Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 10. Nov. 2015 - 6 Sa 351/15

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2015:1110.6SA351.15.0A
bei uns veröffentlicht am10.11.2015

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 22. Mai 2015 - 6 Ca 1123/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten gegenüber dem Kläger wegen Diebstahlsverdachts.

2

Der bei Kündigungsausspruch 60 Jahre alte, ledige Kläger wurde von der Beklagten, einem optische Geräte anfertigenden Unternehmen mit ca. 350 Mitarbeitern, im August 1971 als Auszubildender eingestellt. Zuletzt ist er als Team Assistent im Facility Management der Beklagten beschäftigt und bezieht ein monatliches Bruttogehalt von durchschnittlich 5.420,00 Euro. Zuvor war der Kläger Mitarbeiter der Abteilung CO-IT der Beklagten.

3

Bei der Beklagten existiert ein Schließanlagensystem, bei dem Mitarbeiter mittels eines ihnen zugeordneten Transponders zu bestimmten Türen im Betrieb Zugang haben. Die Schließzylinder der einzelnen Türen lassen sich technisch so auswerten, dass erkennbar ist, mit welchem Transponder zu welchem Zeitpunkt welche Tür bedient worden ist. Zuständig für das Schließanlagensystem ist der Betriebsschlosser P, sein Stellvertreter insoweit ist der Kläger. Der Zeuge P war vom 06. Oktober 2014 bis 17. Oktober 2014 arbeitsunfähig erkrankt.

4

Der Kläger teilt sich mit dem Zeugen P ein Büro mit der Tür CE 05 (im Folgenden: Bürotür Kläger/P) in der Abteilung Technische Dienste. Die Abteilung befindet sich bei der Beklagten im Erdgeschoss des Gebäude C, das ua. über den Hauseingang C (im Folgenden: Tür Hauptzugang C) betreten werden kann. Der Zugang zur Abteilung Technische Dienste erfolgt über die dortige Haupttür CE 02 (im Folgenden: Abteilungstür Technische Dienste). Die CO-IT-Abteilung der Beklagten befindet sich im 1. Obergeschoss des direkt mit dem Gebäude C verbundenen Gebäude B, das ua. durch ein Treppenhaus mit zwei Treppen und 23 Stufen vom Gebäude C aus erreicht werden kann. Der Zutritt zur CO-IT-Abteilung erfolgt ausschließlich über die Tür B 117 (im Folgenden: Flurtür IT), zum EDV Rechenzentrum gelangt man über die angrenzende Tür B 119 (im Folgenden: Tür Rechenzentrum IT). Die Türen in der CO-IT-Abteilung verschließen sich nach Öffnung mit dem Transponder nach einer gewissen Zeit automatisch wieder.

5

Am Samstag, den 11. Oktober 2014, an dem der Kläger nicht arbeiten musste, betrat er ausweislich der korrigierten Schließzylinderauswertung der betroffenen Türen mit seinem Transponder um 08.01 Uhr das Gebäude C über die Tür Hauptzugang C, um 08.07 Uhr über die Abteilungstür Technische Dienste und über die Bürotür Kläger/P sein Büro, buchte diese Tür erneut um 08.09 Uhr, um 08.10 Uhr die Abteilungstür Technische Dienste und nutzte zum Verlassen des Gebäudes die Tür Hauptzugang Gebäude C um 8.10 Uhr. Am 13. Oktober 2014 betrat der Kläger, der üblicherweise gegen 5.30 Uhr die Zeiterfassung betätigt, bereits um 5.11 Uhr das Gebäude C über die Tür Hauptzugang C und öffnete die Bürotür Kläger/P um 5.12 Uhr. Um 5.26 Uhr bediente der Kläger das Zeiterfassungssystem der Beklagten am Terminal B.

6

Die Beklagte informierte am 16. Oktober 2014 einen Vertreter des bei ihr gebildeten Betriebsrates, dass eines von acht im September 2014 gelieferten Laptops, ein HP ZBook zum Listenpreis von 2.634,50 Euro, im Zeitraum vom 10. Oktober bis 16. Oktober 2014 abhandengekommen sei. Die Durchführung und die Ergebnisse der von der Beklagten in der Folge durchgeführten Auswertung des Schließsystems sind zwischen den Parteien streitig, insbesondere, inwieweit aufgrund zeitlicher Übereinstimmungen seiner Zutrittszeiten mit festgestellten Schließungen durch einen Zweittransponder des arbeitsunfähig erkrankten Zeugen P Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger am 11. Oktober 2014 das von der Beklagten vermisste Laptop aus der CO-IT-Abteilung entwendet und am 13. Oktober 2014 erneut nach dem zugehörigen Netzteil gesucht und ein nicht registriertes Netzteil an sich genommen hat.

7

Der bis zur Bestellung des weiteren Geschäftsführers S am 12. November 2014 einzige und zuletzt unstreitig damals allein kündigungsberechtigte Geschäftsführer der Beklagten Dr. S befand sich vom 18. Oktober bis 02. November 2014 in Mallorca in Urlaub. Nach seiner Rückkehr am 03. November 2014 übersandte die Beklagte am 04. November 2014 an den seit 24. Oktober 2014 arbeitsunfähig erkrankten Kläger, dessen Folgeerkrankungsmitteilung am 31. Oktober 2014 eingegangen war, unter dessen Wohnanschriften in B und in A-Stadt eine Anhörungsbogen und bat ihn um Aufklärung, was er an seinem arbeitsfreien Tag, am 11. Oktober 2014, in der Liegenschaft der Beklagten zu erledigen gehabt habe (Frage 1), warum er am 13. Oktober 2014 das Gebäude sehr früh betreten, sich erst deutlich später im Buchungsterminal angemeldet und was er in der Zwischenzeit erledigt habe (Frage 2), ob er eine Erklärung für von ihr feststellte Auffälligkeiten beim Betreten der CO-IT-Abteilung fast genau zu seinen Geländezutrittszeiten habe (Frage 3) und erklären könne, warum bei den Auffälligkeiten im Bereich der Abteilung CO-IT mit dem Transponder des erkrankten Zeugen P gebucht worden sei (Frage 4). Der Kläger verwehrte sich per E-Mail unter dem 09. November 2014 gegen einen Diebstahlsvorwurf und teilte der Beklagten mit, er habe am 11. Oktober 2014 beim Bezahlen eines Einkaufs bemerkt, dass seine Geldbörse gefehlt habe und diese im Werk geholt, wobei er zuvor krankheitsbedingt zur Toilette gemusst habe. Nachdem er am 13. Oktober 2014 krankheitsbedingt nicht habe schlafen können und sich auch sonst nicht wohlgefühlt habe, sei er etwas früher als normal auf Arbeit gefahren, habe dringend im Gebäude C zur Toilette gemusst und sich erst danach im Gebäude B eingecheckt. Zu den beiden weiteren Fragen 3 und 4 erklärte der Kläger, im Moment eine Äußerung nicht abgeben und seine Vermutungen in einem persönlichen Gespräch darlegen zu wollen. Auch in einem im Anschluss vom Kläger für den 13. November 2014 angebotenen und durchgeführten persönlichen Gespräch gab er zu diesen Fragen gegenüber der Beklagten keine Erklärung ab, äußerte jedoch im Anschluss gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden H seine Vermutung, dass der ganze Vorfall im Zusammenhang mit seinem seit einem Jahr verschlechterten Verhältnis zu seinem Vorgesetzten P stehe, den er als Fuhrparkmanager in 2013 darauf hingewiesen habe, dass er mehr Benzin tanke als sein Tank im Firmenfahrzeug fassen könne.

8

Die Beklagte hörte am 17. November 2014 den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu einer beabsichtigten fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers zum 30. Juni 2015 in Form der Verdachts- und Tatkündigung an. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsbogens nebst den entsprechenden Anlagen wird auf Bl. 51 - 76 d. A. Bezug genommen. Der Betriebsrat erklärte unter dem 21. November 2014 hinsichtlich der außerordentlichen und am 25. November 2014 hinsichtlich der ordentlichen Kündigung, er nehme die Kündigung zur Kenntnis.

9

Die Zeugin S reiste mit den Kündigungsschreiben zum Wohnsitz des Klägers nach A-Stadt. Sie übergab dem Kläger dort am 24. November 2014 eine vom gleichen Tag datierende schriftliche außerordentliche, fristlose Kündigung und am 25. November 2014 ein von diesem Tag datierendes Kündigungsschreiben mit einer hilfsweise ordentlichen Kündigung zum 30. Juni 2015.

10

Der Kläger hat am 08. Dezember 2014 beim Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - Kündigungsschutzklage erhoben.

11

Er hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, er habe weder den Laptop, noch ein Netzteil gestohlen. Auch ein schwerwiegender Verdacht liege nicht vor. Er bestreite mit Nichtwissen, dass das (von sieben am 10. Oktober 2014 ausgepackten) fehlende HP ZBook zu einem Preis von 2.634,50 Euro zwischen dem 10. und 16.Oktober 2014 abhandengekommen sei, die Information des Zeugen P hierüber am 16. Oktober 2014, die Einholung der Freigabe für die Auslesung, dass am 10., 11. und 13. Oktober 2014 kein anderer Mitarbeiter als er im Betrieb gewesen sei und dass die von der Beklagten behaupteten realen Zeitabweichungen an den Schließzylindern zutreffend seien, auch, dass die Datenauslesung im Beisein durch die Zeugen P und E gemeinsam erfolgt und eine Manipulation ausgeschlossen sei. Die Nachtschicht sei bis Samstagmorgen um 6.00 Uhr da, danach noch eine Sonderschicht ab 7.00 Uhr. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Transponder der Zeugen P, E, P und anderer in Frage kommender Mitarbeiter des Technischen Dienstes und der IT überprüft worden seien. Er habe nicht gewusst und bestreite mit Nichtwissen, dass der Zeuge P einen Zweittransponder besitze und auch nicht, wo er diesen aufbewahre. Die von der Beklagten behaupteten Buchungen mit diesem Transponder würden mit Nichtwissen bestritten. Der Kläger hat seine Einlassungen aus der Anhörung wiederholt und vorgetragen, selbst wenn die Buchungen des Transponders P stimmen sollten, müsse er quasi Zickzack im Gebäude gelaufen sein, was einem normalen Geschehensablauf zuwider laufe. Für den 13. Oktober 2014 habe er eine schlüssige und glaubhafte Erklärung (die ihm bei seiner Anhörung nicht direkt eingefallen sei, zumal er geglaubt habe, sein frühes Erscheinen mit Schlafmangel erklärt zu haben), da an diesem Tag der Reifenwechsel für neun Firmenfahrzeuge habe stattfinden sollen und dazu noch einige logistische Vorbereitungen zu treffen gewesen seien, weshalb er sich entschlossen habe, etwas zeitiger als sonst mit der Arbeit zu beginnen. Im Übrigen kämen in das EDV-Rechenzentrum neben ihm nicht nur die Zeugen P, E und P, sondern auch noch mindestens fünf bis sechs weitere Mitarbeiter der Abteilung Technische Dienste, offenbar auch die Zeugen B und S, sowie vier weitere IT-Mitarbeiter. Dass diese allesamt überprüft worden seien, werde mit Nichtwissen bestritten. Da er dem Betriebsratsvorsitzenden H seinen Verdacht mitgeteilt habe, jemand wolle ihn angesichts der Spannungen mit seinem Vorgesetzten P „hereinlegen“, könne von einer fehlenden Einlassung zu den Fragen 3 und 4 des Anhörungsbogens nicht ausgegangen werden. Der Kläger hat die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB gerügt und die alleinige Kündigungsbefugnis des Zeugen Dr. St bestritten. Hinsichtlich der ordentlichen Kündigung habe die Beklagte die Anhörungsfrist nicht eingehalten, da die Zeugin S diese bereits am 24. November 2014 bei der Übergabe der außerordentlichen Kündigung in A-Stadt dabei gehabt habe. Eine frühere mündliche Mitteilung durch den Betriebsratsvorsitzenden werde bestritten.

12

Der Kläger hat beantragt,

13

1. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 24. November 2014 nicht geendet hat,

14

2. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 25. November 2014 zum nächstmöglichen Zeitpunkt bzw. zum 30. Juni 2015 endet,

15

3. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 24. November 2014 hinaus fortbesteht.

16

Die Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die außerordentliche Kündigung sei jedenfalls wegen des dringenden Verdachtes, der Kläger habe das HP ZBook entwendet, gerechtfertigt. Der Zeuge B habe am 10. Oktober 2014 sieben der im September 2014 gelieferten acht ZBooks ausgepackt (eines sei bereits in der Testnutzung durch Herrn S gewesen) und auf den Tisch im Rechenzentrum gestellt. Am 16. Oktober 2014 um 11.30 Uhr habe der Zeuge B das Fehlen eines Laptops bemerkt und es dem Zeugen P mitgeteilt. Nachdem alle Räumlichkeiten der IT durchsucht gewesen seien, habe man den Betriebsratsvorsitzenden H und den Prokuristen G als Vertreter der Geschäftsführung informiert und die Freigabe für die Auslesung der Schließzylinder der Türen (im allein in Frage kommenden Zeitraum 10. Oktober bis 16. Oktober 2014, 11.30 Uhr) eingeholt. Bei deren Durchführung habe man am 16. Oktober 2014 festgestellt, dass es wegen nicht synchroner Uhrzeiten der Schließzylinder und einer Unschärfe beim Angleichen der Uhrzeit an die reale Zeit (Rundungsfehler) eine Zeitverschiebung zwischen der realen und der aufgezeichneten Zeit gegeben habe, die dann abgeglichen und - im Einzelnen näher ausgeführt - jeweils auf einer Excel-Tabelle, in die sämtliche Daten übertragen worden seien, bei Beibehaltung der Originalzeiten in der Datenbank korrigiert worden sei, wobei aus technischen Gründen noch Toleranzen von bis zu 2 Minuten möglich seien. Es seien folgende Buchungen mit dem Zweittransponder des Zeugen P unter der Bezeichnung „S P“ aufgefallen, obwohl dieser damals arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und am Samstag, den 11. Oktober 2014 ohnehin nicht habe arbeiten müssen:

19

„11. Oktober 2014, 8.00 Uhr, B 117, Flurtür IT, Buchung zum Eintritt
11. Oktober 2014, 8.02 Uhr, B 119, Tür Rechenzentrum IT, Buchung zum Eintritt
13. Oktober 2014, 5.12 Uhr, B 117, Flurtür IT, Buchung zum Eintritt
13. Oktober 2014, 5.13 Uhr, B 117, Tür Rechenzentrum IT, Buchung zum Eintritt“

20

Eine Überprüfung der Hauptaußentüren habe dann ergeben, dass genau zu diesen Zeiten auffällige Zutrittszeiten des Transponders des Klägers zum Werk zu verzeichnen gewesen seien, wobei eine am 17. Oktober 2014 durchgeführte Auslesung der Werksschranke und der Schleuse (Drehkreuz) nebst einer Kameraanalyse zu Tage gefördert habe, dass tatsächlich der Kläger im Betrieb gewesen sei. Auf Bitte des Betriebsrats seien dann am gleichen Abend noch die Abteilungstür PT (C02), die Elektrowerkstatt Abteilung PT, die Schlosserei Abteilung PT, die Bürotür Kläger/P (C05), der Lagerraum 1. OG Abteilung CO und die Bürotür IT-Support ausgelesen worden, wobei - neben den auffälligen Buchungen an der Abteilungstür Technische Dienste und der Bürotür Kläger/ P am Samstag, den 11. und am frühen Morgen des 14. Oktober 2014 - lediglich Folgendes auffällig gewesen sei: am 10. Oktober 2014 um 15.23 Uhr sei eine Buchung mit dem Zweittransponder „S P“ an der Bürotür Kläger/P festzustellen gewesen und vier Minuten später (15.27 Uhr) an der gleichen Tür eine Verlassensbuchung mit dem Transponder des Klägers, der ausweislich der Zeiterfassung am 10. Oktober 2014 um 15.27 Uhr am Terminal im Gebäude B „geht“ gebucht habe. Diese komplexen Daten seien am 20. Oktober 2014 dem aus dem Zeugen G, dem Betriebsratsvorsitzenden H und dem bei den Auslesungen beteiligten Betriebsratsmitglied E bestehenden Gremium vorgestellt worden und man habe entschieden, den Zeugen P zum Verbleib des Zweittransponders zu befragen. Dieser habe am gleichen Tag erklärt, er habe den Zweittransponder erhalten, um diesen temporär Kollegen geben zu können, wenn sie in Räume müssten, zu denen sie keine Zutrittsberechtigung hätten, er befinde sich an einem Schlüsselbund, den er außerhalb seiner Anwesenheitszeiten in seiner Arbeitsjacke im unverschlossenen Spind unterbringe. Da er am 02. Oktober 2014 bereits gesundheitlich angeschlagen gewesen sei, sei er sich nicht sicher, ob er den Transponder in den Spind gelegt oder auf seinem Schreibtisch im Büro Kläger/P abgelegt habe. Als er am 14. Oktober 2014 seine Krankmeldung vorbeigebracht habe, habe er den Schlüsselbund dem Zeugen S übergeben, wisse aber nicht mehr genau, wo er ihn aufgenommen habe. Die Beklagte hat vorgetragen, nach Eingang einer Folgekrankmeldung des Klägers am 31. Oktober 2014 habe man dessen schriftliche Anhörung zur Vorbereitung einer Verdachtskündigung vorbereitet und diese nach Information und Einverständnis des allein kündigungsberechtigten Geschäftsführers Dr. S nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub am 03. November 2014 an seinem Wohnsitz in B K eingeworfen und zugleich per Einschreiben Rückschein an seinen Wohnsitz in A-Stadt versandt. Als Ergebnis der Nachforschungen deute alles darauf hin, dass der Kläger, der als früherer Mitarbeiter der Abteilung CO-IT habe wissen müssen, dass im Rechenzentrum ständig derartige Geräte aufbewahrt würden, den Laptop entwendet habe. Es sei davon auszugehen, dass er gewusst habe, wo sein im gleichen Büro sitzender engster Kollege P den Zweittransponder mit der Zutrittsberechtigung auch zur Abteilung CO-IT aufbewahre, dass er als dessen Krankheitsvertreter zudem die Möglichkeit gehabt habe, die Schließberechtigung des Zweittransponders im Rahmen tatsächlicher Anmeldungen am Schließsystem abzufragen, dass er am 10. Oktober 2014 um 15.23 Uhr die Funktionsfähigkeit des Transponders getestet habe, am Samstag, den 11. Oktober 2014 zwischen 08.02 Uhr (Buchung Zweittransponder P B 119, Tür Rechenzentrum IT) und 08.07 Uhr (Buchung Transponder Kläger Bürotür Kläger/P) den Laptop an sich genommen habe, in seinem Büro den Zweittransponder zurückgelegt und das Büro wieder verlassen habe. Es sei zu vermuten, dass er danach bemerkt habe, dass - da die Netzteile sämtlicher Laptops zu elektrischen Erstprüfung den Verpackungskartons im Vorfeld entnommen worden seien - das Netzteil fehle und deshalb am 13. Oktober 2014 auffällig früh (vgl. Abgleich der üblichen Buchungszeiten Zeiterfassung Bl. 23 ff. d. A.) das Unternehmen aufgesucht habe, wo wie erwartet niemand außer ihm im Gebäudekomplex B/C anwesend gewesen sei, zunächst sein Büro betreten habe, um den Zweittransponder erneut an sich zu nehmen und dann von 5.13 bis 5.26 Uhr im Rechenzentrum nach dem Netzteil gesucht habe, wobei er vermutlich eines der offen herumliegenden nicht registrierten Netzteile an sich genommen habe, da das registrierte Netzteil des streitgegenständlichen Laptops noch vorhanden sei. Sämtliche Mitarbeiter der Abteilung CO-IT und auch der Zeuge P, bei denen auch keinerlei Auffälligkeiten festgestellt worden seien, hätten glaubhaft versichert, das Laptop nicht entwendet zu haben. Auch bei der im Anschluss an die Anhörung des Klägers durchgeführten Auslesung aller nicht überprüften Zugangsmöglichkeiten seien keinerlei Auffälligkeiten bemerkt worden. Besonders auffällig sei, dass außer dem Kläger kein anderer Mitarbeiter zu den fraglichen Zeiten am 10., 11. und 14. Oktober 2014 an allen drei Tagen im Betrieb gewesen sei. Die Einlassungen des Klägers seien als Schutzbehauptung zu bewerten. Jedenfalls habe der Kläger, der grundsätzlich vereinbarungsgemäß erst um 6.30 Uhr die Arbeit beginne, lediglich aus persönlichen Gründen bereits um 5.30 Uhr in den Betrieb komme und die Zeit zuvor nutze, um in Ruhe zu frühstücken und Zeitung zu lesen, am 13. Oktober 2014 keinerlei Vorbereitungshandlungen für den erst um 8.00 Uhr beginnenden Reifenwechsel durchgeführt. Der Zeuge P habe bereits gegenüber dem Kläger erklärt, mitgeführte Reservekanister zu betanken, um sich den Zeitaufwand für die abendliche Betankung seines PKW zu ersparen. Entgegen der Andeutung des Klägers habe der Zeuge P bereits technisch keine Möglichkeiten gehabt, das Schließsystem zu manipulieren und im Übrigen die Auslesung zusammen mit dem Betriebsratsmitglied E durchgeführt. Die Anhörung des Betriebsrates habe ausweislich der vorgelegten Unterlagen am 17. November 2014 ordnungsgemäß stattgefunden. Bereits am Donnerstag, den 20. November 2014 habe der Betriebsratsvorsitzende H dem Personalleiter B nach der Sitzung des Betriebsrates mitgeteilt, der Betriebsrat werde zu beiden Kündigungen keine Stellungnahme abgeben. Die Zeugin S habe deshalb bereits am 21. November 2014 beide Kündigungsschreiben in Empfang genommen, mit der Anweisung, die fristlose Kündigung bereits am 24. und die ordentliche Kündigung erst am 25. November 2015 zu übergeben, wobei die Zeugin an beiden Tagen mit ihrem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Personalleiter B, telefoniert habe und ständig erreichbar gewesen sei.

21

Das Arbeitsgericht hat aufgrund Beschlusses vom 26. März 2015 Beweis erhoben am 21. Mai 2015 durch eine Ortsbegehung im Werk der Beklagten und durch Vernehmung der benannten Zeugen über die Behauptungen der Beklagten 1. zur Entdeckung des Verlustes des Laptops am 16 Oktober 2014, die Durchsuchung der IT-Räume (Zeugen B, P), 2. zur Auslesung und den Feststellungen im Zeitraum vom 10. bis 16. Oktober 2014 (Zeugen B, P, E, H, P), 3. zu fehlenden anderweitigen Auffälligkeiten (Zeugen P, B), 4. zu den Zeitunterschieden bei der Auslesung der Schließzylinder (Zeugen P, E), 5. zur nicht möglichen Manipulation des Schließsystems (Zeugen U, P) und 6. zur alleinigen Kündigungsbefugnis des Geschäftsführers Dr. S bis 12. November 2014 (Zeugnis B). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 147 bis 169 d. A. Bezug genommen.

22

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. Mai 2015 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei - bis auf den bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässigen Antrag zu 3) - zulässig, aber unbegründet. Bereits die Kündigung vom 24. November 2014 habe das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang beendet, da die Voraussetzungen für eine außerordentliche Verdachtskündigung zur Überzeugung der Kammer vorlägen. Der sowohl nach dem Vortrag als auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme umfangreich in die Ermittlungen eingeschaltete Betriebsrat sei unter Berücksichtigung der subjektiven Determinierungslast ordnungsgemäß informiert worden und die Frist des § 102 Abs. 3 BetrVG eingehalten. Die Kündigung scheitere auch nicht an einem Verstoß gegen § 626 Abs. 2 BGB, da abzustellen sei auf die Kenntnis des damals allein Kündigungsberechtigten Geschäftsführers Dr. S, für den es eine Vertretungsregelung nicht gegeben habe. Dies stehe nach der Aussage des Zeugen B fest. Da der Geschäftsführer Dr. S erst am 03. November 2014 Kenntnis erlangt habe, komme es maßgeblich darauf, ob die Beklagte ihre Verpflichtung zur Aufklärung des restlichen Sachverhaltes und Anhörung des Klägers ohne schuldhaftes Zögern durchgeführt habe. Dies sei nach dem ab diesem Zeitpunkt unstreitigen Geschehensablauf zur Überzeugung der Kammer der Fall. Es liege der erforderliche dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Klägers vor, weil nach der Beweisaufnahme feststehe, dass der Kläger am Samstag, den 11. Oktober 2014 vermittels des Zweittransponders des Mitarbeiters P die Räume des Rechenzentrums aufgesucht habe, um dort den Laptop im Wert von 2.640,00 Euro zu entwenden und am Montag, den 13. Oktober 2014 erneut die Räume aufgesucht habe, um das fehlende Netzteil zu suchen. Der Zeuge B habe das Fehlen eines Laptops am 16. Oktober 2014 und die Meldung an den Zeugen P und die erfolglose Durchsuchung der IT-Räume bestätigt, der Zeuge P seine Information, die gemeinsame Durchsuchung, den weiteren Gang der Auswertung und Aufklärung wie von der Beklagten behauptet und dass mit Ausnahme der Buchungsdaten des Klägers keine Übereinstimmungen an beiden Tagen vorgelegen hätten. Auch habe er bestätigt, dass die Korrektur der Zeitfehler erfolgt und das Betriebsratsmitglied E weitgehend dabei gewesen sei. Der Zeuge P habe bestätigt, dass die Daten in den Schließzylindern selbst nicht veränderlich seien. Der Zeuge E habe das Einverständnis des Betriebsrats mit der Auslesung und die Vorlage der Ergebnisse an diesen und die gemeinsame Ansicht der Videoaufzeichnung ebenso bestätigt wie die Zeitkorrekturen. Der Betriebsratsvorsitzende H habe erklärt, zu diesem Zeitpunkt sei nur in der Halle H gearbeitet worden und man könne nur über den Zaun klettern, um außer über den Weg des Drehkreuzes in den Betrieb zu kommen. Der Zeuge P habe die Behauptungen zu seinem Zweittransponder bestätigt. Der Zeuge B habe wie der Zeuge P bestätigt, dass nur der Kläger an allen drei Tagen (10., 11. und 13. Oktober 2014) dagewesen sei. Danach sei ein vernünftiger Geschehensablauf, der den Kläger entlasten könne, nicht darstellbar. Wenn sich die zeitlichen Betretensvorgänge des Werkes in nahem zeitlichen Umfeld des Betretens des Rechenzentrums lediglich beim Kläger feststellen ließen und dieser zudem die einzige Person gewesen sei, bei der eine hohe Wahrscheinlichkeit bestanden habe, dass sie vom Aufenthaltsort des Zweittransponders P gewusst und auf diesen Zugriff gehabt habe, bestehe ein dringender Verdacht, dass es gerade der Kläger gewesen sei, der sich dieses Transponders entsprechend bedient habe. Auch aus der Stellungnahme des Klägers im Rahmen der erfolgten Anhörung ergäben sich keine Anhaltspunkte für einen anderweitigen Verlauf. Im Rahmen der Interessenabwägung und der Frage einer Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sei zu berücksichtigen, dass der Kläger als Stellvertreter des Zeugen P umfangreiche Befugnisse bezüglich des Betretens zahlreicher Räume habe und daher nur eine permanente Überwachung oder seine Beschäftigung mit im Verhältnis zu seiner sehr hohen Vergütung geringwertigeren unschädlichen Aufgaben in Betracht gekommen wäre, was der Beklagten aufgrund des Ausmaß des Verstoßes letztlich nicht zuzumuten gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 192 bis 198 d. A. verwiesen.

23

Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 09. Juli 2015 zugestellte Urteil mit am 05. August 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 04. August 2015 Berufung eingelegt und diese mit am 08. September 2015 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 04. September 2015 begründet.

24

Der Kläger macht zur Begründung seiner Berufung nach Maßgabe seiner Berufungsbegründungsschrift vom 04. September 2015, auf die auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 215 ff. d. A.), zweitinstanzlich im Wesentlichen geltend,
es liege ein Verstoß gegen § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB vor, da der vollständige kündigungsrelevante Sachverhalt bereits am 16. Oktober 2014 vorgelegen habe und ab diesem Zeitpunkt der kündigungsberechtigte Dr. S hätte Kenntnis haben können und auch gehabt habe (Vernehmung des Zeugen P, Seite 9 2. Absatz = Bl. 155 d. A.), die Kündigung jedoch erst 5 ½ Wochen später erfolgt sei. Es könne die Frist nicht hemmen, dass der Geschäftsführer sich in Urlaub verabschiedet habe, da die Beklagte über eine professionelle Personallabteilung verfüge und es der Lebenserfahrung widerspreche, dass die Zurückgebliebenen vor Ort nicht mit dem Geschäftsführer in Kontakt stünden. Auch hätte die Personalleitung die Anhörung des Klägers bereits während der Urlaubsabwesenheit des Geschäftsführers einleiten können, auch der Kläger sei schließlich in seiner Krankheit in A-Stadt befragt worden. Zumindest den Zeugen P habe man früher befragen müssen oder aber jemand anderen zur Kündigung bevollmächtigen. Die Kündigung sei auch unwirksam, weil es am wichtigen Grund fehle. Es bleibe bestritten, dass der Laptop vom 10. bis 16. Oktober 2014 abhandengekommen sei. Die Schließzeiten seien nur vom 11. bis 13. Oktober 2014 ausgewertet worden, weil der Kläger in dieser Zeit zu ungewöhnlichen Zeiten im Betrieb gewesen sei. Nach dem 14. Oktober 2014 habe, nachdem der Zeuge P (während seiner Arbeitsunfähigkeit und auch ungewöhnlich) den Zweittransponder abgegeben gehabt habe, habe der Kollege S den Transponder gehabt. Auch nach der Beweisaufnahme hätten noch andere Mitarbeiter Zutritt zum IT-Raum und das Laptop könne nach Aussage des Zeugen B auch außerhalb der IT verbracht worden sein, so dass ein Abhandenkommen auch ohne zwingendes Betreten der IT möglich gewesen sei, zu der im Übrigen auch andere Mitarbeiter und Reinigungskräfte Zugang hätten. Auch die Zeitverschiebung könne eine andere gewesen sein und sei in der Tabelle veränderbar gewesen. Somit sei der Verdacht ihm gegenüber doch eher schwach. Die hilfsweise ordentliche Kündigung sei schon unwirksam, weil die Anhörungsfrist des Betriebsrats noch nicht abgelaufen gewesen sei. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass der nicht kündigungsberechtigte Zeuge B der Zeugin S am 24. November 2014 um 13.44 Uhr gesagt habe, sie solle die Kündigung am 25. November 2014 zustellen, zumal dies von der Zeugenaussage B abweiche, der angegeben habe, dienstags habe man der Zeugin gesagt, dass sie die Kündigung abgegeben könne.

25

Der Kläger beantragt,

26

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - 6 Ca 1123/14 - vom 22. Mai 2015 wird geändert,

27

2. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 24. November 2014 nicht geendet hat,

28

3. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 25. November 2014 zum nächstmöglichen Zeitpunkt bzw. zum 30. Juni 2015 endet.

29

Die Beklagte beantragt,

30

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz, Auswärtige Kammern Bad Kreuznach, vom 22. Mai 2015, 6 Ca 1123/14, zurückzuweisen.

31

Die Beklagte verteidigt das vom Kläger angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 21. Oktober 2015, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 243 ff. d. A.) und trägt zweitinstanzlich vor,
ein Verstoß gegen die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB liege nicht vor. Am 16. Oktober 2014 sei lediglich das Verschwinden des Laptops als Auslöser für die Ermittlungen festgestellt worden; allein über diese Tatsache habe der Zeuge P Mitteilung gemacht, wobei der Kreis der informierten Geschäftsleitung nicht gleichzusetzen sei mit der Geschäftsführung. Der Geschäftsführer Dr. S habe vor dem 03. November 2014 überhaupt keine Kenntnis gehabt. Eine Information des Geschäftsführers während seines Urlaubs sei nicht erforderlich gewesen. Selbst wenn man darauf abstellen wolle, es komme - obwohl dem Kläger gegenüber nicht weisungsbefugt - ausnahmsweise auf die Kenntnis des Zeugen B als Personalleiter an, weil von diesem aufgrund seiner Position zu erwarten sei, dass er die Geschäftsführung informiere, liege kein Organisationsverschulden darin, dass für eine kurzfristige Urlaubsabwesenheit von lediglich zwei Wochen nicht eigens Organisationsstrukturen eingerichtet würden, die den nur im Ausnahmefall nötigen sofortigen Ausspruch einer Kündigung ermöglichten. Zudem sei eine telefonische Unterrichtung des Geschäftsführers aufgrund der Komplexität des Sachverhalts nicht zielführend gewesen. Der Verdacht gegenüber dem Kläger sei dringend. Die Schließzylinder seien vom 10. bis 16. Oktober 2014 ausgewertet worden, nur vom 10. bis 13. Oktober 2014 hätten sich aber Auffälligkeiten ergeben. Der Kläger biete einen anderweitigen konkreten Geschehensablauf nicht an und setze sich insbesondere nicht damit auseinander, dass er neben seinen auffälligen Zutrittszeiten der einzige gewesen sei, der vom Aufenthaltsort des Zweittransponders P gewusst und darauf habe zugreifen können. Seine Ausführungen zur ordentlichen Kündigung seien unergiebig.

32

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 10. November 2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A

33

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

I.

34

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 c ArbGG statthaft, wurde vom Kläger nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 09. Juli 2015 mit am 05. August 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 04. August 2015 form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und mit beim Landesarbeitsgericht am 08. September 2015 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 04. September 2015 rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 ZPO).

II.

35

Die Berufung ist in der Sache nicht erfolgreich. Das Arbeitsgericht hat mit ausführlicher und zutreffender Begründung zu Recht angenommen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis bereits durch die außerordentliche Kündigung vom 24. November 2014, die der Kläger fristgerecht nach §§ 4 Satz 1, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG angegriffen hat, mit sofortiger Wirkung zum Zeitpunkt ihres Zugangs am gleichen Tag beendet worden ist.

36

1. Die Beklagte kann sich hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung vom 24. November 2014 auf einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB berufen.

37

1.1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

38

a) Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 Rn. 13, 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11 - Rn. 16; 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16, jeweils zitiert nach juris).

39

b) Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 14 mwN; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17; 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30, jeweils zitiert nach juris).

40

1.2. Das Arbeitsgericht ist nach durchgeführter Beweisaufnahme zu Recht davon ausgegangen, dass vorliegend nach Aufklärung sämtlicher Umstände einschließlich der Anhörung des Klägers vom 17. November 2014 der dringende Verdacht besteht, dass der Kläger einen Diebstahl zu Lasten der Beklagten begangen hat, indem er am Samstag, den 11. Oktober 2014 unter Verwendung des Zweittransponders des Zeugen P um kurz nach 8.00 Uhr im EDV-Rechenzentrum ein HP-ZBook zum Preis ca. 2.640,00 Euro entwendet hat, wobei alles dafür spricht, dass er auch am Montag, den 13. Oktober 2014 erneut die Räumlichkeiten aufgesucht hat, um das entsprechende Netzteil zu finden. Auch hat das Arbeitsgericht in Ergebnis und Begründung zutreffend angenommen, dass nach vorzunehmender Interessenabwägung im Einzelfall der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zuzumuten war. Die Berufungskammer nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich Bezug auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts (S. 16, 3. Absatz bis S. 19, 4. Absatz = Bl. 195 bis 198 d. A.) und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die Angriffe der Berufung rechtfertigen eine andere Betrachtung nicht.

41

a) Wenn die Berufung weiter bestreitet, dass der Laptop im von der Beklagten behaupteten Zeitraum vom 10. bis 16. Oktober 2014 gestohlen worden sein muss, geht dies fehl. Die vom Arbeitsgericht vernommenen Zeugen B und P haben im Rahmen der Beweisaufnahme, die der Kläger nicht angegriffen hat, bekundet, dass der am 16. Oktober 2014 vermisste Laptop einer der zuvor gelieferten Laptops war, die am 10. Oktober 2014 ausgepackt, deren Netzteile separiert abgepackt worden sind und von denen sieben anschließend im EDV-Rechenzentrum aufbewahrt wurden. Damit steht fest, dass das verschwundene Gerät nur in dieser Zeit abhandengekommen sein kann.

42

b) Entgegen der Ausführungen der Berufung ist die Überprüfung der Schließzeiten nicht auf den Zeitraum vom 11. bis 13. Oktober 2014 beschränkt worden, weil der Kläger in dieser Zeit zu ungewöhnlichen Zeiten im Betrieb gewesen ist. Unabhängig davon, dass die Beklagte ohnehin behauptet hat, die Schließzylinder des EDV-Rechenzentrums im gesamten in Frage kommenden Zeitraum ausgelesen zu haben, hat sich die anschließende Prüfung der übrigen Schließzylinder einschließlich der Außenzugänge lediglich deshalb auf den Zeitraum vom 10. (nicht 11.) Oktober bis 13. Oktober 2014 beschränkt, weil am 10., 11. und 13. Oktober 2014 ungewöhnliche Buchungen mit dem Zweittransponder des arbeitsunfähig erkrankten Zeugen P an der Bürotür Kläger/P bzw. an den Türen des EDV-Rechenzentrums aufgefallen waren. Erst hierbei trat zu Tage, dass der Kläger ebenfalls am 11. und 13. Oktober 2014 zu (für ihn) ungewöhnlichen Zeiten im Betrieb war. Der Wirksamkeit der Kündigung steht im Übrigen nicht entgegen, dass die Beklagte durch die mit Zustimmung des Betriebsrats erfolgte Auswertung der Schließzylinder der Türen Kenntnis von den unstreitigen Zutrittszeiten des Klägers erlangt hat. Ein Verbot prozessualer Verwertung bestand nicht. Selbst der Umstand, dass eine Partei Kenntnis der von ihr behaupteten Tatsachen auf rechtswidrige Weise erlangt hat, führt nicht notwendig zu einem Verbot von deren prozessualer Verwertung. Falls die betreffenden Tatsachen von der Gegenseite nicht bestritten werden, also unstreitig geworden sind, besteht ein solches Verbot nur dann, wenn der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm einer gerichtlichen Verwertung der Information zwecks Vermeidung eines Eingriffs in höherrangige Rechtspositionen dieser Partei zwingend entgegensteht (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 29 mwN, zitiert nach juris). Die Berufungskammer nimmt vorliegend an, dass es sich bei der von der Beklagten vorgenommenen Auswertung des Schließanlagensystems um eine nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässige Nutzung von Daten zur Aufdeckung einer Straftat gehandelt hat, da die Beklagte den Verdacht einer konkret strafbaren Handlung gegen einen zumindest räumlich und funktional auf die Nutzungsberechtigten der Türen des Gebäudes B/C abgrenzbaren Kreises von Arbeitnehmern hatte und die Auswertung der betroffenen Schließzylinder angesichts der für alle Arbeitnehmer erkennbar gegebenen Möglichkeit entsprechender Rückschlüsse auf ihre Zutrittszeiten das Verhältnismäßigkeitsprinzip gewahrt hat(vgl. insgesamt zur Thematik bei Videoüberwachung: BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 19 ff., zitiert nach juris). Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, hat der Kläger jedenfalls in die Verwertung der in Bezug auf ihn ermittelten Daten eingewilligt. Er hat weder seine tatsächlichen Zutrittszeiten in Abrede gestellt (§ 138 Abs. 2, Abs. 3 ZPO), noch der Verwertung der durch die Auswertung der Schließzylinder in Bezug auf seinen Transponder ermittelten Zutrittszeiten widersprochen.

43

c) Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Vorgänge rund um das Verschwinden des Laptops nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sind, das eine außerordentliche Kündigung nicht rechtfertigen könnte. Auch in der Berufungsinstanz hat der Kläger einen im Vergleich zum durch die Beweisaufnahme bestätigten plausiblen anderweitigen Geschehensablauf nicht dargelegt. Zwar weist er zu Recht darauf hin, dass auch die IT-Mitarbeiter den Laptop hätten aus der EDV-Abteilung verbringen können und andere Mitarbeiter - etwa Service-Mitarbeiter, vermutlich Reinigungskräfte oder der Zeuge S nach Rückgabe des Transponders durch den Zeugen P am 14. Oktober 2014 - Zutritt zu den EDV-Büros hatten. Auch mögen für sich genommen die Ausführungen des Klägers zur Erklärung seiner ungewöhnlichen Anwesenheiten im Betrieb am 11. und 13. Oktober 2014 nachvollziehbar sein. Es kann dahinstehen, warum dem Kläger erst verspätet eingefallen sein mag, dass er am 13. Oktober 2014 aus dienstlichen Gründen früher in den Betrieb gekommen ist, während er bei seiner offiziellen Anhörung noch Schlaflosigkeit zur Begründung angeben hatte und inwiefern die behaupteten Vorbereitungsarbeiten an diesem Tag als Grund angesichts der Tatsache, dass der Kläger unstreitig ohnehin allmorgendlich mit einer Stunde privatem „Vorlauf“ im Betrieb erschienen ist, nachvollziehbar sind. Auch bedarf es keiner abschließende Bewertung, warum der Kläger, der schriftsätzlich keinerlei Erklärung dafür geliefert hat, wie es zu der Buchung am 10. Oktober 2014 an seiner Bürotür um 15.23 Uhr mit dem Zweittransponder seines unmittelbaren Kollegen P kommen konnte, wo er selbst den Raum ausweislich der Auslesung des Schließzylinders der Bürotür wenige Minuten (15.27 Uhr) später verlassen hat, erstmals auf Nachfrage im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer - ohne dass dies protokolliert worden wäre - angegeben hat, er sei an diesem Nachmittag im Haus unterwegs und seine Bürotür bei Rückkehr unverschlossen gewesen. Auch bei Berücksichtigung der vom Kläger angeführten Geschehensabläufe - Suche nach der Geldbörse nach krankheitsbedingtem Toilettengang auf der Damentoilette im Gebäude B am 11. Oktober 2014 um kurz nach 8.00 Uhr und dienstlich begründet frühes Erscheinen im Betrieb am 13. Oktober 2014, erneuter Toilettengang, diesmal im Gebäude C, und versehentlich vergessene Zeiterfassungsbuchung - lässt sich jedenfalls nicht erklären, wer - wenn nicht der Kläger - in diesem Fall den Zweittransponder des Zeugen P am 11. und 13. Oktober 2013 benutzt haben sollte, nachdem nach erstinstanzlich durchgeführter Beweisaufnahme auch für die Berufungskammer zur Überzeugung feststeht, dass allein er an allen drei Tagen zeitgleich im Betrieb anwesend war. Darüber hinaus fehlt es an jeglichem konkreten Anhaltspunkt für die Mitnahme des Laptops durch Dritte, die Zugang zur CO-IT-Abteilung hatten, zumal im allgemeinen Tagesgeschäft bei Anwesenheit weiterer Mitarbeiter ein unbeobachtetes Verbringen des Gerätes sich schwierig gestaltet haben dürfte. Dies gilt umso mehr, als der mit der Auslesung der Schließzylinder und Zeiterfassungsdaten befasste Zeuge P und auch der hieran beteiligte Zeuge E bestätigt hat, dass es Besonderheiten nur im Hinblick auf den Kläger gegeben hat und insbesondere der Zeuge H bekundete, dass der Kläger auffällig gewesen sei, weil er sich als einziger im fraglichen Zeitraum im Haus befunden habe. Soweit der Kläger bemängelt hat, es habe Manipulationsmöglichkeiten bei der Angleichung der Zeitverschiebungen bei den Schließzylindern in der Excel-Tabelle auf die reale Zeit gegeben, mag dies technisch - wie vom Zeugen P dem Grunde nach bestätigt - zutreffend sein. Anhaltspunkte dafür, dass es eine derartige Manipulation gegeben hat, sind jedoch in keiner Weise ersichtlich, zumal der Zeuge P, dem der Kläger ein eventuelles Racheansinnen unterstellt, die Übertragung zusammen mit dem Betriebsratsmitglied E ausgeführt hat und auch dieser keinerlei Manipulationen bekundet hat. Schließlich hat das Arbeitsgericht ergänzend zutreffend darauf abgehoben, dass der Kläger - unabhängig davon, ob er vor den streitigen Vorgängen Kenntnis von dessen Zweittransponder hatte oder nicht - der unmittelbare Kollege des Zeugen P war, sich mit diesem ein Büro geteilt hat, in dem sich der Zweittransponder befand, und der Kläger, was die Beklagte zu Recht betont, zudem als früherer Mitarbeiter der IT über die übliche Aufbewahrung von technischen Geräten wie Laptops in der EDV-Abteilung Kenntnis besessen hat.

44

d) Die Berufung wendet sich gegen die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur stets vorzunehmenden Interessenabwägung im Einzelfall nicht. Lediglich ergänzend ist daher festzustellen, dass das Arbeitsgericht zu Recht angenommen hat, dass die Kündigung bei Beachtung der Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt ist. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 Rn. 34, 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 17, 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, jeweils zitiert nach juris). Auch wenn zu Gunsten des Klägers sein Lebensalter und seine - unterstellt beanstandungsfreie - lange Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen sind, handelt es sich bei dem Kündigungsvorwurf der Entwendung eines Laptops von erheblichem Wert um eine derart erhebliche gegen die Vermögensinteressen der Beklagten gerichtete Pflichtverletzung, dass ihr eine Weiterbeschäftigung des auch mit Befugnissen im sicherheitsrelevanten Bereich ausgestatteten Klägers - wie beispielsweise dem vertretungsweisen Zugriff auf das Schließanlagensystem - nicht zuzumuten ist. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Unzumutbarkeit der auch nur vorübergehenden Weiterbeschäftigung - ohnehin nur in den Grenzen des der Beklagten zustehenden Direktionsrechts - bis zum Ablauf der Kündigungsfrist wird Bezug genommen.

45

3. Die Beklagte hat entgegen der Ansicht der Berufung die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

46

3.1. Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Bestimmung mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die sachgerechte Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn. 39, 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, jeweils zitiert nach juris). Erheblich ist dabei nur die positive Kenntnis der für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen, der selbst eine grob fahrlässige Unkenntnis nicht gleichzustellen ist (BAG 27. Oktober 1982 - 7 AZR 1238/79 - Rn. 17, zitiert nach juris).

47

Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne(BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn 40, 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 14; 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27, zitiert nach juris). Dabei kommt es nicht darauf an, ob er ggf. eine Kündigung wegen erwiesener Tat oder wegen eines zumindest erdrückenden Verdachts zu erklären beabsichtigt. Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - Rn. 21, zitiert nach juris). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf in der Regel nicht mehr als eine Woche betragen (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn 40, 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, zitiert nach juris). Bei Vorliegen besonderer Umstände kann sie überschritten werden (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn 40, 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 24, zitiert nach juris). Sind die Ermittlungen danach abgeschlossen und hat der Kündigungsberechtigte eine hinreichende Kenntnis vom Kündigungssachverhalt und von den erforderlichen Beweismitteln, so beginnt der Lauf der Ausschlussfrist (BAG 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 24, aaO). Unerheblich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder nicht (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn 40, 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO; 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - aaO).

48

Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Die Kenntnis anderer Personen ist für die Zwei-Wochen-Frist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt auch dann, wenn den Mitarbeitern Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind (BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 21 mwN, zitiert nach juris). Nur ausnahmsweise muss der Arbeitgeber sich die Kenntnis auch anderer Personen nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Diese Personen müssen allerdings eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder der Verwaltung haben und tatsächlich sowie rechtlich in der Lage sein, einen Sachverhalt - der Anhaltspunkte für eine außerordentliche Kündigung bietet - so umfassend klären zu können, dass mit ihrer Meldung der Kündigungsberechtigte ohne weitere Erhebungen und Ermittlungen seine (Kündigungs-) Entscheidung treffen kann. Dementsprechend muss der Mitarbeiter in einer ähnlich selbständigen Stellung sein, wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Stellvertreter des Arbeitgebers. Hinzukommen muss weiter, dass die verspätet erlangte Kenntnis des Kündigungsberechtigten in diesen Fällen auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruht, obwohl eine andere betriebliche Organisation sachgemäß und zumutbar gewesen wäre. Beide Voraussetzungen - ähnlich selbständige Stellung und schuldhafter Organisationsmangel - müssen kumulativ vorliegen (BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 28, 23. Oktober 2008 – 2 AZR 388/07 - mwN Rn. 22, aaO).

49

3.2. Ausgehend hiervon hat die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten.

50

a) Maßgebend für den Beginn der Frist ist vorliegend die Kenntnis des zum damaligen Zeitpunkt zuletzt unstreitig allein kündigungsberechtigten Geschäftsführers Dr. S. Dieser hatte erst nach dem mit dem Kläger geführten Gespräch am 13. November 2014 abschließende Kenntnis von den die Kündigungserklärungsfrist in Gang setzenden Umständen. Mit dem Kündigungszugang am 24. November 2014 ist die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

51

aa) Dr. S hat erst nach seiner Urlaubsrückkehr am 03. November 2014 von den bisherigen Ermittlungsergebnissen um das Verschwinden des Laptops Kenntnis erhalten, woraufhin unverzüglich binnen einwöchiger Regelfrist am 04. November 2014 die schriftliche Anhörung des zu diesem Zeitpunkt weiterhin erkrankten Klägers eingeleitet wurde. Es ist unschädlich, dass mit dem Kläger nach der schriftlichen Äußerung von Sonntag, dem 09. November 2014, am Donnerstag, den 13. November 2014, außerhalb der regelmäßig einzuhaltenden Wochenfrist noch ein persönliches Gespräch geführt worden ist. Der zu diesem Zeitpunkt an seinem Wohnsitz in A-Stadt befindliche Kläger hat in seiner schriftlichen Äußerung vom 09. November 2014 erklärt, seine konkreten Vermutungen zum Verschwinden des Laptops erst in einem persönlichen Gespräch darlegen zu wollen und ein solches für den 13. November 2014 angeboten, da er sich zu diesem Zeitpunkt in B K befinde. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte dieser Anregung nachgekommen ist, zumal die weitere Anhörung innerhalb kurzer Frist nach Eingang der schriftlichen Stellungnahme des Klägers stattgefunden hat. Erst zu diesem Zeitpunkt standen damit alle für die Kündigungsentscheidung relevanten Tatsachen fest. Dass der Kläger im Gespräch vom 13. November 2014 gegenüber der Beklagten - anders als gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden H - letztlich keine neuen Erklärungen abgegeben hat, ist unerheblich.

52

bb) Entgegen der Annahme der Berufung hatte der Geschäftsführer Dr. S nicht bereits vor Beginn seines Urlaubs am 16. Oktober 2014 allein erhebliche positive Kenntnis von den die Kündigungserklärungsfrist in Gang setzenden Tatsachen. Es ist schon nicht ersichtlich, wann ihm überhaupt persönlich Mitteilung vom Vorfall um das verschwundene Laptop gemacht worden wäre, nachdem der Zeuge P im Rahmen seiner Vernehmung ausdrücklich erklärt hat, den Prokuristen G über die Geschehnisse informiert zu haben. Ungeachtet dessen waren die Ermittlungen bis zum 18. Oktober 2014 jedenfalls bereits deshalb noch nicht abschlossen, weil der Zeuge P erst nach seiner Genesung am 20. Oktober 2014 zum Verbleib seines Zweittransponders befragt werden konnte und auch die Anhörung des Klägers noch nicht stattgefunden hatte.

53

b) Die Beklagte muss sich die Kenntnis ihres Personalleiters B im Hinblick auf den Lauf der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht zurechnen lassen, auch wenn dieser bereits am 20. Oktober 2014 nach Auswertung sämtlicher relevanter Daten der Schließanlage, der Zeiterfassung und der Kameraaufnahmen bzw. dem Drehkreuz und nach der Anhörung des Zeugen P um sämtliche Umstände wusste, die erforderlich waren, um zu entscheiden, ob die Anhörung des Klägers in die Wege geleitet werden soll.

54

aa) Die Berufungskammer vermochte bereits nicht davon auszugehen, dass der Personalleiter B sich im Betrieb der Beklagten in der erforderlichen ähnlich selbstständigen Stellung befand wie ein rechtsgeschäftlicher oder gesetzlicher Vertreter, nachdem er anlässlich seiner erstinstanzlichen Vernehmung zur Frage der Kündigungsberechtigung zum Zeitpunkt der streitigen Vorfälle wörtlich bekundet hat, „hier durfte keiner was, nur Dr. S“. Dafür, dass dies den Tatsachen entsprach und (auch) der Zeuge B gerade keine ähnlich selbstständige Stellung im Betrieb hatte, spricht auch, dass die Entscheidung, ob der Kläger angehört und damit der Vorfall ihm gegenüber öffentlich werden soll, letztlich auch der Geschäftsführer Dr. S getroffen hat, nachdem ihm der Personalleiter B die bis zu diesem Zeitpunkt nur intern ermittelten Tatsachen weitergegeben hatte. Wer jedoch nur Melde- und Unterrichtungspflichten hat, ist nicht mit einer ähnlich selbständigen Funktion ausgestattet wie ein Kündigungsberechtigter (so BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 25, zitiert nach juris).

55

bb) Darüber hinaus fehlt es an einem für die verspätet erlangte Kenntnis des Kündigungsberechtigten ursächlichen Organisationsverschulden der Beklagten. Dieses liegt nicht darin, dass im Betrieb der Beklagten zum vorliegend streitgegenständlichen Zeitpunkt für den Vertretungsfall ein weiterer Kündigungsberechtigter neben dem Geschäftsführer Dr. S nicht bestellt war. Die Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass - wie vom Kläger zu Recht der allgemeinen Lebenserfahrung und üblichen betrieblichen Abläufen zugeordnet - grundsätzlich die Möglichkeit bestand, den kündigungsberechtigten Geschäftsführer während seiner Urlaubsabwesenheit telefonisch zu kontaktieren, ihn über anstehende Kündigungssachverhalte zu informieren und eine Entscheidung über einen Kündigungsausspruch einzuholen. Damit reduzierte sich die Anzahl der Fälle, in denen die Kenntniserlangung des Geschäftsführers verzögert werden konnte, erheblich auf solche Ausnahmefälle komplexer Kündigungssachverhalte, in denen eine telefonische Information des Geschäftsführers angesichts des Umfangs zu sichtender Materialien und persönlicher Eindrücke nicht ausreicht, um diesem eine abschließende Entscheidung über die Kündigung zu ermöglichen. Dies war auch beim streitigen Kündigungssachverhalt aufgrund der umfangreichen (korrigierten) Auswertungen des Schließanlagensystems, der Zeiterfassung und der äußeren Zutrittsmöglichkeiten zum Betrieb und der Ergebnisse der Mitarbeiterbefragungen der Fall. Berücksichtigt man den noch überschaubaren Zeitraum der konkreten Urlaubsabwesenheit des damals alleinigen Geschäftsführers Dr. S und die gerade in Fällen langjährig Beschäftigter wie dem Kläger besonders deutlich werdende Bedeutung der Kündigungsentscheidung und damit der Kündigungsberechtigung, kann es in vorliegendem Einzelfall jedenfalls nicht als unsachgemäß betrachtet werden, wenn sich der Geschäftsführer die Kündigungsentscheidung vorbehält und in Kauf nimmt, dass es in den angesichts der Betriebsgröße seltenen Fällen, in denen eine telefonische Information nicht ausreichend ist, zu einer kurzfristigen Verzögerung des Kündigungsausspruchs kommen kann.

56

4. Einwendungen gegen die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 und 2 BetrVG im Hinblick auf die außerordentliche Kündigung wurden seitens der Berufung weder erhoben, noch sind solche ersichtlich. Die Berufungskammer macht sich zur Vermeidung von Wiederholungen die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Betriebsratsanhörung zu eigen (S. 13 der Entscheidungsgründe = Bl. 192 d. A.) und stellt dies ausdrücklich fest.

57

5. Nachdem das Arbeitsverhältnis mit Zugang der außerordentlichen, fristlosen Kündigung vom 24. November 2014 beendet worden ist, bestand bei Zugang der ordentlichen Kündigung vom 25. November 2014 ein Arbeitsverhältnis nicht mehr. Der Klage blieb damit insgesamt der Erfolg versagt. Die Berufung war zurückzuweisen.

B

58

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

59

Gründe die eine Zulassung der Revision iSd § 72 Abs. 2 ArbGG veranlasst hätten, bestehen nicht.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 10. Nov. 2015 - 6 Sa 351/15

Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 10. Nov. 2015 - 6 Sa 351/15

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 10. Nov. 2015 - 6 Sa 351/15 zitiert 14 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte

Zivilprozessordnung - ZPO | § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht


(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. (2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. (3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestrit

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 102 Mitbestimmung bei Kündigungen


(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. (2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kün

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 4 Anrufung des Arbeitsgerichts


Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung er

Bundesdatenschutzgesetz - BDSG 2018 | § 32 Informationspflicht bei Erhebung von personenbezogenen Daten bei der betroffenen Person


(1) Die Pflicht zur Information der betroffenen Person gemäß Artikel 13 Absatz 3 der Verordnung (EU)2016/679besteht ergänzend zu der in Artikel 13 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Ausnahme dann nicht, wenn die Erteilung der Information

Referenzen - Urteile

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 10. Nov. 2015 - 6 Sa 351/15 zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 10. Nov. 2015 - 6 Sa 351/15 zitiert 11 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13

bei uns veröffentlicht am 31.07.2014

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 12. September 2012 - 2 Sa 7/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12

bei uns veröffentlicht am 20.03.2014

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 19. März 2012 - 2 Sa 1105/11 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Nov. 2013 - 2 AZR 797/11

bei uns veröffentlicht am 21.11.2013

Tenor 1. Die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Juli 2011 - 10 Sa 1781/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12

bei uns veröffentlicht am 20.06.2013

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 18. April 2012 - 18 Sa 1474/11 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Feb. 2013 - 2 AZR 433/12

bei uns veröffentlicht am 21.02.2013

Tenor 1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 17. Februar 2012 - 4 Sa 519/10 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. Okt. 2012 - 2 AZR 700/11

bei uns veröffentlicht am 25.10.2012

Tenor Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Juli 2011 - 11 Sa 758/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11

bei uns veröffentlicht am 24.05.2012

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Oktober 2010 - 8 Sa 249/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 09. Juni 2011 - 2 AZR 323/10

bei uns veröffentlicht am 09.06.2011

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Oktober 2009 - 11 Sa 511/09 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 27. Jan. 2011 - 2 AZR 825/09

bei uns veröffentlicht am 27.01.2011

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. August 2009 - 19/3 Sa 575/08 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Dez. 2010 - 2 AZR 485/08

bei uns veröffentlicht am 16.12.2010

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. April 2008 - 11 Sa 522/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. Nov. 2010 - 2 AZR 801/09

bei uns veröffentlicht am 25.11.2010

Tenor Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. November 2009 - 13 Sa 1497/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Juli 2011 - 11 Sa 758/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der 1954 geborene Kläger war seit September 2002 bei dem beklagten Land als Lehrer beschäftigt. Er erhielt ein monatliches Bruttoentgelt iHv. 3.740,00 Euro.

3

Im Jahr 2003 wurde er mit Strafbefehl wegen sexueller Handlungen an Minderjährigen rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt. Das beklagte Land erteilte ihm eine Abmahnung. Diese wurde im Februar 2007 gemäß der sog. Tilgungsverordnung aus der Personalakte entfernt.

4

Am 29. August 2008 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Kläger wegen Vornahme sexueller Handlungen an einer Person unter 14 Jahren. Nachdem das beklagte Land Kenntnis von der Anklageschrift erhalten hatte, suspendierte es den Kläger vom Dienst und gab ihm Gelegenheit zur Äußerung. Dieser ließ sich dahin ein, das von der Staatsanwaltschaft eingeholte Sachverständigengutachten zur Glaubwürdigkeit der einzigen Belastungszeugin - eines achtjährigen Mädchens - sei unzureichend, nach Einholung eines weiteren Gutachtens könne nicht mit der Eröffnung des Hauptverfahrens gerechnet werden.

5

Nach Anhörung des Personalrats kündigte das beklagte Land das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis am 17. September 2008 außerordentlich fristlos. Zur Begründung wies es darauf hin, dass das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen aufgrund der dem Kläger vorgeworfenen Straftaten zerstört sei.

6

Der Kläger hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben und die Ansicht vertreten, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung habe zu keiner Zeit vorgelegen. Die Zeugin sei nicht glaubwürdig.

7

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 17. September 2008 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

das beklagte Land zu verurteilen, ihn über den 17. September 2008 hinaus zu unveränderten Bedingungen auf demselben Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen.

8

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, es habe sich auf die strafrechtliche Wertung der Staatsanwaltschaft verlassen dürfen. Da diese von einem hinreichenden Tatverdacht iSv. § 170 StPO ausgehe, sei zugleich auch ein ausreichend erhärteter Verdacht gegeben, der eine außerordentliche Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB rechtfertige. Durch den Verdacht, der Kläger habe sexuelle Handlungen an einem Kind vorgenommen, sei sein Vertrauen in diesen nachhaltig zerstört. Ggf. sei die außerordentliche Kündigung in eine ordentliche umzudeuten und zumindest als solche wirksam.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsstreit im Einvernehmen mit den Parteien bis zum Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt. Nachdem die Jugendschutzkammer des Landgerichts die Eröffnung des Hauptverfahrens nach Einholung eines weiteren Gutachtens mangels Glaubwürdigkeit der einzigen Zeugin abgelehnt hatte, hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

11

I. Die Klage ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung des beklagten Landes vom 17. September 2008 nicht aufgelöst worden.

12

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

13

a) Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 16; 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9).

14

b) Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (vgl. BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 27, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17; 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5).

15

c) Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 18; 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9). Deshalb besteht regelmäßig keine Rechtfertigung für die Aussetzung eines Kündigungsschutzprozesses bis zur rechtskräftigen Erledigung eines Strafverfahrens, in dem der Kündigungsvorwurf auf seine strafrechtliche Relevanz hin geprüft wird (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - aaO).

16

d) Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen, allenfalls verstärken (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 25; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, BAGE 137, 54; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Sie können im Übrigen bei der Frage Bedeutung gewinnen, zu welchem Zeitpunkt eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden soll, und deshalb für die Einhaltung der Zweiwochenfrist von Bedeutung sein (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - aaO). Allein auf eine den dringenden Tatverdacht bejahende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden als solche kann die Verdachtskündigung deshalb nicht gestützt werden. Ebenso wie bei der Kündigung wegen einer aus Sicht des Arbeitgebers erwiesenen Tat, bei der eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht ausreicht, die Kündigung zu rechtfertigen, sind die Gerichte für Arbeitssachen auch bei der Verdachtskündigung gehalten, den Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess im Rahmen des Parteivorbringens selbst aufzuklären und zu bewerten (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 26; 18. November 1999 - 2 AZR 852/98 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 93, 12). Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden, selbst wenn sie von Gesetzes wegen einen dringenden Tatverdacht voraussetzen sollten, sind nicht geeignet, Tatsachenvortrag der Parteien des Zivilprozesses zu ersetzen. Der wegen eines dringenden Tatverdachts kündigende Arbeitgeber hat im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen vielmehr bestimmte Tatsachen darzulegen, die unmittelbar als solche den Schluss zulassen, der Arbeitnehmer sei eines bestimmten, die Kündigung rechtfertigenden Verhaltens dringend verdächtig. Zu diesem Zweck ist es ihm zwar unbenommen, sich Ermittlungsergebnisse der Strafverfolgungsbehörden zu eigen zu machen und sie im Arbeitsgerichtsprozess - zumindest durch Bezugnahme - als eigene Behauptungen vorzutragen. Es genügt aber nicht, anstelle von unmittelbar verdachtsbegründenden Tatsachen lediglich den Umstand vorzutragen, auch die Strafverfolgungsbehörden gingen von einem Tatverdacht aus. Weder vermag sich der Prozessgegner darauf sachgerecht einzulassen noch vermögen auf dieser Grundlage die Gerichte für Arbeitssachen das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Wirksamkeit der ausgesprochenen (Verdachts-)Kündigung selbstständig zu beurteilen. Auch brächte sich der Arbeitgeber auf diese Weise selbst um die Möglichkeit, den Arbeitnehmer durch substantiierten Tatsachenvortrag gem. § 138 Abs. 2 ZPO zur substantiierten Erwiderung zu veranlassen und ggf. aus den Regelungen in § 138 Abs. 3, Abs. 4 ZPO prozessualen Nutzen zu ziehen.

17

2. Danach fehlt es im Streitfall an den Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB. Das beklagte Land hat keine verdachtsbegründenden konkreten Tatsachen dargelegt.

18

a) Das beklagte Land geht allerdings zu Recht davon aus, dass ein Verhalten, wie es dem Kläger im Rahmen der Anklage zur Last gelegt wurde, auch als außerdienstliches Verhalten „an sich“ ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung eines Lehrers sein kann. Aus ihm ergeben sich begründete Zweifel an der Eignung für die arbeitsvertraglich geschuldete pädagogische Tätigkeit, die geeignet sein können, eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen (so auch SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 643 u. 697; ErfK/Müller-Glöge 13. Aufl. § 626 BGB Rn. 85; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 80b).

19

b) Das beklagte Land hat jedoch seine Annahme, der Kläger sei der ihm seitens der Staatsanwaltschaft vorgeworfenen Tat dringend verdächtig, allein mit der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft und der dieser zugrunde liegenden Beurteilung begründet. Es hat - über die Tatsache der Anklageerhebung hinaus - keinerlei Umstände vorgetragen, welche einen dringenden Tatverdacht rechtfertigen könnten. Es hat sich den von der Staatsanwaltschaft ermittelten Sachverhalt auf Befragen des Senats ausdrücklich nicht zu eigen gemacht. Damit fehlt es an substantiiertem Sachvortrag, der eine eigene Bewertung der den Verdacht begründenden Tatsachen durch die Gerichte für Arbeitssachen nach Maßgabe zivilprozessualer Grundsätze ermöglichen würde.

20

3. Die Kündigung ist auch als ordentliche Kündigung nicht wirksam. Sie ist nicht sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

21

a) Allerdings kann eine nach § 626 Abs. 1 BGB unwirksame außerordentliche Kündigung nach § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden, wenn das dem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht und dieser Wille dem Kündigungsempfänger im Zeitpunkt des Kündigungszugangs erkennbar ist(BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 33 mwN, AP BGB § 626 Nr. 217 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 23). Bei feststehendem Sachverhalt kann dies auch noch in der Revisionsinstanz erfolgen (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 39 ff., AP BGB § 626 Nr. 230 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 31). Im Streitfall ist von einer derartigen Sachlage auszugehen. Der Inhalt des Kündigungsschreibens ließ für den Kläger den unbedingten Beendigungswillen des beklagten Landes erkennen. Der Kläger musste davon ausgehen, dass es diesem darauf ankam, sich möglichst bald von ihm zu trennen. Besondere Umstände, die den Schluss zuließen, das beklagte Land habe mit der Kündigung ausschließlich die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen wollen, und die damit der von ihm in der Revisionsinstanz ausdrücklich begehrten Umdeutung entgegenstünden, hat der Kläger nicht aufgezeigt (vgl. dazu BAG 15. November 2001 - 2 AZR 310/00 - zu B I 2 c der Gründe mwN, AP BGB § 140 Nr. 13 = EzA BGB § 140 Nr. 24).

22

b) Auch mit Blick auf die ordentliche Kündigung fehlt es jedoch an Sachvortrag des beklagten Landes, der es erlauben würde, das Vorliegen eines dringenden Verdachts kündigungsrelevanten Verhaltens des Klägers selbstständig zu beurteilen.

23

II. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Das Landesarbeitsgericht hat ihn zutreffend dahingehend verstanden, dass er auf eine Beschäftigung für die Dauer des Rechtsstreits gerichtet ist. Dieser ist rechtskräftig abgeschlossen.

24

III. Die Kosten seines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO das beklagte Land zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    F. Löllgen    

        

    Bartz    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Oktober 2010 - 8 Sa 249/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung.

2

Der 1953 geborene Kläger war seit Januar 2002 bei der Beklagten - einer bundesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts mit Sitz in F - als Ingenieur beschäftigt. Seine Tätigkeit verrichtete er in einer nach M ausgelagerten „Fachstelle/Bau“ der Abteilung „Zentrales Baumanagement“. In seine Zuständigkeit fiel die Abwicklung von Bau- und sonstigen Sanierungsvorhaben im Bereich der M Außenstelle der Beklagten und an ihren Liegenschaften in B und R.

3

Der Kläger betreute ua. das Projekt „Erneuerung der Brandschutzklappen des Dienstgebäudes B“. Um den Auftrag bewarb sich die A GmbH (im Folgenden: GmbH), die schon zuvor in dem Dienstgebäude mit regelmäßigen Wartungsarbeiten betraut war. Anfang März 2008 gab sie ein erstes Angebot und unter dem 11. März 2008 ein zweites, inhaltlich erweitertes Angebot mit einer Angebotssumme von 122.652,68 Euro ab.

4

Ein von der Beklagten beauftragtes Ingenieurbüro befürwortete im Hinblick auf das zweite Angebot die Vergabe des Auftrags an die GmbH, allerdings mit der Einschränkung, dass bestimmte Positionen wegen zu hoher Zeitansätze bzw. Einheitspreise nachzuverhandeln seien. Die Unterlagen reichte der Kläger an das Servicezentrum der Beklagten in F weiter. Nachdem von dort die Höhe des Angebots beanstandet worden war, reduzierte die GmbH nach Verhandlungen mit dem Kläger das zweite Angebot um einen Betrag von 10.499,75 Euro. Auf Vorschlag des Klägers und nach Gegenzeichnung durch seinen Vorgesetzten sowie weiteren Genehmigungen über mehrere Hierarchieebenen wurde der GmbH im Wege einer freihändigen Vergabe der Zuschlag erteilt.

5

Aufgrund einer Selbstanzeige des Geschäftsführers der GmbH leitete die Staatsanwaltschaft gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der versuchten Erpressung und Bestechlichkeit ein. Am 4. Februar 2009 wurden die Privatwohnung des Klägers und die Geschäftsräume der M Außenstelle der Beklagten durchsucht. Der Beklagten wurde der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts M vom 21. November 2008 eröffnet, der eine detaillierte Darstellung des zugrunde liegenden Sachverhalts enthält. Insbesondere ist dort der Inhalt mehrerer Gespräche wiedergegeben, die zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer geführt worden sein sollen. Bei der Beklagten wurden Geschäftsunterlagen betreffend die Projekte „Erneuerung der Brandschutzklappen“ und „Umbau Zu- und Abluftanlage“ beschlagnahmt, darunter Unterlagen von Firmen, die hierauf bezogen Angebote abgegeben hatten. Ein dem Kläger am Folgetag eröffneter Haftbefehl wurde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

6

Mit Schreiben vom 5. Februar 2009 stellte die Beklagte den Kläger von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Zugleich teilte sie mit, er sei verdächtig, am 15. Februar 2008 vom Geschäftsführer der GmbH eine Gegenleistung in Höhe von 10 vH des Auftragswerts dafür gefordert zu haben, dass er sich in besonderer Weise für eine Beauftragung der GmbH durch die Beklagte einsetzen würde. Außerdem stehe er im Verdacht, im August 2008 das Angebot des Geschäftsführers der GmbH angenommen zu haben, ihm ohne finanzielle Gegenleistung eine Ferienwohnung am Gardasee für eine Woche zur Verfügung zu stellen. Um dem Kläger Gelegenheit zu geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern, lud sie ihn zu einem Gespräch am Montag, dem 9. Februar 2009, in ihre F Zentrale ein.

7

Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Februar 2009 sagte der Kläger seine Teilnahme an dem Gespräch ab. Er berief sich mit Blick auf das laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren auf sein Schweigerecht. Gleichwohl sei er bereit, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, wozu er einen Fragenkatalog erbitte. Mit Schreiben vom selben Tag teilte die Beklagte dem Kläger unter Beifügung einer Kopie des Durchsuchungsbeschlusses vom 21. November 2008 mit, es stehe ihm frei, sich schriftlich zu den in dem Beschluss angeführten Verdachtstatsachen zu äußern. Sie erwarte den Eingang einer Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am 9. Februar 2009. Einen Fragenkatalog werde sie nicht erstellen.

8

Mit Schreiben vom 9. Februar 2009 erklärte der Kläger, ihm sei noch keine Akteneinsicht gewährt worden. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies er pauschal als unzutreffend zurück. Weder bei seinem ersten Zusammentreffen noch zu einem späteren Zeitpunkt habe er den mitbeschuldigten Geschäftsführer zu Zahlungen im Zusammenhang mit einer möglichen Beauftragung aufgefordert. Er habe auch keine finanziellen Zuwendungen oder einen geldwerten Vorteil sonstiger Art erhalten. Hinsichtlich der Ferienwohnung am Gardasee sei anzumerken, dass er gemeinsam mit seiner Ehefrau bereits Monate zuvor einen Hotelurlaub an der Adria gebucht und gezahlt habe, wie aus einer beigefügten Buchungsbestätigung hervorgehe.

9

Nach Beteiligung des Gesamtpersonalrats kündigte die Beklage das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12. Februar 2009 außerordentlich fristlos. Mit Schreiben vom 26. Februar 2009 erklärte sie hilfsweise eine ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009. Gegen beide Kündigungen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

10

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung lägen nicht vor. Die Beklagte habe sich nicht auf eine Aussage des Geschäftsführers im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren stützen dürfen, sondern habe eigene Nachforschungen anstellen müssen. Der Geschäftsführer sei nicht glaubwürdig. Diesem sei Straffreiheit zugesichert worden. Auch habe er wohl angesichts der knappen Kalkulation der Aufträge seinen Betrieb gefährdet gesehen und ihn - den Kläger - aus dem Weg räumen wollen. Er selbst habe keinen bestimmenden Einfluss auf die Vergabe von Aufträgen durch die Beklagte gehabt. Sollte je ein dringender Tatverdacht bestanden haben sei dieser mit der am 3. März 2010 - unstreitig - erfolgten Aufhebung des Haftbefehls entfallen. Die Erhebung der öffentlichen Klage vom 8. April 2010 und die anschließende Eröffnung des Hauptverfahrens ließen keine andere Bewertung zu. Diese Entscheidungen erforderten nur ein geringeres Maß an Tatverdacht. Eine im Verlauf des Rechtsstreits von der Beklagten veranlasste Innenrevision habe keine Unregelmäßigkeiten ergeben. Die Beklagte habe ihn vor der Kündigung nicht ausreichend angehört. Die Äußerungsfrist sei zu kurz gewesen und habe ihm keine substantiierte Stellungnahme ermöglicht. Mangels konkreter Vorgaben habe er nicht erkennen können, zu welchen Sachverhalten und/oder Tatsachen er sich habe äußern sollen. Die Beklagte habe es versäumt, auf ihre Kündigungsabsicht hinzuweisen.

11

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist und weiter fortbesteht.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund zur Kündigung liege vor, zumindest sei die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Der Kläger sei einer Bestechlichkeit und der versuchten Erpressung verdächtig. Grundlage hierfür seien die im Durchsuchungsbeschluss festgehaltenen Ermittlungsergebnisse. Soweit diese auf Aussagen des Geschäftsführers der GmbH beruhten, habe sie keinen Anlass gehabt, an dessen Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Auch die Strafverfolgungsbehörden hätten offenkundig einen dringenden Tatverdacht angenommen, da ein Haftbefehl nur unter dieser Voraussetzung habe erlassen werden dürfen. Deren Erkenntnisse und Bewertungen mache sie sich zu eigen. Der Kläger habe an der Aufklärung des Sachverhalts nicht nach Kräften mitgewirkt. Weitere Ermittlungen habe sie weder anstellen müssen, noch sei sie dazu nach Beschlagnahme ihrer Geschäftsunterlagen in der Lage gewesen. Soweit der Kläger wegen der Ferienwohnung am Gardasee darauf verwiesen habe, vom 6. bis 13. September 2008 andernorts in Italien eine Unterkunft gebucht zu haben, sei dies angesichts des bis zum 26. September 2008 bewilligten Urlaubs nicht geeignet, den Vorwurf der Bestechlichkeit zu entkräften. Ebenso wenig komme es darauf an, ob der Kläger die Unterkunft tatsächlich genutzt habe. Entscheidend sei, dass er sich den Vorteil habe versprechen lassen.

13

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung vom 12. Februar 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Damit bleibt auch die Klage gegen die ordentliche Kündigung erfolglos.

15

I. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

16

1. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155).

17

2. Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 27, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 3). Schließlich muss der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - Rn. 28, aaO). Der Umfang der Nachforschungspflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/10 - aaO; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - aaO).

18

3. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 30, BAGE 134, 349). Auch der dringende Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, aaO).

19

II. Danach liegt „an sich“ ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor.

20

1. Wer als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile für sich fordert, sich versprechen lässt oder entgegen nimmt, verletzt zugleich - unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB oder - als Beschäftigter im öffentlichen Dienst - wegen Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB bzw. Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB - seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen(§ 241 Abs. 2 BGB). Ein solches Verhalten ist „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist. Der ins Auge gefasste Vorteil begründet vielmehr allgemein die Gefahr, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. Der wichtige Grund liegt in der zu Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, bei der Erfüllung von arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben unberechtigte eigene Vorteile wahrzunehmen. Durch sein Verhalten zerstört der Arbeitnehmer regelmäßig das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1; 21. Juni 2001 - 2 AZR 30/00 - zu B III 2 a der Gründe, EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 7). Auch der dringende Verdacht einer derartigen Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 b der Gründe, aaO).

21

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei im Kündigungszeitpunkt einer in diesem Sinne schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

22

a) Die Beklagte hat sich für den Verdacht auf den im Durchsuchungsbeschluss vom 21. November 2008 wiedergegebenen Sachverhalt berufen. Danach soll der Kläger - zusammengefasst - den Geschäftsführer der GmbH Mitte Februar 2008 aufgefordert haben, ihm eine Gegenleistung iHv. 10 vH des Werts des Auftrags betreffend die Brandschutzklappensanierung dafür zu gewähren, dass er sich in besonderer Weise für die Vergabe von Aufträgen an die GmbH einsetze. Nachdem der Geschäftsführer ihm in einem Telefonat vom 10. März 2008 mitgeteilt habe, er werde den geforderten Betrag nicht zahlen, soll der Kläger ihn gefragt haben, ob er sich diese Weigerung auch gut überlegt habe; diese Haltung könne Konsequenzen nach sich ziehen. Die Äußerungen soll der Kläger am 5. August 2008 anlässlich einer Besprechung in der Räumlichkeiten der Bu sinngemäß wiederholt und nachfolgend das Angebot des Geschäftsführers, ihm eine Ferienwohnung am Gardasee zur Verfügung zu stellen, angenommen haben.

