Landgericht Köln Urteil, 21. Juli 2016 - 14 O 255/15

ECLI:ECLI:DE:LGK:2016:0721.14O255.15.00
bei uns veröffentlicht am21.07.2016

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.893,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.07.2015 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.


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Urteilsbesprechung zu Landgericht Köln Urteil, 21. Juli 2016 - 14 O 255/15

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Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 291 Prozesszinsen


Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab
Landgericht Köln Urteil, 21. Juli 2016 - 14 O 255/15 zitiert 13 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 276 Verantwortlichkeit des Schuldners


(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos

Urheberrechtsgesetz - UrhG | § 97 Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz


(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch a

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 13 Wertgebühren


(1) Wenn sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, beträgt bei einem Gegenstandswert bis 500 Euro die Gebühr 49 Euro. Die Gebühr erhöht sich bei einem Gegen- standswert bis ... Eurofür jeden angefangenen Betrag von weiteren ... Euroum ... E

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 831 Haftung für den Verrichtungsgehilfen


(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl

Urheberrechtsgesetz - UrhG | § 2 Geschützte Werke


(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere: 1. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme;2. Werke der Musik;3. pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst;4. Werke der bild

Urheberrechtsgesetz - UrhG | § 15 Allgemeines


(1) Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten; das Recht umfaßt insbesondere 1. das Vervielfältigungsrecht (§ 16),2. das Verbreitungsrecht (§ 17),3. das Ausstellungsrecht (§ 18). (2) Der Urheber hat fe

Zivilprozessordnung - ZPO | § 696 Verfahren nach Widerspruch


(1) Wird rechtzeitig Widerspruch erhoben und beantragt eine Partei die Durchführung des streitigen Verfahrens, so gibt das Gericht, das den Mahnbescheid erlassen hat, den Rechtsstreit von Amts wegen an das Gericht ab, das in dem Mahnbescheid gemäß §

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Bundesgerichtshof Urteil, 09. Juli 2015 - I ZR 46/12

bei uns veröffentlicht am 09.07.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 46/12 Verkündet am: 9. Juli 2015 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juni 2015 - I ZR 14/14

bei uns veröffentlicht am 18.06.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DESVOLKES URTEIL I ZR 14/ 1 4 Verkündet am: 18. Juni 2015 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Hintergrundmusik in

