Landgericht Essen Beschluss, 21. Jan. 2014 - 15 S 239/13
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 12.08.2013 – 202 C 38/13 – wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung wird zurückgewiesen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 3.497,40 €
1
Gründe
2Die Berufung war wie angekündigt gemäß § 522 Abs. 1 ZPO mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zu verwerfen, weil sie nicht binnen der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO von zwei Monaten ab Zustellung des Urteils des Amtsgerichts am 28.08.2013, verlängert durch Verfügung vom 31.10.2013 um drei Wochen bis zum 18.11.2013, sondern erst mit dem am 19.11.2013 eingegangenen Fax begründet wurde.
3Dem Beklagten kann keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt werden.
4Der mit Schriftsatz vom 10.12.2013, bei Gericht eingegangen am selben Tage, gestellte Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung ist bereits unzulässig, weil dieser nicht binnen der gemäß § 234 Abs. 1 ZPO laufenden 2 Wochenfrist eingelegt wurde. Diese Frist beginnt nach § 234 Abs.2 ZPO mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist, das der Fristwahrung entgegenstand. Das ist nach der Rechtsprechung des BGH der Zeitpunkt, zu dem die Partei oder ihr Rechtsanwalt erkannt hat oder bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass die Rechtsmittelfrist versäumt war. Dem Beklagtenvertreter war anhand seiner Fax- Übertragungsprotokolle bereits in der Nacht vom 18. auf den 19.11.2013 aufgefallen, dass beide Faxübertragungen erst nach Mitternacht erfolgreich waren und zwar um 00.06 Uhr und um 00.09 Uhr. Ergibt sich aus den Übersendungsprotokollen des selbst genutzten Faxgeräts, dass der Schriftsatz an das Gericht in zwei getrennten Übertragungen jeweils kurz nach 24 Uhr des Fristablaufs bei Gericht eingegangen ist, dann besteht für einen Rechtsanwalt bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hinreichender Anlass, sich unverzüglich beim Gericht zu vergewissern, ob der Schriftsatz vielleicht dennoch rechtzeitig eingegangen sei. Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt mit diesem Tag zu laufen (BGH NJW-RR 2000,1591). Der Beklagtenvertreter hatte die Pflicht, sich nach den Eingangsdaten der zwei Faxe zu erkundigen und dann unmittelbar im Rahmen der zwei- wöchigen Wiedereinsetzungsantragsfrist zu reagieren. Diese hat er hier, was die formal ordnungsgemäße Antragstellung angeht, verletzt.
5Ein Antrag auf Wiedereinsetzung kann aber auch konkludent gestellt werden, wenn die Wiedereinsetzungsgründe aktenkundig sind und nicht einer besonderen Glaubhaftmachung bedürfen (Münchener Kommentar zur ZPO/ Gehrlein, 4. Auflage 2013, § 236 ZPO, Rdnr. 16). Eine rechtzeitige konkludente Antragstellung kann hier demnach in dem Schriftsatz vom 19.11.2013 gesehen werden, in dem der Beklagtenvertreter bereits die für ihn maßgeblichen Gründe für die Wiedereinsetzung darlegt und durch die eingereichten Sendeprotokolle und das Foto vom Display des genutzten Faxgerätes zu belegen versucht, dass er nicht damit habe rechnen müssen, dass es ihm nicht gelingen werde, die Berufungsschrift rechtzeitig vor Mitternacht zu übermitteln.
6Die Begründung des Beklagtenvertreters, ihn, der versucht habe, die 15- seitige Berufungsbegründungsschrift am 18.11.2013 um 23.53 Uhr ans Landgericht unter der Nummer … zu faxen, und als sein Faxgerät den Status „Warten“ angezeigt habe, nochmals um 23.57 Uhr versucht habe, dieses unter der Nummer … zu übersenden, treffe kein Verschulden daran, dass das erste Fax laut Sendeprotokoll erst um 00.09 Uhr am 19.11.2013, das 2. Fax kurz zuvor um 00.06 Uhr am 19.11.2013 und damit jeweils verspätet eingegangen ist, überzeugt nicht. Der Beklagtenvertreter kann sich nicht erfolgreich damit rechtfertigen, dass die reine Übersendung eines 15 – seitigen Faxes in der Regel nur 2 Minuten in Anspruch nehme und er somit sieben bzw. drei Minuten vor Mitternacht noch rechtzeitig mit der Übersendung begonnen habe.