23

b) Mit der Bezugnahme auf diese Sachverhaltsdarstellung hat die Beklagte hinreichend objektive Tatsachen aufgezeigt, die den Verdacht begründen, der Kläger habe sich in Bezug auf seine Berufstätigkeit Geld bzw. geldwerte Vorteile von einem Vertragspartner der Beklagten versprechen lassen und diesen zu dem Versprechen durch das Inaussichtstellen eines möglichen Auftragsverlusts genötigt. Die Beklagte beruft sich dazu nicht auf bloße Mutmaßungen oder Spekulationen, sondern auf einen greifbaren, durch die Strafverfolgungsbehörden ermittelten und in dem Durchsuchungsbeschluss über mehrere Seiten hinweg hinsichtlich Tatzeit und Tatgeschehen detailliert beschriebenen Sachverhalt. Dass dieser Sachverhalt im Wesentlichen auf den Angaben des im Ermittlungsverfahren mitbeschuldigten Geschäftsführers der GmbH über den Inhalt mit dem Kläger geführter Vieraugengespräche beruht und mit dessen Aussage „steht und fällt“, steht dem Umstand, dass es sich dabei um objektive Verdachtstatsachen handelt, nicht entgegen. Die Beklagte hatte keinen durchgreifenden Anlass, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Geschäftsführers in Zweifel zu ziehen. Auch wenn diesem - wie der Kläger im Verlauf des Kündigungsrechtsstreits behauptet hat - Straffreiheit zugesagt worden sein sollte, ist nicht erkennbar - und ist es fernliegend -, dass sich diese Zusage auch auf den Straftatbestand der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) bezöge. Möglichen Unsicherheiten in Bezug auf die Beweisführung hat die Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass sie die Kündigung auf den Verdacht und nicht auf die Erwiesenheit einer Tat stützt.

24

c) Demgegenüber bringt der Kläger lediglich vor, das Landesarbeitsgericht sei zu Unrecht von der Dringlichkeit des Verdachts ausgegangen. Insbesondere habe es verkannt, dass sich die Beklagte hierfür nicht auf den gegen ihn erlassenen Haftbefehl habe berufen dürfen. Damit hat der Kläger die den Verdacht begründenden Tatsachen nicht entkräftet.

25

aa) Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Derartige Umstände können nicht nur bei der Frage Bedeutung gewinnen, zu welchem Zeitpunkt eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden soll, und deshalb für die Einhaltung der Zweiwochenfrist von Bedeutung sein (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, aaO). Sie können auch den Kündigungsgrund selbst unterstützen, sofern es um Handlungen oder Anordnungen der Ermittlungsbehörden geht, die ihrerseits einen dringenden Tatverdacht voraussetzen (vgl. BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 38, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Das trifft auf den in Rede stehenden Haftbefehl grundsätzlich zu. Nach § 112 Abs. 1 iVm. § 114 StPO darf Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten nur angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und - kumulativ - ein Haftgrund besteht. Hinzu kommt, dass die Staatsanwaltschaft der materiellen Wahrheit verpflichtet ist und deshalb nach § 160 Abs. 2 StPO auch den Beschuldigten entlastende Umstände zu ermitteln und bei ihrem Vorgehen zu berücksichtigen hat(Löwe/Rosenberg/Erb StPO § 160 Rn. 47 mwN). Gleiches gilt für den Ermittlungsrichter, der über die Anordnung von Untersuchungshaft entscheidet.

26

bb) Allerdings wird die Verdachtskündigung nicht allein auf eine den dringenden Tatverdacht bejahende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden als solche gestützt werden können. Bei der Kündigung wegen erwiesener Tat reicht eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht aus, die Kündigung zu rechtfertigen. Vielmehr sind die Arbeitsgerichte gehalten, den Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess ohne Bindung an das Strafurteil selbst aufzuklären und zu bewerten (BAG 18. November 1999 - 2 AZR 852/98 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 93, 12; 26. März 1992 - 2 AZR 519/91 - zu B II 4 und III 3 b, dd der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 23 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Für die Verdachtskündigung wird nichts anderes gelten können. Dies hat zur Folge, dass Handlungen oder Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden allenfalls indizielle Bedeutung für die vom Gericht vorzunehmende Bewertung erlangen können, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund wegen des entsprechenden Verdachts gerechtfertigt ist. Die behördlichen Maßnahmen bilden dagegen für sich genommen keinen Kündigungsgrund und sind nicht geeignet, eine eigene Bewertung der den Verdacht begründenden Tatsachen durch die mit der Sache befassten Gerichte zu ersetzen. Im Ergebnis kommt es hierauf nicht an.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen dürfen, der Kläger sei der ihm vorgeworfenen Taten dringend verdächtig, nicht mit dem Haftbefehl als solchem begründet. Es hat vielmehr angenommen, die Beklagte habe sich auf der Grundlage bekannter Verdachtstatsachen die Einschätzung der Ermittlungsbehörden zur Dringlichkeit des Verdachts zu eigen gemacht.

28

(2) Daran anknüpfend hat es weiter geprüft, ob sich der Verdacht aufgrund des Parteivorbringens im vorliegenden Verfahren als weniger intensiv darstellt. Seine Auffassung, dies sei nicht der Fall, hat es im Wesentlichen damit begründet, Manipulationen bei der Preisgestaltung seien den Umständen nach nicht auszuschließen. Das gelte auch dann, wenn das zweite Angebot der GmbH vom 11. März 2008 - wie vom Kläger behauptet - auf der Grundlage des Leistungsverzeichnisses des hinzugezogenen Ingenieurbüros erfolgt sei. Dieser Umstand entlaste den Kläger nicht, weil schon der Umfang der auf 38 Seiten zusammengestellten Angebotspositionen die Chance erhöhe, dass unbemerkt einzelne preisrelevante Posten höher als erforderlich kalkuliert würden. Außerdem sei eine mögliche Preismanipulation durch die später, allerdings erst auf Initiative des Servicezentrums der Beklagten tatsächlich erreichte deutliche Reduzierung des Angebotspreises indiziert.

29

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3; 7. November 2002 - 2 AZR 599/01 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 50; 1. Oktober 1997 - 5 AZR 685/96 - BAGE 86, 347 mwN). Einen derartigen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf.

30

(b) Die Wertung des Landesarbeitsgerichts ist grundsätzlich möglich. Das gilt umso mehr, als der Kläger keinen Grund dafür benannt hat, warum er als zuständiger Sachbearbeiter das Angebot an das Servicezentrum der Beklagten in F weitergeleitet hat, ohne auf die vom Ingenieurbüro beanstandeten Punkte einzugehen. Selbst wenn er sich damit im Rahmen bestehender Richtlinien bewegt haben sollte, fügt sich sein Vorgehen immerhin in das „Bild“ der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe in Erwägung ziehen müssen, dass vereinzelt falsche Mengen zu dem überhöhten Angebotspreis vom 11. März 2008 geführt hätten, ist unbegründet. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils hat das Ingenieurbüro eine Nachverhandlung des betreffenden Angebots wegen zu hoher Zeitansätze und Einheitspreise vorgeschlagen. Daran knüpfen die Ausführungen des Gerichts an. Das Landesarbeitsgericht hat dabei nicht den Vortrag des Klägers übergangen, er habe auf die Auftragsvergabe keinen bestimmenden Einfluss nehmen können. Es hat das Vorbringen im Tatbestand seines Urteils erwähnt und im Rahmen seiner rechtlichen Ausführungen (unter II 1.2.1.2 der Entscheidungsgründe) gewürdigt. Dass es darin keinen Umstand erblickt hat, der die Intensität des Verdachts hätte vermindern können, begründet keinen Rechtsfehler im aufgezeigten Sinne. Im Übrigen schließt das Fehlen einer Möglichkeit zur internen Einflussnahme nicht aus, dass sich der Arbeitnehmer nach außen einer solchen berühmt. Soweit der Kläger gemeint hat, die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts seien „lebensfremd“, setzt er seine eigene Bewertung der Abläufe an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts. Das macht dessen Würdigung nicht rechtsfehlerhaft.

31

d) Die Beklagte hat ihre Verpflichtung nicht verletzt, den Verdacht so weit wie möglich aufzuklären. Insbesondere hat sie den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß angehört.

32

aa) Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung. Bei dieser besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung nicht „ultima ratio“ (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 14 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6).

33

bb) Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Verfehlung kann nur dann für den Ausspruch einer Kündigung genügen, wenn es weder gelungen ist, ihn auszuräumen, noch gelungen ist, die erhobenen Vorwürfe auf eine sichere Grundlage zu stellen (BAG 28. November 2007 - 5 AZR 952/06 - Rn. 19, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Die Anhörung des Arbeitnehmers ist deshalb ein stets gebotenes Mittel der Sachverhaltsaufklärung. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden(BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 15, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 b bb der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1). Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt. Sie ist nicht etwa dazu bestimmt, als verfahrensrechtliche Erschwernis die Aufklärung zu verzögern und die Wahrheit zu verdunkeln (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - aaO).

34

cc) Diesen Anforderungen wird die Anhörung des Klägers gerecht. Die Beklagte hat ihm die konkreten Vorwürfe bekannt gemacht und hinreichend Zeit für eine Stellungnahme eingeräumt. Eines ausdrücklichen Hinweises auf eine bestehende Kündigungsabsicht bedurfte es nicht.

35

(1) Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 5. und 6. Februar 2009 mit dem gegen ihn gehegten Verdacht konfrontiert. Aufgrund der Mitteilungen im ersten Schreiben wusste der Kläger, dass es im Kern um zwei Sachverhalte geht. Die Darstellung der Vorwürfe war ausreichend. Der Kläger konnte angesichts des dem Schreiben vom 6. Februar 2009 beigefügten Durchsuchungsbeschlusses und der dort enthaltenen ausführlichen Darstellung des maßgebenden Sachverhalts in räumlicher und zeitlicher Hinsicht nicht im Unklaren sein, über welchen Kenntnisstand die Beklagte verfügte und auf welche Umstände sie den Verdacht stützte. Einen Katalog von Fragen - wie vom Kläger erbeten - brauchte die Beklagte nicht zu formulieren. Zweck der Anhörung ist die Aufklärung des belastenden Sachverhalts in seiner Gänze, und zwar auch in Richtung auf eine mögliche Entlastung. Der Arbeitnehmer soll Gelegenheit erhalten, sich möglichst unbefangen mit den Vorwürfen des Arbeitgebers auseinanderzusetzen, weil möglicherweise schon seine spontane Reaktion zu einer Entlastung führt (Ebeling Die Kündigung wegen Verdachts S. 167). Diesem Zweck liefe die Formulierung konkreter Fragen zuwider.

36

(2) Die dem Kläger im zweiten Schreiben eingeräumte Frist zur Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am Montag, dem 9. Februar 2009, war zwar knapp bemessen. Der Kläger hat aber weder dargelegt, dass und ggf. warum ihm tatsächlich eine sachangemessene Äußerung binnen der Frist nicht zumutbar war, noch sind solche Umstände objektiv erkennbar. Das gilt umso mehr, als die ihm eingeräumte Möglichkeit zur schriftlichen Äußerung seinem Wunsch entsprach und die - allemal rechtzeitige - Einladung der Beklagten zu dem Gesprächstermin am 9. Februar 2009 nicht aufhob. Soweit mit Blick auf die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB für Aufklärungsbemühungen des Arbeitgebers im Wege der Anhörung des Arbeitnehmers in der Regel eine Frist von einer Woche zu veranschlagen ist(BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 22, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10), folgt daraus nicht, dass dem Arbeitnehmer stets eine entsprechend lange Frist zur Stellungnahme einzuräumen wäre. Das gilt auch angesichts der dem Arbeitnehmer grundsätzlich zuzugestehenden Möglichkeit, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (vgl. insoweit BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6). Im Übrigen hat der Kläger in seinem Schreiben vom 9. Februar 2009 Stellung genommen, ohne um eine Verlängerung der Frist nachzusuchen. Daraus durfte die Beklagte folgern, es habe sich um eine abschließende Äußerung gehandelt. Dass sich der Kläger vorbehalten hat, nach Einsicht in die Ermittlungsakten zu einzelnen Punkten weiter Stellung zu beziehen, steht dem nicht entgegen. Der Kläger hat nicht begründet, warum er sich zu welchen Gesichtspunkten nicht abschließend hat erklären können oder wollen. Dessen hätte es aber bedurft, da sich die Verdachtstatsachen auf Gegenstände seiner eigenen Wahrnehmung bezogen und er keinen Anlass haben konnte anzunehmen, die Beklagte verfüge über bessere Erkenntnisse als er selbst (ähnlich BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1).

37

(3) Für die ordnungsgemäße Anhörung kommt es nicht darauf an, ob mit der Angabe „Dienstschluss“ das Ende der dem Kläger eingeräumten Frist hinreichend bestimmt bezeichnet worden ist. Die Beklagte hat sich gegenüber den Erklärungen im Schreiben vom 9. Februar 2009 nicht auf Verspätung berufen. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte ihr Anhörungsschreiben nicht mehr an ihn persönlich, sondern an seinen bereits umfassend beauftragten Rechtsanwalt habe übermitteln müssen, ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich.

38

(4) Die Anhörung ist auch nicht deshalb unzureichend, weil die Beklagte den Kläger nicht ausdrücklich auf eine bestehende Kündigungsabsicht für den Fall hingewiesen hat, dass sich die Vorwürfe nicht ausräumen ließen. Es ist bereits fraglich, ob den Arbeitgeber eine solche Verpflichtung trifft (bejahend Fischer BB 2003, 522, 523; Seeling/Zwickel MDR 2008, 1022). In jedem Fall bleibt die Nichterteilung eines Hinweises auf eine mögliche Kündigung dann folgenlos, wenn für den Arbeitnehmer die Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses erkennbar war. So liegt es hier. Die Beklagte hat den Kläger mit dem Schreiben vom 5. Februar 2009 mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung frei gestellt. Sie hat mitgeteilt, aufgrund des Verdachts und der Schwere der ihm zugrunde liegenden Tat sei ihr seine Weiterbeschäftigung unzumutbar. Unter diesen Umständen musste dem Kläger klar sein, dass der Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses aus Sicht der Beklagten ganz wesentlich von seiner Stellungnahme abhing.

39

dd) Die Beklagte hat nicht andere Erkenntnismöglichkeiten ungenutzt gelassen, insbesondere nur unzureichende eigene Ermittlungen angestellt. Anhaltspunkte für weitere Aufklärungsbemühungen konnten sich angesichts der Beschlagnahme relevanter Geschäftsunterlagen nur aus der Stellungnahme des Klägers ergeben. Dieser hat sich darauf beschränkt, den Verdacht pauschal von sich zu weisen. Er hat sich mit den im Durchsuchungsbeschluss einzeln aufgeführten Gesprächen weder auseinandergesetzt, noch ihnen substantiierten Vortrag entgegengehalten. Ohne eine detaillierte Erwiderung hatte die Beklagte keinen Anlass, etwa den Geschäftsführer der GmbH selbst zu befragen. Mit Blick auf das Angebot einer Ferienwohnung am Gardasee ist die Beklagte den Angaben des Klägers zur Buchung einer angeblich zeitgleichen Urlaubsreise an die Adria nachgegangen - mit dem Ergebnis, dass dieser Umstand in Anbetracht der Dauer des dem Kläger bewilligten Urlaubs nacheinander liegende Aufenthalte an beiden Orten nicht ausschloss.

40

3. Der Verdacht besteht weiterhin. Er wurde im Verlauf des Rechtsstreits weder entkräftet, noch sind Umstände eingetreten, die zu seiner Abschwächung geführt hätten.

41

a) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ist zu berücksichtigen, dass der ursprüngliche Verdacht durch später bekannt gewordene Umstände, jedenfalls soweit sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen, abgeschwächt oder verstärkt werden kann (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67; 6. November 2003 - 2 AZR 631/02 - zu B II 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2). Eine Differenzierung danach, ob der Arbeitgeber objektiv die Möglichkeit hatte, von den betreffenden Tatsachen bis zum Kündigungsausspruch Kenntnis zu erlangen, ist nicht gerechtfertigt.

42

b) Demgegenüber hält das Landesarbeitsgericht nur solche Tatsachen für berücksichtigungsfähig, die der Arbeitgeber bei Anwendung gebotener und zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen können. Dies überzeugt nicht. Hat der Arbeitgeber entlastende Umstände deshalb nicht erkannt, weil er den Sachverhalt nicht sorgfältig genug aufgeklärt hat, ist die Verdachtskündigung regelmäßig schon aus diesem Grund unwirksam. Dass zugunsten des Arbeitnehmers darüber hinaus Tatsachen berücksichtigungsfähig sind, die der Arbeitgeber selbst nach zumutbaren Aufklärungsbemühungen noch nicht hat kennen können, trägt der Besonderheit Rechnung, dass im Rahmen der Verdachtskündigung nicht der volle Nachweis einer Pflichtverletzung verlangt wird. Blieben den Arbeitnehmer entlastende Tatsachen, die erst im Prozess zutage getreten sind, außer Betracht, hätte der Arbeitgeber ein sehr geringes Prozessrisiko. Er müsste nur nachweisen, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dringender Tatverdacht bestand. Das würde der bei der Verdachtskündigung bestehenden Gefahr, einen Unschuldigen zu treffen, nicht gerecht (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Gefahr würde vielmehr „sehenden Auges“ vergrößert. Ihr erst mit einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch zu begegnen, würde der Sach- und Interessenlage nicht gerecht.

43

c) Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts wirkt sich im Ergebnis nicht aus (§ 561 ZPO).

44

aa) Der Kläger hat dem Vorbringen der Beklagten zum Inhalt der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH keinen anderen, im Einzelnen dargelegten Gesprächsverlauf entgegengesetzt. Er hat sich auf ein einfaches Bestreiten beschränkt und lediglich behauptet, die eine oder andere Äußerung sei so nicht gefallen. Dabei ist er auch dann noch geblieben, als die Beklagte vorgetragen hatte, sie habe mittlerweile Einsicht in die beschlagnahmten Unterlagen nehmen können und diese ausgewertet, zudem habe sie den Geschäftsführer der GmbH befragt, der seine frühere Aussage bekräftigt habe. Spätestens angesichts dieses Vorbringens hätte der Kläger dem von der Beklagten behaupteten Inhalt und Verlauf der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH substantiiert entgegentreten müssen. Das hat er unterlassen. Damit hat er seiner Erklärungspflicht nach § 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO nicht genügt. Das gilt gleichermaßen für die bruchstückhafte Einlassung zum Komplex „Ferienwohnung“. Sie fügt sich ohne Weiteres in die von der Beklagten behaupteten Verdachtstatsachen ein und vermag diese gerade nicht zu entkräften. Der Kläger hat eine vollständige Darstellung des tatsächlichen, aus seiner Sicht wahrhaftigen Geschehensablaufs auch insoweit unterlassen. Auf eine Einschränkung seiner prozessualen Wahrheitspflicht wegen des laufenden Strafverfahrens hat er sich nicht berufen. Es kann deshalb offenbleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein solcher Einwand mit Blick auf die Besonderheiten der Verdachtskündigung beachtlich gewesen wäre.

45

bb) Die Aufhebung des Haftbefehls entlastet den Kläger nicht. Aus ihr folgt - unbeschadet der Frage, inwieweit dies dem Kläger zugute kommen könnte - nicht, die Strafverfolgungsbehörden hätten einen dringenden Tatverdacht zuletzt nicht mehr bejaht. Sie kann ebenso gut darauf zurückzuführen sein, dass der Sachverhalt aus Sicht der zuständigen Stellen ausermittelt war und etwa der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nicht mehr vorlag. Die Annahme, dass nicht etwa der Wegfall eines dringenden Tatverdachts zur Aufhebung des Haftbefehls geführt hat, liegt deshalb nahe, weil er zu diesem Zeitpunkt schon über ein Jahr bestand. Zumindest hatte der Kläger aufgrund seiner Sachnähe Anlass, sich zum Grund der Aufhebung zu erklären. Das hat er versäumt. Ebenso wenig wird der Verdacht dadurch entkräftet, dass bei einer von der Beklagten durchgeführten Innenrevision kein weiteres den Kläger belastendes Material aufgefunden wurde.

46

III. Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist unter Beachtung eines ihm zukommenden Beurteilungsspielraums (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, BAGE 134, 349; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5) revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es hat alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Danach konnte es ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangen, der Beklagten sei in Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzung, derer der Kläger verdächtig war, ein Festhalten am Arbeitsverhältnis selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen.

47

IV. Die Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. 2 BGB)ist gewahrt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind die den Verdacht begründenden Tatsachen der Beklagten erstmals am 4. Februar 2009 bekannt geworden. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 13. Februar 2009 zu.

48

V. Das Landesarbeitsgericht hat nicht näher geprüft, ob die Kündigung an einer fehlerhaften Beteiligung des Personalrats oder des Gesamtpersonalrats scheitert. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zuletzt eine fehlerhafte Beteiligung nicht mehr behauptet. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Ein Rechtsfehler liegt auch objektiv nicht vor.

49

1. Allerdings entbindet der Umstand, dass ein Arbeitnehmer, der die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bzw. Gesamtpersonalrats gerügt hat, den Ausführungen des Arbeitgebers nicht weiter entgegen tritt, das mit der Sache befasste Gerichte nicht von der Verpflichtung, den Arbeitgebervortrag auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Hinsichtlich des Vorbringens zur ordnungsgemäßen Beteiligung des zuständigen Personalrats gilt - wie für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG - eine abgestufte Darlegungslast(BAG 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 3 a der Gründe, AP LPVG Niedersachsen § 28 Nr. 1 = EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 4). Hat der Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bestritten, muss der Arbeitgeber im Detail darlegen, ob und ggf. wie das Verfahren durchgeführt worden ist. Erst wenn er dem nachgekommen ist und eine ordnungsgemäße Beteiligung des zuständigen Personalrats schlüssig aufgezeigt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer diesem Vorbringen iSv. § 138 Abs. 2 ZPO ausreichend entgegengetreten ist, insbesondere deutlich gemacht hat, welche Angaben des Arbeitgebers er weiterhin(mit Nichtwissen, § 138 Abs. 4 ZPO) bestreitet (BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - zu II 1 b der Gründe, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - aaO; 16. März 2000 - 2 AZR 75/99 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 114 = EzA BGB § 626 nF Nr. 179).

50

2. Einer Schlüssigkeitsprüfung im dargestellten Sinne bedarf es nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer auf die Ausführungen des Arbeitgebers zur Personalratsbeteiligung zweifelsfrei zu erkennen gibt, dass er an der betreffenden Rüge als solcher nicht länger festhält. Mit seinem Vorbringen, es fehle an einer ordnungsgemäßen Beteiligung der zuständigen Arbeitnehmervertretung, beruft sich der Arbeitnehmer auf einen „anderen“ Unwirksamkeitsgrund iSd. § 4 Satz 1, § 6 KSchG(BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 12, EzA KSchG § 6 Nr. 4). Die Rüge, die Kündigung sei noch aus einem anderen Grund als dem der Sozialwidrigkeit unwirksam, führt zwar nicht zu einem Wechsel des Streitgegenstands, sondern nur zu einer Erweiterung des Sachvortrags im Kündigungsschutzprozess. Die Regelung des § 6 KSchG ist aber Beleg dafür, dass der Arbeitnehmer über die Einführung der Unwirksamkeitsgründe frei entscheiden und den Prozessstoff insoweit von vorneherein begrenzen oder in den zeitlichen Grenzen des § 6 Satz 1 KSchG erweitern kann. Die gerichtliche Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung hat nur im Rahmen der iSv. § 4 Satz 1 iVm. § 6 Satz 1 KSchG rechtzeitig angebrachten Unwirksamkeitsgründe zu erfolgen. Für die außerordentliche Kündigung gilt über § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG Entsprechendes. Unterliegt es deshalb in diesem rechtlichen Rahmen der Disposition des Arbeitnehmers, den Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer Kündigung zu bestimmen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass sich der Prozessstoff entsprechend reduziert, falls der Arbeitnehmer im Verlauf des Rechtsstreits zweifelsfrei zu erkennen gibt, sich auf bestimmte, rechtlich eigenständige Unwirksamkeitsgründe nicht mehr berufen zu wollen. Eine solche die Gerichte bindende Beschränkung des Sachvortrags ist grundsätzlich noch in zweiter Instanz möglich. Die Regelung des § 6 Satz 1 KSchG dient der Konzentration des Kündigungsschutzprozesses und in diesem Zusammenhang auch dem Schutz des Arbeitgebers. Dieser soll sich nicht erstmals in zweiter Instanz auf einen bis dahin in das gerichtliche Verfahren nicht eingeführten „anderen“ Unwirksamkeitsgrund einlassen und dementsprechend langfristig entsprechende Beweise sichern müssen. Diesem Zweck widerspricht es nicht, dem Arbeitnehmer die Befugnis einzuräumen, die Unwirksamkeitsrüge bezogen auf einen bestimmten Unwirksamkeitsgrund selbst im fortgeschrittenen Verfahrensstadium wieder fallen zu lassen.

51

3. So liegt es hier. Einer Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung mit Blick auf die (Gesamt-)Personalratsbeteiligung bedurfte es nicht. Das Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand des Berufungsurteils festgestellt, der Kläger erhebe die betreffende Rüge nicht mehr. Tatbestandsberichtigung hat der Kläger nicht beantragt.

52

VI. Da die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 13. Februar 2009 beendet hat, bleibt die Klage gegen die ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009 schon deshalb ohne Erfolg.

53

VII. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Berger    

        

        

        

    Gans    

        

    F. Löllgen    

                 

Tenor

Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. November 2009 - 13 Sa 1497/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer vom beklagten Land ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger trat im Jahre 1978 in die Dienste des beklagten Landes. Er war zuletzt als stellvertretender Leiter des Hochschulrechenzentrums der Universität O beschäftigt und für Haushalt und Finanzen zuständig.

3

Ab 1986 mussten die Benutzer des Computersaals im Rechenzentrum Codekarten verwenden, für die eine Kaution zu hinterlegen war. Die Kautionsgelder kamen in eine Handkasse, die in einem Tresor verwahrt wurde. Aufzeichnungen über Kassenbewegungen wurden im Wesentlichen nicht geführt.

4

Als die Ausgabe der Codekarten im Jahre 1998 beendet wurde, stellten zwei Angestellte des Rechenzentrums einen Kassenbestand von 28.430,00 DM fest. Dieser Betrag reichte zur Erstattung der Kautionen für zurückgegebene Codekarten nur bis zum 24. Juli 2000. Die Kautionen für die danach eingereichten Karten im Umfang von etwa 3.500,00 Euro mussten anderweitig aufgebracht werden.

5

In diesem Zusammenhang entstand der Verdacht, dass die Codekartenkasse einen beträchtlichen Fehlbestand aufweise. Am 26. Juni 2000 stellte die Universität Strafantrag. Bei hausinternen Ermittlungen legte der Kläger am 14. Juli 2000 in einem Gedächtnisprotokoll dar, im Jahre 1996 sei wegen des anwachsenden Bargeldbestands die Möglichkeit erörtert worden, das Geld zugunsten anderer Universitätskassen einzuzahlen und zB im Bereich Hochschulsport zu „parken“. Er habe das mit dem Leiter der Datenverarbeitung besprochen. Noch 1996 habe er zusammen mit einem Angestellten das Geld in der Codekartenhauptkasse gezählt. Dann seien 29.000,00 DM entnommen worden. Der Angestellte habe den Vorgang handschriftlich vermerkt, und er, der Kläger, habe gegengezeichnet. Das entnommene Bargeld sei von einer Mitarbeiterin an den Leiter der Datenverarbeitung zwecks Einzahlung und weiterer Veranlassung gegen Quittung weitergegeben worden. Von dem entnommenen Geld seien letztlich 14.000,00 DM im Etat des Hochschulsports „geparkt“ worden, 15.000,00 DM seien einer Finanzstelle des Rechenzentrums gutgeschrieben worden. Im weiteren Verlauf der internen Nachforschungen bestritten die Mitarbeiterin und der Leiter, Geld zur Weiterleitung bzw. Einzahlung aus der Codekartenkasse erhalten zu haben.

6

Nach Verurteilung des Klägers wegen Unterschlagung durch das Amtsgericht am 16. Mai 2003 hörte das beklagte Land den Personalrat mit Schreiben vom 19. Mai 2003 - bei Verkürzung der Frist zur Stellungnahme auf drei Tage - zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung an. Am 21. Mai 2003 erklärte der Personalrat, er nehme die außerordentliche Kündigung unter Beachtung der Begründung zur Kenntnis. Mit Schreiben vom 23. Mai 2003, das dem Kläger am selben Tage zuging, kündigte das beklagte Land außerordentlich.

7

Der Kläger hat die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Das beklagte Land habe die im Gesetz vorgesehene Frist zur Stellungnahme für den Personalrat ohne ausreichende Gründe abgekürzt. Die Stellungnahme sei nicht ordnungsgemäß abgegeben, weil ein Angestelltenvertreter nicht mitunterzeichnet habe. Die Kündigungsvorwürfe hat der Kläger bestritten.

8

Der Kläger hat, soweit noch von Interesse, beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. Mai 2003 nicht aufgelöst wurde, sondern darüber hinaus fortbesteht.

9

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigung sei wirksam. Die Beteiligung des Personalrats habe dem Gesetz entsprochen. Es bestehe der dringende Verdacht der Unterschlagung von 29.000,00 DM, zumal die Zeugen die Behauptungen des Klägers zum Zählen und „Parken“ der Gelder nicht bestätigt hätten. Dokumente, die ein solches Unterfangen belegen könnten, seien nicht gefunden worden. Insbesondere seien entsprechende Einzahlungen auf Konten der Universität nicht erfolgt.

10

Das Arbeitsgericht hatte die Aussetzung des Rechtsstreits für die Dauer des - letztlich am 11. Dezember 2007 gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellten - Strafverfahrens angeordnet. Im Einstellungsbeschluss des Landgerichts O heißt es ua. ein konkreter Fehlbestand habe durch Beweisaufnahme nicht festgestellt werden können und in Anbetracht der geleisteten Rückzahlungen sei die Schuld gering gewesen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. Mai 2008 abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach Klageantrag erkannt. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung vom 23. Mai 2003 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Ob die Wirksamkeit der Kündigung bereits an einer fehlerhaften Beteiligung des Personalrats scheitert, kann offen bleiben (A). Die Kündigung ist nicht durch einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt(B). Der von dem beklagten Land gehegte Verdacht der Unterschlagung ist nicht hinreichend dringend (B II 1). Der vom Landesarbeitsgericht angenommene dringende Verdacht, der Kläger könne das „Parken“ von Geldern vorgetäuscht haben, stellt keinen wichtigen Grund dar (B II 2).

13

A. Ob die Beteiligung des Personalrats an einem Fehler leidet, der die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hätte, bedarf keiner Entscheidung. Im Streitfall hat das beklagte Land die Frist zur Stellungnahme des Personalrats auf drei Tage abgekürzt, weil ein „dringender Fall“ iSd. § 76 Abs. 2 Satz 2 NPersVG vorgelegen habe. Ob die gesetzlichen Voraussetzungen eines dringenden Falles gegeben waren und das beklagte Land die Frist zurecht abgekürzt hat, kann dahin stehen. Zum einen führen Verfahrensfehler des Arbeitgebers bei der Beteiligung des Personalrats nicht zwangsläufig zur Unwirksamkeit der Kündigung. So ist etwa die Einleitung des Anhörungsverfahrens durch eine andere als die im Gesetz dafür vorgesehene Person auf Seiten des Arbeitgebers dann unschädlich, wenn der Personalrat diesen Mangel nicht rügt (Senat 26. Oktober 1995 - 2 AZR 743/94 - AP BPersVG § 79 Nr. 8; 13. Juni 1996 - 2 AZR 402/95 - AP LPVG Sachsen-Anhalt § 67 Nr. 1). In gleicher Weise hat das Bundesverwaltungsgericht eine Rüge des Personalrats für den Fall gefordert, dass er die Fristverkürzung nach § 69 Abs. 2 Satz 4 LPVG BW nicht gelten lassen will(BVerwG 15. November 1995 - 6 P 4/94 - zu II 2 der Gründe, ZfPR 1996, 88). Ob auch eine zu Unrecht erfolgte Abkürzung der Frist nach § 76 Abs. 2 Satz 2 NPersVG gerügt werden müsste, kann im Streitfall auf sich beruhen. Zum Anderen nämlich entbehrt die Kündigung bereits in der Sache der Rechtfertigung.

14

B. Die außerordentliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Sie ist unwirksam, weil sie nicht durch einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt ist.

15

I. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

16

1. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Der Verdacht muss auf konkrete Tatsachen gestützt sein. Er muss sich aus Umständen ergeben, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Der Verdacht muss dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (vgl. Senat 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 27).

17

2. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 30; 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8; Preis AuR 2010, 242 f.). Auch der Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein. Deshalb besteht regelmäßig keine Rechtfertigung für die Aussetzung eines Kündigungsschutzprozesses bis zur rechtskräftigen Erledigung eines Strafverfahrens, in dem der Kündigungsvorwurf unter dem Gesichtspunkt des Strafrechts geprüft wird - zumal die Aussetzung, wie im Streitfall, zu einer bedenklichen, für die Parteien mit erheblichen wirtschaftlichen Risiken verbundenen Verzögerung des Kündigungsschutzprozesses führen kann.

18

II. Gemessen an diesen Grundsätzen ist ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben.

19

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass ein dringender Verdacht der Veruntreuung von 29.000,00 DM gegen den Kläger nicht besteht. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich unbedenklich. Richtig ist, dass der Kläger nach seiner eigenen Einlassung im Jahre 1996 der Kasse 29.000,00 DM entnommen und in anderen Kassen der Universität „geparkt“ haben will, ohne dass der Verbleib des Geldes geklärt wäre. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch für den Senat bindend festgestellt, dass nach Ausschöpfung des Barbestands in der Kautionskasse im Juli 2000 noch Codekarten im Wert von 3.576,31 € eingetauscht wurden. In dieser Höhe ist ein Defizit nachweisbar. Das Defizit müsste jedoch, wenn der Kläger den Betrag von 29.000,00 DM unterschlagen hätte, wesentlich höher sein. Der Fehlbetrag deckt sich nicht einmal annähernd mit der Geldsumme, die der Kläger „geparkt“ haben will. Auch von irgendeinem anderen Betrag ist nicht erkennbar, dass und wann der Kläger ihn auf die Seite gebracht haben könnte. Dass der Kläger etwa - wenn auch nur zeitweise - alleinigen Zugang zur Barkasse gehabt hätte und bei dieser Gelegenheit der Kasse Geld in annähernder Höhe des entstandenen Defizits entnommen haben könnte, ist nicht einmal angedeutet. Bei dieser Lage bestehen zwar erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger seiner vertraglich übernommenen Verantwortung gerecht geworden ist. Es ist auch nachvollziehbar, dass sich ein Arbeitnehmer, in dessen Verantwortungsbereich Gelder in vierstelliger Höhe auf ungeklärte Weise verschwinden, berechtigtem Argwohn ausgesetzt sieht. Ein solcher Argwohn kann jedoch nicht die objektiven Indizien ersetzen, auf die sich ein dringender Verdacht stützen können müsste, wenn er einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung bilden soll.

20

2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der gegen den Kläger bestehende dringende Verdacht, er habe das „Parken“ des Betrages von 29.000,00 DM vorgetäuscht, rechtfertige als wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB die außerordentliche Kündigung, ist nicht berechtigt. Richtig ist, dass die vom Kläger aufgestellte Behauptung, er habe im Jahre 1996 im Zusammenwirken mit zwei Arbeitnehmern der Kasse 29.000,00 DM entnommen und ihre Weiterleitung an andere Kassen veranlasst, von den betreffenden Arbeitnehmern nicht bestätigt worden ist. Es mag ebenfalls zutreffen, dass der Verdacht, der Kläger habe diesen Umgang mit dem in seinem Zuständigkeitsbereich zu verwaltenden Geld nur vorgetäuscht, dringend war. In diesem Vortäuschen läge auch - wenn es denn stattgefunden hat - die Verletzung einer vertraglichen Pflicht. Der Kläger war für Haushalt und Finanzen zuständig. Dass er in dieser Funktion seinem Arbeitgeber über den Verbleib von Geldern in seinem Verantwortungsbereich jederzeit wahrheitsgemäß Rechenschaft abzulegen hat, steht außer Zweifel. Diese Pflicht bestand auch dann, wenn er glaubte, durch eine falsche Erklärung die aus seiner Sicht offenbar naheliegende, gleichwohl falsche Vermutung entkräften zu können, ihm sei nachlässiger Umgang mit Kautionsgeldern vorzuwerfen oder er habe gar Unterschleife zu verantworten. Indes wäre ein Verstoß gegen diese Pflicht - und damit erst recht der Verdacht eines solchen Verstoßes - nicht geeignet, das Vertrauen des beklagten Landes in die zukünftige Vertragstreue derart zu erschüttern, dass es durch den Ausspruch einer Abmahnung nicht hätte wiederhergestellt werden können. Wenn der Kläger seine Vorgesetzten in die Irre führte, dann kann er es nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht getan haben, um einen vorsätzlichen Angriff auf das Vermögen des Arbeitgebers zu verschleiern, sondern um den Peinlichkeiten der Entdeckung unachtsamer Dienstausübung zu entgehen. Deren Bemäntelung kann regelmäßig keine schärfere Reaktion als sie selbst rechtfertigen.

21

C. Gem. § 97 Abs. 1 ZPO fallen die Kosten des Revisionsverfahrens dem beklagten Land zur Last.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Bartz    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Juli 2011 - 11 Sa 758/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der 1954 geborene Kläger war seit September 2002 bei dem beklagten Land als Lehrer beschäftigt. Er erhielt ein monatliches Bruttoentgelt iHv. 3.740,00 Euro.

3

Im Jahr 2003 wurde er mit Strafbefehl wegen sexueller Handlungen an Minderjährigen rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt. Das beklagte Land erteilte ihm eine Abmahnung. Diese wurde im Februar 2007 gemäß der sog. Tilgungsverordnung aus der Personalakte entfernt.

4

Am 29. August 2008 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Kläger wegen Vornahme sexueller Handlungen an einer Person unter 14 Jahren. Nachdem das beklagte Land Kenntnis von der Anklageschrift erhalten hatte, suspendierte es den Kläger vom Dienst und gab ihm Gelegenheit zur Äußerung. Dieser ließ sich dahin ein, das von der Staatsanwaltschaft eingeholte Sachverständigengutachten zur Glaubwürdigkeit der einzigen Belastungszeugin - eines achtjährigen Mädchens - sei unzureichend, nach Einholung eines weiteren Gutachtens könne nicht mit der Eröffnung des Hauptverfahrens gerechnet werden.

5

Nach Anhörung des Personalrats kündigte das beklagte Land das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis am 17. September 2008 außerordentlich fristlos. Zur Begründung wies es darauf hin, dass das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen aufgrund der dem Kläger vorgeworfenen Straftaten zerstört sei.

6

Der Kläger hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben und die Ansicht vertreten, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung habe zu keiner Zeit vorgelegen. Die Zeugin sei nicht glaubwürdig.

7

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 17. September 2008 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

das beklagte Land zu verurteilen, ihn über den 17. September 2008 hinaus zu unveränderten Bedingungen auf demselben Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen.

8

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, es habe sich auf die strafrechtliche Wertung der Staatsanwaltschaft verlassen dürfen. Da diese von einem hinreichenden Tatverdacht iSv. § 170 StPO ausgehe, sei zugleich auch ein ausreichend erhärteter Verdacht gegeben, der eine außerordentliche Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB rechtfertige. Durch den Verdacht, der Kläger habe sexuelle Handlungen an einem Kind vorgenommen, sei sein Vertrauen in diesen nachhaltig zerstört. Ggf. sei die außerordentliche Kündigung in eine ordentliche umzudeuten und zumindest als solche wirksam.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsstreit im Einvernehmen mit den Parteien bis zum Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt. Nachdem die Jugendschutzkammer des Landgerichts die Eröffnung des Hauptverfahrens nach Einholung eines weiteren Gutachtens mangels Glaubwürdigkeit der einzigen Zeugin abgelehnt hatte, hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

11

I. Die Klage ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung des beklagten Landes vom 17. September 2008 nicht aufgelöst worden.

12

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

13

a) Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 16; 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9).

14

b) Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (vgl. BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 27, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17; 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5).

15

c) Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 18; 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9). Deshalb besteht regelmäßig keine Rechtfertigung für die Aussetzung eines Kündigungsschutzprozesses bis zur rechtskräftigen Erledigung eines Strafverfahrens, in dem der Kündigungsvorwurf auf seine strafrechtliche Relevanz hin geprüft wird (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - aaO).

16

d) Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen, allenfalls verstärken (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 25; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, BAGE 137, 54; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Sie können im Übrigen bei der Frage Bedeutung gewinnen, zu welchem Zeitpunkt eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden soll, und deshalb für die Einhaltung der Zweiwochenfrist von Bedeutung sein (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - aaO). Allein auf eine den dringenden Tatverdacht bejahende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden als solche kann die Verdachtskündigung deshalb nicht gestützt werden. Ebenso wie bei der Kündigung wegen einer aus Sicht des Arbeitgebers erwiesenen Tat, bei der eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht ausreicht, die Kündigung zu rechtfertigen, sind die Gerichte für Arbeitssachen auch bei der Verdachtskündigung gehalten, den Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess im Rahmen des Parteivorbringens selbst aufzuklären und zu bewerten (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 26; 18. November 1999 - 2 AZR 852/98 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 93, 12). Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden, selbst wenn sie von Gesetzes wegen einen dringenden Tatverdacht voraussetzen sollten, sind nicht geeignet, Tatsachenvortrag der Parteien des Zivilprozesses zu ersetzen. Der wegen eines dringenden Tatverdachts kündigende Arbeitgeber hat im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen vielmehr bestimmte Tatsachen darzulegen, die unmittelbar als solche den Schluss zulassen, der Arbeitnehmer sei eines bestimmten, die Kündigung rechtfertigenden Verhaltens dringend verdächtig. Zu diesem Zweck ist es ihm zwar unbenommen, sich Ermittlungsergebnisse der Strafverfolgungsbehörden zu eigen zu machen und sie im Arbeitsgerichtsprozess - zumindest durch Bezugnahme - als eigene Behauptungen vorzutragen. Es genügt aber nicht, anstelle von unmittelbar verdachtsbegründenden Tatsachen lediglich den Umstand vorzutragen, auch die Strafverfolgungsbehörden gingen von einem Tatverdacht aus. Weder vermag sich der Prozessgegner darauf sachgerecht einzulassen noch vermögen auf dieser Grundlage die Gerichte für Arbeitssachen das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Wirksamkeit der ausgesprochenen (Verdachts-)Kündigung selbstständig zu beurteilen. Auch brächte sich der Arbeitgeber auf diese Weise selbst um die Möglichkeit, den Arbeitnehmer durch substantiierten Tatsachenvortrag gem. § 138 Abs. 2 ZPO zur substantiierten Erwiderung zu veranlassen und ggf. aus den Regelungen in § 138 Abs. 3, Abs. 4 ZPO prozessualen Nutzen zu ziehen.

17

2. Danach fehlt es im Streitfall an den Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB. Das beklagte Land hat keine verdachtsbegründenden konkreten Tatsachen dargelegt.

18

a) Das beklagte Land geht allerdings zu Recht davon aus, dass ein Verhalten, wie es dem Kläger im Rahmen der Anklage zur Last gelegt wurde, auch als außerdienstliches Verhalten „an sich“ ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung eines Lehrers sein kann. Aus ihm ergeben sich begründete Zweifel an der Eignung für die arbeitsvertraglich geschuldete pädagogische Tätigkeit, die geeignet sein können, eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen (so auch SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 643 u. 697; ErfK/Müller-Glöge 13. Aufl. § 626 BGB Rn. 85; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 80b).

19

b) Das beklagte Land hat jedoch seine Annahme, der Kläger sei der ihm seitens der Staatsanwaltschaft vorgeworfenen Tat dringend verdächtig, allein mit der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft und der dieser zugrunde liegenden Beurteilung begründet. Es hat - über die Tatsache der Anklageerhebung hinaus - keinerlei Umstände vorgetragen, welche einen dringenden Tatverdacht rechtfertigen könnten. Es hat sich den von der Staatsanwaltschaft ermittelten Sachverhalt auf Befragen des Senats ausdrücklich nicht zu eigen gemacht. Damit fehlt es an substantiiertem Sachvortrag, der eine eigene Bewertung der den Verdacht begründenden Tatsachen durch die Gerichte für Arbeitssachen nach Maßgabe zivilprozessualer Grundsätze ermöglichen würde.

20

3. Die Kündigung ist auch als ordentliche Kündigung nicht wirksam. Sie ist nicht sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

21

a) Allerdings kann eine nach § 626 Abs. 1 BGB unwirksame außerordentliche Kündigung nach § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden, wenn das dem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht und dieser Wille dem Kündigungsempfänger im Zeitpunkt des Kündigungszugangs erkennbar ist(BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 33 mwN, AP BGB § 626 Nr. 217 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 23). Bei feststehendem Sachverhalt kann dies auch noch in der Revisionsinstanz erfolgen (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 39 ff., AP BGB § 626 Nr. 230 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 31). Im Streitfall ist von einer derartigen Sachlage auszugehen. Der Inhalt des Kündigungsschreibens ließ für den Kläger den unbedingten Beendigungswillen des beklagten Landes erkennen. Der Kläger musste davon ausgehen, dass es diesem darauf ankam, sich möglichst bald von ihm zu trennen. Besondere Umstände, die den Schluss zuließen, das beklagte Land habe mit der Kündigung ausschließlich die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen wollen, und die damit der von ihm in der Revisionsinstanz ausdrücklich begehrten Umdeutung entgegenstünden, hat der Kläger nicht aufgezeigt (vgl. dazu BAG 15. November 2001 - 2 AZR 310/00 - zu B I 2 c der Gründe mwN, AP BGB § 140 Nr. 13 = EzA BGB § 140 Nr. 24).

22

b) Auch mit Blick auf die ordentliche Kündigung fehlt es jedoch an Sachvortrag des beklagten Landes, der es erlauben würde, das Vorliegen eines dringenden Verdachts kündigungsrelevanten Verhaltens des Klägers selbstständig zu beurteilen.

23

II. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Das Landesarbeitsgericht hat ihn zutreffend dahingehend verstanden, dass er auf eine Beschäftigung für die Dauer des Rechtsstreits gerichtet ist. Dieser ist rechtskräftig abgeschlossen.

24

III. Die Kosten seines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO das beklagte Land zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    F. Löllgen    

        

    Bartz    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Oktober 2010 - 8 Sa 249/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung.

2

Der 1953 geborene Kläger war seit Januar 2002 bei der Beklagten - einer bundesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts mit Sitz in F - als Ingenieur beschäftigt. Seine Tätigkeit verrichtete er in einer nach M ausgelagerten „Fachstelle/Bau“ der Abteilung „Zentrales Baumanagement“. In seine Zuständigkeit fiel die Abwicklung von Bau- und sonstigen Sanierungsvorhaben im Bereich der M Außenstelle der Beklagten und an ihren Liegenschaften in B und R.

3

Der Kläger betreute ua. das Projekt „Erneuerung der Brandschutzklappen des Dienstgebäudes B“. Um den Auftrag bewarb sich die A GmbH (im Folgenden: GmbH), die schon zuvor in dem Dienstgebäude mit regelmäßigen Wartungsarbeiten betraut war. Anfang März 2008 gab sie ein erstes Angebot und unter dem 11. März 2008 ein zweites, inhaltlich erweitertes Angebot mit einer Angebotssumme von 122.652,68 Euro ab.

4

Ein von der Beklagten beauftragtes Ingenieurbüro befürwortete im Hinblick auf das zweite Angebot die Vergabe des Auftrags an die GmbH, allerdings mit der Einschränkung, dass bestimmte Positionen wegen zu hoher Zeitansätze bzw. Einheitspreise nachzuverhandeln seien. Die Unterlagen reichte der Kläger an das Servicezentrum der Beklagten in F weiter. Nachdem von dort die Höhe des Angebots beanstandet worden war, reduzierte die GmbH nach Verhandlungen mit dem Kläger das zweite Angebot um einen Betrag von 10.499,75 Euro. Auf Vorschlag des Klägers und nach Gegenzeichnung durch seinen Vorgesetzten sowie weiteren Genehmigungen über mehrere Hierarchieebenen wurde der GmbH im Wege einer freihändigen Vergabe der Zuschlag erteilt.

5

Aufgrund einer Selbstanzeige des Geschäftsführers der GmbH leitete die Staatsanwaltschaft gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der versuchten Erpressung und Bestechlichkeit ein. Am 4. Februar 2009 wurden die Privatwohnung des Klägers und die Geschäftsräume der M Außenstelle der Beklagten durchsucht. Der Beklagten wurde der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts M vom 21. November 2008 eröffnet, der eine detaillierte Darstellung des zugrunde liegenden Sachverhalts enthält. Insbesondere ist dort der Inhalt mehrerer Gespräche wiedergegeben, die zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer geführt worden sein sollen. Bei der Beklagten wurden Geschäftsunterlagen betreffend die Projekte „Erneuerung der Brandschutzklappen“ und „Umbau Zu- und Abluftanlage“ beschlagnahmt, darunter Unterlagen von Firmen, die hierauf bezogen Angebote abgegeben hatten. Ein dem Kläger am Folgetag eröffneter Haftbefehl wurde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

6

Mit Schreiben vom 5. Februar 2009 stellte die Beklagte den Kläger von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Zugleich teilte sie mit, er sei verdächtig, am 15. Februar 2008 vom Geschäftsführer der GmbH eine Gegenleistung in Höhe von 10 vH des Auftragswerts dafür gefordert zu haben, dass er sich in besonderer Weise für eine Beauftragung der GmbH durch die Beklagte einsetzen würde. Außerdem stehe er im Verdacht, im August 2008 das Angebot des Geschäftsführers der GmbH angenommen zu haben, ihm ohne finanzielle Gegenleistung eine Ferienwohnung am Gardasee für eine Woche zur Verfügung zu stellen. Um dem Kläger Gelegenheit zu geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern, lud sie ihn zu einem Gespräch am Montag, dem 9. Februar 2009, in ihre F Zentrale ein.

7

Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Februar 2009 sagte der Kläger seine Teilnahme an dem Gespräch ab. Er berief sich mit Blick auf das laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren auf sein Schweigerecht. Gleichwohl sei er bereit, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, wozu er einen Fragenkatalog erbitte. Mit Schreiben vom selben Tag teilte die Beklagte dem Kläger unter Beifügung einer Kopie des Durchsuchungsbeschlusses vom 21. November 2008 mit, es stehe ihm frei, sich schriftlich zu den in dem Beschluss angeführten Verdachtstatsachen zu äußern. Sie erwarte den Eingang einer Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am 9. Februar 2009. Einen Fragenkatalog werde sie nicht erstellen.

8

Mit Schreiben vom 9. Februar 2009 erklärte der Kläger, ihm sei noch keine Akteneinsicht gewährt worden. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies er pauschal als unzutreffend zurück. Weder bei seinem ersten Zusammentreffen noch zu einem späteren Zeitpunkt habe er den mitbeschuldigten Geschäftsführer zu Zahlungen im Zusammenhang mit einer möglichen Beauftragung aufgefordert. Er habe auch keine finanziellen Zuwendungen oder einen geldwerten Vorteil sonstiger Art erhalten. Hinsichtlich der Ferienwohnung am Gardasee sei anzumerken, dass er gemeinsam mit seiner Ehefrau bereits Monate zuvor einen Hotelurlaub an der Adria gebucht und gezahlt habe, wie aus einer beigefügten Buchungsbestätigung hervorgehe.

9

Nach Beteiligung des Gesamtpersonalrats kündigte die Beklage das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12. Februar 2009 außerordentlich fristlos. Mit Schreiben vom 26. Februar 2009 erklärte sie hilfsweise eine ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009. Gegen beide Kündigungen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

10

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung lägen nicht vor. Die Beklagte habe sich nicht auf eine Aussage des Geschäftsführers im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren stützen dürfen, sondern habe eigene Nachforschungen anstellen müssen. Der Geschäftsführer sei nicht glaubwürdig. Diesem sei Straffreiheit zugesichert worden. Auch habe er wohl angesichts der knappen Kalkulation der Aufträge seinen Betrieb gefährdet gesehen und ihn - den Kläger - aus dem Weg räumen wollen. Er selbst habe keinen bestimmenden Einfluss auf die Vergabe von Aufträgen durch die Beklagte gehabt. Sollte je ein dringender Tatverdacht bestanden haben sei dieser mit der am 3. März 2010 - unstreitig - erfolgten Aufhebung des Haftbefehls entfallen. Die Erhebung der öffentlichen Klage vom 8. April 2010 und die anschließende Eröffnung des Hauptverfahrens ließen keine andere Bewertung zu. Diese Entscheidungen erforderten nur ein geringeres Maß an Tatverdacht. Eine im Verlauf des Rechtsstreits von der Beklagten veranlasste Innenrevision habe keine Unregelmäßigkeiten ergeben. Die Beklagte habe ihn vor der Kündigung nicht ausreichend angehört. Die Äußerungsfrist sei zu kurz gewesen und habe ihm keine substantiierte Stellungnahme ermöglicht. Mangels konkreter Vorgaben habe er nicht erkennen können, zu welchen Sachverhalten und/oder Tatsachen er sich habe äußern sollen. Die Beklagte habe es versäumt, auf ihre Kündigungsabsicht hinzuweisen.

11

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist und weiter fortbesteht.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund zur Kündigung liege vor, zumindest sei die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Der Kläger sei einer Bestechlichkeit und der versuchten Erpressung verdächtig. Grundlage hierfür seien die im Durchsuchungsbeschluss festgehaltenen Ermittlungsergebnisse. Soweit diese auf Aussagen des Geschäftsführers der GmbH beruhten, habe sie keinen Anlass gehabt, an dessen Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Auch die Strafverfolgungsbehörden hätten offenkundig einen dringenden Tatverdacht angenommen, da ein Haftbefehl nur unter dieser Voraussetzung habe erlassen werden dürfen. Deren Erkenntnisse und Bewertungen mache sie sich zu eigen. Der Kläger habe an der Aufklärung des Sachverhalts nicht nach Kräften mitgewirkt. Weitere Ermittlungen habe sie weder anstellen müssen, noch sei sie dazu nach Beschlagnahme ihrer Geschäftsunterlagen in der Lage gewesen. Soweit der Kläger wegen der Ferienwohnung am Gardasee darauf verwiesen habe, vom 6. bis 13. September 2008 andernorts in Italien eine Unterkunft gebucht zu haben, sei dies angesichts des bis zum 26. September 2008 bewilligten Urlaubs nicht geeignet, den Vorwurf der Bestechlichkeit zu entkräften. Ebenso wenig komme es darauf an, ob der Kläger die Unterkunft tatsächlich genutzt habe. Entscheidend sei, dass er sich den Vorteil habe versprechen lassen.

13

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung vom 12. Februar 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Damit bleibt auch die Klage gegen die ordentliche Kündigung erfolglos.

15

I. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

16

1. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155).

17

2. Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 27, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 3). Schließlich muss der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - Rn. 28, aaO). Der Umfang der Nachforschungspflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/10 - aaO; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - aaO).

18

3. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 30, BAGE 134, 349). Auch der dringende Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, aaO).

19

II. Danach liegt „an sich“ ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor.

20

1. Wer als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile für sich fordert, sich versprechen lässt oder entgegen nimmt, verletzt zugleich - unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB oder - als Beschäftigter im öffentlichen Dienst - wegen Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB bzw. Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB - seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen(§ 241 Abs. 2 BGB). Ein solches Verhalten ist „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist. Der ins Auge gefasste Vorteil begründet vielmehr allgemein die Gefahr, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. Der wichtige Grund liegt in der zu Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, bei der Erfüllung von arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben unberechtigte eigene Vorteile wahrzunehmen. Durch sein Verhalten zerstört der Arbeitnehmer regelmäßig das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1; 21. Juni 2001 - 2 AZR 30/00 - zu B III 2 a der Gründe, EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 7). Auch der dringende Verdacht einer derartigen Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 b der Gründe, aaO).

21

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei im Kündigungszeitpunkt einer in diesem Sinne schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

22

a) Die Beklagte hat sich für den Verdacht auf den im Durchsuchungsbeschluss vom 21. November 2008 wiedergegebenen Sachverhalt berufen. Danach soll der Kläger - zusammengefasst - den Geschäftsführer der GmbH Mitte Februar 2008 aufgefordert haben, ihm eine Gegenleistung iHv. 10 vH des Werts des Auftrags betreffend die Brandschutzklappensanierung dafür zu gewähren, dass er sich in besonderer Weise für die Vergabe von Aufträgen an die GmbH einsetze. Nachdem der Geschäftsführer ihm in einem Telefonat vom 10. März 2008 mitgeteilt habe, er werde den geforderten Betrag nicht zahlen, soll der Kläger ihn gefragt haben, ob er sich diese Weigerung auch gut überlegt habe; diese Haltung könne Konsequenzen nach sich ziehen. Die Äußerungen soll der Kläger am 5. August 2008 anlässlich einer Besprechung in der Räumlichkeiten der Bu sinngemäß wiederholt und nachfolgend das Angebot des Geschäftsführers, ihm eine Ferienwohnung am Gardasee zur Verfügung zu stellen, angenommen haben.

23

b) Mit der Bezugnahme auf diese Sachverhaltsdarstellung hat die Beklagte hinreichend objektive Tatsachen aufgezeigt, die den Verdacht begründen, der Kläger habe sich in Bezug auf seine Berufstätigkeit Geld bzw. geldwerte Vorteile von einem Vertragspartner der Beklagten versprechen lassen und diesen zu dem Versprechen durch das Inaussichtstellen eines möglichen Auftragsverlusts genötigt. Die Beklagte beruft sich dazu nicht auf bloße Mutmaßungen oder Spekulationen, sondern auf einen greifbaren, durch die Strafverfolgungsbehörden ermittelten und in dem Durchsuchungsbeschluss über mehrere Seiten hinweg hinsichtlich Tatzeit und Tatgeschehen detailliert beschriebenen Sachverhalt. Dass dieser Sachverhalt im Wesentlichen auf den Angaben des im Ermittlungsverfahren mitbeschuldigten Geschäftsführers der GmbH über den Inhalt mit dem Kläger geführter Vieraugengespräche beruht und mit dessen Aussage „steht und fällt“, steht dem Umstand, dass es sich dabei um objektive Verdachtstatsachen handelt, nicht entgegen. Die Beklagte hatte keinen durchgreifenden Anlass, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Geschäftsführers in Zweifel zu ziehen. Auch wenn diesem - wie der Kläger im Verlauf des Kündigungsrechtsstreits behauptet hat - Straffreiheit zugesagt worden sein sollte, ist nicht erkennbar - und ist es fernliegend -, dass sich diese Zusage auch auf den Straftatbestand der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) bezöge. Möglichen Unsicherheiten in Bezug auf die Beweisführung hat die Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass sie die Kündigung auf den Verdacht und nicht auf die Erwiesenheit einer Tat stützt.

24

c) Demgegenüber bringt der Kläger lediglich vor, das Landesarbeitsgericht sei zu Unrecht von der Dringlichkeit des Verdachts ausgegangen. Insbesondere habe es verkannt, dass sich die Beklagte hierfür nicht auf den gegen ihn erlassenen Haftbefehl habe berufen dürfen. Damit hat der Kläger die den Verdacht begründenden Tatsachen nicht entkräftet.

25

aa) Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Derartige Umstände können nicht nur bei der Frage Bedeutung gewinnen, zu welchem Zeitpunkt eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden soll, und deshalb für die Einhaltung der Zweiwochenfrist von Bedeutung sein (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, aaO). Sie können auch den Kündigungsgrund selbst unterstützen, sofern es um Handlungen oder Anordnungen der Ermittlungsbehörden geht, die ihrerseits einen dringenden Tatverdacht voraussetzen (vgl. BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 38, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Das trifft auf den in Rede stehenden Haftbefehl grundsätzlich zu. Nach § 112 Abs. 1 iVm. § 114 StPO darf Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten nur angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und - kumulativ - ein Haftgrund besteht. Hinzu kommt, dass die Staatsanwaltschaft der materiellen Wahrheit verpflichtet ist und deshalb nach § 160 Abs. 2 StPO auch den Beschuldigten entlastende Umstände zu ermitteln und bei ihrem Vorgehen zu berücksichtigen hat(Löwe/Rosenberg/Erb StPO § 160 Rn. 47 mwN). Gleiches gilt für den Ermittlungsrichter, der über die Anordnung von Untersuchungshaft entscheidet.

26

bb) Allerdings wird die Verdachtskündigung nicht allein auf eine den dringenden Tatverdacht bejahende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden als solche gestützt werden können. Bei der Kündigung wegen erwiesener Tat reicht eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht aus, die Kündigung zu rechtfertigen. Vielmehr sind die Arbeitsgerichte gehalten, den Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess ohne Bindung an das Strafurteil selbst aufzuklären und zu bewerten (BAG 18. November 1999 - 2 AZR 852/98 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 93, 12; 26. März 1992 - 2 AZR 519/91 - zu B II 4 und III 3 b, dd der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 23 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Für die Verdachtskündigung wird nichts anderes gelten können. Dies hat zur Folge, dass Handlungen oder Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden allenfalls indizielle Bedeutung für die vom Gericht vorzunehmende Bewertung erlangen können, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund wegen des entsprechenden Verdachts gerechtfertigt ist. Die behördlichen Maßnahmen bilden dagegen für sich genommen keinen Kündigungsgrund und sind nicht geeignet, eine eigene Bewertung der den Verdacht begründenden Tatsachen durch die mit der Sache befassten Gerichte zu ersetzen. Im Ergebnis kommt es hierauf nicht an.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen dürfen, der Kläger sei der ihm vorgeworfenen Taten dringend verdächtig, nicht mit dem Haftbefehl als solchem begründet. Es hat vielmehr angenommen, die Beklagte habe sich auf der Grundlage bekannter Verdachtstatsachen die Einschätzung der Ermittlungsbehörden zur Dringlichkeit des Verdachts zu eigen gemacht.

28

(2) Daran anknüpfend hat es weiter geprüft, ob sich der Verdacht aufgrund des Parteivorbringens im vorliegenden Verfahren als weniger intensiv darstellt. Seine Auffassung, dies sei nicht der Fall, hat es im Wesentlichen damit begründet, Manipulationen bei der Preisgestaltung seien den Umständen nach nicht auszuschließen. Das gelte auch dann, wenn das zweite Angebot der GmbH vom 11. März 2008 - wie vom Kläger behauptet - auf der Grundlage des Leistungsverzeichnisses des hinzugezogenen Ingenieurbüros erfolgt sei. Dieser Umstand entlaste den Kläger nicht, weil schon der Umfang der auf 38 Seiten zusammengestellten Angebotspositionen die Chance erhöhe, dass unbemerkt einzelne preisrelevante Posten höher als erforderlich kalkuliert würden. Außerdem sei eine mögliche Preismanipulation durch die später, allerdings erst auf Initiative des Servicezentrums der Beklagten tatsächlich erreichte deutliche Reduzierung des Angebotspreises indiziert.

29

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3; 7. November 2002 - 2 AZR 599/01 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 50; 1. Oktober 1997 - 5 AZR 685/96 - BAGE 86, 347 mwN). Einen derartigen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf.

30

(b) Die Wertung des Landesarbeitsgerichts ist grundsätzlich möglich. Das gilt umso mehr, als der Kläger keinen Grund dafür benannt hat, warum er als zuständiger Sachbearbeiter das Angebot an das Servicezentrum der Beklagten in F weitergeleitet hat, ohne auf die vom Ingenieurbüro beanstandeten Punkte einzugehen. Selbst wenn er sich damit im Rahmen bestehender Richtlinien bewegt haben sollte, fügt sich sein Vorgehen immerhin in das „Bild“ der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe in Erwägung ziehen müssen, dass vereinzelt falsche Mengen zu dem überhöhten Angebotspreis vom 11. März 2008 geführt hätten, ist unbegründet. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils hat das Ingenieurbüro eine Nachverhandlung des betreffenden Angebots wegen zu hoher Zeitansätze und Einheitspreise vorgeschlagen. Daran knüpfen die Ausführungen des Gerichts an. Das Landesarbeitsgericht hat dabei nicht den Vortrag des Klägers übergangen, er habe auf die Auftragsvergabe keinen bestimmenden Einfluss nehmen können. Es hat das Vorbringen im Tatbestand seines Urteils erwähnt und im Rahmen seiner rechtlichen Ausführungen (unter II 1.2.1.2 der Entscheidungsgründe) gewürdigt. Dass es darin keinen Umstand erblickt hat, der die Intensität des Verdachts hätte vermindern können, begründet keinen Rechtsfehler im aufgezeigten Sinne. Im Übrigen schließt das Fehlen einer Möglichkeit zur internen Einflussnahme nicht aus, dass sich der Arbeitnehmer nach außen einer solchen berühmt. Soweit der Kläger gemeint hat, die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts seien „lebensfremd“, setzt er seine eigene Bewertung der Abläufe an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts. Das macht dessen Würdigung nicht rechtsfehlerhaft.

31

d) Die Beklagte hat ihre Verpflichtung nicht verletzt, den Verdacht so weit wie möglich aufzuklären. Insbesondere hat sie den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß angehört.

32

aa) Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung. Bei dieser besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung nicht „ultima ratio“ (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 14 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6).

33

bb) Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Verfehlung kann nur dann für den Ausspruch einer Kündigung genügen, wenn es weder gelungen ist, ihn auszuräumen, noch gelungen ist, die erhobenen Vorwürfe auf eine sichere Grundlage zu stellen (BAG 28. November 2007 - 5 AZR 952/06 - Rn. 19, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Die Anhörung des Arbeitnehmers ist deshalb ein stets gebotenes Mittel der Sachverhaltsaufklärung. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden(BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 15, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 b bb der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1). Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt. Sie ist nicht etwa dazu bestimmt, als verfahrensrechtliche Erschwernis die Aufklärung zu verzögern und die Wahrheit zu verdunkeln (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - aaO).

34

cc) Diesen Anforderungen wird die Anhörung des Klägers gerecht. Die Beklagte hat ihm die konkreten Vorwürfe bekannt gemacht und hinreichend Zeit für eine Stellungnahme eingeräumt. Eines ausdrücklichen Hinweises auf eine bestehende Kündigungsabsicht bedurfte es nicht.

35

(1) Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 5. und 6. Februar 2009 mit dem gegen ihn gehegten Verdacht konfrontiert. Aufgrund der Mitteilungen im ersten Schreiben wusste der Kläger, dass es im Kern um zwei Sachverhalte geht. Die Darstellung der Vorwürfe war ausreichend. Der Kläger konnte angesichts des dem Schreiben vom 6. Februar 2009 beigefügten Durchsuchungsbeschlusses und der dort enthaltenen ausführlichen Darstellung des maßgebenden Sachverhalts in räumlicher und zeitlicher Hinsicht nicht im Unklaren sein, über welchen Kenntnisstand die Beklagte verfügte und auf welche Umstände sie den Verdacht stützte. Einen Katalog von Fragen - wie vom Kläger erbeten - brauchte die Beklagte nicht zu formulieren. Zweck der Anhörung ist die Aufklärung des belastenden Sachverhalts in seiner Gänze, und zwar auch in Richtung auf eine mögliche Entlastung. Der Arbeitnehmer soll Gelegenheit erhalten, sich möglichst unbefangen mit den Vorwürfen des Arbeitgebers auseinanderzusetzen, weil möglicherweise schon seine spontane Reaktion zu einer Entlastung führt (Ebeling Die Kündigung wegen Verdachts S. 167). Diesem Zweck liefe die Formulierung konkreter Fragen zuwider.

36

(2) Die dem Kläger im zweiten Schreiben eingeräumte Frist zur Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am Montag, dem 9. Februar 2009, war zwar knapp bemessen. Der Kläger hat aber weder dargelegt, dass und ggf. warum ihm tatsächlich eine sachangemessene Äußerung binnen der Frist nicht zumutbar war, noch sind solche Umstände objektiv erkennbar. Das gilt umso mehr, als die ihm eingeräumte Möglichkeit zur schriftlichen Äußerung seinem Wunsch entsprach und die - allemal rechtzeitige - Einladung der Beklagten zu dem Gesprächstermin am 9. Februar 2009 nicht aufhob. Soweit mit Blick auf die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB für Aufklärungsbemühungen des Arbeitgebers im Wege der Anhörung des Arbeitnehmers in der Regel eine Frist von einer Woche zu veranschlagen ist(BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 22, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10), folgt daraus nicht, dass dem Arbeitnehmer stets eine entsprechend lange Frist zur Stellungnahme einzuräumen wäre. Das gilt auch angesichts der dem Arbeitnehmer grundsätzlich zuzugestehenden Möglichkeit, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (vgl. insoweit BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6). Im Übrigen hat der Kläger in seinem Schreiben vom 9. Februar 2009 Stellung genommen, ohne um eine Verlängerung der Frist nachzusuchen. Daraus durfte die Beklagte folgern, es habe sich um eine abschließende Äußerung gehandelt. Dass sich der Kläger vorbehalten hat, nach Einsicht in die Ermittlungsakten zu einzelnen Punkten weiter Stellung zu beziehen, steht dem nicht entgegen. Der Kläger hat nicht begründet, warum er sich zu welchen Gesichtspunkten nicht abschließend hat erklären können oder wollen. Dessen hätte es aber bedurft, da sich die Verdachtstatsachen auf Gegenstände seiner eigenen Wahrnehmung bezogen und er keinen Anlass haben konnte anzunehmen, die Beklagte verfüge über bessere Erkenntnisse als er selbst (ähnlich BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1).

37

(3) Für die ordnungsgemäße Anhörung kommt es nicht darauf an, ob mit der Angabe „Dienstschluss“ das Ende der dem Kläger eingeräumten Frist hinreichend bestimmt bezeichnet worden ist. Die Beklagte hat sich gegenüber den Erklärungen im Schreiben vom 9. Februar 2009 nicht auf Verspätung berufen. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte ihr Anhörungsschreiben nicht mehr an ihn persönlich, sondern an seinen bereits umfassend beauftragten Rechtsanwalt habe übermitteln müssen, ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich.

38

(4) Die Anhörung ist auch nicht deshalb unzureichend, weil die Beklagte den Kläger nicht ausdrücklich auf eine bestehende Kündigungsabsicht für den Fall hingewiesen hat, dass sich die Vorwürfe nicht ausräumen ließen. Es ist bereits fraglich, ob den Arbeitgeber eine solche Verpflichtung trifft (bejahend Fischer BB 2003, 522, 523; Seeling/Zwickel MDR 2008, 1022). In jedem Fall bleibt die Nichterteilung eines Hinweises auf eine mögliche Kündigung dann folgenlos, wenn für den Arbeitnehmer die Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses erkennbar war. So liegt es hier. Die Beklagte hat den Kläger mit dem Schreiben vom 5. Februar 2009 mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung frei gestellt. Sie hat mitgeteilt, aufgrund des Verdachts und der Schwere der ihm zugrunde liegenden Tat sei ihr seine Weiterbeschäftigung unzumutbar. Unter diesen Umständen musste dem Kläger klar sein, dass der Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses aus Sicht der Beklagten ganz wesentlich von seiner Stellungnahme abhing.

39

dd) Die Beklagte hat nicht andere Erkenntnismöglichkeiten ungenutzt gelassen, insbesondere nur unzureichende eigene Ermittlungen angestellt. Anhaltspunkte für weitere Aufklärungsbemühungen konnten sich angesichts der Beschlagnahme relevanter Geschäftsunterlagen nur aus der Stellungnahme des Klägers ergeben. Dieser hat sich darauf beschränkt, den Verdacht pauschal von sich zu weisen. Er hat sich mit den im Durchsuchungsbeschluss einzeln aufgeführten Gesprächen weder auseinandergesetzt, noch ihnen substantiierten Vortrag entgegengehalten. Ohne eine detaillierte Erwiderung hatte die Beklagte keinen Anlass, etwa den Geschäftsführer der GmbH selbst zu befragen. Mit Blick auf das Angebot einer Ferienwohnung am Gardasee ist die Beklagte den Angaben des Klägers zur Buchung einer angeblich zeitgleichen Urlaubsreise an die Adria nachgegangen - mit dem Ergebnis, dass dieser Umstand in Anbetracht der Dauer des dem Kläger bewilligten Urlaubs nacheinander liegende Aufenthalte an beiden Orten nicht ausschloss.

40

3. Der Verdacht besteht weiterhin. Er wurde im Verlauf des Rechtsstreits weder entkräftet, noch sind Umstände eingetreten, die zu seiner Abschwächung geführt hätten.

41

a) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ist zu berücksichtigen, dass der ursprüngliche Verdacht durch später bekannt gewordene Umstände, jedenfalls soweit sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen, abgeschwächt oder verstärkt werden kann (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67; 6. November 2003 - 2 AZR 631/02 - zu B II 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2). Eine Differenzierung danach, ob der Arbeitgeber objektiv die Möglichkeit hatte, von den betreffenden Tatsachen bis zum Kündigungsausspruch Kenntnis zu erlangen, ist nicht gerechtfertigt.

42

b) Demgegenüber hält das Landesarbeitsgericht nur solche Tatsachen für berücksichtigungsfähig, die der Arbeitgeber bei Anwendung gebotener und zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen können. Dies überzeugt nicht. Hat der Arbeitgeber entlastende Umstände deshalb nicht erkannt, weil er den Sachverhalt nicht sorgfältig genug aufgeklärt hat, ist die Verdachtskündigung regelmäßig schon aus diesem Grund unwirksam. Dass zugunsten des Arbeitnehmers darüber hinaus Tatsachen berücksichtigungsfähig sind, die der Arbeitgeber selbst nach zumutbaren Aufklärungsbemühungen noch nicht hat kennen können, trägt der Besonderheit Rechnung, dass im Rahmen der Verdachtskündigung nicht der volle Nachweis einer Pflichtverletzung verlangt wird. Blieben den Arbeitnehmer entlastende Tatsachen, die erst im Prozess zutage getreten sind, außer Betracht, hätte der Arbeitgeber ein sehr geringes Prozessrisiko. Er müsste nur nachweisen, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dringender Tatverdacht bestand. Das würde der bei der Verdachtskündigung bestehenden Gefahr, einen Unschuldigen zu treffen, nicht gerecht (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Gefahr würde vielmehr „sehenden Auges“ vergrößert. Ihr erst mit einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch zu begegnen, würde der Sach- und Interessenlage nicht gerecht.

43

c) Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts wirkt sich im Ergebnis nicht aus (§ 561 ZPO).

44

aa) Der Kläger hat dem Vorbringen der Beklagten zum Inhalt der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH keinen anderen, im Einzelnen dargelegten Gesprächsverlauf entgegengesetzt. Er hat sich auf ein einfaches Bestreiten beschränkt und lediglich behauptet, die eine oder andere Äußerung sei so nicht gefallen. Dabei ist er auch dann noch geblieben, als die Beklagte vorgetragen hatte, sie habe mittlerweile Einsicht in die beschlagnahmten Unterlagen nehmen können und diese ausgewertet, zudem habe sie den Geschäftsführer der GmbH befragt, der seine frühere Aussage bekräftigt habe. Spätestens angesichts dieses Vorbringens hätte der Kläger dem von der Beklagten behaupteten Inhalt und Verlauf der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH substantiiert entgegentreten müssen. Das hat er unterlassen. Damit hat er seiner Erklärungspflicht nach § 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO nicht genügt. Das gilt gleichermaßen für die bruchstückhafte Einlassung zum Komplex „Ferienwohnung“. Sie fügt sich ohne Weiteres in die von der Beklagten behaupteten Verdachtstatsachen ein und vermag diese gerade nicht zu entkräften. Der Kläger hat eine vollständige Darstellung des tatsächlichen, aus seiner Sicht wahrhaftigen Geschehensablaufs auch insoweit unterlassen. Auf eine Einschränkung seiner prozessualen Wahrheitspflicht wegen des laufenden Strafverfahrens hat er sich nicht berufen. Es kann deshalb offenbleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein solcher Einwand mit Blick auf die Besonderheiten der Verdachtskündigung beachtlich gewesen wäre.

45

bb) Die Aufhebung des Haftbefehls entlastet den Kläger nicht. Aus ihr folgt - unbeschadet der Frage, inwieweit dies dem Kläger zugute kommen könnte - nicht, die Strafverfolgungsbehörden hätten einen dringenden Tatverdacht zuletzt nicht mehr bejaht. Sie kann ebenso gut darauf zurückzuführen sein, dass der Sachverhalt aus Sicht der zuständigen Stellen ausermittelt war und etwa der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nicht mehr vorlag. Die Annahme, dass nicht etwa der Wegfall eines dringenden Tatverdachts zur Aufhebung des Haftbefehls geführt hat, liegt deshalb nahe, weil er zu diesem Zeitpunkt schon über ein Jahr bestand. Zumindest hatte der Kläger aufgrund seiner Sachnähe Anlass, sich zum Grund der Aufhebung zu erklären. Das hat er versäumt. Ebenso wenig wird der Verdacht dadurch entkräftet, dass bei einer von der Beklagten durchgeführten Innenrevision kein weiteres den Kläger belastendes Material aufgefunden wurde.

46

III. Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist unter Beachtung eines ihm zukommenden Beurteilungsspielraums (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, BAGE 134, 349; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5) revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es hat alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Danach konnte es ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangen, der Beklagten sei in Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzung, derer der Kläger verdächtig war, ein Festhalten am Arbeitsverhältnis selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen.

47

IV. Die Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. 2 BGB)ist gewahrt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind die den Verdacht begründenden Tatsachen der Beklagten erstmals am 4. Februar 2009 bekannt geworden. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 13. Februar 2009 zu.

48

V. Das Landesarbeitsgericht hat nicht näher geprüft, ob die Kündigung an einer fehlerhaften Beteiligung des Personalrats oder des Gesamtpersonalrats scheitert. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zuletzt eine fehlerhafte Beteiligung nicht mehr behauptet. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Ein Rechtsfehler liegt auch objektiv nicht vor.

49

1. Allerdings entbindet der Umstand, dass ein Arbeitnehmer, der die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bzw. Gesamtpersonalrats gerügt hat, den Ausführungen des Arbeitgebers nicht weiter entgegen tritt, das mit der Sache befasste Gerichte nicht von der Verpflichtung, den Arbeitgebervortrag auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Hinsichtlich des Vorbringens zur ordnungsgemäßen Beteiligung des zuständigen Personalrats gilt - wie für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG - eine abgestufte Darlegungslast(BAG 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 3 a der Gründe, AP LPVG Niedersachsen § 28 Nr. 1 = EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 4). Hat der Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bestritten, muss der Arbeitgeber im Detail darlegen, ob und ggf. wie das Verfahren durchgeführt worden ist. Erst wenn er dem nachgekommen ist und eine ordnungsgemäße Beteiligung des zuständigen Personalrats schlüssig aufgezeigt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer diesem Vorbringen iSv. § 138 Abs. 2 ZPO ausreichend entgegengetreten ist, insbesondere deutlich gemacht hat, welche Angaben des Arbeitgebers er weiterhin(mit Nichtwissen, § 138 Abs. 4 ZPO) bestreitet (BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - zu II 1 b der Gründe, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - aaO; 16. März 2000 - 2 AZR 75/99 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 114 = EzA BGB § 626 nF Nr. 179).

