H Bau GmbH gegenüber dem Vorjahreswert nochmals um 28,9 Prozent auf 273,4 Mio. Euro zurück.
…
Ertragslage
…
Für die negative Unternehmensentwicklung waren insbesondere die durch die Insolvenz der W-Bau AG entstandenen Unsicherheiten aus konzerninternen Auftragsverhältnissen zur W-Bau-Gruppe, Abwerbung von Führungspersonal durch Wettbewerber, sowie Nachtragsbereinigungen und Leistungskorrekturen im Zuge des S-Erwerbs verantwortlich.
Der Rückgang der Gesamtleistung resultiert zum Teil aus der Anwendung der strengeren Grundsätze der Nachtragsbewertung. Diese führen im Geschäftsjahr 2005 bei laufenden Baumaßnahmen zu deutlich höheren Abwertungen der nicht fertiggestellten Bauarbeiten sowie bei den in 2005 fertiggestellten Projekten zu geringeren Abrechnungserlösen.
Zudem erhöhte sich der Materialaufwand insbesondere aufgrund ungünstigerer Konditionen bei Nachunternehmern durch die Insolvenz der Muttergesellschaft W Bau AG sowie gestiegener Preise auf den Rohstoffmärkten.
…
Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung
…
Bei der öffentlichen Hand wuchs die Verunsicherung in Bezug auf Auswertung von Angeboten und Vergabe von Aufträgen genauso wie die Anzahl der Einsprüche gegen beabsichtigte Vergaben. Dies hat zum Teil erhebliche Verzögerungen von Vergaben bis hin zu Aufhebungen von Ausschreibungen vor allem bei Großprojekten zur Folge. Eine fundierte Planung wird für die Bauindustrie immer schwerer.
…
Die wesentlichen Faktoren, die zum negativen Ergebnis in 2005 geführt haben, sind für 2006 nicht zu erwarten. Die Fluktuation in den Direktionen konnte durch qualifizierte Mitarbeiter aus der Muttergesellschaft oder externe Fachkräfte kompensiert werden. …“
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Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte habe Führungspersonal aus ihren Niederlassungen unter Mithilfe der Streitverkündeten zu 1., zu 2. und zu 3. in wettbewerbswidriger Schädigungsabsicht abgeworben und sei deshalb zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet. Diesen errechnet sie auf Grundlage der Zielergebnisse für die Jahre 2005 und 2006 von je 963.000,00 Euro und der Beklagten ihrer Auffassung nach zurechenbaren operativen Verlusten von 26.737.000,00 Euro für 2005 und von 17.715.000,00 Euro für 2006 aus den von der Abwerbung betroffenen Niederlassungen. Die Streitverkündeten hätten Unternehmensgeheimnisse der Klägerin für die neue Verkehrswegebaugesellschaft der Beklagten genutzt und dorthin wechselnde Mitarbeiter zur Mitnahme und Nutzung dieser Daten für die Beklagte angehalten. Durch die wettbewerbswidrigen Abwerbungen sei das Know-how des Führungspersonals und damit die Akquisitionsstärke der Klägerin verloren gegangen. In den Niederlassungen D und Dr sei die regionale Präsenz der Klägerin für die Angebotsbearbeitung und Bauausführung nicht mehr gegeben gewesen. Auch die übrigen Niederlassungen seien betroffen gewesen, da sie Aufgaben der von der Abwerbung betroffenen Niederlassungen hätten übernehmen müssen. Die Auftragseingänge seien insgesamt um 37 % zurückgegangen.
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Auf Grundlage ihres Vortrags müsse eine gerichtliche Schätzung des durch die Abwerbung verursachten Schadens erfolgen. Sonstige Faktoren wie die Insolvenz der Muttergesellschaft hätten die Entstehung des Schadens nicht maßgeblich beeinflusst und könnten ggf. im Rahmen eines Schätzabschlags berücksichtigt werden. Der Schaden könne auch aus dem Substanzverlust des Unternehmens als Folge des Verlusts von Humankapital durch Abwerbung des Führungspersonals ermittelt werden.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 46.378.000,00 Euro nebst fünf Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 27.700.000,00 Euro seit dem 1. Januar 2006 sowie aus 18.678.000,00 Euro seit dem 1. Januar 2007 zu zahlen.