7Die Kammer geht zwar von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax aus, dass, wenn dies durch ein Gericht eröffnet werde, die aus den technischen Gegebenheiten dieses Kommunikationsmittels herrührenden besonderen Risiken - wie insbesondere Störungen des Empfangsgeräts, aber auch der Übermittlungsleitungen - nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden dürften, sondern in der Sphäre des Gerichts lägen (beispielsweise in seiner grundlegenden Entscheidung, abgedruckt NJW 1996, 2857; weit. Nachw. zur Rspr. des BGH auch bei Zöller/Greger § 233 ZPO Rdnr. 23, Stichwort „Telefax“). Das gilt jedoch nur für den Fall, dass technische Störungen, welcher Art auch immer, die rechtzeitige Übertragung hinderten. Der Nutzer hat mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis 24.00 Uhr zu rechnen ist. (Unterstreichung seitens der Kammer). Hiervon kann bei dem erstmaligen Übermittlungsversuch eines 15- seitigen Schriftstückes sieben Minuten vor Mitternacht nicht ausgegangen werden. Insoweit darf nicht auf die reine Übermittlungsdauer von 2 Minuten abgestellt werden. Der Versender des Faxes muss immer damit rechnen, dass er sich bei der Versendung eines Faxes einmal vertippt und noch einmal beginnen muss und insbesondere damit, dass so kurz vor Mitternacht die Leitung kurzzeitig anderweitig besetzt ist, wobei letzteres nicht den oben angesprochenen Fall der Störung der Übermittlungsleitungen meint. Diese Würdigung entspricht auch der des BGH aus dem Beschluss vom 03.05.2011 – XI ZB 24/10- NJOZ 2011,1810. Der BGH hat dort ebenfalls festgehalten, dass bei der Fax-Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes am letzten Tag der Frist der Anwalt das zur Fristwahrung Gebotene nur getan hat, wenn er mit der Übermittlung so rechtzeitig begonnen hat, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Abschluss am Tage des Fristablaufs bis 24 Uhr hätte gerechnet werden können. Er muss dabei Verzögerungen einkalkulieren, mit denen üblicherweise zu rechnen ist, wozu – insbesondere auch in den Abend- und Nachtstunden – die Belegung des Telefaxempfangsgeräts bei Gericht durch andere eingehende Sendungen gehört, so dass dem mit einem Sicherheitszuschlag Rechnung zu tragen ist. Dass das Empfangsgerät eines Gerichts in den Abend- und Nachtstunden für eine Zeit von 20 Minuten belegt ist, sei kein ungewöhnliches Ereignis, mit dem der Absender eines Telefaxes nicht rechnen müsse.
8Soweit der Klägervertreter darauf abhebt, dass er nicht damit hätte rechnen können, dass sein erster Fax- Versuch zur Fax- Nummer der für die 15. Zivilkammer zuständigen Serviceeinheit auf das zentrale Faxgerät der Wachtmeisterei des Landgerichts umgeleitet würde, trägt er falsch vor. Sowohl das 1. als auch das 2. Fax war an die Faxgeräte der Wachtmeisterei des Landgerichts Essen gerichtet, auf dem unter den Nummern … und … Faxe eingehen können. Beide Faxversuche wurden nicht wegen einer Umleitung, sondern weil die Anschlüsse jeweils kurzzeitig anderweitig besetzt waren, auf „warten“ gestellt. Die Fax- Nummer der Serviceeinheit lautet … und ist vom Beklagtenvertreter offensichtlich nicht erfragt worden. Soweit er die Fax- Nummer … dem Schreiben der Serviceeinheit vom 17.10.2013 in Bezug auf seine Aktenanforderung oder anderen Schreiben entnommen hat, so geben diese Schreiben keinen Anlass zu der Annahme, dass es sich bei dieser Fax- Nummer um eine solche speziell der Serviceeinheit handelt. Denn diese Fax- Nummer ist rechts unten bei den allgemeinen Adressdaten des Landgerichts genannt, während oben konkret in Bezug auf die zuständige Kammer lediglich die Durchwahl des Sachbearbeiters angegeben ist.
9Die Annahme des Beklagtenvertreters, dass andere Rechtsanwälte fristgebundene Schriftsätze nicht kurz vor Mitternacht an das Gericht faxen, entbehrt der Lebenserfahrung.
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Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.497,40 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.05.2013 sowie 161,05 € Inkassokosten und 1,30 € Auskunftskosten zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist Betreiberin des Mobilfunknetzes …. Sie schloss mit dem Beklagten vier Mobilfunkverträge mit einer Mindestlaufzeit von 24 Monaten. Der Vertrag zur Rufnummer … wurde am 21.04.2010, der Vertrag zur Rufnummer … am 08.06.2011 geschlossen. Der Vertrag zur Rufnummer … wurde am 21.04.2010 geschlossen und am 21.01.2011 um 24 Monate von diesem Zeitpunkt an verlängert. Der Vertrag zur Rufnummer … wurde am 05.12.2005 geschlossen. Dieser Vertrag verlängerte sich mangels Kündigung zunächst um jeweils ein Jahr, am 08.06.2011 wurde der Vertrag um 24 Monate von diesem Zeitpunkt an verlängert.
3Ab August 2011 geriet der Beklagte mit seinen Zahlungsverpflichtungen in Rückstand. Die Rechnung vom 18.08.2011 in Höhe von 242,22 €, zahlbar bis zum 26.08.2011, zahlte der Beklagte am 02.09.2011. Die Rechnung vom 20.09.2011 in Höhe von 271,14 €, zahlbar bis zum 28.09.2011, zahlte der Beklagte am 05.12.2011. Die Rechnung vom 27.09.2011 in Höhe von 57,52 €, zahlte der Beklagte ebenfalls am 05.12.2011. Die erste streitgegenständliche Rechnung vom 26.10.2011 in Höhe von 612,03 €, zahlbar bis zum 04.11.2011, zahlte der Beklagte anteilig am 05.12.2011 und 04.01.2012 in Höhe von insgesamt 131,34 €. In der Folgezeit leistete der Beklagte keine Zahlungen mehr. Die Klägerin erteilte weitere Rechnungen vom 25.11.2011, 28.12.2011, 25.01.2012 und 27.02.2012 über jeweils 255,93 € und eine Rechnung vom 27.03.2012 über 2.321,65 €. Im Rechnungsbetrag der letzten Rechnung sind Schadensersatzforderungen wegen der vorzeitigen Vertragsbeendigung für alle vier Mobilfunkverträge enthalten. Den Schadensersatz berechnete die Klägerin, indem sie den monatlichen Basisbetrag abzüglich einer Gutschrift für ersparte Druck- und Portokosten in Höhe von 1,00 € mit der vertraglichen Restlaufzeit multiplizierte. Das Ergebnis wurde mit einem Guthabenzinssatz von 3 % abgezinst.