50

2. Einer Schlüssigkeitsprüfung im dargestellten Sinne bedarf es nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer auf die Ausführungen des Arbeitgebers zur Personalratsbeteiligung zweifelsfrei zu erkennen gibt, dass er an der betreffenden Rüge als solcher nicht länger festhält. Mit seinem Vorbringen, es fehle an einer ordnungsgemäßen Beteiligung der zuständigen Arbeitnehmervertretung, beruft sich der Arbeitnehmer auf einen „anderen“ Unwirksamkeitsgrund iSd. § 4 Satz 1, § 6 KSchG(BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 12, EzA KSchG § 6 Nr. 4). Die Rüge, die Kündigung sei noch aus einem anderen Grund als dem der Sozialwidrigkeit unwirksam, führt zwar nicht zu einem Wechsel des Streitgegenstands, sondern nur zu einer Erweiterung des Sachvortrags im Kündigungsschutzprozess. Die Regelung des § 6 KSchG ist aber Beleg dafür, dass der Arbeitnehmer über die Einführung der Unwirksamkeitsgründe frei entscheiden und den Prozessstoff insoweit von vorneherein begrenzen oder in den zeitlichen Grenzen des § 6 Satz 1 KSchG erweitern kann. Die gerichtliche Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung hat nur im Rahmen der iSv. § 4 Satz 1 iVm. § 6 Satz 1 KSchG rechtzeitig angebrachten Unwirksamkeitsgründe zu erfolgen. Für die außerordentliche Kündigung gilt über § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG Entsprechendes. Unterliegt es deshalb in diesem rechtlichen Rahmen der Disposition des Arbeitnehmers, den Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer Kündigung zu bestimmen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass sich der Prozessstoff entsprechend reduziert, falls der Arbeitnehmer im Verlauf des Rechtsstreits zweifelsfrei zu erkennen gibt, sich auf bestimmte, rechtlich eigenständige Unwirksamkeitsgründe nicht mehr berufen zu wollen. Eine solche die Gerichte bindende Beschränkung des Sachvortrags ist grundsätzlich noch in zweiter Instanz möglich. Die Regelung des § 6 Satz 1 KSchG dient der Konzentration des Kündigungsschutzprozesses und in diesem Zusammenhang auch dem Schutz des Arbeitgebers. Dieser soll sich nicht erstmals in zweiter Instanz auf einen bis dahin in das gerichtliche Verfahren nicht eingeführten „anderen“ Unwirksamkeitsgrund einlassen und dementsprechend langfristig entsprechende Beweise sichern müssen. Diesem Zweck widerspricht es nicht, dem Arbeitnehmer die Befugnis einzuräumen, die Unwirksamkeitsrüge bezogen auf einen bestimmten Unwirksamkeitsgrund selbst im fortgeschrittenen Verfahrensstadium wieder fallen zu lassen.

51

3. So liegt es hier. Einer Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung mit Blick auf die (Gesamt-)Personalratsbeteiligung bedurfte es nicht. Das Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand des Berufungsurteils festgestellt, der Kläger erhebe die betreffende Rüge nicht mehr. Tatbestandsberichtigung hat der Kläger nicht beantragt.

52

VI. Da die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 13. Februar 2009 beendet hat, bleibt die Klage gegen die ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009 schon deshalb ohne Erfolg.

53

VII. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Berger    

        

        

        

    Gans    

        

    F. Löllgen    

                 

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. April 2008 - 11 Sa 522/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der Beklagte betreibt bundesweit Drogeriemärkte. Die Klägerin war seit 1994 bei ihm als Verkäuferin/Kassiererin tätig. Zuletzt erzielte sie bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden einen monatlichen Bruttoverdienst von 1.323,86 Euro. Arbeitsort der Klägerin war die Verkaufsstelle (Filiale) B. Außer ihr waren dort zwei weitere Arbeitnehmerinnen beschäftigt. Ein Betriebsrat war für den Bezirk, dem die Verkaufstelle zugeordnet ist, nicht gewählt worden.

3

In der Filiale hing seit Jahren ein Plakat in Größe DIN-A3 aus, das einen Hinweis darauf enthielt, die Verkaufsstellen des Beklagten würden durch Detektive, Kameraanlagen und den Einsatz von Sicherheitsdiensten überwacht. Tatsächlich kam Überwachungstechnik, außer im Rahmen von kurzfristigen Detektiveinsätzen, nicht zum Einsatz. Im Zeitraum vom 17. bis 23. März 2007 ließ der Beklagte an der Decke über dem Kassenbereich eine Videokamera anbringen, mit deren Hilfe die Kassiervorgänge aufzeichnet wurden. Hierüber wurden die Klägerin und ihre Kolleginnen nicht gesondert unterrichtet.

4

Bei der Auswertung der Videoaufzeichnungen fiel der zuständigen Verkaufsleiterin auf, dass die Klägerin am 23. März 2007 nach Dienstschluss einen sog. Personaleinkauf getätigt hatte. Eine anschließende Überprüfung des den Einkauf dokumentierenden Kassenstreifens ergab, dass die Klägerin Waren - überwiegend Süßigkeiten - im Wert von etwas über 60,00 Euro erworben hatte. In Höhe von 36,00 Euro war der Kaufpreis mit insgesamt sieben „produktbezogenen Gutscheinen“, ua. für eine elektrische Zahnbürste und ein Windelpaket, verrechnet worden, obwohl die Klägerin solche Artikel nicht eingekauft hatte. Das entsprach nicht dem Verwendungszweck der Coupons. Produktbezogene Gutscheine (Rabatt-Coupons) sind an den jeweiligen Warenregalen angebracht, werden aber auch in Form von Gutscheinheften an Kunden ausgegeben. Sie dürfen, wie der Klägerin bekannt war, nur beim Erwerb der betreffenden Waren verrechnet werden.

5

Im Personalgespräch vom 2. April 2007 wurde der Klägerin unter Vorlage des Kassenstreifens Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie räumte ein, dass sie die Gutscheine nicht habe einlösen dürfen. Dem Beklagten sei hierdurch aber kein Schaden entstanden.

6

Mit Schreiben vom 2. April 2007 kündigte die Verkaufsleiterin für den Beklagten das Arbeitsverhältnis „fristlos“ zum 3. April 2007.

7

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei schon mangels Kündigungsbefugnis der Verkaufsleiterin, zumindest aber deshalb unwirksam, weil dem Kündigungsschreiben keine Originalvollmacht beigelegen habe. Zudem liege kein Grund zur Kündigung vor. Bei ihrem Personaleinkauf habe es sich um ein außerdienstliches Verhalten gehandelt. Dem Beklagten sei kein Schaden entstanden, da er die Wertcoupons in jedem Fall bei den ausstellenden Firmen einreiche. Überdies dürften die aus der Videoüberwachung gewonnenen Erkenntnisse wegen Verstoßes gegen § 6b BDSG nicht verwertet werden. Das gelte auch für Tatsachen, von denen der Beklagte durch die unzulässige Videoüberwachung nur mittelbar Kenntnis erlangt habe.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 2. April 2007 nicht aufgelöst worden ist.

9

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, die Verkaufsleiterin sei berechtigt und bevollmächtigt gewesen, die Kündigung zu erklären. Dies sei der Klägerin aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarungen bekannt gewesen. Die Kündigung sei gerechtfertigt. Die Klägerin habe sich grob pflichtwidrig verhalten und dadurch auf seine Kosten einen ihr nicht zustehenden Vermögensvorteil erlangt. Der damit einhergehende Vertrauensbruch schließe eine Weiterbeschäftigung aus. Die in der Filiale durchgeführte Videoüberwachung sei zulässig gewesen. In der Verkaufsstelle seien hohe Inventurdifferenzen aufgetreten, die auf Pflichtverletzungen der Mitarbeiterinnen hingedeutet hätten. Andere Möglichkeiten zur Aufklärung des Verdachts habe er - ohne Erfolg - ausgeschöpft. So seien durch Detektiveinsätze nur wenige Kundendiebstähle aufgedeckt worden. Bei Testeinkäufen hätten sich keine Unregelmäßigkeiten ergeben. Im Übrigen komme es auf die Zulässigkeit der Überwachung nicht an, weil der Sachverhalt unstreitig sei. Beweisverwertungsverbote könnten insoweit keine Rolle spielen. Jedenfalls dürfe ihm nicht verwehrt werden, seinen Vortrag auf Erkenntnisse zu stützen, die er aus anderen Informationsquellen gewonnen habe.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung vom 2. April 2007 zu dem in ihr bestimmten Termin aufgelöst worden.

12

I. Die Kündigung ist nicht wegen fehlender Kündigungsberechtigung der Verkaufsleiterin oder deshalb unwirksam, weil dem Kündigungsschreiben keine auf diese lautende Originalvollmacht beigefügt gewesen wäre.

13

1. Wenn es tatsächlich an einer Bevollmächtigung als solche gefehlt haben sollte, wäre die Kündigung zwar grundsätzlich gemäß § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Bei einer Kündigung als einseitigem Rechtsgeschäft ist eine Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig. Die Klägerin hat die unter Vorlage der Kopie einer Vollmacht erklärte Kündigung jedoch nicht „bei der Vornahme“ beanstandet, sondern erstmals mit der Klageschrift vom 19. April 2007, die dem Beklagten am 25. April 2007 zugestellt wurde. Bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung waren seit Ausspruch der Kündigung mehr als zwei Wochen verstrichen. Gründe für ihr Zuwarten hat die Klägerin nicht benannt. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, sie habe die Rüge „bei Vornahme“ der Kündigung erhoben (Senat 12. September 1985 - 2 AZR 193/84 - zu B II 2 a der Gründe, ZIP 1986, 388). Dementsprechend war die Kündigung in entsprechender Anwendung von § 180 Satz 2, § 177 Abs. 1 BGB nur schwebend unwirksam und genehmigungsfähig(vgl. Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 37, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Eine solche Genehmigung hat der Beklagte jedenfalls konkludent dadurch erteilt, dass er im vorliegenden Rechtsstreit die Kündigungsbefugnis der Verkaufsleiterin ausdrücklich behauptet und die Rechtmäßigkeit der Kündigung verteidigt hat (Senat 12. September 1985 - 2 AZR 193/84 - zu B II 2 a der Gründe, aaO).

14

2. Hat die Verkaufsleiterin Kündigungsvollmacht besessen, ist die Kündigung nicht gem. § 174 Satz 1 BGB unwirksam. Ihre Zurückweisung durch die Klägerin erfolgte nicht „unverzüglich“ iSd. § 174 Satz 1, § 121 Abs. 1 BGB.

15

II. Die Kündigung ist nicht nach § 626 BGB unwirksam. Der Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt vor.

16

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220; 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 17, BAGE 118, 104).

17

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, ein wichtiger Grund liege vor, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

18

a) Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht (bspw. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 25 ff., EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 16, 17, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 184). Das gilt unabhängig von der Höhe eines dem Arbeitgeber durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens. Maßgebend ist vielmehr der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 27, aaO; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 114, 264; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b bb der Gründe, aaO).

19

b) Eine solche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung der Klägerin liegt nach dem unstreitigen Sachverhalt vor. Die Klägerin hat sich vorsätzlich auf Kosten des Beklagten einen ihr nicht zustehenden Vermögensvorteil verschafft. Damit hat sie ihre gegenüber dem Beklagten bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) erheblich verletzt.

20

aa) Das Verhalten der Klägerin vom 23. März 2007 ist, was die Einlösung und Verrechnung von sieben produktbezogenen Gutscheinen im Wert von insgesamt 36,00 Euro anbelangt, vom Landesarbeitsgericht als unstreitig festgestellt. Dagegen hat die Klägerin Verfahrensrügen nicht erhoben. Ebenso wenig hat sie das Fehlen ihrer Berechtigung zur Einlösung der Gutscheine in Abrede gestellt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dem Beklagten sei durch das Verhalten der Klägerin ein Schaden entstanden, ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte durfte die Gutscheine nur bei einem tatsächlichen Verkauf entsprechender Produkte an die betreffenden Lieferanten weiterreichen. Sollte sich der Schaden im Kündigungszeitpunkt noch nicht realisiert haben, wäre jedenfalls von einer schadensgleichen Vermögensgefährdung auszugehen.

21

bb) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, ihr Fehlverhalten sei der Klägerin vorwerfbar, sie habe die Vermögensschädigung des Beklagten vorsätzlich herbeigeführt, ist nicht zu beanstanden. Diese Wertung liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung iSv. § 286 ZPO. Das Revisionsgericht kann bezüglich der Feststellung innerer Tatsachen nur prüfen, ob das Tatsachengericht von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und Denkgesetze, Erfahrungssätze sowie Verfahrensvorschriften nicht verletzt hat (vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 27 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17). Solche Rechtsfehler sind nicht erkennbar. Die Klägerin hat nicht in Abrede gestellt, dass ihr die Voraussetzungen für eine berechtigte Einlösung produktbezogener Gutscheine bekannt waren. Soweit sie der Annahme des Berufungsgerichts, bei einer unberechtigten Einlösung von sieben produktbezogenen Gutscheinen sei ein Versehen auszuschließen, gleichwohl entgegentritt, wird nicht deutlich, worauf ihre Rüge zielt. Sollte sie darauf abstellen, das Landesarbeitsgericht hätte ihr Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vorbringens geben müssen, fehlt es an Darlegungen, welchen weiteren, entscheidungserheblichen Sachvortrag sie daraufhin gehalten hätte. Soweit die Klägerin vorgebracht hat, sie habe jedenfalls nicht den Beklagten selbst schädigen wollen, übersieht sie, dass ihrer Pflichtverletzung auch dann erhebliches Gewicht zukommt, wenn sie darauf vertraut haben sollte, ein Schaden würde letztlich nicht beim Beklagten, sondern nach Weiterreichung der Gutscheine bei einem Dritten - dem betreffenden Lieferanten - eintreten. Dass auch dies nicht im Interesse des Beklagten liegen konnte, war für sie ohne Weiteres erkennbar.

22

cc) Der Annahme einer schwerwiegenden Pflichtverletzung steht nicht entgegen, dass es sich um einen privaten, außerhalb der Arbeitszeit liegenden Einkauf handelte. Die Klägerin war auch insoweit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Beklagten Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Die Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme kann den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigen, wenn das außerdienstliche Verhalten negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4). Davon ist typischerweise auszugehen, wenn der Arbeitnehmer - wie hier die Klägerin - in seiner Freizeit in Bereicherungsabsicht das dem Unternehmen zuzurechnende Vermögen des Arbeitgebers unmittelbar vorsätzlich schädigt oder doch gefährdet (vgl. Senat 20. September 1984 - 2 AZR 633/82 - zu I 4 b der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 80 = EzA BGB § 626 nF Nr. 91).

23

c) Die außerordentliche Kündigung ist auch unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Streitfalls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien gerechtfertigt.

24

aa) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 32 ff., EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32).

25

bb) Dem wird die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts gerecht.

26

(1) Eine Abmahnung war nach den Umständen des Falls entbehrlich. Zur Klarstellung der vertraglichen Pflichten bedurfte es ihrer nicht. Die Vertragsverletzung war für die Klägerin erkennbar. Eine Abmahnung war auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit erforderlich. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Verhalten der Klägerin habe das Vertrauen des Beklagten in eine künftig ordnungsgemäße Vertragserfüllung nachhaltig beeinträchtigt. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat die Gutscheine in Bereicherungsabsicht zweckwidrig verwendet. Die Vermögensschädigung des Beklagten lag auf der Hand. Das Gewicht der Pflichtverletzung wird noch dadurch verstärkt, dass die Klägerin bewusst gegen Vorgaben verstoßen hat, zu deren Beachtung sie im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kassiererin verpflichtet war. Dass sie den Einkauf bei einer Kollegin abgewickelt hat, spricht nicht gegen ein mangelndes Unrechtsbewusstsein. Die Klägerin konnte offensichtlich auf deren Verschwiegenheit vertrauen. Anders lässt es sich nicht erklären, dass die - gleichfalls entlassene - Kollegin die Einlösung der Wertcoupons nicht verweigert und das Verhalten der Klägerin zunächst keine Beanstandungen ausgelöst hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Klägerin die geringen Überwachungsmöglichkeiten des Beklagten und die enge Verbundenheit der Mitarbeiterinnen der Filiale ausgenutzt hat. Bei einem solchen, insgesamt auf Heimlichkeit angelegten Verhalten ist dem Beklagten - für die Klägerin erkennbar - die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, und sei es nach Erteilung einer Abmahnung, nicht zuzumuten.

27

(2) Die fristlose Kündigung ist auch unter Einbeziehung der Interessen beider Vertragsteile gerechtfertigt. Dem Beklagten war selbst die Einhaltung der - fünfmonatigen - Kündigungsfrist unzumutbar. Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang alle weiteren Gesichtspunkte berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Insbesondere hat es der Klägerin ihre langjährige Betriebszugehörigkeit zugute gehalten. Dass es gleichwohl und trotz der Erstmaligkeit des Vorfalls von einem überwiegenden Interesse des Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen ist, ist unter Beachtung des Gewichts der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Stellung der Klägerin als Verkäuferin und Kassiererin und der Tatsache, dass bei ihrer Tätigkeit häufig keine anderen Arbeitnehmer zugegen sind, nicht rechtsfehlerhaft.

28

d) Der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung steht nicht entgegen, dass der Beklagte durch Auswertung einer Videoaufnahme vom Verhalten der Klägerin Kenntnis erlangt hat. Ob § 6b BDSG durch die Beobachtung des Kassenbereichs einschließlich seiner Umgebung verletzt wurde oder die Videoaufzeichnung aus anderen Gründen rechtswidrig war, kann offen bleiben.

29

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (zuletzt 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 30 mwN, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20) führt der Umstand, dass eine Partei die Kenntnis der von ihr behaupteten Tatsachen auf rechtswidrige Weise erlangt hat, nicht notwendig zu einem Verbot von deren prozessualer Verwertung. Falls die betreffenden Tatsachen von der Gegenseite nicht bestritten werden, also unstreitig geworden sind, besteht ein solches Verbot nur, wenn der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm einer gerichtlichen Verwertung der Information zwecks Vermeidung eines Eingriffs in höherrangige Rechtspositionen dieser Partei zwingend entgegensteht.

30

(1) Im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren gelten wie im Zivilprozess die Dispositionsmaxime und der Verhandlungs- oder Beibringungsgrundsatz. Das Gericht darf nur die von den Parteien vorgebrachten Tatsachen verwerten (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 27, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20). Umgekehrt ist es zugleich an den Vortrag der Parteien und einen ihm unterbreiteten, entscheidungserheblichen Sachverhalt gebunden. Der Vortrag einer Partei kann nicht ohne gesetzliche Grundlagen (wie zB die Präklusionsvorschriften) unbeachtet und „unverwertet“ bleiben. Ordnungsgemäß in den Prozess eingeführten Sachvortrag muss das Gericht berücksichtigen. Das Zivilprozessrecht kennt grundsätzlich kein Verbot der „Verwertung” von Sachvortrag. Der beigebrachte Tatsachenstoff ist entweder unschlüssig oder unbewiesen, ist aber nicht „unverwertbar”. Dies gilt zumal dann, wenn der Sachverhalt unstreitig ist. Das Gericht ist an ein Nichtbestreiten (wie an ein Geständnis) grundsätzlich gebunden. Es darf für unbestrittene Tatsachen keinen Beweis verlangen und erheben (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - aaO; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Ein „Verwertungsverbot” würde den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG einschränken. Dieser verpflichtet das Gericht, erheblichen Vortrag einer Partei zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 25, aaO).

31

(2) Dennoch kann rechtswidriges Verhalten einer Prozesspartei bei der Informationsgewinnung zu einem Verwertungsverbot führen. Das ist der Fall, wenn eine solche Sanktion unter Beachtung des Schutzzwecks der verletzten Norm zwingend geboten erscheint. In einem gerichtlichen Verfahren ist darauf Bedacht zu nehmen, dass das Gericht den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber tritt. Es ist bei der Urteilsfindung nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt seine Pflicht zu einer fairen Handhabung des Prozess- und Beweisrechts (vgl. BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93, BVerfGE 117, 202). Daraus folgt für den Zivilprozess zwar nicht, dass jede unzulässig erlangte Information prozessual unverwertbar wäre (Senat 15. August 2002 - 2 AZR 214/01 - zu II 3 b aa der Gründe, BAGE 102, 190; BGH 1. März 2006 - XII ZR 210/04 - Rn. 22, BGHZ 166, 283). Sie ist es im Einzelfall aber dann, wenn mit ihrer gerichtlichen Verwertung ein erneuter Eingriff in rechtlich geschützte, hochrangige Positionen der anderen Prozesspartei oder die Perpetuierung eines solchen Eingriffs verbunden wäre, und dies auch durch schutzwürdige Interessen der Gegenseite - hier des Beklagten - nicht gerechtfertigt werden könnte (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20).

32

bb) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, unstreitiger Sachvortrag, selbst wenn unter Verletzung von Grundrechten gewonnen sei, sei stets und uneingeschränkt prozessual verwertbar, weil die belastete Partei die Möglichkeit des Bestreitens gehabt habe (in diesem Sinne auch HWK/Lembke 4. Aufl. BDSG Vorb. Rn. 112; Grimm/ Schiefer RdA 2009, 329, 342; Heinemann MDR 2001, 137, 141 f.), überzeugt nicht. Es ist schon zweifelhaft, ob der Partei, die sich der Behauptung objektiv zutreffender Tatsachen durch ihren Prozessgegner ausgesetzt sieht, in Ansehung der prozessualen Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO) einschränkungslos ein „Recht zur Lüge“ zusteht (dies befürwortend Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 138 Rn. 3; Heinemann MDR 2001, 137, 142). Jedenfalls kann sie nicht umgekehrt sogar verpflichtet sein, wider besseres Wissen richtigen Vortrag zu bestreiten und sich in Fällen, in denen einfaches Bestreiten nicht ausreicht, mit einem bewusst falschen Gegenvorbringen zu belasten (vgl. Lunk NZA 2009, 457, 459). Sie trüge mit Blick auf mögliche Zweifel an der Zulässigkeit ihres Bestreitens das Risiko, dem Vorwurf zumindest des Versuchs eines Prozessbetrugs ausgesetzt zu sein. Dass kann die Rechtsordnung einer Partei nicht abverlangen. Hat eine Partei den Tatsachenvortrag der Gegenseite nicht bestritten, ist ihr die Möglichkeit, sich auf die Rechtswidrigkeit der ihm zugrundeliegenden Informationsbeschaffung zu berufen, nur dann genommen, wenn in ihrem Nichtbestreiten zugleich die Einwilligung in eine prozessuale Verwertung der fraglichen Tatsachen liegt. Dann wiederum stellt sich die Frage nach einem Verwertungsverbot nicht (vgl. MünchKommZPO/Prütting 3. Aufl. § 284 Rn. 75; Helle JZ 2004, 340, 345; Maties, NJW 2008, 2219; Schreiber ZZP 122, 227, 230).

33

cc) Danach besteht im Streitfall kein Verwertungsverbot.

34

(1) Allerdings hat die Klägerin in eine Verwertung der durch die Videoaufzeichnung erlangten Informationen nicht eingewilligt. Sie hat zwar das Geschehen vom 23. März 2007 teils durch bejahende Erklärung eingeräumt, teils dadurch zugestanden, dass sie den substantiierten Ausführungen des Beklagten nicht mit konkretem Tatsachenvortrag entgegen getreten ist (§ 138 Abs. 2, Abs. 3 ZPO). Sie hat aber zugleich geltend gemacht, dem Beklagten sei es verwehrt, „die verbotenen Früchte“ der Videoüberwachung „zu ernten“. Damit hat sie deren Verwertung offensichtlich widersprochen.

35

(2) Die Verwertung der unstreitigen Tatsachen erweist sich auf der Grundlage der anzustellenden Güterabwägung dennoch als zulässig. Ein möglicher, durch Berücksichtigung des Sachvortrags des Beklagten perpetuierter rechtswidriger Eingriff in rechtlich geschützte Positionen der Klägerin wiegt nicht so schwer, dass der Anspruch des Beklagten, mit seinem unstreitigen Vorbringen Gehör zu finden, zurücktreten müsste. Der Schutz des Arbeitnehmers vor einer - unterstellt - rechtswidrigen Videoüberwachung verlangt nicht, auch solche unstreitigen Tatsachen außer Acht zu lassen, die dem Arbeitgeber nicht nur durch die Videoaufzeichnung, sondern ohne Rechtsverstoß auch aus einer anderen Informationsquelle bekannt geworden sind.

36

(a) Das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte, auch im Privatrechtsverkehr zu beachtende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers - hier in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Recht am eigenen Bild - ist nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers können durch Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Bei einer Kollision mit den Interessen des Arbeitgebers ist durch eine Güterabwägung im Einzelfall zu ermitteln, ob es den Vorrang verdient (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - zu C II 3 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20 mwN).

37

(b) Im Rahmen dieser Abwägung ist zu berücksichtigen, dass das Grundgesetz einer wirksamen Rechtspflege eine besondere Bedeutung beimisst. Auch im Zivilprozess, in dem über Rechte und Rechtspositionen der Parteien innerhalb eines Privatrechtsverhältnisses gestritten wird, sind die Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Rechtspflege und das Streben nach einer materiell richtigen Entscheidung wichtige Belange des Gemeinwohls. Um die Wahrheit zu ermitteln, sind die Gerichte gehalten, den von den Parteien in den Prozess eingeführten Vortrag und ggf. die angebotenen Beweismittel zu berücksichtigen. Diese Belange können als Bestandteil der verfassungsgemäßen Ordnung das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschränken (vgl. BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - BVerfGE 106, 28; BAG 23. April 2009 - 6 AZR 189/08 - Rn. 35, BAGE 130, 347; Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20).

38

(c) Zwar gehen das Interesse an einer funktionsfähigen Zivilrechtspflege und materiell richtigen Entscheidungen und verbunden damit das Bestreben des Gläubigers, sich Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht etwa stets vor (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 f., BVerfGE 117, 202; 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a aa und bb der Gründe, BVerfGE 106, 28). Im Streitfall treten aber Aspekte hinzu, die die Berücksichtigung der gewonnenen Informationen zulassen.

39

(aa) Der Sachvortrag des Beklagten stützt sich vornehmlich auf die Auswertung des Kassenstreifens vom 23. März 2007 und auf Erklärungen der Klägerin im Personalgespräch vom 2. April 2007. Die Zulässigkeit der Erhebung und Verwertung der Kassendaten als solche steht dabei nicht in Frage. Zwar ist der Beklagte erst durch die Videoaufzeichnung auf diese zusätzliche Informationsquelle „gestoßen“. Dennoch bedurfte es für sein Vorbringen keines Rückgriffs auf die Videoaufzeichnung selbst.

40

(bb) Damit ist die Frage angesprochen, ob ein als solches zulässiges Erkenntnis- und Beweismittel einem prozessualen Verwertungsverbot unterliegen kann, wenn es seinerseits ohne eine weitere, zuvor rechtswidrig gewonnene Information nicht hätte erlangt werden können (vgl. BGH 1. März 2006 - XII ZR 210/04 - Rn. 18 f., BGHZ 166, 283; für den Strafprozess: BGH 24. August 1983 - 3 StR 136/83 - BGHSt 32, 68; 18. April 1980 - 2 StR 731/79 - BGHSt 29, 244). Die Problematik bedarf keiner umfassenden Erörterung. Im Streitfall geht es nicht um Erkenntnisse, die der Beklagte tatsächlich nur durch die möglicherweise rechtswidrige Videoüberwachung hat gewinnen können. Sie waren ihm unabhängig davon zugänglich. Die Auswertung des Kassenstreifens und die Befragung der Klägerin und ihrer Kollegin waren auch ohne technische Überwachung möglich, zumal nach eigenem Vortrag der Klägerin Einkäufe von Mitarbeitern mit deren Einverständnis in den Tagesunterlagen besonders vermerkt werden. Damit kommt einer möglichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin kein solches Gewicht zu, dass unter Berücksichtigung des Anspruchs des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs ein Außerachtlassen der letztlich erst aus dem Kassenstreifen gewonnenen Erkenntnisse gerechtfertigt wäre. Gleiches gilt für die Einlassungen der Klägerin im Personalgespräch vom 2. April 2007. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte im Rahmen seiner Aufklärungsbemühungen ohnehin auf den fraglichen Kassenauszug gestoßen wäre (zu diesem Aspekt Schreiber ZZP 122, 227, 235; Gemmeke Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren S. 214 f.). Vielmehr kann einer Prozesspartei die Möglichkeit, für sie günstige Tatsachen mit rechtlich unbedenklichen Mitteln nachzuweisen, nicht deshalb versagt werden, weil sie das Wissen von der Geeignetheit eines solchen Mittels auf rechtswidrige Weise erlangt hat (zur Begrenzung der Fernwirkung von Verwertungsverboten vgl. auch BVerfG 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1686/04 - zu 2 b der Gründe, BVerfGK 7, 61). Das gilt im Streitfall umso mehr, als es um den Nachweis eines schwerwiegenden Vertrauensbruchs geht.

41

III. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Eylert    

        

    Berger    

        

        

        

    Sieg    

        

    Baerbaum    

                 

(1) Die Pflicht zur Information der betroffenen Person gemäß Artikel 13 Absatz 3 der Verordnung (EU)2016/679besteht ergänzend zu der in Artikel 13 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Ausnahme dann nicht, wenn die Erteilung der Information über die beabsichtigte Weiterverarbeitung

1.
eine Weiterverarbeitung analog gespeicherter Daten betrifft, bei der sich der Verantwortliche durch die Weiterverarbeitung unmittelbar an die betroffene Person wendet, der Zweck mit dem ursprünglichen Erhebungszweck gemäß der Verordnung (EU)2016/679vereinbar ist, die Kommunikation mit der betroffenen Person nicht in digitaler Form erfolgt und das Interesse der betroffenen Person an der Informationserteilung nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere mit Blick auf den Zusammenhang, in dem die Daten erhoben wurden, als gering anzusehen ist,
2.
im Fall einer öffentlichen Stelle die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit des Verantwortlichen liegenden Aufgaben im Sinne des Artikels 23 Absatz 1 Buchstabe a bis e der Verordnung (EU) 2016/679 gefährden würde und die Interessen des Verantwortlichen an der Nichterteilung der Information die Interessen der betroffenen Person überwiegen,
3.
die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde und die Interessen des Verantwortlichen an der Nichterteilung der Information die Interessen der betroffenen Person überwiegen,
4.
die Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche beeinträchtigen würde und die Interessen des Verantwortlichen an der Nichterteilung der Information die Interessen der betroffenen Person überwiegen oder
5.
eine vertrauliche Übermittlung von Daten an öffentliche Stellen gefährden würde.

(2) Unterbleibt eine Information der betroffenen Person nach Maßgabe des Absatzes 1, ergreift der Verantwortliche geeignete Maßnahmen zum Schutz der berechtigten Interessen der betroffenen Person, einschließlich der Bereitstellung der in Artikel 13 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Informationen für die Öffentlichkeit in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache. Der Verantwortliche hält schriftlich fest, aus welchen Gründen er von einer Information abgesehen hat. Die Sätze 1 und 2 finden in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 4 und 5 keine Anwendung.

(3) Unterbleibt die Benachrichtigung in den Fällen des Absatzes 1 wegen eines vorübergehenden Hinderungsgrundes, kommt der Verantwortliche der Informationspflicht unter Berücksichtigung der spezifischen Umstände der Verarbeitung innerhalb einer angemessenen Frist nach Fortfall des Hinderungsgrundes, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen, nach.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 18. April 2012 - 18 Sa 1474/11 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer vorsorglichen ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte betreibt sog. Cash & Carry-Märkte. Der 1971 geborene Kläger war in einem ihrer Großhandelsmärkte seit August 1994 als Verkaufsmitarbeiter in der Getränkeabteilung tätig. In dem Markt beschäftigt die Beklagte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Am 4. März 2011 war der Kläger in der Spätschicht von 15:00 bis 22:00 Uhr eingesetzt. Wegen eines laut gewordenen Diebstahlverdachts öffnete der zuständige Geschäftsleiter im Beisein eines Betriebsratsmitglieds während der Arbeitszeit den verschlossenen Spind des Klägers und durchsuchte ihn. Nach Behauptung der Beklagten wurde dabei vom Kläger entwendete Damenunterwäsche entdeckt. Der Geschäftsleiter äußerte daraufhin seine Absicht, gegen Ende der Schicht unter Hinzuziehung zweier Betriebsratsmitglieder eine Taschen-/Personenkontrolle durchzuführen. Dem Kläger gelang es, den Markt schon vorher unkontrolliert zu verlassen. Die Umstände, unter denen dies geschah, sind streitig.

4

Die Beklagte erstattete nach Schichtende Strafanzeige gegen den Kläger wegen Diebstahls von vier Teilen Damenunterwäsche. Eine unmittelbar darauf beim Kläger - mit dessen Einverständnis - polizeilich durchgeführte Wohnungsdurchsuchung verlief ergebnislos. Gegen 22:30 Uhr durchsuchte der Geschäftsleiter den Spind des Klägers in Gegenwart eines Betriebsratsmitglieds ein weiteres Mal. Die Beklagte hat behauptet, dabei seien die Wäschestücke nicht mehr aufgefunden worden.

5

In der Zeit vom 5. bis zum 13. März 2011 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Am 7. März 2011 teilte ihm die Beklagte schriftlich mit, er stehe im Verdacht, zum Verkauf bestimmte Damenunterwäsche aus dem Markt entwendet zu haben. Sie lud ihn zu einem Gespräch am 11. März 2011, alternativ gab sie ihm Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme bis zum 14. März 2011. Der Kläger ließ den Gesprächstermin verstreichen und gab binnen der Frist auch keine schriftliche Erklärung ab. Auf Befragen durch den Geschäftsleiter äußerte er, er werde zu dem Vorwurf keine Angaben machen.

6

Nach Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 17. März 2011 fristlos, mit einem weiteren Schreiben vom selben Tage kündigte sie „hilfsweise“ ordentlich zum 31. Oktober 2011.

7

Der Kläger hat mit seiner fristgerecht erhobenen Kündigungsschutzklage geltend gemacht, beide Kündigungen seien unwirksam. Ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB liege nicht vor. Die ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Er habe keinen Diebstahl begangen, insbesondere habe er keine Damenunterwäsche in seinem persönlichen Schrank aufbewahrt. Dessen heimliche Durchsuchung verletze sein Persönlichkeitsrecht. Daraus gewonnene Erkenntnisse seien prozessual nicht verwertbar.

8

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche, noch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 17. März 2011 aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt;

3. hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1., ihn bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag zu unveränderten Bedingungen als Mitarbeiter im Verkauf weiter zu beschäftigten;

4. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1., ihm ein Endzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, beide Kündigungen seien wirksam. Sie hat behauptet, in der Getränkeabteilung seien mehrfach Etiketten gefunden worden, die von nicht bezahlten Waren anderer Abteilungen stammten. Auch hätten sich unter dem Müll Verpackungen von Backwaren aus ihrem Sortiment befunden. Befragungen von Mitarbeitern hätten ergeben, dass der Kläger einige Male „Rosinenschnecken“ aus der Warenauslage des „Backshops“ entnommen habe, ohne damit die Kasse zu passieren. Außerdem habe er eine Mitarbeiterin des „Textilshops“ nach der Farbe einer Kinderhose gefragt. Später sei das Etikett einer solchen Hose im Abfall bei den Getränken gefunden worden. Am 4. März 2011 habe ihr Geschäftsleiter beobachtet, wie der Kläger in der Wäscheabteilung Unterwäsche betrachtet und den Eindruck erweckt habe, als wolle er diese zum Kauf auswählen. Gegen 16:00 Uhr des Tages seien im Mülleimer der Getränkeabteilung vier Etiketten entsprechender Unterwäsche gefunden worden. Eine anhand der Artikelnummern erfolgte Nachfrage bei der Buchhaltung habe ergeben, dass die dazugehörigen Artikel nicht bezahlt worden seien. Der Geschäftsleiter habe sodann die Vorsitzende und ein weiteres Mitglied des Betriebsrats von einem gegen den Kläger bestehenden Verdacht unterrichtet, rechtswidrig Unterwäsche entwendet zu haben. Gegen 21:35 Uhr habe er im Beisein des betreffenden Mitglieds den verschlossenen Spind des Klägers geöffnet, diesen durchsucht und in einer Jacke des Klägers Unterwäsche gefunden. Die Betriebsratsvorsitzende habe vorab ihr Einverständnis mit der Maßnahme erklärt. Anschließend habe der Geschäftsleiter mit den beiden Betriebsratsmitgliedern verabredet abzuwarten, ob der Kläger die Waren bis Dienstschluss noch bezahle. Da dieser den Markt schon um 21:53 Uhr verlassen habe, sei es nicht gelungen, bei ihm - wie geplant - eine Taschenkontrolle durchzuführen. Geschäftsleiter und Betriebsratsmitglieder hätten versucht, den Kläger auf dem Parkplatz einzuholen, und sich dabei durch Zurufe bemerkbar gemacht. Der Kläger sei jedoch zu seinem Fahrzeug gerannt und eilig davongefahren. Da bei einer anschließenden Kontrolle im Spind des Klägers keine Unterwäsche mehr auffindbar gewesen, die vermisste Ware aber auch nicht bezahlt worden sei, sei erwiesen, dass der Kläger ein Vermögensdelikt zu ihrem Nachteil begangen habe. Zumindest sei er dessen dringend verdächtig. Ein prozessuales Beweisverwertungsverbot bestehe nicht. Die heimliche Kontrolle des Spinds sei die einzig effektive Möglichkeit gewesen, den Sachverhalt aufzuklären.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Klage nicht stattgeben (I.). Ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 17. März 2011 aufgelöst worden ist, steht noch nicht fest (II.).

12

I. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen nicht das Ergebnis, ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB liege nicht vor. Zwar ist die fristlose Kündigung nicht wegen einer erwiesenen Pflichtverletzung gerechtfertigt. Nicht frei von Rechtsfehlern ist jedoch die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei auch als Verdachtskündigung unwirksam. Der Beklagten ist es, anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, nicht aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen verwehrt, sich auf den Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung als Kündigungsgrund zu berufen.

13

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei sind vom Arbeitnehmer zu Lasten des Arbeitgebers begangene Vermögensdelikte regelmäßig geeignet, eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen, und zwar auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 17; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 26, BAGE 134, 349; jeweils mwN).

14

2. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine auf ihn gestützte Kündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich der Verdacht auf objektive Tatsachen gründet, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 13; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 16). Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er in der Sache zutrifft (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 14; 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17). Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17; 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30).

15

3. Die kündigungsrechtliche Beurteilung des in Rede stehenden Verhaltens hängt - auch soweit es Grundlage eines Verdachts ist - nicht von der strafrechtlichen Bewertung des mitgeteilten Kündigungssachverhalts ab. Entscheidend ist der mit dem Verhalten oder dem Verdacht einhergehende Vertrauensverlust (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 15; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 18; 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17).

16

4. Die Würdigung, ob dem Arbeitnehmer ein Vermögensdelikt zum Nachteil seines Arbeitgebers oder eine ähnlich schwerwiegende Pflichtverletzung anzulasten ist oder ob zumindest ein dahingehender, dringender Verdacht besteht, liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung iSd. § 286 ZPO. Diese ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Berufungsgericht den Inhalt der Verhandlung berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob eine Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei, ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt und ob sie rechtlich möglich ist (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 43; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29).

17

5. Danach ist die fristlose Kündigung vom 17. März 2011 nicht deshalb gerechtfertigt, weil dem Kläger eine strafbare Handlung oder eine ähnlich schwerwiegende Pflichtverletzung zum Nachteil der Beklagten vorzuwerfen wäre.

18

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein solcher Tatvorwurf könne dem Kläger deshalb nicht gemacht werden, weil die Beklagte nicht nachgewiesen habe, dass er sich Waren aus ihrem Bestand tatsächlich angeeignet habe. Davon sei zwar auszugehen, falls am 4. März 2011 im Spind des Klägers Damenunterwäsche und zuvor im Mülleimer der Getränkeabteilung die dazugehörigen Preisetiketten gefunden worden sein sollten. Für ihr - vom Kläger bestrittenes - Vorbringen habe die Beklagte aber keinen geeigneten Beweis angeboten. Ihre Kenntnis vom Inhalt des Spinds beruhe auf einem unverhältnismäßigen und damit rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Das schließe die gerichtliche Beweiserhebung über das Ergebnis der Spindkontrolle aus.

19

b) Dagegen wendet sich die Beklagte ohne Erfolg. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts hält sich, was die für einen Tatnachweis vorgetragenen Indiztatsachen betrifft, im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Sie verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Das Landesarbeitsgericht hat § 286 ZPO auch nicht dadurch verletzt, dass es eine Beweiserhebung zum Ergebnis der Durchsuchung des Spinds unterlassen hat. Die darauf bezogene Rüge der Beklagten ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet (zu den Anforderungen an die Zulässigkeit einer Aufklärungsrüge vgl. BAG 23. April 2009 - 6 AZR 189/08 - Rn. 16, BAGE 130, 347). Die Verwertung von Beweismitteln, die die Beklagte aufgrund der in Abwesenheit des Klägers und insoweit für ihn heimlich erfolgten Durchsuchung gewonnen hat, ist im Streitfall ausgeschlossen. Dies folgt - sofern sich ein entsprechendes Verbot nicht bereits unmittelbar aus § 32 BDSG ergibt - daraus, dass mit der prozessualen Verwertung der Beweismittel durch Beweiserhebung ein - erneuter bzw. fortgesetzter - Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers einherginge, ohne dass ein solcher Eingriff durch überwiegende Interessen der Beklagten gerechtfertigt wäre. Das Verwertungsverbot impliziert ein Erhebungsverbot und schließt es aus, Personen, die die Schrankkontrolle selbst durchgeführt haben oder zu ihr hinzugezogen wurden, als Zeugen zu vernehmen (zum Beweiserhebungsverbot vgl. BAG 23. April 2009 - 6 AZR 189/08 - Rn. 26, aaO; 10. Dezember 1998 - 8 AZR 366/97 - zu II 1 der Gründe).

20

aa) Die Zivilprozessordnung kennt für rechtswidrig erlangte Informationen oder Beweismittel kein - ausdrückliches - prozessuales Verwendungs- bzw. Verwertungsverbot. Aus § 286 ZPO iVm. Art. 103 Abs. 1 GG folgt im Gegenteil die grundsätzliche Verpflichtung der Gerichte, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen(BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - Rn. 60, BVerfGE 106, 28; BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 37; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots, das zugleich die Erhebung der angebotenen Beweise hindern soll, einer besonderen Legitimation in Gestalt einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - aaO; Musielak/Foerste ZPO 10. Aufl. § 284 Rn. 23; MünchKommZPO/Prütting 4. Aufl. § 284 Rn. 64).

21

bb) Im gerichtlichen Verfahren tritt der Richter den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Er ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 mwN, BVerfGE 117, 202). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 94 mwN, aaO). Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - aaO; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Dieses Recht gewährleistet nicht allein den Schutz der Privat- und Intimsphäre, sondern trägt in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch den informationellen Schutzinteressen des Einzelnen Rechnung (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - BVerfGE 120, 378; BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 28). Es gewährleistet die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Diesem Schutz dient auch Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten(EMRK) (BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 14).

22

cc) Die gesetzlichen Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung im BDSG konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe in dieses Recht zulässig sind (vgl. für das Datenschutzgesetz NRW BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16). Dies stellt § 1 BDSG ausdrücklich klar. Liegt keine Einwilligung des Betroffenen vor, ist die Datenverarbeitung nach dem Gesamtkonzept des BDSG nur zulässig, wenn eine verfassungsgemäße Rechtsvorschrift diese erlaubt. Fehlt es an der danach erforderlichen Ermächtigungsgrundlage oder liegen deren Voraussetzungen nicht vor, ist die Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung personenbezogener Daten verboten. Dieser das deutsche Datenschutzrecht prägende Grundsatz ist in § 4 Abs. 1 BDSG kodifiziert(Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 4 Rn. 3; ErfK/Franzen 13. Aufl. § 4 BDSG Rn. 1; Simitis/Sokol BDSG 7. Aufl. § 4 Rn. 1).

23

dd) Gemäß der - zum 1. September 2009 in Kraft getretenen und damit im Streitfall anwendbaren - Bestimmung des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach dessen Begründung für seine Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Nach Abs. 1 Satz 2 der Regelung dürfen zur Aufdeckung von Straftaten personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten am Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

24

ee) Es spricht viel dafür, dass es sich bei der in Rede stehenden Schrankkontrolle tatbestandlich um eine Datenerhebung iSv. § 32 Abs. 1 BDSG handelt(so Brink in jurisPR-ArbR 20/2013). Nach der Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 1 Satz 1 BDSG sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Um die Gewinnung und Verwertung solcher Daten geht es hier. Die Durchsuchung des dem Kläger zugeordneten Spinds hatte zum Ziel, Erkenntnisse über dessen Inhalt zu gewinnen, um festzustellen, ob der Kläger im Besitz nicht bezahlter Waren aus dem Bestand der Beklagten war. § 32 BDSG setzt nicht voraus, dass die Datenerhebung zum Zwecke ihrer Nutzung und Verarbeitung in automatisierten Dateien erfolgt. Durch § 32 Abs. 2 BDSG wird die grundsätzliche Beschränkung der Anwendung des dritten Abschnitts des BDSG auf dateigebundene bzw. automatisierte Verarbeitungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, § 27 Abs. 1 BDSG) ausdrücklich aufgehoben. Die Vorschrift erfasst damit sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach ihrem Regelungsgehalt die Datenerhebung durch rein tatsächliche Handlungen (Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 32 Rn. 7; ErfK/Franzen 13. Aufl. § 32 BDSG Rn. 2; Simitis/Seifert BDSG 7. Aufl. § 32 Rn. 14, 100).

25

ff) Im Streitfall kann offen bleiben, ob § 32 BDSG einschlägig ist. Für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung des Spinds ergeben sich aus § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gegenüber einer unmittelbar an Art. 2 Abs. 1 GG orientierten Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers keine anderen Vorgaben. Entsprechendes gilt mit Blick auf die Frage, ob der durch § 32 BDSG oder unmittelbar durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Schutz des Persönlichkeitsrechts die prozessuale Verwertung der durch die Spindkontrolle gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel ausschließt. Auf die im Schrifttum umstrittene Frage, ob § 32 BDSG der Durchführung rein präventiver Kontrollen entgegensteht(zum Meinungsstand ErfK/Franzen 13. Aufl. § 32 BDSG Rn. 7; Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 43 Rn. 7), kommt es nicht an. Um eine solche Maßnahme handelt es sich hier nicht.

26

(1) Nach der Gesetzesbegründung sollte die Regelung des § 32 BDSG die bislang von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze des Datenschutzes im Beschäftigungsverhältnis nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG orientiert sich im Wortlaut an § 100 Abs. 3 Satz 1 TKG und inhaltlich an den Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht ua. in seinem Urteil vom 27. März 2003 (- 2 AZR 51/02 - BAGE 105, 356) zur verdeckten Überwachung von Beschäftigten aufgestellt hat (vgl. BT-Drucks. 16/13657, S. 21). Dementsprechend setzt § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG voraus, dass die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Daten zur „Aufdeckung [einer Straftat] erforderlich ist“. Das verlangt eine am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientierte, die Interessen des Arbeitgebers und des Beschäftigten berücksichtigende Abwägung im Einzelfall, so wie sie ua. bei der heimlichen Videoüberwachung eines Arbeitnehmers vorzunehmen ist (statt vieler: Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13; Wybitul BB 2010, 2235; zur Videoüberwachung BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 30; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b dd (1) der Gründe, aaO). Auch körperliche und sonstige Untersuchungen wie die Kontrolle des persönlichen Schranks des Arbeitnehmers, mitgeführter Taschen oder von Kleidungsstücken stellen grundsätzlich einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers dar. Da das Persönlichkeitsrecht im Arbeitsverhältnis - jedenfalls außerhalb des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensführung - nicht schrankenlos gewährleistet ist, können solche Eingriffe aufgrund überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Das ist im Rahmen einer Güterabwägung festzustellen (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 35, 36). Mitentscheidend ist die Intensität des Eingriffs (ErfK/Schmidt 13. Aufl. Art. 2 GG Rn. 100). In diesem Zusammenhang gibt auch das Unionsrecht nichts anderes vor (vgl. BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 43).

27

(2) Der persönliche Schrank eines Arbeitnehmers und dessen Inhalt sind Teil der Privatsphäre. Sie sind gleichwohl nicht unter allen Umständen einer Kontrolle durch den Arbeitgeber entzogen. Betroffen ist nicht der absolut geschützte Kernbereich privater Lebensgestaltung, sondern der nur relativ geschützte Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (zur Abgrenzung vgl. BVerfG 14. September 1989 - 2 BvR 1062/87 - BVerfGE 80, 367; vgl. auch BAG 29. Juni 2004 - 1 ABR 21/03 - zu B I 2 c der Gründe, BAGE 111, 173). Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer - ggf. zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aus § 6 Abs. 2 ArbStättV iVm. Nr. 4.1 Abs. 3 des Anhangs - einen abschließbaren Schrank zur Verfügung, berührt diese Überlassung auch seine eigenen Belange. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass ein Arbeitnehmer den Spind nicht bestimmungsgemäß nutzt, möglicherweise darin Gegenstände aufbewahrt, von denen Gefahren ausgehen, die der Arbeitgeber abzuwenden verpflichtet ist. Zum anderen kann es das Vorhandensein von Orten, auf die der Arbeitgeber keinen Zugriff hat, böswilligen Arbeitnehmern erleichtern, Handlungen zum Nachteil des Arbeitgebers oder anderer Mitarbeiter zu begehen. Dass dies uU Kontrollen des Arbeitgebers erforderlich machen kann, muss einem Arbeitnehmer bewusst sein.

28

(3) Arbeitnehmer müssen gleichwohl darauf vertrauen können, dass ihnen zugeordnete Schränke nicht ohne ihre Einwilligung geöffnet, dort eingebrachte persönliche Sachen nicht ohne ihr Einverständnis durchsucht werden. Geschieht dies dennoch, liegt regelmäßig ein schwerwiegender Eingriff in ihre Privatsphäre vor. Er kann nur bei Vorliegen zwingender Gründe gerechtfertigt sein. Bestehen konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat und zählt der Arbeitnehmer zu dem anhand objektiver Kriterien eingegrenzten Kreis der Verdächtigen, kann sich zwar aus dem Arbeitsvertrag iVm. § 242 BGB eine Verpflichtung ergeben, Aufklärungsmaßnahmen zu dulden(ErfK/Schmidt 13. Aufl. Art. 2 GG Rn. 100). Erforderlich iSd. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG bzw. verhältnismäßig im Sinne einer Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann eine Schrankkontrolle aber nur sein, wenn sie geeignet, erforderlich und angemessen ist. Dem Arbeitgeber dürfen keine ebenso effektiven, den Arbeitnehmer weniger belastenden Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts zur Verfügung stehen. Außerdem muss die Art und Weise der Kontrolle als solche den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren.

29

(4) Sowohl die Gerichte für Arbeitssachen als auch die ordentlichen Gerichte sind befugt, Erkenntnisse zu verwerten, die sich eine Prozesspartei durch Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht verschafft hat, wenn eine Abwägung der beteiligten Belange ergibt, dass das Interesse an einer Verwertung der Beweise trotz der damit einhergehenden Rechtsverletzung das Interesse am Schutz der Daten überwiegt. Das allgemeine Interesse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, reichen dabei für sich betrachtet nicht aus, dem Verwertungsinteresse den Vorzug zu geben (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 29). Dafür bedarf es zusätzlicher Umstände. Sie können etwa darin liegen, dass sich der Beweisführer mangels anderer Erkenntnisquellen in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage befindet (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 22; jeweils mwN). Die besonderen Umstände müssen gerade die in Frage stehende Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt ausweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - aaO).

30

gg) Nach diesen Grundsätzen ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung fehlerfrei. Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass zum Zeitpunkt der Schrankkontrolle ein durch objektive - im Anwendungsbereich des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG zu dokumentierende - Tatsachen begründeter Verdacht gegen den Kläger bestand, sich Unterwäsche aus dem Bestand der Beklagten rechtswidrig zugeeignet oder zu einer solchen Tat zumindest unmittelbar angesetzt zu haben. Der Eingriff erweist sich auch dann als unverhältnismäßig. Die Beklagte hätte den Kläger zur Kontrolle seines Schranks hinzuziehen müssen. Ein Grund, der unter Berücksichtigung der Intensität des Eingriffs eine „heimliche“ Durchsuchung hätte rechtfertigen können, liegt nicht vor.

31

(1) Eine in Anwesenheit des Arbeitnehmers durchgeführte Schrankkontrolle ist gegenüber einer heimlichen Durchsuchung das mildere Mittel. Die Kontrolle in seinem Beisein gibt dem Arbeitnehmer nicht nur die Möglichkeit, auf die Art und Weise ihrer Durchführung Einfluss zu nehmen. Er kann sie uU - etwa durch freiwillige Herausgabe gesuchter Gegenstände - sogar ganz abwenden. Die verdeckte Ermittlung führt ferner dazu, dass dem Betroffenen vorbeugender Rechtsschutz faktisch verwehrt und nachträglicher Rechtsschutz erschwert wird. Die Heimlichkeit einer in Grundrechte eingreifenden Maßnahme erhöht typischerweise das Gewicht der Freiheitsbeeinträchtigung (BAG 26. August 2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 21 mwN, BAGE 127, 276).

32

(2) Die Beklagte hat keine Umstände vorgetragen, aus denen sich ergäbe, dass eine Kontrolle im Beisein des Klägers gegenüber der heimlichen weniger effektiv gewesen wäre. Zwar mögen „ertappte“ Arbeitnehmer im Falle offener Kontrollen einwenden können, sie hätten die bei ihnen aufgefundene, unbezahlte Ware vor Verlassen des Betriebs noch bezahlen wollen. Eine solche Einlassung ist aber auch bei heimlich durchgeführter Kontrolle nicht auszuschließen. Im Streitfall kommt - ausgehend vom eigenen Vorbringen der Beklagten - hinzu, dass die Etiketten der im Besitz des Klägers vermuteten Unterwäsche im Abfall der Getränkeabteilung gefunden worden waren. Dies hätte - als wahr unterstellt - eine (mögliche) Behauptung des Klägers, er habe die in seinem Spind gefundene Ware noch bezahlen wollen, ohne Weiteres als Schutzbehauptung entlarvt. Das gilt erst recht, wenn im Betrieb die Anweisung bestanden haben sollte, keinerlei für den Verkauf bestimmte Ware im Spind aufzubewahren. Dagegen kann die Beklagte nicht erfolgreich einwenden, in ihren Märkten würden gelegentlich auch nicht ausgezeichnete Waren zum Verkauf angeboten. Darauf musste es dem Landesarbeitsgericht in Anbetracht des von der Beklagten unterbreiteten Geschehensablaufs nicht ankommen. Aus diesem Grund ist auch die von der Beklagten im vorliegenden Zusammenhang erhobene Rüge, das Landesarbeitsgericht habe gegen seine Hinweispflicht verstoßen, nicht berechtigt.

33

(3) Es kann dahinstehen, ob schon diese Begründung des Landesarbeitsgerichts seine Entscheidung trägt. Die Schrankkontrolle erweist sich jedenfalls mit Blick auf die beabsichtigte anschließende Taschen-/Personenkontrolle als unverhältnismäßig. Mit seiner entsprechenden Würdigung hat das Landesarbeitsgericht nicht, wie die Beklagte offenbar meint, eine allgemeine, gegenüber einer Vielzahl von Arbeitnehmern angeordnete Taschenkontrolle oder eine Videoüberwachung als „milderes Mittel“ angesehen. Es hat einen überschießenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers vielmehr darin erblickt, dass die heimliche Schrankkontrolle lediglich der Vorbereitung einer geplanten Taschenkontrolle diente und deshalb nicht zwingend erforderlich war. Die Würdigung ist rechtsfehlerfrei. Die Beklagte hat selbst vorgetragen, sie habe abwarten wollen, ob der Kläger die Ware bis Dienstschluss noch bezahle. Dies kann nur so verstanden werden, dass auch sie selbst - aus der maßgebenden Sicht ex ante - in der Ausgangskontrolle das effektivere Mittel erblickt hatte, den Kläger zu überführen. Die Schrankdurchsuchung sollte lediglich dazu dienen, die Grundlage für eine passgenaue Taschenkontrolle zu schaffen. Das reicht nicht aus, um den mit der verdeckten Durchsuchung verbundenen intensiven Eingriff in das Persönlichkeitsrecht zu rechtfertigen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass Arbeitnehmer in großen Einkaufsmärkten während der Geschäftszeiten in aller Regel - so auch hier - mehrere Möglichkeiten haben, den Arbeitsplatz zu verlassen. Die Beklagte hat nicht dargelegt, weshalb sie den sich daraus ergebenden Schwierigkeiten nicht durch eine intensivere Beobachtung des Klägers hätte begegnen können. Eine plausible Begründung dafür, dass sie nicht den Kündigungssachverhalt ebensogut durch eine (Personen-)Kontrolle des Klägers beim Verlassen des Marktes und ggf. eine anschließende - offene - Schrankkontrolle hätte aufklären können, hat sie nicht gegeben.

34

(4) Zu Unrecht meint die Beklagte, ihr müsse hinsichtlich mehrerer zur Verfügung stehender Aufklärungsmöglichkeiten ein Bewertungsspielraum zugebilligt werden; nicht jeder „Fehlgriff“ dürfe zur Unverhältnismäßigkeit der gewählten Maßnahme führen. Es ist stattdessen nicht Sache des Arbeitgebers, die Grenzen zu bestimmen, innerhalb derer Arbeitnehmer Schutz vor Eingriffen in ihr Persönlichkeitsrecht beanspruchen können. Wie Sachverhalte zu beurteilen sind, bei denen der Arbeitgeber unter mehreren gleich effektiven Aufklärungsmaßnahmen diejenige ergreift, die den Arbeitnehmer - geringfügig - stärker belastet, bedarf keiner Entscheidung; so liegt der Streitfall nicht.

35

(5) Die - bestrittene - Behauptung der Beklagten, ihre Vorgehensweise sei mit zwei Mitgliedern des Betriebsrats abgestimmt gewesen, von denen eines an der Kontrolle teilgenommen habe, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Aus persönlichkeitsrechtlicher und datenschutzrechtlicher Sicht ist der Eingriff deshalb nicht weniger intensiv. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Privatsphäre des Arbeitnehmers umso stärker verletzt wird, je mehr Personen ohne sein Einverständnis an dem Eingriff beteiligt sind (vgl. Brink jurisPR-ArbR 20/2013).

36

(6) Eine Beweiserhebung über das Ergebnis der Schrankdurchsuchung war deshalb ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn sich der Kläger am 4. März 2011 - wie von der Beklagten behauptet - einer Ausgangskontrolle bewusst entzogen haben sollte. Dies ändert nichts an der Unverhältnismäßigkeit der von der Beklagten ergriffenen Aufklärungsmaßnahmen.

37

hh) Auf die Frage, ob Personalaufenthaltsräume einschließlich dort vorhandener Schränke als „Wohnung“ iSv. Art. 13 GG zu qualifizieren sind(bejahend für nicht allgemein zugängliche Personalaufenthaltsräume Papier in Maunz/Dürig <2013> Art. 13 GG Rn. 11) und ob die Erkenntnisse aus einer heimlichen Schrankdurchsuchung durch den Arbeitgeber auch mit Blick auf Art. 13 Abs. 2 GG, § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO einem Verwertungsverbot unterliegen, kommt es nicht an. Ebenso wenig braucht der Frage nachgegangen zu werden, ob die Beklagte ihre Erkenntnisse aus der Schrankkontrolle mitbestimmungswidrig erlangt hat (zur Problematik vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 26).

38

6. Auch wenn die Beklagte den Beweis fällig geblieben ist, dass der Kläger tatsächlich Unterwäsche entwendet hat, folgt daraus nicht notwendig, dass ein wichtiger Grund zur Kündigung iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht vorliegt. Die Beklagte hat die Kündigung auch auf den Verdacht der rechtswidrigen Entwendung gestützt. Dies war ihr prozessual - anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat - nicht deshalb verwehrt, weil sie den Betriebsrat zu diesem Kündigungsgrund nicht ordnungsgemäß angehört hätte. Zum einen ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts davon auszugehen, dass der Betriebsrat erkennen konnte, er solle auch zu einer Verdachtskündigung angehört werden. Zum anderen setzt die gerichtliche Würdigung, der Arbeitgeber sei mangels Anhörung des Betriebsrats gehindert, sich auf bestimmte Kündigungsgründe zu berufen, voraus, dass die Parteien über die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats überhaupt streiten. Daran fehlt es hier.

39

a) Nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Eine ohne Anhörung ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Dabei steht die nicht ordnungsgemäße Anhörung der unterbliebenen gleich (BAG 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13 mwN). Im Falle der auf einen bloßen Verdacht gestützten Kündigung zählt zur ordnungsgemäßen Unterrichtung des Betriebsrats über die Kündigungsgründe die Mitteilung, das Arbeitsverhältnis solle gerade (auch) deshalb gekündigt werden, weil der Arbeitnehmer eines bestimmten rechtswidrigen Verhaltens dringend verdächtig sei. Eine solche Mitteilung gibt dem Betriebsrat weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden im Anhörungsverfahren als eine Unterrichtung wegen einer als erwiesen dargestellten Handlung (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 28, BAGE 137, 54; 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe).

40

b) Hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat mitgeteilt, er beabsichtige, das Arbeitsverhältnis wegen einer nach dem geschilderten Sachverhalt für erwiesen erachteten Handlung zu kündigen, und stützt er die Kündigung im Prozess bei unverändert gebliebenem Sachverhalt auch darauf, der Arbeitnehmer sei dieser Handlung zumindest verdächtig, so ist er mit dem Kündigungsgrund des Verdachts wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats ausgeschlossen (BAG 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c der Gründe; vgl. auch BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 804/08 - Rn. 24; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 536/02 - Rn. 27).

41

c) Nach den im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen wurde der Betriebsrat über die Absicht der Beklagten, eine Kündigung auch wegen des Verdachts eines pflichtwidrigen Verhaltens des Klägers auszusprechen, ausreichend unterrichtet. Die gegenteilige Würdigung des Landesarbeitsgerichts lässt wesentliche Umstände, die für die Auslegung der Anhörung von Bedeutung sind, außer Acht.

42

aa) Die Beklagte hat sich im Anhörungsschreiben vom 15. März 2011 für die Darstellung der Kündigungsgründe auf ein Protokoll vom 7. März 2011 bezogen. Darin heißt es einleitend, der Kläger habe seit längerer Zeit „unter Verdacht des Diebstahls“ gestanden. Es folgt eine Darstellung tatsächlicher Ereignisse, die sich am 4. März 2011 zugetragen haben sollen, ohne dass die Geschehnisse einer Beurteilung dahingehend unterzogen würden, ob sie den Verdacht aus Sicht der Beklagten endgültig bestätigt oder nur erhärtet haben. Unter diesen Umständen bedarf es für die Annahme, die Beklagte habe ihren Kündigungsentschluss ausschließlich mit einer nachgewiesenen Tat und nicht (auch) mit dem bloßen Verdacht der in Rede stehenden Pflichtwidrigkeit des Klägers begründen wollen, besonderer Anhaltspunkte.

43

bb) Solche Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich, insbesondere dann nicht, wenn der Betriebsrat im Anhörungszeitpunkt auch vom Inhalt eines Gesprächsprotokolls vom 14. März 2011 Kenntnis hatte, wie vom Landesarbeitsgericht zugunsten der Beklagten unterstellt. Sowohl der in dem Protokoll angegebene Betreff „Verdacht des Diebstahls“ als auch der darin enthaltene Hinweis auf die Anhörung des Klägers zu einem gegen ihn gerichteten entsprechenden Verdacht legen vielmehr den Schluss nahe, dass die Beklagte trotz des Ergebnisses ihrer Ermittlungen weiterhin nur von einem - wenngleich verfestigten - Diebstahlsverdacht ausging.

44

d) Im Ergebnis kommt es hierauf nicht an. Über die Anhörung des Betriebsrats streiten die Parteien nicht mehr.

45

aa) Hat sich der Arbeitnehmer rechtzeitig iSv. §§ 4, 6 KSchG auf eine Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG berufen, ist es Sache des Arbeitgebers, im Prozess die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats darzulegen und ggf. zu beweisen. Das betreffende Vorbringen des Arbeitgebers hat das mit der Sache befasste Gericht grundsätzlich selbst dann auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen, wenn der Arbeitnehmer ihm im weiteren Verlauf des Prozesses nicht nochmals entgegengetreten ist (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 49).

46

bb) Das gilt jedoch nicht, wenn der Arbeitnehmer deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er an der betriebsverfassungsrechtlichen Rüge als solcher nicht mehr festhalte. Dann ist die Wirksamkeit der Kündigung unter dem Aspekt des § 102 Abs. 1 BetrVG nicht zu überprüfen(BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 50). Zwar führt die Rüge des Arbeitnehmers, die Kündigung sei auch aus einem anderen Grund als dem der Sozialwidrigkeit unwirksam, nicht zu einem Wechsel des Streitgegenstands, sondern nur zu einer Erweiterung des Sachvortrags im Kündigungsschutzprozess (BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 26 mwN, BAGE 140, 261). Die Regelung des § 6 KSchG ist aber Beleg dafür, dass der Arbeitnehmer über die Einführung der Unwirksamkeitsgründe frei entscheiden und den Prozessstoff insoweit von vorneherein begrenzen oder in den zeitlichen Grenzen des § 6 Satz 1 KSchG erweitern kann. Das gilt über § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG für die außerordentliche Kündigung entsprechend.

47

cc) Unterliegt es in diesem rechtlichen Rahmen der Disposition des Arbeitnehmers, den Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer Kündigung zu bestimmen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass sich der Prozessstoff entsprechend reduziert, falls der Arbeitnehmer im Verlauf des Rechtsstreits zweifelsfrei zu erkennen gibt, sich auf bestimmte, rechtlich eigenständige Unwirksamkeitsgründe nicht (mehr) berufen zu wollen (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 50). An eine solche Beschränkung des Sachvortrags, die grundsätzlich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz möglich ist, sind die Gerichte selbst dann gebunden, wenn sich aus dem eigenen Vorbringen des Arbeitgebers Zweifel hinsichtlich der Wirksamkeit der Kündigung unter dem betreffenden Gesichtspunkt ergeben.

48

dd) Danach ist die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats hier nicht mehr Streitstoff. Der Kläger hat auf Seite 21 seines - erstinstanzlichen - Schriftsatzes vom 8. August 2011 ausgeführt: „Die Rüge, dass der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört wurde, bleibt nicht aufrechterhalten“. Die sich daraus ergebende Beschränkung des Prozessstoffs hat nicht nur mit Blick auf den Unwirksamkeitsgrund des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG als solchen Bedeutung. Sie verbietet es zugleich, bei der materiell-rechtlichen Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung den von der Beklagten geltend gemachten Verdacht außer Acht zu lassen, selbst wenn er dem Betriebsrat nicht explizit als Kündigungsgrund unterbreitet worden sein sollte.

49

(1) Das sich aus einer unvollständigen Unterrichtung des Betriebsrats ergebende Verbot der Berücksichtigung nicht mitgeteilter Kündigungsgründe dient der Absicherung der Beteiligungsrechte aus § 102 BetrVG. Der Betriebsrat soll Gelegenheit haben, im Vorfeld der Kündigung auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen und sein Widerspruchsrecht auszuüben (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 75; 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - zu II 2 der Gründe, BAGE 78, 39). Dem widerspräche es, wenn sich der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess auf Kündigungsgründe berufen könnte, zu denen Stellung zu nehmen der Betriebsrat keine Gelegenheit hatte.

50

(2) Auf ein - betriebsverfassungsrechtlich begründetes - Verbot der Verwertung von Sachvortrag kommt es nur an, wenn sich die Frage nach einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats überhaupt stellt. Erklärt der Arbeitnehmer ausdrücklich, er erhebe insoweit keine Rüge, gibt er zu erkennen, dass die ordnungsgemäße Beteiligung der Arbeitnehmervertretung für den Kündigungsrechtsstreit keine Rolle spielen soll. Der Arbeitgeber hat dann keine Veranlassung (mehr), entsprechenden Vortrag zu leisten oder doch zu vertiefen und/oder entsprechende Beweise zu sichern (vgl. BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 804/08 - Rn. 24).

51

(3) Ob der Arbeitnehmer den Prozessstoff auch in der Weise einschränken kann, dass er zwar den Unwirksamkeitsgrund des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht geltend machen wolle, wohl aber mögliche Folgen, die sich aus einer objektiv unvollständigen Anhörung für die Beachtlichkeit von Kündigungsgründen im Prozess ergeben, bedarf keiner Entscheidung. Für eine solche Differenzierung gibt die Erklärung des Klägers nichts her.

52

II. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Dessen Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

53

1. Dem Feststellungsbegehren des Klägers kann nicht deshalb stattgegeben werden, weil das Vorbringen der Beklagten, aus dem sie einen schwerwiegenden, die außerordentliche Kündigung tragenden Verdacht gegen ihn herleiten will, dafür gänzlich untauglich wäre.

54

2. Ein anderer Grund, der der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung entgegenstünde, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ebenso wenig erkennbar. Es fehlt für eine Wirksamkeit der Verdachtskündigung nicht an der erforderlichen vorhergehenden Anhörung des Klägers. Die Beklagte hatte ihm mit Schreiben vom 5. März 2011 unter Bezug auf eine von ihr erstattete Strafanzeige mitgeteilt, er stehe im Verdacht, am 4. März 2011 Unterwäsche „entnommen“ und diese nach Feierabend „ohne Bezahlung mitgenommen“ zu haben. Sie hatte ihn für den 11. März 2011 zu einem Gespräch darüber geladen. Hilfsweise hatte sie ihm für eine schriftliche Äußerung eine Frist bis zum 14. März 2011 gesetzt. Sie hatte ihn in einem Gespräch am 14. März 2011 nochmals mit den Vorwürfen konfrontiert und ihm erneut Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Der Kläger lehnte eine konkrete Stellungnahme zu den Vorwürfen ab. Danach ist die Beklagte - auch angesichts der zeitweiligen Erkrankung des Klägers - ihrer Verpflichtung zur Anhörung hinreichend nachgekommen. Die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist gewahrt.

55

3. Über die materielle Berechtigung der Verdachtskündigung kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit - aus seiner Sicht folgerichtig - keine zureichenden Feststellungen getroffen. Dies wird es - unter der Fragestellung, ob die von der Beklagten vorgebrachten Tatsachen auch ohne das Ergebnis der Schrankkontrolle den dringenden Verdacht begründen, der Kläger habe ein Vermögensdelikt zu ihrem Nachteil begangen - nachzuholen haben. Sollte es auf die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung ankommen, wird das Landesarbeitsgericht davon ausgehen müssen, dass auch diese nicht wegen erwiesener Tat gerechtfertigt ist. Insoweit gelten die Ausführungen zur fristlosen Kündigung gleichermaßen.

56

4. Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegt auch die Entscheidung über die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 12. September 2012 - 2 Sa 7/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der 1956 geborene Kläger trat im April 1981 in die Dienste der Bundeswehr. Von Oktober 1993 bis Juni 2005 wurde er als Nachschubhelfer und Kraftfahrer eingesetzt. Zuvor und in der Zeit ab Juli 2005 war er als Gabelstaplerfahrer und Lagerhelfer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Regelungen des TVöD Anwendung.

3

Anfang August 2005 wurde der Kläger der Heeresinstandsetzungslogistik HIL-GmbH (im Folgenden: GmbH) „beigestellt“. Bei der GmbH handelt es sich um ein von der Beklagten und Dritten gemeinsam gegründetes Wirtschaftsunternehmen, das als Kooperationsbetrieb iSv. § 1 BwKoopG aus der Bundeswehr ausgegliederte Aufgaben wahrnimmt. Die Arbeitsabläufe in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers wurden seit der „Beistellung“ durch die GmbH gesteuert, während dieser selbst Arbeitnehmer der Beklagten blieb.

4

Nach einer Tätigkeitsbeschreibung vom Oktober 2007 waren dem Kläger zuletzt die Aufgaben eines Betriebsstoffhelfers zugewiesen. Danach oblagen ihm die Entgegennahme, die Lagerung, Kontrolle und Verausgabung von Betriebsstoff, die Führung entsprechender Bücher, die tägliche Feststellung des Bedarfs an Betriebsstoffen und die Durchführung von Reinigungsarbeiten in den Lagerbereichen.

5

Aufgabe der GmbH war es ua., Dieselkraftstoff aus den Fahrzeugen der Bundeswehr abzupumpen, sofern er starke Verunreinigungen oder Ablagerungen aufwies. Das Dieselöl wurde sodann in Behältnissen gesammelt und durch eine Fremdfirma aufbereitet. Anschließend wurde der gereinigte Kraftstoff zurückgebracht und in den Fahrzeugen wieder verwendet. Auch die bei der Aufarbeitung entstandenen Rückstände wurden zum Betriebsgelände der GmbH zurückgebracht und dort als sog. Abfalldiesel in größeren Behältnissen gesammelt. In gewissen zeitlichen Abständen ließ die GmbH die Rückstände kostenpflichtig durch eine andere Firma fachgerecht und umweltschonend entsorgen.

6

Der Kläger verfiel - laut seiner eigenen Einlassung - auf den Gedanken, ein Kollege könne das Abfallprodukt womöglich mit einer häuslichen Filteranlage zu betriebsfähigem Dieselkraftstoff aufbereiten, um diesen sodann zum Heizen des Hauses oder zum Betanken eines privaten Fahrzeugs zu verwenden. In Absprache mit dem Kläger füllte der Kollege daraufhin mehrfach verunreinigtes Dieselöl in Kanister ab, die er vom Betriebsgelände der GmbH - allein oder gemeinschaftlich mit dem Kläger - abfuhr.

7

Am 7. Juni 2010 wurden das Fahrzeug des Klägers und die Wohnung des Kollegen polizeilich durchsucht. Dabei wurden 91 „Treibstoffkanister“ mit einer Gesamtmenge von 3.640 Litern Diesel beschlagnahmt. Das im Heizungstank des Hauses vorgefundene Dieselöl (ca. 3.000 Liter) wurde dort belassen. Im Fahrzeug des Klägers wurden zusätzlich sechs Plastikkanister sichergestellt, die etwa 180 Liter Dieselkraftstoff enthielten; deren Qualität ist zwischen den Parteien streitig.

8

Am 11. und am 18. Juni 2010 versuchte die Beklagte vergeblich, mit dem Kläger persönlich Kontakt aufzunehmen. In der Zwischenzeit stellte sie ihn „rückwirkend“ zum 8. des Monats von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 18. Juni 2010 gab sie ihm Gelegenheit, sich zu den - von ihr näher beschriebenen - Vorfällen vom 7. Juni 2010 zu äußern. Der Kläger erklärte binnen der ihm bis zum 21. Juni 2010 eingeräumten Frist, er werde einstweilen keine Angaben zur Sache machen.

9

Am 18. Juni 2010 unterrichtete die Beklagte den Personalrat von ihrer Absicht, den Kläger außerordentlich zu kündigen. Sie gab den Inhalt des Protokolls der Beschlagnahme wieder und erklärte, zu ihrer Überzeugung habe sich der Kläger des Diebstahls schuldig gemacht, indem er zusammen mit seinem Kollegen wenigstens 180 Liter Dieselkraftstoff weggenommen und sich rechtswidrig zugeeignet habe. Der Personalrat ließ die Frist zur Äußerung verstreichen.

10

Mit Schreiben vom 24. Juni 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos.

11

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Er habe lediglich Abfalldieselöl an sich genommen bzw. einem Kollegen überlassen. Das Öl sei nicht mehr verwendungsfähig gewesen und habe andernfalls kostenpflichtig entsorgt werden müssen. Darin liege allenfalls eine geringfügige Pflichtverletzung. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt. Der Personalrat der Dienststelle sei nicht ordnungsgemäß über den wahren Kündigungssachverhalt unterrichtet worden. Aufgrund seiner „Beistellung“ habe außerdem der Betriebsrat der GmbH angehört werden müssen.

12

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 24. Juni 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Kündigung sei aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Der Kläger habe sich aus ihren Beständen große Mengen Dieselkraftstoff rechtswidrig zugeeignet. Am 7. Juni 2010 seien auf dem Grundstück des Kollegen mehrere tausend Liter Dieselöl beschlagnahmt worden. Im Keller des Hauses seien mindestens 540 Liter Kraftstoff sichergestellt worden, der zweifelsfrei ihr - der Beklagten - zuzuordnen gewesen sei. Hinzu kämen je 180 Liter Dieselkraftstoff, die in den Fahrzeugen des Klägers und des Kollegen vorgefunden worden seien. Dabei habe es sich nicht um bloßes „Abfalldieselöl“ gehandelt. Im Übrigen liege selbst dann eine erhebliche Pflichtverletzung vor. Der Kläger habe nicht nur beabsichtigt, sich oder seinem Kollegen durch die Entwendung des Kraftstoffs finanzielle Vorteile zu verschaffen. Er habe außerdem die ihm eingeräumte Vertrauensstellung missbraucht. Die Kündigungserklärungsfrist sei eingehalten. Ihre kündigungsberechtigten Mitarbeiter hätten nicht vor dem 10. Juni 2010 von den maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Anhörung des Personalrats sei - ausgehend von ihrem damaligen Kenntnisstand - ordnungsgemäß erfolgt.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Parallel dazu hörte sie - mit Schreiben vom 6. März 2012 - den Personalrat zu ihrer Absicht an, die bereits erklärte Kündigung zusätzlich auf neue Erkenntnisse bezüglich der Menge und der Art des entwendeten Kraftstoffs sowie auf einen Verdacht als Kündigungsgrund zu stützen. Außerdem teilte sie dem Personalrat mit, sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich erneut zu kündigen. Mit Schriftsatz vom 16. April 2012 hat sie den betreffenden Sachverhalt in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt. Der Kläger hat daraufhin „hilfsweise“ beantragt festzustellen, dass die weitere, „eventuell ausgesprochene Kündigung“ das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat; die Beklagte hat beantragt, den Hilfsantrag „zurückzuweisen“.

15

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage „insgesamt abgewiesen“. Mit seiner Revision begehrt der Kläger, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen und sodann nach seinem Hilfsantrag zu erkennen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision ist unbegründet.

