Landgericht Heidelberg Urteil, 24. März 2017 - 3 O 286/16
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Entscheidungsgründe
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
|
| |||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
|
| |||||
|
Gründe
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
|
| |||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
| ||||||
|
| |||||
|
Urteilsbesprechung zu Landgericht Heidelberg Urteil, 24. März 2017 - 3 O 286/16
Urteilsbesprechungen zu Landgericht Heidelberg Urteil, 24. März 2017 - 3 O 286/16
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Landgericht Heidelberg Urteil, 24. März 2017 - 3 O 286/16 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 19.08.2016 - 8 O 14/16 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 21. Januar 2015 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 177/14 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 871,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Januar 2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 77% und der Beklagten zu 23% auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die gegnerische Partei nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger, von Beruf Versicherungsmakler, schloss mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine fondsgebundene Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. April 2004 ab. Den Vertrag vermittelte er sich selbst; er erhielt dafür von der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Courtage in Höhe von 648,- €. Dem Kläger wurde im Juli 2009 ein Policendarlehen in Höhe von 1.331,43 € gewährt. Mit Anwaltsschreiben vom 3. August 2010 erklärte der Kläger u.a. den Widerspruch nach § 5a VVG a.F., hilfsweise die Kündigung. Die Beklagte erkannte die Kündigung zum 1. Dezember 2010 an und kehrte dem Kläger unter Berücksichtigung des gewährten Policendarlehens und unter Abzug eines Stornoabschlags von 176,37 € sowie abgeführter Kapitalertragssteuer und abgeführtem Solidaritätszuschlag einen Betrag von 925,38 € aus (Anlage K 3). Den Stornoabzug einschließlich Zinsen erstattete die Beklagte während des erstinstanzlichen Verfahrens.
4Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten in erster Linie die verzinsliche Rückerstattung der geleisteten Prämien abzüglich des Policendarlehens und des ausgekehrten Betrags.
5Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei noch im Jahr 2010 zum Widerspruch berechtigt gewesen; die Widerspruchsbelehrung habe nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei nicht europarechtskonform und deshalb nicht anzuwenden. Die Beklagte sei zudem wegen fehlerhafter Belehrung schadensersatzpflichtig.
6Hilfsweise hat der Kläger im Wege der Stufenklage Ansprüche auf einen weitergehenden Rückkaufswert verfolgt.
7Der Kläger hat nach übereinstimmenden Teilerledigungserklärungen bezüglich des nachregulierten Stornoabzugs und des Auskunftsanspruchs in erster Instanz zuletzt beantragt,
81. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.707,97 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
92. die Beklagte zu verurteilen, ihn von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 490,28 € gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten freizustellen;
10hilfsweise,
11die Beklagte zu verurteilen, die Richtigkeit der gemachten Angaben zur Höhe des hälftigen ungezillmerten Fondsvermögens / Mindestrückkaufswertes von 1.699,12 € zum streitgegenständlichen Versicherungsvertrag mit der Nummer XXX721XXX an Eides Statt zu versichern;
12die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen weitergehenden Rückkaufswert in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2010, jedenfalls aber den bei Kündigung zum 1. Dezember 2010 zu Unrecht einbehaltenen Stornoabschlag zum Vertrag mit der Nummer 311721124 in Höhe von 176,37 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2010 zu zahlen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, der Widerspruch sei verfristet; Schadensersatzansprüche bestünden nicht. Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben und sich auf Verwirkung berufen.
16Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. Januar 2015, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, zwar sei die Widerspruchsbelehrung formal und inhaltlich fehlerhaft; die Ausübung des Widerspruchsrechts im Jahr 2010 sei aber rechtsmissbräuchlich. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger als Versicherungsmakler, der sich den Vertrag selbst vermittelt habe, Kenntnis vom Widerspruchsrecht gehabt habe. Gleichwohl habe er die Widerspruchsfrist von 14 Tagen verstreichen lassen und über Jahre Prämien geleistet sowie ein Policendarlehen in Anspruch genommen. Damit habe er seinen Vertragsbindungswillen zum Ausdruck gebracht und bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrags geweckt. Mit diesem Verhalten setze er sich in Widerspruch, wenn er nunmehr geltend mache, ein Vertrag habe nie bestanden. Zu den Hilfsanträgen hat das Landgericht ausgeführt, es bestünden keine nachvollziehbaren Gründe für die Unrichtigkeit der von der Beklagten erteilten Auskunft; ein weiterer Zahlungsanspruch bestehe auch der Sache nach nicht, weil der Kläger mehr als den Mindestrückkaufswert erhalten habe.
17Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträge zu 1. und 2. in vollem Umfang weiterverfolgt, wobei er hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten (Antrag zu 2.) nunmehr wieder Zahlung statt Freistellung verlangt. Es sei irrelevant, dass er als Versicherungsmakler sein Recht zum Widerspruch gekannt habe; eine Belehrung habe kenntnisunabhängig zu erfolgen. Die Widerspruchsbelehrung sei fehlerhaft; § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei nicht anzuwenden. Auch das Policenmodell als solches sei europarechtswidrig.
18Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil. Selbst wenn der Kläger zum Widerspruch berechtigt sein sollte, stünde ihm aus ungerechtfertigter Bereicherung jedenfalls kein Anspruch in der geltend gemachten Höhe zu; hierzu wird auf die Berechnungen im Schriftsatz vom 10. April 2015 (GA 207) und im Schriftsatz vom 15. April 2015 (GA 209) Bezug genommen.
19Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
20II.
21Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg.
22Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der von ihm auf den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag geleisteten Prämien unter Abzug des Risikoanteils sowie der an ihn gezahlten Abschlusscourtage und auf die von der Beklagten gezogenen Nutzungen. In Abzug zu bringen sind das gewährte Policendarlehen, der ausgekehrte Rückkaufswert und der nachregulierte Stornoabzug nebst Zinsen.
231.
24Der Kläger konnte dem Vertragsschluss noch mit Schreiben vom 3. August 2010 widersprechen.
25Die Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist nicht wirksam in Gang gesetzt worden. Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. beginnt der Lauf der hier maßgebenden Frist von 14 Tagen erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 (Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen nach § 10a VAG) vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
26Vorliegend ist die Widerspruchsbelehrung im Versicherungsschein vom 8. März 2004 (Anlage K 1; GA 22) enthalten; sie lautet:
27„Widerspruchsbelehrung
28Der Versicherungsnehmer hat das Recht, dem Versicherungsvertrag bis zum Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der übrigen Verbraucherinformationen zu widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Widerspruchserklärung an die B Lebensversicherung AG.“
29Die Belehrung ist deswegen inhaltlich fehlerhaft, weil der zwingend notwendige Hinweis darauf, dass der Widerspruch in Textform zu erheben ist, fehlt (vgl. BGH, VersR 2004, 497; zuletzt BGH, Urt. v. 19. November 2014 – IV ZR 329/14 -). Dieser Hinweis war nicht deshalb entbehrlich, weil in Satz 2 der Belehrung von der „Absendung“ des Widerspruchs die Rede ist. Damit wird dem Versicherungsnehmer nicht klar vor Augen geführt, dass nur ein in Textform verfasster Widerspruch wirksam ist. Satz 2 bezieht sich lediglich auf den Fall, dass der Versicherungsnehmer den Widerspruch in dokumentierter Form erklären will, und erläutert nur, dass in diesem Fall die rechtzeitige Absendung zur Fristwahrung reicht. Dass ein mündlicher Widerspruch ausgeschlossen ist und in jedem Fall die Textform gewahrt werden muss, ergibt sich aus der Belehrung nicht.
302.
31Der Kläger war noch im Jahr 2010 zum Widerspruch berechtigt. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., der vorsah, dass das Recht zum Widerspruch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt, ist auf Lebens- und Rentenversicherungsverträge nicht anwendbar. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 - (VersR 2014, 817) im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Dezember 2013 - C-209/12 - (VersR 2014, 225) entschieden. Der Senat folgt dieser Entscheidung. Er hat zwar bislang die Auffassung vertreten, eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung, die dazu führt, § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. im Bereich der Lebensversicherung nicht anzuwenden, sei nicht möglich. Der Senat hält die jetzt vom Bundesgerichtshof vorgenommene Beurteilung allerdings für - auch verfassungsrechtlich - vertretbar, so dass keine durchgreifenden Bedenken bestehen, nunmehr auf der Grundlage des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 2014 zu entscheiden.
32Das Widerspruchsrecht ist nicht verwirkt. Mit der Ausübung des Widerspruchs im Jahr 2010 hat der Kläger auch nicht gegen Treu und Glauben verstoßen. Soweit das Landgericht darauf abgehoben hat, alleine die langjährige Vertragsdurchführung mit der Inanspruchnahme eines Policendarlehens lasse das Verhalten des Klägers als treuwidrig erscheinen, reichen diese Umstände nicht aus, um eine Verwirkung des Widerspruchsrechts anzunehmen. Dem steht entgegen, dass die Beklagte es versäumt hat, den Kläger ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht zu belehren, und deshalb als nicht schutzwürdig erscheint (vgl. BGH, aaO, Rz. 38-40). Daran ändert auch nichts, dass der Kläger sich vorliegend den Versicherungsvertrag als Versicherungsmakler selbst vermittelt hat. Allerdings hat das OLG Stuttgart (RuS 2015, 123) die Auffassung vertreten, ein Versicherungsvertreter, der ständig mit der Vermittlung von Lebens- und Rentenversicherungen für die dortige Beklagte betraut war und daher das Recht zum Widerspruch bei Abschluss des selbst vermittelten Versicherungsvertrages kenne, handele widersprüchlich, wenn er sich nach jahrelanger Vertragsdurchführung auf Mängel der Widerspruchsbelehrung berufe und von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch mache. Dem folgt der Senat jedenfalls in dem hier zu entscheidenden Fall, in dem der Kläger als Versicherungsmakler gehandelt hat, nicht. Der Kläger hat bei seiner Anhörung angegeben, ihm sei zwar bei Vertragsabschluss grundsätzlich bekannt gewesen, dass es ein Widerspruchsrecht von 14 Tagen gebe; bei den Schulungen, an denen er teilgenommen habe, sei aber das Vertragswerk nicht angesprochen worden. Er könne deshalb nicht mehr genau sagen, ob er damals gewusst habe, wann die Frist von 14 Tagen beginne. Diese Angaben erscheinen nicht von vornherein unglaubhaft. Kann danach aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger konkrete Kenntnis insbesondere vom Formerfordernis des Widerspruchs (Textform) hatte, kann ihm nicht entgegengehalten werden, er sei als Versicherungsmakler in Bezug auf die allen Versicherungsnehmern gleichermaßen geschuldete ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung weniger schutzwürdig. Entgegenhalten lässt sich auch nicht, dass der Kläger – wie er selbst bekundet hat – damals an einen Widerspruch überhaupt nicht gedacht hat, weil er den Vertrag für „o.k.“ befunden hat. Dass ein Versicherungsnehmer einem Lebensversicherungsvertrag auch nach Jahren noch widersprechen kann, wenn er über sein Widerspruchsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt worden ist, ist schlicht die Folge des Umstandes, dass bei fehlerhafter Belehrung die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden ist, was der Versicherer zu verantworten hat. Darauf, ob der Versicherungsnehmer dem Vertrag bei ordnungsgemäßer Belehrung fristgerecht widersprochen hätte, kommt es nicht an.
333.
34Der Kläger kann somit dem Grunde nach die gezahlten Prämien, die unstreitig 4.416,17 € betragen, aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) zurückverlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat.
35Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB allerdings nicht uneingeschränkt alle Prämien, die der Kläger an die Beklagte entrichtet hat, ohne hierzu durch wirksame Versicherungsverträge verpflichtet zu sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (aaO) darf im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden. In Rechnung zu stellen ist insbesondere, dass der Versicherungsnehmer während der Dauer der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen hat; diesen muss er sich im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung als erlangten Vermögensvorteil anrechnen lassen. Bei Lebensversicherungen kann, so der Bundesgerichtshof, etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (aaO). Dieser ist von der Beklagten im Schriftsatz vom 15. April 2015 mit 475,98 € € angegeben worden (GA 209); dem ist der Kläger nicht entgegengetreten.
36Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt allerdings eine Anrechnung desjenigen Prämienanteils, der auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfallen ist, grundsätzlich nicht in Betracht. Ein Versicherer kann insoweit in aller Regel nicht den Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB erheben (zur näheren Begründung s. etwa Senat, RuS 2015, 121). Das Risiko, dass er bei fehlerhafter Widerspruchsbelehrung und deshalb auch nach Jahren noch möglichem Widerspruch seine Vertragskosten unnötig aufgewandt hat, muss in aller Regel beim Versicherer bleiben.
37Das gilt allerdings in Bezug auf die vorliegend unstreitig an den Kläger gezahlte Abschlusscourtage in Höhe von 648,- € nicht, denn jedenfalls insoweit verhält sich der Kläger widersprüchlich, wenn er sich einerseits auf die Unwirksamkeit des Vertrags nach ausgeübtem Widerspruch beruft, andererseits aber die von ihm für die Vermittlung des letztlich nicht wirksam zustande gekommenen Vertrags vereinnahmte Courtage behalten will.
38Demgemäß ist die Abschlusscourtage in Abzug zu bringen. Einen Abzug von Verwaltungskosten macht die Beklagte vorliegend nicht geltend.
394.
40Nutzungen stehen dem Kläger nur in Höhe von 123,36 € zu.
41Der Anspruch aus § 818 Abs. 1 BGB beschränkt sich auf die Erstattung tatsächlich gezogener Nutzungen (BGH, Beschl. v. 30. Juli 2012 – IV ZR 134/11 – m.w.N.). Hierfür ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Grundsätzlich bedarf es hierzu eines entsprechenden Tatsachenvortrags des Versicherungsnehmers (BGH, aaO). Erstinstanzlich hat der Kläger unter Verweis auf die als Anlage K5 eingereichte Berechnung Zinsen mit einem Zinssatz von 7% geltend gemacht und sich zudem auf einen Bericht des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft über die Geschäftsentwicklung der deutschen Lebensversicherer 2013 bezogen, wonach diese „in den letzten Jahren“ eine Nettoverzinsung von durchschnittlich 5% erzielt hätten (GA 12). Einem solchen Ansatz, mit dem auf einen vermuteten Gewinn abgestellt wird, ist bei der hier streitgegenständlichen fondsgebundenen Lebensversicherung nicht zu folgen.
42Von vornherein fehlt einer solchen Vermutung die Basis für denjenigen Prämienanteil, der auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfällt. Dieser Teil der Prämie wird bestimmungsgemäß nicht zur Kapitalanlage verwendet, so dass auch nicht vermutet werden kann, die Beklagte habe insoweit aus den eingezahlten Beiträgen Nutzungen gezogen.
43Eine solche Vermutung gilt bei fondsgebundenen Lebensversicherungen auch nicht in Bezug auf den Sparanteil der Prämie, denn dieser wird vereinbarungsgemäß in Fondsanteilen angelegt; dem Versicherungsnehmer steht als eine tatsächlich gezogene Nutzung im Sinne von § 818 Abs. 1 BGB nur der mit der Anlage des Sparanteils erzielte Gewinn zu. Diesen hat die Beklagte vorliegend mit 123,36 € angegeben und damit ihrer sekundären Darlegungslast genügt. Dem ist der Kläger auch mit Schriftsatz vom 17. April 2015 nur mit pauschalem, nicht konkret fallbezogenen Vortrag entgegengetreten.
445.
45Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich folgende Berechnung:
464.416,17 € (Beiträge) - 475,98 € (Risikoanteil) - 648,- € (Abschlusscourtage) + 123,36 € (Nutzungen) - 1.331,43 € (Policendarlehen) - 1.004,24 € (Rückkaufswert vor Steuern: 2.512,04 € - 176,37 € - 1.331,43 €) – 208,80 € (nachregulierter Stornoabschlag zuzügl. Zinsen) = 871,08 €.
47Dieser Betrag ist ab dem Tag nach der Zustellung des Mahnbescheides (hier am 2. Januar 2014; § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB), mithin ab dem 3. Januar 2014 mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen.
486.
49Die in erster Instanz erhobene Einrede der Verjährung hat die Beklagte im Berufungsrechtszug nicht wiederholt. Verjährung ist auch nicht eingetreten (vgl. hierzu BGH, WM 2015, 865).
507.
51Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich angefallener Anwaltskosten zu. Einen Anspruch aus Verzug macht er ersichtlich nicht geltend; er leitet den Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen unrichtiger Widerspruchsbelehrung her (GA 17). Darauf kommt der Kläger allerdings in der Berufung nicht mehr zurück. Im Übrigen wäre ein Anspruch auf Schadensersatz wegen unzureichender Widerspruchsbelehrung auch nicht schlüssig dargelegt. Der Bundesgerichtshof hat im Anwendungsbereich des HWiG – vorgegeben durch 2 Vorabentscheidungen des EuGH (NJW 2005, 3551 und 3555) – allerdings entschieden, dass die nach diesem Gesetz verlangte Widerrufsbelehrung eine echte Rechtspflicht darstellt, deren Verletzung bei Verschulden zu einem Schadensersatzanspruch führen kann (BGHZ 169, 109, 120; BGH, VersR 2008, 1544). Ob diese Rechtsprechung, die auf den Besonderheiten des HWiG und den insoweit maßgebenden europarechtlichen Vorgaben beruht, unbesehen auf andere Widerrufs-/ oder Widerspruchsrechte übertragen werden kann (so offenbar Ebers in: Schwintowski/ Brömmelmeyer, VVG, 2. Aufl., § 8, Rn. 52), erscheint fraglich. Das kann hier aber dahingestellt bleiben. Selbst wenn man auch im Anwendungsbereich des § 5a VVG a.F. eine Rechtspflicht zur Belehrung über das Widerspruchsrecht annehmen wollte, kann daraus nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Schadensersatzanspruch nur dann hergeleitet werden, wenn die Schadensursächlichkeit des Belehrungsverstoßes feststeht. Dazu aber fehlt jeder Vortrag des Klägers. Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens gilt insoweit nicht (so ausdrücklich BGHZ 169, 109 ff., Tz. 43). Dass der Kläger sich bei ordnungsgemäßer Belehrung zu einem fristgerechten Widerspruch entschlossen hätte, liegt auch eher fern, denn augenscheinlich wollte er sich vertraglich binden und hat den Vertrag dann auch mehr als 6 Jahre lang durchgeführt.
528.
53Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Bei den Kosten für die erste Instanz ist zu Lasten des Klägers berücksichtigt worden, dass er – von der Berufung nicht angegriffen – in Bezug auf den erledigten Teil die Kosten zu tragen hat und zudem mit den Hilfsanträgen insgesamt unterlegen ist.
54Der Senat lässt die Revision zu, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Wie die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrags, dem wirksam widersprochen worden ist, erfolgt, ist bislang in den Einzelheiten nicht geklärt. Soweit die Klage abgewiesen worden ist, stellen sich keine Grundsatzfragen, so dass kein Anlass zu einer Revisionszulassung besteht. Dass der Senat vorliegend ausnahmsweise die Abschlusskosten von den geleisteten Prämien in Abzug gebracht hat, beruht auf einer einzelfallbedingten Besonderheit.
55Berufungsstreitwert: 3.707,97 €
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 19.08.2016 - 8 O 14/16 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
BUNDESGERICHTSHOF
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 13. Januar 2016
beschlossen:
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 11.589,42 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) war gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen , weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 11. November 2015 auf die beabsichtigte Zurückweisung hingewiesen. Auf die dortigen Gründe wird ergänzend Bezug genommen.
- 2
- Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 28. Dezember 2015 gibt keine Veranlassung, von der Zurückweisung der Revision abzusehen.
- 3
- Der Einwand, das Berufungsgericht, sei schon nach Maßstäben des Europarechts gehindert gewesen, Verwirkung anzunehmen, greift nicht durch. Die Maßstäbe für die Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt (siehe im Einzelnen Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 41 f.; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 43 ff.). Die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens steht hier in Einklang mit dieser Rechtsprechung.
- 4
- Die Frage, ob verbraucherschützende Widerspruchsrechte durch nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürften , berührt zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. Der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung steht dies aber nicht entgegen, weil die Ausübung dieser Rechte in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und die nationalen Gerichte ein missbräuchliches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union berücksichtigen dürfen (BVerfG aaO Rn. 44 m.w.N.).
- 5
- Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeinträchtigt auch angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht. Die Erwägungen der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung der Versicherungsnehmer über ihr Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen , werden auch hier nicht berührt. Ob d. VN bei Wiederin- kraftsetzung des Versicherungsvertrages im Jahr 2000 ordnungsgemäß über das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. belehrt wurde, ist nicht entscheidungserheblich. Abgesehen davon, dass d. VN aufgrund der ihm 1996 erteilten Informationen Kenntnis vom Vertragsinhalt hatte, knüpft seine Treuwidrigkeit - anders als in dem der Senatsentscheidung vom 16. Juli 2014 zugrunde liegenden Fall - nicht an die jahrelange Prämienzahlung nach ordnungsgemäßer Belehrung an. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass d. VN durch sein Verhalten im Zusammenhang mit der Wiederinkraftsetzung des Vertrages den Eindruck erweckt hat, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 06.02.2014- 25 O 16184/13 -
OLG München, Entscheidung vom 09.12.2014- 25 U 1381/14 -
BUNDESGERICHTSHOF
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 22. März 2016
beschlossen:
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 9.000 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) war gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen , weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 27. Januar 2016 auf die beabsichtigte Zurückweisung hingewiesen. Auf die dortigen Gründe wird ergänzend Bezug genommen. Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 11. März2016 gibt keine Veranlassung, von der Zurückweisung der Revision abzusehen.
- 2
- Entgegen dessen Auffassung greift hier der Einwand nicht, dass schon nach Maßstäben des Europarechts das Berufungsgericht gehindert gewesen sei, Verwirkung anzunehmen. Die Maßstäbe für die Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt (siehe im Einzelnen Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 41 f.; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 43 ff.). Die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens steht hier im Einklang mit dieser Rechtsprechung.
- 3
- Die Frage, ob verbraucherschützende Widerspruchsrechte durch nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürfen, berührt zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. Der Anwendung von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung steht dies aber nicht entgegen, weil die Ausübung dieser Rechte in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und die nationalen Gerichte ein missbräuchliches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union berücksichtigen dürfen (BVerfG aaO Rn. 44 m.w.N.).
- 4
- Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeinträchtigt auch angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht. Die Erwägungen der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung der Versicherungsnehmer über ihr Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen , werden hier nicht berührt. Ob d. VN ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt wurde, ist hier ausnahmsweise nicht entscheidungserheblich. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass d. VN durch sein Verhalten im Zusammenhang mit dem zweimaligen Einsatz des Versicherungsvertrages zur Sicherung eines Kredits bei dem Versicherer den Eindruck erweckt hat, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 25.06.2013- 10 O 458/12 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 14.01.2015- 11 U 112/13 -
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 19.08.2016 - 8 O 14/16 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 2. April 2014 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 474/13 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger schloss mit der Beklagten eine kapitalbildende Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. Februar 1992 ab. Mit Schreiben vom 17. September 2008 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er wegen seiner Scheidung die Beiträge in Höhe von 131,94 € nicht mehr zahlen könne. Die Parteien einigten sich daraufhin auf eine Beitragssenkung auf 25,- € ab dem 1. November 2008. Der Kläger kündigte die Versicherung mit Schreiben vom 4. Dezember 2011. Die Beklagte erkannte die Kündigung mit Wirkung zum 1. Februar 2012 an und zahlte einen Betrag von 16.855,62 € an den Kläger. Mit Anwaltsschreiben vom 11. Juli 2013 erklärte der Kläger den „Widerspruch des Versicherungsvertrages gemäß § 8 VVG a.F.“.
4Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die verzinsliche Rückerstattung der geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Betrags.
5Der Kläger hat den Erhalt einer Widerrufsbelehrung mit Nichtwissen bestritten. Jedenfalls fehle es an einer ordnungsgemäßen Belehrung, so dass das Widerrufsrecht fortbestehe. Ein Widerruf sei auch noch nach einer Kündigung möglich; zudem sei die Kündigung in einen Widerruf umzudeuten. Verwirkung liege nicht vor. Die fehlerhafte Belehrung führe schließlich auch zu einem Schadensersatzanspruch.
6Der Kläger hat beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen,
8-
9
1. an ihn einen Betrag in Höhe von 35.656,72 € zu bezahlen zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
-
10
2. ihm außergerichtliche Rechtsverfolgungskostgen in Höhe von 1.229,27 € zu bezahlen zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
-
11
3. ihn von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.155,97 € freizustellen, die die Rechtsanwaltskanzlei F & L, Tstraße 19, C, ihm gegenüber hat, die aufgrund der außergerichtlichen Rechtsanwaltstätigkeit in Bezug auf die streitgegenständlichen Forderungen entstanden sind.
Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, nach der Kündigung sei ein Widerruf nicht mehr möglich. Der Kläger habe eindeutig eine Kündigung ausgesprochen, die nicht in einen Widerruf ausgelegt werden könne.
15Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 2. April 2014, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen
16Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass er auch noch nach Vertragsabwicklung infolge Kündigung zum Widerruf berechtigt ist. Die Kündigung sei in einen Widerruf umzudeuten. Jedenfalls sei die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet.
17Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil.
18Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
19II.
20Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
21Der Kläger hat keinen Anspruch auf verzinsliche Erstattung der von ihm auf den Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Rückkaufswerts. Der Kläger war nicht berechtigt, dem 1992 geschlossenen Vertrag gemäß § 8 Abs. 4 VVG in der bis 28. Juli 1994 gültigen Fassung noch im Jahr 2013 zu widersprechen. Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. stand dem Kläger als Versicherungsnehmer das Recht zu, die auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung binnen 10 Tagen ab Unterzeichnung des Versicherungsantrags schriftlich zu widerrufen. Diese Frist hat der Kläger nicht gewahrt. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beginnt die Widerrufsfrist allerdings erst mit einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung. (BGH, VersR 2013, 1513). Ob die hier vorliegende Belehrung, die sich ohne besondere drucktechnische Hervorhebung unter Ziff. 2 der Schlusserklärung zum Versicherungsantrag befindet (GA 30), ausreicht, bedarf keiner Entscheidung.
22Es kommt auch nicht darauf an, ob bei fortbestehendem Widerrufsrecht dessen Ausübung jedenfalls deshalb ausscheidet, weil der Widerruf erst nach vollständiger Leistungserbringung infolge der Kündigung erklärt worden ist (s. dazu aber die Hinweise in der Verfügung vom 21. Juli 2014) oder ob die Kündigung, wie der Kläger meint, in einen Widerruf auszulegen oder umzudeuten wäre.
23Das Widerrufsrecht bzw. etwaige aus einer fehlerhaften Belehrung folgende Ansprüche (s. dazu im Einzelnen das Senatsurteil vom 3. Februar 2012 - 20 U 140/11 -, in juris dokumentiert, Rz. 27) sind verwirkt.
24Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es über einen längeren Zeitraum hindurch nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich hierauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, weil er nach dem Verhalten des Berechtigten annehmen konnte, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. etwa BGHZ 84, 280, 281; BGH, NJW 2008, 2254; Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 242, Rn. 87). Sinn und Zweck des zeitlich befristeten Widerrufsrechts nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. war es, dem Versicherungsnehmer eine Überlegungsfrist einzuräumen und es ihm zu ermöglichen, sich von einem ggf. übereilt getroffenen Entschluss, sich vertraglich gegenüber einem Versicherer zu binden, ohne Angabe von Gründen wieder lösen zu können. Im Ansatz zutreffend mag sein, dass einer Verwirkung die wegen fehlender oder unzutreffender Belehrung mangelnde Kenntnis vom Widerrufsrecht entgegenstehen kann (vgl. BGH, VersR 2014, 817). Dies aber ist nur ein Element im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände. Entscheidend ist der Zweck des Widerrufsrechts, dem Versicherungsnehmer, der sich möglicherweise voreilig zu einem Vertragsabschluss entschieden hat, eine rechtliche Handhabe zu geben, um den Vertrag nicht fortsetzen zu müssen. Dieser Zweck verblasst im Laufe der Zeit und tritt dann in den Hintergrund, wenn der Versicherungsnehmer den abgeschlossenen Vertrag über viele Jahre hinweg fortführt und so zu erkennen gibt, dass er am Vertrag festhalten will. Vorliegend hat der Kläger seinen dahingehenden Willen nicht nur durch die laufenden Beitragszahlungen, sondern vor allem dadurch in besonderer Weise bestätigt, dass er 2008 um eine Beitragsreduzierung gebeten hat, die ihm von der Beklagten auch gewährt worden ist. Dadurch hat er seinen Vertragsbindungswillen deutlich dokumentiert. Bei dieser Sachlage hält der Senat unter Einbeziehung des Umstandes, dass der Vertrag fast 20 Jahre lang durchgeführt worden ist, ein Widerrufsrecht für verwirkt. Der Frage, ob Verwirkung anzunehmen ist, kommt auch keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu, denn es sind stets die Umstände des Einzelfalls maßgebend. Dass auch ein einem Verbraucher eingeräumtes Widerrufsrecht unter besonderen Umständen als verwirkt angesehen werden kann, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW-RR 2005, 180, Rz. 23/24; vgl. zu allem auch die Senatsbeschlüsse vom 27. Januar 2014 und vom 9. April 2014 in der Sache 20 U 192/13).