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Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Die gewechselten Mitarbeiter seien bereits entschlossen gewesen, die Klägerin zu verlassen; das bloße Ausnutzen eines Vertragsbruchs sei nicht wettbewerbswidrig. Ursächlich für den Wechsel der Mitarbeiter sei die seit dem Jahr 2004 bestehende wirtschaftliche Krise des W-Bau-Konzerns gewesen; die Situation habe sich für die Mitarbeiter der Klägerin Anfang des Jahres 2005 als existenzbedrohend dargestellt. Die Ängste seien durch Äußerungen des Mehrheitsaktionärs der Käuferin vor Führungskräften der Klägerin am 18. Februar 2005 („den Titel Geschäftsführer gibt es nicht mehr“, „es wird sicherlich die eine oder andere Träne fließen“, „ich brauche Euch nicht“) noch verstärkt worden. Die kaufmännischen Mitarbeiter seien nur noch mit Krisenmanagement befasst gewesen, da der Betrieb der laufenden Baustellen weitgehend zum Erliegen gekommen sei. Die negativen Betriebsergebnisse der Jahre 2005 und 2006 seien nicht auf die Abwanderung des Personals zurückzuführen. Ausweislich des Lageberichts der Klägerin für 2005 habe es eine Vielzahl von Ursachen hierfür gegeben. Für eine Schätzung eines nur durch Abwanderung des Personals verursachten Schadens gebe es keine greifbaren Anknüpfungspunkte.
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Das Arbeitsgericht hat die zunächst gegen die Beklagte und die Streitverkündeten zu 1., zu 2. und zu 3. gerichtete Klage abgewiesen. Die nur gegen die Beklagte geführte Berufung blieb ohne Erfolg. Die Beklagte hat in der Berufung den noch erstinstanzlich Mitbeklagten den Streit verkündet. Diese sind dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus §§ 9, 3 UWG iVm. § 249 ff. BGB.
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I. Es spricht vieles dafür, in der Form der Abwerbung von Teilen des Führungspersonals der Klägerin eine unlautere geschäftliche und damit nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässige Handlung der Beklagten zu sehen, die dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 9 UWG ausgelöst hat.
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1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Abwerben fremder Mitarbeiter als Teil des freien Wettbewerbs grundsätzlich erlaubt. Dies gilt aber dann nicht, wenn wettbewerbsrechtlich unlautere Begleitumstände hinzukommen, insbesondere unlautere Mittel eingesetzt oder unlautere Zwecke verfolgt werden (BGH 11. Januar 2007 - I ZR 96/04 - Rn. 14, BGHZ 171, 73; 9. Februar 2006 - I ZR 73/02 - Rn. 18, NZA 2006, 500; 4. März 2004 - I ZR 221/01 - Rn. 16, BGHZ 158, 174). Das Abwerben von Mitarbeitern ist dann unlauter, wenn besondere Umstände, etwa die Verfolgung verwerflicher Zwecke oder die Anwendung verwerflicher Mittel und Methoden, hinzutreten (BGH 11. Januar 2007 - I ZR 96/04 - Rn. 14, aaO).
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2. Es liegt nahe, dass die Beklagte die wettbewerbsrechtlich unbedenkliche Schwelle für Kontaktaufnahmen am Arbeitsplatz überschritten hat, indem sie mithilfe der noch im Arbeitsverhältnis zur Klägerin stehenden Streitverkündeten zu 2. und zu 3. und unter Nutzung sächlicher und personeller Betriebsmittel der Klägerin Führungspersonal abgeworben hat; das die Anwerbung steuernde und begleitende Handeln des Mitglieds ihrer Führungsebene ist der Beklagten dabei nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung nach § 31 BGB zuzurechnen(vgl. BGH 5. März 1998 - III ZR 183/96 - zu III 1 a der Gründe, NJW 1998, 1854).
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II. Die Klägerin kann den Ersatz des dadurch möglicherweise entstandenen Schadens dennoch nicht beanspruchen. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz entgangenen Gewinns mit der Begründung abgelehnt hat, der Vortrag der Klägerin biete keine ausreichende Grundlage für eine Schätzung des durch unlauteres geschäftliches Verhalten der Beklagten entstandenen Schadens.