17

A. Das prozessuale Vorgehen des Klägers in der Berufungsinstanz war zulässig. Das betrifft insbesondere den dort erstmals angebrachten Feststellungsantrag. Die darin liegende Klageerweiterung ist als - im Streitfall zulässige - Anschlussberufung zu verstehen.

18

I. Dem Kläger stand für eine Erweiterung der Klage im Berufungsrechtszug nur der Weg der Anschlussberufung zur Verfügung (bspw. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 11). Als solche ist die Klageerweiterung zu behandeln. Einer Beschwer durch das erstinstanzliche Urteil bedarf es für die Anschlussberufung nicht (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - aaO; 10. Februar 2009 - 3 AZR 728/07 - Rn. 11).

19

II. Die Anschlussberufung ist gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG binnen der dem Kläger nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG verlängerten Berufungsbeantwortungsfrist beim Landesarbeitsgericht eingegangen(zu dieser Voraussetzung im Einzelnen BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 12). Sie ist auch im Übrigen zulässig.

20

B. Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden. Der auf die fristlose Kündigung vom 24. Juni 2010 bezogene Feststellungsantrag ist unbegründet. Die Kündigung ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Über die weitergehenden (unechten) Hilfsanträge war nicht mehr zu entscheiden. Dies hat bei richtigem Verständnis schon das Landesarbeitsgericht nicht getan.

21

I. Die Kündigung vom 24. Juni 2010 ist gemäß § 34 Abs. 2 TVöD iVm. § 626 BGB aus wichtigem Grund gerechtfertigt.

22

1. Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD konnte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers, der im Kündigungszeitpunkt das 40. Lebensjahr vollendet hatte und länger als 15 Jahre bei ihr beschäftigt war, nur aus einem wichtigen Grund kündigen. Auf die tarifliche Besitzstandsregelung in § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD kommt es im Streitfall nicht an.

23

2. Mit dem Begriff „wichtiger Grund“ knüpft die tarifvertragliche Bestimmung an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an, deren Verständnis deshalb auch für die Auslegung der Tarifnorm maßgebend ist(BAG 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12, BAGE 132, 299; 27. November 2003 - 2 AZR 601/02 - zu B I 5 der Gründe mwN). Aufgrund der Bezugnahme gilt zugleich § 626 Abs. 2 BGB. Danach kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen erklärt werden (BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 31; 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12 mwN, aaO).

24

3. Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB sind erfüllt.

25

a) Gemäß dieser Vorschrift kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15 mwN, BAGE 146, 303).

26

b) Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet sein (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 29, BAGE 137, 54). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19 mwN).

27

c) Begeht ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Dies gilt auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Gegenstände von geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 18; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 26, BAGE 134, 349). Maßgebend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 17, BAGE 142, 176).

28

d) Im Streitfall liegt eine in diesem Sinne erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor.

29

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe im Frühjahr 2010 gemeinschaftlich mit seinem Kollegen mehrere hundert Liter Abfalldieselöl ohne Erlaubnis vom Betriebsgelände der GmbH entfernt, um es zu filtern und anschließend nach Möglichkeit selbst weiterzuverwenden oder an einen interessierten Dritten abzugeben. 180 Liter des verunreinigten Kraftstoffs - sechs Kanister - seien in seinem eigenen Fahrzeug vorgefunden worden. Diese Feststellungen greift der Kläger nicht an.

30

bb) Danach hat der Kläger seine Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich und schuldhaft verletzt. Dafür kommt es nicht darauf an, ob das Abfalldieselöl im Eigentum der Beklagten oder der GmbH stand und ob das in Rede stehende Verhalten einen Straftatbestand erfüllt.

31

(1) Dem Kläger war - unter Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten - dauerhaft eine Tätigkeit bei der GmbH zugewiesen worden. Im Rahmen dieser Personalgestellung musste er die Vermögensinteressen der GmbH in gleicher Weise wahren wie diejenigen der Beklagten. Im Übrigen lief die unberechtigte Wegnahme des Kraftstoffs in Anbetracht ihrer Beteiligung an der GmbH unmittelbar den Vermögensinteressen der Beklagten zuwider, mag diese auch - wie vom Kläger behauptet - nicht die Mehrheit der Anteile gehalten haben. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe die Eigentumsverhältnisse an dem in Rede stehenden Kraftstoff nicht hinreichend aufgeklärt, geht damit ins Leere.

32

(2) Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen des Klägers, ihm habe das Unrechtsbewusstsein gefehlt, als Schutzbehauptung gewertet und eine vorsätzliche Verletzung seiner vertraglichen Nebenpflicht angenommen. Diese Würdigung liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Tatsachengericht von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und keine Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt hat (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 16; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 21). Einen solchen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Er ist auch nicht offensichtlich. Der Kläger konnte angesichts der gesonderten Aufbewahrung des Abfalldieselöls auf dem Betriebsgelände der GmbH und der Beauftragung einer darauf spezialisierten Drittfirma nicht im Zweifel darüber sein, dass der Beklagten an dessen fachgerechter Entsorgung gelegen war. Er musste wissen, dass er sich Kraftstoff - welcher Qualität auch immer - nicht ohne ausdrückliche Einwilligung der hierfür zuständigen Mitarbeiter aneignen durfte. Seiner eigenen Einlassung zufolge hat er das Abfalldieselöl auch nicht für wirtschaftlich wertlos erachtet. Beides reichte aus, um für ihn auch subjektiv eine Erlaubnis zur Mitnahme auszuschließen.

33

e) Die Kündigung ist bei Beachtung der Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt.

34

aa) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 17, BAGE 146, 303; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27). Auch bei der fristlosen Kündigung eines tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses muss die Vertrauensgrundlage so schwer gestört sein, dass jede weitere Zusammenarbeit für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Eine außerordentliche fristlose Kündigung ist gerechtfertigt, wenn es dem Arbeitgeber nicht zumutbar war, den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der „fiktiven“ Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 827/06 - Rn. 37; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 44; vgl. auch BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 20).

35

bb) Danach hat das Landesarbeitsgericht den ihm im Rahmen der Interessenabwägung zukommenden Beurteilungsspielraum (dazu BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 35 mwN) nicht verletzt. Es hat alle wesentlichen Aspekte des Falls berücksichtigt und die beiderseitigen Interessen vertretbar abgewogen.

36

(1) Der Kläger hat seine Stellung als Betriebsstoffhelfer zu einer Verletzung des Eigentums entweder der Beklagten oder des Kooperationsunternehmens missbraucht. In beiden Fällen liegt ein schwerwiegender Vertrauensbruch vor. Der Kläger war im Rahmen des ihm zugewiesenen Aufgabenbereichs dafür verantwortlich, dass Betriebsstoffe nur an Berechtigte ausgegeben würden. Er hatte dies entsprechend zu dokumentieren. Stattdessen hat er sich bewusst und ohne Rücksprache mit seinen Vorgesetzten zumindest Abfalldieselöl in erheblicher Menge in der Absicht angeeignet, sich oder seinem Kollegen auf diese Weise wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Unerheblich ist, ob er in der Annahme gehandelt hat, er bewahre die Beklagte vor eigenen Aufwendungen. Die Interessen der Beklagten und ihres Kooperationsunternehmens waren erkennbar darauf gerichtet, das verunreinigte und für die Umwelt nicht ungefährliche Abfalldieselöl auf dem Betriebsgelände zwischenzulagern, um es anschließend fachgerecht entsorgen zu lassen.

37

(2) Die Pflichtverletzung ist von solchem Gewicht, dass ihre Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen war (zu diesem Maßstab vgl. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 20; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16). Die nahezu 30-jährige, ohne Beanstandungen gebliebene Betriebszugehörigkeit des Klägers und der - zu seinen Gunsten unterstellt - allenfalls geringfügige Verkehrswert des entwendeten Kraftstoffs führen zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger hat seine Vertragspflichten wiederholt verletzt. Er hat aus purem Eigennutz in erheblichem Umfang Stoffe, von denen Gefahren für die Umwelt ausgehen können, einer durch die Verantwortlichen vorgesehenen fachgerechten Entsorgung entzogen. Dies brauchte die Beklagte - auch ohne vorherige Abmahnung - nicht hinzunehmen.

38

4. Die Beklagte hat die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

39

a) Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Bestimmung mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die sachgerechte Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände (BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54).

40

b) Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 14; 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27). Dabei kommt es nicht darauf an, ob er ggf. eine Kündigung wegen erwiesener Tat oder wegen eines zumindest erdrückenden Verdachts zu erklären beabsichtigt. Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - zu II 1 der Gründe, BAGE 73, 42). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf in der Regel nicht mehr als eine Woche betragen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54). Bei Vorliegen besonderer Umstände kann sie überschritten werden (BAG 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 24, BAGE 117, 168). Unerheblich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder nicht (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO; 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - aaO). Gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Stellungnahme, so gereicht ihm dies hinsichtlich des Beginns der zweiwöchigen Ausschlussfrist deshalb auch dann nicht zum Nachteil, wenn der Arbeitnehmer innerhalb angemessener Überlegungszeit keine Erklärung abgibt oder seine Stellungnahme rückblickend zur Feststellung des Sachverhalts nichts beiträgt (BAG 27. Januar 1972 - 2 AZR 157/71 - zu 3 der Gründe, BAGE 24, 99). Das bedeutet zugleich, dass der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub iSv. § 626 Abs. 2 BGB nicht nachträglich entfällt, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme zum Anlass nimmt, nunmehr auf die Anhörung des Arbeitnehmers zu verzichten(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO).

41

c) Danach hat die Beklagte die Kündigung iSv. § 626 Abs. 2 BGB rechtzeitig erklärt.

42

aa) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, den kündigungsberechtigten Mitarbeitern der Beklagten seien die Vorfälle vom 7. Juni 2010 nicht vor dem 10. Juni 2010 bekannt geworden. Mit dem Zugang der fristlosen Kündigung am 24. Juni 2010 ist die Zwei-Wochen-Frist gewahrt.

43

bb) Die Kündigung wäre selbst dann fristgerecht erfolgt, wenn die Kündigungsberechtigten von dem Geschehen bereits am 7. Juni 2010 Kenntnis erlangt hätten. Die Beklagte durfte es für erforderlich halten, den Kläger zum Kündigungssachverhalt anzuhören. Es war nicht auszuschließen, dass sich aus seiner Äußerung weitere, etwa ihn entlastende Umstände ergeben würden. Eine Verzögerung bei der Anhörung ist der Beklagten nicht anzulasten. Bereits am 11. Juni 2010 hat sie versucht, den Kläger telefonisch zu kontaktieren. Nachdem dieser und ein weiterer Versuch, ihn persönlich anzusprechen, erfolglos blieben, hat sie ihm - zeitnah - Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben und seine Äußerung abgewartet. Ebenso wenig handelte die Beklagte willkürlich, als sie die Kündigung schon am 24. Juni 2010 erklärte. Der Kläger hatte nicht etwa um eine Verlängerung der Äußerungsfrist gebeten.

44

cc) Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass er bereits ab dem 8. Juni 2010 freigestellt worden sei, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - mangels Entscheidungserheblichkeit unbegründet. Selbst wenn die Freistellung einen Hinweis auf die Kenntnis einschlägiger Tatsachen gäbe, führte dies nicht dazu, dass die Beklagte die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt hätte.

45

II. Die Kündigung vom 24. Juni 2010 ist nicht deshalb unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden wäre (§ 79 Abs. 4 BPersVG). Der Kündigungssachverhalt, wie er der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zugrunde liegt, hatte sich gegenüber dem der Personalvertretung mitgeteilten Geschehen auch nicht in einer Weise verändert, dass er nur nach erneuter Anhörung des Personalrats prozessual verwertbar gewesen wäre.

46

1. Nach § 79 Abs. 3 BPersVG ist der Personalrat vor außerordentlichen Kündigungen anzuhören. Der Dienststellenleiter hat die beabsichtigte Maßnahme zu begründen. Hat der Personalrat Bedenken, so hat er sie unter Angabe der Gründe dem Dienstellenleiter unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen, schriftlich mitzuteilen. Nach § 79 Abs. 4 BPersVG ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Diese Rechtsfolge tritt auch bei nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats ein (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 45; 12. März 2009 - 2 AZR 251/07 - Rn. 36). Zu dieser Beteiligung gehört insbesondere die hinreichende Unterrichtung des Gremiums. Der Personalrat ist ordnungsgemäß unterrichtet worden, wenn der Arbeitgeber die für ihn subjektiv tragenden Gründe, auf denen sein Kündigungsentschluss beruht, mitgeteilt hat (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 57; für die ordentliche Kündigung bspw. BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 22). Darauf, ob diese Umstände auch objektiv geeignet und ausreichend sind, die Kündigung zu stützen, kommt es für die Ordnungsgemäßheit der Unterrichtung nicht an (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 46). Fehlerhaft ist die Unterrichtung, wenn der Dienstherr dem Personalrat bewusst und gewollt unrichtige oder unvollständige Sachverhalte unterbreitet hat (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - aaO).

47

2. Die Parteien streiten nicht darüber, dass die Beklagte das Mitbestimmungsverfahren gegenüber dem zuständigen örtlichen Personalrat formell ordnungsgemäß eingeleitet und die zu beachtenden Fristen gewahrt hat. Ein Rechtsfehler ist insoweit nicht zu erkennen.

48

3. Die Beklagte hat den Personalrat nicht bewusst irreführend über das Ausmaß der Pflichtverletzung unterrichtet, soweit sie ihm mitgeteilt hat, der Kläger habe „wenigstens 180 Liter Dieselkraftstoff“ entwendet. Auf die genaue Menge und die Qualität des Diesels, dh. ob es sich um verunreinigte und nicht mehr gebrauchsfähige Kraftstoffreste oder um bessere Qualität handelte, kam es ihr - soweit sie hiervon im Kündigungszeitpunkt überhaupt konkrete Kenntnis hatte - ersichtlich nicht an. Es handelt sich zudem um Umstände, die für den Kern des mitgeteilten Vorwurfs, der Kläger habe vom Betriebsgelände der GmbH eine erhebliche Menge von Dieselkraftstoff widerrechtlich entwendet, nicht entscheidend sind. In einem solchen Fall ist es unschädlich, wenn sich der dem Personalrat mitgeteilte Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess nicht in seiner Gesamtheit bestätigt (vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 34).

49

4. Der Kläger erhebt keine zulässige Verfahrensrüge, soweit er geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe eine gebotene Zeugenvernehmung zum „Informationsumfang und Informationsinhalt bei der Anhörung“ unterlassen. Es fehlt an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des unter Beweis gestellten Vorbringens (vgl. dazu BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 1005/12 - Rn. 28 mwN).

50

III. Die Kündigung ist nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass im Kündigungszeitpunkt im maßgebenden Betrieb der GmbH ein Betriebsrat gewählt war. Dieser war auch mit Blick auf die Gestellung des Klägers nicht zur Kündigung anzuhören. Das ergibt die Auslegung von §§ 1, 6 Abs. 1 und Abs. 3 BwKoopG.

51

1. Nach § 1 BwKoopG gilt dieses Gesetz ua. für Angestellte des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung, soweit und solange ihnen unter Beibehaltung ihres Dienst- oder Arbeitsverhältnisses zum Bund eine Tätigkeit in einem Wirtschaftsunternehmen zugewiesen wurde, mit dem die Bundeswehr eine Kooperation eingegangen ist. Die GmbH ist ein solches Kooperationsunternehmen. Die ihr zugewiesenen oder gestellten Arbeitnehmer, zu denen der Kläger zählt, gelten daher nach § 6 Abs. 1 BwKoopG ua. für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes als ihre Arbeitnehmer. Die Regelung in § 6 Abs. 3 BwKoopG sichert die Erfüllung der Verpflichtungen des Kooperationsbetriebs aus den in § 6 Abs. 1 BwKoopG genannten Gesetzen, ua. aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Grundsätzlich obliegt es dem Kooperationsbetrieb, die Verpflichtungen zu erfüllen. Scheitert dies allerdings daran, dass der Beschäftigte nicht in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zum Kooperationsunternehmen steht, hat die betreffende Dienststelle dafür einzustehen (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 33, BAGE 138, 25).

52

2. Die Regelungen in § 6 Abs. 1, Abs. 3 BwKoopG tragen dem Umstand Rechnung, dass das Personal der Bundeswehr langfristig in dem privatrechtlich organisierten Betrieb eines Kooperationspartners eingesetzt und dort in die Arbeitsabläufe eingegliedert wird. Mit Blick auf diese faktische Eingliederung soll für den Bereich der betrieblichen Interessenvertretung eine Gleichstellung mit den Arbeitnehmern des Kooperationsbetriebs erreicht werden (vgl. BT-Drs. 15/2944 S. 9), die sich nicht nur darin erschöpft, dass den Betroffenen das aktive und passive Wahlrecht im Kooperationsbetrieb zugestanden wird (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 36, BAGE 138, 25). Gleichwohl bedeutet die grundsätzliche Einbeziehung zugewiesener oder gestellter Arbeitnehmer in die Betriebsverfassung nicht zwingend, dass dem Betriebsrat des Kooperationsbetriebs für diese Personengruppen uneingeschränkt die Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes zukommen. Bestand und Umfang der betrieblichen Mitbestimmung richten sich vielmehr nach dem Gegenstand und Zweck des jeweiligen Mitbestimmungsrechts und der darauf bezogenen Entscheidungsmacht (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 41, aaO; 9. Juni 2011 - 6 AZR 132/10 - Rn. 32, BAGE 138, 116; zum Gegenstandsbezug siehe auch BAG 19. Juni 2001 - 1 ABR 43/00 - zu B II 4 und 5 der Gründe, BAGE 98, 60).

53

3. Das Anhörungsrecht des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG zielt - ebenso wie die Anhörung des Personalrats zur Kündigung nach § 79 Abs. 3 BPersVG - nicht darauf ab, die Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu überprüfen. Es beschränkt sich vielmehr darauf, dem Betriebsrat im Vorfeld der Kündigung die Möglichkeit zu geben, auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen (für § 102 BetrVG vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 76, BAGE 144, 125; 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - zu II 2 der Gründe, BAGE 78, 39). Da im Fall der Kündigung von gestellten Arbeitnehmern der Kündigungsentschluss nicht durch den Inhaber des Kooperationsbetriebs gefasst und umgesetzt wird, sondern die Entscheidung typischerweise beim öffentlichen (Vertrags-)Arbeitgeber liegt, macht eine Beteiligung des Betriebsrats des Kooperationsbetriebs insoweit keinen Sinn (Altvater/Altvater 8. Aufl. § 6 BwKoopG Rn. 4; Tiling öAT 2013, 139, 140; für die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG: BAG 9. Juni 2011 - 6 AZR 132/10 - Rn. 32, BAGE 138, 116; ebenso: APS/Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 8a; Fitting BetrVG 27. Aufl. § 5 Rn. 319, § 102 Rn. 20d; Raab in GK-BetrVG § 5 Rn. 78). Eine Verdoppelung der Beteiligungsverfahren mit womöglich gegenläufigen Voten der beiden Arbeitnehmervertretungen wäre mangels Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers des Beschäftigungsbetriebs nicht geeignet, die Lage des betroffenen Arbeitnehmers relevant zu verbessern (Tiling aaO). Soweit der Personalrat aus seiner Sicht nicht über die erforderliche Sachverhaltskenntnis verfügt, um anhand der Mitteilungen des öffentlichen Arbeitgebers ein vollständiges Bild vom behaupteten Kündigungsgrund zu gewinnen, steht es ihm frei, dazu weitere Erkundigungen einzuholen und etwa den Arbeitnehmer anzuhören.

54

4. Nach diesen Grundsätzen war eine Beteiligung des Betriebsrats der GmbH nicht geboten. Die in Rede stehende außerordentliche fristlose Kündigung betrifft das zur Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass die Kündigungsbefugnis allein bei ihr lag. Daran vermag auch eine größere Sachnähe des Betriebsrats des Kooperationsbetriebs nichts zu ändern. Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn die Ausübung des Kündigungsrechts durch den öffentlichen Arbeitgeber an das Einverständnis des Inhabers des Kooperationsbetriebs geknüpft wäre (dazu Fitting BetrVG 27. Aufl. § 102 Rn. 20d; Tiling öAT 2013, 139, 140), kann dahinstehen. Für einen solchen Sachverhalt fehlt es an Anhaltspunkten. Ebenso wenig hat der Kläger behauptet, die Beklagte und ihr Kooperationsunternehmen hätten den Betrieb gemeinsam geführt.

55

IV. Die Kündigung ist nicht gemäß § 174 Satz 1 BGB oder wegen eines Mangels in der Vertretungsmacht nach § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe seinen Vortrag zur „Frage der Kündigungsbefugnis“ übergangen, ist unzulässig. Soweit das Vorbringen auf eine Unwirksamkeit der Kündigung nach § 174 Satz 1 BGB abzielt, lassen die Ausführungen in der Revisionsbegründung nicht erkennen, dass der Kläger die Kündigung unverzüglich mangels Vorlage eines Vollmachtnachweises zurückgewiesen hätte(zu den Anforderungen an die Zurückweisung vgl. BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 354/10 - Rn. 33 mwN, BAGE 140, 64). Auf die Berechtigung einer entsprechenden Zurückweisung kommt es demzufolge nicht an. Soweit der Kläger geltend machen will, das Landesarbeitsgericht habe außer Acht gelassen, dass er die Kündigungsbefugnis des „die Kündigung unterschreibenden Mitarbeiters“ bestritten habe, zeigt er die Entscheidungserheblichkeit des vermeintlich übergangenen Vortrags nicht auf. Das gilt insbesondere angesichts der Möglichkeit einer konkludenten Genehmigung der Kündigung durch die Beklagte (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 13), von der das Landesarbeitsgericht stillschweigend ausgegangen sein dürfte.

56

V. Da die Kündigung somit bereits wegen erwiesener Tat wirksam ist, kann dahinstehen, ob der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zu folgen wäre, die Beklagte könne sich auf den Verdacht, der Kläger habe wesentlich größere Mengen Diesel und in der Qualität höherwertigen Kraftstoff vom Betriebsgelände der GmbH rechtswidrig entwendet, deshalb nicht berufen, weil die Voraussetzungen für das Nachschieben eines solchen Kündigungsgrundes nicht vorgelegen hätten.

57

VI. Der Feststellungsantrag des Klägers betreffend die weitere Kündigung ist als unechter Hilfsantrag zu verstehen. Er ist nur für den Fall gestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht bereits durch die vorausgegangene fristlose Kündigung sein Ende gefunden hat. Gleiches gilt für den Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung. Über beide Anträge war dementsprechend nicht zu entscheiden. Auch das Landesarbeitsgericht hat das Begehren des Klägers nicht anders verstanden. Es hat den Weiterbeschäftigungsantrag nicht auch in der Sache abschlägig beschieden, soweit es das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage „insgesamt abgewiesen“ hat. Es hat damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der stattgebenden Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag wegen der Erfolglosigkeit des Feststellungsantrags die Grundlage entzogen war. Die Anschlussberufung des Klägers ist damit gleichermaßen gegenstandslos.

58

VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Bartz    

        

    Alex    

                 

Tenor

1. Die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Juli 2011 - 10 Sa 1781/10 - wird zurückgewiesen.

2. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 29. Juni 2010 - 1 Ca 2998/09 - zurückgewiesen hat.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revisionsinstanz - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten.

2

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen. Die 1967 geborene Klägerin war - unter Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten - seit 1991 bei ihr beschäftigt. Zuletzt war sie im Getränkemarkt des Einkaufsmarkts G tätig. Im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung erzielte sie einen monatlichen Bruttoverdienst iHv. 1.406,92 Euro. In dem Markt beschäftigt die Beklagte insgesamt weit mehr als zehn Arbeitnehmer, für die ein 7-köpfiger Betriebsrat errichtet ist.

3

In dem Getränkemarkt waren drei Kassen eingerichtet. Über eine Kasse erfolgte die Leergutannahme. Soweit sie nicht zu besetzen waren, wurde den Kassen der Geräteeinsatz mit dem Wechselgeld entnommen. Ursprünglich wurden die Einsätze im zentralen Kassenbüro des Einkaufsmarkts aufbewahrt. Das brachte es mit sich, dass die Kassenmitarbeiter des Getränkemarkts den Einsatz bei Dienstantritt im Kassenbüro abholen und nach Dienstschluss dorthin zurückbringen mussten. Im Kassenbüro erhielten sie auch das Wechselgeld. Diese Gänge entfielen ab Mitte August 2009, nachdem die Beklagte im Getränkemarkt einen Tresor für die Aufbewahrung der Einsätze und des Wechselgelds hatte installieren lassen.

4

Der Umgang mit Geld war für alle Märkte in sog. Kassenanweisungen geregelt. Deren Erhalt hatte die Klägerin mit ihrer Unterschrift bestätigt. Nach den zuletzt gültigen Regelungen war es Kassenmitarbeitern untersagt, Bargeld in der Dienstkleidung oder im Schubfach des Kassentischs aufzubewahren, Geld aus der Kasse zu entnehmen oder es sich leihweise selbst oder anderen zur Verfügung zu stellen. Geld durfte weder zwischen den Kassenkräften untereinander gewechselt noch nach Geschäftsschluss in den Schubfächern der Kassen aufbewahrt werden. Die Herausgabe zusätzlichen Wechselgelds hatte durch die Marktleitung zu erfolgen. Geldwechselgeschäfte mit Kunden waren untersagt. Geld, das von Kunden liegengelassen wurde, war unmittelbar der Marktleitung auszuhändigen; anschließend sollte es im Büro/Tresor deponiert werden. Im August 2009 erließ die Beklagte zusätzlich eine „Ablaufbeschreibung Kassenbüro“. Danach sollten „Kassierdifferenzen“ täglich dem Geschäftsleiter gemeldet werden. „Fundgeld“ sollte einmal monatlich „in die 99-er Kasse eingezahlt“, „Klüngelgeld“ einmal pro Woche „auf WGR 700“ gebucht werden.

5

Im Getränkemarkt war seit jeher eine Videokamera installiert. Darüber waren die Mitarbeiter in Kenntnis gesetzt worden. Die Kamera ermöglichte die Überwachung des Kassenbereichs sowie der Ein- und Ausgänge. Die eigentlichen Kassiervorgänge wurden nicht erfasst.

6

Zur Mitte des Jahres 2009 stellte die Beklagte anlässlich einer Revision fest, dass in der ersten Jahreshälfte Leergutdifferenzen iHv. mehr als 7.000,00 Euro aufgetreten waren. Nachdem Kontrollen des Lagerbestands und des Warenausgangs keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten ergeben hatten, vermutete sie deren Ursache im Kassenbereich. Sie ging von der Möglichkeit aus, dass dort ohne Entgegennahme von Leergut „falsche“ Bons gedruckt und entsprechende Gelder der Kasse entnommen würden. Am 7. Juli 2009 vereinbarte sie mit dem Vorsitzenden des Betriebsrats für die Dauer von vier Wochen die Durchführung einer verdeckten Videoüberwachung des Kassenbereichs. Sie beauftragte eine Fachfirma, die in der Zeit vom 13. Juli bis 3. August 2009 die Kassenvorgänge mittels Videokamera aufzeichnete. Die der Firma gleichfalls übertragene Auswertung der Aufzeichnungen einschließlich der Erstellung eines Zusammenschnitts und einer Dokumentation war am 3. September 2009 abgeschlossen. Aus den Aufzeichnungen ging hervor, dass sich unter der Leergutkasse des Getränkemarkts ein Plastikbehälter befand, in dem Geld aufbewahrt wurde. Außerdem war zu erkennen, dass die Klägerin am 16. Juli 2009 gegen 8:45 Uhr, am 22. Juli 2009 gegen 16:13 Uhr und am 23. Juli 2009 gegen 18:34 Uhr diesem Behältnis Geld entnahm und in ihre Hosentasche steckte. Die Vorgänge als solche sind unstreitig.

7

Am 14. August 2009 hatte die Beklagte der Klägerin wegen eines Verhaltens vom 11. Juli 2009 eine Abmahnung erteilt. An diesem Tag hatte die Klägerin nach Dienstschluss Wechselgeld iHv. 300,00 Euro mit nach Hause genommen, statt es weisungsgemäß im Kassenbüro abzugeben. Die Klägerin hatte sich in einem noch am selben Abend geführten Telefonat auf ein Versehen berufen und das Geld am 12. Juli 2009 bei der Beklagten abgeliefert.

8

Noch am 3. September 2009 führte die Beklagte im Getränkemarkt eine Kontrolle des Kassenbereichs durch; der dort vorgefundene Plastikbehälter enthielt Münzen im Wert von 12,35 Euro. Am 4. September 2009 hörte sie die Klägerin zur Existenz dieser sog. Klüngelgeld-Kasse an und konfrontierte sie mit dem Vorwurf, hieraus Geld für eigene Zwecke entnommen zu haben. Mit Schreiben vom 8. September 2009 bat sie den Betriebsrat um Stellungnahme zu einer beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung wegen des Verdachts der Untreue und Unterschlagung. Mit Schreiben vom 11. September 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien „fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. März 2010“.

9

Die Klägerin hat mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage geltend gemacht, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSd. § 626 BGB liege nicht vor. Eine ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. „Klüngelgeld-Kassen“ existierten in sämtlichen Bereichen des Einkaufsmarkts. Sie dienten dazu, Wechselgeld aufzubewahren, das Kunden partout nicht hätten mitnehmen wollen. Sie selbst habe Geld, das sie dieser Kasse entnommen habe, dafür verwendet - wie in vergleichbaren Fällen andere Kassenkräfte auch -, morgens einen Einkaufswagen auszulösen, um damit zugleich mehrere im Getränkemarkt benötigte Kasseneinsätze zu transportieren. Teilweise habe sie dafür zunächst ein eigenes Geldstück benutzt und dies später über die „Klüngelgeld-Kasse“ ausgeglichen. Teilweise sei Kleingeld aus dieser Kasse gegen Geld im Kasseneinsatz getauscht worden, um nicht noch kurz vor Kassenschluss eine neue Wechselgeldrolle öffnen zu müssen. Ihr Verhalten rechtfertige keine Kündigung. Die Zusammenschnitte der Videoaufnahmen, die ohnehin einem Beweisverwertungsverbot unterlägen, böten keinen tauglichen Beweis dafür, dass sie sich Geld aus der fraglichen Kasse rechtswidrig zugeeignet habe. Überdies sei die Betriebsratsanhörung fehlerhaft. Die Klägerin hat Lohnforderungen für die Zeit von September 2009 bis einschließlich Mai 2010 erhoben.

10

Sie hat - soweit noch von Interesse - beantragt

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 11. September 2009 nicht aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.506,28 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus diversen Teilbeträgen seit unterschiedlichen Zeitpunkten zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, ihr einen Warengutschein über 275,00 Euro auszustellen und auszuhändigen;

5. die Beklagte zu verurteilen, ihr ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgebracht, die Klägerin habe ihre Vertragspflichten schon durch das unerlaubte Führen einer „schwarzen Kasse“ erheblich verletzt. Darüber hinaus habe sie der fraglichen Kasse Geld in der offenkundigen Absicht entnommen, es für sich zu behalten. Zumindest sei sie einer solchen Tat dringend verdächtig. Die Klägerin habe sich - wie aus den Videoaufnahmen ersichtlich - vor jeder Geldentnahme vergewissert, dass ihr niemand zusehe. Dessen habe es bei redlichem Vorgehen nicht bedurft. Ihre Einlassung, sie habe Geldstücke für den Transport der Kasseneinsätze benötigt, stelle eine Schutzbehauptung dar. Für entsprechende Zwecke habe ein Einkaufswagen bereitgestanden, der nicht eigens habe ausgelöst werden müssen. Im Übrigen ergebe sich aus dem Videomaterial nicht, dass die Klägerin mitgeführte Geldstücke je in die „Klüngelgeld-Kasse“ zurückgelegt habe. Die Videoaufzeichnungen seien rechtlich verwertbar. Im Zeitpunkt der Beobachtung habe ein hinreichend eingegrenzter Verdacht dahingehend bestanden, dass Leergutdifferenzen durch Unregelmäßigkeiten im Kassenbereich des Getränkemarkts entstünden. Mildere Mittel zur Aufklärung des Verdachts hätten nicht zur Verfügung gestanden.

12

Das Arbeitsgericht hat die Videoaufzeichnungen zu Beweiszwecken in Augenschein genommen und die Klage - soweit noch von Interesse - in vollem Umfang abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach erneuter Beweisaufnahme auf die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung erkannt. Zudem hat es die Beklagte zur Zahlung von Vergütung nebst Zinsen für die Zeit bis zum 31. März 2010 und zur Aushändigung eines Warengutscheins verurteilt. Die weitergehende Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren hinsichtlich der ordentlichen Kündigung und davon abhängiger Ansprüche weiter. Mit ihrer Anschlussrevision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

13

Die Anschlussrevision der Beklagten ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung vom 11. September 2009 ist unwirksam. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), soweit dieses die Berufung der Klägerin zurückgewiesen hat.

14

I. Die Anschlussrevision der Beklagten, soweit sie sich gegen die Entscheidung über das Feststellungsbegehren der Klägerin richtet, hat keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung vom 11. September 2009 nicht aufgelöst worden.

15

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, BAGE 134, 349).

16

2. Als wichtiger Grund „an sich“ geeignet sind nicht nur erhebliche Pflichtverletzungen im Sinne von nachgewiesenen Taten. Auch der dringende, auf objektive Tatsachen gestützte Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (zu den Voraussetzungen vgl. nur BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 13 mwN).

17

3. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung oder eines dahingehenden dringenden Verdachts jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 14; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24). Ein gegenüber der fristlosen Kündigung in diesem Sinne milderes Mittel ist ua. die ordentliche Kündigung (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 35, aaO).

18

4. Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass gegen die Klägerin ein dringender Verdacht bestand, sich mehrfach Geldstücke aus der „Klüngelgeld-Kasse“ rechtswidrig zugeeignet zu haben, und deshalb „an sich“ ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vorlag. Im Rahmen seiner Beurteilung, selbst dann sei es der Beklagten bei Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien nicht unzumutbar gewesen, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten, hat das Landesarbeitsgericht alle für und gegen dieses Ergebnis sprechenden Aspekte berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen.

19

a) Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin zugutegehalten, dass sie durch eine beanstandungsfreie Tätigkeit über rund 18 Jahre hinweg als Verkäuferin und Kassiererin Loyalität zur Beklagten gezeigt habe. Dies hält sich - auch in Anbetracht der Abmahnung vom 14. August 2009 - im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Die Beklagte ist der Behauptung der Klägerin, sie habe am 11. Juli 2009 die Ablieferung des Wechselgeldes aufgrund hohen Arbeitsanfalls schlicht vergessen, nicht entgegengetreten. Bei dem gerügten Verhalten handelt es sich mithin um einen - unbewussten - Ordnungsverstoß, der die Annahme, die Klägerin habe sich bis zu den umstrittenen Geldentnahmen aus der „Klüngelgeld-Kasse“ als vertrauenswürdig erwiesen, nicht, schon gar nicht zwingend infrage zu stellen vermochte.

20

b) Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass der Beklagten allenfalls ein geringfügiger Schaden entstanden sei. Hat der Arbeitnehmer die Integrität von Eigentum oder Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich verletzt oder ist er einer solchen Tat dringend verdächtig, beeinträchtigt dies zwar die für die Durchführung der Vertragsbeziehung notwendige Vertrauensgrundlage grundsätzlich unabhängig vom Wert des betroffenen Gegenstands (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 27, BAGE 134, 349). Das schließt es aber nicht aus, bei der Gewichtung des Kündigungssachverhalts auf die Höhe eines eingetretenen Schadens Bedacht zu nehmen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 184). Die im Berufungsurteil getroffene Interessenabwägung ist - anders als die Beklagte meint - nicht deshalb zu beanstanden, weil sich in der fraglichen Kasse am 4. September 2009 Münzen im Wert von etwas mehr als zwölf Euro befanden. Unbeschadet der Frage, ob bei einem Vermögensnachteil in dieser Höhe eine „Geringfügigkeitsschwelle“ überschritten wäre, ist nicht festgestellt, dass die Klägerin im Verdacht stand, sich Geld in diesem Umfang rechtswidrig zugeeignet oder hierzu doch unmittelbar angesetzt zu haben. Im Übrigen handelte es sich bei dem Umgang mit „Klüngelgeld“ um einen Bereich am Rande der Kassentätigkeit, den die Beklagte ausweislich der im August 2009 erlassenen „Ablaufbeschreibung Kassenbüro“ offenbar selbst für nicht ausreichend geregelt hielt. Auch wenn dieser Gesichtspunkt nicht geeignet ist, das dem - unterstellten - Verdacht zugrundeliegende Verhalten zu rechtfertigen, durfte das Landesarbeitsgericht ihn zugunsten der Klägerin in seine Gesamtbetrachtung einbeziehen.

21

c) Das Landesarbeitsgericht hat die Heimlichkeit des dem Verdacht zugrundeliegenden - unterstellten - Verhaltens nicht außer Acht gelassen, wie die Beklagte gemeint hat. Es hat in ihr lediglich keinen Umstand gesehen, der im vorliegenden Fall die Weiterbeschäftigung der Klägerin für die Dauer der Kündigungsfrist ausgeschlossen hätte. Das hält sich ebenso im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum wie die Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung der Klägerin gegenüber ihrem Kind.

22

II. Ob das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 aufgelöst worden ist, steht noch nicht fest. Zwar geht das Landesarbeitsgericht zutreffend von einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats aus (1.). Es durfte aber nicht annehmen, die ordentliche Kündigung sei auch materiell-rechtlich als Verdachtskündigung rechtswirksam, weil sie zwar nicht den Voraussetzungen von § 626 Abs. 1 BGB, wohl aber denen des § 1 Abs. 2 KSchG genüge. Ist der Arbeitnehmer eines Verhaltens verdächtig, das, wäre es erwiesen, nicht auch eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB, sondern lediglich eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG zu rechtfertigen vermöchte, ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - trotz des Verdachts - nicht unzumutbar(2.). Da das Landesarbeitsgericht die ordentliche Kündigung bereits als Verdachtskündigung für wirksam gehalten hat, hat es nicht geprüft, ob eine ordentliche Kündigung wegen erwiesener Pflichtwidrigkeiten berechtigt wäre. Dies wird es nachzuholen haben. Dabei darf es den Inhalt der Videoaufzeichnungen nicht berücksichtigen. Deren Verwertung ist prozessual unzulässig (3.).

23

1. Die Rüge der Klägerin, das Landesarbeitsgericht habe § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG fehlerhaft angewandt, ist unbegründet.

24

a) Für die Mitteilung der Kündigungsgründe iSd. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“(BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 41; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 45; jeweils mwN). Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt er dann nicht nach, wenn er schon aus seiner eigenen Sicht dem Betriebsrat einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 18; 7. November 2002 - 2 AZR 599/01 - zu B I 1 a der Gründe mwN).

25

b) Danach ist die Anhörung inhaltlich ordnungsgemäß erfolgt.

26

aa) Die Beklagte hat den Betriebsrat am 8. September 2009 schriftlich von ihrer Absicht unterrichtet, das Arbeitsverhältnis der Parteien wegen des „Verdachts einer Untreue und Unterschlagung“ hilfsweise auch ordentlich zu kündigen. Sie hat ihm dabei die Sozialdaten der Klägerin und die Dauer der einzuhaltenden Kündigungsfrist mitgeteilt. Außerdem hat sie den Anlass, den Zeitraum und das Ergebnis der Videoüberwachung dargestellt. Selbst wenn sich einzelne Angaben als unzutreffend herausgestellt haben sollten - etwa weil die für den 24. Juli 2009 mitgeteilte Geldentnahme tatsächlich nicht die Klägerin, sondern eine Kollegin betrifft und weder die „Speisung“ der Kasse noch die Geldentnahme vom 22. Juli 2009 in Zusammenhang mit der Entgegennahme von Leergut gestanden haben mögen - genügt die Anhörung den gesetzlichen Anforderungen. Es liegen keine Anhaltspunkte für eine bewusst unrichtige oder irreführende Unterrichtung des Betriebsrats vor. Beruhen die falschen Angaben auf einer Verwechslung von Daten oder fehlerhaften Deutung von Äußerungen der Klägerin im Anhörungsgespräch vom 4. September 2009, ist dies im Rahmen von § 102 Abs. 1 BetrVG unschädlich. Entscheidend ist, dass dem Betriebsrat der Kern des Kündigungsvorwurfs zutreffend mitgeteilt wurde. Maßgebend für den Kündigungsentschluss der Beklagten war, dass die Klägerin entgegen eindeutigen Vorgaben Geld, das entweder ihr - der Beklagten - oder ihren Kunden zustand, in einem Plastikbehälter neben der Kasse im Getränkemarkt aufbewahrte, und der damit in Zusammenhang stehende Verdacht, aus diesem Behälter gelegentlich Geld für eigene Zwecke entnommen zu haben. Darauf, ob die Klägerin dies zweimal oder dreimal tat, kam es der Beklagten nicht an. Gleiches gilt für die Frage, ob die Geldentnahme in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Bedienung eines Kunden stand.

27

bb) Die Beklagte brauchte den Betriebsrat nicht darüber zu unterrichten, dass die Überwachung mittels Videokamera - wie die Klägerin gemeint hat - unrechtmäßig war. Davon ging sie subjektiv nicht aus. Soweit die Klägerin nähere Angaben zur Interessenabwägung vermisst, ist dies ohne rechtlichen Belang. Die Anhörung zu ihrer Absicht, das Arbeitsverhältnis der Parteien zu kündigen, impliziert die von der Beklagten zu ihren - der Klägerin - Lasten getroffene Abwägung. Eine nähere Begründung war vor dem Hintergrund des Grundsatzes der subjektiven Determinierung nicht erforderlich. Die Klägerin übersieht, dass die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht so weit reicht wie seine Darlegungslast im Prozess(vgl. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 45; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 19 mwN).

28

cc) Den Feststellungen im Berufungsurteil zufolge hat der Betriebsrat am 10. September 2009 erklärt, er habe die Kündigungsabsicht zur Kenntnis genommen. Das Landesarbeitsgericht hat darin fehlerfrei eine abschließende Stellungnahme erblickt, die es der Beklagten betriebsverfassungsrechtlich ermöglichte, die ordentliche Kündigung am 11. September 2009 zu erklären.

29

2. Dagegen trägt die Begründung, mit der das Landesarbeitsgericht die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 auch materiell-rechtlich für wirksam angesehen hat, seine Würdigung nicht.

30

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin komme zwar nicht als Verursacherin der Leergutdifferenzen in Betracht. Sie stehe aber im dringenden Verdacht, sich fremdes Geld aus der „Klüngelgeld-Kasse“ rechtswidrig zugeeignet zu haben. Am 16. Juli und am 22. Juli 2009 habe sie einzelne daraus entnommene Geldstücke in ihre Hosentasche gesteckt. Durch die in Augenschein genommenen Videosequenzen sei bewiesen, dass sie sich bei diesen Handlungen jeweils „versichernd“ in mehrere Richtungen umgesehen habe. Damit habe sie sicherstellen wollen, nicht beobachtet zu werden. Das heimliche Vorgehen spreche für eine Zueignungsabsicht. Zugleich widerlege es ihre Einlassung, die Geldstücke für das Auslösen eines Einkaufswagens benötigt zu haben. Erhärtet werde der Verdacht auf eine Zueignungsabsicht dadurch, dass die Klägerin am 23. Juli 2009 gegen 18:34 Uhr der fraglichen Kasse mehrere Geldstücke entnommen und gegen Geld aus der Scannerkasse „getauscht“ habe. Überdies sei die Höhe des am 3. September 2009 in dem fraglichen Behälter vorgefundenen Geldbetrags nicht mit dem nur gelegentlichen Auslösen eines Einkaufswagens zu erklären. Gestützt auf diese tatsächlichen Umstände ist das Landesarbeitsgericht zu der Auffassung gelangt, die Kündigung vom 11. September 2009 sei „durch Gründe, die im Verhalten der Klägerin liegen, bedingt“. Das Vertrauen der Beklagten in die Zuverlässigkeit der Klägerin sei „durch die erwiesenen Verdachtsmomente“ irreparabel erschüttert. Die ordentliche Kündigung sei deshalb als gegenüber der außerordentlichen Kündigung milderes Mittel sozial gerechtfertigt.

31

b) Diese Würdigung ist rechtsfehlerhaft. Das Landesarbeitsgericht hat die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 11. September 2009 erkennbar als die einer Verdachtskündigung bejaht. Als solche genügt sie den gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht. Zwar kann eine Verdachtskündigung vom Arbeitgeber auch als ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist erklärt werden und muss nicht notwendig eine außerordentliche Kündigung sein. Sie unterliegt in diesem Fall jedoch keinen geringeren materiell-rechtlichen Anforderungen.

32

aa) Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung sozial nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten (vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 22; Krause in vHH/L 15. Aufl. § 1 Rn. 470; Löwisch in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. § 1 Rn. 276). Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten muss der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein (vorausgesetzt in BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 42; Bader/Bram-Bram KSchG § 1 Rn. 251). Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, - wäre es erwiesen - sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen würde. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens iSv. § 1 Abs. 2 KSchG „bedingt“.

33

bb) Angesichts der jeweils aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden, gegensätzlichen Grundrechtspositionen der Arbeitsvertragsparteien bedarf das Rechtsinstitut der Verdachtskündigung der besonderen verfassungsrechtlichen Legitimation. Sie beruht auf der Erwägung, dass dem Arbeitgeber von der Rechtsordnung die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses unter dem dringenden Verdacht auf ein Verhalten des Arbeitnehmers, das ihn zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde, nicht zugemutet werden kann. Besteht dagegen der Verdacht auf das Vorliegen eines solchen Grundes nicht, weil selbst erwiesenes Fehlverhalten des Arbeitnehmers die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen könnte, überwiegt bei der Güterabwägung im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers. In einem solchen Fall nimmt die Rechtsordnung das Risiko, einen „Unschuldigen“ zu treffen, nicht in Kauf.

34

cc) Ist der Arbeitnehmer eines Verhaltens verdächtig, dass selbst als erwiesenes nur eine ordentliche Kündigung zu stützen vermöchte, ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses deshalb trotz des entsprechenden Verdachts zuzumuten. Weder liegt ein Grund im Verhalten des Arbeitnehmers, noch liegt ein Grund in der Person des Arbeitnehmers vor, der die Kündigung „bedingen“ könnte. Ein pflichtwidriges Verhalten ist - wie stets bei der Verdachtskündigung - nicht erwiesen und der bloße Verdacht auf ein lediglich die ordentliche Kündigung rechtfertigendes Verhalten führt nicht zu einem Eignungsmangel.

35

c) Das Landesarbeitsgericht hat im Rahmen der Interessenabwägung nach § 626 Abs. 1 BGB angenommen, dass das Verhalten, dessen die Klägerin verdächtig ist, eine außerordentliche Kündigung nicht zu stützen vermöchte. Diese Würdigung hält, wie dargelegt, der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Damit steht zugleich fest, dass eine Verdachtskündigung auch als ordentliche Kündigung nicht in Betracht kommt.

36

3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Das angefochtene Urteil stellt sich nicht deshalb als im Ergebnis richtig dar, weil die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 zwar nicht als Verdachts-, aber doch als sog. Tatkündigung wirksam wäre. Als solche ist sie nicht schon auf der Grundlage des eigenen Vortrags der Klägerin sozial gerechtfertigt. Um dies auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten beurteilen zu können, fehlt es an Feststellungen und deren Würdigung durch das Landesarbeitsgericht. Diese sind nicht deshalb entbehrlich, weil sich die Beklagte auf eine erwiesene Pflichtverletzung als Kündigungsgrund prozessual nicht berufen hat und der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung unter diesem Aspekt überdies § 102 Abs. 1 BetrVG entgegenstünde.

37

a) Das Vorbringen der Klägerin selbst trägt die Kündigung nicht. Die Klägerin hat sich für die Existenz der „Klüngelgeld-Kasse“ auf eine in verschiedenen Abteilungen des Betriebs geübte Praxis und überdies darauf berufen, diese sei der Beklagten - zumindest rudimentär - bekannt gewesen. Trifft dies zu, liegt in dem Vorhalten der fraglichen Kasse für sich genommen kein Verhalten, das die Kündigung ohne vorausgehende Abmahnung rechtfertigen könnte. Dass die Klägerin, wie sie einräumt, dieser Kasse gelegentlich einzelne Geldstücke entnommen und außerdem darin enthaltene Münzen gegen im Kasseneinsatz befindliche Geldstücke gewechselt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dass sie Geldstücke an sich genommen habe, um sich diese rechtswidrig zuzueignen, hat die Klägerin stets in Abrede gestellt.

38

b) Auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif. Auch wenn die Beklagte neben dem Führen der „Klüngelgeld-Kasse“ als solchem nur den Verdacht auf die rechtswidrige Zueignung von Geldstücken als Kündigungsgrund in den Prozess eingeführt hat, ist das Landesarbeitsgericht nicht gehindert, aufgrund der objektiven Verdachtsumstände ggf. zu der Überzeugung zu gelangen, der Verdacht habe sich in der Weise bestätigt, dass die fragliche Pflichtwidrigkeit nachgewiesen sei.

39

aa) Das Landesarbeitsgericht würde auf diese Weise nicht etwa Vortrag berücksichtigen, den die Beklagte nicht gehalten hätte. Der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens stellt zwar gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (st. Rspr., BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, BAGE 131, 155). Beide Gründe stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt. Ergibt sich daraus nach tatrichterlicher Würdigung das Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 26, BAGE 137, 54; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, BAGE 134, 349).

40

bb) Das Landesarbeitsgericht hat sich insoweit ersichtlich weder eine positive noch eine negative Überzeugung gebildet, weil es schon den Verdacht auf eine Zueignungsabsicht der Klägerin als Grund für die ordentliche Kündigung hat ausreichen lassen. Die Beklagte darf nach Aufhebung des für sie günstigen Berufungsurteils nicht um die prozessuale Chance gebracht werden, dass das Landesarbeitsgericht auf der Basis der Rechtsauffassung des Senats die mögliche Erwiesenheit einer Pflichtwidrigkeit der Klägerin geprüft und dabei eine für sie - die Beklagte - günstige Überzeugung gewonnen hätte.

41

c) Der Umstand, dass der Betriebsrat von der Beklagten nur zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht einer Wirksamkeit der Kündigung wegen eines nachgewiesenen Pflichtenverstoßes nicht notwendig entgegen. Die gerichtliche Berücksichtigung des fraglichen Geschehens als erwiesene Tat setzt allerdings voraus, dass dem Betriebsrat am 8. September 2009 sämtliche Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur - möglichen - Überzeugung des Landesarbeitsgerichts auch den Tatvorwurf begründen (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24, BAGE 134, 349; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 59 mwN, BAGE 131, 155). In diesem Fall wäre dem Normzweck des § 102 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung genüge getan. Dem Betriebsrat würde dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt dem Betriebsrat sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24, aaO; 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 217).

42

d) Bei der Prüfung, ob die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 wegen erwiesener Pflichtwidrigkeiten der Klägerin sozial gerechtfertigt ist, darf das Landesarbeitsgericht seine Überzeugung nicht auf den Inhalt der in Augenschein genommenen Videoaufzeichnungen stützen. Deren Verwertung ist prozessual unzulässig. Ob dies unmittelbar aus § 6b BDSG oder doch § 32 BDSG folgt, kann im Ergebnis offen bleiben. Ein Verwertungsverbot ergibt sich in jedem Fall aus einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG, die nicht durch überwiegende Beweisinteressen der Beklagten gerechtfertigt ist.

43

aa) Allerdings kennt die Zivilprozessordnung selbst für rechtswidrig erlangte Informationen oder Beweismittel kein - ausdrückliches - prozessuales Verwendungs- bzw. Beweisverwertungsverbot. Aus § 286 ZPO iVm. Art. 103 Abs. 1 GG folgt vielmehr die grundsätzliche Verpflichtung der Gerichte, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen(BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - Rn. 60, BVerfGE 106, 28; BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 30 mwN). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots, das zugleich die Erhebung der angebotenen Beweise hindert, einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 37; Musielak/Foerste ZPO 10. Aufl. § 284 Rn. 23; MüKoZPO/Prütting 4. Aufl. § 284 Rn. 64).

44

bb) Im gerichtlichen Verfahren tritt der Richter den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Er ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 mwN, BVerfGE 117, 202). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind. Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - aaO; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Dieses Recht schützt nicht allein die Privat- und Intimsphäre, sondern schützt in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen (BAG 26. August 2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 15, BAGE 127, 276). Auch wenn keine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, greift die Verwertung von personenbezogenen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - BVerfGE 120, 378). Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten(EMRK) (BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 14).

45

cc) Die Bestimmungen des BDSG über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild. Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe in diese Rechtspositionen zulässig sind (für das DSG NRW vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16). Dies stellt § 1 BDSG ausdrücklich klar. Liegt keine Einwilligung des Betroffenen vor, ist die Datenverarbeitung nach dem Gesamtkonzept des BDSG nur zulässig, wenn eine verfassungsgemäße Rechtsvorschrift sie erlaubt. Fehlt es an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage oder liegen deren Voraussetzungen nicht vor, ist die Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung personenbezogener Daten verboten. Dieser Grundsatz des § 4 Abs. 1 BDSG prägt das deutsche Datenschutzrecht(Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 4 Rn. 3; ErfK/Franzen 13. Aufl. § 4 BDSG Rn. 1; Simitis/Sokol BDSG 7. Aufl. § 4 Rn. 1).

46

(1) In diesem Sinne regelt § 6b BDSG die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen. Die Bestimmung gilt ua. für Videoaufzeichnungen in öffentlich zugänglichen Verkaufsräumen (BT-Drucks. 14/4329, S. 38). Unerheblich ist, ob das Ziel der Beobachtung die Allgemeinheit ist oder die dort beschäftigten Arbeitnehmer sind (vgl. BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 36). Nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist die Überwachung nur zulässig, wenn und soweit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

47

(2) Gemäß dem zum 1. September 2009 in Kraft getretenen § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach dessen Begründung für seine Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Nach Abs. 1 Satz 2 der Regelung dürfen zur Aufdeckung von Straftaten personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zu deren Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten am Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

48

dd) Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kassen des Getränkemarkts vom übrigen Verkaufsraum abgegrenzt waren und die verdeckte Videoüberwachung deshalb keinen „öffentlichen Raum“ iSd. § 6b BDSG betraf(zur Problematik Simitis/Scholz BDSG 7. Aufl. § 6b Rn. 51; Bayreuther NZA 2005, 1038). Im Ergebnis kommt es darauf nicht an. Ebenso kann offen bleiben, ob § 32 BDSG auf Überwachungen Anwendung findet, die vor seinem Inkrafttreten bereits beendet waren, und wie der Anwendungsbereich dieser Vorschrift zu dem des § 6b BDSG abzugrenzen ist(dazu ErfK/Franzen 13. Aufl. § 6b BDSG Rn. 2; Simitis/Scholz aaO; Bayreuther DB 2012, 2222). Schließlich kann dahinstehen, ob Videoaufzeichnungen, die nicht von den Erlaubnistatbeständen des BDSG gedeckt sind, ohne Weiteres einem prozessualen Beweisverwertungsverbot unterliegen oder ob es für ein solches Verbot einer weitergehenden Abwägung der betroffenen Grundrechte bedarf, in die freilich die im Bundesdatenschutzgesetz getroffene Interessenabwägung einzubeziehen wäre (dazu Bayreuther DB 2012, 2222, 2225; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 349; Lunk NZA 2009, 457; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13). Die Verwertung des verdeckt gewonnenen Videomaterials allein für den Beweis der Richtigkeit der Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe sich bei der - als solcher unstreitigen - Entnahme von „Klüngelgeld“ „versichernd umgeschaut“, ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zulässig.

49

(1) Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an der Verwertung der Videoaufnahmen und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten. Das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht für sich allein nicht aus (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - BVerfGE 117, 202). Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 29; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36 mwN).

50

(2) Dementsprechend sind Eingriffe in das Recht des Arbeitnehmers am eigenen Bild durch heimliche Videoüberwachung und die Verwertung entsprechender Aufzeichnungen dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (grundlegend BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 30 - beide Male vor Inkrafttreten des § 32 BDSG ). Der Verdacht muss sich in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Er darf sich einerseits nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er muss sich andererseits nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - aaO; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b dd (1) der Gründe, aaO).

51

(3) Das in § 6b Abs. 2 BDSG normierte Kennzeichnungsgebot steht einer Verwertung von Daten, die aus einer verdeckten Videoüberwachung gewonnen wurden, nicht zwingend entgegen(BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 41; Bauer/Schansker NJW 2012, 3537; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13; wohl auch Bayreuther DB 2012, 2222 ff.). Das gegenteilige Normverständnis, das zu einem absoluten, nur durch bereichsspezifische Spezialregelungen (etwa durch § 100c, § 100h StPO)eingeschränkten Verbot verdeckter Videoaufzeichnungen in öffentlich zugänglichen Räumen führte, begegnete mit Blick auf die durch Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Integritätsinteressen des Arbeitgebers verfassungsrechtlichen Bedenken.

52

(4) Die Regelung des § 32 BDSG baut auf den von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätzen auf. Nach der Gesetzesbegründung sollte sie diese nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen (vgl. BT-Drucks. 16/13657, S. 21). Dementsprechend setzt § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG voraus, dass die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten zur Aufdeckung einer Straftat erforderlich ist, und verlangt insoweit eine am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientierte, die Interessen des Arbeitgebers und des Beschäftigten abwägende Einzelfallentscheidung. Diese muss zumindest den schon bisher geltenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer heimlichen Videoüberwachung entsprechen (Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13; Wybitul BB 2010, 2235).

53

(5) Es kann dahinstehen, ob § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG weitergehend verlangt, dass sich der Verdacht auf ein strafbares Verhalten richtet und deshalb auch der Verdacht auf schwere Pflichtverletzungen, ohne dass zugleich ihre Strafbarkeit feststünde, die Beobachtung nicht rechtfertigen könnte. Ebenso kann offenbleiben, ob die Regelung zusätzliche Anforderungen an die personelle Konkretisierung des Verdachts sowie dessen Dokumentation stellt (zweifelnd Bauer/Schansker NJW 2012, 3537, 3539; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13). Hier fehlt es schon an der Erfüllung der bisher geltenden Anforderungen an die Zulässigkeit einer verdeckten Videoüberwachung und der Verwertung des daraus gewonnenen Materials. Damit liegt auch ein gesetzlicher Erlaubnistatbestand nicht vor.

54

(a) Die im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, für die verdeckte Beobachtung des Kassenbereichs habe ein hinreichender Anlass bestanden. Zwar ist - mangels zulässiger Verfahrensrügen der Revision - davon auszugehen, dass im ersten Halbjahr 2009 im Getränkemarkt Leergutdifferenzen iHv. insgesamt 7.081,63 Euro zu verzeichnen waren. Es ist weder dargetan noch festgestellt, durch welche konkreten Maßnahmen die Beklagte ausgeschlossen haben will, dass Leergut nicht etwa aus dem Lager entwendet worden ist. Ihr Vorbringen, sie habe „keine Fehlbestände an Leergut im Lager und im Kassenbereich festgestellt“ bleibt im Allgemeinen haften. Es lässt nicht erkennen, dass sie stichprobenartige Kontrollen ausreichend oft durchgeführt hätte. Überdies macht ihr Vortrag nicht deutlich, ob vergleichbare Fehlbestände schon früher aufgetreten, ob diese ggf. als „auflaufender Posten“ in die Berechnungen des Jahres 2009 eingeflossen sind und wie Fehlbuchungen als mögliche Ursache ausgeschlossen wurden. Selbst wenn die Beklagte die Ursache der Leergutdifferenzen berechtigterweise im Kassenbereich hätte vermuten dürfen, fehlt es an Vortrag und Feststellungen dazu, weshalb die Videoüberwachung das praktisch einzig verbliebene Mittel gewesen sein soll, die Unregelmäßigkeiten aufzuklären oder doch den Verdacht in personeller Hinsicht weiter einzugrenzen. So ist nicht erkennbar, weshalb nicht stichprobenartige Überprüfungen der Menge des an der - einzigen - Leergutkasse abgegebenen Pfandguts und der jeweiligen Kassenabschlüsse zusammen mit Kontrollen der Mitarbeiter beim Verlassen des Arbeitsplatzes geeignete Maßnahmen hätten sein können.

55

(b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt im Übrigen nicht ausreichend, dass der fragliche Kündigungssachverhalt der Beklagten nur „zufällig“ bekannt geworden ist. Auf seine Entdeckung war die heimliche Videoüberwachung nicht gerichtet.

56

(aa) Zwar mögen solche „Zufallsfunde“ - unbeschadet der Regelung in § 6b Abs. 3 BDSG - nicht in jedem Fall deshalb unverwertbar sein, weil sie außerhalb des Beobachtungszwecks liegen(vgl. Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 340; aA wohl Bergwitz NZA 2012, 353, 358). Auch bezogen auf „Zufallserkenntnisse“ muss aber das Beweisinteresse des Arbeitgebers höher zu gewichten sein als das Interesse des Arbeitnehmers an der Achtung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das ist nur anzunehmen, wenn das mittels Videodokumentation zu beweisende Verhalten eine wenn nicht strafbare, so doch schwerwiegende Pflichtverletzung zum Gegenstand hat und die verdeckte Videoüberwachung nicht selbst dann noch unverhältnismäßig ist. Erreicht das in Rede stehende Verhalten diesen Erheblichkeitsgrad nicht, muss die Verwertung des Videomaterials unterbleiben.

57

(bb) So liegt es hier. Zwischen den Parteien ist die Existenz der „Klüngelgeld-Kasse“ ebenso unstreitig wie der Umstand, dass die Klägerin daraus gelegentlich kleinere Geldstücke entnommen hat. Die Beweisaufnahme durch Augenschein sollte allein dem Nachweis dienen, dass sich die Klägerin bei der Geldentnahme „versichernd umgesehen“ hat und deshalb vermutlich Zueignungsabsicht besaß. Das rechtfertigt keine Verwertung der heimlichen Videoaufzeichnungen. Zum einen hat die Beklagte nicht dargelegt, dass die Verwertung erforderlich war, um die Einlassung der Klägerin zum Fehlen ihrer Zueignungsabsicht zu widerlegen. Zum anderen ist die heimliche Videoüberwachung zum Nachweis der Absicht, sich einige Münzen im Wert von Centbeträgen zuzueignen, schlechthin unverhältnismäßig.

58

(cc) Es erscheint nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass das Landesarbeitsgericht im Rahmen einer nochmaligen Beweiswürdigung auch ohne Berücksichtigung des Inhalts der Videoaufzeichnungen zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin habe das fragliche Geld aus der „Klüngelgeld-Kasse“ entnommen, um es für sich zu behalten. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang unter Antritt von Zeugenbeweis vorgetragen, für das Auslösen eines Einkaufswagens mit Hilfe von „Klüngelgeld“ habe keinerlei dienstliches Bedürfnis bestanden. Zum Zweck des Transports der Kasseneinsätze sei stets ein frei zugänglicher Wagen bereitgestellt worden.

59

III. Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegt die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auch hinsichtlich der Zahlungsansprüche, die von der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung abhängen. Wegen der der Klägerin für die Zeit bis zum 31. März 2010 zugesprochenen Vergütungsansprüche hat die Entscheidung dagegen Bestand. Die gegen sie gerichtete Anschlussrevision der Beklagten bleibt auch insoweit ohne Erfolg.

60

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortbestanden. Der für diese Zeit geltend gemachte Vergütungsanspruch folgt aus § 615 Satz 1 BGB, § 13 Abs. 1 Satz 5 KSchG iVm. § 11 Nr. 3 KSchG. Er ist der Höhe nach ebenso unstreitig wie die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung des begehrten Warengutscheins.

61

2. Der entsprechende Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 291 BGB. Sowohl der betreffende Antrag der Klägerin als auch der Tenor des Berufungsurteils sind dahin auszulegen, dass - im Hinblick auf den gesetzlichen Anspruchsübergang - Zinsen nur aus den jeweiligen Bruttobeträgen abzüglich des für den jeweiligen Monat in Anrechnung gebrachten Arbeitslosengelds verlangt bzw. geschuldet sind.

62

IV. Die Zurückverweisung erfasst ferner die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung und auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Beide Anträge verfolgt die Klägerin nur für den Fall des Obsiegens mit ihrem Feststellungsbegehren.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Berger    

        

        

        

    B. Schipp    

        

    Söller    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Oktober 2009 - 11 Sa 511/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 5. Februar 2009 - 1 Ca 1247/08 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen des Möbeleinzelhandels mit mehreren hundert Arbeitnehmern. Die Belegschaft hat einen Betriebsrat gewählt.

3

Der im Jahr 1950 geborene Kläger war seit dem 1. Juli 1976, zuletzt als Einkäufer und Produktmanager bei der Beklagten beschäftigt. Sein monatliches Bruttoeinkommen betrug 6.558,10 Euro.

4

Am 18. Oktober 2007 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung. Sie warf ihm vor, eine Mitarbeiterin mit einem Schlag auf das Gesäß belästigt zu haben.

5

Am 25. und 26. Juni 2008 war der Kläger in einem Betrieb der Beklagten in K eingesetzt. Gegenüber einer 26-jährigen Einkaufsassistentin der Beklagten machte er an diesen Tagen bei vier Gelegenheiten Bemerkungen sexuellen Inhalts. Die Mitarbeiterin meldete die Vorfälle der Beklagten. Diese hörte den Kläger am 4. Juli 2008 zu den Vorwürfen an.

6

Mit Schreiben vom 7. Juli 2008 leitete die Beklagte das Verfahren zur Anhörung des Betriebsrats ein. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung mit Schreiben vom 10. Juli 2008 zu.

7

Mit Schreiben vom 11. Juli 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 28. Februar 2009.

8

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei rechtsunwirksam. Er habe die Mitarbeiterin nicht sexuell belästigt, sondern lediglich „geneckt“. Die Beklagte habe allenfalls mit einer Abmahnung reagieren dürfen. Die ihm zuvor erteilte Abmahnung sei nicht einschlägig. Im Übrigen sei die Anhörung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagte habe den Betriebsrat tendenziös informiert. Insbesondere mit einem Hinweis auf frühere Abmahnungen habe sie in unzulässiger Weise ein negatives Bild von ihm gezeichnet, auch wenn sie zugleich mitgeteilt habe, dass diese früheren Abmahnungen - unstreitig - schon wieder aus seiner Personalakte entfernt worden seien.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose noch durch die fristgerechte Kündigung vom 11. Juli 2008 beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, das Verhalten des Klägers stelle eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG dar. Darauf habe sie mit Blick auf die zuvor erteilte einschlägige Abmahnung von Oktober 2007 mit einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses reagieren dürfen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, es fehle an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung (I.). Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies kann der Senat selbst entscheiden, da die maßgeblichen Tatsachen feststehen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte hat die außerordentliche Kündigung innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt(II.). Die Kündigung ist nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam (III.). Die Klage gegen die nur hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung bleibt damit ebenfalls ohne Erfolg (IV.).

13

I. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 beruht auf einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

14

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21, AP BGB § 626 Nr. 220).

15

2. Das Verhalten des Klägers rechtfertigt „an sich“ eine außerordentliche Kündigung. Er hat eine Mitarbeiterin sexuell belästigt.

16

a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet(vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 6). Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - aaO mwN).

17

b) Der Kläger hat mit den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Äußerungen am 25. und 26. Juni 2008 eine Mitarbeiterin der Beklagten an ihrem Arbeitsplatz wiederholt sexuell belästigt. Gegen die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger keine beachtlichen Verfahrensrügen erhoben. Sie sind damit für den Senat bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO). Die Bewertung des Landesarbeitsgerichts, bei den Bemerkungen des Klägers habe es sich um sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehandelt, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

18

aa) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können danach auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 60; Kamanabrou RdA 2006, 321, 326; Kock MDR 2006, 1088, 1089; v. Roetteken AGG § 3 Rn. 375; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 77).

19

Das jeweilige Verhalten muss bewirken oder bezwecken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Relevant ist entweder das Ergebnis oder die Absicht (Nollert-Borasio/Perreng AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 39). Für das „Bewirken“ genügt der bloße Eintritt der Belästigung. Gegenteilige Absichten oder Vorstellungen der für dieses Ergebnis aufgrund ihres Verhaltens objektiv verantwortlichen Person spielen keine Rolle (v. Roetteken AGG § 3 Rn. 352, 383). Auf vorsätzliches Verhalten kommt es nicht an (ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 3 AGG Rn. 14). Im Vergleich zu § 2 Abs. 2 des mit Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 außer Kraft getretenen Beschäftigtenschutzgesetzes (BSchG) ist der Begriff der sexuellen Belästigung in § 3 Abs. 4 AGG in Umsetzung von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 76/207/EWG vom 9. Februar 1976 (ABl. EG L 39 vom 14. Februar 1976 S. 40) idF der Richtlinie 2002/73/EG vom 23. September 2002 (ABl. EG L 269 vom 5. Oktober 2002 S. 15) weiter gefasst (vgl. Entwurfsbegründung BR-Drucks. 329/06 S. 34; BT-Drucks. 16/1780 S. 33; Nollert-Borasio/Perreng aaO Rn. 36; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 76; v. Roetteken aaO Rn. 375). Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit erfordert - anders als noch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BSchG(vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 6) - nicht mehr, dass die Betroffenen ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht haben (v. Roetteken aaO Rn. 360; ErfK/Schlachter aaO Rn. 12; AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 157; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert aaO Rn. 77a). Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war (v. Roetteken aaO Rn. 360; ErfK/Schlachter aaO; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 41).

20

bb) Danach lässt die Bewertung der Bemerkungen des Klägers als sexuelle Belästigungen durch das Landesarbeitsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.

21

(1) Alle vier Bemerkungen hatten einen sexuellen Inhalt. Mit der ersten Bemerkung gab der Kläger in anzüglicher Weise der Erwartung Ausdruck, die Mitarbeiterin würde für ihn ihre körperlichen Reize zur Schau stellen. In Bezug auf den Zollstock stellte er einen anzüglichen Vergleich an. Beim Mittagessen sprach er die Mitarbeiterin auf ihr Sexualleben an. Schließlich machte er ihr explizit ein anzügliches Angebot.

22

(2) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Unerwünschtheit dieser Bemerkungen objektiv und im Übrigen auch für den Kläger erkennbar gewesen sei. Das hat dieser nicht mit beachtlichen Verfahrensrügen angegriffen.

23

(3) Mit den wiederholten Bemerkungen sexuellen Inhalts hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde der Mitarbeiterin verletzt. Er hat diese an zwei aufeinander folgenden Arbeitstagen gleich mehrfach mit anzüglichen Bemerkungen verbal sexuell belästigt und damit zum Sexualobjekt erniedrigt. Dadurch entstand für die betroffene Mitarbeiterin zudem ein Arbeitsumfeld, in welchem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten seitens des Klägers rechnen musste.

24

(4) Der Kläger hat die sexuelle Belästigung der Mitarbeiterin iSv. § 3 Abs. 4 AGG „bewirkt“. Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten eingeschätzt und empfunden hat oder verstanden wissen wollte.

25

3. Die außerordentliche Kündigung ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt.

26

a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32).

27

aa) Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 227 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30). Auch Unterhaltspflichten und der Familienstand können - je nach Lage des Falls - Bedeutung gewinnen. Sie sind jedenfalls bei der Interessenabwägung nicht generell ausgeschlossen und können berücksichtigt werden (BAG 16. Dezember 2004 - 2 ABR 7/04 - zu B II 3 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 191 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 7). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO).

28

bb) Den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisiert auch § 12 Abs. 3 AGG(vgl. BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - Rn. 68, BAGE 124, 295; noch zu § 4 Abs. 1 BSchG: BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - zu B II 2 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 189 = BGB 2002 § 626 Nr. 6). Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, im Einzelfall die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen jedoch insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet im Sinne der Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 12 Rn. 32; ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 12 AGG Rn. 3).

29

b) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73). Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz daraufhin überprüft, ob es den anzuwendenden Rechtsbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, aaO; 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 219).

30

c) Auch unter Beachtung eines in diesem Sinne eingeschränkten Maßstabs hält die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene einzelfallbezogene Interessenabwägung einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, trotz der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 rechtfertige das Fehlverhalten des Klägers keine negative Prognose, ist rechtsfehlerhaft.

31

aa) Die anzustellende Prognose fällt negativ aus, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden muss, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag in Zukunft erneut und in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Ist der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen schon einmal abgemahnt worden und verletzt er seine vertraglichen Pflichten gleichwohl erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch weiterhin zu Vertragsstörungen kommen ( BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82). Dabei ist nicht erforderlich, dass es sich um identische Pflichtverletzungen handelt (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 40, aaO). Es reicht aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnungs- und Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 41, aaO; 16. Januar 1992 - 2 AZR 412/91 - zu B I 2 b bb der Gründe, EzA BGB § 123 Nr. 36). Entscheidend ist letztlich, ob der Arbeitnehmer aufgrund der Abmahnung erkennen konnte, der Arbeitgeber werde weiteres Fehlverhalten nicht hinnehmen, sondern ggf. mit einer Kündigung reagieren (HaKo-Fiebig 3. Aufl. § 1 Rn. 233; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 281).

32

bb) Nach diesen Grundsätzen bestand zwischen der der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 zugrunde liegenden Pflichtverletzung und den zur Kündigung führenden Pflichtverstößen ein ausreichender innerer Zusammenhang.

33

(1) Der Kläger war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit Schreiben vom 18. Oktober 2007 wegen der Belästigung einer Mitarbeiterin durch einen Schlag auf das Gesäß abgemahnt worden. Die Bewertung dieses Verhaltens als sexuelle Belästigung iSd. § 3 Abs. 4 AGG durch das Landesarbeitsgericht ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei einem Schlag auf das Gesäß handelt es sich um einen Eingriff in die körperliche Intimsphäre, der objektiv als sexuell bestimmt iSv. § 3 Abs. 4 AGG anzusehen ist(vgl. Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 55; v. Roetteken AGG § 3 Rn. 378; AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 153; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 77a; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 45). Auf die Motivation des Klägers kam es nicht an.

34

(2) Mit den zur Kündigung führenden verbalen sexuellen Belästigungen trat eine der körperlichen Belästigung gleichartige Unzuverlässigkeit und Grenzüberschreitung des Klägers zu Tage. Es geht in beiden Fällen um ein die Integrität der Betroffenen missachtendes, erniedrigendes Verhalten. Unerheblich ist, in welcher Form sich die Belästigungen äußerten.

35

(3) Die Warnfunktion der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 war nicht etwa auf körperlich belästigendes Verhalten beschränkt. Die Beklagte hatte zum Ausdruck gebracht, dass sie bei einer erneuten Pflichtverletzung die Kündigung erklären werde. Der Kläger konnte ohne Weiteres erkennen, dass die Beklagte die abermalige Belästigung einer Mitarbeiterin - unabhängig davon, ob diese verbal oder durch körperliche Berührung stattfände - nicht hinnehmen und zum Anlass für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nehmen würde.

36

d) Im Hinblick darauf war der Beklagten bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Weiterbeschäftigung des Klägers auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar. Eine solche Abwägung durch den Senat selbst ist möglich, weil die des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft ist und alle relevanten Tatsachen feststehen.

37

aa) Die Pflichtverletzung des Klägers wiegt schwer. Er hat eine Mitarbeiterin an zwei Arbeitstagen hintereinander mehrmals sexuell belästigt. Verbale Belästigungen bewegen sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht generell in einem „weniger gravierenden Bereich“ des durch § 3 Abs. 4 AGG aufgezeigten Spektrums. Auch die Intensität verbaler Belästigungen kann vielmehr erheblich sein. So liegt es im Streitfall. Der Kläger hat der Mitarbeiterin mit immer neuen Varianten verbaler Anzüglichkeiten zugesetzt. Die Äußerungen fielen bei unterschiedlichsten Gelegenheiten. Es handelte sich nicht etwa um eine einmalige „Entgleisung“. Die Belästigungen erfolgten fortgesetzt und hartnäckig. Der auf eigene körperliche Merkmale anspielende anzügliche Vergleich hatte zudem, ebenso wie das an die Mitarbeiterin gerichtete anzügliche Angebot, bedrängenden Charakter.

38

bb) Der Kläger kann sich nicht auf einen Irrtum über die Unerwünschtheit seiner Verhaltensweise berufen. Sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG erfordern tatbestandlich kein vorsätzliches Verhalten. Zwar wird es zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein, wenn er sich nachvollziehbar in einem solchen Irrtum befand. Der Kläger setzte aber nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Belästigungen trotz einer für ihn erkennbar ablehnenden Haltung der Mitarbeiterin fort.

39

cc) Der nochmalige Ausspruch nur einer Abmahnung war kein der Beklagten zumutbares milderes Mittel. Nachdem sich der Kläger die vorhergegangene Abmahnung nicht zur Warnung hatte gereichen lassen, war davon auszugehen, dass dieses Mittel zukünftige Pflichtverletzungen nicht würde verhindern können. Schon aufgrund der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 musste der Kläger für den Fall der erneuten sexuellen Belästigung mit einer Kündigung rechnen. Auch seine langjährige Betriebszugehörigkeit war angesichts dessen nicht mehr geeignet, Erwartungen in seine künftige Zuverlässigkeit zu begründen. Der Umstand, dass sich der Kläger noch vor Ausspruch der Kündigung bei der betroffenen Mitarbeiterin entschuldigt hatte, rechtfertigt keine andere Bewertung. Der Kläger hatte sich dazu erst nach dem Personalgespräch am 4. Juli 2008 und damit unter dem Eindruck einer bereits drohenden Kündigung entschlossen.

40

dd) Der Beklagten war auch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten. Die Beklagte hatte gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 AGG die Pflicht, ihr weibliches Personal effektiv vor weiteren sexuellen Belästigungen durch den Kläger zu schützen. Dies konnte sie durch den Ausspruch einer nur ordentlichen Kündigung nicht gewährleisten. Für den Lauf der Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonats hätte vielmehr die Gefahr einer Belästigung durch den Kläger - möglicherweise gerade verstärkt durch das absehbare Ende des Arbeitsverhältnisses - fortbestanden. Dessen erst nach dem Personalgespräch erfolgter Entschuldigung kommt auch insoweit kein besonderes Gewicht zu. Trotz seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit und des relativ hohen Alters des Klägers überwog damit das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses dessen Interesse an einer Fortsetzung zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist.

41

II. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam.

42

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15, AP BGB § 626 Nr. 231 = EzA BPersVG § 108 Nr. 5; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).

43

2. Danach hat die Beklagte die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Die Frist begann am 4. Juli 2008 zu laufen. Nach ihrem vom Kläger nicht bestrittenen Vorbringen hatte die Beklagte an diesem Tag erstmals Kenntnis von den Vorwürfen erlangt. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 ist dem Kläger nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten noch an diesem Tag zugegangen.