25Indem der Kläger nach Vertragsbeginn über mehr als 19 Jahre die vereinbarten Prämien gezahlt und zudem 2008 um eine Beitragsreduzierung nachgesucht hat, hat er der Beklagten klar zu erkennen gegeben, dass er am Vertrag festhalten will; hierauf konnte und durfte die Beklagte sich einrichten. Unter diesen Umständen hat der Kläger ein etwa seit 1992 noch fortbestehendes Widerrufsrecht sowie etwaige aus einer fehlerhaften Belehrung über dieses Recht folgende Schadensersatzansprüche verwirkt.
26Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
27Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
28Berufungsstreitwert: 35.656,72 €
(1) Kündigt der Versicherer das Versicherungsverhältnis, wandelt sich mit der Kündigung die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung um. Auf die Umwandlung ist § 165 anzuwenden.
(2) Im Fall des § 38 Abs. 2 ist der Versicherer zu der Leistung verpflichtet, die er erbringen müsste, wenn sich mit dem Eintritt des Versicherungsfalles die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt hätte.
(3) Bei der Bestimmung einer Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 hat der Versicherer auf die eintretende Umwandlung der Versicherung hinzuweisen.
(4) Bei einer Lebensversicherung, die vom Arbeitgeber zugunsten seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgeschlossen worden ist, hat der Versicherer die versicherte Person über die Bestimmung der Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 und die eintretende Umwandlung der Versicherung in Textform zu informieren und ihnen eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Monaten einzuräumen.
Von § 152 Abs. 1 und 2 und den §§ 153 bis 155, 157, 158, 161 und 163 bis 170 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers, der versicherten Person oder des Eintrittsberechtigten abgewichen werden. Für das Verlangen des Versicherungsnehmers auf Umwandlung nach § 165 und für seine Kündigung nach § 168 kann die Schrift- oder die Textform vereinbart werden.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 19.08.2016 - 8 O 14/16 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 2. April 2014 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 474/13 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger schloss mit der Beklagten eine kapitalbildende Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. Februar 1992 ab. Mit Schreiben vom 17. September 2008 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er wegen seiner Scheidung die Beiträge in Höhe von 131,94 € nicht mehr zahlen könne. Die Parteien einigten sich daraufhin auf eine Beitragssenkung auf 25,- € ab dem 1. November 2008. Der Kläger kündigte die Versicherung mit Schreiben vom 4. Dezember 2011. Die Beklagte erkannte die Kündigung mit Wirkung zum 1. Februar 2012 an und zahlte einen Betrag von 16.855,62 € an den Kläger. Mit Anwaltsschreiben vom 11. Juli 2013 erklärte der Kläger den „Widerspruch des Versicherungsvertrages gemäß § 8 VVG a.F.“.
4Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die verzinsliche Rückerstattung der geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Betrags.
5Der Kläger hat den Erhalt einer Widerrufsbelehrung mit Nichtwissen bestritten. Jedenfalls fehle es an einer ordnungsgemäßen Belehrung, so dass das Widerrufsrecht fortbestehe. Ein Widerruf sei auch noch nach einer Kündigung möglich; zudem sei die Kündigung in einen Widerruf umzudeuten. Verwirkung liege nicht vor. Die fehlerhafte Belehrung führe schließlich auch zu einem Schadensersatzanspruch.
6Der Kläger hat beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen,
8-
9
1. an ihn einen Betrag in Höhe von 35.656,72 € zu bezahlen zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
-
10
2. ihm außergerichtliche Rechtsverfolgungskostgen in Höhe von 1.229,27 € zu bezahlen zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
-
11
3. ihn von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.155,97 € freizustellen, die die Rechtsanwaltskanzlei F & L, Tstraße 19, C, ihm gegenüber hat, die aufgrund der außergerichtlichen Rechtsanwaltstätigkeit in Bezug auf die streitgegenständlichen Forderungen entstanden sind.
Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, nach der Kündigung sei ein Widerruf nicht mehr möglich. Der Kläger habe eindeutig eine Kündigung ausgesprochen, die nicht in einen Widerruf ausgelegt werden könne.
15Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 2. April 2014, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen
16Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass er auch noch nach Vertragsabwicklung infolge Kündigung zum Widerruf berechtigt ist. Die Kündigung sei in einen Widerruf umzudeuten. Jedenfalls sei die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet.
17Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil.
18Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
19II.
20Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
21Der Kläger hat keinen Anspruch auf verzinsliche Erstattung der von ihm auf den Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Rückkaufswerts. Der Kläger war nicht berechtigt, dem 1992 geschlossenen Vertrag gemäß § 8 Abs. 4 VVG in der bis 28. Juli 1994 gültigen Fassung noch im Jahr 2013 zu widersprechen. Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. stand dem Kläger als Versicherungsnehmer das Recht zu, die auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung binnen 10 Tagen ab Unterzeichnung des Versicherungsantrags schriftlich zu widerrufen. Diese Frist hat der Kläger nicht gewahrt. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beginnt die Widerrufsfrist allerdings erst mit einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung. (BGH, VersR 2013, 1513). Ob die hier vorliegende Belehrung, die sich ohne besondere drucktechnische Hervorhebung unter Ziff. 2 der Schlusserklärung zum Versicherungsantrag befindet (GA 30), ausreicht, bedarf keiner Entscheidung.
22Es kommt auch nicht darauf an, ob bei fortbestehendem Widerrufsrecht dessen Ausübung jedenfalls deshalb ausscheidet, weil der Widerruf erst nach vollständiger Leistungserbringung infolge der Kündigung erklärt worden ist (s. dazu aber die Hinweise in der Verfügung vom 21. Juli 2014) oder ob die Kündigung, wie der Kläger meint, in einen Widerruf auszulegen oder umzudeuten wäre.
23Das Widerrufsrecht bzw. etwaige aus einer fehlerhaften Belehrung folgende Ansprüche (s. dazu im Einzelnen das Senatsurteil vom 3. Februar 2012 - 20 U 140/11 -, in juris dokumentiert, Rz. 27) sind verwirkt.
24Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es über einen längeren Zeitraum hindurch nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich hierauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, weil er nach dem Verhalten des Berechtigten annehmen konnte, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. etwa BGHZ 84, 280, 281; BGH, NJW 2008, 2254; Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 242, Rn. 87). Sinn und Zweck des zeitlich befristeten Widerrufsrechts nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. war es, dem Versicherungsnehmer eine Überlegungsfrist einzuräumen und es ihm zu ermöglichen, sich von einem ggf. übereilt getroffenen Entschluss, sich vertraglich gegenüber einem Versicherer zu binden, ohne Angabe von Gründen wieder lösen zu können. Im Ansatz zutreffend mag sein, dass einer Verwirkung die wegen fehlender oder unzutreffender Belehrung mangelnde Kenntnis vom Widerrufsrecht entgegenstehen kann (vgl. BGH, VersR 2014, 817). Dies aber ist nur ein Element im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände. Entscheidend ist der Zweck des Widerrufsrechts, dem Versicherungsnehmer, der sich möglicherweise voreilig zu einem Vertragsabschluss entschieden hat, eine rechtliche Handhabe zu geben, um den Vertrag nicht fortsetzen zu müssen. Dieser Zweck verblasst im Laufe der Zeit und tritt dann in den Hintergrund, wenn der Versicherungsnehmer den abgeschlossenen Vertrag über viele Jahre hinweg fortführt und so zu erkennen gibt, dass er am Vertrag festhalten will. Vorliegend hat der Kläger seinen dahingehenden Willen nicht nur durch die laufenden Beitragszahlungen, sondern vor allem dadurch in besonderer Weise bestätigt, dass er 2008 um eine Beitragsreduzierung gebeten hat, die ihm von der Beklagten auch gewährt worden ist. Dadurch hat er seinen Vertragsbindungswillen deutlich dokumentiert. Bei dieser Sachlage hält der Senat unter Einbeziehung des Umstandes, dass der Vertrag fast 20 Jahre lang durchgeführt worden ist, ein Widerrufsrecht für verwirkt. Der Frage, ob Verwirkung anzunehmen ist, kommt auch keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu, denn es sind stets die Umstände des Einzelfalls maßgebend. Dass auch ein einem Verbraucher eingeräumtes Widerrufsrecht unter besonderen Umständen als verwirkt angesehen werden kann, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW-RR 2005, 180, Rz. 23/24; vgl. zu allem auch die Senatsbeschlüsse vom 27. Januar 2014 und vom 9. April 2014 in der Sache 20 U 192/13).
25Indem der Kläger nach Vertragsbeginn über mehr als 19 Jahre die vereinbarten Prämien gezahlt und zudem 2008 um eine Beitragsreduzierung nachgesucht hat, hat er der Beklagten klar zu erkennen gegeben, dass er am Vertrag festhalten will; hierauf konnte und durfte die Beklagte sich einrichten. Unter diesen Umständen hat der Kläger ein etwa seit 1992 noch fortbestehendes Widerrufsrecht sowie etwaige aus einer fehlerhaften Belehrung über dieses Recht folgende Schadensersatzansprüche verwirkt.
26Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
27Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
28Berufungsstreitwert: 35.656,72 €
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung ) unter Berücksichtigung des Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung) dahin auszulegen, dass er einer Regelung - wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (Drittes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG) - entgegensteht, nach der ein Rücktrittsoder Widerspruchsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, selbst wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt oder Widerspruch belehrt worden ist?
Gründe:
- 1
- I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen.
- 2
- Er beantragte bei der Beklagten den Abschluss eines Rentenversicherungsvertrages mit Vertragsbeginn zum 1. Dezember 1998. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhielt er erst mit dem Versicherungsschein. Über sein Widerspruchsrecht nach § 5a des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 wurde der Kläger nicht ausreichend belehrt.
- 3
- Diese inzwischen außer Kraft getretene Vorschrift hatte folgenden Wortlaut: "(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen , wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterla- gen schriftlich widerspricht. … (2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht , den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Der Nachweis über den Zugang der Unterlagen obliegt dem Versicherer. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Abweichend von Satz 1 erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie."
- 4
- Von Dezember 1998 bis Dezember 2002 zahlte der Kläger Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 51.129,15 €. Nachdem er den Vertrag am 1. Juni 2007 gekündigt hatte, kehrte ihm die Beklagte im September 2007 einen Rückkaufswert von 52.705,94 € aus. Mit Schreiben vom 31. März 2008 erklärte der Kläger den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. gegenüber der Beklagten und forderte sie zur Rückzahlung aller Beiträge nebst Zinsen auf.
- 5
- Der Kläger meint, der Rentenversicherungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen die oben genannten Richtlinien verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe er den Widerspruch erklären können.
- 6
- Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger unter Verrechnung des Rückkaufswerts weitere 22.272,56 € von der Beklagten verlangt , abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.
- 7
- II. Unter Aussetzung des Verfahrens ist gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Die Entscheidung über die Revision des Klägers hängt von der - weder offenkundigen noch bereits geklärten - Beantwortung der vorgelegten Frage ab.
- 8
- Die Revision des Klägers hat nur Erfolg, wenn er ungeachtet der Bestimmung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. noch zu einem Widerspruch berechtigt war, nachdem mehr als ein Jahr seit Zahlung der ersten Prämie verstrichen war. Insofern kommt es darauf an, ob Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 (Zweite Richtlinie Lebensversicherung) unter Berücksichtigung des Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 (Dritte Richtlinie Lebensversicherung) dahin auszulegen ist, dass er einer zeitlichen Beschränkung des Widerspruchsrechtsentgegensteht.
- 9
- 1. Nach nationalem deutschem Recht hat der Kläger keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Rückzahlung der Prämien , weil er durch den im März 2008 erklärten Widerspruch das Zustandekommen des Versicherungsvertrages nicht mehr verhindern konnte.
- 10
- a) Da die Beklagte dem Kläger bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte, konnte ein wirksamer Vertrag nur nach Maßgabe des § 5a VVG a.F. zustande kommen. Diese Vorschrift regelte den Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell. Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Der Versicherer nahm dieses dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch diese Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr "galt" er erst dann als abgeschlossen , wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassen der Unterlagen widersprach (§ 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.). Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (vgl. dazu nur Senatsurteil vom 24. November 2010 - IV 252/08, VersR 2011, 337 Rn. 22 m.w.N.; a.A. Rehberg, Der Versicherungsabschluss als Informationsproblem, Versicherungswissenschaftliche Studien Bd. 23 S. 110 f.; Renger, VersR 1994, 753, 758; Dörner /Hoffmann, NJW 1996, 153, 155 ff.; Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung 17. Aufl. § 5a VVG Rn. 8, 23 ff.; LG Essen VersR 1997, 993,
994).
- 11
- Die 14-tägige Frist wurde gegenüber dem Kläger nicht in Lauf gesetzt. Nach den für den Bundesgerichtshof bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte die Beklagte auch im Zuge der Annahme des Antrags und Übersendung des Versicherungsscheins den Kläger nicht in drucktechnisch deutlicher Form i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht.
- 12
- b) Für diesen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., dass das Widerspruchsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das hatte zur Folge, dass der zunächst schwebend unwirksame Vertrag mit Wegfall des Widerspruchsrechts rückwirkend auf den Zeitpunkt der Vertragsannahme durch den Versicherer Wirksamkeit erlangte. Das nationale deutsche Recht ermöglichte auf diese Weise das Zustandekommen eines wirksamen Lebensversicherungsvertrages, selbst wenn dem Versicherungsnehmer vor dessen Wirksamwerden die erforderliche Verbraucherinformation, die auch die Belehrung über das Recht zum Widerspruch einschließt (vgl. Anlage D zum VAG Abschnitt I Nr. 1 Buchst. g), nicht zugegangen war.
- 13
- Nachdem der Kläger die erste von ihm geschuldete Prämie im Dezember 1998 gezahlt hatte, war gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sein Recht zum Widerspruch bereits erloschen, als er diesen im Dezember 2007 erklärte.
- 14
- 2. Der Senats hält eine Auslegung für möglich, dass Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG einer einschränkenden Regelung wie in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. entgegensteht.
- 15
- a) Ob mit den europarechtlichen Vorgaben die Annahme der Wirksamkeit eines Versicherungsvertrages vereinbar ist, wenn der Versicherungsnehmer keine ausreichende Belehrung über das Recht zum Widerspruch erhalten hat, wird in der nationalen Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt.
- 16
- aa) Eine Auffassung verneint dies (BK/Schwintowski, VVG § 5a Rn. 5; Berg, VuR 1999, 335, 342; Döhmer, ZfS 1997, 281, 282 f.; Dörner in Brömmelmeyer u.a., Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Private Krankenversicherung und Gesundheitsreform - Schwachstellen der VVGReform , Versicherungswissenschaftliche Studien Bd. 34 S. 135, 145; Ebers in Micklitz, Verbraucherrecht in Deutschland - Stand und Perspektiven S. 253, 260 ff.; Lenzing in Basedow/Fock, Europäisches Versicherungsvertragsrecht I 2002 S. 139, 165; Rehberg aaO S. 112 ff., 116 f.; Schwintowski, VuR 1996, 223, 238 f.).
- 17
- bb) Demgegenüber sehen andere - unter anderem die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung und das Berufungsgericht - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. im Einklang mit europarechtlichen Vorgaben. Die Regelung schütze nicht zuletzt das Vertrauen von Versicherungsnehmern, die mit den Prämienzahlungen begonnen hätten, in das Bestehen ihres Versicherungsschutzes (vgl. OLG Frankfurt VersR 2005, 631, 633; OLG Düsseldorf VersR 2001, 837, 839; Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 5a Rn. 8 m.w.N.; Dörner/Hoffmann aaO 156; Lorenz, VersR 1995, 616, 625 f.; ders. VersR 1997, 773, 782; Reiff VersR 1997, 267, 271 f.; Wandt, Verbraucherinformation und Vertragsschluss nach neuem Recht, Münsteraner Reihe Heft 24 S. 33).
- 18
- b) Zum Zustandekommen des Versicherungsvertrages und zu den Folgen einer unterbliebenen Belehrung des Versicherungsnehmers über die ihm zustehenden Rechte zur Lösung vom Vertrag enthalten die Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG selbst allerdings keine Vorgaben.
- 19
- aa) Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG, die nach ihrem Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Nr. 1 Buchst. A der Richtlinie 79/267/EWG des Rates vom 5. März 1979 auf den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag Anwendung findet, bestimmt insofern lediglich, dass dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrages "mindestens die in Anhang II Buchstabe A aufgeführten Angaben mitzuteilen" sind. Daraus folgt nur, dass der künftige Versicherungsnehmer nach Anhang II - Buchst. A, rechte Spalte, a.13 zur Richtlinie 92/96/EWG unter anderem über die "Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittrechts" zu belehren ist (vgl. auch Anlage D zum VAG Abschnitt I Nr. 1 Buchst. g "Belehrung über das Recht zum Widerruf oder zum Rücktritt").
- 20
- bb) Das Recht zum Widerspruch oder Rücktritt selbst ist in der Richtlinie 92/96/EWG nicht geregelt. Jedoch wird ein Rücktrittsrecht des Versicherungsnehmers innerhalb einer Frist zwischen 14 und 30 Tagen nach Abschluss des Vertrages in Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der vorangegangenen Richtlinie 90/619/EWG festgeschrieben, die ihrerseits nach Art. 1 Buchst. a die Richtlinie 79/267/EWG ergänzt und daher ebenfalls auf den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag Anwendung findet. Allerdings setzt das dortige Rücktrittsrecht einen bereits geschlossenen Versicherungsvertrag voraus. Bei § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. geht es aber um die vorgelagerte Frage, unter welchen Voraussetzungen von einem Vertragsschluss ausgegangen werden kann. Zudem sind nach Art. 15 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie 90/619/EWG die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts nach dem auf den Versicherungsvertrag anzuwendenden nationalen Recht zu beurteilen, "insbesondere was die Modalitäten betrifft, nach denen der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, dass der Vertrag geschlossen ist".
- 21
- cc) Die Richtlinie 92/96/EWG trifft auch keine Aussage dazu, wie die Nichterfüllung von Informationspflichten zivilrechtlich zu sanktionieren ist oder ob sie gar das Zustandekommen eines Vertrages verhindern kann. Es findet sich weder eine Regelung dazu, ob und in welchem Umfang dem Versicherungsnehmer ein Widerspruchs- oder Rücktrittsrecht bei fehlender Information oder unzureichender Belehrung zukommen soll, noch wird den Mitgliedstaaten - im Gegensatz zu Art. 4 der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen - aufgegeben, dafür Sorge zu tragen, dass ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften geeignete Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers vorsehen, wenn eine vorgesehene Belehrung nicht erfolgt.
- 22
- dd) Die Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG, denen kein auf das materielle Versicherungsvertragsrecht bezogenes Harmonisierungsziel zugrunde liegt (vgl. nur Erwägungsgrund 19 der Richtlinie 92/96/EWG), überlassen insofern die Regelung des Vertragsschlusses und der Folgen einer unterbliebenen Belehrung dem nationalen Gesetzgeber (so z.B. auch Lorenz, VersR 1995 aaO; Präve, ZfV 1994, 374, 380; Rehberg aaO S. 109 f.; Reiff aaO). Der deutsche Gesetzgeber hat die Bestimmung des § 5a VVG a.F. - auch diejenige in Abs. 2 Satz 4 - zur Umsetzung der genannten Richtlinien eingefügt (vgl. BTDrucks. 12/7595; Lorenz VersR 1997 aaO; Renger VersR 1994, 753,
754).
- 23
- c) Nach Auffassung des Senats könnten aber Sinn und Zweck der Informationspflicht in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG sowie die wirksame Gewährleistung des Rücktrittsrechts nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG eine Auslegung rechtfertigen, dass ein Vertrag nicht ohne Information und Belehrung des Versicherungsnehmers zustande kommen darf und das in § 5a VVG a.F. vorgesehene Widerspruchsrecht zeitlich unbegrenzt bleiben muss.
- 24
- Dafür könnten insbesondere die Feststellungen des Europäischen Gerichtshofes im Urteil vom 13. Dezember 2001 (Rs. C-481/99, Heininger , NJW 2002, 281 Rn. 45 ff.) sprechen. Danach müssen Überlegungen zur Rechtssicherheit zurücktreten, soweit sie eine Einschränkung der Rechte implizieren, die dem Verbraucher mit der Richtlinie ausdrücklich verliehen worden sind, um ihn vor den Gefahren zu schützen, die mit einer besonderen Situation bei Abschluss des Vertrages einhergehen. Dieser Schutz ist ein wesentliches Anliegen der Richtlinie 92/96/EWG. Nach deren Erwägungsgründen 20 und 23 soll sich der Versicherungsnehmer vollständig informiert über ein bestimmtes Produkt für den Vertragsschluss entscheiden können (vgl. Lorenz, VersR 1995 aaO 625; Wandt aaO S. 32). Hierzu sind auch Angaben zu den "Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittrechts" erforderlich (Anhang II der Richtlinie 92/96/EWG - Buchst. A, rechte Spalte, a.13).
- 25
- 3. Sollte die zeitliche Beschränkung des Widerspruchsrechts in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht mit Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619/EWG und Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG vereinbar sein, hätte dem Kläger noch im Dezember 2007 die Möglichkeit offen gestanden , dem Zustandekommen des Versicherungsvertrages zu widerspre- chen. Infolgedessen wäre kein Rechtsgrund für die Leistung der Prämien gegeben und der mit der Klage geltend gemachte Rückzahlungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB entstanden.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 13.07.2010- 22 O 587/09 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 31.03.2011 - 7 U 147/10 -
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 19.08.2016 - 8 O 14/16 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
BUNDESGERICHTSHOF
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 13. Juli 2016
beschlossen:
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 871,08 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten (Versicherer) war gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 23. März 2016 auf die beabsichtigte Zurückweisung hingewiesen. Auf die dortigen Gründe wird ergänzend Bezug genommen. Der Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 10. Mai 2016 gibt keine Veranlassung, von der Zurückweisung der Revision abzusehen.
- 2
- 1. Entgegen der Auffassung der Revision ist ein Widerspruchsrecht d. VN nicht selbst dann ausgeschlossen, wenn man die Widerspruchsbelehrung - wegen fehlenden Hinweises auf die erforderliche Textform - als fehlerhaft ansieht. Dies folgt nicht, wie die Revision meint, aus § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. Diese Vorschrift bestimmte zwar, dass das W iderspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse - abweichend vom Wortlaut - richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens - und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. VN - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.
- 3
- Etwas anderes gilt hier entgegen der Ansicht der Revision nicht deshalb, weil bei Abschluss des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages bereits die Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen in Kraft getreten war, durch welche die Zweite und die Dritte Richtlinie Lebensversicherung, die in dem Verfahren IV ZR 76/11 noch maßgeblich waren, ersetzt wurden. Ob gemäß Art. 35 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2002/83/EG gegenüber einem gewerblichen Versicherungsmakler , der sich selbst einen Vertrag vermittelt hat, ein Lösungsrecht ausgeschlossen werden kann, weil er "aufgrund seines Status" des besonderen Schutzes nicht bedarf, braucht hier nicht entschieden zu werden. Dies kommt allenfalls dann in Betracht, wenn ein solcher Versicherungsmakler über die Einzelheiten des Widerspruchsrechts genau informiert war. Wie im Hinweisbeschluss (Rn. 19 f.) ausgeführt, musste das Berufungsgericht nicht als unstreitig zugrunde legen, dass d. VN die Modalitäten der Ausübung des Widerspruchsrechts bei Abschluss des Versicherungsvertrages bekannt waren. Das Berufungsgericht konnte aufgrund der Anhörung d. VN insbesondere nicht feststellen, dass er bei Vertragsschluss wusste, wann die Widerspruchsfrist begann.
- 4
- 2. Die Geltendmachung des Widerspruchsrechts ist auch nicht, wie im Hinweisbeschluss (Rn. 23 ff.) dargelegt, allein aufgrund des Zeitablaufs verwirkt, weil das erforderliche Umstandsmoment nicht erfüllt ist. Auch insoweit genügt es entgegen der Ansicht der Revision nicht, dass es sich bei d. VN um einen gewerbsmäßigen Versicherungsmakler handelte. Der Versicherer verweist ohne Erfolg darauf, er habe im Gegenzug für die Provisionszahlungen erwarten dürfen, dass die Versicherungsinteressenten (auch) durch d. VN als Makler ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht aufgeklärt würden. Dabei verkennt er, dass er - und nicht der Versicherungsmakler - für die ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung verantwortlich war. Dies gilt auch dann, wenn sich - wiehier - ein Versicherungsmakler selbst eine Versicherung vermittelte und nicht wusste, wann die Widerspruchsfrist begann. Das Wissensdefizit hinsichtlich der Voraussetzungen des Fristbeginns konnte nicht, wie die Revision meint, durch die übrigen Angaben in der Widerspruchsbelehrung ausgeglichen werden, zumal d. VN nicht auf die nötige Textform des Wider- spruchs hingewiesen worden war. Dass d. VN das Formerfordernis kannte , ist, wie im Hinweisbeschluss ausgeführt, nicht festgestellt worden. Mit Blick darauf musste das Berufungsgericht auch die Inanspruchnahme des Policendarlehens nicht als vertrauensbegründenden Umstand werten. Dafür reicht es nicht, wie die Revision einwendet, dass tatrichterlich nicht festgestellt ist, dass d. VN im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Darlehens keine Kenntnis von seinem Widerspruchsrecht hatte. Eine solche Kenntnis hätte d. VN mit der Widerspruchsbelehrung und nicht irgendwann später auf anderem Weg vermittelt werden müssen.
- 5
- Aus den genannten Erwägungen kann d. VN auch keine widersprüchliche und deshalb treuwidrige Rechtsausübung angelastet werden.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 21.01.2015- 26 O 177/14 -
OLG Köln, Entscheidung vom 12.06.2015 - 20 U 25/15 -
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 21. Januar 2015 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 177/14 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 871,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Januar 2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 77% und der Beklagten zu 23% auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die gegnerische Partei nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger, von Beruf Versicherungsmakler, schloss mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine fondsgebundene Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. April 2004 ab. Den Vertrag vermittelte er sich selbst; er erhielt dafür von der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Courtage in Höhe von 648,- €. Dem Kläger wurde im Juli 2009 ein Policendarlehen in Höhe von 1.331,43 € gewährt. Mit Anwaltsschreiben vom 3. August 2010 erklärte der Kläger u.a. den Widerspruch nach § 5a VVG a.F., hilfsweise die Kündigung. Die Beklagte erkannte die Kündigung zum 1. Dezember 2010 an und kehrte dem Kläger unter Berücksichtigung des gewährten Policendarlehens und unter Abzug eines Stornoabschlags von 176,37 € sowie abgeführter Kapitalertragssteuer und abgeführtem Solidaritätszuschlag einen Betrag von 925,38 € aus (Anlage K 3). Den Stornoabzug einschließlich Zinsen erstattete die Beklagte während des erstinstanzlichen Verfahrens.
4Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten in erster Linie die verzinsliche Rückerstattung der geleisteten Prämien abzüglich des Policendarlehens und des ausgekehrten Betrags.
5Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei noch im Jahr 2010 zum Widerspruch berechtigt gewesen; die Widerspruchsbelehrung habe nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei nicht europarechtskonform und deshalb nicht anzuwenden. Die Beklagte sei zudem wegen fehlerhafter Belehrung schadensersatzpflichtig.
6Hilfsweise hat der Kläger im Wege der Stufenklage Ansprüche auf einen weitergehenden Rückkaufswert verfolgt.
7Der Kläger hat nach übereinstimmenden Teilerledigungserklärungen bezüglich des nachregulierten Stornoabzugs und des Auskunftsanspruchs in erster Instanz zuletzt beantragt,
81. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.707,97 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
92. die Beklagte zu verurteilen, ihn von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 490,28 € gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten freizustellen;
10hilfsweise,
11die Beklagte zu verurteilen, die Richtigkeit der gemachten Angaben zur Höhe des hälftigen ungezillmerten Fondsvermögens / Mindestrückkaufswertes von 1.699,12 € zum streitgegenständlichen Versicherungsvertrag mit der Nummer XXX721XXX an Eides Statt zu versichern;
12die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen weitergehenden Rückkaufswert in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2010, jedenfalls aber den bei Kündigung zum 1. Dezember 2010 zu Unrecht einbehaltenen Stornoabschlag zum Vertrag mit der Nummer 311721124 in Höhe von 176,37 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2010 zu zahlen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, der Widerspruch sei verfristet; Schadensersatzansprüche bestünden nicht. Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben und sich auf Verwirkung berufen.
16Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. Januar 2015, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, zwar sei die Widerspruchsbelehrung formal und inhaltlich fehlerhaft; die Ausübung des Widerspruchsrechts im Jahr 2010 sei aber rechtsmissbräuchlich. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger als Versicherungsmakler, der sich den Vertrag selbst vermittelt habe, Kenntnis vom Widerspruchsrecht gehabt habe. Gleichwohl habe er die Widerspruchsfrist von 14 Tagen verstreichen lassen und über Jahre Prämien geleistet sowie ein Policendarlehen in Anspruch genommen. Damit habe er seinen Vertragsbindungswillen zum Ausdruck gebracht und bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrags geweckt. Mit diesem Verhalten setze er sich in Widerspruch, wenn er nunmehr geltend mache, ein Vertrag habe nie bestanden. Zu den Hilfsanträgen hat das Landgericht ausgeführt, es bestünden keine nachvollziehbaren Gründe für die Unrichtigkeit der von der Beklagten erteilten Auskunft; ein weiterer Zahlungsanspruch bestehe auch der Sache nach nicht, weil der Kläger mehr als den Mindestrückkaufswert erhalten habe.
17Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträge zu 1. und 2. in vollem Umfang weiterverfolgt, wobei er hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten (Antrag zu 2.) nunmehr wieder Zahlung statt Freistellung verlangt. Es sei irrelevant, dass er als Versicherungsmakler sein Recht zum Widerspruch gekannt habe; eine Belehrung habe kenntnisunabhängig zu erfolgen. Die Widerspruchsbelehrung sei fehlerhaft; § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei nicht anzuwenden. Auch das Policenmodell als solches sei europarechtswidrig.
18Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil. Selbst wenn der Kläger zum Widerspruch berechtigt sein sollte, stünde ihm aus ungerechtfertigter Bereicherung jedenfalls kein Anspruch in der geltend gemachten Höhe zu; hierzu wird auf die Berechnungen im Schriftsatz vom 10. April 2015 (GA 207) und im Schriftsatz vom 15. April 2015 (GA 209) Bezug genommen.
19Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
20II.
21Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg.
22Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der von ihm auf den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag geleisteten Prämien unter Abzug des Risikoanteils sowie der an ihn gezahlten Abschlusscourtage und auf die von der Beklagten gezogenen Nutzungen. In Abzug zu bringen sind das gewährte Policendarlehen, der ausgekehrte Rückkaufswert und der nachregulierte Stornoabzug nebst Zinsen.
231.
24Der Kläger konnte dem Vertragsschluss noch mit Schreiben vom 3. August 2010 widersprechen.
25Die Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist nicht wirksam in Gang gesetzt worden. Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. beginnt der Lauf der hier maßgebenden Frist von 14 Tagen erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 (Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen nach § 10a VAG) vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
26Vorliegend ist die Widerspruchsbelehrung im Versicherungsschein vom 8. März 2004 (Anlage K 1; GA 22) enthalten; sie lautet:
27„Widerspruchsbelehrung
28Der Versicherungsnehmer hat das Recht, dem Versicherungsvertrag bis zum Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der übrigen Verbraucherinformationen zu widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Widerspruchserklärung an die B Lebensversicherung AG.“
29Die Belehrung ist deswegen inhaltlich fehlerhaft, weil der zwingend notwendige Hinweis darauf, dass der Widerspruch in Textform zu erheben ist, fehlt (vgl. BGH, VersR 2004, 497; zuletzt BGH, Urt. v. 19. November 2014 – IV ZR 329/14 -). Dieser Hinweis war nicht deshalb entbehrlich, weil in Satz 2 der Belehrung von der „Absendung“ des Widerspruchs die Rede ist. Damit wird dem Versicherungsnehmer nicht klar vor Augen geführt, dass nur ein in Textform verfasster Widerspruch wirksam ist. Satz 2 bezieht sich lediglich auf den Fall, dass der Versicherungsnehmer den Widerspruch in dokumentierter Form erklären will, und erläutert nur, dass in diesem Fall die rechtzeitige Absendung zur Fristwahrung reicht. Dass ein mündlicher Widerspruch ausgeschlossen ist und in jedem Fall die Textform gewahrt werden muss, ergibt sich aus der Belehrung nicht.
302.
31Der Kläger war noch im Jahr 2010 zum Widerspruch berechtigt. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., der vorsah, dass das Recht zum Widerspruch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt, ist auf Lebens- und Rentenversicherungsverträge nicht anwendbar. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 - (VersR 2014, 817) im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Dezember 2013 - C-209/12 - (VersR 2014, 225) entschieden. Der Senat folgt dieser Entscheidung. Er hat zwar bislang die Auffassung vertreten, eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung, die dazu führt, § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. im Bereich der Lebensversicherung nicht anzuwenden, sei nicht möglich. Der Senat hält die jetzt vom Bundesgerichtshof vorgenommene Beurteilung allerdings für - auch verfassungsrechtlich - vertretbar, so dass keine durchgreifenden Bedenken bestehen, nunmehr auf der Grundlage des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 2014 zu entscheiden.
32Das Widerspruchsrecht ist nicht verwirkt. Mit der Ausübung des Widerspruchs im Jahr 2010 hat der Kläger auch nicht gegen Treu und Glauben verstoßen. Soweit das Landgericht darauf abgehoben hat, alleine die langjährige Vertragsdurchführung mit der Inanspruchnahme eines Policendarlehens lasse das Verhalten des Klägers als treuwidrig erscheinen, reichen diese Umstände nicht aus, um eine Verwirkung des Widerspruchsrechts anzunehmen. Dem steht entgegen, dass die Beklagte es versäumt hat, den Kläger ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht zu belehren, und deshalb als nicht schutzwürdig erscheint (vgl. BGH, aaO, Rz. 38-40). Daran ändert auch nichts, dass der Kläger sich vorliegend den Versicherungsvertrag als Versicherungsmakler selbst vermittelt hat. Allerdings hat das OLG Stuttgart (RuS 2015, 123) die Auffassung vertreten, ein Versicherungsvertreter, der ständig mit der Vermittlung von Lebens- und Rentenversicherungen für die dortige Beklagte betraut war und daher das Recht zum Widerspruch bei Abschluss des selbst vermittelten Versicherungsvertrages kenne, handele widersprüchlich, wenn er sich nach jahrelanger Vertragsdurchführung auf Mängel der Widerspruchsbelehrung berufe und von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch mache. Dem folgt der Senat jedenfalls in dem hier zu entscheidenden Fall, in dem der Kläger als Versicherungsmakler gehandelt hat, nicht. Der Kläger hat bei seiner Anhörung angegeben, ihm sei zwar bei Vertragsabschluss grundsätzlich bekannt gewesen, dass es ein Widerspruchsrecht von 14 Tagen gebe; bei den Schulungen, an denen er teilgenommen habe, sei aber das Vertragswerk nicht angesprochen worden. Er könne deshalb nicht mehr genau sagen, ob er damals gewusst habe, wann die Frist von 14 Tagen beginne. Diese Angaben erscheinen nicht von vornherein unglaubhaft. Kann danach aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger konkrete Kenntnis insbesondere vom Formerfordernis des Widerspruchs (Textform) hatte, kann ihm nicht entgegengehalten werden, er sei als Versicherungsmakler in Bezug auf die allen Versicherungsnehmern gleichermaßen geschuldete ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung weniger schutzwürdig. Entgegenhalten lässt sich auch nicht, dass der Kläger – wie er selbst bekundet hat – damals an einen Widerspruch überhaupt nicht gedacht hat, weil er den Vertrag für „o.k.“ befunden hat. Dass ein Versicherungsnehmer einem Lebensversicherungsvertrag auch nach Jahren noch widersprechen kann, wenn er über sein Widerspruchsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt worden ist, ist schlicht die Folge des Umstandes, dass bei fehlerhafter Belehrung die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden ist, was der Versicherer zu verantworten hat. Darauf, ob der Versicherungsnehmer dem Vertrag bei ordnungsgemäßer Belehrung fristgerecht widersprochen hätte, kommt es nicht an.
333.
34Der Kläger kann somit dem Grunde nach die gezahlten Prämien, die unstreitig 4.416,17 € betragen, aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) zurückverlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat.
35Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB allerdings nicht uneingeschränkt alle Prämien, die der Kläger an die Beklagte entrichtet hat, ohne hierzu durch wirksame Versicherungsverträge verpflichtet zu sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (aaO) darf im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden. In Rechnung zu stellen ist insbesondere, dass der Versicherungsnehmer während der Dauer der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen hat; diesen muss er sich im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung als erlangten Vermögensvorteil anrechnen lassen. Bei Lebensversicherungen kann, so der Bundesgerichtshof, etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (aaO). Dieser ist von der Beklagten im Schriftsatz vom 15. April 2015 mit 475,98 € € angegeben worden (GA 209); dem ist der Kläger nicht entgegengetreten.
36Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt allerdings eine Anrechnung desjenigen Prämienanteils, der auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfallen ist, grundsätzlich nicht in Betracht. Ein Versicherer kann insoweit in aller Regel nicht den Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB erheben (zur näheren Begründung s. etwa Senat, RuS 2015, 121). Das Risiko, dass er bei fehlerhafter Widerspruchsbelehrung und deshalb auch nach Jahren noch möglichem Widerspruch seine Vertragskosten unnötig aufgewandt hat, muss in aller Regel beim Versicherer bleiben.
37Das gilt allerdings in Bezug auf die vorliegend unstreitig an den Kläger gezahlte Abschlusscourtage in Höhe von 648,- € nicht, denn jedenfalls insoweit verhält sich der Kläger widersprüchlich, wenn er sich einerseits auf die Unwirksamkeit des Vertrags nach ausgeübtem Widerspruch beruft, andererseits aber die von ihm für die Vermittlung des letztlich nicht wirksam zustande gekommenen Vertrags vereinnahmte Courtage behalten will.
38Demgemäß ist die Abschlusscourtage in Abzug zu bringen. Einen Abzug von Verwaltungskosten macht die Beklagte vorliegend nicht geltend.
394.
40Nutzungen stehen dem Kläger nur in Höhe von 123,36 € zu.
41Der Anspruch aus § 818 Abs. 1 BGB beschränkt sich auf die Erstattung tatsächlich gezogener Nutzungen (BGH, Beschl. v. 30. Juli 2012 – IV ZR 134/11 – m.w.N.). Hierfür ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Grundsätzlich bedarf es hierzu eines entsprechenden Tatsachenvortrags des Versicherungsnehmers (BGH, aaO). Erstinstanzlich hat der Kläger unter Verweis auf die als Anlage K5 eingereichte Berechnung Zinsen mit einem Zinssatz von 7% geltend gemacht und sich zudem auf einen Bericht des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft über die Geschäftsentwicklung der deutschen Lebensversicherer 2013 bezogen, wonach diese „in den letzten Jahren“ eine Nettoverzinsung von durchschnittlich 5% erzielt hätten (GA 12). Einem solchen Ansatz, mit dem auf einen vermuteten Gewinn abgestellt wird, ist bei der hier streitgegenständlichen fondsgebundenen Lebensversicherung nicht zu folgen.
42Von vornherein fehlt einer solchen Vermutung die Basis für denjenigen Prämienanteil, der auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfällt. Dieser Teil der Prämie wird bestimmungsgemäß nicht zur Kapitalanlage verwendet, so dass auch nicht vermutet werden kann, die Beklagte habe insoweit aus den eingezahlten Beiträgen Nutzungen gezogen.
43Eine solche Vermutung gilt bei fondsgebundenen Lebensversicherungen auch nicht in Bezug auf den Sparanteil der Prämie, denn dieser wird vereinbarungsgemäß in Fondsanteilen angelegt; dem Versicherungsnehmer steht als eine tatsächlich gezogene Nutzung im Sinne von § 818 Abs. 1 BGB nur der mit der Anlage des Sparanteils erzielte Gewinn zu. Diesen hat die Beklagte vorliegend mit 123,36 € angegeben und damit ihrer sekundären Darlegungslast genügt. Dem ist der Kläger auch mit Schriftsatz vom 17. April 2015 nur mit pauschalem, nicht konkret fallbezogenen Vortrag entgegengetreten.
445.
45Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich folgende Berechnung:
464.416,17 € (Beiträge) - 475,98 € (Risikoanteil) - 648,- € (Abschlusscourtage) + 123,36 € (Nutzungen) - 1.331,43 € (Policendarlehen) - 1.004,24 € (Rückkaufswert vor Steuern: 2.512,04 € - 176,37 € - 1.331,43 €) – 208,80 € (nachregulierter Stornoabschlag zuzügl. Zinsen) = 871,08 €.
47Dieser Betrag ist ab dem Tag nach der Zustellung des Mahnbescheides (hier am 2. Januar 2014; § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB), mithin ab dem 3. Januar 2014 mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen.
486.
49Die in erster Instanz erhobene Einrede der Verjährung hat die Beklagte im Berufungsrechtszug nicht wiederholt. Verjährung ist auch nicht eingetreten (vgl. hierzu BGH, WM 2015, 865).
507.
51Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich angefallener Anwaltskosten zu. Einen Anspruch aus Verzug macht er ersichtlich nicht geltend; er leitet den Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen unrichtiger Widerspruchsbelehrung her (GA 17). Darauf kommt der Kläger allerdings in der Berufung nicht mehr zurück. Im Übrigen wäre ein Anspruch auf Schadensersatz wegen unzureichender Widerspruchsbelehrung auch nicht schlüssig dargelegt. Der Bundesgerichtshof hat im Anwendungsbereich des HWiG – vorgegeben durch 2 Vorabentscheidungen des EuGH (NJW 2005, 3551 und 3555) – allerdings entschieden, dass die nach diesem Gesetz verlangte Widerrufsbelehrung eine echte Rechtspflicht darstellt, deren Verletzung bei Verschulden zu einem Schadensersatzanspruch führen kann (BGHZ 169, 109, 120; BGH, VersR 2008, 1544). Ob diese Rechtsprechung, die auf den Besonderheiten des HWiG und den insoweit maßgebenden europarechtlichen Vorgaben beruht, unbesehen auf andere Widerrufs-/ oder Widerspruchsrechte übertragen werden kann (so offenbar Ebers in: Schwintowski/ Brömmelmeyer, VVG, 2. Aufl., § 8, Rn. 52), erscheint fraglich. Das kann hier aber dahingestellt bleiben. Selbst wenn man auch im Anwendungsbereich des § 5a VVG a.F. eine Rechtspflicht zur Belehrung über das Widerspruchsrecht annehmen wollte, kann daraus nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Schadensersatzanspruch nur dann hergeleitet werden, wenn die Schadensursächlichkeit des Belehrungsverstoßes feststeht. Dazu aber fehlt jeder Vortrag des Klägers. Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens gilt insoweit nicht (so ausdrücklich BGHZ 169, 109 ff., Tz. 43). Dass der Kläger sich bei ordnungsgemäßer Belehrung zu einem fristgerechten Widerspruch entschlossen hätte, liegt auch eher fern, denn augenscheinlich wollte er sich vertraglich binden und hat den Vertrag dann auch mehr als 6 Jahre lang durchgeführt.
528.
53Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Bei den Kosten für die erste Instanz ist zu Lasten des Klägers berücksichtigt worden, dass er – von der Berufung nicht angegriffen – in Bezug auf den erledigten Teil die Kosten zu tragen hat und zudem mit den Hilfsanträgen insgesamt unterlegen ist.
54Der Senat lässt die Revision zu, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Wie die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrags, dem wirksam widersprochen worden ist, erfolgt, ist bislang in den Einzelheiten nicht geklärt. Soweit die Klage abgewiesen worden ist, stellen sich keine Grundsatzfragen, so dass kein Anlass zu einer Revisionszulassung besteht. Dass der Senat vorliegend ausnahmsweise die Abschlusskosten von den geleisteten Prämien in Abzug gebracht hat, beruht auf einer einzelfallbedingten Besonderheit.
55Berufungsstreitwert: 3.707,97 €
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
Tenor
-
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. Januar 2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
-
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von Versicherungsprämien und Nutzungsersatz in Anspruch.
- 2
-
Er beantragte am 14. August 1998 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten den Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Nach den - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt der Kläger im August 1998 mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und eine schriftliche Belehrung über sein Widerspruchsrecht in drucktechnisch deutlicher Form gemäß § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (BGBl. I S. 1630).
- 3
-
Diese mehrfach geänderte und mit Ablauf des Jahres 2007 außer Kraft getretene Vorschrift hatte in der bis zum 31. Juli 2001 gültigen Fassung folgenden Wortlaut:
-
"(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widerspricht. …
-
(2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. …"
- 4
-
Aufgrund eines Änderungsantrages des Klägers wurde im Januar 2004 ein neuer Versicherungsschein ausgestellt, den der Kläger nach den - von der Revision ebenfalls nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts mit den Versicherungsbedingungen, einer Verbraucherinformation und einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung erhielt.
- 5
-
Der Kläger zahlte von September 1998 bis März 2004 Prämien in Höhe von insgesamt 17.128,55 €. Nachdem er den Vertrag im März 2004 gekündigt hatte, kehrte ihm die Beklagte den Rückkaufswert in Höhe von 12.481,57 € aus.
- 6
-
Mit Schreiben vom 8. März 2011 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten "den Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. bzw. nach § 8 VVG bzw. den Widerruf nach § 355 BGB".
- 7
-
Mit der Klage begehrt der Kläger die Differenz zwischen gezahlten Prämien und ausgekehrtem Rückkaufswert sowie Nutzungsersatz in Höhe einer 7%-igen Verzinsung der Prämien. Er meint, der Lebensversicherungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen, weil das in § 5a VVG a.F. geregelte Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.
- 8
-
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Forderung weiter.
Entscheidungsgründe
- 9
-
Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
- 10
-
I. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Dem Kläger stünden keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche auf Rückzahlung der den Rückkaufswert übersteigenden Prämien nebst Zinsen zu. Er habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Regelung des Policenmodells gemäß § 5a VVG a.F. verstoße nicht gegen die Dritte Richtlinie Lebensversicherung. Das Widerspruchsrecht des Klägers sei 14 Tage nach dem Zugang der Police nebst ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen erloschen. Dasselbe gelte hinsichtlich der 2004 durchgeführten Vertragsänderung, so dass offen bleiben könne, ob dem Kläger insoweit ein Recht zum Widerspruch zugestanden habe.
- 11
-
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
- 12
-
Der Kläger kann nicht gemäß den §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 1 BGB Rückzahlung der Prämien und Nutzungsersatz verlangen. Er hat die Prämien mit Rechtsgrund an die Beklagte geleistet (dazu unter 1.). Im Übrigen ist ihm nach jahrelanger Durchführung des Versicherungsvertrages die Berufung auf dessen Unwirksamkeit nach Treu und Glauben wegen widersprüchlichen Verhaltens verwehrt (dazu unter 2.).
- 13
-
1. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag ist auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. wirksam zustande gekommen.
- 14
-
a) Diese Vorschrift regelte den Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell. Es betraf Fälle, in denen der Versicherer - wie hier die Beklagte - dem Versicherungsnehmer bei dessen Antragstellung die Versicherungsbedingungen zunächst nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10a VAG a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte. Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Dieses nahm der Versicherer dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch die Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr galt er gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erst dann als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der vollständigen Unterlagen schriftlich widersprach. Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (vgl. dazu Senatsurteile vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, VersR 2014, 817 Rn. 15; vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08, VersR 2011, 337 Rn. 22 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 10 m.w.N.). Der Vertrag erlangte rückwirkend zum Zeitpunkt der Vertragsannahme Wirksamkeit, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb der Widerspruchsfrist von seinem Recht zum Widerspruch keinen Gebrauch gemacht hatte (Senatsurteil vom 24. November 2010 aaO m.w.N.).
- 15
-
Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Vertrages nach dem Policenmodell sind hier erfüllt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt der Kläger mit dem Versicherungsschein im August 1998 die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen Widerspruchsfrist erklärte der Kläger den Widerspruch nicht.
- 16
-
b) Der so geschlossene Versicherungsvertrag unterliegt entgegen der Auffassung der Revision nicht wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln. Dabei ist der erkennende Senat - anders als es in Bezug auf die Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 14 ff.) der Fall war - nicht gehalten, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Zum einen (dazu sogleich unter c) steht die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts bei Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezogen auf das Policenmodell außer Zweifel, so dass die Vorlagepflicht gemäß § 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) entfällt (vgl. EuGH Slg. 1982, 3415, 3430 und ständig; BVerfG WM 2014, 644 Rn. 27 f.; WM 2014, 647 Rn. 26 ff.). Zum anderen scheidet eine Vorlage aus, weil die Frage der Vereinbarkeit des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. mit dem Gemeinschaftsrecht im Streitfall nicht entscheidungserheblich ist (dazu unter 2.; vgl. BVerfG aaO).
- 17
-
c) Das Policenmodell steht nach Auffassung des Senats eindeutig in Einklang mit den - für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen - Bestimmungen der Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) und Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) und den inhaltsgleichen Bestimmungen der Art. 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 der späteren Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (Abl. L 345 S. 1).
- 18
-
aa) Zwar hat ein Teil der Literatur Bedenken gegen die Richtlinienkonformität des Policenmodells geäußert (BK/Schwintowski, § 5a VVG Rn. 5; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, PK-VersR/Ebers, § 8 Rn. 9 f.; Berg, VuR 1999, 335, 341 f.; Döhmer, zfs 1997, 281, 283; Dörner in Brömmelmeyer/Heiss/Meyer/Rückle/Schwintowski/Wallrabenstein, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Private Krankenversicherung und Gesundheitsreform, Schwachstellen der VVG-Reform 2009 S. 137, 145 f.; Ebers in Micklitz, Verbraucherrecht in Deutschland - Stand und Perspektiven 2005 S. 253, 260 ff.; Lenzing in Basedow/Fock, Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Band I 2002, S. 139, 164 f.; Meyer in Basedow/Meyer/Schwintowski, Lebensversicherung, Internationale Versicherungsverträge und Verbraucherschutz, Versicherungsvertrieb 1996 S. 157, 201 f.; Micklitz/Ebers in Basedow/Meyer/Rückle/Schwintowski, Verbraucherschutz durch und im Internet bei Abschluss von privaten Versicherungsverträgen, Altersvorsorgeverträge, VVG-Reform 2003 S. 43, 82 f.; Osing, Informationspflichten des Versicherers und Abschluß des Versicherungsvertrages 1996 S. 92 f.; Rehberg, Der Versicherungsabschluss als Informationsproblem 2003 S. 109 ff.; Schwintowski, VuR 1996, 223, 238 f.).
- 19
-
Diese Zweifel werden aber in der Instanzrechtsprechung und im weiteren Schrifttum (zu Recht) nicht geteilt (so etwa von weiteren aktuellen, zur revisionsrechtlichen Überprüfung stehenden Berufungsurteilen: OLG Köln, Urteil vom 16. Mai 2014 - 20 U 31/14, S. 7 ff. nicht veröffentlicht; OLG München, Urteil vom 8. Mai 2014 - 14 U 5100/13 S. 4 ff., nicht veröffentlicht; aus der neueren veröffentlichten Rechtsprechung u.a.: OLG München, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 14 U 1804/12, juris Rn. 36 f.; VersR 2013, 1025, 1026; VersR 2012, 1545 f.; OLG Sachsen-Anhalt, Urteile vom 14. Februar 2013 - 4 U 63/12, juris Rn. 41 f.; vom 17. Januar 2013 - 4 U 35/12, juris Rn. 37 ff.; OLG Köln VersR 2013, 443, 445; Urteile vom 2. März 2012 - 20 U 178/11, juris Rn. 25; vom 3. Februar 2012 - 20 U 140/11, juris Rn. 47 ff.; vom 25. November 2011 - 20 U 126/11, juris Rn. 21 ff.; VersR 2011, 248; vom 9. Juli 2010 - 20 U 51/10, juris Rn. 4 ff.; vom 5. Februar 2010 - 20 U 150/09, juris Rn. 5 ff.; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 21. Dezember 2012 - 11 U 40/12, juris Rn. 17; OLG Karlsruhe VersR 2013, 440, 441 f.; OLG Stuttgart VersR 2012, 1373, 1374 f.; OLG Celle, Urteil vom 9. Februar 2012 - 8 U 191/11, juris Rn. 44 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 31. August 2011 - 20 U 81/11, juris Rn. 10 ff.; VersR 2012, 745, 746; OLG Düsseldorf VersR 2001, 837, 838 f.; LG Dessau-Roßlau NJW-RR 2014, 606, 608 f.; LG Köln, Urteil vom 4. März 2013 - 26 O 301/12, juris Rn. 40; r+s 2011, 243, 244; Urteil vom 7. Juli 2010 - 26 O 609/09, juris Rn. 24; LG Münster, Urteil vom 30. August 2011 - 115 O 53/11, juris Rn. 52 ff.; LG Bielefeld, Urteil vom 31. März 2011 - 7 O 329/10, juris Rn. 18; LG Aachen, Urteil vom 5. März 2010 - 9 O 560/09, juris Rn. 36 ff.; LG Kassel r+s 2010, 339; Bruck/Möller/Herrmann, VVG 9. Aufl. § 7 Rn. 65; Prölss/Martin/Prölss, VVG 27. Aufl. § 5a VVG Rn. 8; Römer/Langheid/Römer, VVG 2. Aufl. § 5a Rn. 3; Hofmann, Schutzbriefversicherung (Assistance) 1996 Einf. Rn. 11; Lorenz, VersR 1997, 773, 780 f.; ders. VersR 1995, 616, 625 f.; Reiff, VersR 1997, 267, 271 f.; Römer, Festschrift 50 Jahre BGH S. 375, 389 f.; Schimikowski, r+s 2000, 353, 355; Schirmer, VersR 1996, 1045, 1056; Wandt, Verbraucherinformation und Vertragsschluss nach neuem Recht 1995 S. 32 f., anders nur bezüglich § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F.).
- 20
-
bb) Der Senat sieht ebenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, dass die einschlägigen Richtlinien dem in § 5a VVG a.F. geregelten Policenmodell entgegenstehen könnten.
- 21
-
(1) Die Widerspruchslösung des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist vor allem deshalb nicht zu beanstanden, weil die Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrages enthalten (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 aaO Rn. 18 f., 22). Wie der in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG erwähnte und für die rechtzeitige Information des Versicherungsnehmers maßgebliche "Abschluss" des Versicherungsvertrages auszugestalten ist, ergibt sich daraus ebenso wenig wie aus dem in Bezug genommenen Anhang. In den Materialien zu Art. 31 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung wird zu dem Passus "vor Abschluss des Vertrages" ausgeführt, die Mitgliedstaaten könnten selbst darüber bestimmen, "wann genau ein Vertrag als abgeschlossen gilt und wann genau die … vorgeschriebenen Angaben dem Versicherungsnehmer mitgeteilt werden müssen" (Ratsprotokoll Nr. 2 zu Art. 31, Dok. 7307/92, abgedruckt bei Büchner, Der Referentenentwurf eines Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG auf dem Prüfstand, Münsteraner Reihe Bd. 18 S. 13). Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat in ihrer Stellungnahme vom 12. Oktober 2006 im Rahmen des gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens 2005/5046 ausdrücklich festgehalten, die Frage, wann ein Versicherungsvertrag als abgeschlossen gelten solle, sei "in der Tat eine Sache des nationalen Rechts".