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DESVOLKES
URTEIL
I ZR 14/ 1 4
Verkündet am:
18. Juni 2015
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen
Die Wiedergabe von Hörfunksendungen in Wartezimmern von Zahnarztpraxen
ist im Allgemeinen nicht als öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 3
UrhG anzusehen. Sie greift daher in der Regel nicht in das ausschließliche
Recht der Urheber von Musikwerken oder Sprachwerken ein, Funksendungen
ihrer Werke durch Lautsprecher öffentlich wahrnehmbar zu machen (§ 15
Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 5 Fall 1, § 22 Satz 1 Fall 1 UrhG) und begründet auch
keinen Anspruch der ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung, soweit
damit Sendungen ihrer Darbietungen öffentlich wahrnehmbar gemacht werden
BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 - I ZR 14/14 - LG Düsseldorf
AG Düsseldorf
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Juni 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die
Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Prof. Dr. Koch und Feddersen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 8. Januar 2014 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels aufgehoben, soweit hinsichtlich des Zinsanspruchs aus einem Betrag von 51,93 € für den Zeitraum vom 8. September 2012 bis zum 16. Dezember 2012 zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 4. April 2013 auf die Berufung der Klägerin teilweise abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum vom 8. September 2012 bis zum 16. Dezember 2012 aus einem Betrag von 51,93 € weitere Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Die Kosten der Revision hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Sie nimmt die ihr von Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern aufgrund von Berechtigungsverträgen eingeräumten Rechte zur Nutzung von Werken der Tonkunst (mit oder ohne Text) wahr. Sie ist von der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) und der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) ermächtigt, die von diesen wahrgenommenen Rechte und Ansprüche der Urheber von Sprachwerken (VG Wort) sowie der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller (GVL) im eigenen Namen und für eigene Rechnung geltend zu machen. Der Beklagte ist Zahnarzt und betreibt eine zahnärztliche Praxis. In deren Wartebereich werden Hörfunksendungen als Hintergrundmusik übertragen.
2
Die Parteien schlossen am 6. August 2003 einen urheberrechtlichen Lizenzvertrag , mit dem die Klägerin dem Beklagten das Recht zur Nutzung an Werken ihres Repertoires sowie des Repertoires der VG Wort und der GVL zur Wiedergabe von Hörfunksendungen in seiner Praxis gegen Zahlung einer Vergütung einräumte. Der Vertrag war für die Zeit vom 1. Juni 2003 bis zum 31. Mai 2004 geschlossen und verlängerte sich mangels Kündigung jeweils um ein weiteres Jahr. Die für den Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis zum 31. Mai 2013 geschuldete und am 1. Juni 2012 im Voraus fällige Vergütung betrug 113,57 €. Davon entfielen netto 72,70 € auf die Klägerin, 14,54 € (20% der GEMAVergütung ) auf die VG Wort und 18,90 € (26% der GEMA-Vergütung) auf die GVL zuzüglich 7% Umsatzsteuer.
3
Nachdem die Klägerin den Beklagten mehrmals vergeblich zur Zahlung der für den Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis zum 31. Mai 2013 geschuldeten Vergütung aufgefordert hatte, hat sie ihn mit der vorliegenden Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - auf Zahlung von 113,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. September 2012 in Anspruch genommen.
4
Im Laufe des Rechtsstreits hat der Beklagte mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 6. Dezember 2012, der dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 17. Dezember 2012 zugestellt wurde, die fristlose Kündigung des Lizenzvertrags erklärt. Diese hat er damit begründet, dass die Wiedergabe von Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. März 2012 (C-135/10, GRUR 2012, 593 = WRP 2012, 689 - SCF/Del Corso) keine öffentliche Wiedergabe darstelle.
5
Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 61,64 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen (AG Düsseldorf, GRUR-RR 2013, 458). Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben (LG Düsseldorf, Urteil vom 8. Januar 2014 - 23 S 144/13, juris). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer 51,93 € nebst Zinsen.

Entscheidungsgründe:


6
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe gegen den Beklagten nach dem Lizenzvertrag lediglich ein Zahlungsanspruch in Höhe einer anteiligen Vergütung für den Zeitraum vom 1. Juni bis zum 16. Dezember 2012 von 61,64 € zu. Dazu hat es ausgeführt:
7
Das Vertragsverhältnis der Parteien sei durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 6. Dezember 2012 mit Wirkung zum 17. Dezember 2012 been- det worden. Der Beklagte sei zur fristlosen Kündigung des Lizenzvertrags vom 6. August 2003 berechtigt gewesen, weil dessen Geschäftsgrundlage mit dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. März 2012 in der Sa- che „SCF/Del Corso“ entfallen sei. Die Parteien hätten den Lizenzvertrag in der Annahme geschlossen, dass es sich bei der Wiedergabe von Hörfunksendungen im Wartebereich einer Zahnarztpraxis um eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des § 15 Abs. 3 UrhG handele. Diese Geschäftsgrundlage sei durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union entfallen. Dem Urteil sei zu entnehmen, dass eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und damit auch im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG voraussetze , dass die Wiedergabe Erwerbszwecken diene. Ferner ergebe sich aus dem Urteil, dass ein solcher Erwerbszweck bei einer Wiedergabe von Hörfunksendungen im Wartebereich einer Zahnarztpraxis zu verneinen sei.
8
B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat nur hinsichtlich eines Teils des Zinsanspruchs Erfolg. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Klägerin gegen den Beklagten nach dem von den Parteien geschlossenen Lizenzvertrag kein Anspruch auf Zahlung der auf den Zeitraum vom 17. Dezember 2012 bis zum 31. Mai 2013 entfallenden Vergütung in Höhe von 51,93 € zusteht (dazu B I). Der von der Klägerin erhobene Anspruch auf Zahlung von Zinsen aus diesem Betrag ist allerdings für den Zeitraum vom 8. September 2012 bis zum 16. Dezember 2012 begründet (dazu B II).
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I. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Klägerin gegen den Beklagten nach dem von den Parteien geschlossenen Lizenzvertrag kein Anspruch auf Zahlung der auf den Zeitraum vom 17. Dezember 2012 bis zum 31. Mai 2013 entfallenden Vergütung in Höhe von 51,93 € zusteht, weil der Lizenzvertrag durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 6. Dezember 2012 mit Wirkung zum 17. Dezember 2012 beendet worden ist.
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1. Die Klägerin konnte vom Beklagten nach dem Lizenzvertrag vom 6. August 2003 die Zahlung der für den Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis zum 31. Mai 2013 geschuldeten und am 1. Juni 2012 im Voraus fälligen Vergütung für die Wiedergabe von Hörfunksendungen in seiner zahnärztlichen Praxis in Höhe von 113,57 € beanspruchen. Das Berufungsgericht hat aber mit Recht angenommen, dass der Lizenzvertrag mit Zugang der vom Beklagten mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 6. Dezember 2012 erklärten fristlosen Kündigung beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 17. Dezember 2012 beendet worden ist. Der Beklagte war gemäß § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB zur fristlosen Kündigung des Lizenzvertrags berechtigt, weil dessen Geschäftsgrundlage mit dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. März 2012 entfallen und dem Beklagten eine Fortsetzung des Vertrags bis zum Ende der Vertragslaufzeit nicht zumutbar war. Die Klägerin kann vom Beklagten daher nicht mehr die Zahlung der auf den Zeitraum vom 17. Dezember 2012 bis zum 31. Mai 2013 entfallenden Vergütung in Höhe von 51,93 € nebst Zinsen verlangen.
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2. Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann gemäß § 313 Abs. 1 BGB Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung , das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Einer Veränderung der Umstände steht es nach § 313 Abs. 2 BGB gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen. Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil nach § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse nach § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB das Recht zur Kündigung.
12
3. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Änderung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung nach § 313 Abs. 1 und 2 BGB eine Anpassung eines Vertrags rechtfertigen kann, wenn der Geschäftswille der Parteien - wie regelmäßig - auf der gemeinschaftlichen Erwartung vom Fortbestand einer bestimmten Rechtslage aufgebaut war. Die Frage, ob und inwieweit gegebenenfalls eine Anpassung des Vertrags gemäß § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB möglich und zumutbar ist oder der benachteiligte Teil eines Dauerschuldverhältnisses nach § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB das Recht zur Kündigung hat, ist unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien zu entscheiden. Es genügt nicht, dass ein weiteres Festhalten am Vereinbarten nur für eine Partei unzumutbar erscheint; vielmehr muss das Abgehen vom Vereinbarten der anderen Partei auch zumutbar sein (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08, NJW 2010, 440 mwN).