44

III. Die außerordentliche Kündigung ist nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

45

1. Eine Kündigung ist gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, vor allem seiner Unterrichtungspflicht nach Satz 2 der Vorschrift nicht ausreichend nachgekommen ist. An die Mitteilungspflicht im Anhörungsverfahren sind dabei nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungen des Arbeitgebers im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände und Gründe für die Kündigung unterbreitet hat (BAG 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Dagegen führt eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - aaO).

46

2. Danach hat die Beklagte den Betriebsrat mit ihrem Schreiben vom 7. Juli 2008 ausreichend informiert. Sie hat ihm mit der Schilderung des belästigenden Verhaltens des Klägers am 25. und 26. Juni 2008 die aus ihrer Sicht tragenden Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterbreitet. Darüberhinaus hat sie den Betriebsrat an „die einschlägige Abmahnung vom 18. Oktober 2007 und an die anderen einschlägigen Hinweise und Abmahnungen aus den letzten Jahren (…) erinnert“. Aus ihrer Sicht enthielt dies auch angesichts des Umstands, dass die früheren Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers bereits entfernt waren, keine unrichtige Information.

47

3. Die Beklagte brauchte nicht den Ablauf der Frist von drei Tagen abzuwarten, die dem Betriebsrat gem. § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG zur Stellungnahme eingeräumt ist. Der Arbeitgeber kann eine Kündigung auch schon vor Fristablauf aussprechen, wenn der Betriebsrat erkennbar abschließend zu der Kündigungsabsicht Stellung genommen hat. Das Anhörungsverfahren ist dann beendet (vgl. BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 461/03 - zu B II 2 b bb der Gründe, AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 22 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 9; 15. November 1995 - 2 AZR 974/94 - zu II 2 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 73 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 89). So liegt der Fall hier. Der Betriebsrat hatte mit Schreiben vom 10. Juli 2008, unterzeichnet vom Betriebsratsvorsitzenden, der Kündigung ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt.

48

IV. Da die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 11. Juli 2008 beendet hat, bleibt die Klage gegen die ordentliche Kündigung zum 28. Februar 2009 schon deshalb ohne Erfolg.

49

V. Als unterlegene Partei hat der Kläger gem. § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten von Berufung und Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Rachor    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Dr. Roeckl    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 12. September 2012 - 2 Sa 7/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der 1956 geborene Kläger trat im April 1981 in die Dienste der Bundeswehr. Von Oktober 1993 bis Juni 2005 wurde er als Nachschubhelfer und Kraftfahrer eingesetzt. Zuvor und in der Zeit ab Juli 2005 war er als Gabelstaplerfahrer und Lagerhelfer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Regelungen des TVöD Anwendung.

3

Anfang August 2005 wurde der Kläger der Heeresinstandsetzungslogistik HIL-GmbH (im Folgenden: GmbH) „beigestellt“. Bei der GmbH handelt es sich um ein von der Beklagten und Dritten gemeinsam gegründetes Wirtschaftsunternehmen, das als Kooperationsbetrieb iSv. § 1 BwKoopG aus der Bundeswehr ausgegliederte Aufgaben wahrnimmt. Die Arbeitsabläufe in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers wurden seit der „Beistellung“ durch die GmbH gesteuert, während dieser selbst Arbeitnehmer der Beklagten blieb.

4

Nach einer Tätigkeitsbeschreibung vom Oktober 2007 waren dem Kläger zuletzt die Aufgaben eines Betriebsstoffhelfers zugewiesen. Danach oblagen ihm die Entgegennahme, die Lagerung, Kontrolle und Verausgabung von Betriebsstoff, die Führung entsprechender Bücher, die tägliche Feststellung des Bedarfs an Betriebsstoffen und die Durchführung von Reinigungsarbeiten in den Lagerbereichen.

5

Aufgabe der GmbH war es ua., Dieselkraftstoff aus den Fahrzeugen der Bundeswehr abzupumpen, sofern er starke Verunreinigungen oder Ablagerungen aufwies. Das Dieselöl wurde sodann in Behältnissen gesammelt und durch eine Fremdfirma aufbereitet. Anschließend wurde der gereinigte Kraftstoff zurückgebracht und in den Fahrzeugen wieder verwendet. Auch die bei der Aufarbeitung entstandenen Rückstände wurden zum Betriebsgelände der GmbH zurückgebracht und dort als sog. Abfalldiesel in größeren Behältnissen gesammelt. In gewissen zeitlichen Abständen ließ die GmbH die Rückstände kostenpflichtig durch eine andere Firma fachgerecht und umweltschonend entsorgen.

6

Der Kläger verfiel - laut seiner eigenen Einlassung - auf den Gedanken, ein Kollege könne das Abfallprodukt womöglich mit einer häuslichen Filteranlage zu betriebsfähigem Dieselkraftstoff aufbereiten, um diesen sodann zum Heizen des Hauses oder zum Betanken eines privaten Fahrzeugs zu verwenden. In Absprache mit dem Kläger füllte der Kollege daraufhin mehrfach verunreinigtes Dieselöl in Kanister ab, die er vom Betriebsgelände der GmbH - allein oder gemeinschaftlich mit dem Kläger - abfuhr.

7

Am 7. Juni 2010 wurden das Fahrzeug des Klägers und die Wohnung des Kollegen polizeilich durchsucht. Dabei wurden 91 „Treibstoffkanister“ mit einer Gesamtmenge von 3.640 Litern Diesel beschlagnahmt. Das im Heizungstank des Hauses vorgefundene Dieselöl (ca. 3.000 Liter) wurde dort belassen. Im Fahrzeug des Klägers wurden zusätzlich sechs Plastikkanister sichergestellt, die etwa 180 Liter Dieselkraftstoff enthielten; deren Qualität ist zwischen den Parteien streitig.

8

Am 11. und am 18. Juni 2010 versuchte die Beklagte vergeblich, mit dem Kläger persönlich Kontakt aufzunehmen. In der Zwischenzeit stellte sie ihn „rückwirkend“ zum 8. des Monats von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 18. Juni 2010 gab sie ihm Gelegenheit, sich zu den - von ihr näher beschriebenen - Vorfällen vom 7. Juni 2010 zu äußern. Der Kläger erklärte binnen der ihm bis zum 21. Juni 2010 eingeräumten Frist, er werde einstweilen keine Angaben zur Sache machen.

9

Am 18. Juni 2010 unterrichtete die Beklagte den Personalrat von ihrer Absicht, den Kläger außerordentlich zu kündigen. Sie gab den Inhalt des Protokolls der Beschlagnahme wieder und erklärte, zu ihrer Überzeugung habe sich der Kläger des Diebstahls schuldig gemacht, indem er zusammen mit seinem Kollegen wenigstens 180 Liter Dieselkraftstoff weggenommen und sich rechtswidrig zugeeignet habe. Der Personalrat ließ die Frist zur Äußerung verstreichen.

10

Mit Schreiben vom 24. Juni 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos.

11

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Er habe lediglich Abfalldieselöl an sich genommen bzw. einem Kollegen überlassen. Das Öl sei nicht mehr verwendungsfähig gewesen und habe andernfalls kostenpflichtig entsorgt werden müssen. Darin liege allenfalls eine geringfügige Pflichtverletzung. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt. Der Personalrat der Dienststelle sei nicht ordnungsgemäß über den wahren Kündigungssachverhalt unterrichtet worden. Aufgrund seiner „Beistellung“ habe außerdem der Betriebsrat der GmbH angehört werden müssen.

12

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 24. Juni 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Kündigung sei aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Der Kläger habe sich aus ihren Beständen große Mengen Dieselkraftstoff rechtswidrig zugeeignet. Am 7. Juni 2010 seien auf dem Grundstück des Kollegen mehrere tausend Liter Dieselöl beschlagnahmt worden. Im Keller des Hauses seien mindestens 540 Liter Kraftstoff sichergestellt worden, der zweifelsfrei ihr - der Beklagten - zuzuordnen gewesen sei. Hinzu kämen je 180 Liter Dieselkraftstoff, die in den Fahrzeugen des Klägers und des Kollegen vorgefunden worden seien. Dabei habe es sich nicht um bloßes „Abfalldieselöl“ gehandelt. Im Übrigen liege selbst dann eine erhebliche Pflichtverletzung vor. Der Kläger habe nicht nur beabsichtigt, sich oder seinem Kollegen durch die Entwendung des Kraftstoffs finanzielle Vorteile zu verschaffen. Er habe außerdem die ihm eingeräumte Vertrauensstellung missbraucht. Die Kündigungserklärungsfrist sei eingehalten. Ihre kündigungsberechtigten Mitarbeiter hätten nicht vor dem 10. Juni 2010 von den maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Anhörung des Personalrats sei - ausgehend von ihrem damaligen Kenntnisstand - ordnungsgemäß erfolgt.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Parallel dazu hörte sie - mit Schreiben vom 6. März 2012 - den Personalrat zu ihrer Absicht an, die bereits erklärte Kündigung zusätzlich auf neue Erkenntnisse bezüglich der Menge und der Art des entwendeten Kraftstoffs sowie auf einen Verdacht als Kündigungsgrund zu stützen. Außerdem teilte sie dem Personalrat mit, sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich erneut zu kündigen. Mit Schriftsatz vom 16. April 2012 hat sie den betreffenden Sachverhalt in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt. Der Kläger hat daraufhin „hilfsweise“ beantragt festzustellen, dass die weitere, „eventuell ausgesprochene Kündigung“ das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat; die Beklagte hat beantragt, den Hilfsantrag „zurückzuweisen“.

15

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage „insgesamt abgewiesen“. Mit seiner Revision begehrt der Kläger, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen und sodann nach seinem Hilfsantrag zu erkennen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision ist unbegründet.

17

A. Das prozessuale Vorgehen des Klägers in der Berufungsinstanz war zulässig. Das betrifft insbesondere den dort erstmals angebrachten Feststellungsantrag. Die darin liegende Klageerweiterung ist als - im Streitfall zulässige - Anschlussberufung zu verstehen.

18

I. Dem Kläger stand für eine Erweiterung der Klage im Berufungsrechtszug nur der Weg der Anschlussberufung zur Verfügung (bspw. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 11). Als solche ist die Klageerweiterung zu behandeln. Einer Beschwer durch das erstinstanzliche Urteil bedarf es für die Anschlussberufung nicht (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - aaO; 10. Februar 2009 - 3 AZR 728/07 - Rn. 11).

19

II. Die Anschlussberufung ist gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG binnen der dem Kläger nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG verlängerten Berufungsbeantwortungsfrist beim Landesarbeitsgericht eingegangen(zu dieser Voraussetzung im Einzelnen BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 12). Sie ist auch im Übrigen zulässig.

20

B. Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden. Der auf die fristlose Kündigung vom 24. Juni 2010 bezogene Feststellungsantrag ist unbegründet. Die Kündigung ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Über die weitergehenden (unechten) Hilfsanträge war nicht mehr zu entscheiden. Dies hat bei richtigem Verständnis schon das Landesarbeitsgericht nicht getan.

21

I. Die Kündigung vom 24. Juni 2010 ist gemäß § 34 Abs. 2 TVöD iVm. § 626 BGB aus wichtigem Grund gerechtfertigt.

22

1. Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD konnte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers, der im Kündigungszeitpunkt das 40. Lebensjahr vollendet hatte und länger als 15 Jahre bei ihr beschäftigt war, nur aus einem wichtigen Grund kündigen. Auf die tarifliche Besitzstandsregelung in § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD kommt es im Streitfall nicht an.

23

2. Mit dem Begriff „wichtiger Grund“ knüpft die tarifvertragliche Bestimmung an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an, deren Verständnis deshalb auch für die Auslegung der Tarifnorm maßgebend ist(BAG 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12, BAGE 132, 299; 27. November 2003 - 2 AZR 601/02 - zu B I 5 der Gründe mwN). Aufgrund der Bezugnahme gilt zugleich § 626 Abs. 2 BGB. Danach kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen erklärt werden (BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 31; 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12 mwN, aaO).

24

3. Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB sind erfüllt.

25

a) Gemäß dieser Vorschrift kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15 mwN, BAGE 146, 303).

26

b) Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet sein (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 29, BAGE 137, 54). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19 mwN).

27

c) Begeht ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Dies gilt auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Gegenstände von geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 18; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 26, BAGE 134, 349). Maßgebend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 17, BAGE 142, 176).

28

d) Im Streitfall liegt eine in diesem Sinne erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor.

29

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe im Frühjahr 2010 gemeinschaftlich mit seinem Kollegen mehrere hundert Liter Abfalldieselöl ohne Erlaubnis vom Betriebsgelände der GmbH entfernt, um es zu filtern und anschließend nach Möglichkeit selbst weiterzuverwenden oder an einen interessierten Dritten abzugeben. 180 Liter des verunreinigten Kraftstoffs - sechs Kanister - seien in seinem eigenen Fahrzeug vorgefunden worden. Diese Feststellungen greift der Kläger nicht an.

30

bb) Danach hat der Kläger seine Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich und schuldhaft verletzt. Dafür kommt es nicht darauf an, ob das Abfalldieselöl im Eigentum der Beklagten oder der GmbH stand und ob das in Rede stehende Verhalten einen Straftatbestand erfüllt.

31

(1) Dem Kläger war - unter Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten - dauerhaft eine Tätigkeit bei der GmbH zugewiesen worden. Im Rahmen dieser Personalgestellung musste er die Vermögensinteressen der GmbH in gleicher Weise wahren wie diejenigen der Beklagten. Im Übrigen lief die unberechtigte Wegnahme des Kraftstoffs in Anbetracht ihrer Beteiligung an der GmbH unmittelbar den Vermögensinteressen der Beklagten zuwider, mag diese auch - wie vom Kläger behauptet - nicht die Mehrheit der Anteile gehalten haben. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe die Eigentumsverhältnisse an dem in Rede stehenden Kraftstoff nicht hinreichend aufgeklärt, geht damit ins Leere.

32

(2) Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen des Klägers, ihm habe das Unrechtsbewusstsein gefehlt, als Schutzbehauptung gewertet und eine vorsätzliche Verletzung seiner vertraglichen Nebenpflicht angenommen. Diese Würdigung liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Tatsachengericht von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und keine Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt hat (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 16; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 21). Einen solchen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Er ist auch nicht offensichtlich. Der Kläger konnte angesichts der gesonderten Aufbewahrung des Abfalldieselöls auf dem Betriebsgelände der GmbH und der Beauftragung einer darauf spezialisierten Drittfirma nicht im Zweifel darüber sein, dass der Beklagten an dessen fachgerechter Entsorgung gelegen war. Er musste wissen, dass er sich Kraftstoff - welcher Qualität auch immer - nicht ohne ausdrückliche Einwilligung der hierfür zuständigen Mitarbeiter aneignen durfte. Seiner eigenen Einlassung zufolge hat er das Abfalldieselöl auch nicht für wirtschaftlich wertlos erachtet. Beides reichte aus, um für ihn auch subjektiv eine Erlaubnis zur Mitnahme auszuschließen.

33

e) Die Kündigung ist bei Beachtung der Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt.

34

aa) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 17, BAGE 146, 303; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27). Auch bei der fristlosen Kündigung eines tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses muss die Vertrauensgrundlage so schwer gestört sein, dass jede weitere Zusammenarbeit für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Eine außerordentliche fristlose Kündigung ist gerechtfertigt, wenn es dem Arbeitgeber nicht zumutbar war, den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der „fiktiven“ Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 827/06 - Rn. 37; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 44; vgl. auch BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 20).

35

bb) Danach hat das Landesarbeitsgericht den ihm im Rahmen der Interessenabwägung zukommenden Beurteilungsspielraum (dazu BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 35 mwN) nicht verletzt. Es hat alle wesentlichen Aspekte des Falls berücksichtigt und die beiderseitigen Interessen vertretbar abgewogen.

36

(1) Der Kläger hat seine Stellung als Betriebsstoffhelfer zu einer Verletzung des Eigentums entweder der Beklagten oder des Kooperationsunternehmens missbraucht. In beiden Fällen liegt ein schwerwiegender Vertrauensbruch vor. Der Kläger war im Rahmen des ihm zugewiesenen Aufgabenbereichs dafür verantwortlich, dass Betriebsstoffe nur an Berechtigte ausgegeben würden. Er hatte dies entsprechend zu dokumentieren. Stattdessen hat er sich bewusst und ohne Rücksprache mit seinen Vorgesetzten zumindest Abfalldieselöl in erheblicher Menge in der Absicht angeeignet, sich oder seinem Kollegen auf diese Weise wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Unerheblich ist, ob er in der Annahme gehandelt hat, er bewahre die Beklagte vor eigenen Aufwendungen. Die Interessen der Beklagten und ihres Kooperationsunternehmens waren erkennbar darauf gerichtet, das verunreinigte und für die Umwelt nicht ungefährliche Abfalldieselöl auf dem Betriebsgelände zwischenzulagern, um es anschließend fachgerecht entsorgen zu lassen.

37

(2) Die Pflichtverletzung ist von solchem Gewicht, dass ihre Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen war (zu diesem Maßstab vgl. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 20; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16). Die nahezu 30-jährige, ohne Beanstandungen gebliebene Betriebszugehörigkeit des Klägers und der - zu seinen Gunsten unterstellt - allenfalls geringfügige Verkehrswert des entwendeten Kraftstoffs führen zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger hat seine Vertragspflichten wiederholt verletzt. Er hat aus purem Eigennutz in erheblichem Umfang Stoffe, von denen Gefahren für die Umwelt ausgehen können, einer durch die Verantwortlichen vorgesehenen fachgerechten Entsorgung entzogen. Dies brauchte die Beklagte - auch ohne vorherige Abmahnung - nicht hinzunehmen.

38

4. Die Beklagte hat die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

39

a) Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Bestimmung mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die sachgerechte Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände (BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54).

40

b) Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 14; 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27). Dabei kommt es nicht darauf an, ob er ggf. eine Kündigung wegen erwiesener Tat oder wegen eines zumindest erdrückenden Verdachts zu erklären beabsichtigt. Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - zu II 1 der Gründe, BAGE 73, 42). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf in der Regel nicht mehr als eine Woche betragen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54). Bei Vorliegen besonderer Umstände kann sie überschritten werden (BAG 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 24, BAGE 117, 168). Unerheblich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder nicht (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO; 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - aaO). Gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Stellungnahme, so gereicht ihm dies hinsichtlich des Beginns der zweiwöchigen Ausschlussfrist deshalb auch dann nicht zum Nachteil, wenn der Arbeitnehmer innerhalb angemessener Überlegungszeit keine Erklärung abgibt oder seine Stellungnahme rückblickend zur Feststellung des Sachverhalts nichts beiträgt (BAG 27. Januar 1972 - 2 AZR 157/71 - zu 3 der Gründe, BAGE 24, 99). Das bedeutet zugleich, dass der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub iSv. § 626 Abs. 2 BGB nicht nachträglich entfällt, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme zum Anlass nimmt, nunmehr auf die Anhörung des Arbeitnehmers zu verzichten(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO).

41

c) Danach hat die Beklagte die Kündigung iSv. § 626 Abs. 2 BGB rechtzeitig erklärt.

42

aa) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, den kündigungsberechtigten Mitarbeitern der Beklagten seien die Vorfälle vom 7. Juni 2010 nicht vor dem 10. Juni 2010 bekannt geworden. Mit dem Zugang der fristlosen Kündigung am 24. Juni 2010 ist die Zwei-Wochen-Frist gewahrt.

43

bb) Die Kündigung wäre selbst dann fristgerecht erfolgt, wenn die Kündigungsberechtigten von dem Geschehen bereits am 7. Juni 2010 Kenntnis erlangt hätten. Die Beklagte durfte es für erforderlich halten, den Kläger zum Kündigungssachverhalt anzuhören. Es war nicht auszuschließen, dass sich aus seiner Äußerung weitere, etwa ihn entlastende Umstände ergeben würden. Eine Verzögerung bei der Anhörung ist der Beklagten nicht anzulasten. Bereits am 11. Juni 2010 hat sie versucht, den Kläger telefonisch zu kontaktieren. Nachdem dieser und ein weiterer Versuch, ihn persönlich anzusprechen, erfolglos blieben, hat sie ihm - zeitnah - Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben und seine Äußerung abgewartet. Ebenso wenig handelte die Beklagte willkürlich, als sie die Kündigung schon am 24. Juni 2010 erklärte. Der Kläger hatte nicht etwa um eine Verlängerung der Äußerungsfrist gebeten.

44

cc) Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass er bereits ab dem 8. Juni 2010 freigestellt worden sei, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - mangels Entscheidungserheblichkeit unbegründet. Selbst wenn die Freistellung einen Hinweis auf die Kenntnis einschlägiger Tatsachen gäbe, führte dies nicht dazu, dass die Beklagte die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt hätte.

45

II. Die Kündigung vom 24. Juni 2010 ist nicht deshalb unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden wäre (§ 79 Abs. 4 BPersVG). Der Kündigungssachverhalt, wie er der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zugrunde liegt, hatte sich gegenüber dem der Personalvertretung mitgeteilten Geschehen auch nicht in einer Weise verändert, dass er nur nach erneuter Anhörung des Personalrats prozessual verwertbar gewesen wäre.

46

1. Nach § 79 Abs. 3 BPersVG ist der Personalrat vor außerordentlichen Kündigungen anzuhören. Der Dienststellenleiter hat die beabsichtigte Maßnahme zu begründen. Hat der Personalrat Bedenken, so hat er sie unter Angabe der Gründe dem Dienstellenleiter unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen, schriftlich mitzuteilen. Nach § 79 Abs. 4 BPersVG ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Diese Rechtsfolge tritt auch bei nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats ein (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 45; 12. März 2009 - 2 AZR 251/07 - Rn. 36). Zu dieser Beteiligung gehört insbesondere die hinreichende Unterrichtung des Gremiums. Der Personalrat ist ordnungsgemäß unterrichtet worden, wenn der Arbeitgeber die für ihn subjektiv tragenden Gründe, auf denen sein Kündigungsentschluss beruht, mitgeteilt hat (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 57; für die ordentliche Kündigung bspw. BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 22). Darauf, ob diese Umstände auch objektiv geeignet und ausreichend sind, die Kündigung zu stützen, kommt es für die Ordnungsgemäßheit der Unterrichtung nicht an (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 46). Fehlerhaft ist die Unterrichtung, wenn der Dienstherr dem Personalrat bewusst und gewollt unrichtige oder unvollständige Sachverhalte unterbreitet hat (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - aaO).

47

2. Die Parteien streiten nicht darüber, dass die Beklagte das Mitbestimmungsverfahren gegenüber dem zuständigen örtlichen Personalrat formell ordnungsgemäß eingeleitet und die zu beachtenden Fristen gewahrt hat. Ein Rechtsfehler ist insoweit nicht zu erkennen.

48

3. Die Beklagte hat den Personalrat nicht bewusst irreführend über das Ausmaß der Pflichtverletzung unterrichtet, soweit sie ihm mitgeteilt hat, der Kläger habe „wenigstens 180 Liter Dieselkraftstoff“ entwendet. Auf die genaue Menge und die Qualität des Diesels, dh. ob es sich um verunreinigte und nicht mehr gebrauchsfähige Kraftstoffreste oder um bessere Qualität handelte, kam es ihr - soweit sie hiervon im Kündigungszeitpunkt überhaupt konkrete Kenntnis hatte - ersichtlich nicht an. Es handelt sich zudem um Umstände, die für den Kern des mitgeteilten Vorwurfs, der Kläger habe vom Betriebsgelände der GmbH eine erhebliche Menge von Dieselkraftstoff widerrechtlich entwendet, nicht entscheidend sind. In einem solchen Fall ist es unschädlich, wenn sich der dem Personalrat mitgeteilte Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess nicht in seiner Gesamtheit bestätigt (vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 34).

49

4. Der Kläger erhebt keine zulässige Verfahrensrüge, soweit er geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe eine gebotene Zeugenvernehmung zum „Informationsumfang und Informationsinhalt bei der Anhörung“ unterlassen. Es fehlt an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des unter Beweis gestellten Vorbringens (vgl. dazu BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 1005/12 - Rn. 28 mwN).

50

III. Die Kündigung ist nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass im Kündigungszeitpunkt im maßgebenden Betrieb der GmbH ein Betriebsrat gewählt war. Dieser war auch mit Blick auf die Gestellung des Klägers nicht zur Kündigung anzuhören. Das ergibt die Auslegung von §§ 1, 6 Abs. 1 und Abs. 3 BwKoopG.

51

1. Nach § 1 BwKoopG gilt dieses Gesetz ua. für Angestellte des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung, soweit und solange ihnen unter Beibehaltung ihres Dienst- oder Arbeitsverhältnisses zum Bund eine Tätigkeit in einem Wirtschaftsunternehmen zugewiesen wurde, mit dem die Bundeswehr eine Kooperation eingegangen ist. Die GmbH ist ein solches Kooperationsunternehmen. Die ihr zugewiesenen oder gestellten Arbeitnehmer, zu denen der Kläger zählt, gelten daher nach § 6 Abs. 1 BwKoopG ua. für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes als ihre Arbeitnehmer. Die Regelung in § 6 Abs. 3 BwKoopG sichert die Erfüllung der Verpflichtungen des Kooperationsbetriebs aus den in § 6 Abs. 1 BwKoopG genannten Gesetzen, ua. aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Grundsätzlich obliegt es dem Kooperationsbetrieb, die Verpflichtungen zu erfüllen. Scheitert dies allerdings daran, dass der Beschäftigte nicht in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zum Kooperationsunternehmen steht, hat die betreffende Dienststelle dafür einzustehen (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 33, BAGE 138, 25).

52

2. Die Regelungen in § 6 Abs. 1, Abs. 3 BwKoopG tragen dem Umstand Rechnung, dass das Personal der Bundeswehr langfristig in dem privatrechtlich organisierten Betrieb eines Kooperationspartners eingesetzt und dort in die Arbeitsabläufe eingegliedert wird. Mit Blick auf diese faktische Eingliederung soll für den Bereich der betrieblichen Interessenvertretung eine Gleichstellung mit den Arbeitnehmern des Kooperationsbetriebs erreicht werden (vgl. BT-Drs. 15/2944 S. 9), die sich nicht nur darin erschöpft, dass den Betroffenen das aktive und passive Wahlrecht im Kooperationsbetrieb zugestanden wird (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 36, BAGE 138, 25). Gleichwohl bedeutet die grundsätzliche Einbeziehung zugewiesener oder gestellter Arbeitnehmer in die Betriebsverfassung nicht zwingend, dass dem Betriebsrat des Kooperationsbetriebs für diese Personengruppen uneingeschränkt die Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes zukommen. Bestand und Umfang der betrieblichen Mitbestimmung richten sich vielmehr nach dem Gegenstand und Zweck des jeweiligen Mitbestimmungsrechts und der darauf bezogenen Entscheidungsmacht (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 41, aaO; 9. Juni 2011 - 6 AZR 132/10 - Rn. 32, BAGE 138, 116; zum Gegenstandsbezug siehe auch BAG 19. Juni 2001 - 1 ABR 43/00 - zu B II 4 und 5 der Gründe, BAGE 98, 60).

53

3. Das Anhörungsrecht des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG zielt - ebenso wie die Anhörung des Personalrats zur Kündigung nach § 79 Abs. 3 BPersVG - nicht darauf ab, die Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu überprüfen. Es beschränkt sich vielmehr darauf, dem Betriebsrat im Vorfeld der Kündigung die Möglichkeit zu geben, auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen (für § 102 BetrVG vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 76, BAGE 144, 125; 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - zu II 2 der Gründe, BAGE 78, 39). Da im Fall der Kündigung von gestellten Arbeitnehmern der Kündigungsentschluss nicht durch den Inhaber des Kooperationsbetriebs gefasst und umgesetzt wird, sondern die Entscheidung typischerweise beim öffentlichen (Vertrags-)Arbeitgeber liegt, macht eine Beteiligung des Betriebsrats des Kooperationsbetriebs insoweit keinen Sinn (Altvater/Altvater 8. Aufl. § 6 BwKoopG Rn. 4; Tiling öAT 2013, 139, 140; für die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG: BAG 9. Juni 2011 - 6 AZR 132/10 - Rn. 32, BAGE 138, 116; ebenso: APS/Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 8a; Fitting BetrVG 27. Aufl. § 5 Rn. 319, § 102 Rn. 20d; Raab in GK-BetrVG § 5 Rn. 78). Eine Verdoppelung der Beteiligungsverfahren mit womöglich gegenläufigen Voten der beiden Arbeitnehmervertretungen wäre mangels Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers des Beschäftigungsbetriebs nicht geeignet, die Lage des betroffenen Arbeitnehmers relevant zu verbessern (Tiling aaO). Soweit der Personalrat aus seiner Sicht nicht über die erforderliche Sachverhaltskenntnis verfügt, um anhand der Mitteilungen des öffentlichen Arbeitgebers ein vollständiges Bild vom behaupteten Kündigungsgrund zu gewinnen, steht es ihm frei, dazu weitere Erkundigungen einzuholen und etwa den Arbeitnehmer anzuhören.

54

4. Nach diesen Grundsätzen war eine Beteiligung des Betriebsrats der GmbH nicht geboten. Die in Rede stehende außerordentliche fristlose Kündigung betrifft das zur Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass die Kündigungsbefugnis allein bei ihr lag. Daran vermag auch eine größere Sachnähe des Betriebsrats des Kooperationsbetriebs nichts zu ändern. Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn die Ausübung des Kündigungsrechts durch den öffentlichen Arbeitgeber an das Einverständnis des Inhabers des Kooperationsbetriebs geknüpft wäre (dazu Fitting BetrVG 27. Aufl. § 102 Rn. 20d; Tiling öAT 2013, 139, 140), kann dahinstehen. Für einen solchen Sachverhalt fehlt es an Anhaltspunkten. Ebenso wenig hat der Kläger behauptet, die Beklagte und ihr Kooperationsunternehmen hätten den Betrieb gemeinsam geführt.

55

IV. Die Kündigung ist nicht gemäß § 174 Satz 1 BGB oder wegen eines Mangels in der Vertretungsmacht nach § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe seinen Vortrag zur „Frage der Kündigungsbefugnis“ übergangen, ist unzulässig. Soweit das Vorbringen auf eine Unwirksamkeit der Kündigung nach § 174 Satz 1 BGB abzielt, lassen die Ausführungen in der Revisionsbegründung nicht erkennen, dass der Kläger die Kündigung unverzüglich mangels Vorlage eines Vollmachtnachweises zurückgewiesen hätte(zu den Anforderungen an die Zurückweisung vgl. BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 354/10 - Rn. 33 mwN, BAGE 140, 64). Auf die Berechtigung einer entsprechenden Zurückweisung kommt es demzufolge nicht an. Soweit der Kläger geltend machen will, das Landesarbeitsgericht habe außer Acht gelassen, dass er die Kündigungsbefugnis des „die Kündigung unterschreibenden Mitarbeiters“ bestritten habe, zeigt er die Entscheidungserheblichkeit des vermeintlich übergangenen Vortrags nicht auf. Das gilt insbesondere angesichts der Möglichkeit einer konkludenten Genehmigung der Kündigung durch die Beklagte (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 13), von der das Landesarbeitsgericht stillschweigend ausgegangen sein dürfte.

56

V. Da die Kündigung somit bereits wegen erwiesener Tat wirksam ist, kann dahinstehen, ob der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zu folgen wäre, die Beklagte könne sich auf den Verdacht, der Kläger habe wesentlich größere Mengen Diesel und in der Qualität höherwertigen Kraftstoff vom Betriebsgelände der GmbH rechtswidrig entwendet, deshalb nicht berufen, weil die Voraussetzungen für das Nachschieben eines solchen Kündigungsgrundes nicht vorgelegen hätten.

57

VI. Der Feststellungsantrag des Klägers betreffend die weitere Kündigung ist als unechter Hilfsantrag zu verstehen. Er ist nur für den Fall gestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht bereits durch die vorausgegangene fristlose Kündigung sein Ende gefunden hat. Gleiches gilt für den Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung. Über beide Anträge war dementsprechend nicht zu entscheiden. Auch das Landesarbeitsgericht hat das Begehren des Klägers nicht anders verstanden. Es hat den Weiterbeschäftigungsantrag nicht auch in der Sache abschlägig beschieden, soweit es das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage „insgesamt abgewiesen“ hat. Es hat damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der stattgebenden Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag wegen der Erfolglosigkeit des Feststellungsantrags die Grundlage entzogen war. Die Anschlussberufung des Klägers ist damit gleichermaßen gegenstandslos.

58

VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Bartz    

        

    Alex    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 17. Februar 2012 - 4 Sa 519/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war bei dem Beklagten - einer bayerischen Gemeinde - seit 1998 als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Er hatte die Funktion des Leiters der EDV inne. Auf sein Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung. Laut Arbeitsvertrag war er zunächst in Vergütungsgruppe IV b der Anlage 1a zum BAT eingruppiert.

3

Im Juni 2009 hörte der Beklagte den Kläger erstmals zu einem Verdacht auf Arbeitszeitmanipulation an. Am 29. Juni 2009 beschloss der Gemeinderat, dem Kläger den Abschluss eines Aufhebungsvertrags anzubieten. Da der Kläger das Angebot nicht annahm, führte der Beklagte weitere Ermittlungen durch. Zu deren Ergebnissen wurde der Kläger am 11. November 2009 angehört. Er nahm am 19. November 2009 zu den Vorwürfen Stellung.

4

Auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung des Gemeinderats des Beklagten am 2. Dezember 2009 hieß es unter Punkt 3.3:

        

„[Name des Klägers]: Beratung und ggf. Beschlussfassung über arbeitsrechtliche Konsequenzen.“

5

Am Sitzungstag beschloss der Gemeinderat gegen Mitternacht, die Beratung und Beschlussfassung über die den Kläger betreffende Angelegenheit auf den 8. Dezember 2009 zu vertagen. In dieser Sitzung informierte der erste Bürgermeister den Gemeinderat über die nach Abschluss der Ermittlungen gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe. Der Gemeinderat beschloss daraufhin, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich zu kündigen.

6

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 hörte der erste Bürgermeister den Personalrat unter Schilderung der Vorwürfe zu dieser Absicht an. Der Personalrat verweigerte mit Schreiben vom 17. Dezember 2009 die Zustimmung. Er rügte, dass er nicht vor der endgültigen Entscheidung des Gemeinderats beteiligt worden sei, und vertrat die Auffassung, die vom Beklagten vorgetragenen Gründe seien nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Es beständen zudem „erhebliche rechtliche Bedenken am Zeitpunkt“ des Kündigungsausspruchs.

7

Am 18. Dezember 2009 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos.

8

Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Er habe seine Arbeitszeit stets korrekt erfasst. Zudem sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden. Der Beklagte habe schon die Ermittlungen zu zögerlich durchgeführt. Spätestens am 2. Dezember 2009 aber sei die Frist in Lauf gesetzt worden, weil die Angelegenheit an diesem Tag sogar auf der Tagesordnung gestanden habe. Auch sei die Beteiligung des Personalrats nicht ordnungsgemäß erfolgt. Sie hätte vor und nicht erst nach einer endgültigen Beschlussfassung des Gemeinderats durchgeführt werden müssen.

9

Der Kläger hat, soweit für die Revision von Belang, beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 18. Dezember 2009 nicht beendet worden ist.

10

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat behauptet, der Kläger habe im Zeitraum von August 2008 bis Mai 2009 in mindestens zwölf Fällen etwa zehn bis fünfzehn Minuten vor dem Betreten des Dienstgebäudes telefonische „Kommt-Buchungen“ vorgenommen und dadurch die Erfassung seiner Arbeitszeit manipuliert. Um den im Juni 2009 entstandenen Anfangsverdacht belegen zu können, habe es umfangreicher Ermittlungen bedurft, welche erst im November 2009 abgeschlossen gewesen seien. Die Angelegenheit sei sodann auf die Tagesordnung der nächsten Gemeinderatssitzung gesetzt worden. Um Mitternacht sei es für keinen der Beteiligten mehr zumutbar gewesen, auch die Angelegenheit des Klägers noch zu behandeln. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Erst nachdem seine Stellungnahme vorgelegen habe, habe der erste Bürgermeister die Kündigung ausgesprochen.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung nicht als unwirksam ansehen. Seine Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Sache war an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden. Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).

13

I. Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil der erste Bürgermeister des Beklagten den Kündigungsbeschluss nicht selbst gefasst, sondern einen Beschluss des Gemeinderats ausgeführt hat. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Gemeinderat gem. Art. 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayGO für den Ausspruch der Kündigung zuständig war. Der Kläger gehört als ursprünglich in Vergütungsgruppe IV b der Anlage 1a zum BAT eingruppierter Arbeitnehmer mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zur Gruppe der „Arbeitnehmer ab Entgeltgruppe 9 TVöD“ iSd. Vorschrift.

14

II. Die Kündigung ist nicht wegen unzureichender Anhörung des Personalrats unwirksam (Art. 77 Abs. 3, Abs. 4 BayPVG). Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts musste diese gem. Art. 77 Abs. 3 BayPVG zwar vor Ausspruch der Kündigung, nicht aber entsprechend Art. 70 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 BayPVG schon vor dem endgültigen Kündigungsentschluss des Gemeinderats erfolgen. Es kann deshalb dahinstehen, ob ein Verstoß gegen diese Vorschrift zur Fehlerhaftigkeit der Personalratsanhörung und Unwirksamkeit der Kündigung führen würde.

15

1. Gem. Art. 77 Abs. 3 BayPVG ist der Personalrat vor dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung anzuhören. Der Dienststellenleiter hat die beabsichtigte Maßnahme zu begründen. Hat der Personalrat Bedenken, hat er sie unter Angabe der Gründe dem Dienststellenleiter unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen schriftlich mitzuteilen.

16

2. Eine bestimmte zeitliche Reihenfolge von Anhörung des Personalrats und Beschlussfassung des Gemeinderats ist gesetzlich nicht vorgesehen.

17

a) Allerdings soll nach Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG bei Gemeinden die Mitbestimmung erfolgen, bevor das zuständige Organ endgültig entscheidet. Der Beschluss des Personalrats ist dem zuständigen Organ zur Kenntnis zu bringen. Diese Regelung gilt gem. Art. 72 Abs. 1 Satz 3 BayPVG entsprechend für Maßnahmen, an denen der Personalrat - wie bei der ordentlichen Kündigung(Art. 77 Abs. 1 Satz 1 BayPVG) - mitwirkt.

18

b) Dagegen wird für das in Art. 77 Abs. 3 BayPVG geregelte Verfahren der Anhörung vor außerordentlichen Kündigungen nicht auf die Bestimmung des Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG verwiesen. Die Notwendigkeit einer Anhörung des Personalrats vor der Beschlussfassung des Gemeinderats lässt sich deshalb - anders als offenbar das Landesarbeitsgericht angenommen hat - nicht unmittelbar aus einer gesetzlich gebotenen Anwendung von Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG ableiten.

19

c) Für eine analoge Anwendung der in Fällen der Mitwirkung des Personalrats geltenden Verweisungsregelung des Art. 72 Abs. 1 Satz 3 BayPVG auf die Fälle der Anhörung des Personalrats iSv. Art. 75 Abs. 3 BayPVG ist kein Raum.

20

aa) Auch wenn der Wortsinn des Gesetzes die Grenze der Auslegung markiert, ist er für die Rechtsanwendung durch die Gerichte keine unübersteigbare Grenze. Der Richter hat nicht zwingend am Wortsinn einer Norm haltzumachen (BVerfG 14. Februar 1973 - 1 BvR 112/65 - zu C IV 1 der Gründe, BVerfGE 34, 269). Sowohl seitens der Methodenlehre als auch von Verfassungs wegen kann es für ihn wegen der Bindung an Gesetz „und Recht“ nach Art. 20 Abs. 3 GG geboten sein, das vom Gesetz Gewollte gegen das im Gesetz Gesagte zur Geltung zu bringen. Zur wortsinnübersteigenden Gesetzesanwendung durch Analogie oder wortsinnunterschreitenden Nichtanwendung des Gesetzes durch teleologische Reduktion bedarf es dabei einer besonderen Legitimation. Analoge Gesetzesanwendung setzt voraus, dass der gesetzessprachlich nicht erfasste, dh. gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt, wie die gesetzessprachlich erfassten Fälle. Teleologische Reduktion setzt umgekehrt voraus, dass der gesetzessprachlich erfasste, dh. der gesetzlich in bestimmter Weise geregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes nach einer anderen Entscheidung verlangt als die übrigen geregelten Fälle, um Wertungswidersprüche zu vermeiden (BAG 14. Februar 2007 - 7 ABR 26/06 - Rn. 55, BAGE 121, 212; 29. September 2004 - 1 ABR 39/03 - zu B III 2 b der Gründe, BAGE 112, 100).

21

bb) Hier ist eine analoge Anwendung von Art. 72 Abs. 1 Satz 3, Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG auf die Fälle der Anhörung des Personalrats nach Art. 75 Abs. 3 BayPVG nicht geboten. Die Sachverhalte von Mitbestimmung/Mitwirkung auf der einen und bloßer Anhörung des Personalrats auf der anderen Seite sind zu verschieden, als dass sie nach einer gleichen Ausgestaltung des Beteiligungsverfahrens verlangten. In den Fällen der Mitbestimmung und der Mitwirkung sehen Art. 70 bzw. Art. 72 BayPVG mehrstufige Verständigungsverfahren zwischen Dienststellenleiter und Personalrat vor, wenn dieser der beabsichtigten Maßnahme seine Zustimmung versagt bzw. Einwendungen gegen sie erhebt. Der Dienststellenleiter kann die beabsichtigte Maßnahme nicht wirksam durchführen, wenn er das betreffende weitere Verfahren nicht einhält. Bei seiner endgültigen Entscheidung soll das zuständige Gemeindeorgan deshalb mögliche Verweigerungsgründe bzw. Einwendungen des Personalrats kennen, um angesichts ihrer beurteilen zu können, ob es an der beabsichtigten Maßnahme trotz ihrer zumindest vorläufigen Undurchführbarkeit und der Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens nach Art. 70 bzw. Art. 72 BayPVG festhalten will. Diese wegen Art. 77 Abs. 1 BayPVG für die ordentliche Kündigung gegebene Situation liegt bei außerordentlichen Kündigungen nicht vor. Auch wenn der Personalrat im Rahmen der Anhörung nach Art. 77 Abs. 3 BayPVG Bedenken gegen die beabsichtigte Kündigung erhebt, ist der Dienststellenleiter nicht gehalten, vor Ausspruch der Kündigung das Verfahren nach Art. 72 Abs. 3, Abs. 4 BayPVG einzuhalten. Er kann die Kündigung vielmehr - wie der Arbeitgeber nach § 102 BetrVG - trotz der Bedenken des Personalrats erklären, ohne weitere verfahrensrechtliche Vorgaben beachten zu müssen. Damit wiederum verlangen Gleichheitssatz und gesetzliche Wertungskonsistenz nicht danach, Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG über das geschriebene Gesetz hinaus auf die Fälle einer Anhörung des Personalrats nach Art. 77 Abs. 3 BayPVG entsprechend anzuwenden.

22

cc) Eine analoge Anwendung ist auch nicht deshalb geboten, weil nur so Sinn und Zweck einer Anhörung des Personalrats gewahrt und erreicht werden könnten. Zwar soll die Anhörung den Arbeitgeber dazu veranlassen, eine geplante Kündigung zu überdenken, sich mit den Argumenten des Personalrats auseinanderzusetzen und ggf. von der Kündigung Abstand zu nehmen (vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4; zu § 102 BetrVG KR/Etzel 10. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 8). Dieser Zweck wird jedoch auch dann nicht verfehlt, wenn dem Gemeinderat in den Fällen der außerordentlichen Kündigung die Stellungnahme des Personalrats bei seiner Beschlussfassung noch nicht bekannt ist. Dem Schutzzweck der Personalratsbeteiligung ist vielmehr durch die Bestimmungen der bayerischen Gemeindeordnung hinreichend Rechnung getragen. Der erste Bürgermeister führt nicht nur den Vorsitz im Gemeinderat und vollzieht als ausführendes Organ dessen Beschlüsse (Art. 36 BayGO). Der Gesetzgeber hat ihm auch die Funktion des Dienststellenleiters iSv. Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 BayPVG und in Art. 43 Abs. 3 BayGO die des Dienstvorgesetzten der Beamten und Angestellten der Gemeinde übertragen. Im Rahmen dieser Funktionen gehört die eigenständige Durchführung der Personalratsanhörung zu seinen gesetzlichen Aufgaben. Damit hat ihm der Gesetzgeber eine - wenn auch nicht stets das Kündigungsrecht als solches umfassende - partielle Personalkompetenz zugewiesen. In deren Rahmen hat er die Pflicht zur sachlichen Beurteilung. Sie verlangt von ihm, die Stellungnahme des Personalrats gewissenhaft inhaltlich zu prüfen und die Angelegenheit dem Gemeinderat für den Fall, dass die Stellungnahme zu Bedenken an der Berechtigung des Kündigungsentschlusses Anlass gibt, erneut zuzuleiten.

23

d) Die Senatsrechtsprechung steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Nach der Entscheidung vom 18. Mai 1994 (- 2 AZR 930/93 - zu III 1 b der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6) ist zwar umgekehrt die Personalratsanhörung nicht deshalb fehlerhaft, weil sie ohne Vorliegen eines Kündigungsentschlusses des zuständigen Gremiums durchgeführt wurde, um dieses erst anschließend und unter Vorlage der Stellungnahme des Personalrats mit der Angelegenheit zu befassen. Das bedeutet aber nicht, dass die hier eingeschlagene Vorgehensweise rechtswidrig wäre.

24

3. Danach ist die Anhörung des Personalrats ordnungsgemäß erfolgt. Dieser ist am 14. Dezember 2009 unter Schilderung des aus Sicht des Beklagten kündigungsrelevanten Sachverhalts über die beabsichtigte Kündigung unterrichtet worden. Der Kläger hat die inhaltliche Richtigkeit der Information nicht gerügt. Der Personalrat hat binnen dreier Tage unter Angabe formaler und inhaltlicher Gründe erklärt, seine Zustimmung zur Kündigung zu verweigern. Damit war das Anhörungsverfahren nach Maßgabe von Art. 77 Abs. 3 BayPVG am 17. Dezember 2009 - also vor Ausspruch der Kündigung - ordnungsgemäß abgeschlossen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Stellungnahme des Personalrats dem ersten Bürgermeister Anlass dafür hätte sein müssen, den Gemeinderat vor der Ausführung des Kündigungsbeschlusses erneut mit der Sache zu befassen.

25

III. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich derzeit nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend. Die außerordentliche Kündigung ist nach den bisherigen Feststellungen nicht deshalb unwirksam, weil der Beklagte die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt hätte.

26

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen.

27

a) Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Norm mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 30; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54). Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann deshalb nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - AP BGB § 626 Nr. 231 = EzA BPersVG § 108 Nr. 5; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - zu B I 3 der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9). Sind die Ermittlungen abgeschlossen und hat er eine hinreichende Kenntnis vom Kündigungssachverhalt, beginnt der Lauf der Ausschlussfrist. Unbeachtlich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder überflüssig waren (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - aaO; 5. Dezember 2002 - 2 AZR 478/01 - zu B I 3 c bb (1) der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 63 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 1).

28

b) Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Dagegen ist die Kenntnis anderer Personen für den Lauf der Ausschlussfrist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt auch dann, wenn den Mitarbeitern Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind (BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 21, AP BGB § 626 Nr. 217 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 23; 26. November 1987 - 2 AZR 312/87 - RzK I 6g Nr. 13). Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber die Kenntnis solcher Personen nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder in der Verwaltung haben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, einen Sachverhalt, der Anhaltspunkte für eine außerordentliche Kündigung bietet, so umfassend zu klären, dass mit ihrer Mitteilung der Kündigungsberechtigte ohne weitere eigene Nachforschungen seine (Kündigungs-)Entscheidung abgewogen treffen kann. Dementsprechend müssen diese Mitarbeiter in einer ähnlich selbständigen Stellung sein, wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter des Arbeitgebers (BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 22, aaO; 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - zu II 3 a der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 355 mwN; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 810). Voraussetzung für eine Zurechenbarkeit der Kenntnisse dieser Personen zum Arbeitgeber ist ferner, dass die Verzögerung bei der Kenntniserlangung in dessen eigener Person auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruht (BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 22, aaO; 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - aaO; KR/Fischermeier § 626 BGB Rn. 355).

29

2. Danach hat der Beklagte die Erklärungsfrist gewahrt.

30

a) Maßgebend für den Beginn der Frist ist im Streitfall die Kenntnis des Gemeinderats als des gem. Art. 43 BayGO kündigungsberechtigten Organs. Dieser hatte erst aufgrund der Erörterungen in der Sitzung vom 8. Dezember 2009 Kenntnis von den aus seiner Sicht eine außerordentliche Kündigung begründenden Tatsachen erlangt. Diese waren ihm weder mit der Ladung noch in der Sitzung vom 2. Dezember 2009 mitgeteilt worden. Zwar war der Gemeinderat bereits am 29. Juni 2009 mit Vorwürfen gegen den Kläger befasst. An diesem Tag wurde jedoch lediglich beschlossen, dem Kläger einen Aufhebungsvertrag anzubieten. Falls er diesen nicht annähme, sollten weitere Ermittlungen durchgeführt werden. Der Gemeinderat besaß zu diesem Zeitpunkt noch keine aus seiner Sicht hinreichenden, eine außerordentliche Kündigung rechtfertigenden Kenntnisse.

31

b) Der Beklagte muss sich die schon länger währende Kenntnis seines ersten Bürgermeisters von den dem Kündigungsentschluss zugrunde liegenden Umständen nicht zurechnen lassen. Der erste Bürgermeister hat zwar als Vorgesetzter der Gemeindebediensteten und Vorsitzender des Gemeinderats eine herausgehobene Stellung (vgl. BAG 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - zu II 3 b der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6). Die Tatsache, dass der Gemeinderat erst am 8. Dezember 2009 von den aus seiner Sicht kündigungsrelevanten Tatsachen Kenntnis erlangt hat, beruht aber nicht auf einem Organisationsverschulden.

32

aa) Es stellt kein solches Verschulden dar, dass der Gemeinderat seine turnusgemäßen Sitzungen im Abstand von mehreren Wochen abhält. Der Gemeinderat muss nicht im Vorhinein mit Blick auf mögliche, nur im Ausnahmefall notwendig werdende außerordentliche Kündigungen einen engeren Sitzungsrhythmus einplanen. Nach dem Schutzzweck des § 626 Abs. 2 BGB ist es unbedenklich, eine außerordentliche Kündigung in der turnusmäßig nächsten Sitzung eines Gemeinderats zu beraten. Für den Arbeitnehmer iSv. Art. 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayGO ist erkennbar, dass der erste Bürgermeister auch bei eigener Kenntnis der aus seiner Sicht eine außerordentliche Kündigung rechtfertigenden Umstände eines Beschlusses des Gemeinderats bedarf und dieser in der Regel erst in der nächsten Sitzung herbeigeführt werden kann(BAG 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - zu II 3 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6).

33

bb) Es kann nicht als Organisationsmangel angesehen werden, dass der erste Bürgermeister keine Sondersitzung des Gemeinderats einberufen hat. Mit Blick auf die Größe des Gremiums und die einzuhaltenden Ladungsfristen hätte dies einen nicht gerechtfertigten Aufwand verursacht (vgl. BAG 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - zu II 3 c dd der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6).

34

cc) Es ist dem Beklagten nicht anzulasten, dass der Gemeinderat die Beratung über eine Kündigung des Arbeitsvertrags mit dem Kläger nicht mehr - nach Mitternacht - in der Sitzung vom 2. Dezember 2009 erörtert, sondern diesen Tagesordnungspunkt um sechs Tage auf die Sitzung vom 8. Dezember 2009 vertagt hat. Dies erscheint mit Blick auf die Belange der Gemeinderatsmitglieder und die Interessen des Klägers, der einen Anspruch auf sorgfältige Beratung der ihn betreffenden personellen Angelegenheit hat, als vertretbare Verzögerung. Der Gemeinderat hat - anders als der Kläger gemeint hat - personelle Maßnahmen in der Sitzung am 2. Dezember 2009 nicht vorrangig behandeln müssen. Dem Gemeinderat steht in Bezug auf die Reihenfolge der Beratungen ein Beurteilungsspielraum zu. Den hat er im Streitfall nicht überschritten. Es ist nicht unsachlich oder willkürlich, die Tagesordnungspunkte in der vom Vorsitzenden in der Einladung vorgegebenen Reihenfolge abzuhandeln. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - nicht von vornherein mit der Vertagung eines oder mehrerer Tagesordnungspunkte zu rechnen ist.

35

IV. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft, ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSd. § 626 Abs. 1 BGB gegeben war. Ebenso wenig ist es dem Vortrag des Klägers nachgegangen, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei aufgrund der zögerlichen Durchführung der Ermittlungen bereits vor dem 2. Dezember 2009 verstrichen gewesen. Über beides vermag der Senat mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen nicht selbst zu entscheiden.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

        

        

    Söller    

        

    B. Schipp    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. August 2009 - 19/3 Sa 575/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. März 2008 - 19 Ca 9432/06 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine fristlose Verdachtskündigung.

2

Der im Jahr 1961 geborene Kläger war bei der beklagten Stadt seit dem 1. September 1989 als Orchestermusiker (2. Hornist) gegen ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 4.580,79 Euro beschäftigt. Nach den anzuwendenden Bestimmungen des Tarifvertrags für Musiker in Kulturorchestern (TVK) sind Arbeitnehmer, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und mehr als 15 Jahre beschäftigt sind, ordentlich nicht mehr kündbar.

3

Ihren Eigenbetrieb der städtischen Bühnen leitete die Beklagte mit Wirkung zum 1. September 2004 auf die S GmbH (nachfolgend S GmbH) über. Der Kläger widersprach einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. In der Folge wies die Beklagte den Kläger - ebenso wie die übrigen Mitarbeiter, die einer Überleitung widersprochen hatten - aufgrund eines mit der S GmbH geschlossenen Personalgestellungsvertrags dieser zur Dienstausübung zu. Im Februar 2005 fand eine Betriebsratswahl für einen von der Beklagten und der S GmbH gemeinsam geführten Betrieb „Städtische Bühnen“ statt. In dem von der S GmbH eingeleiteten Wahlanfechtungsverfahren wurde der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Wahl rechtskräftig abgewiesen. Mit - weiterem - Beschluss vom 19. Februar 2009 erklärte das Hessische Landesarbeitsgericht die Wahl für „ungültig“.

4

Der Kläger war mit einem Kollegen aus dem Orchester befreundet. Dieser hat zwei Töchter, geboren 1990 und 1994. Der Kläger berührte das ältere der Mädchen - damals fünf- bis sechsjährig - bei Besuchen im Haus des Freundes in den Jahren 1995 und 1996 unsittlich, das jüngere - damals acht bis neun Jahre alt - mehrmals bei Besuchen bei der inzwischen allein lebenden Mutter in den Jahren 2002 und 2003. Am 22. September 2004 erstattete die Mutter Anzeige. Gegen den Kläger wurde daraufhin ein Ermittlungsverfahren ua. wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eingeleitet. Gegenstand des Verfahrens war auch der Vorwurf, der Kläger habe im Jahr 1994 ein weiteres, damals elf Jahre altes Mädchen sexuell missbraucht.

5

Am 20. Oktober 2004 wurde die Beklagte durch den Vater der Mädchen über die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe informiert. In einem Gespräch der Beklagten mit den übrigen Hornbläsern am 22. November 2004 offenbarte einer der Musiker, dass sich der Kläger auch seinem Sohn unsittlich genähert habe und ein strafrechtliches Verfahren gegen Zahlung eines Bußgelds eingestellt worden sei. Er und andere Mitglieder der Stimmgruppe der Hornisten erklärten, mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können.

6

Am 13. Dezember 2004 hörte die Beklagte den Kläger zu den Vorwürfen an. Dieser bestritt deren Berechtigung. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 sprach die Beklagte eine auf den Verdacht der Tatbegehungen gestützte fristlose Kündigung aus. Der dagegen erhobenen Klage gab das Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 9. Oktober 2006 mit der Begründung - rechtskräftig - statt, dass die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt habe.

7

Nachdem die Beklagte im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 9. Oktober 2006 erfahren hatte, dass gegen den Kläger Anklage erhoben worden war, bemühte sie sich vergeblich um Akteneinsicht. In einem Telefonat mit dem zuständigen Richter am 30. November 2006 erfuhr sie, dass die Anklageerhebung auf dem ihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte beruhe. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2006 lud sie den Kläger erneut zu einem Anhörungsgespräch am 11. Dezember 2006. Der Kläger teilte ihr am 8. Dezember 2006 mit, dass er nicht erscheinen werde. Nach Anhörung des - trotz Wahlanfechtung weiterhin amtierenden - Betriebsrats sprach die Beklagte am 21. Dezember 2006 erneut eine außerordentliche, fristlose Verdachtskündigung aus. Dagegen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei mangels Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Frist sei spätestens am 3. Dezember 2004 abgelaufen. Die Kündigung sei eine unzulässige Wiederholungskündigung. Die von ihm begangenen Straftaten könnten als außerdienstliches Verhalten die Kündigung ohnehin nicht rechtfertigen. Der Kläger hat bestritten, dass es zu einem Vertrauensverlust bei seinen Kollegen gekommen sei und seine Anwesenheit die künstlerische Qualität des Orchesters beeinträchtige. Seine sexuellen Neigungen seien seit Anfang der 90-er Jahre im Orchester bekannt gewesen. Er befinde sich seit 1992 in therapeutischer Behandlung. Deswegen bestehe keine Wiederholungsgefahr. Seine Taten seien Folge einer psychischen Disposition. Die Kündigung sei deshalb nach den Grundsätzen der krankheitsbedingten Kündigung zu beurteilen und mangels negativer Prognose unwirksam. Außerdem habe statt des Betriebsrats der zuständige Personalrat angehört werden müssen.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 nicht beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, mit der Erhebung der Anklage sei ein wesentlicher Einschnitt im Strafverfahren verbunden gewesen. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei erneut in Gang gesetzt worden, als sie von der Anklageerhebung Kenntnis erhalten habe. Wegen des dringenden Verdachts der Begehung der fraglichen Straftaten sei die Kündigung auch materiell gerechtfertigt. Das Verhalten des Klägers weise einen hinreichenden dienstlichen Bezug auf. Das Vertrauensverhältnis zu den Mitgliedern des Orchesters, insbesondere zu den Hornbläsern, sei zerstört. Die Anwesenheit des Klägers beeinträchtige die künstlerische Qualität bei Proben und Vorstellungen. Die Neigungen des Klägers seien keineswegs allgemein im Orchester bekannt gewesen. Es bestehe ein unkalkulierbares Risiko, dass er wieder einschlägig auffällig werde. Im Hinblick darauf, dass sie in der Komparserie und im Rahmen von Praktika minderjährige Kinder beschäftige, sei ihr eine Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten. Die Beteiligung des Personalrats sei nicht erforderlich gewesen.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Abweisung der Klage. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt(I.). Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies kann der Senat selbst entscheiden, da die maßgeblichen Tatsachen feststehen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt vor(II.). Die Kündigung ist nicht mangels Anhörung des Personalrats unwirksam (III.).

13

I. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Beklagte hat die gesetzliche Frist zur Erklärung der Kündigung gewahrt.

14

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

15

a) Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (Senat 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15 mwN, NZA-RR 2011, 177; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7). Grob fahrlässige Unkenntnis ist insoweit ohne Bedeutung (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 319 mwN). Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - aaO). Solange er die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, läuft die Ausschlussfrist nicht an (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - zu B I 3 der Gründe, aaO). Um den Lauf der Frist nicht länger als notwendig hinauszuschieben, muss eine Anhörung allerdings innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Die Frist darf im Allgemeinen, und ohne dass besondere Umstände vorlägen, nicht mehr als eine Woche betragen (Senat 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 24, BAGE 117, 168).

16

b) Geht es um ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber den Aus- oder Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; Bader/Bram/Dörner/Kriebel-Bader KSchG Stand Dezember 2010 § 626 BGB Rn. 77; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 321). Für den betreffenden Zeitpunkt bedarf es eines sachlichen Grundes. Wenn etwa der Kündigungsberechtigte neue Tatsachen erfahren oder neue Beweismittel erlangt hat und nunmehr einen - neuen - ausreichenden Erkenntnisstand für eine Kündigung zu haben glaubt, kann er dies zum Anlass für den Ausspruch der Kündigung nehmen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 20, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9).

17

c) Der Arbeitgeber kann sich auch für die Überlegung, ob er eine Verdachtskündigung aussprechen soll, am Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens orientieren (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7). Dort gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Vertragspartner habe die Pflichtverletzung begangen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; vgl. HaKo-Gieseler 3. Aufl. § 626 BGB Rn. 106; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Eine solche den Verdacht intensivierende Wirkung kann auch die Erhebung der öffentlichen Klage haben (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-ArbR/Bröhl 2. Aufl. Bd. 1 § 626 BGB Rn. 102; HaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis aaO). Zwar kann die Erhebung der öffentlichen Klage für sich genommen keinen dringenden Verdacht im kündigungsrechtlichen Sinne begründen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 27, aaO; 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Sie bedeutet aber einen Einschnitt, der in der Lage ist, die anderweitig schon genährte Überzeugung des Arbeitgebers zu verstärken. Während die Einleitung des Ermittlungsverfahrens lediglich einen Anfangsverdacht erfordert, ist die Erhebung der öffentlichen Klage nach der Strafprozessordnung an das Bestehen eines „hinreichenden“ Verdachts gebunden. Der Verdacht erhält damit eine andere Qualität. Dies rechtfertigt es, die Erhebung der öffentlichen Klage als einen Umstand anzusehen, bei dessen Eintritt der Arbeitgeber einen sachlichen Grund hat, das Kündigungsverfahren einzuleiten (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-ArbR/Bröhl aaO; HaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis aaO).

18

d) Der Arbeitgeber hat nicht nur zwei Möglichkeiten, dem sich mit der Zeit entwickelnden Zuwachs an Erkenntnissen durch eine außerordentliche Kündigung zu begegnen. Es gibt nicht lediglich zwei objektiv genau bestimmbare Zeitpunkte, zu denen die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begönne: einen Zeitpunkt für den Ausspruch einer Verdachts-, einen weiteren für den Ausspruch einer Tatkündigung. Im Laufe des Aufklärungszeitraums kann es vielmehr mehrere Zeitpunkte geben, in denen der Verdacht „dringend“ genug ist, um eine Verdachtskündigung darauf zu stützen. Dabei steht dem Kündigungsberechtigten ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 22 ff., AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).

19

e) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt demnach erneut zu laufen, wenn der Arbeitgeber eine neue, den Verdacht der Tatbegehung verstärkende Tatsache zum Anlass für eine Kündigung nimmt. Eine den Verdacht verstärkende Tatsache kann die Anklageerhebung im Strafverfahren darstellen, selbst wenn sie nicht auf neuen Erkenntnissen beruht. Der Umstand, dass eine unbeteiligte Stelle mit weiterreichenden Ermittlungsmöglichkeiten, als sie dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, ist geeignet, den gegen den Arbeitnehmer gehegten Verdacht zu verstärken. Der Arbeitgeber kann ihn auch dann zum Anlass für den Ausspruch einer Verdachtskündigung nehmen, wenn er eine solche schon zuvor erklärt hatte. Da die neuerliche Kündigung auf einem neuen, nämlich um die Tatsache der Anklageerhebung ergänzten Sachverhalt beruht, handelt es sich nicht etwa um eine unzulässige Wiederholungskündigung. Ebenso wenig ist das Recht, eine weitere Verdachtskündigung auszusprechen, mit dem Ausspruch einer ersten Verdachtskündigung verbraucht. Der Arbeitgeber hat sich dadurch, dass er eine Verdachtskündigung bereits vor Anklageerhebung ausgesprochen hat, auch nicht dahin gebunden, vor Ausspruch einer weiteren Kündigung den Ausgang des Ermittlungs- oder Strafverfahrens abzuwarten. Für die Annahme eines solchen Verzichts auf ein - noch nicht absehbares späteres - Kündigungsrecht gibt es keine Grundlage. Zwar bezieht sich der Verdacht jeweils auf dieselbe Tat, der zur Kündigung führende Sachverhalt ist aber gerade nicht identisch. Die zweite Kündigung stützt sich auf eine erweiterte, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB neu in Gang setzende Tatsachengrundlage.

20

2. Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte mit Ausspruch der Kündigung am 21. Dezember 2006 die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Diese begann am 8. Dezember 2006 erneut zu laufen. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 erfolgte innerhalb von zwei Wochen.

21

a) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann erneut in dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem die Beklagte vollständige Kenntnis davon erhielt, dass gegen den Kläger Anklage wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eines Kollegen erhoben worden war und neue entlastende Gesichtspunkte nicht zu ermitteln waren. Der Verdacht bezieht sich zwar auf dieselbe Tat wie der, welcher der Kündigung vom 23. Dezember 2004 zugrunde lag. Der Sachverhalt ist aber deshalb nicht identisch, weil sich die Beklagte zusätzlich auf die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft beruft.

22

b) Vollständige positive Kenntnis von den den Verdacht verstärkenden Umständen hatte die Beklagte erst am 8. Dezember 2006. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte sie zwar bereits während der mündlichen Verhandlung am 9. Oktober 2006 Kenntnis davon erhalten, dass gegen den Kläger Anklage erhoben worden war. Sie hatte aber erst aufgrund des Gesprächs mit dem zuständigen Richter am 30. November 2006 erfahren, dass die Anklage auf dem ihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte beruhte und damit ua. die Vorwürfe zum Gegenstand hatte, die den von ihr gehegten Verdacht gegen den Kläger betrafen. Ihre vorausgegangenen Bemühungen, Akteneinsicht zu erhalten, waren erfolglos geblieben. Die Beklagte durfte anschließend dem Kläger Gelegenheit geben, neue entlastende Umstände vorzubringen. Mit der Einladung zu einem Anhörungstermin am 11. Dezember 2006 ist sie diese Maßnahme zur Aufklärung des Sachverhalts auch hinreichend zügig angegangen. Zwar war die dafür in der Regel zu veranschlagende Wochenfrist am 11. Dezember überschritten. Die Beklagte ging gleichwohl mit der gebotenen Eile vor. Der 30. November 2006 war ein Donnerstag. Das Einladungsschreiben vom 4. Dezember wurde am auf ihn folgenden zweiten Arbeitstag verfasst. Dies ist zumindest angesichts der Besonderheit, dass sie schon zuvor eine Verdachtskündigung ausgesprochen hatte und die Notwendigkeit einer weiteren Anhörung des Klägers damit nicht unmittelbar auf der Hand lag, nicht zu beanstanden. Dass die Beklagte den Termin erst auf eine weitere Woche später anberaumte, ist ihr ebenso wenig vorzuhalten. Sie berücksichtigte damit in angemessener Weise das Interesse des im Betrieb nicht mehr beschäftigten Klägers an einer Ankündigungszeit. Mit dem Erhalt von dessen Nachricht am 8. Dezember 2006, er werde den Anhörungstermin nicht wahrnehmen, stand sodann fest, dass sich neue entlastende Umstände durch eine Anhörung des Klägers nicht ergeben würden.

23

II. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 beruht auf einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

24

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220).

25

2. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt des sexuellen Missbrauchs von Kindern eines Kollegen ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet.

26

a) Die Beklagte hat sich zur Rechtfertigung der Kündigung zwar nur auf einen entsprechenden Verdacht berufen. Obwohl der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund darstellt (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8), stehen beide Gründe aber nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO ). Ergibt sich nach tatrichterlicher Würdigung das tatsächliche Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen; es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - mwN, aaO). Nichts anderes gilt für das Revisionsgericht, wenn das Berufungsgericht zwar nicht selbst geprüft hat, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gegeben ist, aber gem. § 559 Abs. 2 ZPO bindend festgestellt hat, dass die Pflichtwidrigkeit tatsächlich begangen wurde.

27

b) Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Kläger sowohl während mehrerer Besuche im Haus der Familie seines Kollegen in den Jahren 1995/1996 die ältere von dessen Töchtern, damals fünf- bis sechsjährig, unsittlich berührte als auch mehrmals in den Jahren 2002 und 2003 die jüngere Tochter, damals acht bis neun Jahre alt, anlässlich von Besuchen im Haus der inzwischen allein lebenden Ehefrau. Das Landesarbeitsgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass ein weiterer Kollege der Beklagten während eines Gesprächs am 22. November 2004 mitgeteilt hatte, ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Vorwurfs, dieser habe sich dem Sohn des Kollegen unsittlich genähert, sei eingestellt worden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erklärten der betreffende Kollege und andere Mitglieder der Hornisten-Gruppe, mit dem Kläger wegen dieser Vorwürfe nicht mehr zusammenarbeiten zu können.

28

c) Der Umstand, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht einer gerichtlichen Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat nicht entgegen. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob der ungültig gewählte, aber während des Wahlanfechtungsverfahrens weiter amtierende Betriebsrat überhaupt nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu beteiligen war. Ausreichend ist jedenfalls, wenn dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen „Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf begründen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32). Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung Genüge getan. Dem Betriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Danach ist der Betriebsrat hier ausreichend unterrichtet worden. Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen sind auch Gegenstand des Anhörungsschreibens vom 15. Dezember 2006.

29

d) Eine schwere und schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Das gilt auch für die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten (Senat 12. März 2009 - 2 ABR 24/08 - Rn. 30, EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Arbeitnehmervertreter Nr. 1; 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8).

30

e) Der Kläger hat seine Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, auf die berechtigten Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen, durch den sexuellen Missbrauch von Kindern eines Kollegen in erheblichem Maße verletzt. Darauf, ob sich aus § 5 Abs. 1 TVK aF noch weiter gehende Pflichten zur Rücksichtnahme ergaben, kommt es nicht an.

31

aa) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 19, NZA 2011, 112; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Der Arbeitnehmer ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - aaO). Die Pflicht zur Rücksichtnahme kann deshalb auch durch außerdienstliches Verhalten verletzt werden (vgl. ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 626 BGB Rn. 83). Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO). Das ist der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 22, aaO; 27. November 2008 -  2 AZR 98/07  - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4). Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine Pflichtverletzung regelmäßig aus (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO; SPV/Preis Rn. 642).

32

bb) Die von dem Kläger außerdienstlich begangenen Straftaten haben einen solchen Bezug zum Arbeitsverhältnis.

33

(1) Dieser Bezug besteht zunächst darin, dass Opfer der Straftaten des Klägers die Kinder eines Kollegen waren.

34

(2) Die von dem Kläger an den Kollegenkindern begangenen Sexualstraftaten hatten zudem negative Auswirkungen auf das betriebliche Miteinander. So haben mehrere Mitglieder der Stimmgruppe des Klägers in dem Gespräch am 22. November 2004 gegenüber der Beklagten erklärt, mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können. Der Einwand des Klägers, in dem Orchester herrsche ohnehin keine Atmosphäre des Vertrauens, sondern eine Atmosphäre der Angst, ist unbeachtlich. Er ändert nichts daran, dass im vorliegenden Zusammenhang allein der Kläger für die Störung des Betriebsfriedens verantwortlich ist.

35

cc) Die Straftaten des Klägers haben das kollegiale Miteinander und damit das Arbeitsverhältnis schwer belastet. Der Kläger hat das Vertrauen seines Kollegen und von dessen Familie wiederholt massiv missbraucht. Aus eben diesem Grund haben mehrere Kollegen aus seiner Stimmgruppe ausgeschlossen, mit ihm weiter zusammenarbeiten zu können.

36

Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt. Soweit er seine sexuellen Neigungen im Laufe des Rechtsstreits auf krankhafte Störungen zurückgeführt hat, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Der Kläger hat nicht behauptet, dass es ihm unmöglich gewesen sei, sein Verhalten zu steuern. Die Grundsätze einer personenbedingten Kündigung finden keine Anwendung.

37

3. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt. Der Beklagten war es unzumutbar, den Kläger auch nur bis zum Ablauf einer - fiktiven - Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.

38

a) Obwohl das Landesarbeitsgericht - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - eine Interessenabwägung nicht vorgenommen hat, ist eine eigene Abwägung durch den Senat möglich. Der dem Berufungsgericht in der Rechtsprechung des Senats zugestandene Beurteilungsspielraum (vgl. Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5) schränkt lediglich die revisionsrechtliche Überprüfung der Interessenabwägung ein. Hat das Berufungsgericht eine Interessenabwägung vorgenommen, ist - wenn sämtliche relevanten Tatsachen feststehen - eine eigene Interessenabwägung des Revisionsgerichts nur dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist (vgl. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 35 f., AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Fehlt es indessen an einer Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts, ist es - wenn alle relevanten Tatsachen festgestellt sind - nicht erforderlich, dem Landesarbeitsgericht Gelegenheit zu geben, zunächst eine eigene Abwägung vorzunehmen. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist zwar in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, aaO).

39

b) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 f. mwN).

40

c) Danach ist die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 gerechtfertigt.

41

aa) Der Kläger hat wiederholt die Kinder eines Kollegen sexuell missbraucht und dadurch bewirkt, dass sich mehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe weigerten, mit ihm weiter zusammenzuarbeiten. Ohne erhebliche Auswirkungen auf den Betriebsfrieden war eine Mitwirkung des Klägers in seiner Stimmgruppe damit nicht mehr vorstellbar. Zwar war der betreffende Kollege zum Zeitpunkt der Kündigung bereits aus dem Orchester ausgeschieden. Der zweite betroffene Kollege und weitere Mitglieder, die an dem Gespräch am 22. November 2004 teilgenommen hatten, waren aber auch im Dezember 2006 noch beschäftigt. Unerheblich ist, ob die sexuellen Neigungen des Klägers schon länger im Orchester bekannt waren. Der Kläger hat nicht behauptet, es sei auch bekannt gewesen, dass er tatsächlich Straftaten an Kollegenkindern beging.

42

bb) Für die Beklagte war es nicht zumutbar, den Kläger unter Inkaufnahme einer fortbestehenden Störung des Betriebsfriedens weiterzubeschäftigen. Anders als in einer Drucksituation, der kein Verhalten des Arbeitnehmers und kein personenbedingter Grund zugrunde liegt, war die Beklagte nicht gehalten, sich etwa schützend vor den Kläger zu stellen und zu versuchen, die Kollegen von ihrer Weigerung, weiter mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, abzubringen (vgl. dazu Senat 19. Juni 1986 - 2 AZR 563/85 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 33 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 39). Der Kläger hatte durch sein Verhalten die Betriebsstörung vielmehr selbst herbeigeführt. Er hat das ihm von einem Kollegen und dessen Familie entgegengebrachte Vertrauen in schwerwiegender Weise mehrfach missbraucht. Dass auch anderen Kollegen angesichts dessen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich erschien, ist objektiv nachvollziehbar. Sexueller Missbrauch von Kindern ist ein die Integrität der Opfer in schwerwiegender Weise verletzendes Delikt. Geschützt ist die Entwicklung der Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung (Fischer StGB 58. Aufl. § 176 Rn. 2 mwN). Äußere, fremdbestimmte Eingriffe in die kindliche Sexualität sind in besonderer Weise geeignet, diese Entwicklung zu stören. Die Tat birgt die Gefahr von nachhaltigen Schädigungen des Kindes (Fischer Rn. 36 mwN, aaO). Sie ist nach § 176 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht.

43

cc) Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht. Angesichts der Schwere seiner Pflichtverletzungen war deren - auch nur erstmalige - Hinnahme durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen (vgl. zu diesem Maßstab Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

44

dd) Nicht entscheidend ist, ob zu erwarten stand, der Kläger werde weiterhin sexuelle Straftaten an (Kollegen-)Kindern begehen. Die von dem Kläger vorgetragenen Therapiebemühungen und der Umstand, dass er strafrechtlich nur zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, rechtfertigen deshalb ebenso wenig eine andere Bewertung wie Gesichtspunkte der Resozialisierung. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Beklagte angesichts der Erklärungen von Mitgliedern der Stimmgruppe des Klägers davon ausgehen musste, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen diesem und seinen Kollegen nicht mehr zu erwarten war. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, nicht alle Orchestermusiker hätten sich geweigert, mit ihm zusammenzuarbeiten, kann die Richtigkeit dieser Behauptung dahinstehen. Der Kläger bestreitet nicht, dass mehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe nicht mehr zu einer Zusammenarbeit bereit waren. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die musikalische Qualität von Proben oder Vorstellungen bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers tatsächlich gelitten hätte. Der Beklagten war es angesichts der Taten des Klägers schon nicht zumutbar, von seinen Kollegen eine weitere Zusammenarbeit überhaupt zu fordern. Darauf, ob der Kläger im Dienst Kontakt zu Kindern hatte, kommt es ebenfalls nicht an.

45

ee) An dem Ergebnis der Interessenabwägung ändert sich auch dann nichts, wenn die Behauptung des Klägers zutrifft, erst eine als Krankheit anzusehende Ausprägung seiner sexuellen Neigungen habe ihn straffällig werden lassen. Der Beklagten ist es auch unter dieser Voraussetzung nicht zuzumuten, von den Kollegen des Klägers die weitere Zusammenarbeit zu verlangen. Die durch das Verhalten des Klägers verursachte Störung des Betriebsfriedens wird dadurch nicht geringer.

46

ff) Disziplinarrechtliche Maßstäbe zur Beurteilung von Dienstvergehen eines Beamten sind für den Streitfall ohne Bedeutung. Die Sachverhalte, die den vom Kläger herangezogenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zugrunde liegen, sind zudem schon deshalb nicht vergleichbar, weil es dabei nicht um den Missbrauch von Kollegenkindern ging. Der Kläger will überdies aus dem Umstand, dass die Beklagte Opernaufführungen mit sexuellen Bezügen inszeniert, eine Bereitschaft zur Toleranz von Kindesmissbrauch ableiten. Dies ist abwegig. Soweit er darüber hinaus meint, seine Taten hätten einen Bezug zu seiner Tätigkeit als bildender Künstler, bleibt unklar, welchen Schluss er daraus ableitet. Er kann schwerlich gemeint haben, die Kunstfreiheit rechtfertige Kindesmissbrauch.

47

gg) Beschäftigungsdauer und Lebensalter des Klägers rechtfertigen kein anderes Ergebnis. An der Schwere der Pflichtverletzungen und Störung des Betriebsfriedens ändern sie nichts.

48

hh) Der Umstand, dass der Kläger ordentlich unkündbar war, hat auf die Interessenabwägung keinen gesonderten Einfluss. Ist es dem Arbeitgeber - wie hier - nicht zumutbar, den tariflich unkündbaren Arbeitnehmer bis zum Ablauf der „fiktiven“ Frist einer ordentlichen Beendigungskündigung weiterzubeschäftigen, ist eine außerordentliche fristlose Kündigung auch des tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers gerechtfertigt (Senat 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 5 b der Gründe, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; 15. November 2001 -  2 AZR 605/00  - BAGE 99, 331).