- 22
-
Die Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG verfolgen zudem kein auf das materielle Versicherungsvertragsrecht bezogenes Harmonisierungsziel. Mit der Dritten Richtlinie Lebensversicherung sollten insbesondere Unterschiede zwischen dem Aufsichtsrecht der Mitgliedstaaten beseitigt werden. Die insoweit angestrebte Harmonisierung sollte nach Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 92/96/EWG zu "einer gegenseitigen Anerkennung der Zulassungen und der Aufsichtssysteme" führen. Diese Zielsetzung nahm die spätere Richtlinie 2002/83/EG auf; sie wurde in Erwägungsgrund 2 dergestalt umschrieben, dass "zur Erleichterung der Aufnahme und der Ausübung der Tätigkeiten der Lebensversicherung … gewisse Unterschiede zwischen dem Aufsichtsrecht der verschiedenen Mitgliedstaaten zu beseitigen" sind, "wobei ein angemessener Schutz der Versicherten und der Begünstigten in allen Mitgliedstaaten gewahrt bleiben muss". Daraus ergibt sich, dass neben dem Verbraucherschutz auch die Tätigkeit der Lebensversicherer in den Mitgliedstaaten erleichtert werden sollte. Hingegen sollte die Harmonisierung des für den Versicherungsvertrag geltenden Rechts "keine Vorbedingung für die Verwirklichung des Binnenmarkts im Versicherungssektor" sein. Dies betont Erwägungsgrund 19 der Richtlinie 92/96/EG und führt weiter aus, die den Mitgliedstaaten belassene Möglichkeit, die Anwendung ihres eigenen Rechts für Versicherungsverträge vorzuschreiben, bei denen die Versicherungsunternehmen Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet eingehen, stelle deshalb eine hinreichende Sicherung für die Versicherungsnehmer dar (ebenso Erwägungsgrund 44 der Richtlinie 2002/83/EG). Demnach haben die Richtlinien die Regelung des Vertragsschlusses dem nationalen Gesetzgeber überlassen (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 aaO Rn. 22 m.w.N.).
- 23
-
Der deutsche Gesetzgeber hat zur Umsetzung der genannten Richtlinien neben der aufsichtsrechtlichen Vorschrift des § 10a VAG a.F. die versicherungsvertragsrechtliche Bestimmung des § 5a VVG a.F. eingeführt (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 24 f. unter Bezugnahme auf die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses BT-Drucks. 12/7595 S. 102 m.w.N.). Mit § 5a VVG a.F. bezweckte er nicht primär eine Harmonisierung des Aufsichtsrechts (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 25). Allerdings ist für den Senat nicht ersichtlich, dass der Richtlinie 92/96/EWG aufsichtsrechtlich keine praktische Wirksamkeit verschafft wurde (vgl. BVerfG WM 2014, 644 Rn. 42; WM 2014, 647 Rn. 43). Die Aufsichtsbehörde brauchte bei Vertragsabschlüssen nach dem Policenmodell nicht einzuschreiten, wenn die Versicherer - wie im Streitfall geschehen - ihrer Informationspflicht nach § 10a VAG a.F. nachkamen und den Versicherungsnehmern mit den Policen die erforderlichen Informationen zukommen ließen. Die Überwachungspflicht gemäß § 81 Abs. 1 VAG wurde aber nicht obsolet. Verstöße gegen die Vorgaben des § 10a VAG a.F. zur Gestaltung der Verbraucherinformation waren auch in Bezug auf das Policenmodell zu ahnden.
- 24
-
(2) Ausgehend von dem sich nach nationalem Recht bestimmenden Zustandekommen des Vertrages entspricht § 5a VVG a.F. den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der in den Richtlinien geregelten Informationspflichten in der Ausprägung, die sie durch die Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union gefunden haben. Sinn und Zweck der in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG normierten Informationspflicht sowie die wirksame Gewährleistung des Rücktrittsrechts nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG rechtfertigen nach der - vom Gerichtshof der Europäischen Union bestätigten - Ansicht des Senats die Auslegung, dass ein Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag nicht ohne Information und Belehrung des Versicherungsnehmers zustande kommen darf (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 aaO Rn. 23; EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-209/12, VersR 2014, 225 Rn. 24 f.). Das Interesse des Versicherungsnehmers wurde im Erwägungsgrund 20 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung dergestalt umschrieben, "daß er Zugang zu einer möglichst weiten Palette von in der Gemeinschaft angebotenen Versicherungsprodukten hat, um aus ihnen das seinen Bedürfnissen am besten entsprechende Angebot auswählen zu können". Daran anknüpfend wurde der Zweck der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung im Erwägungsgrund 23 so formuliert: "Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muss er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen." Im Hinblick auf diesen Informationszweck sah Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung in Verbindung mit deren Anhang II A Nr. a.13 vor, dass dem Versicherungsnehmer "mindestens" die "Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittsrechts" mitgeteilt werden mussten, und zwar "vor Abschluss des Vertrages". Sowohl aus der Struktur als auch aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Dritten Richtlinie Lebensversicherung ging demnach eindeutig hervor, dass mit ihr sichergestellt werden sollte, dass der Versicherungsnehmer insbesondere über sein Rücktrittsrecht genau belehrt wird (EuGH aaO Rn. 25).
- 25
-
Diesen Anforderungen genügte § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F., indem er anordnete, dass der Vertrag erst als geschlossen galt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der maßgeblichen Unterlagen - Versicherungsbedingungen, Verbraucherinformation und ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung - widersprach. Die Konstruktion eines schwebend unwirksamen Vertrages gewährleistete, dass der Versicherungsnehmer über sein Widerspruchsrecht belehrt worden sein musste, bevor der Vertrag wirksam werden konnte. Eine vertragliche Bindung des Versicherungsnehmers konnte erst nach der von den Richtlinien geforderten Verbraucherinformation eintreten (vgl. OLG Köln VersR 2013, 443, 445). Auf diese Weise war eine Belehrung des Versicherungsnehmers vor dem (wirksamen) Zustandekommen und damit "vor Abschluss des Vertrages" sichergestellt.
- 26
-
(3) Die für das Policenmodell charakteristische schwebende Unwirksamkeit des Vertrages wurde in dem genannten Vertragsverletzungsverfahren zunächst nicht hinreichend beachtet. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften sah in ihrem an das deutsche Bundesministerium der Justiz gerichteten Aufforderungsschreiben vom 4. April 2006 (S. 4 f.) "die praktische Folge der deutschen Regelung in § 5a VVG bezüglich des Vertragsschlusses (sog. Policenmodell)" darin, "dass ein Versicherungsvertrag zunächst als abgeschlossen gilt, obwohl dem Versicherungsnehmer im Moment seiner Entscheidung betreffend des Versicherungsprodukts keine vollständigen Verbraucherinformationen vorlagen". Daraus zog die Kommission den Schluss, der Versicherungsnehmer werde "an seine Antragstellung auch in den Fällen gebunden, in denen ihm vor Abschluss des Vertrages nicht die von den Richtlinien vorgesehenen Informationen vorlagen". Daran hielt sie nicht mehr fest, nachdem die Bundesregierung mit Schreiben vom 8. Juni 2006 darauf hingewiesen hatte, dass nach dem Policenmodell ein bindender Abschluss erst dann erfolge, wenn der Versicherungsnehmer die vorgeschriebene Verbraucherinformation erhalten habe, über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei und den Widerspruch innerhalb der gesetzlich gewährten Frist von 14 Tagen unterlassen habe. In ihrer Stellungnahme vom 12. Oktober 2006 stellte die Kommission dann ihre - ebenfalls bereits in dem Aufforderungsschreiben enthaltene - Argumentation, dass "zu dieser Zeit die Entscheidung betreffend des Versicherungsprodukts längst getroffen" sei, in den Mittelpunkt. Daher könne nach dem deutschen Recht ein Versicherungsvertrag zunächst als abgeschlossen gelten, es sei denn, dass der Versicherungsnehmer selbst aktiv werde, um der endgültigen Wirksamkeit des Vertrages zu entgehen. Dem Versicherungsnehmer werde damit eine Widerrufslast aufgebürdet. Darüber hinaus müsse der Versicherungsnehmer eine Auswahlentscheidung treffen, ohne zuvor entsprechend unterrichtet worden zu sein. Der eigentliche Zweck der Richtlinienbestimmungen, nach denen der Versicherungsnehmer vor einem Vertragsabschluss über alle notwendigen Informationen verfügen soll, werde vereitelt.
- 27
-
Das rechtfertigt ersichtlich keine abweichende Beurteilung. Da die Richtlinien - wie dargelegt - dem nationalen Gesetzgeber keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrags machten und § 5a VVG a.F. sicherstellte, dass dem Versicherungsnehmer die von den Richtlinien geforderten Informationen vorlagen, bevor der Vertrag nach nationalem Recht zustande kam, war die den Richtlinien zu entnehmende Verpflichtung, den Versicherungsnehmer vor dem ihn bindenden Vertragsschluss umfassend über den künftigen Vertragsinhalt und die ihn begleitenden Umstände zu unterrichten (EuGH VersR 2014, 225 Rn. 24 f.), durch den Regelungsgehalt des § 5a VVG a.F. ohne weiteres gewährleistet (vgl. OLG Düsseldorf VersR 2001, 837, 838 f.; Prölss/Martin/Prölss aaO § 5a Rn. 8; Lorenz, VersR 1995, 616, 625; Römer aaO; Reiff, VersR 1997, 267, 269; Wandt aaO S. 32). Die dem Versicherer in § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. eingeräumte Möglichkeit, dem Versicherungsnehmer erst nach dessen Antrag die Vertragsbestimmungen und die maßgebliche Verbraucherinformation zukommen zu lassen, führte auch nicht etwa zu einer Aushöhlung oder gar Vereitelung der sich aus den Richtlinien ergebenden Informationspflichten (a.A. Meyer aaO S. 202; Schwintowski, VuR 1996, 223, 239). § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. stellte sicher, dass die Widerspruchsfrist erst und nur dann zu laufen begann, wenn der Versicherungsnehmer entsprechend den gesetzlichen Vorgaben informiert worden war. Er konnte in Kenntnis der Vertragsbedingungen, der erforderlichen Information und des ihm zustehenden Widerspruchsrechts frei entscheiden, ob er den Vertrag wirksam werden ließ und von einem Widerspruch Abstand nahm. Damit wurde den erwähnten Erwägungsgründen 20 und 23 der Richtlinie 92/96/EWG Genüge getan, nach denen sich der Versicherungsnehmer vollständig informiert über ein bestimmtes Produkt für den Vertragsschluss entscheiden können soll (Wandt aaO S. 32).
- 28
-
(4) Das in den Richtlinien vorgesehene Informationsmodell lief durch § 5a VVG a.F. nicht etwa deshalb leer, weil innerhalb der auf 14 Tage beschränkten Widerspruchsfrist hinreichende Informationsmöglichkeiten für den Versicherungsnehmer nicht bestanden (so aber Berg, VuR 1999, 335, 339 ff.; Lenzing aaO S. 165; Meyer aaO S. 202). Während des Fristenlaufs konnte der Versicherungsnehmer die Vertragsbedingungen und sonstigen Informationen ohne weiteres eingehend durchsehen und dabei insbesondere erkennen, dass ihm die Möglichkeit zu einem Widerspruch zustand. Die Fristdauer von 14 Tagen - und von 30 Tagen für Lebensversicherungsverträge ab dem 8. Dezember 2004 - war angemessen; sie bewegte sich in dem von Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619/EWG für den Rücktritt vorgegebenen Rahmen von 14 bis 30 Tagen.
- 29
-
Die hinsichtlich der Widerspruchsfrist von der Generalanwältin in ihren Schlussanträgen vom 11. Juli 2013 in der Rechtssache C-209/12 zu dem Vorlagebeschluss des Senats vom 28. März 2012 erhobenen Bedenken gegen die Europarechtskonformität des Policenmodells führen zu keiner anderen Beurteilung. Unter Hinweis auf den Erwägungsgrund 23 sieht sie den Zweck der in Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung verankerten Mitteilungspflicht darin, den künftigen Versicherungsnehmer in die Lage zu versetzen, den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen und ihm "klare und genaue Angaben über die wesentlichen Merkmale der ihm angebotenen Produkte …" zur Verfügung zu stellen (Schlussanträge Nr. 59). Der in Art. 15 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung vorgesehene Rücktritt sei von einem Vertrag, der noch nicht geschlossen sei, weil kein Angebot und keine Annahme vorlägen, die zu einer Vereinbarung der Parteien mit bindenden Vertragsbedingungen führten, nicht möglich (Schlussanträge Nr. 60). Daraus folgert die Generalanwältin, dem (künftigen) Versicherungsnehmer müssten bestimmte Angaben vor Abschluss des Vertrages mitgeteilt werden und nach Mitteilung des Vertragsschlusses müsse ihm eine Rücktrittsfrist von 14 bis 30 Tagen zur Verfügung stehen (Schlussanträge Nr. 61). Der Zweck der Belehrungspflicht wäre nach Auffassung der Generalanwältin verfehlt worden, wenn die Informationen erst nach Abgabe des Angebots durch den Versicherungsnehmer und somit nach seiner Wahl eines Versicherers und eines Vertrages vorgelegt worden wären (Schlussanträge Nr. 62).
- 30
-
Auch daraus ergibt sich unter Berücksichtigung der in jener Sache ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (aaO) aber kein Anhaltspunkt für eine Richtlinienwidrigkeit des Policenmodells. Der Gerichtshof hat dort ausgeführt, die Mitgliedstaaten hätten zwar in der Tat dafür zu sorgen gehabt, dass die praktische Wirksamkeit der einschlägigen Lebensversicherungsrichtlinien unter Berücksichtigung des mit diesen verfolgten Zwecks gewährleistet war (aaO Rn. 23). Er hat aber weiter betont, dass Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung im Hinblick auf den dort angeführten Informationszweck eine Mitteilung der Informationen "vor" Abschluss des Vertrages vorsehe (aaO Rn. 25). Dem Zweck der Informationspflicht ist danach genügt, wenn der Versicherungsnehmer die Informationen erhält, bevor er - wie nach nationalem Recht in § 5a VVG a.F. geregelt - vertraglich gebunden ist (so auch OLG Köln, Urteil vom 16. Mai 2014 - 20 U 31/14 S. 10, nicht veröffentlicht). Dies ist zugleich mit Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung in Einklang zu bringen. Danach beginnt die Rücktrittsfrist, wenn der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, "dass der Vertrag geschlossen ist". Diese Kenntnis konnte dem Versicherungsnehmer nach dem Policenmodell durch die mit dem Versicherungsschein zu erteilende Widerspruchsbelehrung vermittelt werden. Daraus konnte er entnehmen, dass ein - zunächst noch nicht wirksamer - Vertrag geschlossen würde und er sich davon bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist ohne Weiteres lösen, ein Zustandekommen des Vertrages also verhindern konnte.
- 31
-
(5) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass § 5a VVG a.F. dem Versicherungsnehmer eine - von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften beanstandete - "Widerspruchslast" auferlegte und ihn damit zu einem Handeln verpflichtete, wollte er nach Erhalt der erforderlichen Verbraucherinformation das Zustandekommen des Vertrages in der Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. verhindern (so aber Micklitz/Ebers aaO S. 83; Rehberg aaO S. 98, 112 ff.; vgl. BVerfG WM 2014, 644 Rn. 42; WM 2014, 647 Rn. 43). Eine Ausgestaltung in Form einer Hinderung des Wirksamwerdens des Vertrages durch Widerspruch oder Widerruf genügt auch in anderen Fällen europarechtlichen Vorgaben bzw. beruht sogar auf solchen (vergleiche nur § 7 VerbrKrG und § 1 HWiG). Insoweit überzeugt auch der Einwand nicht, dass der künftige Versicherungsnehmer nach dem Policenmodell gegenüber mehreren Versicherern Anträge auf Abschluss von Versicherungsverträgen stellen musste, um mit den Versicherungspolicen die Informationen zu erhalten, die ihm eine sachgerechte Auswahlentscheidung ermöglichten (so Meyer S. 201 f.; vgl. BVerfG aaO). Dass ein Interessent gleichzeitig Anträge bei mehreren Versicherern stellt, um dann die nicht immer zeitgleich bei ihm eingehenden Versicherungsbedingungen während der regelmäßig unterschiedlich laufenden Widerspruchsfristen eingehend zu vergleichen, erscheint in der Tat lebensfremd (vgl. Meyer aaO S. 202 f.; BVerfG aaO m.w.N.). Ihm wurde aber nicht angesonnen, mehrere auf Abschluss verschiedener Versicherungsverträge gerichtete Willenserklärungen abzugeben, von vornherein mit der Absicht, alle Erklärungen bis auf eine fristgerecht zu widerrufen. Wenn der Versicherungsnehmer vor Abgabe einer Vertragserklärung die Leistungen verschiedener Versicherer miteinander vergleichen wollte, war er nicht gezwungen, den Abschluss mehrerer Versicherungen zu beantragen und nach Erhalt der Policen seine Auswahlentscheidung zu treffen. Vielmehr konnte er mehrere Versicherer um entsprechende Informationen oder konkrete Angebote bitten und sich für eine Versicherung entscheiden. Im Übrigen stand dem Versicherungsnehmer eine zeitlich unbegrenzte Wahlfreiheit auch bei einem Vertragsschluss nach dem so genannten Antragsmodell oder vergleichbaren Vertragsgestaltungen nicht zur Verfügung. Wenn er zunächst verschiedene Angebote bei mehreren Versicherern eingeholt hatte, musste er, nachdem er eines angenommen hatte, dann aber noch ein besseres erhielt, durch eine Widerrufs- oder Rücktrittserklärung tätig werden.
- 32
-
2. Die von der der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet im Übrigen auch bereits deshalb aus (vgl. BVerfG WM 2014, 644 Rn. 27; WM 2014, 647 Rn. 24), weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen der Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG unvereinbar ist, hier ohnedies nicht entscheidungserheblich ankommt. Offenbleiben kann daher auch, ob in diesem Fall - wie die Revision meint - alle nach dem Policenmodell geschlossenen Lebens- und Rentenversicherungsverträge ohne weiteres - selbst ohne Widerspruch - von Anfang an unwirksam wären und ob sich darauf auch Versicherer - sogar nach Auszahlung des Rückkaufswertes oder der Versicherungsleistung - berufen könnten. Die Entscheidung dieses Rechtsstreits hängt nicht von der genannten unionsrechtlichen Frage ab, weil es dem Kläger auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt ist, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten.
- 33
-
a) Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (Senatsurteile vom 16. Juli 2014 - IV ZR 88/13 m.w.N., zur Veröffentlichung vorgesehen; vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 40; BGH, Urteil vom 12. November 2008 - XII ZR 134/04, NJW 2009, 1343 Rn. 41; jeweils m.w.N.; vgl. Brand, VersR 2014, 269, 276).
- 34
-
b) So liegt der Fall hier. Der Kläger verhielt sich treuwidrig, indem er nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchführte und erst dann von der Beklagten, die auf den Bestand des Vertrags vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte.
- 35
-
aa) Das Verhalten des Klägers war objektiv widersprüchlich. Die - ihm zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte - Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 1998 und sogar im Zuge der Vertragsänderung 2004 ungenutzt verstreichen. Bis zur Kündigung des Vertrages im März 2004 zahlte er vielmehr regelmäßig die vereinbarten Versicherungsprämien. Nach der Kündigung ließ er rund sieben weitere Jahre vergehen, bis er sich entschied, dem Vertragsschluss zu widersprechen und sich hilfsweise darauf zu berufen, ein Vertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Mit seinem im eigenen Interesse begründeten und über lange Zeit fortgeführten Verhalten setzt sich der Kläger in Widerspruch, wenn er nun geltend macht, ein Vertrag habe nie bestanden (vgl. BGH, Urteile vom 7. Dezember 1989 - VII ZR 130/88, NJW-RR 1990, 417, 418; vom 23. Oktober 1986 - VII ZR 195/85, NJW-RR 1987, 335, 335 f.).
- 36
-
bb) Der Kläger war (anders als etwa der Kläger im Verfahren IV ZR 76/11) von der Beklagten in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Anforderungen des § 5a VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht belehrt worden. Daher war ihm bekannt, dass er den Vertrag nicht hätte zustande kommen lassen müssen und ihm die Beklagte jedenfalls ein Recht zur Lösung zugestand. Vor diesem Hintergrund können seine jahrelangen Prämienzahlungen nur als Ausdruck seines Willens, den Vertrag durchzuführen, verstanden werden. Da die Beklagte die Prämien entgegennahm und erkennbar von einem bestehenden Versicherungsvertrag ausging, konnte er bis zur Kündigung erwarten, Versicherungsschutz zu genießen, der zweifelsfrei bei Eintritt eines Versicherungsfalles in Anspruch genommen worden wäre. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Kläger nicht sicher wissen konnte, ob das Policenmodell gemeinschaftsrechtswidrig war und ihm - wenn es so wäre - der geltend gemachte bereicherungsrechtliche Anspruch auf Rückzahlung der Prämien zustünde. Ein Rechtsverlust durch widersprüchliches Verhalten kann wegen der an Treu und Glauben ausgerichteten objektiven Beurteilung selbst dann eintreten, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von seiner Berechtigung hat (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2007 - V ZR 190/06, NJW 2007, 2183 Rn. 8 m.w.N.).
- 37
-
cc) Ebenso wenig sind für den aus widersprüchlichem Verhalten hergeleiteten Einwand des Rechtsmissbrauchs unredliche Absichten oder ein Verschulden des Klägers erforderlich (vgl. BGH, Urteile vom 12. November 2008 aaO Rn. 41; vom 20. März 1968 - VIII ZR 127/67, WM 1968, 876 unter 3 c; MünchKomm-BGB/Roth/Schubert, 6. Aufl. § 242 Rn. 288 m.w.N.; Staudinger/Looschelders/Olzen, BGB [2009] § 242 Rn. 293 m.w.N.). Durch das Verhalten des Rechtsinhabers muss nur ein ihm erkennbares, schutzwürdiges Vertrauen der Gegenseite auf eine bestimmte Sach- oder Rechtslage hervorgerufen worden sein (MünchKomm-BGB/Roth/Schubert aaO Rn. 288; Staudinger/Looschelders/Olzen aaO Rn. 292 m.w.N.).
- 38
-
Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits 1998 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten Klägers haben bei der Beklagten ein solches schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Dieses Vertrauen wurde durch den Änderungsantrag des Klägers, der das Festhalten an dem Versicherungsverhältnis nochmals verdeutlichte, sogar noch verstärkt. Das Verhalten des Klägers sprach aus Sicht der Beklagten dafür, dass er selbst den Vertrag durchführen, ihn als wirksam behandeln und erfüllen wolle, und begründete das Vertrauen der Beklagten, der Kläger halte am Bestehen des Vertrages - auch für die Vergangenheit - fest.
- 39
-
Die Beklagte hatte durch die Wahl des Policenmodells zwar die Ursache für die vom Kläger behauptete Unwirksamkeit des Vertrages gesetzt. Ihr Vertrauen ist gleichwohl schutzwürdig, weil sie dem Kläger den gesetzlichen Vorgaben des nationalen Rechts entsprechend eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung und auch die weiteren Informationen erteilt hatte. Dem Vertrauensschutz der Beklagten steht auch nicht entgegen, dass die Richtlinienkonformität des Policenmodells im Schrifttum in Zweifel gezogen wurde. Das Policenmodell entsprach dem damals geltenden nationalen Recht; seine etwaige Gemeinschaftsrechtswidrigkeit stand nicht fest und konnte der Beklagten nicht positiv bekannt sein. Von einer überlegenen Rechtskenntnis auf ihrer Seite kann insoweit jedenfalls keine Rede sein.
- 40
-
Für den Kläger war die vertrauensbegründende Wirkung seines Verhaltens auch erkennbar. Er konnte bemerken, dass die Beklagte auf den Bestand des Versicherungsvertrages vertraute, nachdem er trotz Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, jahrelang die Prämien gezahlt hat, ohne die Unwirksamkeit des Vertrages geltend zu machen.
- 41
-
c) Der - von Amts wegen zu berücksichtigende, im Revisionsverfahren von der Beklagten auch geltend gemachte - Einwand von Treu und Glauben greift auch im Falle einer - zugunsten des Klägers unterstellten - Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells durch. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH GRUR 2014, 368 Rn. 42, 49; Slg. 2010, I-635 Rn. 31, 33; jeweils m.w.N.) unterliegen nationale Rechtsmaximen, die einem Anspruch entgegengehalten werden können, dem nationalen Recht, das unter Beachtung des gemeinschaftsrechtlichen Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes angewandt werden muss. Diese vom Gerichtshof anerkannten Verfahrensgrundsätze gebieten, dass die verfahrensrechtlichen Vorgaben des nationalen Rechts nicht ungünstiger sind als bei vergleichbaren Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung eingeräumten Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Die Grundsätze finden auch bei materiellen Ausschlussgründen nach nationalem Recht - wie dem Grundsatz von Treu und Glauben - Anwendung (König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs 2011 S. 114 m.w.N.) und sind hier gewahrt. Der Versicherungsnehmer, dem nach jahrelanger Durchführung des Vertrages die Berufung auf dessen Unwirksamkeit wegen Richtlinienwidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben versagt ist, wird nicht ungünstiger gestellt als bei alleiniger Anwendung des deutschen Rechts. Das in Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619/EWG vorgesehene und in § 5a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 bis 3 VVG a.F. umgesetzte Recht, sich vom Vertrag zu lösen, wird dem Versicherungsnehmer dadurch nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert, da der Gesichtspunkt von Treu und Glauben keineswegs stets bei ordnungsgemäßer Belehrung greift, sondern nur in Fällen jahrelanger Durchführung des Vertrages.
- 42
-
Auch zum Einwand von Treu und Glauben ist entgegen der Ansicht der Revision eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht erforderlich. Die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt. Die Anwendung auf den Einzelfall obliegt dem nationalen Gericht (EuGH Slg. 2000, I-1705 Rn. 35). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die missbräuchliche Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht gestattet (EuGH ZfZ 2014, 100 Rn. 29 m.w.N.; Slg. 2000 aaO Rn. 33; Slg. 1998, I-2843 Rn. 20 m.w.N.; Slg. 1996, I-2357 Rn. 24 m.w.N.). Dies hat der Gerichtshof - ähnlich wie die Anwendung nationaler Fristenregelungen (vgl. EuGH Slg. 1996, I-5223 Rn. 9, 35) - nicht davon abhängig gemacht, ob dem Berechtigten die Rechtslage bekannt war. Die nationalen Gerichte können vielmehr das missbräuchliche Verhalten des Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien in Rechnung stellen, um ihm gegebenenfalls die Berufung auf die geltend gemachte Bestimmung des Gemeinschaftsrechts zu verwehren. Dabei müssen sie jedoch die mit dieser Bestimmung verfolgten Zwecke beachten (EuGH Slg. 2000 aaO Rn. 34; Slg. 1996 aaO Rn. 25). Die Anwendung einer nationalen Vorschrift - wie hier § 242 BGB - darf somit die Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen (EuGH Slg. 2000 aaO Rn. 34 m.w.N.; Slg. 1998 aaO Rn. 22; Slg. 1996, I-1347 Rn. 68). Es obliegt dem nationalen Gericht, im bei ihm anhängigen Rechtsstreit festzustellen, ob die Anwendung der nationalen Vorschrift mit dieser Anforderung vereinbar ist (EuGH Slg. 2000 aaO Rn. 35). Hier beeinträchtigt die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben weder die Wirksamkeit noch die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Der vom Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 19. Dezember 2013 (aaO Rn. 25) dargelegte Zweck der Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen, wird nicht berührt, wenn einem Versicherungsnehmer, der vom Versicherer dem geltenden nationalen Recht entsprechend ordnungsgemäß belehrt wurde, nach jahrelanger Durchführung des Vertrages die Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs unter Berufung auf ein gemeinschaftsrechtswidriges Zustandekommen des Vertrages verwehrt wird.