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1. Nach § 249 Abs. 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre(Naturalrestitution). Ist die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend, hat der Ersatzverpflichtete den Gläubiger in Geld zu entschädigen, § 251 Abs. 1 BGB. Ob ein Vermögensschaden vorliegt, ist nach der Differenzhypothese durch Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen (BAG 15. September 2011 - 8 AZR 846/09 - Rn. 47 mwN, EzA BGB 2002 § 611 Krankenhausarzt Nr. 4; BGH 18. Januar 2011 - VI ZR 325/09 - Rn. 8 mwN, BGHZ 188, 78). Nach § 252 BGB umfasst der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
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2. Nach § 287 Abs. 1 ZPO entscheidet der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch er ist. Die Norm dehnt das richterliche Ermessen für die Feststellung der Schadenshöhe über die Schranken des § 286 ZPO aus. Das Gesetz nimmt dabei in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt; allerdings soll die Schätzung möglichst nahe an diese heranführen (BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 49, BAGE 125, 147; 20. September 2006 - 10 AZR 439/05 - Rn. 37, BAGE 119, 294). Der Tatrichter muss nach pflichtgemäßem Ermessen auch beurteilen, ob nach § 287 Abs. 1 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens möglich ist. Eine Schätzung darf nur dann unterbleiben, wenn sie mangels konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre (BGH 24. Juni 2009 - VIII ZR 332/07 - Rn. 16, NJW-RR 2009, 1404; 23. Oktober 1991 - XII ZR 144/90 - zu 3 a der Gründe, WM 1992, 36; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 287 Rn. 4); eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens, auch in Form der Schätzung eines Mindestschadens, lässt § 287 ZPO grundsätzlich nicht zu(st. Rspr., BGH 8. Mai 2012 - VI ZR 37/11 - Rn. 9, NJW 2012, 2267; 16. März 2004 - VI ZR 138/03 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, NJW 2004, 1945).
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3. Der Geschädigte muss die Umstände darlegen und in den Grenzen des § 287 ZPO beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. Da die Beweiserleichterung des § 252 BGB und § 287 ZPO auch die Darlegungslast des Geschädigten mindert, der Ersatz entgangenen Gewinns verlangt, dürfen insoweit keine zu strengen Anforderungen gestellt werden(BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 48, BAGE 125, 147; BGH 18. Februar 2002 - II ZR 355/00 - zu A II 1 der Gründe, NJW 2002, 2553). Dies gilt auch für den Nachweis eines wettbewerblichen Schadens, für den es im Hinblick auf die künftigen Entwicklungen des Geschäftsverlaufs in der Natur der Sache liegende Beweisschwierigkeiten gibt (BAG 20. September 2006 - 10 AZR 439/05 - Rn. 37, BAGE 119, 294; BGH 17. April 1997 - X ZR 2/96 - zu III 1 der Gründe, NJW-RR 1998, 331; 17. Juni 1992 - I ZR 107/90 - zu II B 1 c der Gründe, BGHZ 119, 20). Greifbare Anknüpfungstatsachen, die für eine Schadensschätzung unabdingbar sind, muss der Geschädigte im Regelfall darlegen und beweisen (BGH 8. Mai 2012 - VI ZR 37/11 - Rn. 9, NJW 2012, 2267).
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4. Beruft sich der Schädiger darauf, entgegen dem gewöhnlichen Lauf der Dinge wäre kein oder nur ein geringerer Gewinn angefallen, ist er für den behaupteten anderen Kausalverlauf darlegungs- und beweispflichtig (BGH 30. Mai 2001 - VIII ZR 70/00 - zu II 1 a der Gründe mwN, NJW-RR 2001, 1542; MüKoBGB/Oetker 6. Aufl. § 252 Rn. 40). Auch dem Schädiger kommt § 287 ZPO zugute, denn den naturwissenschaftlichen Beweis eines anderen Kausalverlaufs kann auch er nicht erbringen. Der Schädiger, der sich auf eine Reserveursache beruft, muss daher seinerseits Anknüpfungstatsachen darlegen und beweisen, aus denen das Gericht mit hinlänglicher Wahrscheinlichkeit auf die Einschränkung oder den Ausschluss des Ersatzanspruchs schließen kann (vgl. Staudinger/Schiemann (2005) Vorbem. zu §§ 249 ff. Rn. 93; MüKoBGB/Oetker aaO).