4Am 31.10.2011 sperrte die Klägerin den Netzzugang für den Beklagten vorläufig, am 20.03.2012 endgültig.
5Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.06.2012 kündigte der Beklagte die Verträge fristlos, hilfsweise fristgemäß zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
6Die Klägerin behauptet, sie habe die Mobilfunkverträge am 16.01.2012 fristlos, jedoch aufschiebend bedingt für den Fall der Nichtausgleichung der offenen Forderungen, und am 20.03.2012 fristlos mit sofortiger Wirkung gekündigt.
7Sie ist der Ansicht, sie sei aufgrund des Zahlungsverzugs des Beklagten berechtigt gewesen, ein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen.
8Sie ist weiterhin der Ansicht, sie habe die ersparten Aufwendungen im Rahmen des Schadensersatzes richtig berechnet. Die für die Bereitstellung von Mobilfunkleistungen entstehenden Kosten fielen unabhängig davon an, ob ein einzelner Kunde das Mobilfunknetz der Klägerin nutze oder nicht.
9Die Klägerin beantragte ursprünglich,
10den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.497,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.05.2012 sowie außergerichtliche Mahnkosten in Höhe von 10,00 €, 345,50 € Inkassokosten, 7,00 € Kontoführungsgebühren und 1,30 € Auskunftskosten zu zahlen.
11Mit Schriftsatz vom 03.05.2013 hat sie die Klage hinsichtlich der Mahnkosten, Kontoführungsgebühren und teilweise hinsichtlich der Inkassokosten in Höhe von insgesamt 201,45 € zurückgenommen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Der Beklagte bestreitet den Zugang der klägerischen Kündigungsschreiben.
15Er ist der Ansicht, die Sperrung des Anschlusses hindere den Eintritt der Fälligkeit der weiteren Grundgebühren aufgrund der Vorleistungspflicht des Dienstleistungsverpflichteten. Auch für einen vertragstreuen Kunden entfalle die Vergütungspflicht, wenn der Telekommunikationsanbieter keine Leistungen erbringe. Der Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht zuzubilligen widerspreche zudem § 254 BGB, da diese dann keine Veranlassung mehr für eine fristlose Kündigung von Verträgen habe, bei denen der Kunde sich in Zahlungsverzug befindet.
16Er ist außerdem der Ansicht, ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen vorzeitiger Vertragsbeendigung sei im Hinblick auf ersparte Aufwendungen nicht schlüssig dargelegt. Bei Pauschaltarifen, bei denen der Kunde Leistungen unbegrenzt in Anspruch nehmen könne, stehe der Anbieter erheblich besser da, wenn er dem Kunden keine Leistungen mehr bereitstellten müsse.
17Entscheidungsgründe:
18Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
19Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Erfüllungsanspruch auf Zahlung von 3.497,40 € aus § 611 I i.V.m. den Mobilfunkverträgen.
20Unstreitig haben die Parteien die streitgegenständlichen Verträge geschlossen. Die Verträge sind auch nicht durch fristlose Kündigung vorzeitig beendet worden. Die Klägerin hat keinen Beweis dafür angeboten, dass die von ihr ausgesprochene fristlose Kündigung dem Beklagten zugegangen ist. Das Kündigungsschreiben des Beklagten ist der Klägerin zwar unstreitig zugegangen, der für eine fristlose Kündigung erforderliche wichtige Grund liegt jedoch nicht vor. Ein solcher wichtiger Grund liegt insbesondere nicht darin, dass die Klägerin ein Inkassounternehmen mit der Beitreibung ihrer Forderungen beauftragt hat. Denn die Klägerin hat dadurch lediglich ihre berechtigten Zahlungsansprüche gegen den Beklagten geltend gemacht.
21Gemäß § 611 I BGB i.V.m. den vertraglichen Regelungen war der Beklagte zur monatlichen Bezahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Diese Verpflichtung ist auch nicht dadurch entfallen, dass die Klägerin den Zugang des Beklagten zum Mobilfunknetz zum 31.10.2011 gesperrt hat. Denn sie hat dadurch nur von ihrem Zurückbehaltungsrecht gemäß § 320 BGB Gebrauch gemacht.
22Gemäß § 320 I BGB darf derjenige, der aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern. Die Anwendung dieser Norm ist vorliegend auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Klägerin im Rahmen des bestehenden Dienstvertrages gemäß § 614 BGB zur Vorleistung verpflichtet ist. Dies beruht darauf, dass es sich bei einem Mobilfunkvertrag um ein Dauerschuldverhältnis handelt, das inhaltlich einem Dauerlieferungsvertrag entspricht. Die Klägerin muss ständig leistungsbereit sein, um die einzelnen vom Kunden abzurufenden, vergütungspflichtigen Dienstleistungen zu erbringen, ohne dass diese zuvor genau bestimmt sind. Die synallagmatische Verknüpfung der Leistungspflichten ist deshalb hinsichtlich aller zu erbringender Teilleistungen beider Parteien gegeben. Dementsprechend ist es möglich, das Zurückbehaltungsrecht nach § 320 I BGB hinsichtlich noch zu erbringender Mobilfunkdienstleistungen auszuüben, auch wenn die mit ihr zeitlich korrespondierende (Teil-)Zahlungsforderung noch nicht entstanden oder fällig geworden ist; es genügt, dass die fällige Zahlung für zeitlich nicht korrespondierende vorausgegangene zeitliche Abschnitte nicht erbracht worden ist (vgl. BGH Urteil vom 17.02.2011, Az.: III ZR 35/10, m.w.N.).