-
Mayen Felsch Harsdorf-Gebhardt
-
Dr. Karczewski Dr. Brockmöller
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 19.08.2016 - 8 O 14/16 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 21. Januar 2015 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 177/14 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 871,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Januar 2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 77% und der Beklagten zu 23% auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die gegnerische Partei nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger, von Beruf Versicherungsmakler, schloss mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine fondsgebundene Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. April 2004 ab. Den Vertrag vermittelte er sich selbst; er erhielt dafür von der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Courtage in Höhe von 648,- €. Dem Kläger wurde im Juli 2009 ein Policendarlehen in Höhe von 1.331,43 € gewährt. Mit Anwaltsschreiben vom 3. August 2010 erklärte der Kläger u.a. den Widerspruch nach § 5a VVG a.F., hilfsweise die Kündigung. Die Beklagte erkannte die Kündigung zum 1. Dezember 2010 an und kehrte dem Kläger unter Berücksichtigung des gewährten Policendarlehens und unter Abzug eines Stornoabschlags von 176,37 € sowie abgeführter Kapitalertragssteuer und abgeführtem Solidaritätszuschlag einen Betrag von 925,38 € aus (Anlage K 3). Den Stornoabzug einschließlich Zinsen erstattete die Beklagte während des erstinstanzlichen Verfahrens.
4Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten in erster Linie die verzinsliche Rückerstattung der geleisteten Prämien abzüglich des Policendarlehens und des ausgekehrten Betrags.
5Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei noch im Jahr 2010 zum Widerspruch berechtigt gewesen; die Widerspruchsbelehrung habe nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei nicht europarechtskonform und deshalb nicht anzuwenden. Die Beklagte sei zudem wegen fehlerhafter Belehrung schadensersatzpflichtig.
6Hilfsweise hat der Kläger im Wege der Stufenklage Ansprüche auf einen weitergehenden Rückkaufswert verfolgt.
7Der Kläger hat nach übereinstimmenden Teilerledigungserklärungen bezüglich des nachregulierten Stornoabzugs und des Auskunftsanspruchs in erster Instanz zuletzt beantragt,
81. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.707,97 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
92. die Beklagte zu verurteilen, ihn von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 490,28 € gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten freizustellen;
10hilfsweise,
11die Beklagte zu verurteilen, die Richtigkeit der gemachten Angaben zur Höhe des hälftigen ungezillmerten Fondsvermögens / Mindestrückkaufswertes von 1.699,12 € zum streitgegenständlichen Versicherungsvertrag mit der Nummer XXX721XXX an Eides Statt zu versichern;
12die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen weitergehenden Rückkaufswert in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2010, jedenfalls aber den bei Kündigung zum 1. Dezember 2010 zu Unrecht einbehaltenen Stornoabschlag zum Vertrag mit der Nummer 311721124 in Höhe von 176,37 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2010 zu zahlen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, der Widerspruch sei verfristet; Schadensersatzansprüche bestünden nicht. Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben und sich auf Verwirkung berufen.
16Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. Januar 2015, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, zwar sei die Widerspruchsbelehrung formal und inhaltlich fehlerhaft; die Ausübung des Widerspruchsrechts im Jahr 2010 sei aber rechtsmissbräuchlich. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger als Versicherungsmakler, der sich den Vertrag selbst vermittelt habe, Kenntnis vom Widerspruchsrecht gehabt habe. Gleichwohl habe er die Widerspruchsfrist von 14 Tagen verstreichen lassen und über Jahre Prämien geleistet sowie ein Policendarlehen in Anspruch genommen. Damit habe er seinen Vertragsbindungswillen zum Ausdruck gebracht und bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrags geweckt. Mit diesem Verhalten setze er sich in Widerspruch, wenn er nunmehr geltend mache, ein Vertrag habe nie bestanden. Zu den Hilfsanträgen hat das Landgericht ausgeführt, es bestünden keine nachvollziehbaren Gründe für die Unrichtigkeit der von der Beklagten erteilten Auskunft; ein weiterer Zahlungsanspruch bestehe auch der Sache nach nicht, weil der Kläger mehr als den Mindestrückkaufswert erhalten habe.
17Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträge zu 1. und 2. in vollem Umfang weiterverfolgt, wobei er hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten (Antrag zu 2.) nunmehr wieder Zahlung statt Freistellung verlangt. Es sei irrelevant, dass er als Versicherungsmakler sein Recht zum Widerspruch gekannt habe; eine Belehrung habe kenntnisunabhängig zu erfolgen. Die Widerspruchsbelehrung sei fehlerhaft; § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei nicht anzuwenden. Auch das Policenmodell als solches sei europarechtswidrig.
18Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil. Selbst wenn der Kläger zum Widerspruch berechtigt sein sollte, stünde ihm aus ungerechtfertigter Bereicherung jedenfalls kein Anspruch in der geltend gemachten Höhe zu; hierzu wird auf die Berechnungen im Schriftsatz vom 10. April 2015 (GA 207) und im Schriftsatz vom 15. April 2015 (GA 209) Bezug genommen.
19Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
20II.
21Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg.
22Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der von ihm auf den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag geleisteten Prämien unter Abzug des Risikoanteils sowie der an ihn gezahlten Abschlusscourtage und auf die von der Beklagten gezogenen Nutzungen. In Abzug zu bringen sind das gewährte Policendarlehen, der ausgekehrte Rückkaufswert und der nachregulierte Stornoabzug nebst Zinsen.
231.
24Der Kläger konnte dem Vertragsschluss noch mit Schreiben vom 3. August 2010 widersprechen.
25Die Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist nicht wirksam in Gang gesetzt worden. Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. beginnt der Lauf der hier maßgebenden Frist von 14 Tagen erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 (Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen nach § 10a VAG) vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
26Vorliegend ist die Widerspruchsbelehrung im Versicherungsschein vom 8. März 2004 (Anlage K 1; GA 22) enthalten; sie lautet:
27„Widerspruchsbelehrung
28Der Versicherungsnehmer hat das Recht, dem Versicherungsvertrag bis zum Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der übrigen Verbraucherinformationen zu widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Widerspruchserklärung an die B Lebensversicherung AG.“
29Die Belehrung ist deswegen inhaltlich fehlerhaft, weil der zwingend notwendige Hinweis darauf, dass der Widerspruch in Textform zu erheben ist, fehlt (vgl. BGH, VersR 2004, 497; zuletzt BGH, Urt. v. 19. November 2014 – IV ZR 329/14 -). Dieser Hinweis war nicht deshalb entbehrlich, weil in Satz 2 der Belehrung von der „Absendung“ des Widerspruchs die Rede ist. Damit wird dem Versicherungsnehmer nicht klar vor Augen geführt, dass nur ein in Textform verfasster Widerspruch wirksam ist. Satz 2 bezieht sich lediglich auf den Fall, dass der Versicherungsnehmer den Widerspruch in dokumentierter Form erklären will, und erläutert nur, dass in diesem Fall die rechtzeitige Absendung zur Fristwahrung reicht. Dass ein mündlicher Widerspruch ausgeschlossen ist und in jedem Fall die Textform gewahrt werden muss, ergibt sich aus der Belehrung nicht.
302.
31Der Kläger war noch im Jahr 2010 zum Widerspruch berechtigt. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., der vorsah, dass das Recht zum Widerspruch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt, ist auf Lebens- und Rentenversicherungsverträge nicht anwendbar. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 - (VersR 2014, 817) im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Dezember 2013 - C-209/12 - (VersR 2014, 225) entschieden. Der Senat folgt dieser Entscheidung. Er hat zwar bislang die Auffassung vertreten, eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung, die dazu führt, § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. im Bereich der Lebensversicherung nicht anzuwenden, sei nicht möglich. Der Senat hält die jetzt vom Bundesgerichtshof vorgenommene Beurteilung allerdings für - auch verfassungsrechtlich - vertretbar, so dass keine durchgreifenden Bedenken bestehen, nunmehr auf der Grundlage des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 2014 zu entscheiden.
32Das Widerspruchsrecht ist nicht verwirkt. Mit der Ausübung des Widerspruchs im Jahr 2010 hat der Kläger auch nicht gegen Treu und Glauben verstoßen. Soweit das Landgericht darauf abgehoben hat, alleine die langjährige Vertragsdurchführung mit der Inanspruchnahme eines Policendarlehens lasse das Verhalten des Klägers als treuwidrig erscheinen, reichen diese Umstände nicht aus, um eine Verwirkung des Widerspruchsrechts anzunehmen. Dem steht entgegen, dass die Beklagte es versäumt hat, den Kläger ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht zu belehren, und deshalb als nicht schutzwürdig erscheint (vgl. BGH, aaO, Rz. 38-40). Daran ändert auch nichts, dass der Kläger sich vorliegend den Versicherungsvertrag als Versicherungsmakler selbst vermittelt hat. Allerdings hat das OLG Stuttgart (RuS 2015, 123) die Auffassung vertreten, ein Versicherungsvertreter, der ständig mit der Vermittlung von Lebens- und Rentenversicherungen für die dortige Beklagte betraut war und daher das Recht zum Widerspruch bei Abschluss des selbst vermittelten Versicherungsvertrages kenne, handele widersprüchlich, wenn er sich nach jahrelanger Vertragsdurchführung auf Mängel der Widerspruchsbelehrung berufe und von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch mache. Dem folgt der Senat jedenfalls in dem hier zu entscheidenden Fall, in dem der Kläger als Versicherungsmakler gehandelt hat, nicht. Der Kläger hat bei seiner Anhörung angegeben, ihm sei zwar bei Vertragsabschluss grundsätzlich bekannt gewesen, dass es ein Widerspruchsrecht von 14 Tagen gebe; bei den Schulungen, an denen er teilgenommen habe, sei aber das Vertragswerk nicht angesprochen worden. Er könne deshalb nicht mehr genau sagen, ob er damals gewusst habe, wann die Frist von 14 Tagen beginne. Diese Angaben erscheinen nicht von vornherein unglaubhaft. Kann danach aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger konkrete Kenntnis insbesondere vom Formerfordernis des Widerspruchs (Textform) hatte, kann ihm nicht entgegengehalten werden, er sei als Versicherungsmakler in Bezug auf die allen Versicherungsnehmern gleichermaßen geschuldete ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung weniger schutzwürdig. Entgegenhalten lässt sich auch nicht, dass der Kläger – wie er selbst bekundet hat – damals an einen Widerspruch überhaupt nicht gedacht hat, weil er den Vertrag für „o.k.“ befunden hat. Dass ein Versicherungsnehmer einem Lebensversicherungsvertrag auch nach Jahren noch widersprechen kann, wenn er über sein Widerspruchsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt worden ist, ist schlicht die Folge des Umstandes, dass bei fehlerhafter Belehrung die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden ist, was der Versicherer zu verantworten hat. Darauf, ob der Versicherungsnehmer dem Vertrag bei ordnungsgemäßer Belehrung fristgerecht widersprochen hätte, kommt es nicht an.
333.
34Der Kläger kann somit dem Grunde nach die gezahlten Prämien, die unstreitig 4.416,17 € betragen, aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) zurückverlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat.
35Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB allerdings nicht uneingeschränkt alle Prämien, die der Kläger an die Beklagte entrichtet hat, ohne hierzu durch wirksame Versicherungsverträge verpflichtet zu sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (aaO) darf im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden. In Rechnung zu stellen ist insbesondere, dass der Versicherungsnehmer während der Dauer der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen hat; diesen muss er sich im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung als erlangten Vermögensvorteil anrechnen lassen. Bei Lebensversicherungen kann, so der Bundesgerichtshof, etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (aaO). Dieser ist von der Beklagten im Schriftsatz vom 15. April 2015 mit 475,98 € € angegeben worden (GA 209); dem ist der Kläger nicht entgegengetreten.
36Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt allerdings eine Anrechnung desjenigen Prämienanteils, der auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfallen ist, grundsätzlich nicht in Betracht. Ein Versicherer kann insoweit in aller Regel nicht den Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB erheben (zur näheren Begründung s. etwa Senat, RuS 2015, 121). Das Risiko, dass er bei fehlerhafter Widerspruchsbelehrung und deshalb auch nach Jahren noch möglichem Widerspruch seine Vertragskosten unnötig aufgewandt hat, muss in aller Regel beim Versicherer bleiben.
37Das gilt allerdings in Bezug auf die vorliegend unstreitig an den Kläger gezahlte Abschlusscourtage in Höhe von 648,- € nicht, denn jedenfalls insoweit verhält sich der Kläger widersprüchlich, wenn er sich einerseits auf die Unwirksamkeit des Vertrags nach ausgeübtem Widerspruch beruft, andererseits aber die von ihm für die Vermittlung des letztlich nicht wirksam zustande gekommenen Vertrags vereinnahmte Courtage behalten will.
38Demgemäß ist die Abschlusscourtage in Abzug zu bringen. Einen Abzug von Verwaltungskosten macht die Beklagte vorliegend nicht geltend.
394.
40Nutzungen stehen dem Kläger nur in Höhe von 123,36 € zu.
41Der Anspruch aus § 818 Abs. 1 BGB beschränkt sich auf die Erstattung tatsächlich gezogener Nutzungen (BGH, Beschl. v. 30. Juli 2012 – IV ZR 134/11 – m.w.N.). Hierfür ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Grundsätzlich bedarf es hierzu eines entsprechenden Tatsachenvortrags des Versicherungsnehmers (BGH, aaO). Erstinstanzlich hat der Kläger unter Verweis auf die als Anlage K5 eingereichte Berechnung Zinsen mit einem Zinssatz von 7% geltend gemacht und sich zudem auf einen Bericht des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft über die Geschäftsentwicklung der deutschen Lebensversicherer 2013 bezogen, wonach diese „in den letzten Jahren“ eine Nettoverzinsung von durchschnittlich 5% erzielt hätten (GA 12). Einem solchen Ansatz, mit dem auf einen vermuteten Gewinn abgestellt wird, ist bei der hier streitgegenständlichen fondsgebundenen Lebensversicherung nicht zu folgen.
42Von vornherein fehlt einer solchen Vermutung die Basis für denjenigen Prämienanteil, der auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfällt. Dieser Teil der Prämie wird bestimmungsgemäß nicht zur Kapitalanlage verwendet, so dass auch nicht vermutet werden kann, die Beklagte habe insoweit aus den eingezahlten Beiträgen Nutzungen gezogen.
43Eine solche Vermutung gilt bei fondsgebundenen Lebensversicherungen auch nicht in Bezug auf den Sparanteil der Prämie, denn dieser wird vereinbarungsgemäß in Fondsanteilen angelegt; dem Versicherungsnehmer steht als eine tatsächlich gezogene Nutzung im Sinne von § 818 Abs. 1 BGB nur der mit der Anlage des Sparanteils erzielte Gewinn zu. Diesen hat die Beklagte vorliegend mit 123,36 € angegeben und damit ihrer sekundären Darlegungslast genügt. Dem ist der Kläger auch mit Schriftsatz vom 17. April 2015 nur mit pauschalem, nicht konkret fallbezogenen Vortrag entgegengetreten.
445.
45Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich folgende Berechnung:
464.416,17 € (Beiträge) - 475,98 € (Risikoanteil) - 648,- € (Abschlusscourtage) + 123,36 € (Nutzungen) - 1.331,43 € (Policendarlehen) - 1.004,24 € (Rückkaufswert vor Steuern: 2.512,04 € - 176,37 € - 1.331,43 €) – 208,80 € (nachregulierter Stornoabschlag zuzügl. Zinsen) = 871,08 €.
47Dieser Betrag ist ab dem Tag nach der Zustellung des Mahnbescheides (hier am 2. Januar 2014; § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB), mithin ab dem 3. Januar 2014 mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen.
486.
49Die in erster Instanz erhobene Einrede der Verjährung hat die Beklagte im Berufungsrechtszug nicht wiederholt. Verjährung ist auch nicht eingetreten (vgl. hierzu BGH, WM 2015, 865).
507.
51Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich angefallener Anwaltskosten zu. Einen Anspruch aus Verzug macht er ersichtlich nicht geltend; er leitet den Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen unrichtiger Widerspruchsbelehrung her (GA 17). Darauf kommt der Kläger allerdings in der Berufung nicht mehr zurück. Im Übrigen wäre ein Anspruch auf Schadensersatz wegen unzureichender Widerspruchsbelehrung auch nicht schlüssig dargelegt. Der Bundesgerichtshof hat im Anwendungsbereich des HWiG – vorgegeben durch 2 Vorabentscheidungen des EuGH (NJW 2005, 3551 und 3555) – allerdings entschieden, dass die nach diesem Gesetz verlangte Widerrufsbelehrung eine echte Rechtspflicht darstellt, deren Verletzung bei Verschulden zu einem Schadensersatzanspruch führen kann (BGHZ 169, 109, 120; BGH, VersR 2008, 1544). Ob diese Rechtsprechung, die auf den Besonderheiten des HWiG und den insoweit maßgebenden europarechtlichen Vorgaben beruht, unbesehen auf andere Widerrufs-/ oder Widerspruchsrechte übertragen werden kann (so offenbar Ebers in: Schwintowski/ Brömmelmeyer, VVG, 2. Aufl., § 8, Rn. 52), erscheint fraglich. Das kann hier aber dahingestellt bleiben. Selbst wenn man auch im Anwendungsbereich des § 5a VVG a.F. eine Rechtspflicht zur Belehrung über das Widerspruchsrecht annehmen wollte, kann daraus nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Schadensersatzanspruch nur dann hergeleitet werden, wenn die Schadensursächlichkeit des Belehrungsverstoßes feststeht. Dazu aber fehlt jeder Vortrag des Klägers. Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens gilt insoweit nicht (so ausdrücklich BGHZ 169, 109 ff., Tz. 43). Dass der Kläger sich bei ordnungsgemäßer Belehrung zu einem fristgerechten Widerspruch entschlossen hätte, liegt auch eher fern, denn augenscheinlich wollte er sich vertraglich binden und hat den Vertrag dann auch mehr als 6 Jahre lang durchgeführt.
528.
53Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Bei den Kosten für die erste Instanz ist zu Lasten des Klägers berücksichtigt worden, dass er – von der Berufung nicht angegriffen – in Bezug auf den erledigten Teil die Kosten zu tragen hat und zudem mit den Hilfsanträgen insgesamt unterlegen ist.
54Der Senat lässt die Revision zu, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Wie die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrags, dem wirksam widersprochen worden ist, erfolgt, ist bislang in den Einzelheiten nicht geklärt. Soweit die Klage abgewiesen worden ist, stellen sich keine Grundsatzfragen, so dass kein Anlass zu einer Revisionszulassung besteht. Dass der Senat vorliegend ausnahmsweise die Abschlusskosten von den geleisteten Prämien in Abzug gebracht hat, beruht auf einer einzelfallbedingten Besonderheit.
55Berufungsstreitwert: 3.707,97 €
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 19.08.2016 - 8 O 14/16 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
BUNDESGERICHTSHOF
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 13. Januar 2016
beschlossen:
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 11.589,42 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) war gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen , weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 11. November 2015 auf die beabsichtigte Zurückweisung hingewiesen. Auf die dortigen Gründe wird ergänzend Bezug genommen.
- 2
- Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 28. Dezember 2015 gibt keine Veranlassung, von der Zurückweisung der Revision abzusehen.
- 3
- Der Einwand, das Berufungsgericht, sei schon nach Maßstäben des Europarechts gehindert gewesen, Verwirkung anzunehmen, greift nicht durch. Die Maßstäbe für die Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt (siehe im Einzelnen Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 41 f.; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 43 ff.). Die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens steht hier in Einklang mit dieser Rechtsprechung.
- 4
- Die Frage, ob verbraucherschützende Widerspruchsrechte durch nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürften , berührt zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. Der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung steht dies aber nicht entgegen, weil die Ausübung dieser Rechte in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und die nationalen Gerichte ein missbräuchliches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union berücksichtigen dürfen (BVerfG aaO Rn. 44 m.w.N.).
- 5
- Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeinträchtigt auch angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht. Die Erwägungen der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung der Versicherungsnehmer über ihr Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen , werden auch hier nicht berührt. Ob d. VN bei Wiederin- kraftsetzung des Versicherungsvertrages im Jahr 2000 ordnungsgemäß über das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. belehrt wurde, ist nicht entscheidungserheblich. Abgesehen davon, dass d. VN aufgrund der ihm 1996 erteilten Informationen Kenntnis vom Vertragsinhalt hatte, knüpft seine Treuwidrigkeit - anders als in dem der Senatsentscheidung vom 16. Juli 2014 zugrunde liegenden Fall - nicht an die jahrelange Prämienzahlung nach ordnungsgemäßer Belehrung an. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass d. VN durch sein Verhalten im Zusammenhang mit der Wiederinkraftsetzung des Vertrages den Eindruck erweckt hat, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 06.02.2014- 25 O 16184/13 -
OLG München, Entscheidung vom 09.12.2014- 25 U 1381/14 -
BUNDESGERICHTSHOF
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 22. März 2016
beschlossen:
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 9.000 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) war gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen , weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 27. Januar 2016 auf die beabsichtigte Zurückweisung hingewiesen. Auf die dortigen Gründe wird ergänzend Bezug genommen. Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 11. März2016 gibt keine Veranlassung, von der Zurückweisung der Revision abzusehen.
- 2
- Entgegen dessen Auffassung greift hier der Einwand nicht, dass schon nach Maßstäben des Europarechts das Berufungsgericht gehindert gewesen sei, Verwirkung anzunehmen. Die Maßstäbe für die Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt (siehe im Einzelnen Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 41 f.; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 43 ff.). Die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens steht hier im Einklang mit dieser Rechtsprechung.
- 3
- Die Frage, ob verbraucherschützende Widerspruchsrechte durch nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürfen, berührt zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. Der Anwendung von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung steht dies aber nicht entgegen, weil die Ausübung dieser Rechte in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und die nationalen Gerichte ein missbräuchliches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union berücksichtigen dürfen (BVerfG aaO Rn. 44 m.w.N.).
- 4
- Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeinträchtigt auch angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht. Die Erwägungen der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung der Versicherungsnehmer über ihr Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen , werden hier nicht berührt. Ob d. VN ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt wurde, ist hier ausnahmsweise nicht entscheidungserheblich. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass d. VN durch sein Verhalten im Zusammenhang mit dem zweimaligen Einsatz des Versicherungsvertrages zur Sicherung eines Kredits bei dem Versicherer den Eindruck erweckt hat, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 25.06.2013- 10 O 458/12 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 14.01.2015- 11 U 112/13 -
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 19.08.2016 - 8 O 14/16 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 2. April 2014 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 474/13 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger schloss mit der Beklagten eine kapitalbildende Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. Februar 1992 ab. Mit Schreiben vom 17. September 2008 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er wegen seiner Scheidung die Beiträge in Höhe von 131,94 € nicht mehr zahlen könne. Die Parteien einigten sich daraufhin auf eine Beitragssenkung auf 25,- € ab dem 1. November 2008. Der Kläger kündigte die Versicherung mit Schreiben vom 4. Dezember 2011. Die Beklagte erkannte die Kündigung mit Wirkung zum 1. Februar 2012 an und zahlte einen Betrag von 16.855,62 € an den Kläger. Mit Anwaltsschreiben vom 11. Juli 2013 erklärte der Kläger den „Widerspruch des Versicherungsvertrages gemäß § 8 VVG a.F.“.
4Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die verzinsliche Rückerstattung der geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Betrags.
5Der Kläger hat den Erhalt einer Widerrufsbelehrung mit Nichtwissen bestritten. Jedenfalls fehle es an einer ordnungsgemäßen Belehrung, so dass das Widerrufsrecht fortbestehe. Ein Widerruf sei auch noch nach einer Kündigung möglich; zudem sei die Kündigung in einen Widerruf umzudeuten. Verwirkung liege nicht vor. Die fehlerhafte Belehrung führe schließlich auch zu einem Schadensersatzanspruch.
6Der Kläger hat beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen,
8-
9
1. an ihn einen Betrag in Höhe von 35.656,72 € zu bezahlen zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
-
10
2. ihm außergerichtliche Rechtsverfolgungskostgen in Höhe von 1.229,27 € zu bezahlen zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
-
11
3. ihn von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.155,97 € freizustellen, die die Rechtsanwaltskanzlei F & L, Tstraße 19, C, ihm gegenüber hat, die aufgrund der außergerichtlichen Rechtsanwaltstätigkeit in Bezug auf die streitgegenständlichen Forderungen entstanden sind.
Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, nach der Kündigung sei ein Widerruf nicht mehr möglich. Der Kläger habe eindeutig eine Kündigung ausgesprochen, die nicht in einen Widerruf ausgelegt werden könne.
15Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 2. April 2014, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen
16Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass er auch noch nach Vertragsabwicklung infolge Kündigung zum Widerruf berechtigt ist. Die Kündigung sei in einen Widerruf umzudeuten. Jedenfalls sei die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet.
17Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil.
18Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
19II.
20Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
21Der Kläger hat keinen Anspruch auf verzinsliche Erstattung der von ihm auf den Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Rückkaufswerts. Der Kläger war nicht berechtigt, dem 1992 geschlossenen Vertrag gemäß § 8 Abs. 4 VVG in der bis 28. Juli 1994 gültigen Fassung noch im Jahr 2013 zu widersprechen. Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. stand dem Kläger als Versicherungsnehmer das Recht zu, die auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung binnen 10 Tagen ab Unterzeichnung des Versicherungsantrags schriftlich zu widerrufen. Diese Frist hat der Kläger nicht gewahrt. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beginnt die Widerrufsfrist allerdings erst mit einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung. (BGH, VersR 2013, 1513). Ob die hier vorliegende Belehrung, die sich ohne besondere drucktechnische Hervorhebung unter Ziff. 2 der Schlusserklärung zum Versicherungsantrag befindet (GA 30), ausreicht, bedarf keiner Entscheidung.
22Es kommt auch nicht darauf an, ob bei fortbestehendem Widerrufsrecht dessen Ausübung jedenfalls deshalb ausscheidet, weil der Widerruf erst nach vollständiger Leistungserbringung infolge der Kündigung erklärt worden ist (s. dazu aber die Hinweise in der Verfügung vom 21. Juli 2014) oder ob die Kündigung, wie der Kläger meint, in einen Widerruf auszulegen oder umzudeuten wäre.
23Das Widerrufsrecht bzw. etwaige aus einer fehlerhaften Belehrung folgende Ansprüche (s. dazu im Einzelnen das Senatsurteil vom 3. Februar 2012 - 20 U 140/11 -, in juris dokumentiert, Rz. 27) sind verwirkt.
24Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es über einen längeren Zeitraum hindurch nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich hierauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, weil er nach dem Verhalten des Berechtigten annehmen konnte, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. etwa BGHZ 84, 280, 281; BGH, NJW 2008, 2254; Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 242, Rn. 87). Sinn und Zweck des zeitlich befristeten Widerrufsrechts nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. war es, dem Versicherungsnehmer eine Überlegungsfrist einzuräumen und es ihm zu ermöglichen, sich von einem ggf. übereilt getroffenen Entschluss, sich vertraglich gegenüber einem Versicherer zu binden, ohne Angabe von Gründen wieder lösen zu können. Im Ansatz zutreffend mag sein, dass einer Verwirkung die wegen fehlender oder unzutreffender Belehrung mangelnde Kenntnis vom Widerrufsrecht entgegenstehen kann (vgl. BGH, VersR 2014, 817). Dies aber ist nur ein Element im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände. Entscheidend ist der Zweck des Widerrufsrechts, dem Versicherungsnehmer, der sich möglicherweise voreilig zu einem Vertragsabschluss entschieden hat, eine rechtliche Handhabe zu geben, um den Vertrag nicht fortsetzen zu müssen. Dieser Zweck verblasst im Laufe der Zeit und tritt dann in den Hintergrund, wenn der Versicherungsnehmer den abgeschlossenen Vertrag über viele Jahre hinweg fortführt und so zu erkennen gibt, dass er am Vertrag festhalten will. Vorliegend hat der Kläger seinen dahingehenden Willen nicht nur durch die laufenden Beitragszahlungen, sondern vor allem dadurch in besonderer Weise bestätigt, dass er 2008 um eine Beitragsreduzierung gebeten hat, die ihm von der Beklagten auch gewährt worden ist. Dadurch hat er seinen Vertragsbindungswillen deutlich dokumentiert. Bei dieser Sachlage hält der Senat unter Einbeziehung des Umstandes, dass der Vertrag fast 20 Jahre lang durchgeführt worden ist, ein Widerrufsrecht für verwirkt. Der Frage, ob Verwirkung anzunehmen ist, kommt auch keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu, denn es sind stets die Umstände des Einzelfalls maßgebend. Dass auch ein einem Verbraucher eingeräumtes Widerrufsrecht unter besonderen Umständen als verwirkt angesehen werden kann, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW-RR 2005, 180, Rz. 23/24; vgl. zu allem auch die Senatsbeschlüsse vom 27. Januar 2014 und vom 9. April 2014 in der Sache 20 U 192/13).