49

III. Die Kündigung ist nicht mangels Beteiligung eines für den Kläger zuständigen Personalrats nach § 78 Abs. 2 des Hessischen Personalvertretungsgesetzes vom 24. März 1988 (HPVG) unwirksam.

50

1. Bei einer außerordentlichen Kündigung sieht § 78 Abs. 2 HPVG eine Anhörung des Personalrats vor. Soweit der Kläger das Unterbleiben einer Beteiligung nach § 77 HPVG gerügt hat, handelt es sich offensichtlich um eine Falschbezeichnung. § 77 Nr. 2 Buchst. i HPVG betrifft die Mitbestimmung bei ordentlichen Kündigungen (außerhalb der Probezeit). Eine Anhörung war im Streitfall nicht etwa nach § 104 Abs. 3 Satz 1 HPVG entbehrlich. Nach dieser Bestimmung entfallen zwar die Mitbestimmung und Mitwirkung des Personalrats in Personalangelegenheiten der in § 104 Abs. 1 HPVG genannten Orchestermitglieder. Das Beteiligungsrecht bei außerordentlichen Kündigungen wird aber als bloßes Anhörungsrecht von dem Ausschluss nicht erfasst (Burkholz HPVG 2. Aufl. § 104 zu 3.2; ders. in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 104 HPVG Rn. 17).

51

2. Indessen sind aus dem Parteivorbringen keine Umstände dafür ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Kündigung vom 21. Dezember 2006 ein Personalrat im Amt gewesen wäre, der nach § 78 Abs. 2 HPVG hätte angehört werden müssen.

52

a) Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe, da in Wirklichkeit kein gemeinsamer Betrieb bestanden habe, nicht den für diesen gewählten Betriebsrat, sondern „den zuständigen Personalrat“ beteiligen müssen. Nach ihrem Vorbringen im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 23. Dezember 2004 hatte die Beklagte vor Ausspruch dieser Kündigung den Personalrat des „Restamts Städtische Bühnen“ angehört. Dabei handelte es sich um denjenigen Personalrat, der für die von der Beklagten zuvor als Eigenbetrieb geführten Städtischen Bühnen gewählt war. Im Konsens aller Beteiligten sollte dieser ein „Übergangsmandat“ für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter bis zur Wahl eines eigenen Betriebsrats wahrnehmen (vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der Gründe).

53

b) Die Amtszeit dieses Personalrats hatte mit Ablauf des 31. August 2004 geendet. Auf die Frage, ob nicht bis zur Rechtskraft der die Betriebsratswahl vom Februar 2005 für ungültig erklärenden gerichtlichen Entscheidung ohnehin nur der für den - vermeintlichen - Gemeinschaftsbetrieb gebildete Betriebsrat zu beteiligen gewesen wäre, kommt es deshalb nicht an.

54

aa) Das Amt des für den Eigenbetrieb gewählten Personalrats endete mit Ablauf des 31. August 2004. Der Eigenbetrieb als Dienststelle der Beklagten wurde durch die Überleitung des Betriebs auf die S GmbH mit Wirkung zum 1. September 2004 iSv. § 81 Abs. 2 HPVG aufgelöst. Im Falle einer Privatisierung endet das Amt des Personalrats (Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 10, 15). Die Änderung der Rechtsform des Trägers der Betriebsorganisation hat den Verlust der bisherigen personalvertretungsrechtlichen Repräsentation zur Folge (Fitting aaO Rn. 15). Die Überführung in eine privatrechtliche Trägerschaft stellt eine Auflösung der Dienststelle im personalvertretungsrechtlichen Sinne dar (Burkholz HPVG 2. Aufl. § 1 zu 4 aE; Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 81 HPVG Rn. 276 mwN; v.Roetteken in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 1 HPVG Rn. 158). Hieran ändert im Streitfall nichts, dass zusammen mit dem Kläger eine Vielzahl weiterer Arbeitnehmer der Überleitung ihrer Arbeitsverhältnisse auf die S GmbH widersprochen hatten. Damit blieben sie zwar Arbeitnehmer der Beklagten. Auch mag diese sie in einer Organisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“ zusammengefasst haben. Darin lag aber keine Aufrechterhaltung der Dienststelle des Eigenbetriebs „Städtische Bühnen“. Dieser war auf die S GmbH übergeleitet und damit aufgelöst worden. Dies ergibt sich auch aus einer Organisationsverfügung der Oberbürgermeisterin der Beklagten vom 28. September 2004. Ihr zufolge wurden die bisherigen Organisationseinheiten der Städtischen Bühnen mit Wirkung vom 1. September 2004 aufgelöst und gleichzeitig eine neue Organisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“ eingerichtet (vgl. die Entscheidung des BAG im Verfahren über die Anfechtung der Wahl des Betriebsrats im vermeintlichen Gemeinschaftsbetrieb vom 16. April 2008 - 7 ABR 4/07 - zu A der Gründe, AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 32 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 7). Der Kläger behauptet nicht, dass für diese Organisationseinheit bis zum Ausspruch der Kündigung ein neuer Personalrat gewählt worden sei.

55

bb) Der Personalrat der bisherigen Dienststelle „Städtische Bühnen“ blieb nicht deshalb über die Privatisierung zum 1. September 2004 hinaus im Amt, weil im Personalgestellungsvertrag zwischen der Beklagten und der S GmbH vom 1. April 2004 geregelt war, dass der Personalrat gemäß § 103 HPVG die zuständige Interessenvertretung für die gestellten Arbeitnehmer sei(vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der Gründe). § 103 HPVG bestimmt, dass öffentliche Theater und selbständige Orchester Dienststellen im Sinne des HPVG sind. Diese gesetzliche Fiktion dient vor allem der Klarstellung (Burkholz in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 103 HPVG Rn. 7). Zu den Folgen der Auflösung einer Dienststelle durch ihre Privatisierung verhält sich § 103 HPVG nicht. Durch vertragliche Vereinbarung wiederum kann der gesetzliche Anwendungsbereich des Personalvertretungsrechts nicht wirksam verändert werden.

56

cc) Ein gesetzlich vorgesehenes Übergangsmandat des Personalrats, wie es zB für die Umwandlung eines Universitätsklinikums in § 98 Abs. 6 HPVG geregelt ist, bestand im Streitfall nicht. Wenn der Personalrat zur Schließung dieser möglichen Schutzlücke (vgl. dazu Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 15) ein Übergangsmandat für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter wahrnahm (vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 -), dauerte dieses allenfalls bis zur Wahl des Betriebsrats, längstens sechs Monate (vgl. Fitting aaO Rn. 17). Zudem gilt ein Personalrat, der in Privatisierungsfällen ein Übergangsmandat wahrnimmt, als Betriebsrat und hat Rechte und Pflichten aus dem Betriebsverfassungs-, nicht dem Personalvertretungsgesetz (vgl. Fitting aaO Rn. 18 f.).

57

3. Für die Anhörung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers war nicht ein bei der Beklagten errichteter Gesamtpersonalrat zuständig. Bei individuellen Maßnahmen ist der Gesamtpersonalrat, unabhängig von der Entscheidungsbefugnis des Dienststellenleiters, gem. § 83 Abs. 4 iVm. Abs. 1 und Abs. 2 HPVG unzuständig (Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 83 HPVG Rn. 96). Bei der Anhörung zu einer außerordentlichen Kündigung nach § 78 Abs. 2 HPVG gibt es zudem kein Stufenverfahren, so dass eine Beteiligung des Gesamtpersonalrats nach § 52 Abs. 2 HPVG ebenfalls nicht in Betracht kommt.

58

IV. Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Beckerle    

        

    B. Schipp    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 12. September 2012 - 2 Sa 7/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der 1956 geborene Kläger trat im April 1981 in die Dienste der Bundeswehr. Von Oktober 1993 bis Juni 2005 wurde er als Nachschubhelfer und Kraftfahrer eingesetzt. Zuvor und in der Zeit ab Juli 2005 war er als Gabelstaplerfahrer und Lagerhelfer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Regelungen des TVöD Anwendung.

3

Anfang August 2005 wurde der Kläger der Heeresinstandsetzungslogistik HIL-GmbH (im Folgenden: GmbH) „beigestellt“. Bei der GmbH handelt es sich um ein von der Beklagten und Dritten gemeinsam gegründetes Wirtschaftsunternehmen, das als Kooperationsbetrieb iSv. § 1 BwKoopG aus der Bundeswehr ausgegliederte Aufgaben wahrnimmt. Die Arbeitsabläufe in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers wurden seit der „Beistellung“ durch die GmbH gesteuert, während dieser selbst Arbeitnehmer der Beklagten blieb.

4

Nach einer Tätigkeitsbeschreibung vom Oktober 2007 waren dem Kläger zuletzt die Aufgaben eines Betriebsstoffhelfers zugewiesen. Danach oblagen ihm die Entgegennahme, die Lagerung, Kontrolle und Verausgabung von Betriebsstoff, die Führung entsprechender Bücher, die tägliche Feststellung des Bedarfs an Betriebsstoffen und die Durchführung von Reinigungsarbeiten in den Lagerbereichen.

5

Aufgabe der GmbH war es ua., Dieselkraftstoff aus den Fahrzeugen der Bundeswehr abzupumpen, sofern er starke Verunreinigungen oder Ablagerungen aufwies. Das Dieselöl wurde sodann in Behältnissen gesammelt und durch eine Fremdfirma aufbereitet. Anschließend wurde der gereinigte Kraftstoff zurückgebracht und in den Fahrzeugen wieder verwendet. Auch die bei der Aufarbeitung entstandenen Rückstände wurden zum Betriebsgelände der GmbH zurückgebracht und dort als sog. Abfalldiesel in größeren Behältnissen gesammelt. In gewissen zeitlichen Abständen ließ die GmbH die Rückstände kostenpflichtig durch eine andere Firma fachgerecht und umweltschonend entsorgen.

6

Der Kläger verfiel - laut seiner eigenen Einlassung - auf den Gedanken, ein Kollege könne das Abfallprodukt womöglich mit einer häuslichen Filteranlage zu betriebsfähigem Dieselkraftstoff aufbereiten, um diesen sodann zum Heizen des Hauses oder zum Betanken eines privaten Fahrzeugs zu verwenden. In Absprache mit dem Kläger füllte der Kollege daraufhin mehrfach verunreinigtes Dieselöl in Kanister ab, die er vom Betriebsgelände der GmbH - allein oder gemeinschaftlich mit dem Kläger - abfuhr.

7

Am 7. Juni 2010 wurden das Fahrzeug des Klägers und die Wohnung des Kollegen polizeilich durchsucht. Dabei wurden 91 „Treibstoffkanister“ mit einer Gesamtmenge von 3.640 Litern Diesel beschlagnahmt. Das im Heizungstank des Hauses vorgefundene Dieselöl (ca. 3.000 Liter) wurde dort belassen. Im Fahrzeug des Klägers wurden zusätzlich sechs Plastikkanister sichergestellt, die etwa 180 Liter Dieselkraftstoff enthielten; deren Qualität ist zwischen den Parteien streitig.

8

Am 11. und am 18. Juni 2010 versuchte die Beklagte vergeblich, mit dem Kläger persönlich Kontakt aufzunehmen. In der Zwischenzeit stellte sie ihn „rückwirkend“ zum 8. des Monats von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 18. Juni 2010 gab sie ihm Gelegenheit, sich zu den - von ihr näher beschriebenen - Vorfällen vom 7. Juni 2010 zu äußern. Der Kläger erklärte binnen der ihm bis zum 21. Juni 2010 eingeräumten Frist, er werde einstweilen keine Angaben zur Sache machen.

9

Am 18. Juni 2010 unterrichtete die Beklagte den Personalrat von ihrer Absicht, den Kläger außerordentlich zu kündigen. Sie gab den Inhalt des Protokolls der Beschlagnahme wieder und erklärte, zu ihrer Überzeugung habe sich der Kläger des Diebstahls schuldig gemacht, indem er zusammen mit seinem Kollegen wenigstens 180 Liter Dieselkraftstoff weggenommen und sich rechtswidrig zugeeignet habe. Der Personalrat ließ die Frist zur Äußerung verstreichen.

10

Mit Schreiben vom 24. Juni 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos.

11

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Er habe lediglich Abfalldieselöl an sich genommen bzw. einem Kollegen überlassen. Das Öl sei nicht mehr verwendungsfähig gewesen und habe andernfalls kostenpflichtig entsorgt werden müssen. Darin liege allenfalls eine geringfügige Pflichtverletzung. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt. Der Personalrat der Dienststelle sei nicht ordnungsgemäß über den wahren Kündigungssachverhalt unterrichtet worden. Aufgrund seiner „Beistellung“ habe außerdem der Betriebsrat der GmbH angehört werden müssen.

12

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 24. Juni 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Kündigung sei aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Der Kläger habe sich aus ihren Beständen große Mengen Dieselkraftstoff rechtswidrig zugeeignet. Am 7. Juni 2010 seien auf dem Grundstück des Kollegen mehrere tausend Liter Dieselöl beschlagnahmt worden. Im Keller des Hauses seien mindestens 540 Liter Kraftstoff sichergestellt worden, der zweifelsfrei ihr - der Beklagten - zuzuordnen gewesen sei. Hinzu kämen je 180 Liter Dieselkraftstoff, die in den Fahrzeugen des Klägers und des Kollegen vorgefunden worden seien. Dabei habe es sich nicht um bloßes „Abfalldieselöl“ gehandelt. Im Übrigen liege selbst dann eine erhebliche Pflichtverletzung vor. Der Kläger habe nicht nur beabsichtigt, sich oder seinem Kollegen durch die Entwendung des Kraftstoffs finanzielle Vorteile zu verschaffen. Er habe außerdem die ihm eingeräumte Vertrauensstellung missbraucht. Die Kündigungserklärungsfrist sei eingehalten. Ihre kündigungsberechtigten Mitarbeiter hätten nicht vor dem 10. Juni 2010 von den maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Anhörung des Personalrats sei - ausgehend von ihrem damaligen Kenntnisstand - ordnungsgemäß erfolgt.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Parallel dazu hörte sie - mit Schreiben vom 6. März 2012 - den Personalrat zu ihrer Absicht an, die bereits erklärte Kündigung zusätzlich auf neue Erkenntnisse bezüglich der Menge und der Art des entwendeten Kraftstoffs sowie auf einen Verdacht als Kündigungsgrund zu stützen. Außerdem teilte sie dem Personalrat mit, sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich erneut zu kündigen. Mit Schriftsatz vom 16. April 2012 hat sie den betreffenden Sachverhalt in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt. Der Kläger hat daraufhin „hilfsweise“ beantragt festzustellen, dass die weitere, „eventuell ausgesprochene Kündigung“ das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat; die Beklagte hat beantragt, den Hilfsantrag „zurückzuweisen“.

15

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage „insgesamt abgewiesen“. Mit seiner Revision begehrt der Kläger, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen und sodann nach seinem Hilfsantrag zu erkennen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision ist unbegründet.

17

A. Das prozessuale Vorgehen des Klägers in der Berufungsinstanz war zulässig. Das betrifft insbesondere den dort erstmals angebrachten Feststellungsantrag. Die darin liegende Klageerweiterung ist als - im Streitfall zulässige - Anschlussberufung zu verstehen.

18

I. Dem Kläger stand für eine Erweiterung der Klage im Berufungsrechtszug nur der Weg der Anschlussberufung zur Verfügung (bspw. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 11). Als solche ist die Klageerweiterung zu behandeln. Einer Beschwer durch das erstinstanzliche Urteil bedarf es für die Anschlussberufung nicht (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - aaO; 10. Februar 2009 - 3 AZR 728/07 - Rn. 11).

19

II. Die Anschlussberufung ist gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG binnen der dem Kläger nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG verlängerten Berufungsbeantwortungsfrist beim Landesarbeitsgericht eingegangen(zu dieser Voraussetzung im Einzelnen BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 12). Sie ist auch im Übrigen zulässig.

20

B. Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden. Der auf die fristlose Kündigung vom 24. Juni 2010 bezogene Feststellungsantrag ist unbegründet. Die Kündigung ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Über die weitergehenden (unechten) Hilfsanträge war nicht mehr zu entscheiden. Dies hat bei richtigem Verständnis schon das Landesarbeitsgericht nicht getan.

21

I. Die Kündigung vom 24. Juni 2010 ist gemäß § 34 Abs. 2 TVöD iVm. § 626 BGB aus wichtigem Grund gerechtfertigt.

22

1. Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD konnte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers, der im Kündigungszeitpunkt das 40. Lebensjahr vollendet hatte und länger als 15 Jahre bei ihr beschäftigt war, nur aus einem wichtigen Grund kündigen. Auf die tarifliche Besitzstandsregelung in § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD kommt es im Streitfall nicht an.

23

2. Mit dem Begriff „wichtiger Grund“ knüpft die tarifvertragliche Bestimmung an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an, deren Verständnis deshalb auch für die Auslegung der Tarifnorm maßgebend ist(BAG 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12, BAGE 132, 299; 27. November 2003 - 2 AZR 601/02 - zu B I 5 der Gründe mwN). Aufgrund der Bezugnahme gilt zugleich § 626 Abs. 2 BGB. Danach kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen erklärt werden (BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 31; 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12 mwN, aaO).

24

3. Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB sind erfüllt.

25

a) Gemäß dieser Vorschrift kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15 mwN, BAGE 146, 303).

26

b) Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet sein (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 29, BAGE 137, 54). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19 mwN).

27

c) Begeht ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Dies gilt auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Gegenstände von geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 18; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 26, BAGE 134, 349). Maßgebend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 17, BAGE 142, 176).

28

d) Im Streitfall liegt eine in diesem Sinne erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor.

29

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe im Frühjahr 2010 gemeinschaftlich mit seinem Kollegen mehrere hundert Liter Abfalldieselöl ohne Erlaubnis vom Betriebsgelände der GmbH entfernt, um es zu filtern und anschließend nach Möglichkeit selbst weiterzuverwenden oder an einen interessierten Dritten abzugeben. 180 Liter des verunreinigten Kraftstoffs - sechs Kanister - seien in seinem eigenen Fahrzeug vorgefunden worden. Diese Feststellungen greift der Kläger nicht an.

30

bb) Danach hat der Kläger seine Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich und schuldhaft verletzt. Dafür kommt es nicht darauf an, ob das Abfalldieselöl im Eigentum der Beklagten oder der GmbH stand und ob das in Rede stehende Verhalten einen Straftatbestand erfüllt.

31

(1) Dem Kläger war - unter Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten - dauerhaft eine Tätigkeit bei der GmbH zugewiesen worden. Im Rahmen dieser Personalgestellung musste er die Vermögensinteressen der GmbH in gleicher Weise wahren wie diejenigen der Beklagten. Im Übrigen lief die unberechtigte Wegnahme des Kraftstoffs in Anbetracht ihrer Beteiligung an der GmbH unmittelbar den Vermögensinteressen der Beklagten zuwider, mag diese auch - wie vom Kläger behauptet - nicht die Mehrheit der Anteile gehalten haben. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe die Eigentumsverhältnisse an dem in Rede stehenden Kraftstoff nicht hinreichend aufgeklärt, geht damit ins Leere.

32

(2) Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen des Klägers, ihm habe das Unrechtsbewusstsein gefehlt, als Schutzbehauptung gewertet und eine vorsätzliche Verletzung seiner vertraglichen Nebenpflicht angenommen. Diese Würdigung liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Tatsachengericht von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und keine Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt hat (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 16; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 21). Einen solchen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Er ist auch nicht offensichtlich. Der Kläger konnte angesichts der gesonderten Aufbewahrung des Abfalldieselöls auf dem Betriebsgelände der GmbH und der Beauftragung einer darauf spezialisierten Drittfirma nicht im Zweifel darüber sein, dass der Beklagten an dessen fachgerechter Entsorgung gelegen war. Er musste wissen, dass er sich Kraftstoff - welcher Qualität auch immer - nicht ohne ausdrückliche Einwilligung der hierfür zuständigen Mitarbeiter aneignen durfte. Seiner eigenen Einlassung zufolge hat er das Abfalldieselöl auch nicht für wirtschaftlich wertlos erachtet. Beides reichte aus, um für ihn auch subjektiv eine Erlaubnis zur Mitnahme auszuschließen.

33

e) Die Kündigung ist bei Beachtung der Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt.

34

aa) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 17, BAGE 146, 303; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27). Auch bei der fristlosen Kündigung eines tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses muss die Vertrauensgrundlage so schwer gestört sein, dass jede weitere Zusammenarbeit für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Eine außerordentliche fristlose Kündigung ist gerechtfertigt, wenn es dem Arbeitgeber nicht zumutbar war, den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der „fiktiven“ Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 827/06 - Rn. 37; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 44; vgl. auch BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 20).

35

bb) Danach hat das Landesarbeitsgericht den ihm im Rahmen der Interessenabwägung zukommenden Beurteilungsspielraum (dazu BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 35 mwN) nicht verletzt. Es hat alle wesentlichen Aspekte des Falls berücksichtigt und die beiderseitigen Interessen vertretbar abgewogen.

36

(1) Der Kläger hat seine Stellung als Betriebsstoffhelfer zu einer Verletzung des Eigentums entweder der Beklagten oder des Kooperationsunternehmens missbraucht. In beiden Fällen liegt ein schwerwiegender Vertrauensbruch vor. Der Kläger war im Rahmen des ihm zugewiesenen Aufgabenbereichs dafür verantwortlich, dass Betriebsstoffe nur an Berechtigte ausgegeben würden. Er hatte dies entsprechend zu dokumentieren. Stattdessen hat er sich bewusst und ohne Rücksprache mit seinen Vorgesetzten zumindest Abfalldieselöl in erheblicher Menge in der Absicht angeeignet, sich oder seinem Kollegen auf diese Weise wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Unerheblich ist, ob er in der Annahme gehandelt hat, er bewahre die Beklagte vor eigenen Aufwendungen. Die Interessen der Beklagten und ihres Kooperationsunternehmens waren erkennbar darauf gerichtet, das verunreinigte und für die Umwelt nicht ungefährliche Abfalldieselöl auf dem Betriebsgelände zwischenzulagern, um es anschließend fachgerecht entsorgen zu lassen.

37

(2) Die Pflichtverletzung ist von solchem Gewicht, dass ihre Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen war (zu diesem Maßstab vgl. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 20; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16). Die nahezu 30-jährige, ohne Beanstandungen gebliebene Betriebszugehörigkeit des Klägers und der - zu seinen Gunsten unterstellt - allenfalls geringfügige Verkehrswert des entwendeten Kraftstoffs führen zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger hat seine Vertragspflichten wiederholt verletzt. Er hat aus purem Eigennutz in erheblichem Umfang Stoffe, von denen Gefahren für die Umwelt ausgehen können, einer durch die Verantwortlichen vorgesehenen fachgerechten Entsorgung entzogen. Dies brauchte die Beklagte - auch ohne vorherige Abmahnung - nicht hinzunehmen.

38

4. Die Beklagte hat die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

39

a) Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Bestimmung mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die sachgerechte Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände (BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54).

40

b) Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 14; 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27). Dabei kommt es nicht darauf an, ob er ggf. eine Kündigung wegen erwiesener Tat oder wegen eines zumindest erdrückenden Verdachts zu erklären beabsichtigt. Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - zu II 1 der Gründe, BAGE 73, 42). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf in der Regel nicht mehr als eine Woche betragen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54). Bei Vorliegen besonderer Umstände kann sie überschritten werden (BAG 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 24, BAGE 117, 168). Unerheblich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder nicht (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO; 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - aaO). Gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Stellungnahme, so gereicht ihm dies hinsichtlich des Beginns der zweiwöchigen Ausschlussfrist deshalb auch dann nicht zum Nachteil, wenn der Arbeitnehmer innerhalb angemessener Überlegungszeit keine Erklärung abgibt oder seine Stellungnahme rückblickend zur Feststellung des Sachverhalts nichts beiträgt (BAG 27. Januar 1972 - 2 AZR 157/71 - zu 3 der Gründe, BAGE 24, 99). Das bedeutet zugleich, dass der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub iSv. § 626 Abs. 2 BGB nicht nachträglich entfällt, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme zum Anlass nimmt, nunmehr auf die Anhörung des Arbeitnehmers zu verzichten(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO).

41

c) Danach hat die Beklagte die Kündigung iSv. § 626 Abs. 2 BGB rechtzeitig erklärt.

42

aa) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, den kündigungsberechtigten Mitarbeitern der Beklagten seien die Vorfälle vom 7. Juni 2010 nicht vor dem 10. Juni 2010 bekannt geworden. Mit dem Zugang der fristlosen Kündigung am 24. Juni 2010 ist die Zwei-Wochen-Frist gewahrt.

43

bb) Die Kündigung wäre selbst dann fristgerecht erfolgt, wenn die Kündigungsberechtigten von dem Geschehen bereits am 7. Juni 2010 Kenntnis erlangt hätten. Die Beklagte durfte es für erforderlich halten, den Kläger zum Kündigungssachverhalt anzuhören. Es war nicht auszuschließen, dass sich aus seiner Äußerung weitere, etwa ihn entlastende Umstände ergeben würden. Eine Verzögerung bei der Anhörung ist der Beklagten nicht anzulasten. Bereits am 11. Juni 2010 hat sie versucht, den Kläger telefonisch zu kontaktieren. Nachdem dieser und ein weiterer Versuch, ihn persönlich anzusprechen, erfolglos blieben, hat sie ihm - zeitnah - Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben und seine Äußerung abgewartet. Ebenso wenig handelte die Beklagte willkürlich, als sie die Kündigung schon am 24. Juni 2010 erklärte. Der Kläger hatte nicht etwa um eine Verlängerung der Äußerungsfrist gebeten.

44

cc) Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass er bereits ab dem 8. Juni 2010 freigestellt worden sei, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - mangels Entscheidungserheblichkeit unbegründet. Selbst wenn die Freistellung einen Hinweis auf die Kenntnis einschlägiger Tatsachen gäbe, führte dies nicht dazu, dass die Beklagte die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt hätte.

45

II. Die Kündigung vom 24. Juni 2010 ist nicht deshalb unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden wäre (§ 79 Abs. 4 BPersVG). Der Kündigungssachverhalt, wie er der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zugrunde liegt, hatte sich gegenüber dem der Personalvertretung mitgeteilten Geschehen auch nicht in einer Weise verändert, dass er nur nach erneuter Anhörung des Personalrats prozessual verwertbar gewesen wäre.

46

1. Nach § 79 Abs. 3 BPersVG ist der Personalrat vor außerordentlichen Kündigungen anzuhören. Der Dienststellenleiter hat die beabsichtigte Maßnahme zu begründen. Hat der Personalrat Bedenken, so hat er sie unter Angabe der Gründe dem Dienstellenleiter unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen, schriftlich mitzuteilen. Nach § 79 Abs. 4 BPersVG ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Diese Rechtsfolge tritt auch bei nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats ein (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 45; 12. März 2009 - 2 AZR 251/07 - Rn. 36). Zu dieser Beteiligung gehört insbesondere die hinreichende Unterrichtung des Gremiums. Der Personalrat ist ordnungsgemäß unterrichtet worden, wenn der Arbeitgeber die für ihn subjektiv tragenden Gründe, auf denen sein Kündigungsentschluss beruht, mitgeteilt hat (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 57; für die ordentliche Kündigung bspw. BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 22). Darauf, ob diese Umstände auch objektiv geeignet und ausreichend sind, die Kündigung zu stützen, kommt es für die Ordnungsgemäßheit der Unterrichtung nicht an (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 46). Fehlerhaft ist die Unterrichtung, wenn der Dienstherr dem Personalrat bewusst und gewollt unrichtige oder unvollständige Sachverhalte unterbreitet hat (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - aaO).

47

2. Die Parteien streiten nicht darüber, dass die Beklagte das Mitbestimmungsverfahren gegenüber dem zuständigen örtlichen Personalrat formell ordnungsgemäß eingeleitet und die zu beachtenden Fristen gewahrt hat. Ein Rechtsfehler ist insoweit nicht zu erkennen.

48

3. Die Beklagte hat den Personalrat nicht bewusst irreführend über das Ausmaß der Pflichtverletzung unterrichtet, soweit sie ihm mitgeteilt hat, der Kläger habe „wenigstens 180 Liter Dieselkraftstoff“ entwendet. Auf die genaue Menge und die Qualität des Diesels, dh. ob es sich um verunreinigte und nicht mehr gebrauchsfähige Kraftstoffreste oder um bessere Qualität handelte, kam es ihr - soweit sie hiervon im Kündigungszeitpunkt überhaupt konkrete Kenntnis hatte - ersichtlich nicht an. Es handelt sich zudem um Umstände, die für den Kern des mitgeteilten Vorwurfs, der Kläger habe vom Betriebsgelände der GmbH eine erhebliche Menge von Dieselkraftstoff widerrechtlich entwendet, nicht entscheidend sind. In einem solchen Fall ist es unschädlich, wenn sich der dem Personalrat mitgeteilte Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess nicht in seiner Gesamtheit bestätigt (vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 34).

49

4. Der Kläger erhebt keine zulässige Verfahrensrüge, soweit er geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe eine gebotene Zeugenvernehmung zum „Informationsumfang und Informationsinhalt bei der Anhörung“ unterlassen. Es fehlt an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des unter Beweis gestellten Vorbringens (vgl. dazu BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 1005/12 - Rn. 28 mwN).

50

III. Die Kündigung ist nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass im Kündigungszeitpunkt im maßgebenden Betrieb der GmbH ein Betriebsrat gewählt war. Dieser war auch mit Blick auf die Gestellung des Klägers nicht zur Kündigung anzuhören. Das ergibt die Auslegung von §§ 1, 6 Abs. 1 und Abs. 3 BwKoopG.

51

1. Nach § 1 BwKoopG gilt dieses Gesetz ua. für Angestellte des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung, soweit und solange ihnen unter Beibehaltung ihres Dienst- oder Arbeitsverhältnisses zum Bund eine Tätigkeit in einem Wirtschaftsunternehmen zugewiesen wurde, mit dem die Bundeswehr eine Kooperation eingegangen ist. Die GmbH ist ein solches Kooperationsunternehmen. Die ihr zugewiesenen oder gestellten Arbeitnehmer, zu denen der Kläger zählt, gelten daher nach § 6 Abs. 1 BwKoopG ua. für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes als ihre Arbeitnehmer. Die Regelung in § 6 Abs. 3 BwKoopG sichert die Erfüllung der Verpflichtungen des Kooperationsbetriebs aus den in § 6 Abs. 1 BwKoopG genannten Gesetzen, ua. aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Grundsätzlich obliegt es dem Kooperationsbetrieb, die Verpflichtungen zu erfüllen. Scheitert dies allerdings daran, dass der Beschäftigte nicht in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zum Kooperationsunternehmen steht, hat die betreffende Dienststelle dafür einzustehen (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 33, BAGE 138, 25).

52

2. Die Regelungen in § 6 Abs. 1, Abs. 3 BwKoopG tragen dem Umstand Rechnung, dass das Personal der Bundeswehr langfristig in dem privatrechtlich organisierten Betrieb eines Kooperationspartners eingesetzt und dort in die Arbeitsabläufe eingegliedert wird. Mit Blick auf diese faktische Eingliederung soll für den Bereich der betrieblichen Interessenvertretung eine Gleichstellung mit den Arbeitnehmern des Kooperationsbetriebs erreicht werden (vgl. BT-Drs. 15/2944 S. 9), die sich nicht nur darin erschöpft, dass den Betroffenen das aktive und passive Wahlrecht im Kooperationsbetrieb zugestanden wird (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 36, BAGE 138, 25). Gleichwohl bedeutet die grundsätzliche Einbeziehung zugewiesener oder gestellter Arbeitnehmer in die Betriebsverfassung nicht zwingend, dass dem Betriebsrat des Kooperationsbetriebs für diese Personengruppen uneingeschränkt die Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes zukommen. Bestand und Umfang der betrieblichen Mitbestimmung richten sich vielmehr nach dem Gegenstand und Zweck des jeweiligen Mitbestimmungsrechts und der darauf bezogenen Entscheidungsmacht (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 41, aaO; 9. Juni 2011 - 6 AZR 132/10 - Rn. 32, BAGE 138, 116; zum Gegenstandsbezug siehe auch BAG 19. Juni 2001 - 1 ABR 43/00 - zu B II 4 und 5 der Gründe, BAGE 98, 60).

53

3. Das Anhörungsrecht des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG zielt - ebenso wie die Anhörung des Personalrats zur Kündigung nach § 79 Abs. 3 BPersVG - nicht darauf ab, die Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu überprüfen. Es beschränkt sich vielmehr darauf, dem Betriebsrat im Vorfeld der Kündigung die Möglichkeit zu geben, auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen (für § 102 BetrVG vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 76, BAGE 144, 125; 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - zu II 2 der Gründe, BAGE 78, 39). Da im Fall der Kündigung von gestellten Arbeitnehmern der Kündigungsentschluss nicht durch den Inhaber des Kooperationsbetriebs gefasst und umgesetzt wird, sondern die Entscheidung typischerweise beim öffentlichen (Vertrags-)Arbeitgeber liegt, macht eine Beteiligung des Betriebsrats des Kooperationsbetriebs insoweit keinen Sinn (Altvater/Altvater 8. Aufl. § 6 BwKoopG Rn. 4; Tiling öAT 2013, 139, 140; für die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG: BAG 9. Juni 2011 - 6 AZR 132/10 - Rn. 32, BAGE 138, 116; ebenso: APS/Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 8a; Fitting BetrVG 27. Aufl. § 5 Rn. 319, § 102 Rn. 20d; Raab in GK-BetrVG § 5 Rn. 78). Eine Verdoppelung der Beteiligungsverfahren mit womöglich gegenläufigen Voten der beiden Arbeitnehmervertretungen wäre mangels Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers des Beschäftigungsbetriebs nicht geeignet, die Lage des betroffenen Arbeitnehmers relevant zu verbessern (Tiling aaO). Soweit der Personalrat aus seiner Sicht nicht über die erforderliche Sachverhaltskenntnis verfügt, um anhand der Mitteilungen des öffentlichen Arbeitgebers ein vollständiges Bild vom behaupteten Kündigungsgrund zu gewinnen, steht es ihm frei, dazu weitere Erkundigungen einzuholen und etwa den Arbeitnehmer anzuhören.

54

4. Nach diesen Grundsätzen war eine Beteiligung des Betriebsrats der GmbH nicht geboten. Die in Rede stehende außerordentliche fristlose Kündigung betrifft das zur Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass die Kündigungsbefugnis allein bei ihr lag. Daran vermag auch eine größere Sachnähe des Betriebsrats des Kooperationsbetriebs nichts zu ändern. Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn die Ausübung des Kündigungsrechts durch den öffentlichen Arbeitgeber an das Einverständnis des Inhabers des Kooperationsbetriebs geknüpft wäre (dazu Fitting BetrVG 27. Aufl. § 102 Rn. 20d; Tiling öAT 2013, 139, 140), kann dahinstehen. Für einen solchen Sachverhalt fehlt es an Anhaltspunkten. Ebenso wenig hat der Kläger behauptet, die Beklagte und ihr Kooperationsunternehmen hätten den Betrieb gemeinsam geführt.

55

IV. Die Kündigung ist nicht gemäß § 174 Satz 1 BGB oder wegen eines Mangels in der Vertretungsmacht nach § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe seinen Vortrag zur „Frage der Kündigungsbefugnis“ übergangen, ist unzulässig. Soweit das Vorbringen auf eine Unwirksamkeit der Kündigung nach § 174 Satz 1 BGB abzielt, lassen die Ausführungen in der Revisionsbegründung nicht erkennen, dass der Kläger die Kündigung unverzüglich mangels Vorlage eines Vollmachtnachweises zurückgewiesen hätte(zu den Anforderungen an die Zurückweisung vgl. BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 354/10 - Rn. 33 mwN, BAGE 140, 64). Auf die Berechtigung einer entsprechenden Zurückweisung kommt es demzufolge nicht an. Soweit der Kläger geltend machen will, das Landesarbeitsgericht habe außer Acht gelassen, dass er die Kündigungsbefugnis des „die Kündigung unterschreibenden Mitarbeiters“ bestritten habe, zeigt er die Entscheidungserheblichkeit des vermeintlich übergangenen Vortrags nicht auf. Das gilt insbesondere angesichts der Möglichkeit einer konkludenten Genehmigung der Kündigung durch die Beklagte (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 13), von der das Landesarbeitsgericht stillschweigend ausgegangen sein dürfte.

56

V. Da die Kündigung somit bereits wegen erwiesener Tat wirksam ist, kann dahinstehen, ob der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zu folgen wäre, die Beklagte könne sich auf den Verdacht, der Kläger habe wesentlich größere Mengen Diesel und in der Qualität höherwertigen Kraftstoff vom Betriebsgelände der GmbH rechtswidrig entwendet, deshalb nicht berufen, weil die Voraussetzungen für das Nachschieben eines solchen Kündigungsgrundes nicht vorgelegen hätten.

57

VI. Der Feststellungsantrag des Klägers betreffend die weitere Kündigung ist als unechter Hilfsantrag zu verstehen. Er ist nur für den Fall gestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht bereits durch die vorausgegangene fristlose Kündigung sein Ende gefunden hat. Gleiches gilt für den Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung. Über beide Anträge war dementsprechend nicht zu entscheiden. Auch das Landesarbeitsgericht hat das Begehren des Klägers nicht anders verstanden. Es hat den Weiterbeschäftigungsantrag nicht auch in der Sache abschlägig beschieden, soweit es das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage „insgesamt abgewiesen“ hat. Es hat damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der stattgebenden Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag wegen der Erfolglosigkeit des Feststellungsantrags die Grundlage entzogen war. Die Anschlussberufung des Klägers ist damit gleichermaßen gegenstandslos.

58

VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Bartz    

        

    Alex    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 19. März 2012 - 2 Sa 1105/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der 1958 geborene Kläger war seit September 1981 bei der beklagten Rundfunkanstalt beschäftigt, zuletzt als Techniker im IT-Service. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Manteltarifvertrag war das Arbeitsverhältnis - es sei denn wegen Leistungsminderung - nur noch außerordentlich kündbar.

3

Im Juli und November 2010 wurden Räume der Beklagten durchsucht. Nach dem Vorbringen der Beklagten hatte es eine anonyme Anzeige gegeben, derzufolge mehrere ihrer Mitarbeiter, ua. der Kläger, bei Ausschreibungen über Telekommunikations- und Datennetzleistungen in Absprache mit einer beauftragten Firma die Leistungsverzeichnisse manipuliert hatten. Am 7. Dezember 2010 lag der Beklagten ein Bericht ihrer Innenrevision über die Leistungsabrufe der betreffenden Firma vor. Danach hat der Kläger von dieser ua. einen Barbetrag in Höhe von 200,00 Euro erhalten. Eine Schließanlage, die er von der Firma schon zuvor erhalten und bei sich eingebaut hatte, hatte der Kläger an die Beklagte zurückgegeben.

4

Mit Schreiben vom 8. Dezember 2010 lud die Beklagte den Kläger zu einer Anhörung für den 13. Dezember 2010 in ihre Geschäftsräume ein. Der Kläger war seit dem 26. Juli 2010 erkrankt. Er teilte mit E-Mail vom 12. Dezember 2010 mit, er könne den Termin wegen einer Rehabilitationsmaßnahme nicht wahrnehmen. Er bat darum, ihn schriftlich anzuhören und die Fragen seinem Prozessbevollmächtigten zu schicken. Die Beklagte sandte daraufhin am 14. Dezember 2010 sowohl an den Kläger als auch an dessen Prozessbevollmächtigten einen zehn Seiten langen Fragenkatalog, der sich auf 13 einzelne Fragenbereiche bezog. Sie setzte dem Kläger eine Frist zur Beantwortung bis zum 17. Dezember 2010, 12:00 Uhr.

5

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2010 - welches nach Angaben der Beklagten am 20. Dezember 2010 bei ihr einging -, teilten die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dieser befinde sich noch bis zum 11. Januar 2011 in der Rehabilitationsmaßnahme. Es sei deshalb „kaum möglich“, innerhalb der gesetzten Frist zu den Fragen Stellung zu nehmen. Es sei eine zeitaufwendige Besprechung mit dem Kläger erforderlich. Diese könne wegen der noch laufenden Rehabilitationsmaßnahme erst im Laufe des Monats Januar 2011 erfolgen. Eine Stellungnahme sei nach Ablauf der Maßnahme zu erwarten. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2010, welches bei der Beklagten tags darauf einging, nahmen die Prozessbevollmächtigten auf ihr Schreiben vom 15. Dezember 2010 Bezug und rügten, die Zusendung des Fragenkataloges habe zu einem gesundheitlichen Rückschlag des Klägers geführt. Tatsächlich litt der Kläger an einer psychischen Erkrankung. Ob dies der Beklagten bekannt war, ist nicht festgestellt.

6

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2010 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Personalrat zu einer beabsichtigten Verdachts- und Tatkündigung an. Der Personalrat widersprach mit Schreiben vom 22. Dezember 2010 mit der Begründung, der Kläger sei nicht ausreichend angehört worden.

7

Mit Schreiben vom 27. Dezember 2010 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis fristlos.

8

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat gemeint, es fehle an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB. Außerdem habe die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Von dem Kündigungsschreiben habe er erst am 30. Dezember 2010 Kenntnis erlangt. Für eine auf den Verdacht einer Pflichtverletzung gestützte Kündigung fehle es an seiner ordnungsgemäßen Anhörung.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 27. Dezember 2010 nicht aufgelöst worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wirksam. Der Kläger habe an Straftaten zu ihren Lasten mitgewirkt. Er habe bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen für den Rahmenvertrag mit der beauftragten Firma bewusst fehlerhafte Mengenangaben zugrunde gelegt. Dies habe dazu geführt, dass diese die Ausschreibung gewonnen habe. Dadurch sei ihr - der Beklagten - ein wirtschaftlicher Nachteil entstanden. Die beauftragte Firma sei in demjenigen Leistungsbereich besonders teuer gewesen, in welchem der Kläger eine zu geringe Auftragsanzahl prognostiziert habe. Zudem habe der Kläger zu Gunsten der Firma Aufmaße mit einem unzutreffend hohen Leistungsumfang bestätigt. Insgesamt sei ihr durch sein Verhalten ein Schaden von wenigstens 19.000,00 Euro entstanden. Sie habe alle zumutbaren Anstrengungen unternommen, um den Sachverhalt aufzuklären. Der Kläger habe den Fragenkatalog beantworten können. Er sei äußerungsfähig gewesen. Das Kündigungsschreiben sei noch am 27. Dezember 2010 um 15:15 Uhr in seinen Briefkasten eingeworfen worden.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung vom 27. Dezember 2010 nicht als unwirksam ansehen. Ob sie wirksam ist, steht noch nicht fest.

13

I. Die Kündigung wegen vom Kläger tatsächlich begangener Pflichtverletzungen ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte die zweiwöchige Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten hätte. Die Frist hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht spätestens am Tag nach dem 7. Dezember 2010 zu laufen begonnen.

14

1. Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Norm mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände ( BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27; 27. Januar 2011 -  2 AZR 825/09  - Rn. 15 , BAGE 137, 54). Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne( BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - aaO; 25. November 2010 - 2 AZR 171/09  - Rn. 15). Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - zu II 1 der Gründe, BAGE 73, 42). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, aaO; 2. März 2006 -  2 AZR 46/05  - Rn. 24 , BAGE 117, 168 ). Bei Vorliegen besonderer Umstände darf sie auch überschritten werden (BAG 2. März 2006 -  2 AZR 46/05  - aaO). Unerheblich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder nicht ( BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - aaO; 25. November 2010 - 2 AZR 171/09  - aaO). Gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Stellungnahme, so gereicht ihm dies hinsichtlich des Beginns der zweiwöchigen Ausschlussfrist deshalb auch dann nicht zum Nachteil, wenn der Arbeitnehmer innerhalb angemessener Überlegungszeit keine Erklärung abgibt oder seine Stellungnahme rückblickend zur Feststellung des Sachverhalts nichts beiträgt (BAG 27. Januar 1972 - 2 AZR 157/71 - zu 3 der Gründe, BAGE 24, 99). Das bedeutet zugleich, dass der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub iSv. § 626 Abs. 2 BGB nicht nachträglich entfällt, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme für den Arbeitnehmer zum Anlass nimmt, nunmehr auf dessen Anhörung zu verzichten. Ein solcher nachträglicher Wegfall des ursprünglichen Aufschubs käme nur in Frage, wenn der betreffende Entschluss des Arbeitgebers auf Willkür beruhte. Davon kann die Rede nicht sein, wenn Anlass für den neuen Entschluss der Umstand ist, dass sich der Arbeitnehmer innerhalb einer ihm gesetzten, angemessenen Frist nicht geäußert hat.

15

2. Danach hat die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht deshalb nicht gewahrt, weil diese spätestens mit dem auf den 7. Dezember 2010 folgenden Tag zu laufen begonnen hätte.

16

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte sei spätestens am 7. Dezember 2010 in der Lage gewesen, sich ein Bild darüber zu machen, ob die im Revisionsbericht aufgeführten Sachverhalte Grundlage für die Überzeugung sein konnten, der Kläger habe die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen begangen. Um darauf eine Kündigung zu stützen, habe es für sie keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung, insbesondere keiner Anhörung des Klägers bedurft. Sie sei schließlich auch ohne neue Erkenntnisse zu dem Schluss gekommen, der ihr bereits am 7. Dezember 2010 möglich gewesen sei. Die Frist für den Ausspruch einer auf tatsächlich begangene Pflichtverletzungen gestützten Kündigung habe damit am 21. Dezember 2010 geendet. Bis zu diesem Zeitpunkt sei die Kündigung dem Kläger - unstreitig - nicht zugegangen.

17

b) Diese Würdigung hält einer Überprüfung nicht stand. Zwar lag der Beklagten am 7. Dezember 2010 der Bericht ihrer Innenrevision vor. Sie durfte es aber nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich halten, dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zu den darin enthaltenen Anschuldigungen zu geben. Es war nicht ausgeschlossen, dass sie dadurch von Umständen Kenntnis erlangen könnte, die den bisher ermittelten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen ließen. Darauf, ob die Anhörung tatsächlich neue Erkenntnisse erbrachte, kommt es nicht an.

18

3. Ob die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt hat, steht noch nicht fest.

19

a) Allerdings hat die Beklagte, nachdem der Bericht der Innenrevision vorlag, den Kläger hinreichend zeitnah zu einer Anhörung eingeladen. Der vorgesehene Termin am 13. Dezember 2010 lag innerhalb einer Woche. Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, dass er den Termin wegen seiner Rehabilitationsmaßnahme nicht wahrnehmen könne, widersprach es auch nicht der gebotenen Eile, ihm zur Beantwortung des Fragenkatalogs eine Frist bis zum 17. Dezember 2010 zu setzen. Der Kläger selbst hatte um schriftliche Anhörung gebeten. Dies ist ein Umstand, der für die Anhörung das Überschreiten der Regelfrist von einer Woche rechtfertigt. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann demnach erst mit Ablauf der dem Kläger gesetzten Frist zur Stellungnahme, dh. am 18. Dezember 2010 zu laufen. Die Beklagte hätte die Kündigungserklärungsfrist selbst dann eingehalten, wenn die Kündigung dem Kläger erst am 30. Dezember 2010 zugegangen sein sollte.

20

b) Das Landesarbeitsgericht hat bisher aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob eine für die Beklagte kündigungsberechtigte Person schon vor dem 17. Dezember 2010 von Umständen Kenntnis erlangt hatte, die darauf schließen ließen, der Kläger werde sich bis zum Ablauf der ihm gesetzten Frist ohnehin nicht mehr äußern. In diesem Fall käme ein entsprechend früherer Fristbeginn in Betracht. Dann wiederum könnte es für die Wahrung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB darauf ankommen, wann genau die Kündigung dem Kläger im Rechtssinne zugegangen ist. Ebenso wenig hat das Landesarbeitsgericht bisher aufgeklärt, ob die Beklagte bis zur Vorlage des Berichts der Innenrevision am 7. Dezember 2010 die Aufklärungsmaßnahmen mit der gebotenen Eile vorgenommen hat.

21

c) Demgegenüber wurde der Fristbeginn nicht schon deshalb hinausgeschoben, weil der Kläger eine Stellungnahme erst nach dem Ende seiner Rehabilitationsmaßnahme in Aussicht gestellt hatte. Die Beklagte hatte die ihm bis zum 17. Dezember 2010 gesetzte Frist nicht verlängert. Darauf, ob andernfalls ein entsprechendes Zuwarten noch mit dem Gebot hinreichend zügiger Aufklärung vereinbar wäre, kommt es nicht an.

22

II. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten, wird es zu prüfen haben, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Sofern es dies nicht wegen erwiesener Pflichtverletzung(en) des Klägers bejahen sollte, wird es prüfen müssen, ob ein solcher Grund zumindest wegen des Verdachts einer erheblichen Pflichtverletzung gegeben ist. Unter diesem Aspekt wäre die Kündigung auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht deshalb unwirksam, weil es an der erforderlichen Anhörung des Klägers fehlte.

23

1. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung. Bei ihr besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung nicht „ultima ratio“ (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 31; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 32). Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung Gelegenheit geben, zu den Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen, um dessen Einlassungen bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen zu können (BAG 30. April 1987 - 2 AZR 283/86 - zu B I 2 c der Gründe). Versäumt er dies, kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen; die hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam (BAG 30. April 1987 - 2 AZR 283/86 - zu B I 2 d der Gründe; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu C III 3 der Gründe, BAGE 49, 39).

24

a) Der Umfang der Anhörung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden(BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 33; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06  - Rn. 15 ). Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt ( BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - aaO; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06  - aaO).

25

b) Unterblieb die Anhörung, weil der Arbeitnehmer von vornherein nicht bereit war, sich auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einzulassen und nach seinen Kräften an der Aufklärung mitzuwirken, steht dies der Wirksamkeit der Verdachtskündigung nicht entgegen. Erklärt der Arbeitnehmer, er werde sich zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf nicht äußern, und nennt er für seine Weigerung keine relevanten Gründe, muss der Arbeitgeber ihn über die Verdachtsmomente nicht näher informieren ( BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 16; 28. November 2007 - 5 AZR 952/06  - Rn. 20). Eine solche Anhörung wäre überflüssig. Sie könnte zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Willensbildung des Arbeitgebers nichts beitragen ( BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - aaO; 30. April 1987 - 2 AZR 283/86 - zu B I 2 d aa der Gründe).

26

c) Ein Unterlassen der Anhörung kann auch dann unschädlich sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer - im Rahmen des Zumutbaren - Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, und dieser sich innerhalb der gesetzten - angemessenen - Frist gleichwohl nicht geäußert hat. Dies gilt einmal, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich schweigt, kann aber selbst bei unfreiwilligem Schweigen gelten. Ist etwa der Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht nur an einem persönlichen Gespräch, sondern längerfristig auch an einer schriftlichen Stellungnahme auf ihm übermittelte Fragen verhindert, muss der Arbeitgeber nicht notwendig die Zeit abwarten, zu der sich der Arbeitnehmer wieder äußern kann. Zwar mag die Frist des § 626 Abs. 2 BGB noch nicht zu laufen beginnen, solange der Arbeitgeber entsprechend zuwartet(vgl. dazu LAG Köln 25. Januar 2001 - 6 Sa 1310/00 -; Hessisches LAG 8. Oktober 1979 - 11 Sa 544/79 -). Wartet der Arbeitgeber diesen Zeitpunkt aber nicht ab, führt das nicht automatisch dazu, dass ihm eine Verletzung seiner Aufklärungspflicht vorzuwerfen wäre.

27

aa) Wartet der Arbeitgeber, dem der Arbeitnehmer mitteilt, er könne sich wegen einer Erkrankung nicht, auch nicht schriftlich äußern, dessen Gesundung ab, um ihm eine Stellungnahme zu den Vorwürfen zu ermöglichen, liegen in der Regel hinreichende besondere Umstände vor, aufgrund derer der Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB entsprechend lange hinausgeschoben wird. Dem Arbeitgeber, der die Möglichkeit einer weiteren Aufklärung durch den Arbeitnehmer trotz der Zeitverzögerung nicht ungenutzt lassen möchte, wird regelmäßig nicht der Vorwurf gemacht werden können, er betreibe keine hinreichend eilige Aufklärung, insbesondere dann nicht, wenn der Arbeitnehmer selbst um eine Fristverlängerung gebeten hat (ebenso Eylert/Friedrichs DB 2007, 2203, 2206; Mennemeyer/Dreymüller NZA 2005, 382). Dies dient nicht zuletzt dem Interesse des Arbeitnehmers an der Vermeidung einer vorschnell, ohne Rücksicht auf mögliche Entlastungen erklärten Kündigung (vgl. dazu BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 23, 34).

28

bb) Umgekehrt verletzt der Arbeitgeber in einem solchen Fall nicht notwendig seine Aufklärungspflicht aus § 626 Abs. 1 BGB, wenn er von einem weiteren Zuwarten absieht. Ihm kann - abhängig von den Umständen des Einzelfalls - eine weitere Verzögerung unzumutbar sein. Das ist anzunehmen, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen darf, der Arbeitnehmer werde sich in absehbarer Zeit nicht äußern (können). Hat etwa der Arbeitnehmer mehrmals um eine Verlängerung der gesetzten Frist zur Stellungnahme gebeten und hat sich seine Prognose, wann er sich werde äußern können, wiederholt als unzutreffend erwiesen, wird dem Arbeitgeber ein weiteres Zuwarten nicht zuzumuten sein. Mehrfache ergebnislose Fristverlängerungen können überdies die Annahme rechtfertigen, der Arbeitnehmer wolle sich in Wirklichkeit ohnehin nicht äußern. Einige weitere Tage warten zu müssen, wird der Arbeitgeber dabei in der Regel eher hinzunehmen haben als eine Wartezeit von mehreren Wochen. Es kann wiederum auch das Ende eines längeren Zeitraums abzuwarten sein, wenn schon die bisherigen Aufklärungsmaßnahmen längere Zeit in Anspruch genommen haben und keine Ansprüche des Arbeitnehmers aus Annahmeverzug drohen.

29

2. Danach ist das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, es habe an der erforderlichen Anhörung des Klägers gefehlt.

30

a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die Beklagte habe nicht annehmen dürfen, der Kläger wolle sich einer Anhörung entziehen. Der Kläger habe seine Mitwirkung bei der Anhörung angekündigt, seine Prozessbevollmächtigten hätten sie für Mitte Januar 2011 in Aussicht gestellt. Der Kläger sei psychisch erkrankt gewesen und habe sich in einer Reha-Maßnahme befunden. „Hierüber“ habe er die Beklagte unverzüglich in Kenntnis gesetzt.

31

b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht alle relevanten Umstände in seine Prüfung mit einbezogen. Die bislang festgestellten Tatsachen tragen seine Begründung nicht.

32

aa) Das Landesarbeitsgericht hat nicht gewürdigt, dass der Kläger zunächst ohne einen Hinweis auf zeitliche Einschränkungen durch die Reha-Maßnahme um eine schriftliche Anhörung gebeten hatte. Erst anschließend stellten seine Prozessbevollmächtigten eine Äußerung für eine geraume Zeit später und zu einem recht vagen Zeitpunkt in Aussicht. Sie kündigten diese nicht für „Mitte Januar 2011“ an - wovon das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist - sondern kündigten an, sie würde „im Laufe des Januar 2011“ erfolgen. Die Prozessbevollmächtigten erläuterten überdies nicht, warum nicht schon während der noch laufenden Reha-Maßnahme eine Besprechung mit dem Kläger möglich wäre. Ob sich der Kläger dazu gesundheitlich nicht in der Lage sah, ob er möglicherweise überhaupt nicht äußerungsfähig war oder ob es nur Terminprobleme bzw. sonstige organisatorische Schwierigkeiten gab, die dem entgegenstünden, wird aus ihren Schreiben nicht ersichtlich.

33

bb) Dafür, dass die Beklagte aus der Art der Erkrankung des Klägers Rückschlüsse auf das Fehlen seiner Fähigkeit hätte ziehen können, sich - und sei es schriftlich - zu äußern, gibt es nach den bisherigen Feststellungen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Es ist unklar, ob das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Kläger habe die Beklagte nicht nur über seinen Aufenthalt in einer Reha-Klinik, sondern auch über die Art seiner Erkrankung informiert. In der E-Mail vom 12. Dezember 2010 hatte der Kläger lediglich mitgeteilt, er befinde sich bis zum 11. Januar 2011 in der Klinik, sei gesundheitlich nicht in der Lage, an der Anhörung in den Räumen der Beklagten teilzunehmen, und bitte um eine schriftliche Anhörung. In den Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten werden zur Art seiner Erkrankung keine Angaben gemacht.

34

c) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dem Kläger sei es wegen seiner Erkrankung und der Durchführung der Reha-Maßnahme nicht möglich gewesen, den Fragenkatalog innerhalb der gesetzten Frist angemessen zu beantworten, beruht ebenfalls nicht auf hinreichenden Tatsachenfeststellungen. Sie rechtfertigt deshalb nicht die Würdigung, die Beklagte habe, weil sie dem Kläger keine längere Frist zur Stellungnahme gewährt habe, ihre Aufklärungspflicht verletzt.

35

aa) Das Landesarbeitsgericht stellt darauf ab, der Kläger sei von den betrieblichen Informationsquellen abgeschnitten gewesen, die ihm möglicherweise Entlastungsmaterial hätten liefern können. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger darauf - insbesondere gegenüber der Beklagten - überhaupt berufen hätte. Abgesehen davon hätte er in seiner Antwort auf diesen Umstand hinweisen können.

36

bb) Soweit das Landesarbeitsgericht annimmt, die zeitliche Beanspruchung des Klägers durch Therapieeinheiten habe die ihm zur Verfügung stehende Zeit zur Stellungnahme erheblich eingeschränkt, fehlt es an Feststellungen zum konkreten zeitlichen Umfang dieser Einheiten. Ebenso wenig ist festgestellt, dass die Beklagte von dieser Beanspruchung Kenntnis gehabt hätte und sie bei ihrer Entscheidung, dem Kläger keine Nachfrist zu gewähren, hätte in Rechnung stellen müssen.

37

d) Unerheblich ist, ob die Beklagte das Gebot der zügigen Aufklärung aus § 626 Abs. 2 BGB verletzt hätte, wenn sie dem Kläger eine Nachfrist jedenfalls bis Mitte Januar 2011 gesetzt hätte. Selbst wenn dies zu verneinen wäre, folgt allein daraus - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - nicht, dass sie ihre Aufklärungspflicht nach § 626 Abs. 1 BGB verletzt hat, weil sie dem Kläger eine solche Frist nicht gewährte.

38

3. Das Landesarbeitsgericht wird - falls es darauf ankommt - die Frage, ob der Kläger vor Ausspruch der Verdachtskündigung im Rahmen des der Beklagten Zumutbaren Gelegenheit zur Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen hatte, unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen und aller relevanten Umstände des Streitfalls erneut zu prüfen haben.

        

    Kreft    

        

    Berger     

        

    Rachor    

        

        

        

    Perreng     

        

    Wolf    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 17. Februar 2012 - 4 Sa 519/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war bei dem Beklagten - einer bayerischen Gemeinde - seit 1998 als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Er hatte die Funktion des Leiters der EDV inne. Auf sein Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung. Laut Arbeitsvertrag war er zunächst in Vergütungsgruppe IV b der Anlage 1a zum BAT eingruppiert.

3

Im Juni 2009 hörte der Beklagte den Kläger erstmals zu einem Verdacht auf Arbeitszeitmanipulation an. Am 29. Juni 2009 beschloss der Gemeinderat, dem Kläger den Abschluss eines Aufhebungsvertrags anzubieten. Da der Kläger das Angebot nicht annahm, führte der Beklagte weitere Ermittlungen durch. Zu deren Ergebnissen wurde der Kläger am 11. November 2009 angehört. Er nahm am 19. November 2009 zu den Vorwürfen Stellung.

4

Auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung des Gemeinderats des Beklagten am 2. Dezember 2009 hieß es unter Punkt 3.3:

        

„[Name des Klägers]: Beratung und ggf. Beschlussfassung über arbeitsrechtliche Konsequenzen.“

5

Am Sitzungstag beschloss der Gemeinderat gegen Mitternacht, die Beratung und Beschlussfassung über die den Kläger betreffende Angelegenheit auf den 8. Dezember 2009 zu vertagen. In dieser Sitzung informierte der erste Bürgermeister den Gemeinderat über die nach Abschluss der Ermittlungen gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe. Der Gemeinderat beschloss daraufhin, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich zu kündigen.

6

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 hörte der erste Bürgermeister den Personalrat unter Schilderung der Vorwürfe zu dieser Absicht an. Der Personalrat verweigerte mit Schreiben vom 17. Dezember 2009 die Zustimmung. Er rügte, dass er nicht vor der endgültigen Entscheidung des Gemeinderats beteiligt worden sei, und vertrat die Auffassung, die vom Beklagten vorgetragenen Gründe seien nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Es beständen zudem „erhebliche rechtliche Bedenken am Zeitpunkt“ des Kündigungsausspruchs.

7

Am 18. Dezember 2009 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos.

8

Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Er habe seine Arbeitszeit stets korrekt erfasst. Zudem sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden. Der Beklagte habe schon die Ermittlungen zu zögerlich durchgeführt. Spätestens am 2. Dezember 2009 aber sei die Frist in Lauf gesetzt worden, weil die Angelegenheit an diesem Tag sogar auf der Tagesordnung gestanden habe. Auch sei die Beteiligung des Personalrats nicht ordnungsgemäß erfolgt. Sie hätte vor und nicht erst nach einer endgültigen Beschlussfassung des Gemeinderats durchgeführt werden müssen.

9

Der Kläger hat, soweit für die Revision von Belang, beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 18. Dezember 2009 nicht beendet worden ist.

10

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat behauptet, der Kläger habe im Zeitraum von August 2008 bis Mai 2009 in mindestens zwölf Fällen etwa zehn bis fünfzehn Minuten vor dem Betreten des Dienstgebäudes telefonische „Kommt-Buchungen“ vorgenommen und dadurch die Erfassung seiner Arbeitszeit manipuliert. Um den im Juni 2009 entstandenen Anfangsverdacht belegen zu können, habe es umfangreicher Ermittlungen bedurft, welche erst im November 2009 abgeschlossen gewesen seien. Die Angelegenheit sei sodann auf die Tagesordnung der nächsten Gemeinderatssitzung gesetzt worden. Um Mitternacht sei es für keinen der Beteiligten mehr zumutbar gewesen, auch die Angelegenheit des Klägers noch zu behandeln. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Erst nachdem seine Stellungnahme vorgelegen habe, habe der erste Bürgermeister die Kündigung ausgesprochen.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung nicht als unwirksam ansehen. Seine Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Sache war an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden. Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).

13

I. Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil der erste Bürgermeister des Beklagten den Kündigungsbeschluss nicht selbst gefasst, sondern einen Beschluss des Gemeinderats ausgeführt hat. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Gemeinderat gem. Art. 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayGO für den Ausspruch der Kündigung zuständig war. Der Kläger gehört als ursprünglich in Vergütungsgruppe IV b der Anlage 1a zum BAT eingruppierter Arbeitnehmer mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zur Gruppe der „Arbeitnehmer ab Entgeltgruppe 9 TVöD“ iSd. Vorschrift.

14

II. Die Kündigung ist nicht wegen unzureichender Anhörung des Personalrats unwirksam (Art. 77 Abs. 3, Abs. 4 BayPVG). Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts musste diese gem. Art. 77 Abs. 3 BayPVG zwar vor Ausspruch der Kündigung, nicht aber entsprechend Art. 70 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 BayPVG schon vor dem endgültigen Kündigungsentschluss des Gemeinderats erfolgen. Es kann deshalb dahinstehen, ob ein Verstoß gegen diese Vorschrift zur Fehlerhaftigkeit der Personalratsanhörung und Unwirksamkeit der Kündigung führen würde.

15

1. Gem. Art. 77 Abs. 3 BayPVG ist der Personalrat vor dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung anzuhören. Der Dienststellenleiter hat die beabsichtigte Maßnahme zu begründen. Hat der Personalrat Bedenken, hat er sie unter Angabe der Gründe dem Dienststellenleiter unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen schriftlich mitzuteilen.

16

2. Eine bestimmte zeitliche Reihenfolge von Anhörung des Personalrats und Beschlussfassung des Gemeinderats ist gesetzlich nicht vorgesehen.

17

a) Allerdings soll nach Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG bei Gemeinden die Mitbestimmung erfolgen, bevor das zuständige Organ endgültig entscheidet. Der Beschluss des Personalrats ist dem zuständigen Organ zur Kenntnis zu bringen. Diese Regelung gilt gem. Art. 72 Abs. 1 Satz 3 BayPVG entsprechend für Maßnahmen, an denen der Personalrat - wie bei der ordentlichen Kündigung(Art. 77 Abs. 1 Satz 1 BayPVG) - mitwirkt.

18

b) Dagegen wird für das in Art. 77 Abs. 3 BayPVG geregelte Verfahren der Anhörung vor außerordentlichen Kündigungen nicht auf die Bestimmung des Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG verwiesen. Die Notwendigkeit einer Anhörung des Personalrats vor der Beschlussfassung des Gemeinderats lässt sich deshalb - anders als offenbar das Landesarbeitsgericht angenommen hat - nicht unmittelbar aus einer gesetzlich gebotenen Anwendung von Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG ableiten.

19

c) Für eine analoge Anwendung der in Fällen der Mitwirkung des Personalrats geltenden Verweisungsregelung des Art. 72 Abs. 1 Satz 3 BayPVG auf die Fälle der Anhörung des Personalrats iSv. Art. 75 Abs. 3 BayPVG ist kein Raum.

20

aa) Auch wenn der Wortsinn des Gesetzes die Grenze der Auslegung markiert, ist er für die Rechtsanwendung durch die Gerichte keine unübersteigbare Grenze. Der Richter hat nicht zwingend am Wortsinn einer Norm haltzumachen (BVerfG 14. Februar 1973 - 1 BvR 112/65 - zu C IV 1 der Gründe, BVerfGE 34, 269). Sowohl seitens der Methodenlehre als auch von Verfassungs wegen kann es für ihn wegen der Bindung an Gesetz „und Recht“ nach Art. 20 Abs. 3 GG geboten sein, das vom Gesetz Gewollte gegen das im Gesetz Gesagte zur Geltung zu bringen. Zur wortsinnübersteigenden Gesetzesanwendung durch Analogie oder wortsinnunterschreitenden Nichtanwendung des Gesetzes durch teleologische Reduktion bedarf es dabei einer besonderen Legitimation. Analoge Gesetzesanwendung setzt voraus, dass der gesetzessprachlich nicht erfasste, dh. gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt, wie die gesetzessprachlich erfassten Fälle. Teleologische Reduktion setzt umgekehrt voraus, dass der gesetzessprachlich erfasste, dh. der gesetzlich in bestimmter Weise geregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes nach einer anderen Entscheidung verlangt als die übrigen geregelten Fälle, um Wertungswidersprüche zu vermeiden (BAG 14. Februar 2007 - 7 ABR 26/06 - Rn. 55, BAGE 121, 212; 29. September 2004 - 1 ABR 39/03 - zu B III 2 b der Gründe, BAGE 112, 100).

21

bb) Hier ist eine analoge Anwendung von Art. 72 Abs. 1 Satz 3, Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG auf die Fälle der Anhörung des Personalrats nach Art. 75 Abs. 3 BayPVG nicht geboten. Die Sachverhalte von Mitbestimmung/Mitwirkung auf der einen und bloßer Anhörung des Personalrats auf der anderen Seite sind zu verschieden, als dass sie nach einer gleichen Ausgestaltung des Beteiligungsverfahrens verlangten. In den Fällen der Mitbestimmung und der Mitwirkung sehen Art. 70 bzw. Art. 72 BayPVG mehrstufige Verständigungsverfahren zwischen Dienststellenleiter und Personalrat vor, wenn dieser der beabsichtigten Maßnahme seine Zustimmung versagt bzw. Einwendungen gegen sie erhebt. Der Dienststellenleiter kann die beabsichtigte Maßnahme nicht wirksam durchführen, wenn er das betreffende weitere Verfahren nicht einhält. Bei seiner endgültigen Entscheidung soll das zuständige Gemeindeorgan deshalb mögliche Verweigerungsgründe bzw. Einwendungen des Personalrats kennen, um angesichts ihrer beurteilen zu können, ob es an der beabsichtigten Maßnahme trotz ihrer zumindest vorläufigen Undurchführbarkeit und der Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens nach Art. 70 bzw. Art. 72 BayPVG festhalten will. Diese wegen Art. 77 Abs. 1 BayPVG für die ordentliche Kündigung gegebene Situation liegt bei außerordentlichen Kündigungen nicht vor. Auch wenn der Personalrat im Rahmen der Anhörung nach Art. 77 Abs. 3 BayPVG Bedenken gegen die beabsichtigte Kündigung erhebt, ist der Dienststellenleiter nicht gehalten, vor Ausspruch der Kündigung das Verfahren nach Art. 72 Abs. 3, Abs. 4 BayPVG einzuhalten. Er kann die Kündigung vielmehr - wie der Arbeitgeber nach § 102 BetrVG - trotz der Bedenken des Personalrats erklären, ohne weitere verfahrensrechtliche Vorgaben beachten zu müssen. Damit wiederum verlangen Gleichheitssatz und gesetzliche Wertungskonsistenz nicht danach, Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG über das geschriebene Gesetz hinaus auf die Fälle einer Anhörung des Personalrats nach Art. 77 Abs. 3 BayPVG entsprechend anzuwenden.

22

cc) Eine analoge Anwendung ist auch nicht deshalb geboten, weil nur so Sinn und Zweck einer Anhörung des Personalrats gewahrt und erreicht werden könnten. Zwar soll die Anhörung den Arbeitgeber dazu veranlassen, eine geplante Kündigung zu überdenken, sich mit den Argumenten des Personalrats auseinanderzusetzen und ggf. von der Kündigung Abstand zu nehmen (vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4; zu § 102 BetrVG KR/Etzel 10. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 8). Dieser Zweck wird jedoch auch dann nicht verfehlt, wenn dem Gemeinderat in den Fällen der außerordentlichen Kündigung die Stellungnahme des Personalrats bei seiner Beschlussfassung noch nicht bekannt ist. Dem Schutzzweck der Personalratsbeteiligung ist vielmehr durch die Bestimmungen der bayerischen Gemeindeordnung hinreichend Rechnung getragen. Der erste Bürgermeister führt nicht nur den Vorsitz im Gemeinderat und vollzieht als ausführendes Organ dessen Beschlüsse (Art. 36 BayGO). Der Gesetzgeber hat ihm auch die Funktion des Dienststellenleiters iSv. Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 BayPVG und in Art. 43 Abs. 3 BayGO die des Dienstvorgesetzten der Beamten und Angestellten der Gemeinde übertragen. Im Rahmen dieser Funktionen gehört die eigenständige Durchführung der Personalratsanhörung zu seinen gesetzlichen Aufgaben. Damit hat ihm der Gesetzgeber eine - wenn auch nicht stets das Kündigungsrecht als solches umfassende - partielle Personalkompetenz zugewiesen. In deren Rahmen hat er die Pflicht zur sachlichen Beurteilung. Sie verlangt von ihm, die Stellungnahme des Personalrats gewissenhaft inhaltlich zu prüfen und die Angelegenheit dem Gemeinderat für den Fall, dass die Stellungnahme zu Bedenken an der Berechtigung des Kündigungsentschlusses Anlass gibt, erneut zuzuleiten.

23

d) Die Senatsrechtsprechung steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Nach der Entscheidung vom 18. Mai 1994 (- 2 AZR 930/93 - zu III 1 b der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6) ist zwar umgekehrt die Personalratsanhörung nicht deshalb fehlerhaft, weil sie ohne Vorliegen eines Kündigungsentschlusses des zuständigen Gremiums durchgeführt wurde, um dieses erst anschließend und unter Vorlage der Stellungnahme des Personalrats mit der Angelegenheit zu befassen. Das bedeutet aber nicht, dass die hier eingeschlagene Vorgehensweise rechtswidrig wäre.

24

3. Danach ist die Anhörung des Personalrats ordnungsgemäß erfolgt. Dieser ist am 14. Dezember 2009 unter Schilderung des aus Sicht des Beklagten kündigungsrelevanten Sachverhalts über die beabsichtigte Kündigung unterrichtet worden. Der Kläger hat die inhaltliche Richtigkeit der Information nicht gerügt. Der Personalrat hat binnen dreier Tage unter Angabe formaler und inhaltlicher Gründe erklärt, seine Zustimmung zur Kündigung zu verweigern. Damit war das Anhörungsverfahren nach Maßgabe von Art. 77 Abs. 3 BayPVG am 17. Dezember 2009 - also vor Ausspruch der Kündigung - ordnungsgemäß abgeschlossen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Stellungnahme des Personalrats dem ersten Bürgermeister Anlass dafür hätte sein müssen, den Gemeinderat vor der Ausführung des Kündigungsbeschlusses erneut mit der Sache zu befassen.

25

III. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich derzeit nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend. Die außerordentliche Kündigung ist nach den bisherigen Feststellungen nicht deshalb unwirksam, weil der Beklagte die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt hätte.

26

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen.

27

a) Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Norm mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 30; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54). Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann deshalb nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - AP BGB § 626 Nr. 231 = EzA BPersVG § 108 Nr. 5; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - zu B I 3 der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9). Sind die Ermittlungen abgeschlossen und hat er eine hinreichende Kenntnis vom Kündigungssachverhalt, beginnt der Lauf der Ausschlussfrist. Unbeachtlich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder überflüssig waren (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - aaO; 5. Dezember 2002 - 2 AZR 478/01 - zu B I 3 c bb (1) der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 63 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 1).

28

b) Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Dagegen ist die Kenntnis anderer Personen für den Lauf der Ausschlussfrist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt auch dann, wenn den Mitarbeitern Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind (BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 21, AP BGB § 626 Nr. 217 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 23; 26. November 1987 - 2 AZR 312/87 - RzK I 6g Nr. 13). Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber die Kenntnis solcher Personen nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder in der Verwaltung haben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, einen Sachverhalt, der Anhaltspunkte für eine außerordentliche Kündigung bietet, so umfassend zu klären, dass mit ihrer Mitteilung der Kündigungsberechtigte ohne weitere eigene Nachforschungen seine (Kündigungs-)Entscheidung abgewogen treffen kann. Dementsprechend müssen diese Mitarbeiter in einer ähnlich selbständigen Stellung sein, wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter des Arbeitgebers (BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 22, aaO; 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - zu II 3 a der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 355 mwN; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 810). Voraussetzung für eine Zurechenbarkeit der Kenntnisse dieser Personen zum Arbeitgeber ist ferner, dass die Verzögerung bei der Kenntniserlangung in dessen eigener Person auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruht (BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 22, aaO; 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - aaO; KR/Fischermeier § 626 BGB Rn. 355).

29

2. Danach hat der Beklagte die Erklärungsfrist gewahrt.

30

a) Maßgebend für den Beginn der Frist ist im Streitfall die Kenntnis des Gemeinderats als des gem. Art. 43 BayGO kündigungsberechtigten Organs. Dieser hatte erst aufgrund der Erörterungen in der Sitzung vom 8. Dezember 2009 Kenntnis von den aus seiner Sicht eine außerordentliche Kündigung begründenden Tatsachen erlangt. Diese waren ihm weder mit der Ladung noch in der Sitzung vom 2. Dezember 2009 mitgeteilt worden. Zwar war der Gemeinderat bereits am 29. Juni 2009 mit Vorwürfen gegen den Kläger befasst. An diesem Tag wurde jedoch lediglich beschlossen, dem Kläger einen Aufhebungsvertrag anzubieten. Falls er diesen nicht annähme, sollten weitere Ermittlungen durchgeführt werden. Der Gemeinderat besaß zu diesem Zeitpunkt noch keine aus seiner Sicht hinreichenden, eine außerordentliche Kündigung rechtfertigenden Kenntnisse.

31

b) Der Beklagte muss sich die schon länger währende Kenntnis seines ersten Bürgermeisters von den dem Kündigungsentschluss zugrunde liegenden Umständen nicht zurechnen lassen. Der erste Bürgermeister hat zwar als Vorgesetzter der Gemeindebediensteten und Vorsitzender des Gemeinderats eine herausgehobene Stellung (vgl. BAG 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - zu II 3 b der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6). Die Tatsache, dass der Gemeinderat erst am 8. Dezember 2009 von den aus seiner Sicht kündigungsrelevanten Tatsachen Kenntnis erlangt hat, beruht aber nicht auf einem Organisationsverschulden.

32

aa) Es stellt kein solches Verschulden dar, dass der Gemeinderat seine turnusgemäßen Sitzungen im Abstand von mehreren Wochen abhält. Der Gemeinderat muss nicht im Vorhinein mit Blick auf mögliche, nur im Ausnahmefall notwendig werdende außerordentliche Kündigungen einen engeren Sitzungsrhythmus einplanen. Nach dem Schutzzweck des § 626 Abs. 2 BGB ist es unbedenklich, eine außerordentliche Kündigung in der turnusmäßig nächsten Sitzung eines Gemeinderats zu beraten. Für den Arbeitnehmer iSv. Art. 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayGO ist erkennbar, dass der erste Bürgermeister auch bei eigener Kenntnis der aus seiner Sicht eine außerordentliche Kündigung rechtfertigenden Umstände eines Beschlusses des Gemeinderats bedarf und dieser in der Regel erst in der nächsten Sitzung herbeigeführt werden kann(BAG 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - zu II 3 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6).

33

bb) Es kann nicht als Organisationsmangel angesehen werden, dass der erste Bürgermeister keine Sondersitzung des Gemeinderats einberufen hat. Mit Blick auf die Größe des Gremiums und die einzuhaltenden Ladungsfristen hätte dies einen nicht gerechtfertigten Aufwand verursacht (vgl. BAG 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - zu II 3 c dd der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6).

34

cc) Es ist dem Beklagten nicht anzulasten, dass der Gemeinderat die Beratung über eine Kündigung des Arbeitsvertrags mit dem Kläger nicht mehr - nach Mitternacht - in der Sitzung vom 2. Dezember 2009 erörtert, sondern diesen Tagesordnungspunkt um sechs Tage auf die Sitzung vom 8. Dezember 2009 vertagt hat. Dies erscheint mit Blick auf die Belange der Gemeinderatsmitglieder und die Interessen des Klägers, der einen Anspruch auf sorgfältige Beratung der ihn betreffenden personellen Angelegenheit hat, als vertretbare Verzögerung. Der Gemeinderat hat - anders als der Kläger gemeint hat - personelle Maßnahmen in der Sitzung am 2. Dezember 2009 nicht vorrangig behandeln müssen. Dem Gemeinderat steht in Bezug auf die Reihenfolge der Beratungen ein Beurteilungsspielraum zu. Den hat er im Streitfall nicht überschritten. Es ist nicht unsachlich oder willkürlich, die Tagesordnungspunkte in der vom Vorsitzenden in der Einladung vorgegebenen Reihenfolge abzuhandeln. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - nicht von vornherein mit der Vertagung eines oder mehrerer Tagesordnungspunkte zu rechnen ist.