23Entgegen der Auffassung des Beklagten widerspricht diese Wertung auch nicht § 254 BGB. Denn aufgrund der im Mobilfunkbereich üblichen vertraglich vereinbarten Mindestlaufzeiten würde auch eine fristlose Kündigung des Mobilfunkanbieters anstelle der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts den Zahlungsanspruch gegen den Kunden nicht entfallen lassen. Der Erfüllungsanspruch würde sich lediglich in einen Schadensersatzanspruch gemäß § 628 II BGB umwandeln. Für die Bemessung dieses Schadensersatzanspruchs ist das volle Erfüllungsinteresse, begrenzt auf die Zeit bis zur ordnungsgemäßen Beendigung des Vertragsverhältnisses maßgeblich, wobei ersparte Aufwendungen abzuziehen sind (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 72. Auflage 2013, § 628 Rn. 8, m.w.N.). Ersparte Aufwendungen fallen bei einem Mobilfunkvertrag jedoch lediglich in geringer Höhe an, da ein Großteil der Kosten des Anbieters für das Bereitstellen des Mobilfunknetzes unabhängig davon anfallen, ob der einzelne Kunde dieses in Anspruch nimmt oder nicht. Die Differenz zwischen Erfüllungsanspruch und Schadensersatzanspruch ist daher gering, so dass der Mobilfunkanbieter nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt, wenn er sich für die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts entscheidet. Ein solcher Verstoß könnte allenfalls dann vorliegen, wenn der Anbieter unter Ausübung des Zurückbehaltungsrechts über die vereinbarte Mindestlaufzeit hinaus an den Verträgen festhält. Dies kann jedoch für die Entscheidung im vorliegenden Fall dahinstehen, da die Klägerin lediglich ihren Zahlungsanspruch bis zum Ende der Vertragslaufzeiten geltend macht.
24Darüber hinaus ist die Sperrung des Mobilfunknetzzugangs eine geeignete Maßnahme, um die Entstehung weiterer, über die Grundgebühren hinausgehender, Kosten zu verhindern und das Risiko für beide Parteien - für die Klägerin hinsichtlich des Zahlungsausfalls und für den Beklagten hinsichtlich der Erhöhung der gegen ihn bestehenden Forderungen - zu minimieren.
25Der Vergleich mit einem vertragstreuen Kunden, dessen Vergütungspflicht bei der Nichterbringung der Dienstleistung – beispielsweise aufgrund technischer Schwierigkeiten - entfällt, ist insoweit verfehlt, da in diesem Fall die Nichtleistung durch den Mobilfunkanbieter gerade nicht darauf beruht, dass aufgrund des Kundenverhaltens ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht wird.
26Die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts verstößt im vorliegenden Fall auch nicht gegen § 320 II BGB. Demnach darf bei Vorliegen einer Teilleistung die Gegenleistung insoweit nicht verweigert werden, als die Verweigerung nach den Umständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils, gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Der Beklagten war zum Zeitpunkt der Sperre mit einem Betrag von 328,66 € im Zahlungsverzug. Dabei handelt es sich nicht mehr um einen verhältnismäßig geringfügigen Betrag. Bei der Beurteilung, was verhältnismäßig geringfügig ist, kann der in § 45 k II 1 TKG festgelegte Betrag von 75 € als grober Maßstab gelten. Zwar ist die Norm nicht unmittelbar auf Mobilfunkverträge anwendbar (vgl. BGH Urteil vom 12.02.2009, Az.: III ZR 179/08), jedoch kann die Wertung des Gesetzgebers bei Telefondienstleistungsverträgen im Festnetzbereich bei der Beurteilung im Mobilfunkbereich nicht außer Acht gelassen werden (vgl. BGH, Urteil vom 17.02.2011, Az.: III ZR 35/10, m.w.N.). Dieser Betrag wurde vorliegend um mehr als das Vierfache überschritten.
27Der Anspruch der Klägerin besteht in Höhe der vertraglich vereinbarten monatlichen Grundbeiträge für den Zeitraum bis zum Wirksamwerden der ordentlichen Kündigung des Beklagten, also bis zum Ende der vertraglich vereinbarten Mindestlaufzeiten. Es ist insoweit unschädlich, dass die Klägerin aufgrund der vorgenommenen Abzüge für ersparte Aufwendungen und Abzinsung nicht den vollen Betrag geltend macht, da es ihr freisteht, nur einen Teil ihrer Forderung einzuklagen.