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4. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Beklagte den Lizenzvertrag nach diesen Maßstäben fristlos kündigen konnte.
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a) Beim Abschluss des Lizenzvertrags am 6. August 2003 entsprach es gefestigter Rechtsprechung, dass die Lautsprecherübertragung von Hörfunksendungen in Wartezimmern von Arztpraxen eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG darstellt, die zum einen in das ausschließliche Recht der Urheber von Musikwerken oder Sprachwerken eingreift, Funksen- dungen ihrer Werke durch Lautsprecher öffentlich wahrnehmbar zu machen, und zum anderen einen Anspruch der ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung begründet, soweit damit Sendungen ihrer Darbietungen öffentlich wahrnehmbar gemacht werden.
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aa) Die Wiedergabe ist nach § 15 Abs. 3 Satz 1 UrhG öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört nach § 15 Abs. 3 Satz 2 UrhG jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.
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bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können bereits wenige Personen eine Mehrzahl im Sinne des § 15 Abs. 3 Satz 1 UrhG bilden (BGH, Urteil vom 22. April 2009 - I ZR 216/06, GRUR 2009, 845 Rn. 35 = WRP 2009, 1001 - Internetvideorecorder I; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Juli 1996 - I ZR 22/94, GRUR 1996, 875, 876 - Zweibettzimmer im Krankenhaus). Ob eine Verbundenheit durch persönliche Beziehungen im Sinne von § 15 Abs. 3 Satz 2 UrhG besteht, ist im Wesentlichen Tatfrage (BGH, Urteil vom 24. Juni 1955 - I ZR 178/53, BGHZ 17, 376, 380 - Betriebsfeiern; Urteil vom 7. Oktober 1960 - I ZR 17/59, GRUR 1961, 97, 99 - Sportheim; vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Juli 1974 - I ZR 68/73, GRUR 1975, 33, 34 - Alters-Wohnheim; Urteil vom 17. März 1983 - I ZR 186/80, GRUR 1983, 562, 563 - Zoll- und Finanzschulen, insoweit nicht in BGHZ 87, 126 abgedruckt; Urteil vom 7. Juni 1984 - I ZR 57/82, GRUR 1984, 734, 735 - Vollzugsanstalten).
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cc) Nach diesen Maßstäben haben die Instanzgerichte die Lautsprecherübertragung von Hörfunksendungen als Hintergrundmusik in Arztpraxen als öffentliche Wiedergabe eingestuft, weil eine solche Übertragung für mehrere Per- sonen bestimmt sei und die Patienten weder mit dem Arzt noch miteinander persönlich verbunden seien (vgl. LG Leipzig, NJW-RR 1999, 551, 552; AG Konstanz, NJW-RR 1995, 1325; GRUR-RR 2007, 384; AG Nürnberg, NJW-RR 1996, 683; Wolf, GRUR 1997, 511 ff. mwN; vgl. auch LG Frankfurt/Main, GRUR-RR 2005, 180).
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dd) Handelt es sich bei der Lautsprecherübertragung von Hörfunksendungen als Hintergrundmusik in Arztpraxen um eine öffentliche Wiedergabe, so greift diese zum einen in das ausschließliche Recht der Urheber von Musikwerken (§ 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UrhG) oder Sprachwerken (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG) ein, Funksendungen ihrer Werke durch Lautsprecher öffentlich wahrnehmbar zu machen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 5 Fall 1, § 22 Satz 1 Fall 1 UrhG). Eine solche Wiedergabe begründet zum anderen einen Anspruch der ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung, soweit damit Sendungen ihrer Darbietungen öffentlich wahrnehmbar gemacht werden (§ 78 Abs. 2 Nr. 3 Fall 1 UrhG). Wird zur öffentlichen Wiedergabe der Darbietung ein erschienener oder erlaubterweise öffentlich zugänglich gemachter Tonträger benutzt , auf den die Darbietung der ausübenden Künstler aufgenommen ist, so hat darüber hinaus der Hersteller des Tonträgers gegen die ausübenden Künstler einen Anspruch auf angemessene Beteiligung an der Vergütung, die diese nach § 78 Abs. 2 UrhG erhalten (§ 86 UrhG).
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b) Mit dem Lizenzvertrag vom 6. August 2003 hat die Klägerin dem Beklagten die nach dieser Rechtsprechung zur Nutzung der betroffenen Werke erforderlichen Rechte eingeräumt. Zugleich haben die Parteien die vom Beklagten für die Einräumung dieser Nutzungsrechte und die Wiedergabe der Darbietungen geschuldete Vergütung vereinbart. Dabei sind sie ersichtlich davon ausgegangen , dass die Übertragung von Hörfunksendungen als Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen auch in Zukunft als öffentliche Wiedergabe anzusehen ist, die entsprechende Vergütungsansprüche begründet.