25Indem der Kläger nach Vertragsbeginn über mehr als 19 Jahre die vereinbarten Prämien gezahlt und zudem 2008 um eine Beitragsreduzierung nachgesucht hat, hat er der Beklagten klar zu erkennen gegeben, dass er am Vertrag festhalten will; hierauf konnte und durfte die Beklagte sich einrichten. Unter diesen Umständen hat der Kläger ein etwa seit 1992 noch fortbestehendes Widerrufsrecht sowie etwaige aus einer fehlerhaften Belehrung über dieses Recht folgende Schadensersatzansprüche verwirkt.
26Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
27Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
28Berufungsstreitwert: 35.656,72 €
(1) Kündigt der Versicherer das Versicherungsverhältnis, wandelt sich mit der Kündigung die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung um. Auf die Umwandlung ist § 165 anzuwenden.
(2) Im Fall des § 38 Abs. 2 ist der Versicherer zu der Leistung verpflichtet, die er erbringen müsste, wenn sich mit dem Eintritt des Versicherungsfalles die Versicherung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt hätte.
(3) Bei der Bestimmung einer Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 hat der Versicherer auf die eintretende Umwandlung der Versicherung hinzuweisen.
(4) Bei einer Lebensversicherung, die vom Arbeitgeber zugunsten seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgeschlossen worden ist, hat der Versicherer die versicherte Person über die Bestimmung der Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 und die eintretende Umwandlung der Versicherung in Textform zu informieren und ihnen eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Monaten einzuräumen.
Von § 152 Abs. 1 und 2 und den §§ 153 bis 155, 157, 158, 161 und 163 bis 170 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers, der versicherten Person oder des Eintrittsberechtigten abgewichen werden. Für das Verlangen des Versicherungsnehmers auf Umwandlung nach § 165 und für seine Kündigung nach § 168 kann die Schrift- oder die Textform vereinbart werden.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 19.08.2016 - 8 O 14/16 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 2. April 2014 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 474/13 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger schloss mit der Beklagten eine kapitalbildende Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. Februar 1992 ab. Mit Schreiben vom 17. September 2008 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er wegen seiner Scheidung die Beiträge in Höhe von 131,94 € nicht mehr zahlen könne. Die Parteien einigten sich daraufhin auf eine Beitragssenkung auf 25,- € ab dem 1. November 2008. Der Kläger kündigte die Versicherung mit Schreiben vom 4. Dezember 2011. Die Beklagte erkannte die Kündigung mit Wirkung zum 1. Februar 2012 an und zahlte einen Betrag von 16.855,62 € an den Kläger. Mit Anwaltsschreiben vom 11. Juli 2013 erklärte der Kläger den „Widerspruch des Versicherungsvertrages gemäß § 8 VVG a.F.“.
4Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die verzinsliche Rückerstattung der geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Betrags.
5Der Kläger hat den Erhalt einer Widerrufsbelehrung mit Nichtwissen bestritten. Jedenfalls fehle es an einer ordnungsgemäßen Belehrung, so dass das Widerrufsrecht fortbestehe. Ein Widerruf sei auch noch nach einer Kündigung möglich; zudem sei die Kündigung in einen Widerruf umzudeuten. Verwirkung liege nicht vor. Die fehlerhafte Belehrung führe schließlich auch zu einem Schadensersatzanspruch.
6Der Kläger hat beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen,
8-
9
1. an ihn einen Betrag in Höhe von 35.656,72 € zu bezahlen zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
-
10
2. ihm außergerichtliche Rechtsverfolgungskostgen in Höhe von 1.229,27 € zu bezahlen zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
-
11
3. ihn von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.155,97 € freizustellen, die die Rechtsanwaltskanzlei F & L, Tstraße 19, C, ihm gegenüber hat, die aufgrund der außergerichtlichen Rechtsanwaltstätigkeit in Bezug auf die streitgegenständlichen Forderungen entstanden sind.
Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, nach der Kündigung sei ein Widerruf nicht mehr möglich. Der Kläger habe eindeutig eine Kündigung ausgesprochen, die nicht in einen Widerruf ausgelegt werden könne.
15Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 2. April 2014, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen
16Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass er auch noch nach Vertragsabwicklung infolge Kündigung zum Widerruf berechtigt ist. Die Kündigung sei in einen Widerruf umzudeuten. Jedenfalls sei die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet.
17Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil.
18Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
19II.
20Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
21Der Kläger hat keinen Anspruch auf verzinsliche Erstattung der von ihm auf den Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Rückkaufswerts. Der Kläger war nicht berechtigt, dem 1992 geschlossenen Vertrag gemäß § 8 Abs. 4 VVG in der bis 28. Juli 1994 gültigen Fassung noch im Jahr 2013 zu widersprechen. Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. stand dem Kläger als Versicherungsnehmer das Recht zu, die auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung binnen 10 Tagen ab Unterzeichnung des Versicherungsantrags schriftlich zu widerrufen. Diese Frist hat der Kläger nicht gewahrt. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beginnt die Widerrufsfrist allerdings erst mit einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung. (BGH, VersR 2013, 1513). Ob die hier vorliegende Belehrung, die sich ohne besondere drucktechnische Hervorhebung unter Ziff. 2 der Schlusserklärung zum Versicherungsantrag befindet (GA 30), ausreicht, bedarf keiner Entscheidung.
22Es kommt auch nicht darauf an, ob bei fortbestehendem Widerrufsrecht dessen Ausübung jedenfalls deshalb ausscheidet, weil der Widerruf erst nach vollständiger Leistungserbringung infolge der Kündigung erklärt worden ist (s. dazu aber die Hinweise in der Verfügung vom 21. Juli 2014) oder ob die Kündigung, wie der Kläger meint, in einen Widerruf auszulegen oder umzudeuten wäre.
23Das Widerrufsrecht bzw. etwaige aus einer fehlerhaften Belehrung folgende Ansprüche (s. dazu im Einzelnen das Senatsurteil vom 3. Februar 2012 - 20 U 140/11 -, in juris dokumentiert, Rz. 27) sind verwirkt.
24Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es über einen längeren Zeitraum hindurch nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich hierauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, weil er nach dem Verhalten des Berechtigten annehmen konnte, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. etwa BGHZ 84, 280, 281; BGH, NJW 2008, 2254; Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 242, Rn. 87). Sinn und Zweck des zeitlich befristeten Widerrufsrechts nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. war es, dem Versicherungsnehmer eine Überlegungsfrist einzuräumen und es ihm zu ermöglichen, sich von einem ggf. übereilt getroffenen Entschluss, sich vertraglich gegenüber einem Versicherer zu binden, ohne Angabe von Gründen wieder lösen zu können. Im Ansatz zutreffend mag sein, dass einer Verwirkung die wegen fehlender oder unzutreffender Belehrung mangelnde Kenntnis vom Widerrufsrecht entgegenstehen kann (vgl. BGH, VersR 2014, 817). Dies aber ist nur ein Element im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände. Entscheidend ist der Zweck des Widerrufsrechts, dem Versicherungsnehmer, der sich möglicherweise voreilig zu einem Vertragsabschluss entschieden hat, eine rechtliche Handhabe zu geben, um den Vertrag nicht fortsetzen zu müssen. Dieser Zweck verblasst im Laufe der Zeit und tritt dann in den Hintergrund, wenn der Versicherungsnehmer den abgeschlossenen Vertrag über viele Jahre hinweg fortführt und so zu erkennen gibt, dass er am Vertrag festhalten will. Vorliegend hat der Kläger seinen dahingehenden Willen nicht nur durch die laufenden Beitragszahlungen, sondern vor allem dadurch in besonderer Weise bestätigt, dass er 2008 um eine Beitragsreduzierung gebeten hat, die ihm von der Beklagten auch gewährt worden ist. Dadurch hat er seinen Vertragsbindungswillen deutlich dokumentiert. Bei dieser Sachlage hält der Senat unter Einbeziehung des Umstandes, dass der Vertrag fast 20 Jahre lang durchgeführt worden ist, ein Widerrufsrecht für verwirkt. Der Frage, ob Verwirkung anzunehmen ist, kommt auch keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu, denn es sind stets die Umstände des Einzelfalls maßgebend. Dass auch ein einem Verbraucher eingeräumtes Widerrufsrecht unter besonderen Umständen als verwirkt angesehen werden kann, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW-RR 2005, 180, Rz. 23/24; vgl. zu allem auch die Senatsbeschlüsse vom 27. Januar 2014 und vom 9. April 2014 in der Sache 20 U 192/13).
25Indem der Kläger nach Vertragsbeginn über mehr als 19 Jahre die vereinbarten Prämien gezahlt und zudem 2008 um eine Beitragsreduzierung nachgesucht hat, hat er der Beklagten klar zu erkennen gegeben, dass er am Vertrag festhalten will; hierauf konnte und durfte die Beklagte sich einrichten. Unter diesen Umständen hat der Kläger ein etwa seit 1992 noch fortbestehendes Widerrufsrecht sowie etwaige aus einer fehlerhaften Belehrung über dieses Recht folgende Schadensersatzansprüche verwirkt.
26Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
27Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
28Berufungsstreitwert: 35.656,72 €
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung ) unter Berücksichtigung des Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung) dahin auszulegen, dass er einer Regelung - wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (Drittes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG) - entgegensteht, nach der ein Rücktrittsoder Widerspruchsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, selbst wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt oder Widerspruch belehrt worden ist?
Gründe:
- 1
- I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen.
- 2
- Er beantragte bei der Beklagten den Abschluss eines Rentenversicherungsvertrages mit Vertragsbeginn zum 1. Dezember 1998. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhielt er erst mit dem Versicherungsschein. Über sein Widerspruchsrecht nach § 5a des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 wurde der Kläger nicht ausreichend belehrt.
- 3
- Diese inzwischen außer Kraft getretene Vorschrift hatte folgenden Wortlaut: "(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen , wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterla- gen schriftlich widerspricht. … (2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht , den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Der Nachweis über den Zugang der Unterlagen obliegt dem Versicherer. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Abweichend von Satz 1 erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie."
- 4
- Von Dezember 1998 bis Dezember 2002 zahlte der Kläger Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 51.129,15 €. Nachdem er den Vertrag am 1. Juni 2007 gekündigt hatte, kehrte ihm die Beklagte im September 2007 einen Rückkaufswert von 52.705,94 € aus. Mit Schreiben vom 31. März 2008 erklärte der Kläger den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. gegenüber der Beklagten und forderte sie zur Rückzahlung aller Beiträge nebst Zinsen auf.
- 5
- Der Kläger meint, der Rentenversicherungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen die oben genannten Richtlinien verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe er den Widerspruch erklären können.
- 6
- Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger unter Verrechnung des Rückkaufswerts weitere 22.272,56 € von der Beklagten verlangt , abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.
- 7
- II. Unter Aussetzung des Verfahrens ist gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Die Entscheidung über die Revision des Klägers hängt von der - weder offenkundigen noch bereits geklärten - Beantwortung der vorgelegten Frage ab.
- 8
- Die Revision des Klägers hat nur Erfolg, wenn er ungeachtet der Bestimmung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. noch zu einem Widerspruch berechtigt war, nachdem mehr als ein Jahr seit Zahlung der ersten Prämie verstrichen war. Insofern kommt es darauf an, ob Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 (Zweite Richtlinie Lebensversicherung) unter Berücksichtigung des Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 (Dritte Richtlinie Lebensversicherung) dahin auszulegen ist, dass er einer zeitlichen Beschränkung des Widerspruchsrechtsentgegensteht.
- 9
- 1. Nach nationalem deutschem Recht hat der Kläger keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Rückzahlung der Prämien , weil er durch den im März 2008 erklärten Widerspruch das Zustandekommen des Versicherungsvertrages nicht mehr verhindern konnte.
- 10
- a) Da die Beklagte dem Kläger bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte, konnte ein wirksamer Vertrag nur nach Maßgabe des § 5a VVG a.F. zustande kommen. Diese Vorschrift regelte den Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell. Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Der Versicherer nahm dieses dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch diese Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr "galt" er erst dann als abgeschlossen , wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassen der Unterlagen widersprach (§ 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.). Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (vgl. dazu nur Senatsurteil vom 24. November 2010 - IV 252/08, VersR 2011, 337 Rn. 22 m.w.N.; a.A. Rehberg, Der Versicherungsabschluss als Informationsproblem, Versicherungswissenschaftliche Studien Bd. 23 S. 110 f.; Renger, VersR 1994, 753, 758; Dörner /Hoffmann, NJW 1996, 153, 155 ff.; Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung 17. Aufl. § 5a VVG Rn. 8, 23 ff.; LG Essen VersR 1997, 993,
994).
- 11
- Die 14-tägige Frist wurde gegenüber dem Kläger nicht in Lauf gesetzt. Nach den für den Bundesgerichtshof bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte die Beklagte auch im Zuge der Annahme des Antrags und Übersendung des Versicherungsscheins den Kläger nicht in drucktechnisch deutlicher Form i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht.
- 12
- b) Für diesen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., dass das Widerspruchsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das hatte zur Folge, dass der zunächst schwebend unwirksame Vertrag mit Wegfall des Widerspruchsrechts rückwirkend auf den Zeitpunkt der Vertragsannahme durch den Versicherer Wirksamkeit erlangte. Das nationale deutsche Recht ermöglichte auf diese Weise das Zustandekommen eines wirksamen Lebensversicherungsvertrages, selbst wenn dem Versicherungsnehmer vor dessen Wirksamwerden die erforderliche Verbraucherinformation, die auch die Belehrung über das Recht zum Widerspruch einschließt (vgl. Anlage D zum VAG Abschnitt I Nr. 1 Buchst. g), nicht zugegangen war.
- 13
- Nachdem der Kläger die erste von ihm geschuldete Prämie im Dezember 1998 gezahlt hatte, war gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sein Recht zum Widerspruch bereits erloschen, als er diesen im Dezember 2007 erklärte.
- 14
- 2. Der Senats hält eine Auslegung für möglich, dass Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG einer einschränkenden Regelung wie in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. entgegensteht.
- 15
- a) Ob mit den europarechtlichen Vorgaben die Annahme der Wirksamkeit eines Versicherungsvertrages vereinbar ist, wenn der Versicherungsnehmer keine ausreichende Belehrung über das Recht zum Widerspruch erhalten hat, wird in der nationalen Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt.
- 16
- aa) Eine Auffassung verneint dies (BK/Schwintowski, VVG § 5a Rn. 5; Berg, VuR 1999, 335, 342; Döhmer, ZfS 1997, 281, 282 f.; Dörner in Brömmelmeyer u.a., Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Private Krankenversicherung und Gesundheitsreform - Schwachstellen der VVGReform , Versicherungswissenschaftliche Studien Bd. 34 S. 135, 145; Ebers in Micklitz, Verbraucherrecht in Deutschland - Stand und Perspektiven S. 253, 260 ff.; Lenzing in Basedow/Fock, Europäisches Versicherungsvertragsrecht I 2002 S. 139, 165; Rehberg aaO S. 112 ff., 116 f.; Schwintowski, VuR 1996, 223, 238 f.).
- 17
- bb) Demgegenüber sehen andere - unter anderem die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung und das Berufungsgericht - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. im Einklang mit europarechtlichen Vorgaben. Die Regelung schütze nicht zuletzt das Vertrauen von Versicherungsnehmern, die mit den Prämienzahlungen begonnen hätten, in das Bestehen ihres Versicherungsschutzes (vgl. OLG Frankfurt VersR 2005, 631, 633; OLG Düsseldorf VersR 2001, 837, 839; Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 5a Rn. 8 m.w.N.; Dörner/Hoffmann aaO 156; Lorenz, VersR 1995, 616, 625 f.; ders. VersR 1997, 773, 782; Reiff VersR 1997, 267, 271 f.; Wandt, Verbraucherinformation und Vertragsschluss nach neuem Recht, Münsteraner Reihe Heft 24 S. 33).
- 18
- b) Zum Zustandekommen des Versicherungsvertrages und zu den Folgen einer unterbliebenen Belehrung des Versicherungsnehmers über die ihm zustehenden Rechte zur Lösung vom Vertrag enthalten die Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG selbst allerdings keine Vorgaben.
- 19
- aa) Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG, die nach ihrem Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Nr. 1 Buchst. A der Richtlinie 79/267/EWG des Rates vom 5. März 1979 auf den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag Anwendung findet, bestimmt insofern lediglich, dass dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrages "mindestens die in Anhang II Buchstabe A aufgeführten Angaben mitzuteilen" sind. Daraus folgt nur, dass der künftige Versicherungsnehmer nach Anhang II - Buchst. A, rechte Spalte, a.13 zur Richtlinie 92/96/EWG unter anderem über die "Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittrechts" zu belehren ist (vgl. auch Anlage D zum VAG Abschnitt I Nr. 1 Buchst. g "Belehrung über das Recht zum Widerruf oder zum Rücktritt").
- 20
- bb) Das Recht zum Widerspruch oder Rücktritt selbst ist in der Richtlinie 92/96/EWG nicht geregelt. Jedoch wird ein Rücktrittsrecht des Versicherungsnehmers innerhalb einer Frist zwischen 14 und 30 Tagen nach Abschluss des Vertrages in Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der vorangegangenen Richtlinie 90/619/EWG festgeschrieben, die ihrerseits nach Art. 1 Buchst. a die Richtlinie 79/267/EWG ergänzt und daher ebenfalls auf den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag Anwendung findet. Allerdings setzt das dortige Rücktrittsrecht einen bereits geschlossenen Versicherungsvertrag voraus. Bei § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. geht es aber um die vorgelagerte Frage, unter welchen Voraussetzungen von einem Vertragsschluss ausgegangen werden kann. Zudem sind nach Art. 15 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie 90/619/EWG die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts nach dem auf den Versicherungsvertrag anzuwendenden nationalen Recht zu beurteilen, "insbesondere was die Modalitäten betrifft, nach denen der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, dass der Vertrag geschlossen ist".
- 21
- cc) Die Richtlinie 92/96/EWG trifft auch keine Aussage dazu, wie die Nichterfüllung von Informationspflichten zivilrechtlich zu sanktionieren ist oder ob sie gar das Zustandekommen eines Vertrages verhindern kann. Es findet sich weder eine Regelung dazu, ob und in welchem Umfang dem Versicherungsnehmer ein Widerspruchs- oder Rücktrittsrecht bei fehlender Information oder unzureichender Belehrung zukommen soll, noch wird den Mitgliedstaaten - im Gegensatz zu Art. 4 der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen - aufgegeben, dafür Sorge zu tragen, dass ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften geeignete Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers vorsehen, wenn eine vorgesehene Belehrung nicht erfolgt.
- 22
- dd) Die Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG, denen kein auf das materielle Versicherungsvertragsrecht bezogenes Harmonisierungsziel zugrunde liegt (vgl. nur Erwägungsgrund 19 der Richtlinie 92/96/EWG), überlassen insofern die Regelung des Vertragsschlusses und der Folgen einer unterbliebenen Belehrung dem nationalen Gesetzgeber (so z.B. auch Lorenz, VersR 1995 aaO; Präve, ZfV 1994, 374, 380; Rehberg aaO S. 109 f.; Reiff aaO). Der deutsche Gesetzgeber hat die Bestimmung des § 5a VVG a.F. - auch diejenige in Abs. 2 Satz 4 - zur Umsetzung der genannten Richtlinien eingefügt (vgl. BTDrucks. 12/7595; Lorenz VersR 1997 aaO; Renger VersR 1994, 753,
754).
- 23
- c) Nach Auffassung des Senats könnten aber Sinn und Zweck der Informationspflicht in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG sowie die wirksame Gewährleistung des Rücktrittsrechts nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG eine Auslegung rechtfertigen, dass ein Vertrag nicht ohne Information und Belehrung des Versicherungsnehmers zustande kommen darf und das in § 5a VVG a.F. vorgesehene Widerspruchsrecht zeitlich unbegrenzt bleiben muss.
- 24
- Dafür könnten insbesondere die Feststellungen des Europäischen Gerichtshofes im Urteil vom 13. Dezember 2001 (Rs. C-481/99, Heininger , NJW 2002, 281 Rn. 45 ff.) sprechen. Danach müssen Überlegungen zur Rechtssicherheit zurücktreten, soweit sie eine Einschränkung der Rechte implizieren, die dem Verbraucher mit der Richtlinie ausdrücklich verliehen worden sind, um ihn vor den Gefahren zu schützen, die mit einer besonderen Situation bei Abschluss des Vertrages einhergehen. Dieser Schutz ist ein wesentliches Anliegen der Richtlinie 92/96/EWG. Nach deren Erwägungsgründen 20 und 23 soll sich der Versicherungsnehmer vollständig informiert über ein bestimmtes Produkt für den Vertragsschluss entscheiden können (vgl. Lorenz, VersR 1995 aaO 625; Wandt aaO S. 32). Hierzu sind auch Angaben zu den "Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittrechts" erforderlich (Anhang II der Richtlinie 92/96/EWG - Buchst. A, rechte Spalte, a.13).
- 25
- 3. Sollte die zeitliche Beschränkung des Widerspruchsrechts in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht mit Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619/EWG und Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG vereinbar sein, hätte dem Kläger noch im Dezember 2007 die Möglichkeit offen gestanden , dem Zustandekommen des Versicherungsvertrages zu widerspre- chen. Infolgedessen wäre kein Rechtsgrund für die Leistung der Prämien gegeben und der mit der Klage geltend gemachte Rückzahlungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB entstanden.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 13.07.2010- 22 O 587/09 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 31.03.2011 - 7 U 147/10 -
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 19.08.2016 - 8 O 14/16 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
BUNDESGERICHTSHOF
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 13. Juli 2016
beschlossen:
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 871,08 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten (Versicherer) war gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 23. März 2016 auf die beabsichtigte Zurückweisung hingewiesen. Auf die dortigen Gründe wird ergänzend Bezug genommen. Der Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 10. Mai 2016 gibt keine Veranlassung, von der Zurückweisung der Revision abzusehen.
- 2
- 1. Entgegen der Auffassung der Revision ist ein Widerspruchsrecht d. VN nicht selbst dann ausgeschlossen, wenn man die Widerspruchsbelehrung - wegen fehlenden Hinweises auf die erforderliche Textform - als fehlerhaft ansieht. Dies folgt nicht, wie die Revision meint, aus § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. Diese Vorschrift bestimmte zwar, dass das W iderspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse - abweichend vom Wortlaut - richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens - und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. VN - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.
- 3
- Etwas anderes gilt hier entgegen der Ansicht der Revision nicht deshalb, weil bei Abschluss des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages bereits die Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen in Kraft getreten war, durch welche die Zweite und die Dritte Richtlinie Lebensversicherung, die in dem Verfahren IV ZR 76/11 noch maßgeblich waren, ersetzt wurden. Ob gemäß Art. 35 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2002/83/EG gegenüber einem gewerblichen Versicherungsmakler , der sich selbst einen Vertrag vermittelt hat, ein Lösungsrecht ausgeschlossen werden kann, weil er "aufgrund seines Status" des besonderen Schutzes nicht bedarf, braucht hier nicht entschieden zu werden. Dies kommt allenfalls dann in Betracht, wenn ein solcher Versicherungsmakler über die Einzelheiten des Widerspruchsrechts genau informiert war. Wie im Hinweisbeschluss (Rn. 19 f.) ausgeführt, musste das Berufungsgericht nicht als unstreitig zugrunde legen, dass d. VN die Modalitäten der Ausübung des Widerspruchsrechts bei Abschluss des Versicherungsvertrages bekannt waren. Das Berufungsgericht konnte aufgrund der Anhörung d. VN insbesondere nicht feststellen, dass er bei Vertragsschluss wusste, wann die Widerspruchsfrist begann.
- 4
- 2. Die Geltendmachung des Widerspruchsrechts ist auch nicht, wie im Hinweisbeschluss (Rn. 23 ff.) dargelegt, allein aufgrund des Zeitablaufs verwirkt, weil das erforderliche Umstandsmoment nicht erfüllt ist. Auch insoweit genügt es entgegen der Ansicht der Revision nicht, dass es sich bei d. VN um einen gewerbsmäßigen Versicherungsmakler handelte. Der Versicherer verweist ohne Erfolg darauf, er habe im Gegenzug für die Provisionszahlungen erwarten dürfen, dass die Versicherungsinteressenten (auch) durch d. VN als Makler ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht aufgeklärt würden. Dabei verkennt er, dass er - und nicht der Versicherungsmakler - für die ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung verantwortlich war. Dies gilt auch dann, wenn sich - wiehier - ein Versicherungsmakler selbst eine Versicherung vermittelte und nicht wusste, wann die Widerspruchsfrist begann. Das Wissensdefizit hinsichtlich der Voraussetzungen des Fristbeginns konnte nicht, wie die Revision meint, durch die übrigen Angaben in der Widerspruchsbelehrung ausgeglichen werden, zumal d. VN nicht auf die nötige Textform des Wider- spruchs hingewiesen worden war. Dass d. VN das Formerfordernis kannte , ist, wie im Hinweisbeschluss ausgeführt, nicht festgestellt worden. Mit Blick darauf musste das Berufungsgericht auch die Inanspruchnahme des Policendarlehens nicht als vertrauensbegründenden Umstand werten. Dafür reicht es nicht, wie die Revision einwendet, dass tatrichterlich nicht festgestellt ist, dass d. VN im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Darlehens keine Kenntnis von seinem Widerspruchsrecht hatte. Eine solche Kenntnis hätte d. VN mit der Widerspruchsbelehrung und nicht irgendwann später auf anderem Weg vermittelt werden müssen.
- 5
- Aus den genannten Erwägungen kann d. VN auch keine widersprüchliche und deshalb treuwidrige Rechtsausübung angelastet werden.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 21.01.2015- 26 O 177/14 -
OLG Köln, Entscheidung vom 12.06.2015 - 20 U 25/15 -
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 21. Januar 2015 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 177/14 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 871,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Januar 2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 77% und der Beklagten zu 23% auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die gegnerische Partei nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger, von Beruf Versicherungsmakler, schloss mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine fondsgebundene Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. April 2004 ab. Den Vertrag vermittelte er sich selbst; er erhielt dafür von der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Courtage in Höhe von 648,- €. Dem Kläger wurde im Juli 2009 ein Policendarlehen in Höhe von 1.331,43 € gewährt. Mit Anwaltsschreiben vom 3. August 2010 erklärte der Kläger u.a. den Widerspruch nach § 5a VVG a.F., hilfsweise die Kündigung. Die Beklagte erkannte die Kündigung zum 1. Dezember 2010 an und kehrte dem Kläger unter Berücksichtigung des gewährten Policendarlehens und unter Abzug eines Stornoabschlags von 176,37 € sowie abgeführter Kapitalertragssteuer und abgeführtem Solidaritätszuschlag einen Betrag von 925,38 € aus (Anlage K 3). Den Stornoabzug einschließlich Zinsen erstattete die Beklagte während des erstinstanzlichen Verfahrens.
4Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten in erster Linie die verzinsliche Rückerstattung der geleisteten Prämien abzüglich des Policendarlehens und des ausgekehrten Betrags.
5Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei noch im Jahr 2010 zum Widerspruch berechtigt gewesen; die Widerspruchsbelehrung habe nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei nicht europarechtskonform und deshalb nicht anzuwenden. Die Beklagte sei zudem wegen fehlerhafter Belehrung schadensersatzpflichtig.
6Hilfsweise hat der Kläger im Wege der Stufenklage Ansprüche auf einen weitergehenden Rückkaufswert verfolgt.