35

IV. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft, ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSd. § 626 Abs. 1 BGB gegeben war. Ebenso wenig ist es dem Vortrag des Klägers nachgegangen, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei aufgrund der zögerlichen Durchführung der Ermittlungen bereits vor dem 2. Dezember 2009 verstrichen gewesen. Über beides vermag der Senat mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen nicht selbst zu entscheiden.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

        

        

    Söller    

        

    B. Schipp    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 12. September 2012 - 2 Sa 7/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der 1956 geborene Kläger trat im April 1981 in die Dienste der Bundeswehr. Von Oktober 1993 bis Juni 2005 wurde er als Nachschubhelfer und Kraftfahrer eingesetzt. Zuvor und in der Zeit ab Juli 2005 war er als Gabelstaplerfahrer und Lagerhelfer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Regelungen des TVöD Anwendung.

3

Anfang August 2005 wurde der Kläger der Heeresinstandsetzungslogistik HIL-GmbH (im Folgenden: GmbH) „beigestellt“. Bei der GmbH handelt es sich um ein von der Beklagten und Dritten gemeinsam gegründetes Wirtschaftsunternehmen, das als Kooperationsbetrieb iSv. § 1 BwKoopG aus der Bundeswehr ausgegliederte Aufgaben wahrnimmt. Die Arbeitsabläufe in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers wurden seit der „Beistellung“ durch die GmbH gesteuert, während dieser selbst Arbeitnehmer der Beklagten blieb.

4

Nach einer Tätigkeitsbeschreibung vom Oktober 2007 waren dem Kläger zuletzt die Aufgaben eines Betriebsstoffhelfers zugewiesen. Danach oblagen ihm die Entgegennahme, die Lagerung, Kontrolle und Verausgabung von Betriebsstoff, die Führung entsprechender Bücher, die tägliche Feststellung des Bedarfs an Betriebsstoffen und die Durchführung von Reinigungsarbeiten in den Lagerbereichen.

5

Aufgabe der GmbH war es ua., Dieselkraftstoff aus den Fahrzeugen der Bundeswehr abzupumpen, sofern er starke Verunreinigungen oder Ablagerungen aufwies. Das Dieselöl wurde sodann in Behältnissen gesammelt und durch eine Fremdfirma aufbereitet. Anschließend wurde der gereinigte Kraftstoff zurückgebracht und in den Fahrzeugen wieder verwendet. Auch die bei der Aufarbeitung entstandenen Rückstände wurden zum Betriebsgelände der GmbH zurückgebracht und dort als sog. Abfalldiesel in größeren Behältnissen gesammelt. In gewissen zeitlichen Abständen ließ die GmbH die Rückstände kostenpflichtig durch eine andere Firma fachgerecht und umweltschonend entsorgen.

6

Der Kläger verfiel - laut seiner eigenen Einlassung - auf den Gedanken, ein Kollege könne das Abfallprodukt womöglich mit einer häuslichen Filteranlage zu betriebsfähigem Dieselkraftstoff aufbereiten, um diesen sodann zum Heizen des Hauses oder zum Betanken eines privaten Fahrzeugs zu verwenden. In Absprache mit dem Kläger füllte der Kollege daraufhin mehrfach verunreinigtes Dieselöl in Kanister ab, die er vom Betriebsgelände der GmbH - allein oder gemeinschaftlich mit dem Kläger - abfuhr.

7

Am 7. Juni 2010 wurden das Fahrzeug des Klägers und die Wohnung des Kollegen polizeilich durchsucht. Dabei wurden 91 „Treibstoffkanister“ mit einer Gesamtmenge von 3.640 Litern Diesel beschlagnahmt. Das im Heizungstank des Hauses vorgefundene Dieselöl (ca. 3.000 Liter) wurde dort belassen. Im Fahrzeug des Klägers wurden zusätzlich sechs Plastikkanister sichergestellt, die etwa 180 Liter Dieselkraftstoff enthielten; deren Qualität ist zwischen den Parteien streitig.

8

Am 11. und am 18. Juni 2010 versuchte die Beklagte vergeblich, mit dem Kläger persönlich Kontakt aufzunehmen. In der Zwischenzeit stellte sie ihn „rückwirkend“ zum 8. des Monats von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 18. Juni 2010 gab sie ihm Gelegenheit, sich zu den - von ihr näher beschriebenen - Vorfällen vom 7. Juni 2010 zu äußern. Der Kläger erklärte binnen der ihm bis zum 21. Juni 2010 eingeräumten Frist, er werde einstweilen keine Angaben zur Sache machen.

9

Am 18. Juni 2010 unterrichtete die Beklagte den Personalrat von ihrer Absicht, den Kläger außerordentlich zu kündigen. Sie gab den Inhalt des Protokolls der Beschlagnahme wieder und erklärte, zu ihrer Überzeugung habe sich der Kläger des Diebstahls schuldig gemacht, indem er zusammen mit seinem Kollegen wenigstens 180 Liter Dieselkraftstoff weggenommen und sich rechtswidrig zugeeignet habe. Der Personalrat ließ die Frist zur Äußerung verstreichen.

10

Mit Schreiben vom 24. Juni 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos.

11

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Er habe lediglich Abfalldieselöl an sich genommen bzw. einem Kollegen überlassen. Das Öl sei nicht mehr verwendungsfähig gewesen und habe andernfalls kostenpflichtig entsorgt werden müssen. Darin liege allenfalls eine geringfügige Pflichtverletzung. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt. Der Personalrat der Dienststelle sei nicht ordnungsgemäß über den wahren Kündigungssachverhalt unterrichtet worden. Aufgrund seiner „Beistellung“ habe außerdem der Betriebsrat der GmbH angehört werden müssen.

12

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 24. Juni 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Kündigung sei aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Der Kläger habe sich aus ihren Beständen große Mengen Dieselkraftstoff rechtswidrig zugeeignet. Am 7. Juni 2010 seien auf dem Grundstück des Kollegen mehrere tausend Liter Dieselöl beschlagnahmt worden. Im Keller des Hauses seien mindestens 540 Liter Kraftstoff sichergestellt worden, der zweifelsfrei ihr - der Beklagten - zuzuordnen gewesen sei. Hinzu kämen je 180 Liter Dieselkraftstoff, die in den Fahrzeugen des Klägers und des Kollegen vorgefunden worden seien. Dabei habe es sich nicht um bloßes „Abfalldieselöl“ gehandelt. Im Übrigen liege selbst dann eine erhebliche Pflichtverletzung vor. Der Kläger habe nicht nur beabsichtigt, sich oder seinem Kollegen durch die Entwendung des Kraftstoffs finanzielle Vorteile zu verschaffen. Er habe außerdem die ihm eingeräumte Vertrauensstellung missbraucht. Die Kündigungserklärungsfrist sei eingehalten. Ihre kündigungsberechtigten Mitarbeiter hätten nicht vor dem 10. Juni 2010 von den maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Anhörung des Personalrats sei - ausgehend von ihrem damaligen Kenntnisstand - ordnungsgemäß erfolgt.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Parallel dazu hörte sie - mit Schreiben vom 6. März 2012 - den Personalrat zu ihrer Absicht an, die bereits erklärte Kündigung zusätzlich auf neue Erkenntnisse bezüglich der Menge und der Art des entwendeten Kraftstoffs sowie auf einen Verdacht als Kündigungsgrund zu stützen. Außerdem teilte sie dem Personalrat mit, sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich erneut zu kündigen. Mit Schriftsatz vom 16. April 2012 hat sie den betreffenden Sachverhalt in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt. Der Kläger hat daraufhin „hilfsweise“ beantragt festzustellen, dass die weitere, „eventuell ausgesprochene Kündigung“ das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat; die Beklagte hat beantragt, den Hilfsantrag „zurückzuweisen“.

15

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage „insgesamt abgewiesen“. Mit seiner Revision begehrt der Kläger, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen und sodann nach seinem Hilfsantrag zu erkennen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision ist unbegründet.

17

A. Das prozessuale Vorgehen des Klägers in der Berufungsinstanz war zulässig. Das betrifft insbesondere den dort erstmals angebrachten Feststellungsantrag. Die darin liegende Klageerweiterung ist als - im Streitfall zulässige - Anschlussberufung zu verstehen.

18

I. Dem Kläger stand für eine Erweiterung der Klage im Berufungsrechtszug nur der Weg der Anschlussberufung zur Verfügung (bspw. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 11). Als solche ist die Klageerweiterung zu behandeln. Einer Beschwer durch das erstinstanzliche Urteil bedarf es für die Anschlussberufung nicht (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - aaO; 10. Februar 2009 - 3 AZR 728/07 - Rn. 11).

19

II. Die Anschlussberufung ist gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG binnen der dem Kläger nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG verlängerten Berufungsbeantwortungsfrist beim Landesarbeitsgericht eingegangen(zu dieser Voraussetzung im Einzelnen BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 12). Sie ist auch im Übrigen zulässig.

20

B. Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden. Der auf die fristlose Kündigung vom 24. Juni 2010 bezogene Feststellungsantrag ist unbegründet. Die Kündigung ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Über die weitergehenden (unechten) Hilfsanträge war nicht mehr zu entscheiden. Dies hat bei richtigem Verständnis schon das Landesarbeitsgericht nicht getan.

21

I. Die Kündigung vom 24. Juni 2010 ist gemäß § 34 Abs. 2 TVöD iVm. § 626 BGB aus wichtigem Grund gerechtfertigt.

22

1. Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD konnte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers, der im Kündigungszeitpunkt das 40. Lebensjahr vollendet hatte und länger als 15 Jahre bei ihr beschäftigt war, nur aus einem wichtigen Grund kündigen. Auf die tarifliche Besitzstandsregelung in § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD kommt es im Streitfall nicht an.

23

2. Mit dem Begriff „wichtiger Grund“ knüpft die tarifvertragliche Bestimmung an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an, deren Verständnis deshalb auch für die Auslegung der Tarifnorm maßgebend ist(BAG 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12, BAGE 132, 299; 27. November 2003 - 2 AZR 601/02 - zu B I 5 der Gründe mwN). Aufgrund der Bezugnahme gilt zugleich § 626 Abs. 2 BGB. Danach kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen erklärt werden (BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 31; 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12 mwN, aaO).

24

3. Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB sind erfüllt.

25

a) Gemäß dieser Vorschrift kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15 mwN, BAGE 146, 303).

26

b) Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet sein (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 29, BAGE 137, 54). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19 mwN).

27

c) Begeht ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Dies gilt auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Gegenstände von geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 18; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 26, BAGE 134, 349). Maßgebend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 17, BAGE 142, 176).

28

d) Im Streitfall liegt eine in diesem Sinne erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor.

29

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe im Frühjahr 2010 gemeinschaftlich mit seinem Kollegen mehrere hundert Liter Abfalldieselöl ohne Erlaubnis vom Betriebsgelände der GmbH entfernt, um es zu filtern und anschließend nach Möglichkeit selbst weiterzuverwenden oder an einen interessierten Dritten abzugeben. 180 Liter des verunreinigten Kraftstoffs - sechs Kanister - seien in seinem eigenen Fahrzeug vorgefunden worden. Diese Feststellungen greift der Kläger nicht an.

30

bb) Danach hat der Kläger seine Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich und schuldhaft verletzt. Dafür kommt es nicht darauf an, ob das Abfalldieselöl im Eigentum der Beklagten oder der GmbH stand und ob das in Rede stehende Verhalten einen Straftatbestand erfüllt.

31

(1) Dem Kläger war - unter Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten - dauerhaft eine Tätigkeit bei der GmbH zugewiesen worden. Im Rahmen dieser Personalgestellung musste er die Vermögensinteressen der GmbH in gleicher Weise wahren wie diejenigen der Beklagten. Im Übrigen lief die unberechtigte Wegnahme des Kraftstoffs in Anbetracht ihrer Beteiligung an der GmbH unmittelbar den Vermögensinteressen der Beklagten zuwider, mag diese auch - wie vom Kläger behauptet - nicht die Mehrheit der Anteile gehalten haben. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe die Eigentumsverhältnisse an dem in Rede stehenden Kraftstoff nicht hinreichend aufgeklärt, geht damit ins Leere.

32

(2) Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen des Klägers, ihm habe das Unrechtsbewusstsein gefehlt, als Schutzbehauptung gewertet und eine vorsätzliche Verletzung seiner vertraglichen Nebenpflicht angenommen. Diese Würdigung liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Tatsachengericht von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und keine Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt hat (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 16; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 21). Einen solchen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Er ist auch nicht offensichtlich. Der Kläger konnte angesichts der gesonderten Aufbewahrung des Abfalldieselöls auf dem Betriebsgelände der GmbH und der Beauftragung einer darauf spezialisierten Drittfirma nicht im Zweifel darüber sein, dass der Beklagten an dessen fachgerechter Entsorgung gelegen war. Er musste wissen, dass er sich Kraftstoff - welcher Qualität auch immer - nicht ohne ausdrückliche Einwilligung der hierfür zuständigen Mitarbeiter aneignen durfte. Seiner eigenen Einlassung zufolge hat er das Abfalldieselöl auch nicht für wirtschaftlich wertlos erachtet. Beides reichte aus, um für ihn auch subjektiv eine Erlaubnis zur Mitnahme auszuschließen.

33

e) Die Kündigung ist bei Beachtung der Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt.

34

aa) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 17, BAGE 146, 303; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27). Auch bei der fristlosen Kündigung eines tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses muss die Vertrauensgrundlage so schwer gestört sein, dass jede weitere Zusammenarbeit für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Eine außerordentliche fristlose Kündigung ist gerechtfertigt, wenn es dem Arbeitgeber nicht zumutbar war, den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der „fiktiven“ Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 827/06 - Rn. 37; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 44; vgl. auch BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 20).

35

bb) Danach hat das Landesarbeitsgericht den ihm im Rahmen der Interessenabwägung zukommenden Beurteilungsspielraum (dazu BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 35 mwN) nicht verletzt. Es hat alle wesentlichen Aspekte des Falls berücksichtigt und die beiderseitigen Interessen vertretbar abgewogen.

36

(1) Der Kläger hat seine Stellung als Betriebsstoffhelfer zu einer Verletzung des Eigentums entweder der Beklagten oder des Kooperationsunternehmens missbraucht. In beiden Fällen liegt ein schwerwiegender Vertrauensbruch vor. Der Kläger war im Rahmen des ihm zugewiesenen Aufgabenbereichs dafür verantwortlich, dass Betriebsstoffe nur an Berechtigte ausgegeben würden. Er hatte dies entsprechend zu dokumentieren. Stattdessen hat er sich bewusst und ohne Rücksprache mit seinen Vorgesetzten zumindest Abfalldieselöl in erheblicher Menge in der Absicht angeeignet, sich oder seinem Kollegen auf diese Weise wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Unerheblich ist, ob er in der Annahme gehandelt hat, er bewahre die Beklagte vor eigenen Aufwendungen. Die Interessen der Beklagten und ihres Kooperationsunternehmens waren erkennbar darauf gerichtet, das verunreinigte und für die Umwelt nicht ungefährliche Abfalldieselöl auf dem Betriebsgelände zwischenzulagern, um es anschließend fachgerecht entsorgen zu lassen.

37

(2) Die Pflichtverletzung ist von solchem Gewicht, dass ihre Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen war (zu diesem Maßstab vgl. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 20; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16). Die nahezu 30-jährige, ohne Beanstandungen gebliebene Betriebszugehörigkeit des Klägers und der - zu seinen Gunsten unterstellt - allenfalls geringfügige Verkehrswert des entwendeten Kraftstoffs führen zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger hat seine Vertragspflichten wiederholt verletzt. Er hat aus purem Eigennutz in erheblichem Umfang Stoffe, von denen Gefahren für die Umwelt ausgehen können, einer durch die Verantwortlichen vorgesehenen fachgerechten Entsorgung entzogen. Dies brauchte die Beklagte - auch ohne vorherige Abmahnung - nicht hinzunehmen.

38

4. Die Beklagte hat die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

39

a) Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Bestimmung mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die sachgerechte Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände (BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54).

40

b) Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 14; 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27). Dabei kommt es nicht darauf an, ob er ggf. eine Kündigung wegen erwiesener Tat oder wegen eines zumindest erdrückenden Verdachts zu erklären beabsichtigt. Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - zu II 1 der Gründe, BAGE 73, 42). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf in der Regel nicht mehr als eine Woche betragen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54). Bei Vorliegen besonderer Umstände kann sie überschritten werden (BAG 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 24, BAGE 117, 168). Unerheblich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder nicht (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO; 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - aaO). Gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Stellungnahme, so gereicht ihm dies hinsichtlich des Beginns der zweiwöchigen Ausschlussfrist deshalb auch dann nicht zum Nachteil, wenn der Arbeitnehmer innerhalb angemessener Überlegungszeit keine Erklärung abgibt oder seine Stellungnahme rückblickend zur Feststellung des Sachverhalts nichts beiträgt (BAG 27. Januar 1972 - 2 AZR 157/71 - zu 3 der Gründe, BAGE 24, 99). Das bedeutet zugleich, dass der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub iSv. § 626 Abs. 2 BGB nicht nachträglich entfällt, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme zum Anlass nimmt, nunmehr auf die Anhörung des Arbeitnehmers zu verzichten(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO).

41

c) Danach hat die Beklagte die Kündigung iSv. § 626 Abs. 2 BGB rechtzeitig erklärt.

42

aa) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, den kündigungsberechtigten Mitarbeitern der Beklagten seien die Vorfälle vom 7. Juni 2010 nicht vor dem 10. Juni 2010 bekannt geworden. Mit dem Zugang der fristlosen Kündigung am 24. Juni 2010 ist die Zwei-Wochen-Frist gewahrt.

43

bb) Die Kündigung wäre selbst dann fristgerecht erfolgt, wenn die Kündigungsberechtigten von dem Geschehen bereits am 7. Juni 2010 Kenntnis erlangt hätten. Die Beklagte durfte es für erforderlich halten, den Kläger zum Kündigungssachverhalt anzuhören. Es war nicht auszuschließen, dass sich aus seiner Äußerung weitere, etwa ihn entlastende Umstände ergeben würden. Eine Verzögerung bei der Anhörung ist der Beklagten nicht anzulasten. Bereits am 11. Juni 2010 hat sie versucht, den Kläger telefonisch zu kontaktieren. Nachdem dieser und ein weiterer Versuch, ihn persönlich anzusprechen, erfolglos blieben, hat sie ihm - zeitnah - Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben und seine Äußerung abgewartet. Ebenso wenig handelte die Beklagte willkürlich, als sie die Kündigung schon am 24. Juni 2010 erklärte. Der Kläger hatte nicht etwa um eine Verlängerung der Äußerungsfrist gebeten.

44

cc) Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass er bereits ab dem 8. Juni 2010 freigestellt worden sei, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - mangels Entscheidungserheblichkeit unbegründet. Selbst wenn die Freistellung einen Hinweis auf die Kenntnis einschlägiger Tatsachen gäbe, führte dies nicht dazu, dass die Beklagte die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt hätte.

45

II. Die Kündigung vom 24. Juni 2010 ist nicht deshalb unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden wäre (§ 79 Abs. 4 BPersVG). Der Kündigungssachverhalt, wie er der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zugrunde liegt, hatte sich gegenüber dem der Personalvertretung mitgeteilten Geschehen auch nicht in einer Weise verändert, dass er nur nach erneuter Anhörung des Personalrats prozessual verwertbar gewesen wäre.

46

1. Nach § 79 Abs. 3 BPersVG ist der Personalrat vor außerordentlichen Kündigungen anzuhören. Der Dienststellenleiter hat die beabsichtigte Maßnahme zu begründen. Hat der Personalrat Bedenken, so hat er sie unter Angabe der Gründe dem Dienstellenleiter unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen, schriftlich mitzuteilen. Nach § 79 Abs. 4 BPersVG ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Diese Rechtsfolge tritt auch bei nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats ein (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 45; 12. März 2009 - 2 AZR 251/07 - Rn. 36). Zu dieser Beteiligung gehört insbesondere die hinreichende Unterrichtung des Gremiums. Der Personalrat ist ordnungsgemäß unterrichtet worden, wenn der Arbeitgeber die für ihn subjektiv tragenden Gründe, auf denen sein Kündigungsentschluss beruht, mitgeteilt hat (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 57; für die ordentliche Kündigung bspw. BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 22). Darauf, ob diese Umstände auch objektiv geeignet und ausreichend sind, die Kündigung zu stützen, kommt es für die Ordnungsgemäßheit der Unterrichtung nicht an (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 46). Fehlerhaft ist die Unterrichtung, wenn der Dienstherr dem Personalrat bewusst und gewollt unrichtige oder unvollständige Sachverhalte unterbreitet hat (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - aaO).

47

2. Die Parteien streiten nicht darüber, dass die Beklagte das Mitbestimmungsverfahren gegenüber dem zuständigen örtlichen Personalrat formell ordnungsgemäß eingeleitet und die zu beachtenden Fristen gewahrt hat. Ein Rechtsfehler ist insoweit nicht zu erkennen.

48

3. Die Beklagte hat den Personalrat nicht bewusst irreführend über das Ausmaß der Pflichtverletzung unterrichtet, soweit sie ihm mitgeteilt hat, der Kläger habe „wenigstens 180 Liter Dieselkraftstoff“ entwendet. Auf die genaue Menge und die Qualität des Diesels, dh. ob es sich um verunreinigte und nicht mehr gebrauchsfähige Kraftstoffreste oder um bessere Qualität handelte, kam es ihr - soweit sie hiervon im Kündigungszeitpunkt überhaupt konkrete Kenntnis hatte - ersichtlich nicht an. Es handelt sich zudem um Umstände, die für den Kern des mitgeteilten Vorwurfs, der Kläger habe vom Betriebsgelände der GmbH eine erhebliche Menge von Dieselkraftstoff widerrechtlich entwendet, nicht entscheidend sind. In einem solchen Fall ist es unschädlich, wenn sich der dem Personalrat mitgeteilte Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess nicht in seiner Gesamtheit bestätigt (vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 34).

49

4. Der Kläger erhebt keine zulässige Verfahrensrüge, soweit er geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe eine gebotene Zeugenvernehmung zum „Informationsumfang und Informationsinhalt bei der Anhörung“ unterlassen. Es fehlt an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des unter Beweis gestellten Vorbringens (vgl. dazu BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 1005/12 - Rn. 28 mwN).

50

III. Die Kündigung ist nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass im Kündigungszeitpunkt im maßgebenden Betrieb der GmbH ein Betriebsrat gewählt war. Dieser war auch mit Blick auf die Gestellung des Klägers nicht zur Kündigung anzuhören. Das ergibt die Auslegung von §§ 1, 6 Abs. 1 und Abs. 3 BwKoopG.

51

1. Nach § 1 BwKoopG gilt dieses Gesetz ua. für Angestellte des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung, soweit und solange ihnen unter Beibehaltung ihres Dienst- oder Arbeitsverhältnisses zum Bund eine Tätigkeit in einem Wirtschaftsunternehmen zugewiesen wurde, mit dem die Bundeswehr eine Kooperation eingegangen ist. Die GmbH ist ein solches Kooperationsunternehmen. Die ihr zugewiesenen oder gestellten Arbeitnehmer, zu denen der Kläger zählt, gelten daher nach § 6 Abs. 1 BwKoopG ua. für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes als ihre Arbeitnehmer. Die Regelung in § 6 Abs. 3 BwKoopG sichert die Erfüllung der Verpflichtungen des Kooperationsbetriebs aus den in § 6 Abs. 1 BwKoopG genannten Gesetzen, ua. aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Grundsätzlich obliegt es dem Kooperationsbetrieb, die Verpflichtungen zu erfüllen. Scheitert dies allerdings daran, dass der Beschäftigte nicht in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zum Kooperationsunternehmen steht, hat die betreffende Dienststelle dafür einzustehen (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 33, BAGE 138, 25).

52

2. Die Regelungen in § 6 Abs. 1, Abs. 3 BwKoopG tragen dem Umstand Rechnung, dass das Personal der Bundeswehr langfristig in dem privatrechtlich organisierten Betrieb eines Kooperationspartners eingesetzt und dort in die Arbeitsabläufe eingegliedert wird. Mit Blick auf diese faktische Eingliederung soll für den Bereich der betrieblichen Interessenvertretung eine Gleichstellung mit den Arbeitnehmern des Kooperationsbetriebs erreicht werden (vgl. BT-Drs. 15/2944 S. 9), die sich nicht nur darin erschöpft, dass den Betroffenen das aktive und passive Wahlrecht im Kooperationsbetrieb zugestanden wird (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 36, BAGE 138, 25). Gleichwohl bedeutet die grundsätzliche Einbeziehung zugewiesener oder gestellter Arbeitnehmer in die Betriebsverfassung nicht zwingend, dass dem Betriebsrat des Kooperationsbetriebs für diese Personengruppen uneingeschränkt die Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes zukommen. Bestand und Umfang der betrieblichen Mitbestimmung richten sich vielmehr nach dem Gegenstand und Zweck des jeweiligen Mitbestimmungsrechts und der darauf bezogenen Entscheidungsmacht (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 41, aaO; 9. Juni 2011 - 6 AZR 132/10 - Rn. 32, BAGE 138, 116; zum Gegenstandsbezug siehe auch BAG 19. Juni 2001 - 1 ABR 43/00 - zu B II 4 und 5 der Gründe, BAGE 98, 60).

53

3. Das Anhörungsrecht des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG zielt - ebenso wie die Anhörung des Personalrats zur Kündigung nach § 79 Abs. 3 BPersVG - nicht darauf ab, die Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu überprüfen. Es beschränkt sich vielmehr darauf, dem Betriebsrat im Vorfeld der Kündigung die Möglichkeit zu geben, auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen (für § 102 BetrVG vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 76, BAGE 144, 125; 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - zu II 2 der Gründe, BAGE 78, 39). Da im Fall der Kündigung von gestellten Arbeitnehmern der Kündigungsentschluss nicht durch den Inhaber des Kooperationsbetriebs gefasst und umgesetzt wird, sondern die Entscheidung typischerweise beim öffentlichen (Vertrags-)Arbeitgeber liegt, macht eine Beteiligung des Betriebsrats des Kooperationsbetriebs insoweit keinen Sinn (Altvater/Altvater 8. Aufl. § 6 BwKoopG Rn. 4; Tiling öAT 2013, 139, 140; für die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG: BAG 9. Juni 2011 - 6 AZR 132/10 - Rn. 32, BAGE 138, 116; ebenso: APS/Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 8a; Fitting BetrVG 27. Aufl. § 5 Rn. 319, § 102 Rn. 20d; Raab in GK-BetrVG § 5 Rn. 78). Eine Verdoppelung der Beteiligungsverfahren mit womöglich gegenläufigen Voten der beiden Arbeitnehmervertretungen wäre mangels Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers des Beschäftigungsbetriebs nicht geeignet, die Lage des betroffenen Arbeitnehmers relevant zu verbessern (Tiling aaO). Soweit der Personalrat aus seiner Sicht nicht über die erforderliche Sachverhaltskenntnis verfügt, um anhand der Mitteilungen des öffentlichen Arbeitgebers ein vollständiges Bild vom behaupteten Kündigungsgrund zu gewinnen, steht es ihm frei, dazu weitere Erkundigungen einzuholen und etwa den Arbeitnehmer anzuhören.

54

4. Nach diesen Grundsätzen war eine Beteiligung des Betriebsrats der GmbH nicht geboten. Die in Rede stehende außerordentliche fristlose Kündigung betrifft das zur Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass die Kündigungsbefugnis allein bei ihr lag. Daran vermag auch eine größere Sachnähe des Betriebsrats des Kooperationsbetriebs nichts zu ändern. Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn die Ausübung des Kündigungsrechts durch den öffentlichen Arbeitgeber an das Einverständnis des Inhabers des Kooperationsbetriebs geknüpft wäre (dazu Fitting BetrVG 27. Aufl. § 102 Rn. 20d; Tiling öAT 2013, 139, 140), kann dahinstehen. Für einen solchen Sachverhalt fehlt es an Anhaltspunkten. Ebenso wenig hat der Kläger behauptet, die Beklagte und ihr Kooperationsunternehmen hätten den Betrieb gemeinsam geführt.

55

IV. Die Kündigung ist nicht gemäß § 174 Satz 1 BGB oder wegen eines Mangels in der Vertretungsmacht nach § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe seinen Vortrag zur „Frage der Kündigungsbefugnis“ übergangen, ist unzulässig. Soweit das Vorbringen auf eine Unwirksamkeit der Kündigung nach § 174 Satz 1 BGB abzielt, lassen die Ausführungen in der Revisionsbegründung nicht erkennen, dass der Kläger die Kündigung unverzüglich mangels Vorlage eines Vollmachtnachweises zurückgewiesen hätte(zu den Anforderungen an die Zurückweisung vgl. BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 354/10 - Rn. 33 mwN, BAGE 140, 64). Auf die Berechtigung einer entsprechenden Zurückweisung kommt es demzufolge nicht an. Soweit der Kläger geltend machen will, das Landesarbeitsgericht habe außer Acht gelassen, dass er die Kündigungsbefugnis des „die Kündigung unterschreibenden Mitarbeiters“ bestritten habe, zeigt er die Entscheidungserheblichkeit des vermeintlich übergangenen Vortrags nicht auf. Das gilt insbesondere angesichts der Möglichkeit einer konkludenten Genehmigung der Kündigung durch die Beklagte (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 13), von der das Landesarbeitsgericht stillschweigend ausgegangen sein dürfte.

56

V. Da die Kündigung somit bereits wegen erwiesener Tat wirksam ist, kann dahinstehen, ob der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zu folgen wäre, die Beklagte könne sich auf den Verdacht, der Kläger habe wesentlich größere Mengen Diesel und in der Qualität höherwertigen Kraftstoff vom Betriebsgelände der GmbH rechtswidrig entwendet, deshalb nicht berufen, weil die Voraussetzungen für das Nachschieben eines solchen Kündigungsgrundes nicht vorgelegen hätten.

57

VI. Der Feststellungsantrag des Klägers betreffend die weitere Kündigung ist als unechter Hilfsantrag zu verstehen. Er ist nur für den Fall gestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht bereits durch die vorausgegangene fristlose Kündigung sein Ende gefunden hat. Gleiches gilt für den Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung. Über beide Anträge war dementsprechend nicht zu entscheiden. Auch das Landesarbeitsgericht hat das Begehren des Klägers nicht anders verstanden. Es hat den Weiterbeschäftigungsantrag nicht auch in der Sache abschlägig beschieden, soweit es das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage „insgesamt abgewiesen“ hat. Es hat damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der stattgebenden Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag wegen der Erfolglosigkeit des Feststellungsantrags die Grundlage entzogen war. Die Anschlussberufung des Klägers ist damit gleichermaßen gegenstandslos.

58

VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Bartz    

        

    Alex    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 19. März 2012 - 2 Sa 1105/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der 1958 geborene Kläger war seit September 1981 bei der beklagten Rundfunkanstalt beschäftigt, zuletzt als Techniker im IT-Service. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Manteltarifvertrag war das Arbeitsverhältnis - es sei denn wegen Leistungsminderung - nur noch außerordentlich kündbar.

3

Im Juli und November 2010 wurden Räume der Beklagten durchsucht. Nach dem Vorbringen der Beklagten hatte es eine anonyme Anzeige gegeben, derzufolge mehrere ihrer Mitarbeiter, ua. der Kläger, bei Ausschreibungen über Telekommunikations- und Datennetzleistungen in Absprache mit einer beauftragten Firma die Leistungsverzeichnisse manipuliert hatten. Am 7. Dezember 2010 lag der Beklagten ein Bericht ihrer Innenrevision über die Leistungsabrufe der betreffenden Firma vor. Danach hat der Kläger von dieser ua. einen Barbetrag in Höhe von 200,00 Euro erhalten. Eine Schließanlage, die er von der Firma schon zuvor erhalten und bei sich eingebaut hatte, hatte der Kläger an die Beklagte zurückgegeben.

4

Mit Schreiben vom 8. Dezember 2010 lud die Beklagte den Kläger zu einer Anhörung für den 13. Dezember 2010 in ihre Geschäftsräume ein. Der Kläger war seit dem 26. Juli 2010 erkrankt. Er teilte mit E-Mail vom 12. Dezember 2010 mit, er könne den Termin wegen einer Rehabilitationsmaßnahme nicht wahrnehmen. Er bat darum, ihn schriftlich anzuhören und die Fragen seinem Prozessbevollmächtigten zu schicken. Die Beklagte sandte daraufhin am 14. Dezember 2010 sowohl an den Kläger als auch an dessen Prozessbevollmächtigten einen zehn Seiten langen Fragenkatalog, der sich auf 13 einzelne Fragenbereiche bezog. Sie setzte dem Kläger eine Frist zur Beantwortung bis zum 17. Dezember 2010, 12:00 Uhr.

5

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2010 - welches nach Angaben der Beklagten am 20. Dezember 2010 bei ihr einging -, teilten die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dieser befinde sich noch bis zum 11. Januar 2011 in der Rehabilitationsmaßnahme. Es sei deshalb „kaum möglich“, innerhalb der gesetzten Frist zu den Fragen Stellung zu nehmen. Es sei eine zeitaufwendige Besprechung mit dem Kläger erforderlich. Diese könne wegen der noch laufenden Rehabilitationsmaßnahme erst im Laufe des Monats Januar 2011 erfolgen. Eine Stellungnahme sei nach Ablauf der Maßnahme zu erwarten. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2010, welches bei der Beklagten tags darauf einging, nahmen die Prozessbevollmächtigten auf ihr Schreiben vom 15. Dezember 2010 Bezug und rügten, die Zusendung des Fragenkataloges habe zu einem gesundheitlichen Rückschlag des Klägers geführt. Tatsächlich litt der Kläger an einer psychischen Erkrankung. Ob dies der Beklagten bekannt war, ist nicht festgestellt.

6

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2010 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Personalrat zu einer beabsichtigten Verdachts- und Tatkündigung an. Der Personalrat widersprach mit Schreiben vom 22. Dezember 2010 mit der Begründung, der Kläger sei nicht ausreichend angehört worden.

7

Mit Schreiben vom 27. Dezember 2010 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis fristlos.

8

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat gemeint, es fehle an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB. Außerdem habe die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Von dem Kündigungsschreiben habe er erst am 30. Dezember 2010 Kenntnis erlangt. Für eine auf den Verdacht einer Pflichtverletzung gestützte Kündigung fehle es an seiner ordnungsgemäßen Anhörung.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 27. Dezember 2010 nicht aufgelöst worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wirksam. Der Kläger habe an Straftaten zu ihren Lasten mitgewirkt. Er habe bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen für den Rahmenvertrag mit der beauftragten Firma bewusst fehlerhafte Mengenangaben zugrunde gelegt. Dies habe dazu geführt, dass diese die Ausschreibung gewonnen habe. Dadurch sei ihr - der Beklagten - ein wirtschaftlicher Nachteil entstanden. Die beauftragte Firma sei in demjenigen Leistungsbereich besonders teuer gewesen, in welchem der Kläger eine zu geringe Auftragsanzahl prognostiziert habe. Zudem habe der Kläger zu Gunsten der Firma Aufmaße mit einem unzutreffend hohen Leistungsumfang bestätigt. Insgesamt sei ihr durch sein Verhalten ein Schaden von wenigstens 19.000,00 Euro entstanden. Sie habe alle zumutbaren Anstrengungen unternommen, um den Sachverhalt aufzuklären. Der Kläger habe den Fragenkatalog beantworten können. Er sei äußerungsfähig gewesen. Das Kündigungsschreiben sei noch am 27. Dezember 2010 um 15:15 Uhr in seinen Briefkasten eingeworfen worden.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung vom 27. Dezember 2010 nicht als unwirksam ansehen. Ob sie wirksam ist, steht noch nicht fest.

13

I. Die Kündigung wegen vom Kläger tatsächlich begangener Pflichtverletzungen ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte die zweiwöchige Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten hätte. Die Frist hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht spätestens am Tag nach dem 7. Dezember 2010 zu laufen begonnen.

14

1. Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Norm mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände ( BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27; 27. Januar 2011 -  2 AZR 825/09  - Rn. 15 , BAGE 137, 54). Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne( BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - aaO; 25. November 2010 - 2 AZR 171/09  - Rn. 15). Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - zu II 1 der Gründe, BAGE 73, 42). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, aaO; 2. März 2006 -  2 AZR 46/05  - Rn. 24 , BAGE 117, 168 ). Bei Vorliegen besonderer Umstände darf sie auch überschritten werden (BAG 2. März 2006 -  2 AZR 46/05  - aaO). Unerheblich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder nicht ( BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - aaO; 25. November 2010 - 2 AZR 171/09  - aaO). Gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Stellungnahme, so gereicht ihm dies hinsichtlich des Beginns der zweiwöchigen Ausschlussfrist deshalb auch dann nicht zum Nachteil, wenn der Arbeitnehmer innerhalb angemessener Überlegungszeit keine Erklärung abgibt oder seine Stellungnahme rückblickend zur Feststellung des Sachverhalts nichts beiträgt (BAG 27. Januar 1972 - 2 AZR 157/71 - zu 3 der Gründe, BAGE 24, 99). Das bedeutet zugleich, dass der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub iSv. § 626 Abs. 2 BGB nicht nachträglich entfällt, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme für den Arbeitnehmer zum Anlass nimmt, nunmehr auf dessen Anhörung zu verzichten. Ein solcher nachträglicher Wegfall des ursprünglichen Aufschubs käme nur in Frage, wenn der betreffende Entschluss des Arbeitgebers auf Willkür beruhte. Davon kann die Rede nicht sein, wenn Anlass für den neuen Entschluss der Umstand ist, dass sich der Arbeitnehmer innerhalb einer ihm gesetzten, angemessenen Frist nicht geäußert hat.

15

2. Danach hat die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht deshalb nicht gewahrt, weil diese spätestens mit dem auf den 7. Dezember 2010 folgenden Tag zu laufen begonnen hätte.

16

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte sei spätestens am 7. Dezember 2010 in der Lage gewesen, sich ein Bild darüber zu machen, ob die im Revisionsbericht aufgeführten Sachverhalte Grundlage für die Überzeugung sein konnten, der Kläger habe die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen begangen. Um darauf eine Kündigung zu stützen, habe es für sie keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung, insbesondere keiner Anhörung des Klägers bedurft. Sie sei schließlich auch ohne neue Erkenntnisse zu dem Schluss gekommen, der ihr bereits am 7. Dezember 2010 möglich gewesen sei. Die Frist für den Ausspruch einer auf tatsächlich begangene Pflichtverletzungen gestützten Kündigung habe damit am 21. Dezember 2010 geendet. Bis zu diesem Zeitpunkt sei die Kündigung dem Kläger - unstreitig - nicht zugegangen.

17

b) Diese Würdigung hält einer Überprüfung nicht stand. Zwar lag der Beklagten am 7. Dezember 2010 der Bericht ihrer Innenrevision vor. Sie durfte es aber nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich halten, dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zu den darin enthaltenen Anschuldigungen zu geben. Es war nicht ausgeschlossen, dass sie dadurch von Umständen Kenntnis erlangen könnte, die den bisher ermittelten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen ließen. Darauf, ob die Anhörung tatsächlich neue Erkenntnisse erbrachte, kommt es nicht an.

18

3. Ob die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt hat, steht noch nicht fest.

19

a) Allerdings hat die Beklagte, nachdem der Bericht der Innenrevision vorlag, den Kläger hinreichend zeitnah zu einer Anhörung eingeladen. Der vorgesehene Termin am 13. Dezember 2010 lag innerhalb einer Woche. Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, dass er den Termin wegen seiner Rehabilitationsmaßnahme nicht wahrnehmen könne, widersprach es auch nicht der gebotenen Eile, ihm zur Beantwortung des Fragenkatalogs eine Frist bis zum 17. Dezember 2010 zu setzen. Der Kläger selbst hatte um schriftliche Anhörung gebeten. Dies ist ein Umstand, der für die Anhörung das Überschreiten der Regelfrist von einer Woche rechtfertigt. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann demnach erst mit Ablauf der dem Kläger gesetzten Frist zur Stellungnahme, dh. am 18. Dezember 2010 zu laufen. Die Beklagte hätte die Kündigungserklärungsfrist selbst dann eingehalten, wenn die Kündigung dem Kläger erst am 30. Dezember 2010 zugegangen sein sollte.

20

b) Das Landesarbeitsgericht hat bisher aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob eine für die Beklagte kündigungsberechtigte Person schon vor dem 17. Dezember 2010 von Umständen Kenntnis erlangt hatte, die darauf schließen ließen, der Kläger werde sich bis zum Ablauf der ihm gesetzten Frist ohnehin nicht mehr äußern. In diesem Fall käme ein entsprechend früherer Fristbeginn in Betracht. Dann wiederum könnte es für die Wahrung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB darauf ankommen, wann genau die Kündigung dem Kläger im Rechtssinne zugegangen ist. Ebenso wenig hat das Landesarbeitsgericht bisher aufgeklärt, ob die Beklagte bis zur Vorlage des Berichts der Innenrevision am 7. Dezember 2010 die Aufklärungsmaßnahmen mit der gebotenen Eile vorgenommen hat.

21

c) Demgegenüber wurde der Fristbeginn nicht schon deshalb hinausgeschoben, weil der Kläger eine Stellungnahme erst nach dem Ende seiner Rehabilitationsmaßnahme in Aussicht gestellt hatte. Die Beklagte hatte die ihm bis zum 17. Dezember 2010 gesetzte Frist nicht verlängert. Darauf, ob andernfalls ein entsprechendes Zuwarten noch mit dem Gebot hinreichend zügiger Aufklärung vereinbar wäre, kommt es nicht an.

22

II. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten, wird es zu prüfen haben, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Sofern es dies nicht wegen erwiesener Pflichtverletzung(en) des Klägers bejahen sollte, wird es prüfen müssen, ob ein solcher Grund zumindest wegen des Verdachts einer erheblichen Pflichtverletzung gegeben ist. Unter diesem Aspekt wäre die Kündigung auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht deshalb unwirksam, weil es an der erforderlichen Anhörung des Klägers fehlte.

23

1. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung. Bei ihr besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung nicht „ultima ratio“ (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 31; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 32). Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung Gelegenheit geben, zu den Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen, um dessen Einlassungen bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen zu können (BAG 30. April 1987 - 2 AZR 283/86 - zu B I 2 c der Gründe). Versäumt er dies, kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen; die hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam (BAG 30. April 1987 - 2 AZR 283/86 - zu B I 2 d der Gründe; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu C III 3 der Gründe, BAGE 49, 39).

24

a) Der Umfang der Anhörung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden(BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 33; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06  - Rn. 15 ). Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt ( BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - aaO; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06  - aaO).

25

b) Unterblieb die Anhörung, weil der Arbeitnehmer von vornherein nicht bereit war, sich auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einzulassen und nach seinen Kräften an der Aufklärung mitzuwirken, steht dies der Wirksamkeit der Verdachtskündigung nicht entgegen. Erklärt der Arbeitnehmer, er werde sich zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf nicht äußern, und nennt er für seine Weigerung keine relevanten Gründe, muss der Arbeitgeber ihn über die Verdachtsmomente nicht näher informieren ( BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 16; 28. November 2007 - 5 AZR 952/06  - Rn. 20). Eine solche Anhörung wäre überflüssig. Sie könnte zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Willensbildung des Arbeitgebers nichts beitragen ( BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - aaO; 30. April 1987 - 2 AZR 283/86 - zu B I 2 d aa der Gründe).

26

c) Ein Unterlassen der Anhörung kann auch dann unschädlich sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer - im Rahmen des Zumutbaren - Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, und dieser sich innerhalb der gesetzten - angemessenen - Frist gleichwohl nicht geäußert hat. Dies gilt einmal, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich schweigt, kann aber selbst bei unfreiwilligem Schweigen gelten. Ist etwa der Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht nur an einem persönlichen Gespräch, sondern längerfristig auch an einer schriftlichen Stellungnahme auf ihm übermittelte Fragen verhindert, muss der Arbeitgeber nicht notwendig die Zeit abwarten, zu der sich der Arbeitnehmer wieder äußern kann. Zwar mag die Frist des § 626 Abs. 2 BGB noch nicht zu laufen beginnen, solange der Arbeitgeber entsprechend zuwartet(vgl. dazu LAG Köln 25. Januar 2001 - 6 Sa 1310/00 -; Hessisches LAG 8. Oktober 1979 - 11 Sa 544/79 -). Wartet der Arbeitgeber diesen Zeitpunkt aber nicht ab, führt das nicht automatisch dazu, dass ihm eine Verletzung seiner Aufklärungspflicht vorzuwerfen wäre.

27

aa) Wartet der Arbeitgeber, dem der Arbeitnehmer mitteilt, er könne sich wegen einer Erkrankung nicht, auch nicht schriftlich äußern, dessen Gesundung ab, um ihm eine Stellungnahme zu den Vorwürfen zu ermöglichen, liegen in der Regel hinreichende besondere Umstände vor, aufgrund derer der Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB entsprechend lange hinausgeschoben wird. Dem Arbeitgeber, der die Möglichkeit einer weiteren Aufklärung durch den Arbeitnehmer trotz der Zeitverzögerung nicht ungenutzt lassen möchte, wird regelmäßig nicht der Vorwurf gemacht werden können, er betreibe keine hinreichend eilige Aufklärung, insbesondere dann nicht, wenn der Arbeitnehmer selbst um eine Fristverlängerung gebeten hat (ebenso Eylert/Friedrichs DB 2007, 2203, 2206; Mennemeyer/Dreymüller NZA 2005, 382). Dies dient nicht zuletzt dem Interesse des Arbeitnehmers an der Vermeidung einer vorschnell, ohne Rücksicht auf mögliche Entlastungen erklärten Kündigung (vgl. dazu BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 23, 34).

28

bb) Umgekehrt verletzt der Arbeitgeber in einem solchen Fall nicht notwendig seine Aufklärungspflicht aus § 626 Abs. 1 BGB, wenn er von einem weiteren Zuwarten absieht. Ihm kann - abhängig von den Umständen des Einzelfalls - eine weitere Verzögerung unzumutbar sein. Das ist anzunehmen, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen darf, der Arbeitnehmer werde sich in absehbarer Zeit nicht äußern (können). Hat etwa der Arbeitnehmer mehrmals um eine Verlängerung der gesetzten Frist zur Stellungnahme gebeten und hat sich seine Prognose, wann er sich werde äußern können, wiederholt als unzutreffend erwiesen, wird dem Arbeitgeber ein weiteres Zuwarten nicht zuzumuten sein. Mehrfache ergebnislose Fristverlängerungen können überdies die Annahme rechtfertigen, der Arbeitnehmer wolle sich in Wirklichkeit ohnehin nicht äußern. Einige weitere Tage warten zu müssen, wird der Arbeitgeber dabei in der Regel eher hinzunehmen haben als eine Wartezeit von mehreren Wochen. Es kann wiederum auch das Ende eines längeren Zeitraums abzuwarten sein, wenn schon die bisherigen Aufklärungsmaßnahmen längere Zeit in Anspruch genommen haben und keine Ansprüche des Arbeitnehmers aus Annahmeverzug drohen.

29

2. Danach ist das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, es habe an der erforderlichen Anhörung des Klägers gefehlt.

30

a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die Beklagte habe nicht annehmen dürfen, der Kläger wolle sich einer Anhörung entziehen. Der Kläger habe seine Mitwirkung bei der Anhörung angekündigt, seine Prozessbevollmächtigten hätten sie für Mitte Januar 2011 in Aussicht gestellt. Der Kläger sei psychisch erkrankt gewesen und habe sich in einer Reha-Maßnahme befunden. „Hierüber“ habe er die Beklagte unverzüglich in Kenntnis gesetzt.

31

b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht alle relevanten Umstände in seine Prüfung mit einbezogen. Die bislang festgestellten Tatsachen tragen seine Begründung nicht.

32

aa) Das Landesarbeitsgericht hat nicht gewürdigt, dass der Kläger zunächst ohne einen Hinweis auf zeitliche Einschränkungen durch die Reha-Maßnahme um eine schriftliche Anhörung gebeten hatte. Erst anschließend stellten seine Prozessbevollmächtigten eine Äußerung für eine geraume Zeit später und zu einem recht vagen Zeitpunkt in Aussicht. Sie kündigten diese nicht für „Mitte Januar 2011“ an - wovon das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist - sondern kündigten an, sie würde „im Laufe des Januar 2011“ erfolgen. Die Prozessbevollmächtigten erläuterten überdies nicht, warum nicht schon während der noch laufenden Reha-Maßnahme eine Besprechung mit dem Kläger möglich wäre. Ob sich der Kläger dazu gesundheitlich nicht in der Lage sah, ob er möglicherweise überhaupt nicht äußerungsfähig war oder ob es nur Terminprobleme bzw. sonstige organisatorische Schwierigkeiten gab, die dem entgegenstünden, wird aus ihren Schreiben nicht ersichtlich.

33

bb) Dafür, dass die Beklagte aus der Art der Erkrankung des Klägers Rückschlüsse auf das Fehlen seiner Fähigkeit hätte ziehen können, sich - und sei es schriftlich - zu äußern, gibt es nach den bisherigen Feststellungen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Es ist unklar, ob das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Kläger habe die Beklagte nicht nur über seinen Aufenthalt in einer Reha-Klinik, sondern auch über die Art seiner Erkrankung informiert. In der E-Mail vom 12. Dezember 2010 hatte der Kläger lediglich mitgeteilt, er befinde sich bis zum 11. Januar 2011 in der Klinik, sei gesundheitlich nicht in der Lage, an der Anhörung in den Räumen der Beklagten teilzunehmen, und bitte um eine schriftliche Anhörung. In den Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten werden zur Art seiner Erkrankung keine Angaben gemacht.

34

c) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dem Kläger sei es wegen seiner Erkrankung und der Durchführung der Reha-Maßnahme nicht möglich gewesen, den Fragenkatalog innerhalb der gesetzten Frist angemessen zu beantworten, beruht ebenfalls nicht auf hinreichenden Tatsachenfeststellungen. Sie rechtfertigt deshalb nicht die Würdigung, die Beklagte habe, weil sie dem Kläger keine längere Frist zur Stellungnahme gewährt habe, ihre Aufklärungspflicht verletzt.

35

aa) Das Landesarbeitsgericht stellt darauf ab, der Kläger sei von den betrieblichen Informationsquellen abgeschnitten gewesen, die ihm möglicherweise Entlastungsmaterial hätten liefern können. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger darauf - insbesondere gegenüber der Beklagten - überhaupt berufen hätte. Abgesehen davon hätte er in seiner Antwort auf diesen Umstand hinweisen können.

36

bb) Soweit das Landesarbeitsgericht annimmt, die zeitliche Beanspruchung des Klägers durch Therapieeinheiten habe die ihm zur Verfügung stehende Zeit zur Stellungnahme erheblich eingeschränkt, fehlt es an Feststellungen zum konkreten zeitlichen Umfang dieser Einheiten. Ebenso wenig ist festgestellt, dass die Beklagte von dieser Beanspruchung Kenntnis gehabt hätte und sie bei ihrer Entscheidung, dem Kläger keine Nachfrist zu gewähren, hätte in Rechnung stellen müssen.

37

d) Unerheblich ist, ob die Beklagte das Gebot der zügigen Aufklärung aus § 626 Abs. 2 BGB verletzt hätte, wenn sie dem Kläger eine Nachfrist jedenfalls bis Mitte Januar 2011 gesetzt hätte. Selbst wenn dies zu verneinen wäre, folgt allein daraus - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - nicht, dass sie ihre Aufklärungspflicht nach § 626 Abs. 1 BGB verletzt hat, weil sie dem Kläger eine solche Frist nicht gewährte.

38

3. Das Landesarbeitsgericht wird - falls es darauf ankommt - die Frage, ob der Kläger vor Ausspruch der Verdachtskündigung im Rahmen des der Beklagten Zumutbaren Gelegenheit zur Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen hatte, unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen und aller relevanten Umstände des Streitfalls erneut zu prüfen haben.

        

    Kreft    

        

    Berger     

        

    Rachor    

        

        

        

    Perreng     

        

    Wolf    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. August 2009 - 19/3 Sa 575/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. März 2008 - 19 Ca 9432/06 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine fristlose Verdachtskündigung.

2

Der im Jahr 1961 geborene Kläger war bei der beklagten Stadt seit dem 1. September 1989 als Orchestermusiker (2. Hornist) gegen ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 4.580,79 Euro beschäftigt. Nach den anzuwendenden Bestimmungen des Tarifvertrags für Musiker in Kulturorchestern (TVK) sind Arbeitnehmer, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und mehr als 15 Jahre beschäftigt sind, ordentlich nicht mehr kündbar.

3

Ihren Eigenbetrieb der städtischen Bühnen leitete die Beklagte mit Wirkung zum 1. September 2004 auf die S GmbH (nachfolgend S GmbH) über. Der Kläger widersprach einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. In der Folge wies die Beklagte den Kläger - ebenso wie die übrigen Mitarbeiter, die einer Überleitung widersprochen hatten - aufgrund eines mit der S GmbH geschlossenen Personalgestellungsvertrags dieser zur Dienstausübung zu. Im Februar 2005 fand eine Betriebsratswahl für einen von der Beklagten und der S GmbH gemeinsam geführten Betrieb „Städtische Bühnen“ statt. In dem von der S GmbH eingeleiteten Wahlanfechtungsverfahren wurde der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Wahl rechtskräftig abgewiesen. Mit - weiterem - Beschluss vom 19. Februar 2009 erklärte das Hessische Landesarbeitsgericht die Wahl für „ungültig“.

4

Der Kläger war mit einem Kollegen aus dem Orchester befreundet. Dieser hat zwei Töchter, geboren 1990 und 1994. Der Kläger berührte das ältere der Mädchen - damals fünf- bis sechsjährig - bei Besuchen im Haus des Freundes in den Jahren 1995 und 1996 unsittlich, das jüngere - damals acht bis neun Jahre alt - mehrmals bei Besuchen bei der inzwischen allein lebenden Mutter in den Jahren 2002 und 2003. Am 22. September 2004 erstattete die Mutter Anzeige. Gegen den Kläger wurde daraufhin ein Ermittlungsverfahren ua. wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eingeleitet. Gegenstand des Verfahrens war auch der Vorwurf, der Kläger habe im Jahr 1994 ein weiteres, damals elf Jahre altes Mädchen sexuell missbraucht.

5

Am 20. Oktober 2004 wurde die Beklagte durch den Vater der Mädchen über die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe informiert. In einem Gespräch der Beklagten mit den übrigen Hornbläsern am 22. November 2004 offenbarte einer der Musiker, dass sich der Kläger auch seinem Sohn unsittlich genähert habe und ein strafrechtliches Verfahren gegen Zahlung eines Bußgelds eingestellt worden sei. Er und andere Mitglieder der Stimmgruppe der Hornisten erklärten, mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können.

6

Am 13. Dezember 2004 hörte die Beklagte den Kläger zu den Vorwürfen an. Dieser bestritt deren Berechtigung. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 sprach die Beklagte eine auf den Verdacht der Tatbegehungen gestützte fristlose Kündigung aus. Der dagegen erhobenen Klage gab das Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 9. Oktober 2006 mit der Begründung - rechtskräftig - statt, dass die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt habe.

7

Nachdem die Beklagte im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 9. Oktober 2006 erfahren hatte, dass gegen den Kläger Anklage erhoben worden war, bemühte sie sich vergeblich um Akteneinsicht. In einem Telefonat mit dem zuständigen Richter am 30. November 2006 erfuhr sie, dass die Anklageerhebung auf dem ihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte beruhe. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2006 lud sie den Kläger erneut zu einem Anhörungsgespräch am 11. Dezember 2006. Der Kläger teilte ihr am 8. Dezember 2006 mit, dass er nicht erscheinen werde. Nach Anhörung des - trotz Wahlanfechtung weiterhin amtierenden - Betriebsrats sprach die Beklagte am 21. Dezember 2006 erneut eine außerordentliche, fristlose Verdachtskündigung aus. Dagegen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei mangels Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Frist sei spätestens am 3. Dezember 2004 abgelaufen. Die Kündigung sei eine unzulässige Wiederholungskündigung. Die von ihm begangenen Straftaten könnten als außerdienstliches Verhalten die Kündigung ohnehin nicht rechtfertigen. Der Kläger hat bestritten, dass es zu einem Vertrauensverlust bei seinen Kollegen gekommen sei und seine Anwesenheit die künstlerische Qualität des Orchesters beeinträchtige. Seine sexuellen Neigungen seien seit Anfang der 90-er Jahre im Orchester bekannt gewesen. Er befinde sich seit 1992 in therapeutischer Behandlung. Deswegen bestehe keine Wiederholungsgefahr. Seine Taten seien Folge einer psychischen Disposition. Die Kündigung sei deshalb nach den Grundsätzen der krankheitsbedingten Kündigung zu beurteilen und mangels negativer Prognose unwirksam. Außerdem habe statt des Betriebsrats der zuständige Personalrat angehört werden müssen.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 nicht beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, mit der Erhebung der Anklage sei ein wesentlicher Einschnitt im Strafverfahren verbunden gewesen. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei erneut in Gang gesetzt worden, als sie von der Anklageerhebung Kenntnis erhalten habe. Wegen des dringenden Verdachts der Begehung der fraglichen Straftaten sei die Kündigung auch materiell gerechtfertigt. Das Verhalten des Klägers weise einen hinreichenden dienstlichen Bezug auf. Das Vertrauensverhältnis zu den Mitgliedern des Orchesters, insbesondere zu den Hornbläsern, sei zerstört. Die Anwesenheit des Klägers beeinträchtige die künstlerische Qualität bei Proben und Vorstellungen. Die Neigungen des Klägers seien keineswegs allgemein im Orchester bekannt gewesen. Es bestehe ein unkalkulierbares Risiko, dass er wieder einschlägig auffällig werde. Im Hinblick darauf, dass sie in der Komparserie und im Rahmen von Praktika minderjährige Kinder beschäftige, sei ihr eine Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten. Die Beteiligung des Personalrats sei nicht erforderlich gewesen.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Abweisung der Klage. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt(I.). Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies kann der Senat selbst entscheiden, da die maßgeblichen Tatsachen feststehen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt vor(II.). Die Kündigung ist nicht mangels Anhörung des Personalrats unwirksam (III.).

13

I. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Beklagte hat die gesetzliche Frist zur Erklärung der Kündigung gewahrt.

14

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

15

a) Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (Senat 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15 mwN, NZA-RR 2011, 177; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7). Grob fahrlässige Unkenntnis ist insoweit ohne Bedeutung (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 319 mwN). Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - aaO). Solange er die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, läuft die Ausschlussfrist nicht an (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - zu B I 3 der Gründe, aaO). Um den Lauf der Frist nicht länger als notwendig hinauszuschieben, muss eine Anhörung allerdings innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Die Frist darf im Allgemeinen, und ohne dass besondere Umstände vorlägen, nicht mehr als eine Woche betragen (Senat 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 24, BAGE 117, 168).

16

b) Geht es um ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber den Aus- oder Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; Bader/Bram/Dörner/Kriebel-Bader KSchG Stand Dezember 2010 § 626 BGB Rn. 77; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 321). Für den betreffenden Zeitpunkt bedarf es eines sachlichen Grundes. Wenn etwa der Kündigungsberechtigte neue Tatsachen erfahren oder neue Beweismittel erlangt hat und nunmehr einen - neuen - ausreichenden Erkenntnisstand für eine Kündigung zu haben glaubt, kann er dies zum Anlass für den Ausspruch der Kündigung nehmen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 20, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9).

17

c) Der Arbeitgeber kann sich auch für die Überlegung, ob er eine Verdachtskündigung aussprechen soll, am Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens orientieren (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7). Dort gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Vertragspartner habe die Pflichtverletzung begangen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; vgl. HaKo-Gieseler 3. Aufl. § 626 BGB Rn. 106; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Eine solche den Verdacht intensivierende Wirkung kann auch die Erhebung der öffentlichen Klage haben (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-ArbR/Bröhl 2. Aufl. Bd. 1 § 626 BGB Rn. 102; HaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis aaO). Zwar kann die Erhebung der öffentlichen Klage für sich genommen keinen dringenden Verdacht im kündigungsrechtlichen Sinne begründen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 27, aaO; 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Sie bedeutet aber einen Einschnitt, der in der Lage ist, die anderweitig schon genährte Überzeugung des Arbeitgebers zu verstärken. Während die Einleitung des Ermittlungsverfahrens lediglich einen Anfangsverdacht erfordert, ist die Erhebung der öffentlichen Klage nach der Strafprozessordnung an das Bestehen eines „hinreichenden“ Verdachts gebunden. Der Verdacht erhält damit eine andere Qualität. Dies rechtfertigt es, die Erhebung der öffentlichen Klage als einen Umstand anzusehen, bei dessen Eintritt der Arbeitgeber einen sachlichen Grund hat, das Kündigungsverfahren einzuleiten (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-ArbR/Bröhl aaO; HaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis aaO).

18

d) Der Arbeitgeber hat nicht nur zwei Möglichkeiten, dem sich mit der Zeit entwickelnden Zuwachs an Erkenntnissen durch eine außerordentliche Kündigung zu begegnen. Es gibt nicht lediglich zwei objektiv genau bestimmbare Zeitpunkte, zu denen die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begönne: einen Zeitpunkt für den Ausspruch einer Verdachts-, einen weiteren für den Ausspruch einer Tatkündigung. Im Laufe des Aufklärungszeitraums kann es vielmehr mehrere Zeitpunkte geben, in denen der Verdacht „dringend“ genug ist, um eine Verdachtskündigung darauf zu stützen. Dabei steht dem Kündigungsberechtigten ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 22 ff., AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).

19

e) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt demnach erneut zu laufen, wenn der Arbeitgeber eine neue, den Verdacht der Tatbegehung verstärkende Tatsache zum Anlass für eine Kündigung nimmt. Eine den Verdacht verstärkende Tatsache kann die Anklageerhebung im Strafverfahren darstellen, selbst wenn sie nicht auf neuen Erkenntnissen beruht. Der Umstand, dass eine unbeteiligte Stelle mit weiterreichenden Ermittlungsmöglichkeiten, als sie dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, ist geeignet, den gegen den Arbeitnehmer gehegten Verdacht zu verstärken. Der Arbeitgeber kann ihn auch dann zum Anlass für den Ausspruch einer Verdachtskündigung nehmen, wenn er eine solche schon zuvor erklärt hatte. Da die neuerliche Kündigung auf einem neuen, nämlich um die Tatsache der Anklageerhebung ergänzten Sachverhalt beruht, handelt es sich nicht etwa um eine unzulässige Wiederholungskündigung. Ebenso wenig ist das Recht, eine weitere Verdachtskündigung auszusprechen, mit dem Ausspruch einer ersten Verdachtskündigung verbraucht. Der Arbeitgeber hat sich dadurch, dass er eine Verdachtskündigung bereits vor Anklageerhebung ausgesprochen hat, auch nicht dahin gebunden, vor Ausspruch einer weiteren Kündigung den Ausgang des Ermittlungs- oder Strafverfahrens abzuwarten. Für die Annahme eines solchen Verzichts auf ein - noch nicht absehbares späteres - Kündigungsrecht gibt es keine Grundlage. Zwar bezieht sich der Verdacht jeweils auf dieselbe Tat, der zur Kündigung führende Sachverhalt ist aber gerade nicht identisch. Die zweite Kündigung stützt sich auf eine erweiterte, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB neu in Gang setzende Tatsachengrundlage.

20

2. Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte mit Ausspruch der Kündigung am 21. Dezember 2006 die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Diese begann am 8. Dezember 2006 erneut zu laufen. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 erfolgte innerhalb von zwei Wochen.

21

a) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann erneut in dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem die Beklagte vollständige Kenntnis davon erhielt, dass gegen den Kläger Anklage wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eines Kollegen erhoben worden war und neue entlastende Gesichtspunkte nicht zu ermitteln waren. Der Verdacht bezieht sich zwar auf dieselbe Tat wie der, welcher der Kündigung vom 23. Dezember 2004 zugrunde lag. Der Sachverhalt ist aber deshalb nicht identisch, weil sich die Beklagte zusätzlich auf die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft beruft.

22

b) Vollständige positive Kenntnis von den den Verdacht verstärkenden Umständen hatte die Beklagte erst am 8. Dezember 2006. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte sie zwar bereits während der mündlichen Verhandlung am 9. Oktober 2006 Kenntnis davon erhalten, dass gegen den Kläger Anklage erhoben worden war. Sie hatte aber erst aufgrund des Gesprächs mit dem zuständigen Richter am 30. November 2006 erfahren, dass die Anklage auf dem ihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte beruhte und damit ua. die Vorwürfe zum Gegenstand hatte, die den von ihr gehegten Verdacht gegen den Kläger betrafen. Ihre vorausgegangenen Bemühungen, Akteneinsicht zu erhalten, waren erfolglos geblieben. Die Beklagte durfte anschließend dem Kläger Gelegenheit geben, neue entlastende Umstände vorzubringen. Mit der Einladung zu einem Anhörungstermin am 11. Dezember 2006 ist sie diese Maßnahme zur Aufklärung des Sachverhalts auch hinreichend zügig angegangen. Zwar war die dafür in der Regel zu veranschlagende Wochenfrist am 11. Dezember überschritten. Die Beklagte ging gleichwohl mit der gebotenen Eile vor. Der 30. November 2006 war ein Donnerstag. Das Einladungsschreiben vom 4. Dezember wurde am auf ihn folgenden zweiten Arbeitstag verfasst. Dies ist zumindest angesichts der Besonderheit, dass sie schon zuvor eine Verdachtskündigung ausgesprochen hatte und die Notwendigkeit einer weiteren Anhörung des Klägers damit nicht unmittelbar auf der Hand lag, nicht zu beanstanden. Dass die Beklagte den Termin erst auf eine weitere Woche später anberaumte, ist ihr ebenso wenig vorzuhalten. Sie berücksichtigte damit in angemessener Weise das Interesse des im Betrieb nicht mehr beschäftigten Klägers an einer Ankündigungszeit. Mit dem Erhalt von dessen Nachricht am 8. Dezember 2006, er werde den Anhörungstermin nicht wahrnehmen, stand sodann fest, dass sich neue entlastende Umstände durch eine Anhörung des Klägers nicht ergeben würden.

23

II. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 beruht auf einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

24

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220).

25

2. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt des sexuellen Missbrauchs von Kindern eines Kollegen ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet.

26

a) Die Beklagte hat sich zur Rechtfertigung der Kündigung zwar nur auf einen entsprechenden Verdacht berufen. Obwohl der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund darstellt (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8), stehen beide Gründe aber nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO ). Ergibt sich nach tatrichterlicher Würdigung das tatsächliche Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen; es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - mwN, aaO). Nichts anderes gilt für das Revisionsgericht, wenn das Berufungsgericht zwar nicht selbst geprüft hat, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gegeben ist, aber gem. § 559 Abs. 2 ZPO bindend festgestellt hat, dass die Pflichtwidrigkeit tatsächlich begangen wurde.

27

b) Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Kläger sowohl während mehrerer Besuche im Haus der Familie seines Kollegen in den Jahren 1995/1996 die ältere von dessen Töchtern, damals fünf- bis sechsjährig, unsittlich berührte als auch mehrmals in den Jahren 2002 und 2003 die jüngere Tochter, damals acht bis neun Jahre alt, anlässlich von Besuchen im Haus der inzwischen allein lebenden Ehefrau. Das Landesarbeitsgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass ein weiterer Kollege der Beklagten während eines Gesprächs am 22. November 2004 mitgeteilt hatte, ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Vorwurfs, dieser habe sich dem Sohn des Kollegen unsittlich genähert, sei eingestellt worden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erklärten der betreffende Kollege und andere Mitglieder der Hornisten-Gruppe, mit dem Kläger wegen dieser Vorwürfe nicht mehr zusammenarbeiten zu können.

28

c) Der Umstand, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht einer gerichtlichen Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat nicht entgegen. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob der ungültig gewählte, aber während des Wahlanfechtungsverfahrens weiter amtierende Betriebsrat überhaupt nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu beteiligen war. Ausreichend ist jedenfalls, wenn dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen „Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf begründen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32). Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung Genüge getan. Dem Betriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Danach ist der Betriebsrat hier ausreichend unterrichtet worden. Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen sind auch Gegenstand des Anhörungsschreibens vom 15. Dezember 2006.

29

d) Eine schwere und schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Das gilt auch für die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten (Senat 12. März 2009 - 2 ABR 24/08 - Rn. 30, EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Arbeitnehmervertreter Nr. 1; 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8).

30

e) Der Kläger hat seine Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, auf die berechtigten Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen, durch den sexuellen Missbrauch von Kindern eines Kollegen in erheblichem Maße verletzt. Darauf, ob sich aus § 5 Abs. 1 TVK aF noch weiter gehende Pflichten zur Rücksichtnahme ergaben, kommt es nicht an.

31

aa) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 19, NZA 2011, 112; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Der Arbeitnehmer ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - aaO). Die Pflicht zur Rücksichtnahme kann deshalb auch durch außerdienstliches Verhalten verletzt werden (vgl. ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 626 BGB Rn. 83). Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO). Das ist der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 22, aaO; 27. November 2008 -  2 AZR 98/07  - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4). Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine Pflichtverletzung regelmäßig aus (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO; SPV/Preis Rn. 642).

32

bb) Die von dem Kläger außerdienstlich begangenen Straftaten haben einen solchen Bezug zum Arbeitsverhältnis.

33

(1) Dieser Bezug besteht zunächst darin, dass Opfer der Straftaten des Klägers die Kinder eines Kollegen waren.

34

(2) Die von dem Kläger an den Kollegenkindern begangenen Sexualstraftaten hatten zudem negative Auswirkungen auf das betriebliche Miteinander. So haben mehrere Mitglieder der Stimmgruppe des Klägers in dem Gespräch am 22. November 2004 gegenüber der Beklagten erklärt, mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können. Der Einwand des Klägers, in dem Orchester herrsche ohnehin keine Atmosphäre des Vertrauens, sondern eine Atmosphäre der Angst, ist unbeachtlich. Er ändert nichts daran, dass im vorliegenden Zusammenhang allein der Kläger für die Störung des Betriebsfriedens verantwortlich ist.

35

cc) Die Straftaten des Klägers haben das kollegiale Miteinander und damit das Arbeitsverhältnis schwer belastet. Der Kläger hat das Vertrauen seines Kollegen und von dessen Familie wiederholt massiv missbraucht. Aus eben diesem Grund haben mehrere Kollegen aus seiner Stimmgruppe ausgeschlossen, mit ihm weiter zusammenarbeiten zu können.

36

Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt. Soweit er seine sexuellen Neigungen im Laufe des Rechtsstreits auf krankhafte Störungen zurückgeführt hat, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Der Kläger hat nicht behauptet, dass es ihm unmöglich gewesen sei, sein Verhalten zu steuern. Die Grundsätze einer personenbedingten Kündigung finden keine Anwendung.

37

3. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt. Der Beklagten war es unzumutbar, den Kläger auch nur bis zum Ablauf einer - fiktiven - Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.

38

a) Obwohl das Landesarbeitsgericht - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - eine Interessenabwägung nicht vorgenommen hat, ist eine eigene Abwägung durch den Senat möglich. Der dem Berufungsgericht in der Rechtsprechung des Senats zugestandene Beurteilungsspielraum (vgl. Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5) schränkt lediglich die revisionsrechtliche Überprüfung der Interessenabwägung ein. Hat das Berufungsgericht eine Interessenabwägung vorgenommen, ist - wenn sämtliche relevanten Tatsachen feststehen - eine eigene Interessenabwägung des Revisionsgerichts nur dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist (vgl. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 35 f., AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Fehlt es indessen an einer Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts, ist es - wenn alle relevanten Tatsachen festgestellt sind - nicht erforderlich, dem Landesarbeitsgericht Gelegenheit zu geben, zunächst eine eigene Abwägung vorzunehmen. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist zwar in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, aaO).

39

b) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 f. mwN).

40

c) Danach ist die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 gerechtfertigt.

41

aa) Der Kläger hat wiederholt die Kinder eines Kollegen sexuell missbraucht und dadurch bewirkt, dass sich mehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe weigerten, mit ihm weiter zusammenzuarbeiten. Ohne erhebliche Auswirkungen auf den Betriebsfrieden war eine Mitwirkung des Klägers in seiner Stimmgruppe damit nicht mehr vorstellbar. Zwar war der betreffende Kollege zum Zeitpunkt der Kündigung bereits aus dem Orchester ausgeschieden. Der zweite betroffene Kollege und weitere Mitglieder, die an dem Gespräch am 22. November 2004 teilgenommen hatten, waren aber auch im Dezember 2006 noch beschäftigt. Unerheblich ist, ob die sexuellen Neigungen des Klägers schon länger im Orchester bekannt waren. Der Kläger hat nicht behauptet, es sei auch bekannt gewesen, dass er tatsächlich Straftaten an Kollegenkindern beging.

42

bb) Für die Beklagte war es nicht zumutbar, den Kläger unter Inkaufnahme einer fortbestehenden Störung des Betriebsfriedens weiterzubeschäftigen. Anders als in einer Drucksituation, der kein Verhalten des Arbeitnehmers und kein personenbedingter Grund zugrunde liegt, war die Beklagte nicht gehalten, sich etwa schützend vor den Kläger zu stellen und zu versuchen, die Kollegen von ihrer Weigerung, weiter mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, abzubringen (vgl. dazu Senat 19. Juni 1986 - 2 AZR 563/85 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 33 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 39). Der Kläger hatte durch sein Verhalten die Betriebsstörung vielmehr selbst herbeigeführt. Er hat das ihm von einem Kollegen und dessen Familie entgegengebrachte Vertrauen in schwerwiegender Weise mehrfach missbraucht. Dass auch anderen Kollegen angesichts dessen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich erschien, ist objektiv nachvollziehbar. Sexueller Missbrauch von Kindern ist ein die Integrität der Opfer in schwerwiegender Weise verletzendes Delikt. Geschützt ist die Entwicklung der Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung (Fischer StGB 58. Aufl. § 176 Rn. 2 mwN). Äußere, fremdbestimmte Eingriffe in die kindliche Sexualität sind in besonderer Weise geeignet, diese Entwicklung zu stören. Die Tat birgt die Gefahr von nachhaltigen Schädigungen des Kindes (Fischer Rn. 36 mwN, aaO). Sie ist nach § 176 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht.

43

cc) Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht. Angesichts der Schwere seiner Pflichtverletzungen war deren - auch nur erstmalige - Hinnahme durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen (vgl. zu diesem Maßstab Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

44

dd) Nicht entscheidend ist, ob zu erwarten stand, der Kläger werde weiterhin sexuelle Straftaten an (Kollegen-)Kindern begehen. Die von dem Kläger vorgetragenen Therapiebemühungen und der Umstand, dass er strafrechtlich nur zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, rechtfertigen deshalb ebenso wenig eine andere Bewertung wie Gesichtspunkte der Resozialisierung. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Beklagte angesichts der Erklärungen von Mitgliedern der Stimmgruppe des Klägers davon ausgehen musste, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen diesem und seinen Kollegen nicht mehr zu erwarten war. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, nicht alle Orchestermusiker hätten sich geweigert, mit ihm zusammenzuarbeiten, kann die Richtigkeit dieser Behauptung dahinstehen. Der Kläger bestreitet nicht, dass mehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe nicht mehr zu einer Zusammenarbeit bereit waren. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die musikalische Qualität von Proben oder Vorstellungen bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers tatsächlich gelitten hätte. Der Beklagten war es angesichts der Taten des Klägers schon nicht zumutbar, von seinen Kollegen eine weitere Zusammenarbeit überhaupt zu fordern. Darauf, ob der Kläger im Dienst Kontakt zu Kindern hatte, kommt es ebenfalls nicht an.

45

ee) An dem Ergebnis der Interessenabwägung ändert sich auch dann nichts, wenn die Behauptung des Klägers zutrifft, erst eine als Krankheit anzusehende Ausprägung seiner sexuellen Neigungen habe ihn straffällig werden lassen. Der Beklagten ist es auch unter dieser Voraussetzung nicht zuzumuten, von den Kollegen des Klägers die weitere Zusammenarbeit zu verlangen. Die durch das Verhalten des Klägers verursachte Störung des Betriebsfriedens wird dadurch nicht geringer.

46

ff) Disziplinarrechtliche Maßstäbe zur Beurteilung von Dienstvergehen eines Beamten sind für den Streitfall ohne Bedeutung. Die Sachverhalte, die den vom Kläger herangezogenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zugrunde liegen, sind zudem schon deshalb nicht vergleichbar, weil es dabei nicht um den Missbrauch von Kollegenkindern ging. Der Kläger will überdies aus dem Umstand, dass die Beklagte Opernaufführungen mit sexuellen Bezügen inszeniert, eine Bereitschaft zur Toleranz von Kindesmissbrauch ableiten. Dies ist abwegig. Soweit er darüber hinaus meint, seine Taten hätten einen Bezug zu seiner Tätigkeit als bildender Künstler, bleibt unklar, welchen Schluss er daraus ableitet. Er kann schwerlich gemeint haben, die Kunstfreiheit rechtfertige Kindesmissbrauch.

47

gg) Beschäftigungsdauer und Lebensalter des Klägers rechtfertigen kein anderes Ergebnis. An der Schwere der Pflichtverletzungen und Störung des Betriebsfriedens ändern sie nichts.

48

hh) Der Umstand, dass der Kläger ordentlich unkündbar war, hat auf die Interessenabwägung keinen gesonderten Einfluss. Ist es dem Arbeitgeber - wie hier - nicht zumutbar, den tariflich unkündbaren Arbeitnehmer bis zum Ablauf der „fiktiven“ Frist einer ordentlichen Beendigungskündigung weiterzubeschäftigen, ist eine außerordentliche fristlose Kündigung auch des tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers gerechtfertigt (Senat 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 5 b der Gründe, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; 15. November 2001 -  2 AZR 605/00  - BAGE 99, 331).

49

III. Die Kündigung ist nicht mangels Beteiligung eines für den Kläger zuständigen Personalrats nach § 78 Abs. 2 des Hessischen Personalvertretungsgesetzes vom 24. März 1988 (HPVG) unwirksam.