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c) Diese zum Zeitpunkt des Abschlusses und während der Laufzeit des Lizenzvertrags bestehende Rechtslage hat sich durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. März 2012 in der Sache „SCF/Del Corso“ geändert. Im Blick auf diese Entscheidung kann die Wiedergabe von Hörfunksendungen in Wartezimmern von Zahnarztpraxen im Allgemeinen nicht mehr als öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG angesehen werden.
21
aa) Die hier in Rede stehenden Rechte der Urheber und Ansprüche der ausübenden Künstler wegen einer öffentlichen Wiedergabe ihrer Werke und Darbietungen beruhen auf Richtlinien der Europäischen Union. Der Begriff der öffentlichen Wiedergabe ist deshalb in Übereinstimmung mit den entsprechenden Bestimmungen dieser Richtlinien und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen.
22
(1) Das ausschließliche Recht der Urheber zur öffentlichen Wiedergabe ihrer Werke (§ 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG) einschließlich ihres Rechts, Funksendungen ihrer Werke durch Lautsprecher öffentlich wahrnehmbar zu machen (§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 Fall 1, § 22 Satz 1 Fall 1 UrhG), hat seine unionsrechtliche Grundlage in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. Danach sehen die Mitgliedstaaten vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke zu erlauben oder zu verbieten.
23
Die Revision rügt ohne Erfolg, das Recht zur Wiedergabe von Funksendungen nach § 22 UrhG falle nicht in den Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG erfasse lediglich Übermittlungsvorgänge auf Distanz. § 22 UrhG regele dagegen eine unmittelbare Wahrnehmung.
24
Das Recht zur öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG umfasst allerdings nur die Wiedergabe an eine Öffentlichkeit , die nicht an dem Ort anwesend ist, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt (vgl. Erwägungsgrund 23 Satz 2 der Richtlinie 2001/29/EG). Nicht erfasst sind daher direkte Aufführungen und Darbietungen von Werken vor einer Öffentlichkeit, die sich in unmittelbarem körperlichen Kontakt mit der Person befindet, die dieses Werk aufführt oder darbietet (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2011 - C-403/08 und C-429/08, Slg. 2011, I-09083 = GRUR 2012, 156 Rn. 200 bis 202 = WRP 2012, 434 - Football Association Premier League und Murphy; Urteil vom 24. November 2011 - C-283/10, Slg. 2011, I-12031 = GRUR Int. 2012, 150 Rn. 35 und 36 - UCMR-ADA/Zirkus Globus). Bei der hier in Rede stehenden Wiedergabe von Funksendungen über Lautsprecher besteht jedoch kein unmittelbarer körperlicher Kontakt zwischen den ein Werk aufführenden oder darbietenden Personen und einer durch diese Wiedergabe erreichten Öffentlichkeit. Sie fällt daher in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG.
25
§ 22 Satz 1 UrhG setzt gleichfalls keinen solchen unmittelbaren körperlichen Kontakt voraus. Ein Wahrnehmbarmachen im Sinne von § 22 Satz 1 UrhG erfordert zwar eine unmittelbare Wiedergabe des Werkes für die menschlichen Sinne (vgl. v. Ungern-Sternberg in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 22 UrhG Rn. 10; vgl. auch BGH, GRUR 1996, 875, 876 - Zweibett- zimmer im Krankenhaus). Dazu bedarf es aber keines unmittelbaren körperlichen Kontakts zwischen den das Werk aufführenden oder darbietenden Personen und einer durch diese Wiedergabe erreichten Öffentlichkeit.
26
(2) Der Anspruch der ausübenden Künstler auf Zahlung einer angemessenen Vergütung für das öffentliche Wahrnehmbarmachen einer Sendung ihrer Darbietungen (§ 78 Abs. 2 Nr. 3 Fall 1 UrhG), dient - ebenso wie der entsprechende Beteiligungsanspruch der Tonträgerhersteller (§ 86 UrhG) - der Umsetzung von Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (kodifizierte Fassung). Danach sehen die Mitgliedstaaten ein Recht vor, das bei Nutzung eines zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks eines solchen Tonträgers für eine öffentliche Wiedergabe die Zahlung einer einzigen angemessenen Vergütung durch den Nutzer und die Aufteilung dieser Vergütung auf die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller gewährleistet.
27
Die öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG umfasst nicht nur die unmittelbare, sondern auch die mittelbare Nutzung des Tonträgers für eine öffentliche Wiedergabe und damit den hier in Betracht kommenden Fall, dass die Sendung der auf einem Tonträger aufgezeichneten Darbietung eines ausübenden Künstlers über Lautsprecher öffentlich wahrnehmbar gemacht wird (vgl. v. Lewinski in Walter/v. Lewinski, European Copyright Law, 2010, Rn. 6.8.17 und 6.8.18).
28
bb) Die hier in Rede stehende Wiedergabe von Hörfunksendungen als Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen erfüllt nicht die Voraussetzungen, die nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. März 2012 in der Sache „SCF/Del Corso“ an eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG zu stellen sind.