7Der Kläger hat nach übereinstimmenden Teilerledigungserklärungen bezüglich des nachregulierten Stornoabzugs und des Auskunftsanspruchs in erster Instanz zuletzt beantragt,
81. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.707,97 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
92. die Beklagte zu verurteilen, ihn von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 490,28 € gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten freizustellen;
10hilfsweise,
11die Beklagte zu verurteilen, die Richtigkeit der gemachten Angaben zur Höhe des hälftigen ungezillmerten Fondsvermögens / Mindestrückkaufswertes von 1.699,12 € zum streitgegenständlichen Versicherungsvertrag mit der Nummer XXX721XXX an Eides Statt zu versichern;
12die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen weitergehenden Rückkaufswert in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2010, jedenfalls aber den bei Kündigung zum 1. Dezember 2010 zu Unrecht einbehaltenen Stornoabschlag zum Vertrag mit der Nummer 311721124 in Höhe von 176,37 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2010 zu zahlen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, der Widerspruch sei verfristet; Schadensersatzansprüche bestünden nicht. Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben und sich auf Verwirkung berufen.
16Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. Januar 2015, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, zwar sei die Widerspruchsbelehrung formal und inhaltlich fehlerhaft; die Ausübung des Widerspruchsrechts im Jahr 2010 sei aber rechtsmissbräuchlich. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger als Versicherungsmakler, der sich den Vertrag selbst vermittelt habe, Kenntnis vom Widerspruchsrecht gehabt habe. Gleichwohl habe er die Widerspruchsfrist von 14 Tagen verstreichen lassen und über Jahre Prämien geleistet sowie ein Policendarlehen in Anspruch genommen. Damit habe er seinen Vertragsbindungswillen zum Ausdruck gebracht und bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrags geweckt. Mit diesem Verhalten setze er sich in Widerspruch, wenn er nunmehr geltend mache, ein Vertrag habe nie bestanden. Zu den Hilfsanträgen hat das Landgericht ausgeführt, es bestünden keine nachvollziehbaren Gründe für die Unrichtigkeit der von der Beklagten erteilten Auskunft; ein weiterer Zahlungsanspruch bestehe auch der Sache nach nicht, weil der Kläger mehr als den Mindestrückkaufswert erhalten habe.
17Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträge zu 1. und 2. in vollem Umfang weiterverfolgt, wobei er hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten (Antrag zu 2.) nunmehr wieder Zahlung statt Freistellung verlangt. Es sei irrelevant, dass er als Versicherungsmakler sein Recht zum Widerspruch gekannt habe; eine Belehrung habe kenntnisunabhängig zu erfolgen. Die Widerspruchsbelehrung sei fehlerhaft; § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei nicht anzuwenden. Auch das Policenmodell als solches sei europarechtswidrig.
18Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil. Selbst wenn der Kläger zum Widerspruch berechtigt sein sollte, stünde ihm aus ungerechtfertigter Bereicherung jedenfalls kein Anspruch in der geltend gemachten Höhe zu; hierzu wird auf die Berechnungen im Schriftsatz vom 10. April 2015 (GA 207) und im Schriftsatz vom 15. April 2015 (GA 209) Bezug genommen.
19Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
20II.
21Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg.
22Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der von ihm auf den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag geleisteten Prämien unter Abzug des Risikoanteils sowie der an ihn gezahlten Abschlusscourtage und auf die von der Beklagten gezogenen Nutzungen. In Abzug zu bringen sind das gewährte Policendarlehen, der ausgekehrte Rückkaufswert und der nachregulierte Stornoabzug nebst Zinsen.
231.
24Der Kläger konnte dem Vertragsschluss noch mit Schreiben vom 3. August 2010 widersprechen.
25Die Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist nicht wirksam in Gang gesetzt worden. Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. beginnt der Lauf der hier maßgebenden Frist von 14 Tagen erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 (Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen nach § 10a VAG) vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
26Vorliegend ist die Widerspruchsbelehrung im Versicherungsschein vom 8. März 2004 (Anlage K 1; GA 22) enthalten; sie lautet:
27„Widerspruchsbelehrung
28Der Versicherungsnehmer hat das Recht, dem Versicherungsvertrag bis zum Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der übrigen Verbraucherinformationen zu widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Widerspruchserklärung an die B Lebensversicherung AG.“
29Die Belehrung ist deswegen inhaltlich fehlerhaft, weil der zwingend notwendige Hinweis darauf, dass der Widerspruch in Textform zu erheben ist, fehlt (vgl. BGH, VersR 2004, 497; zuletzt BGH, Urt. v. 19. November 2014 – IV ZR 329/14 -). Dieser Hinweis war nicht deshalb entbehrlich, weil in Satz 2 der Belehrung von der „Absendung“ des Widerspruchs die Rede ist. Damit wird dem Versicherungsnehmer nicht klar vor Augen geführt, dass nur ein in Textform verfasster Widerspruch wirksam ist. Satz 2 bezieht sich lediglich auf den Fall, dass der Versicherungsnehmer den Widerspruch in dokumentierter Form erklären will, und erläutert nur, dass in diesem Fall die rechtzeitige Absendung zur Fristwahrung reicht. Dass ein mündlicher Widerspruch ausgeschlossen ist und in jedem Fall die Textform gewahrt werden muss, ergibt sich aus der Belehrung nicht.
302.
31Der Kläger war noch im Jahr 2010 zum Widerspruch berechtigt. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., der vorsah, dass das Recht zum Widerspruch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt, ist auf Lebens- und Rentenversicherungsverträge nicht anwendbar. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 - (VersR 2014, 817) im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Dezember 2013 - C-209/12 - (VersR 2014, 225) entschieden. Der Senat folgt dieser Entscheidung. Er hat zwar bislang die Auffassung vertreten, eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung, die dazu führt, § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. im Bereich der Lebensversicherung nicht anzuwenden, sei nicht möglich. Der Senat hält die jetzt vom Bundesgerichtshof vorgenommene Beurteilung allerdings für - auch verfassungsrechtlich - vertretbar, so dass keine durchgreifenden Bedenken bestehen, nunmehr auf der Grundlage des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 2014 zu entscheiden.
32Das Widerspruchsrecht ist nicht verwirkt. Mit der Ausübung des Widerspruchs im Jahr 2010 hat der Kläger auch nicht gegen Treu und Glauben verstoßen. Soweit das Landgericht darauf abgehoben hat, alleine die langjährige Vertragsdurchführung mit der Inanspruchnahme eines Policendarlehens lasse das Verhalten des Klägers als treuwidrig erscheinen, reichen diese Umstände nicht aus, um eine Verwirkung des Widerspruchsrechts anzunehmen. Dem steht entgegen, dass die Beklagte es versäumt hat, den Kläger ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht zu belehren, und deshalb als nicht schutzwürdig erscheint (vgl. BGH, aaO, Rz. 38-40). Daran ändert auch nichts, dass der Kläger sich vorliegend den Versicherungsvertrag als Versicherungsmakler selbst vermittelt hat. Allerdings hat das OLG Stuttgart (RuS 2015, 123) die Auffassung vertreten, ein Versicherungsvertreter, der ständig mit der Vermittlung von Lebens- und Rentenversicherungen für die dortige Beklagte betraut war und daher das Recht zum Widerspruch bei Abschluss des selbst vermittelten Versicherungsvertrages kenne, handele widersprüchlich, wenn er sich nach jahrelanger Vertragsdurchführung auf Mängel der Widerspruchsbelehrung berufe und von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch mache. Dem folgt der Senat jedenfalls in dem hier zu entscheidenden Fall, in dem der Kläger als Versicherungsmakler gehandelt hat, nicht. Der Kläger hat bei seiner Anhörung angegeben, ihm sei zwar bei Vertragsabschluss grundsätzlich bekannt gewesen, dass es ein Widerspruchsrecht von 14 Tagen gebe; bei den Schulungen, an denen er teilgenommen habe, sei aber das Vertragswerk nicht angesprochen worden. Er könne deshalb nicht mehr genau sagen, ob er damals gewusst habe, wann die Frist von 14 Tagen beginne. Diese Angaben erscheinen nicht von vornherein unglaubhaft. Kann danach aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger konkrete Kenntnis insbesondere vom Formerfordernis des Widerspruchs (Textform) hatte, kann ihm nicht entgegengehalten werden, er sei als Versicherungsmakler in Bezug auf die allen Versicherungsnehmern gleichermaßen geschuldete ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung weniger schutzwürdig. Entgegenhalten lässt sich auch nicht, dass der Kläger – wie er selbst bekundet hat – damals an einen Widerspruch überhaupt nicht gedacht hat, weil er den Vertrag für „o.k.“ befunden hat. Dass ein Versicherungsnehmer einem Lebensversicherungsvertrag auch nach Jahren noch widersprechen kann, wenn er über sein Widerspruchsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt worden ist, ist schlicht die Folge des Umstandes, dass bei fehlerhafter Belehrung die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden ist, was der Versicherer zu verantworten hat. Darauf, ob der Versicherungsnehmer dem Vertrag bei ordnungsgemäßer Belehrung fristgerecht widersprochen hätte, kommt es nicht an.
333.
34Der Kläger kann somit dem Grunde nach die gezahlten Prämien, die unstreitig 4.416,17 € betragen, aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) zurückverlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat.
35Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB allerdings nicht uneingeschränkt alle Prämien, die der Kläger an die Beklagte entrichtet hat, ohne hierzu durch wirksame Versicherungsverträge verpflichtet zu sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (aaO) darf im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden. In Rechnung zu stellen ist insbesondere, dass der Versicherungsnehmer während der Dauer der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen hat; diesen muss er sich im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung als erlangten Vermögensvorteil anrechnen lassen. Bei Lebensversicherungen kann, so der Bundesgerichtshof, etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (aaO). Dieser ist von der Beklagten im Schriftsatz vom 15. April 2015 mit 475,98 € € angegeben worden (GA 209); dem ist der Kläger nicht entgegengetreten.
36Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt allerdings eine Anrechnung desjenigen Prämienanteils, der auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfallen ist, grundsätzlich nicht in Betracht. Ein Versicherer kann insoweit in aller Regel nicht den Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB erheben (zur näheren Begründung s. etwa Senat, RuS 2015, 121). Das Risiko, dass er bei fehlerhafter Widerspruchsbelehrung und deshalb auch nach Jahren noch möglichem Widerspruch seine Vertragskosten unnötig aufgewandt hat, muss in aller Regel beim Versicherer bleiben.
37Das gilt allerdings in Bezug auf die vorliegend unstreitig an den Kläger gezahlte Abschlusscourtage in Höhe von 648,- € nicht, denn jedenfalls insoweit verhält sich der Kläger widersprüchlich, wenn er sich einerseits auf die Unwirksamkeit des Vertrags nach ausgeübtem Widerspruch beruft, andererseits aber die von ihm für die Vermittlung des letztlich nicht wirksam zustande gekommenen Vertrags vereinnahmte Courtage behalten will.
38Demgemäß ist die Abschlusscourtage in Abzug zu bringen. Einen Abzug von Verwaltungskosten macht die Beklagte vorliegend nicht geltend.
394.
40Nutzungen stehen dem Kläger nur in Höhe von 123,36 € zu.
41Der Anspruch aus § 818 Abs. 1 BGB beschränkt sich auf die Erstattung tatsächlich gezogener Nutzungen (BGH, Beschl. v. 30. Juli 2012 – IV ZR 134/11 – m.w.N.). Hierfür ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Grundsätzlich bedarf es hierzu eines entsprechenden Tatsachenvortrags des Versicherungsnehmers (BGH, aaO). Erstinstanzlich hat der Kläger unter Verweis auf die als Anlage K5 eingereichte Berechnung Zinsen mit einem Zinssatz von 7% geltend gemacht und sich zudem auf einen Bericht des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft über die Geschäftsentwicklung der deutschen Lebensversicherer 2013 bezogen, wonach diese „in den letzten Jahren“ eine Nettoverzinsung von durchschnittlich 5% erzielt hätten (GA 12). Einem solchen Ansatz, mit dem auf einen vermuteten Gewinn abgestellt wird, ist bei der hier streitgegenständlichen fondsgebundenen Lebensversicherung nicht zu folgen.
42Von vornherein fehlt einer solchen Vermutung die Basis für denjenigen Prämienanteil, der auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfällt. Dieser Teil der Prämie wird bestimmungsgemäß nicht zur Kapitalanlage verwendet, so dass auch nicht vermutet werden kann, die Beklagte habe insoweit aus den eingezahlten Beiträgen Nutzungen gezogen.
43Eine solche Vermutung gilt bei fondsgebundenen Lebensversicherungen auch nicht in Bezug auf den Sparanteil der Prämie, denn dieser wird vereinbarungsgemäß in Fondsanteilen angelegt; dem Versicherungsnehmer steht als eine tatsächlich gezogene Nutzung im Sinne von § 818 Abs. 1 BGB nur der mit der Anlage des Sparanteils erzielte Gewinn zu. Diesen hat die Beklagte vorliegend mit 123,36 € angegeben und damit ihrer sekundären Darlegungslast genügt. Dem ist der Kläger auch mit Schriftsatz vom 17. April 2015 nur mit pauschalem, nicht konkret fallbezogenen Vortrag entgegengetreten.
445.
45Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich folgende Berechnung:
464.416,17 € (Beiträge) - 475,98 € (Risikoanteil) - 648,- € (Abschlusscourtage) + 123,36 € (Nutzungen) - 1.331,43 € (Policendarlehen) - 1.004,24 € (Rückkaufswert vor Steuern: 2.512,04 € - 176,37 € - 1.331,43 €) – 208,80 € (nachregulierter Stornoabschlag zuzügl. Zinsen) = 871,08 €.
47Dieser Betrag ist ab dem Tag nach der Zustellung des Mahnbescheides (hier am 2. Januar 2014; § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB), mithin ab dem 3. Januar 2014 mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen.
486.
49Die in erster Instanz erhobene Einrede der Verjährung hat die Beklagte im Berufungsrechtszug nicht wiederholt. Verjährung ist auch nicht eingetreten (vgl. hierzu BGH, WM 2015, 865).
507.
51Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich angefallener Anwaltskosten zu. Einen Anspruch aus Verzug macht er ersichtlich nicht geltend; er leitet den Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen unrichtiger Widerspruchsbelehrung her (GA 17). Darauf kommt der Kläger allerdings in der Berufung nicht mehr zurück. Im Übrigen wäre ein Anspruch auf Schadensersatz wegen unzureichender Widerspruchsbelehrung auch nicht schlüssig dargelegt. Der Bundesgerichtshof hat im Anwendungsbereich des HWiG – vorgegeben durch 2 Vorabentscheidungen des EuGH (NJW 2005, 3551 und 3555) – allerdings entschieden, dass die nach diesem Gesetz verlangte Widerrufsbelehrung eine echte Rechtspflicht darstellt, deren Verletzung bei Verschulden zu einem Schadensersatzanspruch führen kann (BGHZ 169, 109, 120; BGH, VersR 2008, 1544). Ob diese Rechtsprechung, die auf den Besonderheiten des HWiG und den insoweit maßgebenden europarechtlichen Vorgaben beruht, unbesehen auf andere Widerrufs-/ oder Widerspruchsrechte übertragen werden kann (so offenbar Ebers in: Schwintowski/ Brömmelmeyer, VVG, 2. Aufl., § 8, Rn. 52), erscheint fraglich. Das kann hier aber dahingestellt bleiben. Selbst wenn man auch im Anwendungsbereich des § 5a VVG a.F. eine Rechtspflicht zur Belehrung über das Widerspruchsrecht annehmen wollte, kann daraus nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Schadensersatzanspruch nur dann hergeleitet werden, wenn die Schadensursächlichkeit des Belehrungsverstoßes feststeht. Dazu aber fehlt jeder Vortrag des Klägers. Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens gilt insoweit nicht (so ausdrücklich BGHZ 169, 109 ff., Tz. 43). Dass der Kläger sich bei ordnungsgemäßer Belehrung zu einem fristgerechten Widerspruch entschlossen hätte, liegt auch eher fern, denn augenscheinlich wollte er sich vertraglich binden und hat den Vertrag dann auch mehr als 6 Jahre lang durchgeführt.
528.
53Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Bei den Kosten für die erste Instanz ist zu Lasten des Klägers berücksichtigt worden, dass er – von der Berufung nicht angegriffen – in Bezug auf den erledigten Teil die Kosten zu tragen hat und zudem mit den Hilfsanträgen insgesamt unterlegen ist.
54Der Senat lässt die Revision zu, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Wie die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrags, dem wirksam widersprochen worden ist, erfolgt, ist bislang in den Einzelheiten nicht geklärt. Soweit die Klage abgewiesen worden ist, stellen sich keine Grundsatzfragen, so dass kein Anlass zu einer Revisionszulassung besteht. Dass der Senat vorliegend ausnahmsweise die Abschlusskosten von den geleisteten Prämien in Abzug gebracht hat, beruht auf einer einzelfallbedingten Besonderheit.
55Berufungsstreitwert: 3.707,97 €
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
Tenor
-
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. Januar 2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
-
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von Versicherungsprämien und Nutzungsersatz in Anspruch.
- 2
-
Er beantragte am 14. August 1998 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten den Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Nach den - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt der Kläger im August 1998 mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und eine schriftliche Belehrung über sein Widerspruchsrecht in drucktechnisch deutlicher Form gemäß § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (BGBl. I S. 1630).
- 3
-
Diese mehrfach geänderte und mit Ablauf des Jahres 2007 außer Kraft getretene Vorschrift hatte in der bis zum 31. Juli 2001 gültigen Fassung folgenden Wortlaut:
-
"(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widerspricht. …
-
(2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. …"
- 4
-
Aufgrund eines Änderungsantrages des Klägers wurde im Januar 2004 ein neuer Versicherungsschein ausgestellt, den der Kläger nach den - von der Revision ebenfalls nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts mit den Versicherungsbedingungen, einer Verbraucherinformation und einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung erhielt.
- 5
-
Der Kläger zahlte von September 1998 bis März 2004 Prämien in Höhe von insgesamt 17.128,55 €. Nachdem er den Vertrag im März 2004 gekündigt hatte, kehrte ihm die Beklagte den Rückkaufswert in Höhe von 12.481,57 € aus.
- 6
-
Mit Schreiben vom 8. März 2011 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten "den Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. bzw. nach § 8 VVG bzw. den Widerruf nach § 355 BGB".
- 7
-
Mit der Klage begehrt der Kläger die Differenz zwischen gezahlten Prämien und ausgekehrtem Rückkaufswert sowie Nutzungsersatz in Höhe einer 7%-igen Verzinsung der Prämien. Er meint, der Lebensversicherungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen, weil das in § 5a VVG a.F. geregelte Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.
- 8
-
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Forderung weiter.
Entscheidungsgründe
- 9
-
Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
- 10
-
I. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Dem Kläger stünden keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche auf Rückzahlung der den Rückkaufswert übersteigenden Prämien nebst Zinsen zu. Er habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Regelung des Policenmodells gemäß § 5a VVG a.F. verstoße nicht gegen die Dritte Richtlinie Lebensversicherung. Das Widerspruchsrecht des Klägers sei 14 Tage nach dem Zugang der Police nebst ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen erloschen. Dasselbe gelte hinsichtlich der 2004 durchgeführten Vertragsänderung, so dass offen bleiben könne, ob dem Kläger insoweit ein Recht zum Widerspruch zugestanden habe.
- 11
-
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
- 12
-
Der Kläger kann nicht gemäß den §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 1 BGB Rückzahlung der Prämien und Nutzungsersatz verlangen. Er hat die Prämien mit Rechtsgrund an die Beklagte geleistet (dazu unter 1.). Im Übrigen ist ihm nach jahrelanger Durchführung des Versicherungsvertrages die Berufung auf dessen Unwirksamkeit nach Treu und Glauben wegen widersprüchlichen Verhaltens verwehrt (dazu unter 2.).
- 13
-
1. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag ist auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. wirksam zustande gekommen.
- 14
-
a) Diese Vorschrift regelte den Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell. Es betraf Fälle, in denen der Versicherer - wie hier die Beklagte - dem Versicherungsnehmer bei dessen Antragstellung die Versicherungsbedingungen zunächst nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10a VAG a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte. Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Dieses nahm der Versicherer dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch die Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr galt er gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erst dann als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der vollständigen Unterlagen schriftlich widersprach. Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (vgl. dazu Senatsurteile vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, VersR 2014, 817 Rn. 15; vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08, VersR 2011, 337 Rn. 22 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 10 m.w.N.). Der Vertrag erlangte rückwirkend zum Zeitpunkt der Vertragsannahme Wirksamkeit, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb der Widerspruchsfrist von seinem Recht zum Widerspruch keinen Gebrauch gemacht hatte (Senatsurteil vom 24. November 2010 aaO m.w.N.).
- 15
-
Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Vertrages nach dem Policenmodell sind hier erfüllt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt der Kläger mit dem Versicherungsschein im August 1998 die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen Widerspruchsfrist erklärte der Kläger den Widerspruch nicht.
- 16
-
b) Der so geschlossene Versicherungsvertrag unterliegt entgegen der Auffassung der Revision nicht wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln. Dabei ist der erkennende Senat - anders als es in Bezug auf die Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 14 ff.) der Fall war - nicht gehalten, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Zum einen (dazu sogleich unter c) steht die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts bei Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezogen auf das Policenmodell außer Zweifel, so dass die Vorlagepflicht gemäß § 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) entfällt (vgl. EuGH Slg. 1982, 3415, 3430 und ständig; BVerfG WM 2014, 644 Rn. 27 f.; WM 2014, 647 Rn. 26 ff.). Zum anderen scheidet eine Vorlage aus, weil die Frage der Vereinbarkeit des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. mit dem Gemeinschaftsrecht im Streitfall nicht entscheidungserheblich ist (dazu unter 2.; vgl. BVerfG aaO).
- 17
-
c) Das Policenmodell steht nach Auffassung des Senats eindeutig in Einklang mit den - für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen - Bestimmungen der Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) und Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) und den inhaltsgleichen Bestimmungen der Art. 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 der späteren Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (Abl. L 345 S. 1).
- 18
-
aa) Zwar hat ein Teil der Literatur Bedenken gegen die Richtlinienkonformität des Policenmodells geäußert (BK/Schwintowski, § 5a VVG Rn. 5; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, PK-VersR/Ebers, § 8 Rn. 9 f.; Berg, VuR 1999, 335, 341 f.; Döhmer, zfs 1997, 281, 283; Dörner in Brömmelmeyer/Heiss/Meyer/Rückle/Schwintowski/Wallrabenstein, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Private Krankenversicherung und Gesundheitsreform, Schwachstellen der VVG-Reform 2009 S. 137, 145 f.; Ebers in Micklitz, Verbraucherrecht in Deutschland - Stand und Perspektiven 2005 S. 253, 260 ff.; Lenzing in Basedow/Fock, Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Band I 2002, S. 139, 164 f.; Meyer in Basedow/Meyer/Schwintowski, Lebensversicherung, Internationale Versicherungsverträge und Verbraucherschutz, Versicherungsvertrieb 1996 S. 157, 201 f.; Micklitz/Ebers in Basedow/Meyer/Rückle/Schwintowski, Verbraucherschutz durch und im Internet bei Abschluss von privaten Versicherungsverträgen, Altersvorsorgeverträge, VVG-Reform 2003 S. 43, 82 f.; Osing, Informationspflichten des Versicherers und Abschluß des Versicherungsvertrages 1996 S. 92 f.; Rehberg, Der Versicherungsabschluss als Informationsproblem 2003 S. 109 ff.; Schwintowski, VuR 1996, 223, 238 f.).
- 19
-
Diese Zweifel werden aber in der Instanzrechtsprechung und im weiteren Schrifttum (zu Recht) nicht geteilt (so etwa von weiteren aktuellen, zur revisionsrechtlichen Überprüfung stehenden Berufungsurteilen: OLG Köln, Urteil vom 16. Mai 2014 - 20 U 31/14, S. 7 ff. nicht veröffentlicht; OLG München, Urteil vom 8. Mai 2014 - 14 U 5100/13 S. 4 ff., nicht veröffentlicht; aus der neueren veröffentlichten Rechtsprechung u.a.: OLG München, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 14 U 1804/12, juris Rn. 36 f.; VersR 2013, 1025, 1026; VersR 2012, 1545 f.; OLG Sachsen-Anhalt, Urteile vom 14. Februar 2013 - 4 U 63/12, juris Rn. 41 f.; vom 17. Januar 2013 - 4 U 35/12, juris Rn. 37 ff.; OLG Köln VersR 2013, 443, 445; Urteile vom 2. März 2012 - 20 U 178/11, juris Rn. 25; vom 3. Februar 2012 - 20 U 140/11, juris Rn. 47 ff.; vom 25. November 2011 - 20 U 126/11, juris Rn. 21 ff.; VersR 2011, 248; vom 9. Juli 2010 - 20 U 51/10, juris Rn. 4 ff.; vom 5. Februar 2010 - 20 U 150/09, juris Rn. 5 ff.; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 21. Dezember 2012 - 11 U 40/12, juris Rn. 17; OLG Karlsruhe VersR 2013, 440, 441 f.; OLG Stuttgart VersR 2012, 1373, 1374 f.; OLG Celle, Urteil vom 9. Februar 2012 - 8 U 191/11, juris Rn. 44 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 31. August 2011 - 20 U 81/11, juris Rn. 10 ff.; VersR 2012, 745, 746; OLG Düsseldorf VersR 2001, 837, 838 f.; LG Dessau-Roßlau NJW-RR 2014, 606, 608 f.; LG Köln, Urteil vom 4. März 2013 - 26 O 301/12, juris Rn. 40; r+s 2011, 243, 244; Urteil vom 7. Juli 2010 - 26 O 609/09, juris Rn. 24; LG Münster, Urteil vom 30. August 2011 - 115 O 53/11, juris Rn. 52 ff.; LG Bielefeld, Urteil vom 31. März 2011 - 7 O 329/10, juris Rn. 18; LG Aachen, Urteil vom 5. März 2010 - 9 O 560/09, juris Rn. 36 ff.; LG Kassel r+s 2010, 339; Bruck/Möller/Herrmann, VVG 9. Aufl. § 7 Rn. 65; Prölss/Martin/Prölss, VVG 27. Aufl. § 5a VVG Rn. 8; Römer/Langheid/Römer, VVG 2. Aufl. § 5a Rn. 3; Hofmann, Schutzbriefversicherung (Assistance) 1996 Einf. Rn. 11; Lorenz, VersR 1997, 773, 780 f.; ders. VersR 1995, 616, 625 f.; Reiff, VersR 1997, 267, 271 f.; Römer, Festschrift 50 Jahre BGH S. 375, 389 f.; Schimikowski, r+s 2000, 353, 355; Schirmer, VersR 1996, 1045, 1056; Wandt, Verbraucherinformation und Vertragsschluss nach neuem Recht 1995 S. 32 f., anders nur bezüglich § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F.).
- 20
-
bb) Der Senat sieht ebenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, dass die einschlägigen Richtlinien dem in § 5a VVG a.F. geregelten Policenmodell entgegenstehen könnten.
- 21
-
(1) Die Widerspruchslösung des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist vor allem deshalb nicht zu beanstanden, weil die Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrages enthalten (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 aaO Rn. 18 f., 22). Wie der in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG erwähnte und für die rechtzeitige Information des Versicherungsnehmers maßgebliche "Abschluss" des Versicherungsvertrages auszugestalten ist, ergibt sich daraus ebenso wenig wie aus dem in Bezug genommenen Anhang. In den Materialien zu Art. 31 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung wird zu dem Passus "vor Abschluss des Vertrages" ausgeführt, die Mitgliedstaaten könnten selbst darüber bestimmen, "wann genau ein Vertrag als abgeschlossen gilt und wann genau die … vorgeschriebenen Angaben dem Versicherungsnehmer mitgeteilt werden müssen" (Ratsprotokoll Nr. 2 zu Art. 31, Dok. 7307/92, abgedruckt bei Büchner, Der Referentenentwurf eines Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG auf dem Prüfstand, Münsteraner Reihe Bd. 18 S. 13). Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat in ihrer Stellungnahme vom 12. Oktober 2006 im Rahmen des gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens 2005/5046 ausdrücklich festgehalten, die Frage, wann ein Versicherungsvertrag als abgeschlossen gelten solle, sei "in der Tat eine Sache des nationalen Rechts".