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5. § 287 ZPO bietet damit Erleichterungen für das Beweismaß und das Verfahren, hat aber keine Auswirkungen auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast(BGH 7. Juni 2006 - XII ZR 47/04 - zu II 1 a der Gründe, NJW-RR 2006, 1238; MünchKommZPO/Prütting 3. Aufl. § 287 Rn. 32). Gelangt das Gericht zu keiner für eine Schätzung hinreichenden Überzeugung, ist das non-liquet nach den allgemeinen Regeln zu bewältigen (Stein/Jonas/Leipold ZPO 22. Aufl. § 287 Rn. 43; MünchKommZPO/Prütting § 287 Rn. 31).
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6. Das Landesarbeitsgericht hat einen Schadensersatzanspruch mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin habe keine greifbaren Anknüpfungstatsachen dafür vorgetragen, welcher Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte; der geltend gemachte Schaden könne nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit dem wettbewerbswidrigen Verhalten der Beklagten zugeordnet werden. Eine Vielzahl weiterer Faktoren außer dem Ausscheiden von Mitarbeitern habe das Betriebsergebnis der Klägerin in den Jahren 2005 und 2006 beeinflusst. Dazu gehöre insbesondere die Insolvenz der Muttergesellschaft. Die Klägerin habe zwar behauptet, das Insolvenzgeschehen habe keinen nachhaltigen Einfluss gehabt, dies stehe jedoch im Widerspruch zu den Aussagen im Lagebericht für das Geschäftsjahr 2005. Weitere Faktoren wie die Abwanderung einer Vielzahl von Arbeitnehmern zu anderen Mitbewerbern, die Konjunktur-, Lohn- und Materialpreisentwicklung und die unterschiedliche Ausschreibungsdichte in den betroffenen Regionen hätten Einfluss auf das negative Geschäftsergebnis gehabt. Äußerungen des Mehrheitsaktionärs der S-Gruppe gegenüber Führungskräften sowie die Presseberichterstattung hätten für zusätzliche Verunsicherung gesorgt. Die zur Beklagten gewechselten Mitarbeiter seien überwiegend unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2005 ausgeschieden, sodass nicht nachvollzogen werden könne, dass der Verlust gerade auf ihr Ausscheiden zurückzuführen sei. Mangels ausreichender Anknüpfungstatsachen sei eine Schätzung, ob und in welchem Umfang die verschiedenen Ereignisse für das negative Betriebsergebnis der Klägerin verantwortlich seien, nicht möglich und würde ins Blaue hinein erfolgen. Es fehlten ausreichende Anhaltspunkte, die es ermöglichten, den behaupteten Schaden dem wettbewerbswidrigen Verhalten der Beklagten zumindest zu einem Teil zuzuordnen.
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7. Diese Begründung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
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a) Eine vom Tatrichter gemäß § 287 Abs. 1 ZPO nach freiem Ermessen vorzunehmende Schadensschätzung unterliegt nur der beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht dahin, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat(BAG 15. September 2011 - 8 AZR 846/09 - Rn. 48, EzA BGB 2002 § 611 Krankenhausarzt Nr. 4; 20. September 2006 - 10 AZR 439/05 - Rn. 37, BAGE 119, 294; BGH 8. Mai 2012 - VI ZR 37/11 - Rn. 9, NJW 2012, 2267; 9. November 2010 - VI ZR 300/08 - Rn. 16, NJW 2011, 1146).