29
(1) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in diesem Urteil ausgeführt , die Frage, ob ein Sachverhalt eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG (jetzt Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG) darstelle, erfordere eine individuelle Beurteilung, bei der die drei (nachfolgend aufgeführten) unselbständigen und miteinander verflochtenen Kriterien , die der Gerichtshof in dem etwas anders gelagerten Kontext von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG aufgestellt habe, einzeln und in ihrem Zusammenwirken miteinander zu berücksichtigen seien, da sie - je nach Einzelfall - in sehr unterschiedlichem Maße vorliegen könnten (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 78 bis 81 - SCF/Del Corso; vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. März 2012 - C-162/10, GRUR 2012, 597 Rn. 29 und 30 - PPL/Irland; vgl. weiter BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 - I ZR 46/12, GRUR 2013, 818 Rn. 15 bis 19 = WRP 2013, 1047 - Die Realität).
30
Erstens setze eine „Wiedergabe“ voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig werde, um Dritten einen Zugang zum geschützten Werk zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 82 - SCF/Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 31 - PPL/Irland; vgl. auch EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2006 - C-306/05, Slg. 2006, I-11519 = GRUR 2007, 225 Rn. 42 und 43 - SGAE/Rafael; EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 195 - Football Association Premier League und Murphy; EuGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - C-466/12, GRUR 2014, 360 Rn. 17 und 19 - Svensson/Retriever Sverige; Urteil vom 27. Februar 2014 - C-351/12, GRUR 2014, 473 Rn. 25 und 26 = WRP 2014, 418 - OSA/Léčebné lázně; Urteil vom 27. März 2014 - C-314/12, GRUR 2014, 468 Rn. 39 = WRP 2014, 540 - UPC Telekabel/Constantin Film und Wega).
31
Zweitens sei der Begriff „Öffentlichkeit“ nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 84 - SCF/Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 33 - PPL/Irland; vgl. auch EuGH, Urteil vom 7. März 2013 - C-607/11, GRUR 2013, 500 Rn. 32 - ITV Broadcasting/TVC; EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 21 - Svensson/Retriever Sverige ; GRUR 2014, 473 Rn. 27 - OSA/Léčebné lázně). Hinsichtlich des letztgenannten Kriteriums sei die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergebe. Dabei komme es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk hätten (EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 87 - SCF/Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 35 - PPL/Irland; vgl. auch EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 38 - SGAE/Rafael; GRUR 2013, 500 Rn. 33 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 473 Rn. 28 - OSA/Léčebné lázně).
32
Drittens sei es nicht unerheblich, ob die betreffende Nutzungshandlung Erwerbszwecken diene (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 88 - SCF/Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 36 - PPL/Irland; vgl. auch EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 44 - SGAE/Rafael; EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 - C-431/09 und C-432/09, Slg. 2011, I-9363 = GRUR Int. 2011, 1058 Rn. 80 - Airfield und Canal Digitaal/Sabam; EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 204 - Football Association Premier League und Murphy). Das setze voraus, dass sich der Nutzer gezielt an das Publikum wende, für das die Wiedergabe vorgenommen werde, und dieses für die Wiedergabe aufnahmebereit sei und nicht nur zufällig erreicht werde (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 91 - SCF/Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 37 - PPL/Irland).
33
(2) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat angenommen, nach diesen Kriterien nehme ein Zahnarzt, der - wie der im Ausgangsverfahren des Vorabentscheidungsverfahrens in Rede stehende - kostenlos Tonträger in seiner Praxis für seine Patienten als Hintergrundmusik wiedergebe, keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG vor (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 92 bis 100 - SCF/Del Corso). Dazu hat er ausgeführt :
34
Ein solcher Zahnarzt gebe die Tonträger zwar absichtlich wieder, um seinen Patienten deren Genuss zu verschaffen (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 94 - SCF/Del Corso).
35
Die Patienten eines Zahnarztes bildeten jedoch üblicherweise eine bestimmte Gesamtheit potentieller Leistungsempfänger, da andere Personen grundsätzlich keinen Zugang zur Behandlung durch den Zahnarzt hätten. Auch sei die Zahl der Patienten, für die ein Zahnarzt denselben Tonträger hörbar mache , unerheblich oder sogar unbedeutend, da der Kreis der gleichzeitig in der Praxis anwesenden Personen im Allgemeinen sehr begrenzt sei und aufeinander folgende Patienten in aller Regel nicht Hörer derselben Tonträger seien, insbesondere wenn diese über Rundfunk wiedergegeben würden (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 95 und 96 - SCF/Del Corso).