50

1. Bei einer außerordentlichen Kündigung sieht § 78 Abs. 2 HPVG eine Anhörung des Personalrats vor. Soweit der Kläger das Unterbleiben einer Beteiligung nach § 77 HPVG gerügt hat, handelt es sich offensichtlich um eine Falschbezeichnung. § 77 Nr. 2 Buchst. i HPVG betrifft die Mitbestimmung bei ordentlichen Kündigungen (außerhalb der Probezeit). Eine Anhörung war im Streitfall nicht etwa nach § 104 Abs. 3 Satz 1 HPVG entbehrlich. Nach dieser Bestimmung entfallen zwar die Mitbestimmung und Mitwirkung des Personalrats in Personalangelegenheiten der in § 104 Abs. 1 HPVG genannten Orchestermitglieder. Das Beteiligungsrecht bei außerordentlichen Kündigungen wird aber als bloßes Anhörungsrecht von dem Ausschluss nicht erfasst (Burkholz HPVG 2. Aufl. § 104 zu 3.2; ders. in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 104 HPVG Rn. 17).

51

2. Indessen sind aus dem Parteivorbringen keine Umstände dafür ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Kündigung vom 21. Dezember 2006 ein Personalrat im Amt gewesen wäre, der nach § 78 Abs. 2 HPVG hätte angehört werden müssen.

52

a) Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe, da in Wirklichkeit kein gemeinsamer Betrieb bestanden habe, nicht den für diesen gewählten Betriebsrat, sondern „den zuständigen Personalrat“ beteiligen müssen. Nach ihrem Vorbringen im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 23. Dezember 2004 hatte die Beklagte vor Ausspruch dieser Kündigung den Personalrat des „Restamts Städtische Bühnen“ angehört. Dabei handelte es sich um denjenigen Personalrat, der für die von der Beklagten zuvor als Eigenbetrieb geführten Städtischen Bühnen gewählt war. Im Konsens aller Beteiligten sollte dieser ein „Übergangsmandat“ für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter bis zur Wahl eines eigenen Betriebsrats wahrnehmen (vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der Gründe).

53

b) Die Amtszeit dieses Personalrats hatte mit Ablauf des 31. August 2004 geendet. Auf die Frage, ob nicht bis zur Rechtskraft der die Betriebsratswahl vom Februar 2005 für ungültig erklärenden gerichtlichen Entscheidung ohnehin nur der für den - vermeintlichen - Gemeinschaftsbetrieb gebildete Betriebsrat zu beteiligen gewesen wäre, kommt es deshalb nicht an.

54

aa) Das Amt des für den Eigenbetrieb gewählten Personalrats endete mit Ablauf des 31. August 2004. Der Eigenbetrieb als Dienststelle der Beklagten wurde durch die Überleitung des Betriebs auf die S GmbH mit Wirkung zum 1. September 2004 iSv. § 81 Abs. 2 HPVG aufgelöst. Im Falle einer Privatisierung endet das Amt des Personalrats (Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 10, 15). Die Änderung der Rechtsform des Trägers der Betriebsorganisation hat den Verlust der bisherigen personalvertretungsrechtlichen Repräsentation zur Folge (Fitting aaO Rn. 15). Die Überführung in eine privatrechtliche Trägerschaft stellt eine Auflösung der Dienststelle im personalvertretungsrechtlichen Sinne dar (Burkholz HPVG 2. Aufl. § 1 zu 4 aE; Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 81 HPVG Rn. 276 mwN; v.Roetteken in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 1 HPVG Rn. 158). Hieran ändert im Streitfall nichts, dass zusammen mit dem Kläger eine Vielzahl weiterer Arbeitnehmer der Überleitung ihrer Arbeitsverhältnisse auf die S GmbH widersprochen hatten. Damit blieben sie zwar Arbeitnehmer der Beklagten. Auch mag diese sie in einer Organisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“ zusammengefasst haben. Darin lag aber keine Aufrechterhaltung der Dienststelle des Eigenbetriebs „Städtische Bühnen“. Dieser war auf die S GmbH übergeleitet und damit aufgelöst worden. Dies ergibt sich auch aus einer Organisationsverfügung der Oberbürgermeisterin der Beklagten vom 28. September 2004. Ihr zufolge wurden die bisherigen Organisationseinheiten der Städtischen Bühnen mit Wirkung vom 1. September 2004 aufgelöst und gleichzeitig eine neue Organisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“ eingerichtet (vgl. die Entscheidung des BAG im Verfahren über die Anfechtung der Wahl des Betriebsrats im vermeintlichen Gemeinschaftsbetrieb vom 16. April 2008 - 7 ABR 4/07 - zu A der Gründe, AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 32 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 7). Der Kläger behauptet nicht, dass für diese Organisationseinheit bis zum Ausspruch der Kündigung ein neuer Personalrat gewählt worden sei.

55

bb) Der Personalrat der bisherigen Dienststelle „Städtische Bühnen“ blieb nicht deshalb über die Privatisierung zum 1. September 2004 hinaus im Amt, weil im Personalgestellungsvertrag zwischen der Beklagten und der S GmbH vom 1. April 2004 geregelt war, dass der Personalrat gemäß § 103 HPVG die zuständige Interessenvertretung für die gestellten Arbeitnehmer sei(vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der Gründe). § 103 HPVG bestimmt, dass öffentliche Theater und selbständige Orchester Dienststellen im Sinne des HPVG sind. Diese gesetzliche Fiktion dient vor allem der Klarstellung (Burkholz in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 103 HPVG Rn. 7). Zu den Folgen der Auflösung einer Dienststelle durch ihre Privatisierung verhält sich § 103 HPVG nicht. Durch vertragliche Vereinbarung wiederum kann der gesetzliche Anwendungsbereich des Personalvertretungsrechts nicht wirksam verändert werden.

56

cc) Ein gesetzlich vorgesehenes Übergangsmandat des Personalrats, wie es zB für die Umwandlung eines Universitätsklinikums in § 98 Abs. 6 HPVG geregelt ist, bestand im Streitfall nicht. Wenn der Personalrat zur Schließung dieser möglichen Schutzlücke (vgl. dazu Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 15) ein Übergangsmandat für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter wahrnahm (vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 -), dauerte dieses allenfalls bis zur Wahl des Betriebsrats, längstens sechs Monate (vgl. Fitting aaO Rn. 17). Zudem gilt ein Personalrat, der in Privatisierungsfällen ein Übergangsmandat wahrnimmt, als Betriebsrat und hat Rechte und Pflichten aus dem Betriebsverfassungs-, nicht dem Personalvertretungsgesetz (vgl. Fitting aaO Rn. 18 f.).

57

3. Für die Anhörung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers war nicht ein bei der Beklagten errichteter Gesamtpersonalrat zuständig. Bei individuellen Maßnahmen ist der Gesamtpersonalrat, unabhängig von der Entscheidungsbefugnis des Dienststellenleiters, gem. § 83 Abs. 4 iVm. Abs. 1 und Abs. 2 HPVG unzuständig (Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 83 HPVG Rn. 96). Bei der Anhörung zu einer außerordentlichen Kündigung nach § 78 Abs. 2 HPVG gibt es zudem kein Stufenverfahren, so dass eine Beteiligung des Gesamtpersonalrats nach § 52 Abs. 2 HPVG ebenfalls nicht in Betracht kommt.

58

IV. Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Beckerle    

        

    B. Schipp    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 12. September 2012 - 2 Sa 7/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der 1956 geborene Kläger trat im April 1981 in die Dienste der Bundeswehr. Von Oktober 1993 bis Juni 2005 wurde er als Nachschubhelfer und Kraftfahrer eingesetzt. Zuvor und in der Zeit ab Juli 2005 war er als Gabelstaplerfahrer und Lagerhelfer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Regelungen des TVöD Anwendung.

3

Anfang August 2005 wurde der Kläger der Heeresinstandsetzungslogistik HIL-GmbH (im Folgenden: GmbH) „beigestellt“. Bei der GmbH handelt es sich um ein von der Beklagten und Dritten gemeinsam gegründetes Wirtschaftsunternehmen, das als Kooperationsbetrieb iSv. § 1 BwKoopG aus der Bundeswehr ausgegliederte Aufgaben wahrnimmt. Die Arbeitsabläufe in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers wurden seit der „Beistellung“ durch die GmbH gesteuert, während dieser selbst Arbeitnehmer der Beklagten blieb.

4

Nach einer Tätigkeitsbeschreibung vom Oktober 2007 waren dem Kläger zuletzt die Aufgaben eines Betriebsstoffhelfers zugewiesen. Danach oblagen ihm die Entgegennahme, die Lagerung, Kontrolle und Verausgabung von Betriebsstoff, die Führung entsprechender Bücher, die tägliche Feststellung des Bedarfs an Betriebsstoffen und die Durchführung von Reinigungsarbeiten in den Lagerbereichen.

5

Aufgabe der GmbH war es ua., Dieselkraftstoff aus den Fahrzeugen der Bundeswehr abzupumpen, sofern er starke Verunreinigungen oder Ablagerungen aufwies. Das Dieselöl wurde sodann in Behältnissen gesammelt und durch eine Fremdfirma aufbereitet. Anschließend wurde der gereinigte Kraftstoff zurückgebracht und in den Fahrzeugen wieder verwendet. Auch die bei der Aufarbeitung entstandenen Rückstände wurden zum Betriebsgelände der GmbH zurückgebracht und dort als sog. Abfalldiesel in größeren Behältnissen gesammelt. In gewissen zeitlichen Abständen ließ die GmbH die Rückstände kostenpflichtig durch eine andere Firma fachgerecht und umweltschonend entsorgen.

6

Der Kläger verfiel - laut seiner eigenen Einlassung - auf den Gedanken, ein Kollege könne das Abfallprodukt womöglich mit einer häuslichen Filteranlage zu betriebsfähigem Dieselkraftstoff aufbereiten, um diesen sodann zum Heizen des Hauses oder zum Betanken eines privaten Fahrzeugs zu verwenden. In Absprache mit dem Kläger füllte der Kollege daraufhin mehrfach verunreinigtes Dieselöl in Kanister ab, die er vom Betriebsgelände der GmbH - allein oder gemeinschaftlich mit dem Kläger - abfuhr.

7

Am 7. Juni 2010 wurden das Fahrzeug des Klägers und die Wohnung des Kollegen polizeilich durchsucht. Dabei wurden 91 „Treibstoffkanister“ mit einer Gesamtmenge von 3.640 Litern Diesel beschlagnahmt. Das im Heizungstank des Hauses vorgefundene Dieselöl (ca. 3.000 Liter) wurde dort belassen. Im Fahrzeug des Klägers wurden zusätzlich sechs Plastikkanister sichergestellt, die etwa 180 Liter Dieselkraftstoff enthielten; deren Qualität ist zwischen den Parteien streitig.

8

Am 11. und am 18. Juni 2010 versuchte die Beklagte vergeblich, mit dem Kläger persönlich Kontakt aufzunehmen. In der Zwischenzeit stellte sie ihn „rückwirkend“ zum 8. des Monats von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 18. Juni 2010 gab sie ihm Gelegenheit, sich zu den - von ihr näher beschriebenen - Vorfällen vom 7. Juni 2010 zu äußern. Der Kläger erklärte binnen der ihm bis zum 21. Juni 2010 eingeräumten Frist, er werde einstweilen keine Angaben zur Sache machen.

9

Am 18. Juni 2010 unterrichtete die Beklagte den Personalrat von ihrer Absicht, den Kläger außerordentlich zu kündigen. Sie gab den Inhalt des Protokolls der Beschlagnahme wieder und erklärte, zu ihrer Überzeugung habe sich der Kläger des Diebstahls schuldig gemacht, indem er zusammen mit seinem Kollegen wenigstens 180 Liter Dieselkraftstoff weggenommen und sich rechtswidrig zugeeignet habe. Der Personalrat ließ die Frist zur Äußerung verstreichen.

10

Mit Schreiben vom 24. Juni 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos.

11

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Er habe lediglich Abfalldieselöl an sich genommen bzw. einem Kollegen überlassen. Das Öl sei nicht mehr verwendungsfähig gewesen und habe andernfalls kostenpflichtig entsorgt werden müssen. Darin liege allenfalls eine geringfügige Pflichtverletzung. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt. Der Personalrat der Dienststelle sei nicht ordnungsgemäß über den wahren Kündigungssachverhalt unterrichtet worden. Aufgrund seiner „Beistellung“ habe außerdem der Betriebsrat der GmbH angehört werden müssen.

12

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 24. Juni 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Kündigung sei aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Der Kläger habe sich aus ihren Beständen große Mengen Dieselkraftstoff rechtswidrig zugeeignet. Am 7. Juni 2010 seien auf dem Grundstück des Kollegen mehrere tausend Liter Dieselöl beschlagnahmt worden. Im Keller des Hauses seien mindestens 540 Liter Kraftstoff sichergestellt worden, der zweifelsfrei ihr - der Beklagten - zuzuordnen gewesen sei. Hinzu kämen je 180 Liter Dieselkraftstoff, die in den Fahrzeugen des Klägers und des Kollegen vorgefunden worden seien. Dabei habe es sich nicht um bloßes „Abfalldieselöl“ gehandelt. Im Übrigen liege selbst dann eine erhebliche Pflichtverletzung vor. Der Kläger habe nicht nur beabsichtigt, sich oder seinem Kollegen durch die Entwendung des Kraftstoffs finanzielle Vorteile zu verschaffen. Er habe außerdem die ihm eingeräumte Vertrauensstellung missbraucht. Die Kündigungserklärungsfrist sei eingehalten. Ihre kündigungsberechtigten Mitarbeiter hätten nicht vor dem 10. Juni 2010 von den maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Anhörung des Personalrats sei - ausgehend von ihrem damaligen Kenntnisstand - ordnungsgemäß erfolgt.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Parallel dazu hörte sie - mit Schreiben vom 6. März 2012 - den Personalrat zu ihrer Absicht an, die bereits erklärte Kündigung zusätzlich auf neue Erkenntnisse bezüglich der Menge und der Art des entwendeten Kraftstoffs sowie auf einen Verdacht als Kündigungsgrund zu stützen. Außerdem teilte sie dem Personalrat mit, sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich erneut zu kündigen. Mit Schriftsatz vom 16. April 2012 hat sie den betreffenden Sachverhalt in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt. Der Kläger hat daraufhin „hilfsweise“ beantragt festzustellen, dass die weitere, „eventuell ausgesprochene Kündigung“ das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat; die Beklagte hat beantragt, den Hilfsantrag „zurückzuweisen“.

15

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage „insgesamt abgewiesen“. Mit seiner Revision begehrt der Kläger, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen und sodann nach seinem Hilfsantrag zu erkennen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision ist unbegründet.

17

A. Das prozessuale Vorgehen des Klägers in der Berufungsinstanz war zulässig. Das betrifft insbesondere den dort erstmals angebrachten Feststellungsantrag. Die darin liegende Klageerweiterung ist als - im Streitfall zulässige - Anschlussberufung zu verstehen.

18

I. Dem Kläger stand für eine Erweiterung der Klage im Berufungsrechtszug nur der Weg der Anschlussberufung zur Verfügung (bspw. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 11). Als solche ist die Klageerweiterung zu behandeln. Einer Beschwer durch das erstinstanzliche Urteil bedarf es für die Anschlussberufung nicht (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - aaO; 10. Februar 2009 - 3 AZR 728/07 - Rn. 11).

19

II. Die Anschlussberufung ist gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG binnen der dem Kläger nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG verlängerten Berufungsbeantwortungsfrist beim Landesarbeitsgericht eingegangen(zu dieser Voraussetzung im Einzelnen BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 12). Sie ist auch im Übrigen zulässig.

20

B. Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden. Der auf die fristlose Kündigung vom 24. Juni 2010 bezogene Feststellungsantrag ist unbegründet. Die Kündigung ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Über die weitergehenden (unechten) Hilfsanträge war nicht mehr zu entscheiden. Dies hat bei richtigem Verständnis schon das Landesarbeitsgericht nicht getan.

21

I. Die Kündigung vom 24. Juni 2010 ist gemäß § 34 Abs. 2 TVöD iVm. § 626 BGB aus wichtigem Grund gerechtfertigt.

22

1. Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD konnte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers, der im Kündigungszeitpunkt das 40. Lebensjahr vollendet hatte und länger als 15 Jahre bei ihr beschäftigt war, nur aus einem wichtigen Grund kündigen. Auf die tarifliche Besitzstandsregelung in § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD kommt es im Streitfall nicht an.

23

2. Mit dem Begriff „wichtiger Grund“ knüpft die tarifvertragliche Bestimmung an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an, deren Verständnis deshalb auch für die Auslegung der Tarifnorm maßgebend ist(BAG 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12, BAGE 132, 299; 27. November 2003 - 2 AZR 601/02 - zu B I 5 der Gründe mwN). Aufgrund der Bezugnahme gilt zugleich § 626 Abs. 2 BGB. Danach kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen erklärt werden (BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 31; 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12 mwN, aaO).

24

3. Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB sind erfüllt.

25

a) Gemäß dieser Vorschrift kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15 mwN, BAGE 146, 303).

26

b) Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet sein (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 29, BAGE 137, 54). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19 mwN).

27

c) Begeht ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Dies gilt auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Gegenstände von geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 18; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 26, BAGE 134, 349). Maßgebend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 17, BAGE 142, 176).

28

d) Im Streitfall liegt eine in diesem Sinne erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor.

29

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe im Frühjahr 2010 gemeinschaftlich mit seinem Kollegen mehrere hundert Liter Abfalldieselöl ohne Erlaubnis vom Betriebsgelände der GmbH entfernt, um es zu filtern und anschließend nach Möglichkeit selbst weiterzuverwenden oder an einen interessierten Dritten abzugeben. 180 Liter des verunreinigten Kraftstoffs - sechs Kanister - seien in seinem eigenen Fahrzeug vorgefunden worden. Diese Feststellungen greift der Kläger nicht an.

30

bb) Danach hat der Kläger seine Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich und schuldhaft verletzt. Dafür kommt es nicht darauf an, ob das Abfalldieselöl im Eigentum der Beklagten oder der GmbH stand und ob das in Rede stehende Verhalten einen Straftatbestand erfüllt.

31

(1) Dem Kläger war - unter Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten - dauerhaft eine Tätigkeit bei der GmbH zugewiesen worden. Im Rahmen dieser Personalgestellung musste er die Vermögensinteressen der GmbH in gleicher Weise wahren wie diejenigen der Beklagten. Im Übrigen lief die unberechtigte Wegnahme des Kraftstoffs in Anbetracht ihrer Beteiligung an der GmbH unmittelbar den Vermögensinteressen der Beklagten zuwider, mag diese auch - wie vom Kläger behauptet - nicht die Mehrheit der Anteile gehalten haben. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe die Eigentumsverhältnisse an dem in Rede stehenden Kraftstoff nicht hinreichend aufgeklärt, geht damit ins Leere.

32

(2) Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen des Klägers, ihm habe das Unrechtsbewusstsein gefehlt, als Schutzbehauptung gewertet und eine vorsätzliche Verletzung seiner vertraglichen Nebenpflicht angenommen. Diese Würdigung liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Tatsachengericht von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und keine Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt hat (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 16; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 21). Einen solchen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Er ist auch nicht offensichtlich. Der Kläger konnte angesichts der gesonderten Aufbewahrung des Abfalldieselöls auf dem Betriebsgelände der GmbH und der Beauftragung einer darauf spezialisierten Drittfirma nicht im Zweifel darüber sein, dass der Beklagten an dessen fachgerechter Entsorgung gelegen war. Er musste wissen, dass er sich Kraftstoff - welcher Qualität auch immer - nicht ohne ausdrückliche Einwilligung der hierfür zuständigen Mitarbeiter aneignen durfte. Seiner eigenen Einlassung zufolge hat er das Abfalldieselöl auch nicht für wirtschaftlich wertlos erachtet. Beides reichte aus, um für ihn auch subjektiv eine Erlaubnis zur Mitnahme auszuschließen.

33

e) Die Kündigung ist bei Beachtung der Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt.

34

aa) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 17, BAGE 146, 303; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27). Auch bei der fristlosen Kündigung eines tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses muss die Vertrauensgrundlage so schwer gestört sein, dass jede weitere Zusammenarbeit für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Eine außerordentliche fristlose Kündigung ist gerechtfertigt, wenn es dem Arbeitgeber nicht zumutbar war, den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der „fiktiven“ Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 827/06 - Rn. 37; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 44; vgl. auch BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 20).

35

bb) Danach hat das Landesarbeitsgericht den ihm im Rahmen der Interessenabwägung zukommenden Beurteilungsspielraum (dazu BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 35 mwN) nicht verletzt. Es hat alle wesentlichen Aspekte des Falls berücksichtigt und die beiderseitigen Interessen vertretbar abgewogen.

36

(1) Der Kläger hat seine Stellung als Betriebsstoffhelfer zu einer Verletzung des Eigentums entweder der Beklagten oder des Kooperationsunternehmens missbraucht. In beiden Fällen liegt ein schwerwiegender Vertrauensbruch vor. Der Kläger war im Rahmen des ihm zugewiesenen Aufgabenbereichs dafür verantwortlich, dass Betriebsstoffe nur an Berechtigte ausgegeben würden. Er hatte dies entsprechend zu dokumentieren. Stattdessen hat er sich bewusst und ohne Rücksprache mit seinen Vorgesetzten zumindest Abfalldieselöl in erheblicher Menge in der Absicht angeeignet, sich oder seinem Kollegen auf diese Weise wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Unerheblich ist, ob er in der Annahme gehandelt hat, er bewahre die Beklagte vor eigenen Aufwendungen. Die Interessen der Beklagten und ihres Kooperationsunternehmens waren erkennbar darauf gerichtet, das verunreinigte und für die Umwelt nicht ungefährliche Abfalldieselöl auf dem Betriebsgelände zwischenzulagern, um es anschließend fachgerecht entsorgen zu lassen.

37

(2) Die Pflichtverletzung ist von solchem Gewicht, dass ihre Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen war (zu diesem Maßstab vgl. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 20; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16). Die nahezu 30-jährige, ohne Beanstandungen gebliebene Betriebszugehörigkeit des Klägers und der - zu seinen Gunsten unterstellt - allenfalls geringfügige Verkehrswert des entwendeten Kraftstoffs führen zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger hat seine Vertragspflichten wiederholt verletzt. Er hat aus purem Eigennutz in erheblichem Umfang Stoffe, von denen Gefahren für die Umwelt ausgehen können, einer durch die Verantwortlichen vorgesehenen fachgerechten Entsorgung entzogen. Dies brauchte die Beklagte - auch ohne vorherige Abmahnung - nicht hinzunehmen.

38

4. Die Beklagte hat die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

39

a) Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Bestimmung mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die sachgerechte Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände (BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54).

40

b) Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 14; 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27). Dabei kommt es nicht darauf an, ob er ggf. eine Kündigung wegen erwiesener Tat oder wegen eines zumindest erdrückenden Verdachts zu erklären beabsichtigt. Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - zu II 1 der Gründe, BAGE 73, 42). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf in der Regel nicht mehr als eine Woche betragen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54). Bei Vorliegen besonderer Umstände kann sie überschritten werden (BAG 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 24, BAGE 117, 168). Unerheblich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder nicht (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO; 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - aaO). Gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Stellungnahme, so gereicht ihm dies hinsichtlich des Beginns der zweiwöchigen Ausschlussfrist deshalb auch dann nicht zum Nachteil, wenn der Arbeitnehmer innerhalb angemessener Überlegungszeit keine Erklärung abgibt oder seine Stellungnahme rückblickend zur Feststellung des Sachverhalts nichts beiträgt (BAG 27. Januar 1972 - 2 AZR 157/71 - zu 3 der Gründe, BAGE 24, 99). Das bedeutet zugleich, dass der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub iSv. § 626 Abs. 2 BGB nicht nachträglich entfällt, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme zum Anlass nimmt, nunmehr auf die Anhörung des Arbeitnehmers zu verzichten(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO).

41

c) Danach hat die Beklagte die Kündigung iSv. § 626 Abs. 2 BGB rechtzeitig erklärt.

42

aa) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, den kündigungsberechtigten Mitarbeitern der Beklagten seien die Vorfälle vom 7. Juni 2010 nicht vor dem 10. Juni 2010 bekannt geworden. Mit dem Zugang der fristlosen Kündigung am 24. Juni 2010 ist die Zwei-Wochen-Frist gewahrt.

43

bb) Die Kündigung wäre selbst dann fristgerecht erfolgt, wenn die Kündigungsberechtigten von dem Geschehen bereits am 7. Juni 2010 Kenntnis erlangt hätten. Die Beklagte durfte es für erforderlich halten, den Kläger zum Kündigungssachverhalt anzuhören. Es war nicht auszuschließen, dass sich aus seiner Äußerung weitere, etwa ihn entlastende Umstände ergeben würden. Eine Verzögerung bei der Anhörung ist der Beklagten nicht anzulasten. Bereits am 11. Juni 2010 hat sie versucht, den Kläger telefonisch zu kontaktieren. Nachdem dieser und ein weiterer Versuch, ihn persönlich anzusprechen, erfolglos blieben, hat sie ihm - zeitnah - Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben und seine Äußerung abgewartet. Ebenso wenig handelte die Beklagte willkürlich, als sie die Kündigung schon am 24. Juni 2010 erklärte. Der Kläger hatte nicht etwa um eine Verlängerung der Äußerungsfrist gebeten.

44

cc) Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass er bereits ab dem 8. Juni 2010 freigestellt worden sei, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - mangels Entscheidungserheblichkeit unbegründet. Selbst wenn die Freistellung einen Hinweis auf die Kenntnis einschlägiger Tatsachen gäbe, führte dies nicht dazu, dass die Beklagte die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt hätte.

45

II. Die Kündigung vom 24. Juni 2010 ist nicht deshalb unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden wäre (§ 79 Abs. 4 BPersVG). Der Kündigungssachverhalt, wie er der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zugrunde liegt, hatte sich gegenüber dem der Personalvertretung mitgeteilten Geschehen auch nicht in einer Weise verändert, dass er nur nach erneuter Anhörung des Personalrats prozessual verwertbar gewesen wäre.

46

1. Nach § 79 Abs. 3 BPersVG ist der Personalrat vor außerordentlichen Kündigungen anzuhören. Der Dienststellenleiter hat die beabsichtigte Maßnahme zu begründen. Hat der Personalrat Bedenken, so hat er sie unter Angabe der Gründe dem Dienstellenleiter unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen, schriftlich mitzuteilen. Nach § 79 Abs. 4 BPersVG ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Diese Rechtsfolge tritt auch bei nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats ein (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 45; 12. März 2009 - 2 AZR 251/07 - Rn. 36). Zu dieser Beteiligung gehört insbesondere die hinreichende Unterrichtung des Gremiums. Der Personalrat ist ordnungsgemäß unterrichtet worden, wenn der Arbeitgeber die für ihn subjektiv tragenden Gründe, auf denen sein Kündigungsentschluss beruht, mitgeteilt hat (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 57; für die ordentliche Kündigung bspw. BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 22). Darauf, ob diese Umstände auch objektiv geeignet und ausreichend sind, die Kündigung zu stützen, kommt es für die Ordnungsgemäßheit der Unterrichtung nicht an (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 46). Fehlerhaft ist die Unterrichtung, wenn der Dienstherr dem Personalrat bewusst und gewollt unrichtige oder unvollständige Sachverhalte unterbreitet hat (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - aaO).

47

2. Die Parteien streiten nicht darüber, dass die Beklagte das Mitbestimmungsverfahren gegenüber dem zuständigen örtlichen Personalrat formell ordnungsgemäß eingeleitet und die zu beachtenden Fristen gewahrt hat. Ein Rechtsfehler ist insoweit nicht zu erkennen.

48

3. Die Beklagte hat den Personalrat nicht bewusst irreführend über das Ausmaß der Pflichtverletzung unterrichtet, soweit sie ihm mitgeteilt hat, der Kläger habe „wenigstens 180 Liter Dieselkraftstoff“ entwendet. Auf die genaue Menge und die Qualität des Diesels, dh. ob es sich um verunreinigte und nicht mehr gebrauchsfähige Kraftstoffreste oder um bessere Qualität handelte, kam es ihr - soweit sie hiervon im Kündigungszeitpunkt überhaupt konkrete Kenntnis hatte - ersichtlich nicht an. Es handelt sich zudem um Umstände, die für den Kern des mitgeteilten Vorwurfs, der Kläger habe vom Betriebsgelände der GmbH eine erhebliche Menge von Dieselkraftstoff widerrechtlich entwendet, nicht entscheidend sind. In einem solchen Fall ist es unschädlich, wenn sich der dem Personalrat mitgeteilte Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess nicht in seiner Gesamtheit bestätigt (vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 34).

49

4. Der Kläger erhebt keine zulässige Verfahrensrüge, soweit er geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe eine gebotene Zeugenvernehmung zum „Informationsumfang und Informationsinhalt bei der Anhörung“ unterlassen. Es fehlt an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des unter Beweis gestellten Vorbringens (vgl. dazu BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 1005/12 - Rn. 28 mwN).

50

III. Die Kündigung ist nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass im Kündigungszeitpunkt im maßgebenden Betrieb der GmbH ein Betriebsrat gewählt war. Dieser war auch mit Blick auf die Gestellung des Klägers nicht zur Kündigung anzuhören. Das ergibt die Auslegung von §§ 1, 6 Abs. 1 und Abs. 3 BwKoopG.

51

1. Nach § 1 BwKoopG gilt dieses Gesetz ua. für Angestellte des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung, soweit und solange ihnen unter Beibehaltung ihres Dienst- oder Arbeitsverhältnisses zum Bund eine Tätigkeit in einem Wirtschaftsunternehmen zugewiesen wurde, mit dem die Bundeswehr eine Kooperation eingegangen ist. Die GmbH ist ein solches Kooperationsunternehmen. Die ihr zugewiesenen oder gestellten Arbeitnehmer, zu denen der Kläger zählt, gelten daher nach § 6 Abs. 1 BwKoopG ua. für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes als ihre Arbeitnehmer. Die Regelung in § 6 Abs. 3 BwKoopG sichert die Erfüllung der Verpflichtungen des Kooperationsbetriebs aus den in § 6 Abs. 1 BwKoopG genannten Gesetzen, ua. aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Grundsätzlich obliegt es dem Kooperationsbetrieb, die Verpflichtungen zu erfüllen. Scheitert dies allerdings daran, dass der Beschäftigte nicht in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zum Kooperationsunternehmen steht, hat die betreffende Dienststelle dafür einzustehen (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 33, BAGE 138, 25).

52

2. Die Regelungen in § 6 Abs. 1, Abs. 3 BwKoopG tragen dem Umstand Rechnung, dass das Personal der Bundeswehr langfristig in dem privatrechtlich organisierten Betrieb eines Kooperationspartners eingesetzt und dort in die Arbeitsabläufe eingegliedert wird. Mit Blick auf diese faktische Eingliederung soll für den Bereich der betrieblichen Interessenvertretung eine Gleichstellung mit den Arbeitnehmern des Kooperationsbetriebs erreicht werden (vgl. BT-Drs. 15/2944 S. 9), die sich nicht nur darin erschöpft, dass den Betroffenen das aktive und passive Wahlrecht im Kooperationsbetrieb zugestanden wird (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 36, BAGE 138, 25). Gleichwohl bedeutet die grundsätzliche Einbeziehung zugewiesener oder gestellter Arbeitnehmer in die Betriebsverfassung nicht zwingend, dass dem Betriebsrat des Kooperationsbetriebs für diese Personengruppen uneingeschränkt die Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes zukommen. Bestand und Umfang der betrieblichen Mitbestimmung richten sich vielmehr nach dem Gegenstand und Zweck des jeweiligen Mitbestimmungsrechts und der darauf bezogenen Entscheidungsmacht (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 41, aaO; 9. Juni 2011 - 6 AZR 132/10 - Rn. 32, BAGE 138, 116; zum Gegenstandsbezug siehe auch BAG 19. Juni 2001 - 1 ABR 43/00 - zu B II 4 und 5 der Gründe, BAGE 98, 60).

53

3. Das Anhörungsrecht des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG zielt - ebenso wie die Anhörung des Personalrats zur Kündigung nach § 79 Abs. 3 BPersVG - nicht darauf ab, die Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu überprüfen. Es beschränkt sich vielmehr darauf, dem Betriebsrat im Vorfeld der Kündigung die Möglichkeit zu geben, auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen (für § 102 BetrVG vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 76, BAGE 144, 125; 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - zu II 2 der Gründe, BAGE 78, 39). Da im Fall der Kündigung von gestellten Arbeitnehmern der Kündigungsentschluss nicht durch den Inhaber des Kooperationsbetriebs gefasst und umgesetzt wird, sondern die Entscheidung typischerweise beim öffentlichen (Vertrags-)Arbeitgeber liegt, macht eine Beteiligung des Betriebsrats des Kooperationsbetriebs insoweit keinen Sinn (Altvater/Altvater 8. Aufl. § 6 BwKoopG Rn. 4; Tiling öAT 2013, 139, 140; für die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG: BAG 9. Juni 2011 - 6 AZR 132/10 - Rn. 32, BAGE 138, 116; ebenso: APS/Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 8a; Fitting BetrVG 27. Aufl. § 5 Rn. 319, § 102 Rn. 20d; Raab in GK-BetrVG § 5 Rn. 78). Eine Verdoppelung der Beteiligungsverfahren mit womöglich gegenläufigen Voten der beiden Arbeitnehmervertretungen wäre mangels Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers des Beschäftigungsbetriebs nicht geeignet, die Lage des betroffenen Arbeitnehmers relevant zu verbessern (Tiling aaO). Soweit der Personalrat aus seiner Sicht nicht über die erforderliche Sachverhaltskenntnis verfügt, um anhand der Mitteilungen des öffentlichen Arbeitgebers ein vollständiges Bild vom behaupteten Kündigungsgrund zu gewinnen, steht es ihm frei, dazu weitere Erkundigungen einzuholen und etwa den Arbeitnehmer anzuhören.

54

4. Nach diesen Grundsätzen war eine Beteiligung des Betriebsrats der GmbH nicht geboten. Die in Rede stehende außerordentliche fristlose Kündigung betrifft das zur Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass die Kündigungsbefugnis allein bei ihr lag. Daran vermag auch eine größere Sachnähe des Betriebsrats des Kooperationsbetriebs nichts zu ändern. Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn die Ausübung des Kündigungsrechts durch den öffentlichen Arbeitgeber an das Einverständnis des Inhabers des Kooperationsbetriebs geknüpft wäre (dazu Fitting BetrVG 27. Aufl. § 102 Rn. 20d; Tiling öAT 2013, 139, 140), kann dahinstehen. Für einen solchen Sachverhalt fehlt es an Anhaltspunkten. Ebenso wenig hat der Kläger behauptet, die Beklagte und ihr Kooperationsunternehmen hätten den Betrieb gemeinsam geführt.

55

IV. Die Kündigung ist nicht gemäß § 174 Satz 1 BGB oder wegen eines Mangels in der Vertretungsmacht nach § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe seinen Vortrag zur „Frage der Kündigungsbefugnis“ übergangen, ist unzulässig. Soweit das Vorbringen auf eine Unwirksamkeit der Kündigung nach § 174 Satz 1 BGB abzielt, lassen die Ausführungen in der Revisionsbegründung nicht erkennen, dass der Kläger die Kündigung unverzüglich mangels Vorlage eines Vollmachtnachweises zurückgewiesen hätte(zu den Anforderungen an die Zurückweisung vgl. BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 354/10 - Rn. 33 mwN, BAGE 140, 64). Auf die Berechtigung einer entsprechenden Zurückweisung kommt es demzufolge nicht an. Soweit der Kläger geltend machen will, das Landesarbeitsgericht habe außer Acht gelassen, dass er die Kündigungsbefugnis des „die Kündigung unterschreibenden Mitarbeiters“ bestritten habe, zeigt er die Entscheidungserheblichkeit des vermeintlich übergangenen Vortrags nicht auf. Das gilt insbesondere angesichts der Möglichkeit einer konkludenten Genehmigung der Kündigung durch die Beklagte (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 13), von der das Landesarbeitsgericht stillschweigend ausgegangen sein dürfte.

56

V. Da die Kündigung somit bereits wegen erwiesener Tat wirksam ist, kann dahinstehen, ob der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zu folgen wäre, die Beklagte könne sich auf den Verdacht, der Kläger habe wesentlich größere Mengen Diesel und in der Qualität höherwertigen Kraftstoff vom Betriebsgelände der GmbH rechtswidrig entwendet, deshalb nicht berufen, weil die Voraussetzungen für das Nachschieben eines solchen Kündigungsgrundes nicht vorgelegen hätten.

57

VI. Der Feststellungsantrag des Klägers betreffend die weitere Kündigung ist als unechter Hilfsantrag zu verstehen. Er ist nur für den Fall gestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht bereits durch die vorausgegangene fristlose Kündigung sein Ende gefunden hat. Gleiches gilt für den Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung. Über beide Anträge war dementsprechend nicht zu entscheiden. Auch das Landesarbeitsgericht hat das Begehren des Klägers nicht anders verstanden. Es hat den Weiterbeschäftigungsantrag nicht auch in der Sache abschlägig beschieden, soweit es das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage „insgesamt abgewiesen“ hat. Es hat damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der stattgebenden Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag wegen der Erfolglosigkeit des Feststellungsantrags die Grundlage entzogen war. Die Anschlussberufung des Klägers ist damit gleichermaßen gegenstandslos.

58

VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Bartz    

        

    Alex    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 19. März 2012 - 2 Sa 1105/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der 1958 geborene Kläger war seit September 1981 bei der beklagten Rundfunkanstalt beschäftigt, zuletzt als Techniker im IT-Service. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Manteltarifvertrag war das Arbeitsverhältnis - es sei denn wegen Leistungsminderung - nur noch außerordentlich kündbar.

3

Im Juli und November 2010 wurden Räume der Beklagten durchsucht. Nach dem Vorbringen der Beklagten hatte es eine anonyme Anzeige gegeben, derzufolge mehrere ihrer Mitarbeiter, ua. der Kläger, bei Ausschreibungen über Telekommunikations- und Datennetzleistungen in Absprache mit einer beauftragten Firma die Leistungsverzeichnisse manipuliert hatten. Am 7. Dezember 2010 lag der Beklagten ein Bericht ihrer Innenrevision über die Leistungsabrufe der betreffenden Firma vor. Danach hat der Kläger von dieser ua. einen Barbetrag in Höhe von 200,00 Euro erhalten. Eine Schließanlage, die er von der Firma schon zuvor erhalten und bei sich eingebaut hatte, hatte der Kläger an die Beklagte zurückgegeben.

4

Mit Schreiben vom 8. Dezember 2010 lud die Beklagte den Kläger zu einer Anhörung für den 13. Dezember 2010 in ihre Geschäftsräume ein. Der Kläger war seit dem 26. Juli 2010 erkrankt. Er teilte mit E-Mail vom 12. Dezember 2010 mit, er könne den Termin wegen einer Rehabilitationsmaßnahme nicht wahrnehmen. Er bat darum, ihn schriftlich anzuhören und die Fragen seinem Prozessbevollmächtigten zu schicken. Die Beklagte sandte daraufhin am 14. Dezember 2010 sowohl an den Kläger als auch an dessen Prozessbevollmächtigten einen zehn Seiten langen Fragenkatalog, der sich auf 13 einzelne Fragenbereiche bezog. Sie setzte dem Kläger eine Frist zur Beantwortung bis zum 17. Dezember 2010, 12:00 Uhr.

5

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2010 - welches nach Angaben der Beklagten am 20. Dezember 2010 bei ihr einging -, teilten die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dieser befinde sich noch bis zum 11. Januar 2011 in der Rehabilitationsmaßnahme. Es sei deshalb „kaum möglich“, innerhalb der gesetzten Frist zu den Fragen Stellung zu nehmen. Es sei eine zeitaufwendige Besprechung mit dem Kläger erforderlich. Diese könne wegen der noch laufenden Rehabilitationsmaßnahme erst im Laufe des Monats Januar 2011 erfolgen. Eine Stellungnahme sei nach Ablauf der Maßnahme zu erwarten. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2010, welches bei der Beklagten tags darauf einging, nahmen die Prozessbevollmächtigten auf ihr Schreiben vom 15. Dezember 2010 Bezug und rügten, die Zusendung des Fragenkataloges habe zu einem gesundheitlichen Rückschlag des Klägers geführt. Tatsächlich litt der Kläger an einer psychischen Erkrankung. Ob dies der Beklagten bekannt war, ist nicht festgestellt.

6

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2010 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Personalrat zu einer beabsichtigten Verdachts- und Tatkündigung an. Der Personalrat widersprach mit Schreiben vom 22. Dezember 2010 mit der Begründung, der Kläger sei nicht ausreichend angehört worden.

7

Mit Schreiben vom 27. Dezember 2010 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis fristlos.

8

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat gemeint, es fehle an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB. Außerdem habe die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Von dem Kündigungsschreiben habe er erst am 30. Dezember 2010 Kenntnis erlangt. Für eine auf den Verdacht einer Pflichtverletzung gestützte Kündigung fehle es an seiner ordnungsgemäßen Anhörung.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 27. Dezember 2010 nicht aufgelöst worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wirksam. Der Kläger habe an Straftaten zu ihren Lasten mitgewirkt. Er habe bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen für den Rahmenvertrag mit der beauftragten Firma bewusst fehlerhafte Mengenangaben zugrunde gelegt. Dies habe dazu geführt, dass diese die Ausschreibung gewonnen habe. Dadurch sei ihr - der Beklagten - ein wirtschaftlicher Nachteil entstanden. Die beauftragte Firma sei in demjenigen Leistungsbereich besonders teuer gewesen, in welchem der Kläger eine zu geringe Auftragsanzahl prognostiziert habe. Zudem habe der Kläger zu Gunsten der Firma Aufmaße mit einem unzutreffend hohen Leistungsumfang bestätigt. Insgesamt sei ihr durch sein Verhalten ein Schaden von wenigstens 19.000,00 Euro entstanden. Sie habe alle zumutbaren Anstrengungen unternommen, um den Sachverhalt aufzuklären. Der Kläger habe den Fragenkatalog beantworten können. Er sei äußerungsfähig gewesen. Das Kündigungsschreiben sei noch am 27. Dezember 2010 um 15:15 Uhr in seinen Briefkasten eingeworfen worden.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung vom 27. Dezember 2010 nicht als unwirksam ansehen. Ob sie wirksam ist, steht noch nicht fest.

13

I. Die Kündigung wegen vom Kläger tatsächlich begangener Pflichtverletzungen ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte die zweiwöchige Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten hätte. Die Frist hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht spätestens am Tag nach dem 7. Dezember 2010 zu laufen begonnen.

14

1. Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Norm mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände ( BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27; 27. Januar 2011 -  2 AZR 825/09  - Rn. 15 , BAGE 137, 54). Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne( BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - aaO; 25. November 2010 - 2 AZR 171/09  - Rn. 15). Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - zu II 1 der Gründe, BAGE 73, 42). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, aaO; 2. März 2006 -  2 AZR 46/05  - Rn. 24 , BAGE 117, 168 ). Bei Vorliegen besonderer Umstände darf sie auch überschritten werden (BAG 2. März 2006 -  2 AZR 46/05  - aaO). Unerheblich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder nicht ( BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - aaO; 25. November 2010 - 2 AZR 171/09  - aaO). Gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Stellungnahme, so gereicht ihm dies hinsichtlich des Beginns der zweiwöchigen Ausschlussfrist deshalb auch dann nicht zum Nachteil, wenn der Arbeitnehmer innerhalb angemessener Überlegungszeit keine Erklärung abgibt oder seine Stellungnahme rückblickend zur Feststellung des Sachverhalts nichts beiträgt (BAG 27. Januar 1972 - 2 AZR 157/71 - zu 3 der Gründe, BAGE 24, 99). Das bedeutet zugleich, dass der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub iSv. § 626 Abs. 2 BGB nicht nachträglich entfällt, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme für den Arbeitnehmer zum Anlass nimmt, nunmehr auf dessen Anhörung zu verzichten. Ein solcher nachträglicher Wegfall des ursprünglichen Aufschubs käme nur in Frage, wenn der betreffende Entschluss des Arbeitgebers auf Willkür beruhte. Davon kann die Rede nicht sein, wenn Anlass für den neuen Entschluss der Umstand ist, dass sich der Arbeitnehmer innerhalb einer ihm gesetzten, angemessenen Frist nicht geäußert hat.

15

2. Danach hat die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht deshalb nicht gewahrt, weil diese spätestens mit dem auf den 7. Dezember 2010 folgenden Tag zu laufen begonnen hätte.

16

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte sei spätestens am 7. Dezember 2010 in der Lage gewesen, sich ein Bild darüber zu machen, ob die im Revisionsbericht aufgeführten Sachverhalte Grundlage für die Überzeugung sein konnten, der Kläger habe die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen begangen. Um darauf eine Kündigung zu stützen, habe es für sie keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung, insbesondere keiner Anhörung des Klägers bedurft. Sie sei schließlich auch ohne neue Erkenntnisse zu dem Schluss gekommen, der ihr bereits am 7. Dezember 2010 möglich gewesen sei. Die Frist für den Ausspruch einer auf tatsächlich begangene Pflichtverletzungen gestützten Kündigung habe damit am 21. Dezember 2010 geendet. Bis zu diesem Zeitpunkt sei die Kündigung dem Kläger - unstreitig - nicht zugegangen.

17

b) Diese Würdigung hält einer Überprüfung nicht stand. Zwar lag der Beklagten am 7. Dezember 2010 der Bericht ihrer Innenrevision vor. Sie durfte es aber nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich halten, dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zu den darin enthaltenen Anschuldigungen zu geben. Es war nicht ausgeschlossen, dass sie dadurch von Umständen Kenntnis erlangen könnte, die den bisher ermittelten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen ließen. Darauf, ob die Anhörung tatsächlich neue Erkenntnisse erbrachte, kommt es nicht an.

18

3. Ob die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt hat, steht noch nicht fest.

19

a) Allerdings hat die Beklagte, nachdem der Bericht der Innenrevision vorlag, den Kläger hinreichend zeitnah zu einer Anhörung eingeladen. Der vorgesehene Termin am 13. Dezember 2010 lag innerhalb einer Woche. Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, dass er den Termin wegen seiner Rehabilitationsmaßnahme nicht wahrnehmen könne, widersprach es auch nicht der gebotenen Eile, ihm zur Beantwortung des Fragenkatalogs eine Frist bis zum 17. Dezember 2010 zu setzen. Der Kläger selbst hatte um schriftliche Anhörung gebeten. Dies ist ein Umstand, der für die Anhörung das Überschreiten der Regelfrist von einer Woche rechtfertigt. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann demnach erst mit Ablauf der dem Kläger gesetzten Frist zur Stellungnahme, dh. am 18. Dezember 2010 zu laufen. Die Beklagte hätte die Kündigungserklärungsfrist selbst dann eingehalten, wenn die Kündigung dem Kläger erst am 30. Dezember 2010 zugegangen sein sollte.

20

b) Das Landesarbeitsgericht hat bisher aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob eine für die Beklagte kündigungsberechtigte Person schon vor dem 17. Dezember 2010 von Umständen Kenntnis erlangt hatte, die darauf schließen ließen, der Kläger werde sich bis zum Ablauf der ihm gesetzten Frist ohnehin nicht mehr äußern. In diesem Fall käme ein entsprechend früherer Fristbeginn in Betracht. Dann wiederum könnte es für die Wahrung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB darauf ankommen, wann genau die Kündigung dem Kläger im Rechtssinne zugegangen ist. Ebenso wenig hat das Landesarbeitsgericht bisher aufgeklärt, ob die Beklagte bis zur Vorlage des Berichts der Innenrevision am 7. Dezember 2010 die Aufklärungsmaßnahmen mit der gebotenen Eile vorgenommen hat.

21

c) Demgegenüber wurde der Fristbeginn nicht schon deshalb hinausgeschoben, weil der Kläger eine Stellungnahme erst nach dem Ende seiner Rehabilitationsmaßnahme in Aussicht gestellt hatte. Die Beklagte hatte die ihm bis zum 17. Dezember 2010 gesetzte Frist nicht verlängert. Darauf, ob andernfalls ein entsprechendes Zuwarten noch mit dem Gebot hinreichend zügiger Aufklärung vereinbar wäre, kommt es nicht an.

22

II. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten, wird es zu prüfen haben, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Sofern es dies nicht wegen erwiesener Pflichtverletzung(en) des Klägers bejahen sollte, wird es prüfen müssen, ob ein solcher Grund zumindest wegen des Verdachts einer erheblichen Pflichtverletzung gegeben ist. Unter diesem Aspekt wäre die Kündigung auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht deshalb unwirksam, weil es an der erforderlichen Anhörung des Klägers fehlte.

23

1. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung. Bei ihr besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung nicht „ultima ratio“ (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 31; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 32). Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung Gelegenheit geben, zu den Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen, um dessen Einlassungen bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen zu können (BAG 30. April 1987 - 2 AZR 283/86 - zu B I 2 c der Gründe). Versäumt er dies, kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen; die hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam (BAG 30. April 1987 - 2 AZR 283/86 - zu B I 2 d der Gründe; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu C III 3 der Gründe, BAGE 49, 39).

24

a) Der Umfang der Anhörung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden(BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 33; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06  - Rn. 15 ). Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt ( BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - aaO; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06  - aaO).

25

b) Unterblieb die Anhörung, weil der Arbeitnehmer von vornherein nicht bereit war, sich auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einzulassen und nach seinen Kräften an der Aufklärung mitzuwirken, steht dies der Wirksamkeit der Verdachtskündigung nicht entgegen. Erklärt der Arbeitnehmer, er werde sich zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf nicht äußern, und nennt er für seine Weigerung keine relevanten Gründe, muss der Arbeitgeber ihn über die Verdachtsmomente nicht näher informieren ( BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 16; 28. November 2007 - 5 AZR 952/06  - Rn. 20). Eine solche Anhörung wäre überflüssig. Sie könnte zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Willensbildung des Arbeitgebers nichts beitragen ( BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - aaO; 30. April 1987 - 2 AZR 283/86 - zu B I 2 d aa der Gründe).

26

c) Ein Unterlassen der Anhörung kann auch dann unschädlich sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer - im Rahmen des Zumutbaren - Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, und dieser sich innerhalb der gesetzten - angemessenen - Frist gleichwohl nicht geäußert hat. Dies gilt einmal, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich schweigt, kann aber selbst bei unfreiwilligem Schweigen gelten. Ist etwa der Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht nur an einem persönlichen Gespräch, sondern längerfristig auch an einer schriftlichen Stellungnahme auf ihm übermittelte Fragen verhindert, muss der Arbeitgeber nicht notwendig die Zeit abwarten, zu der sich der Arbeitnehmer wieder äußern kann. Zwar mag die Frist des § 626 Abs. 2 BGB noch nicht zu laufen beginnen, solange der Arbeitgeber entsprechend zuwartet(vgl. dazu LAG Köln 25. Januar 2001 - 6 Sa 1310/00 -; Hessisches LAG 8. Oktober 1979 - 11 Sa 544/79 -). Wartet der Arbeitgeber diesen Zeitpunkt aber nicht ab, führt das nicht automatisch dazu, dass ihm eine Verletzung seiner Aufklärungspflicht vorzuwerfen wäre.

27

aa) Wartet der Arbeitgeber, dem der Arbeitnehmer mitteilt, er könne sich wegen einer Erkrankung nicht, auch nicht schriftlich äußern, dessen Gesundung ab, um ihm eine Stellungnahme zu den Vorwürfen zu ermöglichen, liegen in der Regel hinreichende besondere Umstände vor, aufgrund derer der Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB entsprechend lange hinausgeschoben wird. Dem Arbeitgeber, der die Möglichkeit einer weiteren Aufklärung durch den Arbeitnehmer trotz der Zeitverzögerung nicht ungenutzt lassen möchte, wird regelmäßig nicht der Vorwurf gemacht werden können, er betreibe keine hinreichend eilige Aufklärung, insbesondere dann nicht, wenn der Arbeitnehmer selbst um eine Fristverlängerung gebeten hat (ebenso Eylert/Friedrichs DB 2007, 2203, 2206; Mennemeyer/Dreymüller NZA 2005, 382). Dies dient nicht zuletzt dem Interesse des Arbeitnehmers an der Vermeidung einer vorschnell, ohne Rücksicht auf mögliche Entlastungen erklärten Kündigung (vgl. dazu BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 23, 34).

28

bb) Umgekehrt verletzt der Arbeitgeber in einem solchen Fall nicht notwendig seine Aufklärungspflicht aus § 626 Abs. 1 BGB, wenn er von einem weiteren Zuwarten absieht. Ihm kann - abhängig von den Umständen des Einzelfalls - eine weitere Verzögerung unzumutbar sein. Das ist anzunehmen, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen darf, der Arbeitnehmer werde sich in absehbarer Zeit nicht äußern (können). Hat etwa der Arbeitnehmer mehrmals um eine Verlängerung der gesetzten Frist zur Stellungnahme gebeten und hat sich seine Prognose, wann er sich werde äußern können, wiederholt als unzutreffend erwiesen, wird dem Arbeitgeber ein weiteres Zuwarten nicht zuzumuten sein. Mehrfache ergebnislose Fristverlängerungen können überdies die Annahme rechtfertigen, der Arbeitnehmer wolle sich in Wirklichkeit ohnehin nicht äußern. Einige weitere Tage warten zu müssen, wird der Arbeitgeber dabei in der Regel eher hinzunehmen haben als eine Wartezeit von mehreren Wochen. Es kann wiederum auch das Ende eines längeren Zeitraums abzuwarten sein, wenn schon die bisherigen Aufklärungsmaßnahmen längere Zeit in Anspruch genommen haben und keine Ansprüche des Arbeitnehmers aus Annahmeverzug drohen.

29

2. Danach ist das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, es habe an der erforderlichen Anhörung des Klägers gefehlt.

30

a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die Beklagte habe nicht annehmen dürfen, der Kläger wolle sich einer Anhörung entziehen. Der Kläger habe seine Mitwirkung bei der Anhörung angekündigt, seine Prozessbevollmächtigten hätten sie für Mitte Januar 2011 in Aussicht gestellt. Der Kläger sei psychisch erkrankt gewesen und habe sich in einer Reha-Maßnahme befunden. „Hierüber“ habe er die Beklagte unverzüglich in Kenntnis gesetzt.

31

b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht alle relevanten Umstände in seine Prüfung mit einbezogen. Die bislang festgestellten Tatsachen tragen seine Begründung nicht.

32

aa) Das Landesarbeitsgericht hat nicht gewürdigt, dass der Kläger zunächst ohne einen Hinweis auf zeitliche Einschränkungen durch die Reha-Maßnahme um eine schriftliche Anhörung gebeten hatte. Erst anschließend stellten seine Prozessbevollmächtigten eine Äußerung für eine geraume Zeit später und zu einem recht vagen Zeitpunkt in Aussicht. Sie kündigten diese nicht für „Mitte Januar 2011“ an - wovon das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist - sondern kündigten an, sie würde „im Laufe des Januar 2011“ erfolgen. Die Prozessbevollmächtigten erläuterten überdies nicht, warum nicht schon während der noch laufenden Reha-Maßnahme eine Besprechung mit dem Kläger möglich wäre. Ob sich der Kläger dazu gesundheitlich nicht in der Lage sah, ob er möglicherweise überhaupt nicht äußerungsfähig war oder ob es nur Terminprobleme bzw. sonstige organisatorische Schwierigkeiten gab, die dem entgegenstünden, wird aus ihren Schreiben nicht ersichtlich.

33

bb) Dafür, dass die Beklagte aus der Art der Erkrankung des Klägers Rückschlüsse auf das Fehlen seiner Fähigkeit hätte ziehen können, sich - und sei es schriftlich - zu äußern, gibt es nach den bisherigen Feststellungen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Es ist unklar, ob das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Kläger habe die Beklagte nicht nur über seinen Aufenthalt in einer Reha-Klinik, sondern auch über die Art seiner Erkrankung informiert. In der E-Mail vom 12. Dezember 2010 hatte der Kläger lediglich mitgeteilt, er befinde sich bis zum 11. Januar 2011 in der Klinik, sei gesundheitlich nicht in der Lage, an der Anhörung in den Räumen der Beklagten teilzunehmen, und bitte um eine schriftliche Anhörung. In den Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten werden zur Art seiner Erkrankung keine Angaben gemacht.

34

c) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dem Kläger sei es wegen seiner Erkrankung und der Durchführung der Reha-Maßnahme nicht möglich gewesen, den Fragenkatalog innerhalb der gesetzten Frist angemessen zu beantworten, beruht ebenfalls nicht auf hinreichenden Tatsachenfeststellungen. Sie rechtfertigt deshalb nicht die Würdigung, die Beklagte habe, weil sie dem Kläger keine längere Frist zur Stellungnahme gewährt habe, ihre Aufklärungspflicht verletzt.

35

aa) Das Landesarbeitsgericht stellt darauf ab, der Kläger sei von den betrieblichen Informationsquellen abgeschnitten gewesen, die ihm möglicherweise Entlastungsmaterial hätten liefern können. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger darauf - insbesondere gegenüber der Beklagten - überhaupt berufen hätte. Abgesehen davon hätte er in seiner Antwort auf diesen Umstand hinweisen können.

36

bb) Soweit das Landesarbeitsgericht annimmt, die zeitliche Beanspruchung des Klägers durch Therapieeinheiten habe die ihm zur Verfügung stehende Zeit zur Stellungnahme erheblich eingeschränkt, fehlt es an Feststellungen zum konkreten zeitlichen Umfang dieser Einheiten. Ebenso wenig ist festgestellt, dass die Beklagte von dieser Beanspruchung Kenntnis gehabt hätte und sie bei ihrer Entscheidung, dem Kläger keine Nachfrist zu gewähren, hätte in Rechnung stellen müssen.

37

d) Unerheblich ist, ob die Beklagte das Gebot der zügigen Aufklärung aus § 626 Abs. 2 BGB verletzt hätte, wenn sie dem Kläger eine Nachfrist jedenfalls bis Mitte Januar 2011 gesetzt hätte. Selbst wenn dies zu verneinen wäre, folgt allein daraus - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - nicht, dass sie ihre Aufklärungspflicht nach § 626 Abs. 1 BGB verletzt hat, weil sie dem Kläger eine solche Frist nicht gewährte.

38

3. Das Landesarbeitsgericht wird - falls es darauf ankommt - die Frage, ob der Kläger vor Ausspruch der Verdachtskündigung im Rahmen des der Beklagten Zumutbaren Gelegenheit zur Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen hatte, unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen und aller relevanten Umstände des Streitfalls erneut zu prüfen haben.

        

    Kreft    

        

    Berger     

        

    Rachor    

        

        

        

    Perreng     

        

    Wolf    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 17. Februar 2012 - 4 Sa 519/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war bei dem Beklagten - einer bayerischen Gemeinde - seit 1998 als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Er hatte die Funktion des Leiters der EDV inne. Auf sein Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung. Laut Arbeitsvertrag war er zunächst in Vergütungsgruppe IV b der Anlage 1a zum BAT eingruppiert.

3

Im Juni 2009 hörte der Beklagte den Kläger erstmals zu einem Verdacht auf Arbeitszeitmanipulation an. Am 29. Juni 2009 beschloss der Gemeinderat, dem Kläger den Abschluss eines Aufhebungsvertrags anzubieten. Da der Kläger das Angebot nicht annahm, führte der Beklagte weitere Ermittlungen durch. Zu deren Ergebnissen wurde der Kläger am 11. November 2009 angehört. Er nahm am 19. November 2009 zu den Vorwürfen Stellung.

4

Auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung des Gemeinderats des Beklagten am 2. Dezember 2009 hieß es unter Punkt 3.3:

        

„[Name des Klägers]: Beratung und ggf. Beschlussfassung über arbeitsrechtliche Konsequenzen.“

5

Am Sitzungstag beschloss der Gemeinderat gegen Mitternacht, die Beratung und Beschlussfassung über die den Kläger betreffende Angelegenheit auf den 8. Dezember 2009 zu vertagen. In dieser Sitzung informierte der erste Bürgermeister den Gemeinderat über die nach Abschluss der Ermittlungen gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe. Der Gemeinderat beschloss daraufhin, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich zu kündigen.

6

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 hörte der erste Bürgermeister den Personalrat unter Schilderung der Vorwürfe zu dieser Absicht an. Der Personalrat verweigerte mit Schreiben vom 17. Dezember 2009 die Zustimmung. Er rügte, dass er nicht vor der endgültigen Entscheidung des Gemeinderats beteiligt worden sei, und vertrat die Auffassung, die vom Beklagten vorgetragenen Gründe seien nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Es beständen zudem „erhebliche rechtliche Bedenken am Zeitpunkt“ des Kündigungsausspruchs.

7

Am 18. Dezember 2009 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos.

8

Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Er habe seine Arbeitszeit stets korrekt erfasst. Zudem sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden. Der Beklagte habe schon die Ermittlungen zu zögerlich durchgeführt. Spätestens am 2. Dezember 2009 aber sei die Frist in Lauf gesetzt worden, weil die Angelegenheit an diesem Tag sogar auf der Tagesordnung gestanden habe. Auch sei die Beteiligung des Personalrats nicht ordnungsgemäß erfolgt. Sie hätte vor und nicht erst nach einer endgültigen Beschlussfassung des Gemeinderats durchgeführt werden müssen.

9

Der Kläger hat, soweit für die Revision von Belang, beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 18. Dezember 2009 nicht beendet worden ist.

10

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat behauptet, der Kläger habe im Zeitraum von August 2008 bis Mai 2009 in mindestens zwölf Fällen etwa zehn bis fünfzehn Minuten vor dem Betreten des Dienstgebäudes telefonische „Kommt-Buchungen“ vorgenommen und dadurch die Erfassung seiner Arbeitszeit manipuliert. Um den im Juni 2009 entstandenen Anfangsverdacht belegen zu können, habe es umfangreicher Ermittlungen bedurft, welche erst im November 2009 abgeschlossen gewesen seien. Die Angelegenheit sei sodann auf die Tagesordnung der nächsten Gemeinderatssitzung gesetzt worden. Um Mitternacht sei es für keinen der Beteiligten mehr zumutbar gewesen, auch die Angelegenheit des Klägers noch zu behandeln. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Erst nachdem seine Stellungnahme vorgelegen habe, habe der erste Bürgermeister die Kündigung ausgesprochen.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung nicht als unwirksam ansehen. Seine Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Sache war an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden. Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).

13

I. Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil der erste Bürgermeister des Beklagten den Kündigungsbeschluss nicht selbst gefasst, sondern einen Beschluss des Gemeinderats ausgeführt hat. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Gemeinderat gem. Art. 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayGO für den Ausspruch der Kündigung zuständig war. Der Kläger gehört als ursprünglich in Vergütungsgruppe IV b der Anlage 1a zum BAT eingruppierter Arbeitnehmer mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zur Gruppe der „Arbeitnehmer ab Entgeltgruppe 9 TVöD“ iSd. Vorschrift.

14

II. Die Kündigung ist nicht wegen unzureichender Anhörung des Personalrats unwirksam (Art. 77 Abs. 3, Abs. 4 BayPVG). Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts musste diese gem. Art. 77 Abs. 3 BayPVG zwar vor Ausspruch der Kündigung, nicht aber entsprechend Art. 70 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 BayPVG schon vor dem endgültigen Kündigungsentschluss des Gemeinderats erfolgen. Es kann deshalb dahinstehen, ob ein Verstoß gegen diese Vorschrift zur Fehlerhaftigkeit der Personalratsanhörung und Unwirksamkeit der Kündigung führen würde.

15

1. Gem. Art. 77 Abs. 3 BayPVG ist der Personalrat vor dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung anzuhören. Der Dienststellenleiter hat die beabsichtigte Maßnahme zu begründen. Hat der Personalrat Bedenken, hat er sie unter Angabe der Gründe dem Dienststellenleiter unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen schriftlich mitzuteilen.

16

2. Eine bestimmte zeitliche Reihenfolge von Anhörung des Personalrats und Beschlussfassung des Gemeinderats ist gesetzlich nicht vorgesehen.

17

a) Allerdings soll nach Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG bei Gemeinden die Mitbestimmung erfolgen, bevor das zuständige Organ endgültig entscheidet. Der Beschluss des Personalrats ist dem zuständigen Organ zur Kenntnis zu bringen. Diese Regelung gilt gem. Art. 72 Abs. 1 Satz 3 BayPVG entsprechend für Maßnahmen, an denen der Personalrat - wie bei der ordentlichen Kündigung(Art. 77 Abs. 1 Satz 1 BayPVG) - mitwirkt.

18

b) Dagegen wird für das in Art. 77 Abs. 3 BayPVG geregelte Verfahren der Anhörung vor außerordentlichen Kündigungen nicht auf die Bestimmung des Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG verwiesen. Die Notwendigkeit einer Anhörung des Personalrats vor der Beschlussfassung des Gemeinderats lässt sich deshalb - anders als offenbar das Landesarbeitsgericht angenommen hat - nicht unmittelbar aus einer gesetzlich gebotenen Anwendung von Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG ableiten.

19

c) Für eine analoge Anwendung der in Fällen der Mitwirkung des Personalrats geltenden Verweisungsregelung des Art. 72 Abs. 1 Satz 3 BayPVG auf die Fälle der Anhörung des Personalrats iSv. Art. 75 Abs. 3 BayPVG ist kein Raum.

20

aa) Auch wenn der Wortsinn des Gesetzes die Grenze der Auslegung markiert, ist er für die Rechtsanwendung durch die Gerichte keine unübersteigbare Grenze. Der Richter hat nicht zwingend am Wortsinn einer Norm haltzumachen (BVerfG 14. Februar 1973 - 1 BvR 112/65 - zu C IV 1 der Gründe, BVerfGE 34, 269). Sowohl seitens der Methodenlehre als auch von Verfassungs wegen kann es für ihn wegen der Bindung an Gesetz „und Recht“ nach Art. 20 Abs. 3 GG geboten sein, das vom Gesetz Gewollte gegen das im Gesetz Gesagte zur Geltung zu bringen. Zur wortsinnübersteigenden Gesetzesanwendung durch Analogie oder wortsinnunterschreitenden Nichtanwendung des Gesetzes durch teleologische Reduktion bedarf es dabei einer besonderen Legitimation. Analoge Gesetzesanwendung setzt voraus, dass der gesetzessprachlich nicht erfasste, dh. gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt, wie die gesetzessprachlich erfassten Fälle. Teleologische Reduktion setzt umgekehrt voraus, dass der gesetzessprachlich erfasste, dh. der gesetzlich in bestimmter Weise geregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes nach einer anderen Entscheidung verlangt als die übrigen geregelten Fälle, um Wertungswidersprüche zu vermeiden (BAG 14. Februar 2007 - 7 ABR 26/06 - Rn. 55, BAGE 121, 212; 29. September 2004 - 1 ABR 39/03 - zu B III 2 b der Gründe, BAGE 112, 100).

21

bb) Hier ist eine analoge Anwendung von Art. 72 Abs. 1 Satz 3, Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG auf die Fälle der Anhörung des Personalrats nach Art. 75 Abs. 3 BayPVG nicht geboten. Die Sachverhalte von Mitbestimmung/Mitwirkung auf der einen und bloßer Anhörung des Personalrats auf der anderen Seite sind zu verschieden, als dass sie nach einer gleichen Ausgestaltung des Beteiligungsverfahrens verlangten. In den Fällen der Mitbestimmung und der Mitwirkung sehen Art. 70 bzw. Art. 72 BayPVG mehrstufige Verständigungsverfahren zwischen Dienststellenleiter und Personalrat vor, wenn dieser der beabsichtigten Maßnahme seine Zustimmung versagt bzw. Einwendungen gegen sie erhebt. Der Dienststellenleiter kann die beabsichtigte Maßnahme nicht wirksam durchführen, wenn er das betreffende weitere Verfahren nicht einhält. Bei seiner endgültigen Entscheidung soll das zuständige Gemeindeorgan deshalb mögliche Verweigerungsgründe bzw. Einwendungen des Personalrats kennen, um angesichts ihrer beurteilen zu können, ob es an der beabsichtigten Maßnahme trotz ihrer zumindest vorläufigen Undurchführbarkeit und der Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens nach Art. 70 bzw. Art. 72 BayPVG festhalten will. Diese wegen Art. 77 Abs. 1 BayPVG für die ordentliche Kündigung gegebene Situation liegt bei außerordentlichen Kündigungen nicht vor. Auch wenn der Personalrat im Rahmen der Anhörung nach Art. 77 Abs. 3 BayPVG Bedenken gegen die beabsichtigte Kündigung erhebt, ist der Dienststellenleiter nicht gehalten, vor Ausspruch der Kündigung das Verfahren nach Art. 72 Abs. 3, Abs. 4 BayPVG einzuhalten. Er kann die Kündigung vielmehr - wie der Arbeitgeber nach § 102 BetrVG - trotz der Bedenken des Personalrats erklären, ohne weitere verfahrensrechtliche Vorgaben beachten zu müssen. Damit wiederum verlangen Gleichheitssatz und gesetzliche Wertungskonsistenz nicht danach, Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG über das geschriebene Gesetz hinaus auf die Fälle einer Anhörung des Personalrats nach Art. 77 Abs. 3 BayPVG entsprechend anzuwenden.

22

cc) Eine analoge Anwendung ist auch nicht deshalb geboten, weil nur so Sinn und Zweck einer Anhörung des Personalrats gewahrt und erreicht werden könnten. Zwar soll die Anhörung den Arbeitgeber dazu veranlassen, eine geplante Kündigung zu überdenken, sich mit den Argumenten des Personalrats auseinanderzusetzen und ggf. von der Kündigung Abstand zu nehmen (vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4; zu § 102 BetrVG KR/Etzel 10. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 8). Dieser Zweck wird jedoch auch dann nicht verfehlt, wenn dem Gemeinderat in den Fällen der außerordentlichen Kündigung die Stellungnahme des Personalrats bei seiner Beschlussfassung noch nicht bekannt ist. Dem Schutzzweck der Personalratsbeteiligung ist vielmehr durch die Bestimmungen der bayerischen Gemeindeordnung hinreichend Rechnung getragen. Der erste Bürgermeister führt nicht nur den Vorsitz im Gemeinderat und vollzieht als ausführendes Organ dessen Beschlüsse (Art. 36 BayGO). Der Gesetzgeber hat ihm auch die Funktion des Dienststellenleiters iSv. Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 BayPVG und in Art. 43 Abs. 3 BayGO die des Dienstvorgesetzten der Beamten und Angestellten der Gemeinde übertragen. Im Rahmen dieser Funktionen gehört die eigenständige Durchführung der Personalratsanhörung zu seinen gesetzlichen Aufgaben. Damit hat ihm der Gesetzgeber eine - wenn auch nicht stets das Kündigungsrecht als solches umfassende - partielle Personalkompetenz zugewiesen. In deren Rahmen hat er die Pflicht zur sachlichen Beurteilung. Sie verlangt von ihm, die Stellungnahme des Personalrats gewissenhaft inhaltlich zu prüfen und die Angelegenheit dem Gemeinderat für den Fall, dass die Stellungnahme zu Bedenken an der Berechtigung des Kündigungsentschlusses Anlass gibt, erneut zuzuleiten.

23

d) Die Senatsrechtsprechung steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Nach der Entscheidung vom 18. Mai 1994 (- 2 AZR 930/93 - zu III 1 b der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6) ist zwar umgekehrt die Personalratsanhörung nicht deshalb fehlerhaft, weil sie ohne Vorliegen eines Kündigungsentschlusses des zuständigen Gremiums durchgeführt wurde, um dieses erst anschließend und unter Vorlage der Stellungnahme des Personalrats mit der Angelegenheit zu befassen. Das bedeutet aber nicht, dass die hier eingeschlagene Vorgehensweise rechtswidrig wäre.

24

3. Danach ist die Anhörung des Personalrats ordnungsgemäß erfolgt. Dieser ist am 14. Dezember 2009 unter Schilderung des aus Sicht des Beklagten kündigungsrelevanten Sachverhalts über die beabsichtigte Kündigung unterrichtet worden. Der Kläger hat die inhaltliche Richtigkeit der Information nicht gerügt. Der Personalrat hat binnen dreier Tage unter Angabe formaler und inhaltlicher Gründe erklärt, seine Zustimmung zur Kündigung zu verweigern. Damit war das Anhörungsverfahren nach Maßgabe von Art. 77 Abs. 3 BayPVG am 17. Dezember 2009 - also vor Ausspruch der Kündigung - ordnungsgemäß abgeschlossen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Stellungnahme des Personalrats dem ersten Bürgermeister Anlass dafür hätte sein müssen, den Gemeinderat vor der Ausführung des Kündigungsbeschlusses erneut mit der Sache zu befassen.

25

III. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich derzeit nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend. Die außerordentliche Kündigung ist nach den bisherigen Feststellungen nicht deshalb unwirksam, weil der Beklagte die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt hätte.

26

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen.

27

a) Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Norm mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 30; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54). Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann deshalb nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - AP BGB § 626 Nr. 231 = EzA BPersVG § 108 Nr. 5; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - zu B I 3 der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9). Sind die Ermittlungen abgeschlossen und hat er eine hinreichende Kenntnis vom Kündigungssachverhalt, beginnt der Lauf der Ausschlussfrist. Unbeachtlich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder überflüssig waren (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - aaO; 5. Dezember 2002 - 2 AZR 478/01 - zu B I 3 c bb (1) der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 63 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 1).

28

b) Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Dagegen ist die Kenntnis anderer Personen für den Lauf der Ausschlussfrist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt auch dann, wenn den Mitarbeitern Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind (BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 21, AP BGB § 626 Nr. 217 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 23; 26. November 1987 - 2 AZR 312/87 - RzK I 6g Nr. 13). Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber die Kenntnis solcher Personen nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder in der Verwaltung haben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, einen Sachverhalt, der Anhaltspunkte für eine außerordentliche Kündigung bietet, so umfassend zu klären, dass mit ihrer Mitteilung der Kündigungsberechtigte ohne weitere eigene Nachforschungen seine (Kündigungs-)Entscheidung abgewogen treffen kann. Dementsprechend müssen diese Mitarbeiter in einer ähnlich selbständigen Stellung sein, wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter des Arbeitgebers (BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 22, aaO; 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - zu II 3 a der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 355 mwN; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 810). Voraussetzung für eine Zurechenbarkeit der Kenntnisse dieser Personen zum Arbeitgeber ist ferner, dass die Verzögerung bei der Kenntniserlangung in dessen eigener Person auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruht (BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 22, aaO; 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - aaO; KR/Fischermeier § 626 BGB Rn. 355).

29

2. Danach hat der Beklagte die Erklärungsfrist gewahrt.

30

a) Maßgebend für den Beginn der Frist ist im Streitfall die Kenntnis des Gemeinderats als des gem. Art. 43 BayGO kündigungsberechtigten Organs. Dieser hatte erst aufgrund der Erörterungen in der Sitzung vom 8. Dezember 2009 Kenntnis von den aus seiner Sicht eine außerordentliche Kündigung begründenden Tatsachen erlangt. Diese waren ihm weder mit der Ladung noch in der Sitzung vom 2. Dezember 2009 mitgeteilt worden. Zwar war der Gemeinderat bereits am 29. Juni 2009 mit Vorwürfen gegen den Kläger befasst. An diesem Tag wurde jedoch lediglich beschlossen, dem Kläger einen Aufhebungsvertrag anzubieten. Falls er diesen nicht annähme, sollten weitere Ermittlungen durchgeführt werden. Der Gemeinderat besaß zu diesem Zeitpunkt noch keine aus seiner Sicht hinreichenden, eine außerordentliche Kündigung rechtfertigenden Kenntnisse.

31

b) Der Beklagte muss sich die schon länger währende Kenntnis seines ersten Bürgermeisters von den dem Kündigungsentschluss zugrunde liegenden Umständen nicht zurechnen lassen. Der erste Bürgermeister hat zwar als Vorgesetzter der Gemeindebediensteten und Vorsitzender des Gemeinderats eine herausgehobene Stellung (vgl. BAG 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - zu II 3 b der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6). Die Tatsache, dass der Gemeinderat erst am 8. Dezember 2009 von den aus seiner Sicht kündigungsrelevanten Tatsachen Kenntnis erlangt hat, beruht aber nicht auf einem Organisationsverschulden.

32

aa) Es stellt kein solches Verschulden dar, dass der Gemeinderat seine turnusgemäßen Sitzungen im Abstand von mehreren Wochen abhält. Der Gemeinderat muss nicht im Vorhinein mit Blick auf mögliche, nur im Ausnahmefall notwendig werdende außerordentliche Kündigungen einen engeren Sitzungsrhythmus einplanen. Nach dem Schutzzweck des § 626 Abs. 2 BGB ist es unbedenklich, eine außerordentliche Kündigung in der turnusmäßig nächsten Sitzung eines Gemeinderats zu beraten. Für den Arbeitnehmer iSv. Art. 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayGO ist erkennbar, dass der erste Bürgermeister auch bei eigener Kenntnis der aus seiner Sicht eine außerordentliche Kündigung rechtfertigenden Umstände eines Beschlusses des Gemeinderats bedarf und dieser in der Regel erst in der nächsten Sitzung herbeigeführt werden kann(BAG 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - zu II 3 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6).

33

bb) Es kann nicht als Organisationsmangel angesehen werden, dass der erste Bürgermeister keine Sondersitzung des Gemeinderats einberufen hat. Mit Blick auf die Größe des Gremiums und die einzuhaltenden Ladungsfristen hätte dies einen nicht gerechtfertigten Aufwand verursacht (vgl. BAG 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - zu II 3 c dd der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6).

34

cc) Es ist dem Beklagten nicht anzulasten, dass der Gemeinderat die Beratung über eine Kündigung des Arbeitsvertrags mit dem Kläger nicht mehr - nach Mitternacht - in der Sitzung vom 2. Dezember 2009 erörtert, sondern diesen Tagesordnungspunkt um sechs Tage auf die Sitzung vom 8. Dezember 2009 vertagt hat. Dies erscheint mit Blick auf die Belange der Gemeinderatsmitglieder und die Interessen des Klägers, der einen Anspruch auf sorgfältige Beratung der ihn betreffenden personellen Angelegenheit hat, als vertretbare Verzögerung. Der Gemeinderat hat - anders als der Kläger gemeint hat - personelle Maßnahmen in der Sitzung am 2. Dezember 2009 nicht vorrangig behandeln müssen. Dem Gemeinderat steht in Bezug auf die Reihenfolge der Beratungen ein Beurteilungsspielraum zu. Den hat er im Streitfall nicht überschritten. Es ist nicht unsachlich oder willkürlich, die Tagesordnungspunkte in der vom Vorsitzenden in der Einladung vorgegebenen Reihenfolge abzuhandeln. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - nicht von vornherein mit der Vertagung eines oder mehrerer Tagesordnungspunkte zu rechnen ist.

35

IV. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft, ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSd. § 626 Abs. 1 BGB gegeben war. Ebenso wenig ist es dem Vortrag des Klägers nachgegangen, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei aufgrund der zögerlichen Durchführung der Ermittlungen bereits vor dem 2. Dezember 2009 verstrichen gewesen. Über beides vermag der Senat mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen nicht selbst zu entscheiden.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

        

        

    Söller    

        

    B. Schipp    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.