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b) Das Landesarbeitsgericht hat alle wesentlichen Bemessungsfaktoren in seine Beurteilung einbezogen, ob eine Schadensschätzung möglich ist. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin durch das wettbewerbswidrige Verhalten der Beklagten ein Schaden, insbesondere ein Gewinnausfall entstanden sein kann; es hat aber zu Recht darauf abgestellt, dass die Geschäftstätigkeit der Klägerin nicht nur durch einen allgemeinen Rückgang der Bauleistung und konjunkturelle Einflüsse, sondern auch durch weitere Sonderfaktoren geprägt war. Ausweislich des eigenen Lageberichts bestimmten zudem die Verunsicherung der Bauherrenschaft und wichtiger Nachunternehmer sowie ein erhöhter Materialaufwand das Ergebnis. Insbesondere entsprach ein vom Insolvenzgeschehen der Konzernmutter ungetrübter Geschäftsverlauf aber nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge. Durch die Insolvenz der Muttergesellschaft der Klägerin bestand eine Schadensanlage, die keine „planmäßige“ Gewinnerzielung und Fortschreibung der Erträge der Vergangenheit, wohl aber eine spürbare Eintrübung erwarten ließ. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch die Abwanderung einer Vielzahl von Arbeitnehmern zu anderen Wettbewerbern in seine Bewertung einbezogen und berücksichtigt, dass die zur Beklagten gewechselten Mitarbeiter der Klägerin noch zu einem Großteil des Jahres 2005 zur Verfügung standen. Dass es in Arbeitsverhältnissen wechselwilliger Arbeitnehmer zu Äquivalenzstörungen kommt, kann zwar vermutet werden; es ist aber nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht ohne näheren Sachvortrag hierin keinen tauglichen Bemessungsfaktor für eine Schadensschätzung gesehen hat. Revisionsrechtlich ist nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht von einem multikausalen Geschehensablauf ausgegangen ist.
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c) Das Landesarbeitsgericht hat auch die Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung nicht verkannt und zu hohe Anforderungen an die Voraussetzungen einer Schätzung nach § 287 ZPO gestellt. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht den weiteren Einflüssen auf das Betriebsergebnis nicht durch einfache Vornahme von Abschlägen vom geltend gemachten Schaden Rechnung getragen hat. Im Hinblick auf den multikausalen Schadensverlauf ist es vielmehr vertretbar, dass das Landesarbeitsgericht vom Fehlen greifbarer Anknüpfungstatsachen für eine Zuordnung der negativen Betriebsergebnisse zur unlauteren Abwerbung der Mitarbeiter ausgegangen ist und eine Schadensschätzung abgelehnt hat. Marktbedingungen und Gesamtumstände müssen eine Wahrscheinlichkeitsschätzung zur Kausalität zulassen; es steht dem Gericht nach § 287 ZPO nicht frei, das Vorliegen und die Höhe eines Schadens nach bloßer Billigkeit anzunehmen. § 287 BGB soll dem Geschädigten die Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs erleichtern, nicht aber den Rechtsschutz des Schädigers schmälern. Dieser muss die Möglichkeit haben, sich im Prozess mit den Schätzungsgrundlagen auseinanderzusetzen und Einwände geltend zu machen (BGH 5. Dezember 1995 - X ZR 121/93 - zu I 2 der Gründe, NJW 1996, 775). Dies kann er nicht, wenn - wie vorliegend - ein negatives Geschäftsergebnis einer Verletzungshandlung nicht ausreichend zugeordnet und ein hinreichender Zusammenhang zwischen den Abwerbungen und den eingetretenen Verlusten nicht erkennbar wird. Eine Schätzung des Schadens nach reiner Billigkeit ohne konkrete Zuordnung zum Verletzungserfolg gestattet die Norm nicht.
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d) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht nicht eine konkrete Schadensberechnung verlangt. Für die Schätzung eines Schadens war aber erforderlich, greifbare Anknüpfungstatsachen darzulegen, die bei einer Gesamtbetrachtung die Folgen der Abwerbung des Führungspersonals erkennen lassen. Der Hinweis auf „fehlende Akquisitionsstärke in den Regionen“ ist unzureichend und bietet keine Grundlage für eine Schadensschätzung. Ohne ergänzenden Vortrag kann wegen der erheblichen Zeitspannen zwischen Ausschreibung, Baubeginn und Abrechnung nicht nachvollzogen werden, dass eine geringere Akquise im Geschäftsjahr 2005 bereits in diesem Jahr ergebniswirksam geworden ist. Exemplarisch hätte deshalb die zeitliche Abfolge zwischen Ausschreibung, Zuschlag und ergebniswirksamer Abrechnung von Straßenbauvorhaben dargelegt werden müssen. Notwendig wäre auch gewesen, die Tätigkeiten der abgeworbenen (Führungs-)Kräfte und ihren Einfluss auf Geschäft und Betriebsergebnis näher zu beschreiben. Ein Rückgang bei der Vereinbarung von Nachträgen zu erteilten Aufträgen, eine rückläufige Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen oder negative Veränderungen bei der Erteilung von Zuschlägen hätten Rückschlüsse auf die Auswirkung der unlauteren Abwerbung ermöglicht und Grundlage für die Schätzung eines Schadens sein können. Solchen, ihr ohne Weiteres möglichen Vortrag hat die Klägerin nicht gehalten. Weder ist klar, welche Vergabeverfahren im Marktbereich der Klägerin in den Jahren 2005 und 2006 stattfanden, an wie vielen Verfahren sie teilgenommen hat oder infolge Personalmangels nicht teilnehmen konnte, noch ob sie in diesen Jahren unterdurchschnittlich häufig den Zuschlag erhalten hat und wann etwaige Veränderungen ergebniswirksam geworden sind. Aus einem bloßen Auftragsrückgang ergibt sich kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass dieser dem wettbewerbswidrigen Verhalten der Beklagten (teilweise) zugerechnet werden kann und in den Geschäftsjahren 2005 oder 2006 zu einem Ergebnisrückgang geführt hat. Angesichts der konkreten Marktbedingungen hat das Landesarbeitsgericht deshalb zu Recht nicht auf einen Sachvortrag, der eine erfolgreiche Teilnahme an Vergabeverfahren jedenfalls zu einem Teil wahrscheinlich macht, verzichtet.