28Von der eingeklagten Forderung sind auch keine weiteren Abzüge vorzunehmen. Ausweislich Ziffer 5.1 ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen in Verbindung mit der jeweils gültigen Preisliste kann die Klägerin bei Nichterteilung oder Widerruf der Einzugsermächtigung ein Zusatzentgelt für administrative Abwicklung verlangen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Klausel unwirksam sein könnte. Bei der Nichtteilnahme am Lastschriftverfahren muss das Kundenkonto des jeweiligen Kunden besonders auf Geldeingänge überprüft werden. Bei einem Massengeschäft wie dem Anbieten von Mobilfunkdienstleistungen entsteht dadurch ein erheblicher Mehraufwand. Die Vergütung dieses Mehraufwandes mit einem monatlichen Betrag von 0,99 € erscheint angemessen. Die Klägerin kann auch entsprechend ihren vertraglichen Bedingungen eine Gebühr von 8,80 € für Rücklastschriftkosten und 8,00 € Mahnkosten verlangen, da der Beklagte unstreitig in Zahlungsverzug geraten ist.
29Dieser Anspruch der Klägerin ist auch fällig. Zwar dürfte der Erfüllungsanspruch zum Zeitpunkt der Erstellung der letzten Rechnung hinsichtlich der zum damaligen Zeitpunkt in der Zukunft liegenden Grundgebühren noch nicht fällig gewesen sein, zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung war jedoch die gesamte Forderung fällig. Denn die Verträge wurden zum 20.04.2012, 20.01.2013 und 07.06.2013 beendet.
30Die Klägerin hat gegen den Beklagten hingegen keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 628 II BGB. Denn wie oben ausgeführt, sind die Verträge nicht vorzeitig durch fristlose Kündigung beendet worden. Es kann daher im vorliegenden Fall dahinstehen, in welchem Umfang die Klägerin sich im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs ersparte Aufwendungen anrechnen lassen müsste.
31Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB. Soweit Zinsen ab dem 06.05.2012 begehrt wurden, war die Klage abzuweisen, da der Beklagten mangels Fälligkeit der letzten Rechnung mit der Bezahlung derselben nicht in Verzug sein konnte.
32Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf Ersatz von Inkassokosten in Höhe von 161,05 € gemäß § 280 I, II, 286 I, II BGB. Der Schadensersatzanspruch wegen Zahlungsverzugs – in dem sich der Beklagte zum Zeitpunkt der Einschaltung des Inkassobüros hinsichtlich eines Teils der Klageforderung befand - umfasst auch außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten. Im Rahmen der Privatautonomie muss es dem Gläubiger überlassen bleiben, ob er für die vorprozessuale Rechtsverfolgung einen Rechtsanwalt oder ein Inkassobüro beauftragt. Aufgrund der aus § 254 BGB erwachsenden Schadensminderungspflicht ist der erstattungsfähige Betrag jedoch der Höhe nach auf diejenigen Kosten zu begrenzen, die bei der Beauftragung eines Rechtsanwaltes anfallen würden. Die Klägerin kann daher eine 0,65 Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer geltend machen. Denn im Gegensatz zu den Gebühren eines Rechtsanwaltes findet eine Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren bei Inkassounternehmen nicht statt. Eine Erstattung der vollen 1,3 Geschäftsgebühr kommt daher nicht in Betracht.
33Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf Erstattung von 1,30 € Auskunftskosten gemäß § 280 I BGB, da sie eine Auskunft aus der Schuldnerdatei einholen musste.
34Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 92 II Nr.1, 709 ZPO. Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, waren ihr dennoch keine Kosten aufzuerlegen, da die Klagerücknahme lediglich nicht streitwerterhöhende Nebenforderungen betrifft und somit durch die ursprüngliche Zuvielforderung keine zusätzlichen Kosten angefallen sind. Gleiches gilt für die teilweise Klageabweisung hinsichtlich der Zinsen.
35Der Streitwert wird auf 3.497,40 EUR festgesetzt.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.
(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche wegen seiner Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds geltend. Die Beklagte zu 2) begehrt widerklagend Rückzahlung des zur obligatorischen teilweisen Anteilsfinanzierung ausgereichten Darlehens.
- 2
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage der Beklagten zu 2) hin antragsgemäß zur Darlehensrückzahlung verurteilt. Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 2. Juli 2009 Berufung eingelegt. Die Frist zu deren Begründung wurde mit Verfügung des Gerichts vom 18. September 2009 letztmalig bis einschließlich 23. November 2009 verlängert. Die 120 Seiten umfassende Berufungsbegründung vom 23. November 2009 ist jedoch vollständig erst am 24. November 2009 um 0:21 Uhr auf dem Telefaxgerät des Berufungsgerichts eingegangen. Der Übersendungsvorgang, der in vier Teilen erfolgte, startete am 23. November 2009 um 23:38 Uhr; bis 23:59 Uhr waren 52 Seiten übermittelt; die letzten Seiten - einschließlich der Unterschrift des Bevollmächtigten - gingen am 24. November 2009 ab 0:17 Uhr bei dem Berufungsgericht ein.