36
Eine solche Wiedergabe diene auch keinem Erwerbszweck. Ein Zahnarzt , der Tonträger in Anwesenheit seiner Patienten als Hintergrundmusik wiedergebe , könne vernünftigerweise allein wegen dieser Wiedergabe weder eine Erweiterung seines Patientenbestands erwarten noch die Preise der Behandlungen erhöhen. Daher sei eine solche Wiedergabe für sich genommen nicht geeignet, sich auf seine Einkünfte auszuwirken. Die Patienten eines Zahnarztes begäben sich nur zu dem Zweck ihrer Behandlung in eine Zahnarztpraxis, und eine Wiedergabe von Tonträgern gehöre nicht zur Zahnbehandlung. Die Patienten genössen zufällig und unabhängig von ihren Wünschen je nach dem Zeitpunkt ihres Eintreffens in der Praxis und der Dauer des Wartens sowie der Art der Behandlung den Zugang zu bestimmten Tonträgern. Sie seien daher für eine solche Wiedergabe normalerweise nicht aufnahmebereit (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 97 bis 99 - SCF/Del Corso).
37
(3) Das Berufungsgericht hat dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. März 2012 entnommen, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und damit auch im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG setze voraus, dass die Wiedergabe Erwerbszwecken diene. Ferner ergebe sich aus dem Urteil, dass ein solcher Erwerbszweck bei einer Wiedergabe von Hörfunksendungen im Wartebereich einer Zahnarztpraxis fehle.
38
Mit dieser Begründung kann eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und damit ein Eingriff in das ausschließliche Recht der Urheber von Musikwerken oder Sprachwerken, Funksendungen ihrer Werke durch Lautsprecher öffentlich wahrnehmbar zu machen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 5 Fall 1, Abs. 3, § 22 Satz 1 Fall 1 UrhG), nicht verneint werden. Eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG setzt jedenfalls nicht zwingend voraus, dass die Wiedergabe Erwerbszwecken dient.
39
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit seinem Urteil vom 15. März 2012 allein über die Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG (jetzt Richtlinie 2006/115/EG) entschieden (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 64 - SCF/Del Corso). Zur Auslegung dieses Begriffs hat er zwar die bereits zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG aufgestellten Kriterien herangezogen. Dabei hat er jedoch darauf hingewiesen, der Begriff der öffentlichen Wiedergabe werde in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG in Zusammenhängen verwendet, die nicht gleich seien, und zwar ähnliche, aber gleichwohl teilweise unterschiedliche Zielsetzungen verfolgten. Die Urheber verfügten nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG über ein Recht vorbeugender Art, dass es ihnen erlaube, bereits eine beabsichtigte öffentliche Wiedergabe ihrer Werke zu verbieten. Dagegen verfügten die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG über ein Recht mit Entschädigungscharakter , das sie erst bei oder nach der Verwendung eines Tonträgers für eine öffentliche Wiedergabe ausüben könnten. Daraus folge, dass Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG eine individuelle Beurteilung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe erfordere und auf ein im Wesentlichen wirtschaftliches Recht abstelle (EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 74 bis 79 - SCF/Del Corso).
40
Es kann offenbleiben, ob der Hinweis des Gerichtshofs der Europäischen Union, das im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG nicht unerhebliche Kriterium des Erwerbszwecks müsse in Bezug auf Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG in Anbetracht der im Wesentlichen wirtschaftlichen Natur dieses Anspruchs „erst recht“ gelten (EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 89 - SCF/Del Corso), dahin zu verstehen ist, dass diesem Kriterium in Bezug auf den Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG eine größere Bedeutung zukommt als im Zusammenhang mit dem Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG. Jedenfalls kann aus dieser Bemerkung nicht geschlossen werden , dem Kriterium des Erwerbszwecks sei für den Begriff der öffentlichen Wie- dergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG - abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union - mehr als eine „nicht unerhebliche“ Bedeutung beizumessen.
41