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e) Das Landesarbeitsgericht hat alle maßgeblichen Umstände ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze berücksichtigt. Mangels ausreichender greifbarer Anknüpfungstatsachen ist es nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht, obwohl es die Möglichkeit der Schadensverursachung durch das unlautere Verhalten der Beklagten gesehen hat, auch einen Mindestschaden nicht geschätzt hat, sondern davon ausgegangen ist, dass eine Schätzung „völlig in der Luft hängen“ würde und damit willkürlich wäre. Ohne ausreichende Anknüpfungstatsachen ist das Gericht nicht verpflichtet, einen (Mindest-)Schaden zu schätzen (BGH 6. Februar 2007 - X ZR 117/04 - Rn. 15, NJW 2007, 1806). Ein entgangener Gewinn kann nach § 252 BGB iVm. § 287 ZPO unter Vornahme von Abschlägen nur geschätzt werden, wenn das Tatsachengericht angesichts der jeweiligen Marktsituation eine kausale Schadensverursachung nach § 287 ZPO für wahrscheinlich halten kann (zur Vornahme von Abschlägen bei einer Schätzung: vgl. BGH 6. Februar 2001 - VI ZR 339/99 - zu II 2 b bb der Gründe, NJW 2001, 1640).
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f) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch die Schätzung eines (Mindest-)Schadens auf Grundlage eines Verlustes an Unternehmenswert durch Abfluss von Humankapital abgelehnt. Unabhängig von methodischen Fragen der Bewertung eines nicht börsennotierten Unternehmens im Hinblick auf dessen Personalstamm scheitert ein Ersatz dieses Schadens daran, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bemessung der Schadenshöhe, im Regelfall der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl. BGH 18. April 2002 - IX ZR 72/99 - zu C I 3 b der Gründe, BGHZ 150, 319), der Personalabfluss ausweislich des Lageberichts 2005 bereits kompensiert war. Es liegt zudem nahe, dass ein möglicher, aus dem Verlust an Know-how abgeleiteter Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten der Beklagten eingetreten wäre, weil die Führungskräfte auch bei lauterer Abwerbung die Klägerin verlassen hätten.
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g) Da das Landesarbeitsgericht zu Recht vom Fehlen greifbarer Anknüpfungstatsachen für einen hinreichenden Zusammenhang zwischen den Abwerbungen und den negativen Betriebsergebnissen ausgegangen ist, war es entgegen der Auffassung der Revision auch nicht verpflichtet, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Ob und in welchem Umfang eine Beweisaufnahme durchgeführt wird, steht nach § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO im Ermessen des Gerichts. Ermessensfehler oder ein Willkürverstoß sind nicht zu erkennen.
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III. Im Hinblick auf das erfolglos gebliebene Rechtsmittel hat die Klägerin die Kosten der Revision und der Streithelfer zu 1., zu 2. und zu 3. zu tragen, § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.
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Schmitz-Scholemann
W. Reinfelder
Mestwerdt
R. Baschnagel
Stefan Fluri
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
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eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.