- 3
- Hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat der Kläger am 22. Dezember 2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, sein instanzgerichtlicher Prozessbevollmächtigter habe am frühen Abend des 23. November 2009 mit dem Diktat des Schriftsatzes begonnen, für den ihm ein anwaltlicher Mitarbeiter zahlreiche Textbausteine zusammengestellt habe. Der Prozessbevollmächtigte sei davon ausgegangen, den Schriftsatz bis 20:00 Uhr in den Postkasten der FirmaJ. einwerfen zu können. Im Verlaufe des Abends sei es jedoch zu Verzögerungen gekommen. So sei seine Sekretärin gesundheitlich beeinträchtigt gewesen , eine wichtige Rückfrage bei seinem anwaltlichen Mitarbeiter habe - da dieser abredewidrig zunächst nicht erreichbar gewesen sei - nicht sogleich geklärt werden können und schließlich sei, nachdem die Seiten 1 bis 46 um 23:00 Uhr ausgedruckt gewesen seien, bemerkt worden, dass die Seiten 47 bis 80 zunächst aus technischen Gründen nicht hätten ausgedruckt werden können. Um 23:20 Uhr habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit der Faxübersendung des Schriftsatzes an das Gericht begonnen, die nach seiner Einschätzung unter normalen Umständen innerhalb von 30 bis 35 Minuten möglich gewesen wäre. Es sei jedoch bei der Übermittlung zu Schwierigkeiten gekommen, da das Faxgerät wiederholt abgebrochen und einen neuen Anwahlvorgang begonnen habe; daher sei es nicht möglich gewesen, alle 120 Seiten bis 24:00 Uhr an das Berufungsgericht zu senden. Den ursprünglichen Plan, den Schriftsatz mit seinem PKW zum Berufungsgericht zu bringen, habe der Prozessbevollmächtigte gegen 23:40 Uhr aufgegeben, da er befürchtet habe, es könne auf dem Weg, für den er um diese Zeit normalerweise zehn bis zwölf Minuten gebraucht hätte, wegen eines Sturmtiefs zu Verzögerungen kommen.
- 4
- Das Berufungsgericht hat die Berufung unter gleichzeitiger Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei nicht ohne Verschulden seines Prozessbevollmächtigten daran gehindert gewesen, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Die 120 Seiten starke Berufungsbegründung wäre auch unabhängig von den vom Kläger geschilderten technischen Problemen nicht vollständig innerhalb der Frist bei dem Berufungsgericht eingegangen, da der Übertragungsvorgang erst um 23:38 Uhr begonnen habe. Soweit der Kläger geltend gemacht habe, das Büro seines Prozessbevollmächtigten habe ab etwa 23:20 Uhr versucht , eine Kommunikationsverbindung zum Berufungsgericht herzustellen, entlaste ihn das nicht. Die Tatsache, dass das Empfangsgerät eines Gerichts belegt sei, stelle keine technische Störung dar. Angesichts des Umfangs der Berufungsbegründung von 120 Seiten, deren Übersendung nach dem eigenen Vorbringen des Prozessbevollmächtigten des Klägers rund 30 Minuten im Rahmen der Telefaxübertragung in Anspruch genommen hätte, sei ab 23:30 Uhr klar gewesen, dass eine rechtzeitige Übermittlung per Fax nicht mehr habe sichergestellt werden können. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hätte angesichts dessen eine persönliche Übermittlung des Schriftsatzes jedenfalls versuchen müssen, selbst wenn sich möglicherweise durch das angekündigte Sturmtief eine Verzögerung auf dem Weg ergeben hätte.
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- Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
II.
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- Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig.
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- 1. Soweit sie beantragt, dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, ist sie bereits deshalb unzulässig, weil sie insoweit keine Begründung enthält und darüber hinaus der Wiedereinsetzungsantrag - wie das Berufungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zu Recht ausgeführt hat - fristgerecht (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) gestellt wurde.
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- 2. Auch soweit sich die Rechtsbeschwerde dagegen wendet, dass das Berufungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen hat, ist sie unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. Senat, Beschluss vom 9. November 2004 - XI ZB 6/04, BGHZ 161, 86, 87 mwN), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nicht erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht weder auf der Verletzung von Verfahrensgrundrechten, namentlich des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs, noch verletzt sie den Anspruch des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip ; vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG, NJW 2003, 281). Die Auffassung des Berufungsgerichts, im Wiedereinsetzungsantrag sei nicht hinreichend dargetan , die Berufungsbegründungsfrist unverschuldet versäumt zu haben (§ 233 ZPO), überspannt unter den gegebenen Umständen und Verhältnissen nicht die an die Sorgfalt eines Rechtsanwalts zu stellenden Anforderungen.