- 22
-
Die Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG verfolgen zudem kein auf das materielle Versicherungsvertragsrecht bezogenes Harmonisierungsziel. Mit der Dritten Richtlinie Lebensversicherung sollten insbesondere Unterschiede zwischen dem Aufsichtsrecht der Mitgliedstaaten beseitigt werden. Die insoweit angestrebte Harmonisierung sollte nach Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 92/96/EWG zu "einer gegenseitigen Anerkennung der Zulassungen und der Aufsichtssysteme" führen. Diese Zielsetzung nahm die spätere Richtlinie 2002/83/EG auf; sie wurde in Erwägungsgrund 2 dergestalt umschrieben, dass "zur Erleichterung der Aufnahme und der Ausübung der Tätigkeiten der Lebensversicherung … gewisse Unterschiede zwischen dem Aufsichtsrecht der verschiedenen Mitgliedstaaten zu beseitigen" sind, "wobei ein angemessener Schutz der Versicherten und der Begünstigten in allen Mitgliedstaaten gewahrt bleiben muss". Daraus ergibt sich, dass neben dem Verbraucherschutz auch die Tätigkeit der Lebensversicherer in den Mitgliedstaaten erleichtert werden sollte. Hingegen sollte die Harmonisierung des für den Versicherungsvertrag geltenden Rechts "keine Vorbedingung für die Verwirklichung des Binnenmarkts im Versicherungssektor" sein. Dies betont Erwägungsgrund 19 der Richtlinie 92/96/EG und führt weiter aus, die den Mitgliedstaaten belassene Möglichkeit, die Anwendung ihres eigenen Rechts für Versicherungsverträge vorzuschreiben, bei denen die Versicherungsunternehmen Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet eingehen, stelle deshalb eine hinreichende Sicherung für die Versicherungsnehmer dar (ebenso Erwägungsgrund 44 der Richtlinie 2002/83/EG). Demnach haben die Richtlinien die Regelung des Vertragsschlusses dem nationalen Gesetzgeber überlassen (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 aaO Rn. 22 m.w.N.).
- 23
-
Der deutsche Gesetzgeber hat zur Umsetzung der genannten Richtlinien neben der aufsichtsrechtlichen Vorschrift des § 10a VAG a.F. die versicherungsvertragsrechtliche Bestimmung des § 5a VVG a.F. eingeführt (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 24 f. unter Bezugnahme auf die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses BT-Drucks. 12/7595 S. 102 m.w.N.). Mit § 5a VVG a.F. bezweckte er nicht primär eine Harmonisierung des Aufsichtsrechts (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 25). Allerdings ist für den Senat nicht ersichtlich, dass der Richtlinie 92/96/EWG aufsichtsrechtlich keine praktische Wirksamkeit verschafft wurde (vgl. BVerfG WM 2014, 644 Rn. 42; WM 2014, 647 Rn. 43). Die Aufsichtsbehörde brauchte bei Vertragsabschlüssen nach dem Policenmodell nicht einzuschreiten, wenn die Versicherer - wie im Streitfall geschehen - ihrer Informationspflicht nach § 10a VAG a.F. nachkamen und den Versicherungsnehmern mit den Policen die erforderlichen Informationen zukommen ließen. Die Überwachungspflicht gemäß § 81 Abs. 1 VAG wurde aber nicht obsolet. Verstöße gegen die Vorgaben des § 10a VAG a.F. zur Gestaltung der Verbraucherinformation waren auch in Bezug auf das Policenmodell zu ahnden.
- 24
-
(2) Ausgehend von dem sich nach nationalem Recht bestimmenden Zustandekommen des Vertrages entspricht § 5a VVG a.F. den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der in den Richtlinien geregelten Informationspflichten in der Ausprägung, die sie durch die Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union gefunden haben. Sinn und Zweck der in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG normierten Informationspflicht sowie die wirksame Gewährleistung des Rücktrittsrechts nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG rechtfertigen nach der - vom Gerichtshof der Europäischen Union bestätigten - Ansicht des Senats die Auslegung, dass ein Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag nicht ohne Information und Belehrung des Versicherungsnehmers zustande kommen darf (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 aaO Rn. 23; EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-209/12, VersR 2014, 225 Rn. 24 f.). Das Interesse des Versicherungsnehmers wurde im Erwägungsgrund 20 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung dergestalt umschrieben, "daß er Zugang zu einer möglichst weiten Palette von in der Gemeinschaft angebotenen Versicherungsprodukten hat, um aus ihnen das seinen Bedürfnissen am besten entsprechende Angebot auswählen zu können". Daran anknüpfend wurde der Zweck der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung im Erwägungsgrund 23 so formuliert: "Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muss er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen." Im Hinblick auf diesen Informationszweck sah Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung in Verbindung mit deren Anhang II A Nr. a.13 vor, dass dem Versicherungsnehmer "mindestens" die "Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittsrechts" mitgeteilt werden mussten, und zwar "vor Abschluss des Vertrages". Sowohl aus der Struktur als auch aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Dritten Richtlinie Lebensversicherung ging demnach eindeutig hervor, dass mit ihr sichergestellt werden sollte, dass der Versicherungsnehmer insbesondere über sein Rücktrittsrecht genau belehrt wird (EuGH aaO Rn. 25).
- 25
-
Diesen Anforderungen genügte § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F., indem er anordnete, dass der Vertrag erst als geschlossen galt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der maßgeblichen Unterlagen - Versicherungsbedingungen, Verbraucherinformation und ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung - widersprach. Die Konstruktion eines schwebend unwirksamen Vertrages gewährleistete, dass der Versicherungsnehmer über sein Widerspruchsrecht belehrt worden sein musste, bevor der Vertrag wirksam werden konnte. Eine vertragliche Bindung des Versicherungsnehmers konnte erst nach der von den Richtlinien geforderten Verbraucherinformation eintreten (vgl. OLG Köln VersR 2013, 443, 445). Auf diese Weise war eine Belehrung des Versicherungsnehmers vor dem (wirksamen) Zustandekommen und damit "vor Abschluss des Vertrages" sichergestellt.
- 26
-
(3) Die für das Policenmodell charakteristische schwebende Unwirksamkeit des Vertrages wurde in dem genannten Vertragsverletzungsverfahren zunächst nicht hinreichend beachtet. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften sah in ihrem an das deutsche Bundesministerium der Justiz gerichteten Aufforderungsschreiben vom 4. April 2006 (S. 4 f.) "die praktische Folge der deutschen Regelung in § 5a VVG bezüglich des Vertragsschlusses (sog. Policenmodell)" darin, "dass ein Versicherungsvertrag zunächst als abgeschlossen gilt, obwohl dem Versicherungsnehmer im Moment seiner Entscheidung betreffend des Versicherungsprodukts keine vollständigen Verbraucherinformationen vorlagen". Daraus zog die Kommission den Schluss, der Versicherungsnehmer werde "an seine Antragstellung auch in den Fällen gebunden, in denen ihm vor Abschluss des Vertrages nicht die von den Richtlinien vorgesehenen Informationen vorlagen". Daran hielt sie nicht mehr fest, nachdem die Bundesregierung mit Schreiben vom 8. Juni 2006 darauf hingewiesen hatte, dass nach dem Policenmodell ein bindender Abschluss erst dann erfolge, wenn der Versicherungsnehmer die vorgeschriebene Verbraucherinformation erhalten habe, über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei und den Widerspruch innerhalb der gesetzlich gewährten Frist von 14 Tagen unterlassen habe. In ihrer Stellungnahme vom 12. Oktober 2006 stellte die Kommission dann ihre - ebenfalls bereits in dem Aufforderungsschreiben enthaltene - Argumentation, dass "zu dieser Zeit die Entscheidung betreffend des Versicherungsprodukts längst getroffen" sei, in den Mittelpunkt. Daher könne nach dem deutschen Recht ein Versicherungsvertrag zunächst als abgeschlossen gelten, es sei denn, dass der Versicherungsnehmer selbst aktiv werde, um der endgültigen Wirksamkeit des Vertrages zu entgehen. Dem Versicherungsnehmer werde damit eine Widerrufslast aufgebürdet. Darüber hinaus müsse der Versicherungsnehmer eine Auswahlentscheidung treffen, ohne zuvor entsprechend unterrichtet worden zu sein. Der eigentliche Zweck der Richtlinienbestimmungen, nach denen der Versicherungsnehmer vor einem Vertragsabschluss über alle notwendigen Informationen verfügen soll, werde vereitelt.
- 27
-
Das rechtfertigt ersichtlich keine abweichende Beurteilung. Da die Richtlinien - wie dargelegt - dem nationalen Gesetzgeber keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrags machten und § 5a VVG a.F. sicherstellte, dass dem Versicherungsnehmer die von den Richtlinien geforderten Informationen vorlagen, bevor der Vertrag nach nationalem Recht zustande kam, war die den Richtlinien zu entnehmende Verpflichtung, den Versicherungsnehmer vor dem ihn bindenden Vertragsschluss umfassend über den künftigen Vertragsinhalt und die ihn begleitenden Umstände zu unterrichten (EuGH VersR 2014, 225 Rn. 24 f.), durch den Regelungsgehalt des § 5a VVG a.F. ohne weiteres gewährleistet (vgl. OLG Düsseldorf VersR 2001, 837, 838 f.; Prölss/Martin/Prölss aaO § 5a Rn. 8; Lorenz, VersR 1995, 616, 625; Römer aaO; Reiff, VersR 1997, 267, 269; Wandt aaO S. 32). Die dem Versicherer in § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. eingeräumte Möglichkeit, dem Versicherungsnehmer erst nach dessen Antrag die Vertragsbestimmungen und die maßgebliche Verbraucherinformation zukommen zu lassen, führte auch nicht etwa zu einer Aushöhlung oder gar Vereitelung der sich aus den Richtlinien ergebenden Informationspflichten (a.A. Meyer aaO S. 202; Schwintowski, VuR 1996, 223, 239). § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. stellte sicher, dass die Widerspruchsfrist erst und nur dann zu laufen begann, wenn der Versicherungsnehmer entsprechend den gesetzlichen Vorgaben informiert worden war. Er konnte in Kenntnis der Vertragsbedingungen, der erforderlichen Information und des ihm zustehenden Widerspruchsrechts frei entscheiden, ob er den Vertrag wirksam werden ließ und von einem Widerspruch Abstand nahm. Damit wurde den erwähnten Erwägungsgründen 20 und 23 der Richtlinie 92/96/EWG Genüge getan, nach denen sich der Versicherungsnehmer vollständig informiert über ein bestimmtes Produkt für den Vertragsschluss entscheiden können soll (Wandt aaO S. 32).
- 28
-
(4) Das in den Richtlinien vorgesehene Informationsmodell lief durch § 5a VVG a.F. nicht etwa deshalb leer, weil innerhalb der auf 14 Tage beschränkten Widerspruchsfrist hinreichende Informationsmöglichkeiten für den Versicherungsnehmer nicht bestanden (so aber Berg, VuR 1999, 335, 339 ff.; Lenzing aaO S. 165; Meyer aaO S. 202). Während des Fristenlaufs konnte der Versicherungsnehmer die Vertragsbedingungen und sonstigen Informationen ohne weiteres eingehend durchsehen und dabei insbesondere erkennen, dass ihm die Möglichkeit zu einem Widerspruch zustand. Die Fristdauer von 14 Tagen - und von 30 Tagen für Lebensversicherungsverträge ab dem 8. Dezember 2004 - war angemessen; sie bewegte sich in dem von Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619/EWG für den Rücktritt vorgegebenen Rahmen von 14 bis 30 Tagen.
- 29
-
Die hinsichtlich der Widerspruchsfrist von der Generalanwältin in ihren Schlussanträgen vom 11. Juli 2013 in der Rechtssache C-209/12 zu dem Vorlagebeschluss des Senats vom 28. März 2012 erhobenen Bedenken gegen die Europarechtskonformität des Policenmodells führen zu keiner anderen Beurteilung. Unter Hinweis auf den Erwägungsgrund 23 sieht sie den Zweck der in Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung verankerten Mitteilungspflicht darin, den künftigen Versicherungsnehmer in die Lage zu versetzen, den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen und ihm "klare und genaue Angaben über die wesentlichen Merkmale der ihm angebotenen Produkte …" zur Verfügung zu stellen (Schlussanträge Nr. 59). Der in Art. 15 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung vorgesehene Rücktritt sei von einem Vertrag, der noch nicht geschlossen sei, weil kein Angebot und keine Annahme vorlägen, die zu einer Vereinbarung der Parteien mit bindenden Vertragsbedingungen führten, nicht möglich (Schlussanträge Nr. 60). Daraus folgert die Generalanwältin, dem (künftigen) Versicherungsnehmer müssten bestimmte Angaben vor Abschluss des Vertrages mitgeteilt werden und nach Mitteilung des Vertragsschlusses müsse ihm eine Rücktrittsfrist von 14 bis 30 Tagen zur Verfügung stehen (Schlussanträge Nr. 61). Der Zweck der Belehrungspflicht wäre nach Auffassung der Generalanwältin verfehlt worden, wenn die Informationen erst nach Abgabe des Angebots durch den Versicherungsnehmer und somit nach seiner Wahl eines Versicherers und eines Vertrages vorgelegt worden wären (Schlussanträge Nr. 62).
- 30
-
Auch daraus ergibt sich unter Berücksichtigung der in jener Sache ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (aaO) aber kein Anhaltspunkt für eine Richtlinienwidrigkeit des Policenmodells. Der Gerichtshof hat dort ausgeführt, die Mitgliedstaaten hätten zwar in der Tat dafür zu sorgen gehabt, dass die praktische Wirksamkeit der einschlägigen Lebensversicherungsrichtlinien unter Berücksichtigung des mit diesen verfolgten Zwecks gewährleistet war (aaO Rn. 23). Er hat aber weiter betont, dass Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung im Hinblick auf den dort angeführten Informationszweck eine Mitteilung der Informationen "vor" Abschluss des Vertrages vorsehe (aaO Rn. 25). Dem Zweck der Informationspflicht ist danach genügt, wenn der Versicherungsnehmer die Informationen erhält, bevor er - wie nach nationalem Recht in § 5a VVG a.F. geregelt - vertraglich gebunden ist (so auch OLG Köln, Urteil vom 16. Mai 2014 - 20 U 31/14 S. 10, nicht veröffentlicht). Dies ist zugleich mit Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung in Einklang zu bringen. Danach beginnt die Rücktrittsfrist, wenn der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, "dass der Vertrag geschlossen ist". Diese Kenntnis konnte dem Versicherungsnehmer nach dem Policenmodell durch die mit dem Versicherungsschein zu erteilende Widerspruchsbelehrung vermittelt werden. Daraus konnte er entnehmen, dass ein - zunächst noch nicht wirksamer - Vertrag geschlossen würde und er sich davon bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist ohne Weiteres lösen, ein Zustandekommen des Vertrages also verhindern konnte.
- 31
-
(5) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass § 5a VVG a.F. dem Versicherungsnehmer eine - von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften beanstandete - "Widerspruchslast" auferlegte und ihn damit zu einem Handeln verpflichtete, wollte er nach Erhalt der erforderlichen Verbraucherinformation das Zustandekommen des Vertrages in der Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. verhindern (so aber Micklitz/Ebers aaO S. 83; Rehberg aaO S. 98, 112 ff.; vgl. BVerfG WM 2014, 644 Rn. 42; WM 2014, 647 Rn. 43). Eine Ausgestaltung in Form einer Hinderung des Wirksamwerdens des Vertrages durch Widerspruch oder Widerruf genügt auch in anderen Fällen europarechtlichen Vorgaben bzw. beruht sogar auf solchen (vergleiche nur § 7 VerbrKrG und § 1 HWiG). Insoweit überzeugt auch der Einwand nicht, dass der künftige Versicherungsnehmer nach dem Policenmodell gegenüber mehreren Versicherern Anträge auf Abschluss von Versicherungsverträgen stellen musste, um mit den Versicherungspolicen die Informationen zu erhalten, die ihm eine sachgerechte Auswahlentscheidung ermöglichten (so Meyer S. 201 f.; vgl. BVerfG aaO). Dass ein Interessent gleichzeitig Anträge bei mehreren Versicherern stellt, um dann die nicht immer zeitgleich bei ihm eingehenden Versicherungsbedingungen während der regelmäßig unterschiedlich laufenden Widerspruchsfristen eingehend zu vergleichen, erscheint in der Tat lebensfremd (vgl. Meyer aaO S. 202 f.; BVerfG aaO m.w.N.). Ihm wurde aber nicht angesonnen, mehrere auf Abschluss verschiedener Versicherungsverträge gerichtete Willenserklärungen abzugeben, von vornherein mit der Absicht, alle Erklärungen bis auf eine fristgerecht zu widerrufen. Wenn der Versicherungsnehmer vor Abgabe einer Vertragserklärung die Leistungen verschiedener Versicherer miteinander vergleichen wollte, war er nicht gezwungen, den Abschluss mehrerer Versicherungen zu beantragen und nach Erhalt der Policen seine Auswahlentscheidung zu treffen. Vielmehr konnte er mehrere Versicherer um entsprechende Informationen oder konkrete Angebote bitten und sich für eine Versicherung entscheiden. Im Übrigen stand dem Versicherungsnehmer eine zeitlich unbegrenzte Wahlfreiheit auch bei einem Vertragsschluss nach dem so genannten Antragsmodell oder vergleichbaren Vertragsgestaltungen nicht zur Verfügung. Wenn er zunächst verschiedene Angebote bei mehreren Versicherern eingeholt hatte, musste er, nachdem er eines angenommen hatte, dann aber noch ein besseres erhielt, durch eine Widerrufs- oder Rücktrittserklärung tätig werden.
- 32
-
2. Die von der der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet im Übrigen auch bereits deshalb aus (vgl. BVerfG WM 2014, 644 Rn. 27; WM 2014, 647 Rn. 24), weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen der Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG unvereinbar ist, hier ohnedies nicht entscheidungserheblich ankommt. Offenbleiben kann daher auch, ob in diesem Fall - wie die Revision meint - alle nach dem Policenmodell geschlossenen Lebens- und Rentenversicherungsverträge ohne weiteres - selbst ohne Widerspruch - von Anfang an unwirksam wären und ob sich darauf auch Versicherer - sogar nach Auszahlung des Rückkaufswertes oder der Versicherungsleistung - berufen könnten. Die Entscheidung dieses Rechtsstreits hängt nicht von der genannten unionsrechtlichen Frage ab, weil es dem Kläger auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt ist, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten.
- 33
-
a) Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (Senatsurteile vom 16. Juli 2014 - IV ZR 88/13 m.w.N., zur Veröffentlichung vorgesehen; vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 40; BGH, Urteil vom 12. November 2008 - XII ZR 134/04, NJW 2009, 1343 Rn. 41; jeweils m.w.N.; vgl. Brand, VersR 2014, 269, 276).
- 34
-
b) So liegt der Fall hier. Der Kläger verhielt sich treuwidrig, indem er nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchführte und erst dann von der Beklagten, die auf den Bestand des Vertrags vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte.
- 35
-
aa) Das Verhalten des Klägers war objektiv widersprüchlich. Die - ihm zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte - Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 1998 und sogar im Zuge der Vertragsänderung 2004 ungenutzt verstreichen. Bis zur Kündigung des Vertrages im März 2004 zahlte er vielmehr regelmäßig die vereinbarten Versicherungsprämien. Nach der Kündigung ließ er rund sieben weitere Jahre vergehen, bis er sich entschied, dem Vertragsschluss zu widersprechen und sich hilfsweise darauf zu berufen, ein Vertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Mit seinem im eigenen Interesse begründeten und über lange Zeit fortgeführten Verhalten setzt sich der Kläger in Widerspruch, wenn er nun geltend macht, ein Vertrag habe nie bestanden (vgl. BGH, Urteile vom 7. Dezember 1989 - VII ZR 130/88, NJW-RR 1990, 417, 418; vom 23. Oktober 1986 - VII ZR 195/85, NJW-RR 1987, 335, 335 f.).
- 36
-
bb) Der Kläger war (anders als etwa der Kläger im Verfahren IV ZR 76/11) von der Beklagten in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Anforderungen des § 5a VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht belehrt worden. Daher war ihm bekannt, dass er den Vertrag nicht hätte zustande kommen lassen müssen und ihm die Beklagte jedenfalls ein Recht zur Lösung zugestand. Vor diesem Hintergrund können seine jahrelangen Prämienzahlungen nur als Ausdruck seines Willens, den Vertrag durchzuführen, verstanden werden. Da die Beklagte die Prämien entgegennahm und erkennbar von einem bestehenden Versicherungsvertrag ausging, konnte er bis zur Kündigung erwarten, Versicherungsschutz zu genießen, der zweifelsfrei bei Eintritt eines Versicherungsfalles in Anspruch genommen worden wäre. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Kläger nicht sicher wissen konnte, ob das Policenmodell gemeinschaftsrechtswidrig war und ihm - wenn es so wäre - der geltend gemachte bereicherungsrechtliche Anspruch auf Rückzahlung der Prämien zustünde. Ein Rechtsverlust durch widersprüchliches Verhalten kann wegen der an Treu und Glauben ausgerichteten objektiven Beurteilung selbst dann eintreten, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von seiner Berechtigung hat (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2007 - V ZR 190/06, NJW 2007, 2183 Rn. 8 m.w.N.).
- 37
-
cc) Ebenso wenig sind für den aus widersprüchlichem Verhalten hergeleiteten Einwand des Rechtsmissbrauchs unredliche Absichten oder ein Verschulden des Klägers erforderlich (vgl. BGH, Urteile vom 12. November 2008 aaO Rn. 41; vom 20. März 1968 - VIII ZR 127/67, WM 1968, 876 unter 3 c; MünchKomm-BGB/Roth/Schubert, 6. Aufl. § 242 Rn. 288 m.w.N.; Staudinger/Looschelders/Olzen, BGB [2009] § 242 Rn. 293 m.w.N.). Durch das Verhalten des Rechtsinhabers muss nur ein ihm erkennbares, schutzwürdiges Vertrauen der Gegenseite auf eine bestimmte Sach- oder Rechtslage hervorgerufen worden sein (MünchKomm-BGB/Roth/Schubert aaO Rn. 288; Staudinger/Looschelders/Olzen aaO Rn. 292 m.w.N.).
- 38
-
Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits 1998 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten Klägers haben bei der Beklagten ein solches schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Dieses Vertrauen wurde durch den Änderungsantrag des Klägers, der das Festhalten an dem Versicherungsverhältnis nochmals verdeutlichte, sogar noch verstärkt. Das Verhalten des Klägers sprach aus Sicht der Beklagten dafür, dass er selbst den Vertrag durchführen, ihn als wirksam behandeln und erfüllen wolle, und begründete das Vertrauen der Beklagten, der Kläger halte am Bestehen des Vertrages - auch für die Vergangenheit - fest.
- 39
-
Die Beklagte hatte durch die Wahl des Policenmodells zwar die Ursache für die vom Kläger behauptete Unwirksamkeit des Vertrages gesetzt. Ihr Vertrauen ist gleichwohl schutzwürdig, weil sie dem Kläger den gesetzlichen Vorgaben des nationalen Rechts entsprechend eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung und auch die weiteren Informationen erteilt hatte. Dem Vertrauensschutz der Beklagten steht auch nicht entgegen, dass die Richtlinienkonformität des Policenmodells im Schrifttum in Zweifel gezogen wurde. Das Policenmodell entsprach dem damals geltenden nationalen Recht; seine etwaige Gemeinschaftsrechtswidrigkeit stand nicht fest und konnte der Beklagten nicht positiv bekannt sein. Von einer überlegenen Rechtskenntnis auf ihrer Seite kann insoweit jedenfalls keine Rede sein.
- 40
-
Für den Kläger war die vertrauensbegründende Wirkung seines Verhaltens auch erkennbar. Er konnte bemerken, dass die Beklagte auf den Bestand des Versicherungsvertrages vertraute, nachdem er trotz Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, jahrelang die Prämien gezahlt hat, ohne die Unwirksamkeit des Vertrages geltend zu machen.
- 41
-
c) Der - von Amts wegen zu berücksichtigende, im Revisionsverfahren von der Beklagten auch geltend gemachte - Einwand von Treu und Glauben greift auch im Falle einer - zugunsten des Klägers unterstellten - Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells durch. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH GRUR 2014, 368 Rn. 42, 49; Slg. 2010, I-635 Rn. 31, 33; jeweils m.w.N.) unterliegen nationale Rechtsmaximen, die einem Anspruch entgegengehalten werden können, dem nationalen Recht, das unter Beachtung des gemeinschaftsrechtlichen Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes angewandt werden muss. Diese vom Gerichtshof anerkannten Verfahrensgrundsätze gebieten, dass die verfahrensrechtlichen Vorgaben des nationalen Rechts nicht ungünstiger sind als bei vergleichbaren Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung eingeräumten Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Die Grundsätze finden auch bei materiellen Ausschlussgründen nach nationalem Recht - wie dem Grundsatz von Treu und Glauben - Anwendung (König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs 2011 S. 114 m.w.N.) und sind hier gewahrt. Der Versicherungsnehmer, dem nach jahrelanger Durchführung des Vertrages die Berufung auf dessen Unwirksamkeit wegen Richtlinienwidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben versagt ist, wird nicht ungünstiger gestellt als bei alleiniger Anwendung des deutschen Rechts. Das in Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619/EWG vorgesehene und in § 5a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 bis 3 VVG a.F. umgesetzte Recht, sich vom Vertrag zu lösen, wird dem Versicherungsnehmer dadurch nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert, da der Gesichtspunkt von Treu und Glauben keineswegs stets bei ordnungsgemäßer Belehrung greift, sondern nur in Fällen jahrelanger Durchführung des Vertrages.
- 42
-
Auch zum Einwand von Treu und Glauben ist entgegen der Ansicht der Revision eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht erforderlich. Die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt. Die Anwendung auf den Einzelfall obliegt dem nationalen Gericht (EuGH Slg. 2000, I-1705 Rn. 35). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die missbräuchliche Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht gestattet (EuGH ZfZ 2014, 100 Rn. 29 m.w.N.; Slg. 2000 aaO Rn. 33; Slg. 1998, I-2843 Rn. 20 m.w.N.; Slg. 1996, I-2357 Rn. 24 m.w.N.). Dies hat der Gerichtshof - ähnlich wie die Anwendung nationaler Fristenregelungen (vgl. EuGH Slg. 1996, I-5223 Rn. 9, 35) - nicht davon abhängig gemacht, ob dem Berechtigten die Rechtslage bekannt war. Die nationalen Gerichte können vielmehr das missbräuchliche Verhalten des Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien in Rechnung stellen, um ihm gegebenenfalls die Berufung auf die geltend gemachte Bestimmung des Gemeinschaftsrechts zu verwehren. Dabei müssen sie jedoch die mit dieser Bestimmung verfolgten Zwecke beachten (EuGH Slg. 2000 aaO Rn. 34; Slg. 1996 aaO Rn. 25). Die Anwendung einer nationalen Vorschrift - wie hier § 242 BGB - darf somit die Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen (EuGH Slg. 2000 aaO Rn. 34 m.w.N.; Slg. 1998 aaO Rn. 22; Slg. 1996, I-1347 Rn. 68). Es obliegt dem nationalen Gericht, im bei ihm anhängigen Rechtsstreit festzustellen, ob die Anwendung der nationalen Vorschrift mit dieser Anforderung vereinbar ist (EuGH Slg. 2000 aaO Rn. 35). Hier beeinträchtigt die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben weder die Wirksamkeit noch die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Der vom Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 19. Dezember 2013 (aaO Rn. 25) dargelegte Zweck der Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen, wird nicht berührt, wenn einem Versicherungsnehmer, der vom Versicherer dem geltenden nationalen Recht entsprechend ordnungsgemäß belehrt wurde, nach jahrelanger Durchführung des Vertrages die Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs unter Berufung auf ein gemeinschaftsrechtswidriges Zustandekommen des Vertrages verwehrt wird.
-
Mayen Felsch Harsdorf-Gebhardt
-
Dr. Karczewski Dr. Brockmöller
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.