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- a) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beginn der Faxübermittlung des 120 Seiten umfassenden Schriftsatzes um 23:38 Uhr sei angesichts der von dem instanzgerichtlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers selbst veranschlagten Übertragungszeit von 30 bis 35 Minuten zu spät erfolgt, ist rechtsfehlerfrei, so dass eine Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt einer einheitlichen Rechtsprechung von vornherein nicht in Betracht kommt. Zwar trifft der Einwand der Rechtsbeschwerde zu, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei der Erstellung und Übermittlung der Berufungsbegründung die ihm dafür eingeräumte Frist bis zur äußersten Grenze ausschöpfen durfte (vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2006 - XII ZB 84/06, NJW-RR 2006, 1648 Rn. 7; BFH, BFH/NV 2010, 919 Rn. 5). Ein Rechtsanwalt, der einen fristgebundenen Schriftsatz - wie hier - am letzten Tag der Frist einreichen will, muss aber sicherstellen, dass der Schriftsatz auf dem gewählten Übertragungsweg noch rechtzeitig vor Fristablauf bei Gericht eingeht (BGH, Beschluss vom 2. August 2006 - XII ZB 84/06, NJW-RR 2006, 1648 Rn. 7; BFH, BFH/NV 2010, 919 Rn. 5). Das zur Fristwahrung Gebotene hat der Anwalt bei der Übermittlung des Schriftsatzes per Fax daher nur getan, wenn er mit der Übermittlung so rechtzeitig begonnen hat, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Abschluss am Tage des Fristablaufs bis 24:00 Uhr hätte gerechnet werden können (BVerfG, NJW 2000, 574; NJW 2007, 2838; BGH, Beschlüsse vom 9. November 2004 - X ZA 5/04, FamRZ 2005, 266 f. und vom 20. Dezember 2007 - III ZB 73/07, JurBüro 2009, 168 Rn. 4). Das war hier - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und überzeugend ausgeführt hat - nicht der Fall. Ausweislich der Schilderung im Wiedereinsetzungsgesuch hat der instanzgerichtliche Prozessbevollmächtigte gegen 23:20 Uhr mit dem Versuch begonnen, die ersten 46 Seiten des insgesamt 120 Seiten umfassenden Schriftsatzes an das Gericht per Fax zu übermitteln. Die Übertragung begann aber nach der durch die Empfangszeile auf dem Telefax belegten und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts erst um 23:38 Uhr. Auch die Rechtsbeschwerde macht nicht geltend, dass angesichts der vom instanzgerichtlichen Prozessbevollmächtigten selbst veranschlagten voraussichtlichen Übertragungsdauer von 30 bis 35 Minuten der Beginn der Faxübertragung um 23:38 Uhr rechtzeitig war, um den Schriftsatz bis 24:00 Uhr vollständig zu senden.
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- Sie rügt lediglich, das Berufungsgericht habe gehörswidrig unberücksichtigt gelassen, dass der Faxanschluss des Gerichts zunächst nicht erreichbar gewesen sei und es Sache der Justiz sei, ausreichende Kapazitäten zu schaffen ; das Berufungsgericht habe insoweit auch unter Verstoß gegen das Willkürverbot unterstellt, dass es in den Stunden vor Mitternacht einen ungewöhnlichen Andrang an Faxübersendungen gebe. Auch hiermit sind zulässigkeitsrelevante Rechtsfehler nicht dargetan. Eine Partei muss vielmehr nach ständiger Rechtsprechung bei der Übermittlung ihrer Schriftsätze Verzögerungen einkalkulieren , mit denen üblicherweise zu rechnen ist, wozu - insbesondere auch in den Abend- und Nachtstunden - die Belegung des Telefaxempfangsgeräts bei Gericht durch andere eingehende Sendungen gehört (BVerfG, NJW 2000, 574; BFH, BFH/NV 2010, 919 Rn. 5). Die Belegung des gerichtseigenen Telefaxanschlusses durch andere eingehende Sendungen ist eine kurz vor Fristablauf allgemein zu beobachtende Erscheinung, die verschiedentlich Gegenstand der Rechtsprechung war und der der Anwalt im Hinblick auf die ihm obliegende Sorgfaltspflicht durch einen zeitlichen Sicherheitszuschlag Rechnung tragen muss (BVerfG, NJW 2000, 574 mwN und NJW 2007, 2838). Dass das Empfangsgerät eines Gerichts in den Abend- und Nachtstunden für eine Zeit von zwanzig Minuten belegt ist, ist - wie auch die Rechtsbeschwerde an anderer Stelle zutreffend sieht - daher kein ungewöhnliches Ereignis, mit dem der Ab- sender des Telefax nicht rechnen muss (BFH, BFH/NV 2010, 919 Rn. 5 mwN). Angesichts dieser Rechtsprechung war auch - anders als die Rechtsbeschwerde meint - kein Hinweis des Berufungsgerichts geboten, dass es seiner Entscheidung diese Grundsätze zugrunde legen wollte.
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- b) Erfolglos bleibt die Rechtsbeschwerde auch, soweit sie beanstandet, das Berufungsgericht hätte nicht allein auf die zu spät begonnene Faxübertragung abstellen dürfen, sondern hätte auch die nach dem Vortrag des Klägers zuvor aufgetretenen unvorhergesehenen Verzögerungen in seine Betrachtung einbeziehen müssen, die durch die Einschränkung der Leistungsfähigkeit einer Schreibkraft, durch eine notwendige Rückfrage bei dem abredewidrig zunächst nicht erreichbaren anwaltlichen Mitarbeiter sowie durch technische Probleme des Druckers aufgetreten seien. Dabei kann dahinstehen, ob die Rechtsbeschwerde insoweit überhaupt zulässigkeitsrelevante Gesichtspunkte aufzeigt; es kann auch offen bleiben, ob der instanzgerichtliche Prozessbevollmächtigte des Klägers - wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung rügt - den 120 Seiten umfassenden Schriftsatz, mit dessen Diktat er am frühen Abend begonnen hatte, möglicherweise insgesamt zu spät erstellt hat. Die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat - nämlich jedenfalls deshalb zu versagen, weil der instanzgerichtliche Bevollmächtigte des Klägers den erforderlichen und ihm auch zumutbaren Versuch , den Schriftsatz in den Nachtbriefkasten des Gerichts einzuwerfen, nicht unternommen hat.
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- Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat ein Anwalt , der eine Rechtsmittelbegründungsfrist bis zum letzten Tag ausschöpft, wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden , um die Einhaltung der Frist sicherzustellen; eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist infolgedessen ausgeschlossen, wenn von ihm nicht alle erforderlichen und zumutbaren Schritte unternommen wurden, die unter normalen Umständen zur Fristwahrung geführt hätten (Senatsbeschluss vom 9. Mai 2006 - XI ZB 45/04, NJW 2006, 2637 Rn. 8). Zum Schutz des Mandanten muss er hierbei den sichersten Weg wählen (Senatsbeschluss vom 9. Mai 2006 - XI ZB 45/04, NJW 2006, 2637 Rn. 12). Diesen Maßstäben ist der instanzgerichtliche Bevollmächtigte des Klägers nicht gerecht geworden, da er den ihm zumutbaren Versuch, den Berufungsbegründungsschriftsatz mit dem PKW zum Gericht zu bringen oder bringen zu lassen, nicht unternommen hat.
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- Ausweislich der Rechtsbeschwerdebegründung lag nach Behebung der Druckerprobleme gegen 23:40 Uhr ein ausgedrucktes Exemplar der vollständigen Berufungsbegründung vor. Zu diesem Zeitpunkt stand fest, dass die Zeit für die Übermittlung aller 120 Seiten des Schriftsatzes per Fax, die nach der Einschätzung des Anwalts mit etwa 30 bis 35 Minuten zu veranschlagen war, nicht ausreichen würde, den Schriftsatz rechtzeitig per Fax an das Gericht zu übermitteln. Die Übertragung der Seiten 1 bis 46 hatte nämlich erst um 23:38 Uhr begonnen, so dass für die Faxübertragung insgesamt nicht einmal 22 Minuten zur Verfügung standen. In dieser Situation hätte der instanzgerichtliche Anwalt des Klägers den Versuch unternehmen müssen, den Schriftsatz unmittelbar zum Nachtbriefkasten des Gerichts zu bringen oder bringen zu lassen, da allein auf diesem Weg eine rechtzeitige Übermittlung des Schriftsatzes - anders als per Fax - jedenfalls noch denkbar war. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hätte der Anwalt nach seinen eigenen Angaben um diese Zeit - von der Kanzleitür bis zum Gerichtsbriefkasten - lediglich zehn bis zwölf Minuten benötigt. Anders als die Rechtsbeschwerde geltend macht, war daher in der konkreten Situation um 23:40 Uhr die Fortsetzung der Faxversendung keinesfalls die "beste, schnellste und sicherste Möglichkeit von den weiteren Alternativen, den Schriftsatz noch fristgemäß beim Berufungsgericht einzureichen." Um 23:40 Uhr war vielmehr der sicherste - weil der einzig mögliche - Weg, den Schriftsatz in der gegebenen Situation noch rechtzeitig bei Gericht einreichen zu können, die unmittelbare Beförderung zum Gericht.
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- Anders als die Rechtsbeschwerde rügt, hat das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung, der Prozessbevollmächtigte des Klägers hätte den Versuch unternehmen müssen, die Berufungsbegründung persönlich zu übermitteln, auch nicht entscheidungserheblichen Vortrag des Klägers zu den Risiken einer solchen persönlichen Übermittlung des Schriftsatzes gehörswidrig übergangen. Das Berufungsgericht hat vielmehr rechtsfehlerfrei angenommen, dass auch das angekündigte Sturmtief, das mittlerweile eingesetzt hatte, einem Versuch, den Schriftsatz persönlich zu Gericht zu bringen, nicht entgegenstand. Dass aufgrund des schlechten Wetters die Übermittlung des Schriftsatzes mit dem PKW nicht zumutbar gewesen wäre, hat der Kläger in der Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags selbst nicht behauptet; die von ihm genannten Risiken betreffen allenfalls eine - aus der damaligen Sicht seines Anwalts - mögliche Verzögerung der Fahrt und ließen es aus seiner Sicht als unsicher erscheinen , mit dem Auto das Gericht noch rechtzeitig zu erreichen. Sie konnten mit Rücksicht darauf, dass die rechtzeitige Übersendung per Fax zu diesem Zeitpunkt bereits ausgeschlossen war, den gänzlichen Verzicht auf die Fahrt zum Gericht nicht rechtfertigen. Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers habe in der gegebenen Situation ein Beurteilungsspielraum zugestanden, den er nicht überschritten habe, übersieht sie, dass um 23:40 Uhr aus der eigenen Perspektive des Prozessbevollmächtigen des Klägers, der von einer Übermittlungsdauer per Fax von 30 bis 35 Minuten ausging, gerade keine reelle Chance mehr bestand, die Übersendung per Telefax rechtzeitig zu bewerkstelligen. In dieser Situation musste angesichts des unmittelbar drohenden Fristablaufs die persönliche Übermittlung des Schriftsatzes als die einzige noch verbleibende reelle Chance trotz des schlechten Wetters jedenfalls versucht werden. Soweit die Rechtsbeschwerde - erstmals - darauf verweist, der Prozessbevollmächtigte des Klägers sei wegen stressbedingter Belastung nicht mehr ausreichend fahrtüchtig gewesen, kann dahinstehen, ob dieses Vorbringen noch zu berücksichtigen ist. Es ist jedenfalls nicht erheblich, weil auch die Rechtsbeschwerde nicht geltend macht, dass eine Übermittlung durch die anwesende Kanzleimitarbeiterin, deren Wagen ausweislich der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs zum Transport des Schriftsatzes vor der Kanzlei bereit stand, nicht möglich war.
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- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, §101 Abs. 1 ZPO.
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 13.05.2009 - 4 O 440/08 -
KG Berlin, Entscheidung vom 07.04.2010 - 26 U 114/09 -