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seiner - nach Verkündung des Berufungsurteils ergangenen - Entscheidung vom 27. Februar 2014 (GRUR 2014, 473 Rn. 35 - OSA/Léčebné lázně) ausdrücklich klargestellt, die aus seinem Urteil vom 15. März 2012 hergeleiteten Grundsätze beträfen nicht das in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 bezeichnete Urheberrecht, sondern das Recht mit Entschädigungscharakter der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG. Danach ändert das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. März 2012 nichts daran , dass der Erwerbszweck keine zwingende Voraussetzung einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ist (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 44 - SGAE/Rafael) und für die Einstufung einer Weiterverbreitung als Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG unter Umständen auch unerheblich sein kann (EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 42 und 43 - ITV Broadcasting/TVC).
42
(4) Es kann weiter offenbleiben, ob eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG und damit ein Anspruch der ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung, soweit Sendungen ihrer Darbietungen öffentlich wahrnehmbar gemacht werden (§ 78 Abs. 2 Nr. 3 Fall 1 UrhG), nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. März 2012 zwingend voraussetzt, dass die Wiedergabe Erwerbszwecken dient. Die Revision macht allerdings ohne Erfolg geltend, dieses Urteil sei nicht auf den Vergütungsanspruch der ausübenden Künstler anwendbar, weil es bei dem Urteil allein um den Anspruch der Tonträgerhersteller auf Beteiligung an der Ver- gütung der ausübenden Künstler gegangen sei, und die ausübenden Künstler vor dem Hintergrund ihrer Künstlerpersönlichkeitsrechte im Unterschied zu den Tonträgerherstellern nicht bloße „wirtschaftliche Rechte“ hätten. Der Umstand, dass ausübende Künstler anders als Tonträgerhersteller auch Künstlerpersönlichkeitsrechte haben, ändert nichts daran, dass es sich bei dem den ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG zustehenden Vergütungsanspruch im Wesentlichen um ein wirtschaftliches Recht mit Entschädigungscharakter handelt (EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 75 und 77 - SCF/Del Corso). Ob daraus folgt, dass nur eine Nutzungshandlung , die Erwerbszwecken dient, einen solchen Vergütungsanspruch begründet , kann dahinstehen, da jedenfalls eine andere - zwingende - Voraussetzung einer öffentlichen Wiedergabe im Streitfall nicht erfüllt ist (vgl. nachfolgend Rn. 43 bis 46).
43
(5) Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich (jedenfalls) aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG setzt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zwingend eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten und recht viele Personen als Adressaten voraus. Nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. März 2012 in der Sache „SCF/Del Corso“ ist davon auszugehen, dass diese Voraussetzung im Allgemeinen nicht erfüllt ist, wenn ein Zahnarzt in seiner Praxis für seine Patienten Hörfunksendungen als Hintergrundmusik wiedergibt.
44
Der Begriff „Öffentlichkeit“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nur bei einer unbe- stimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 84 - SCF/Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 33 - PPL/Irland; vgl. auch EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 32 - ITV Broadcas- ting/TVC). Um eine „unbestimmte Zahl potentieller Adressaten“ handelte es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolgt, also nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer privaten Gruppe angehören (vgl. EuGH, Urteil vom 2. Juni 2005 - C-89/04, Slg. 2005, I-4891 = ZUM 2005, 549 Rn. 30 - Mediakabel/Kommissariat für die Medien; Urteil vom 14. Juli 2005 - C-192/04, Slg. 2005, I-7199 = GRUR 2006, 50 Rn. 31 - Lagardère/SPRE und GVL; EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 37 - SGAE/Rafael; GRUR 2012, 593 Rn. 85 - SCF/Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 34 - PPL/Irland). Mit dem Kriterium „recht viele Personen“ ist gemeint, dass der Begriff der Öffentlichkeit eine bestimmte Mindestschwelle enthält und eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen ausschließt. Zur Bestimmung dieser Zahl von Personen ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 38 - SGAE/Rafael; GRUR 2012, 593 Rn. 86 und 87 - SCF/Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 35 - PPL/Irland; GRUR 2013, 500 Rn. 33 - ITV Broadcasting/TVC).
45
Diese Voraussetzungen sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union beispielsweise erfüllt, wenn der Betreiber eines Hotels in Rundfunksendungen übertragene Werke oder abgespielte Tonträger für seine Gäste über in deren Zimmern aufgestellte Fernseh- oder Radiogeräte überträgt (zu Art. 3 Abs. 1 der Richtline 2001/29/EG EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 37 bis 39 - SGAE/Rafael; zu Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG EuGH, GRUR 2012, 597 Rn. 41 und 42 - PPL/Irland) oder der Inhaber einer Gastwirt- schaft im Rundfunk gesendete Werke über einen Fernsehbildschirm und Lautsprecher für die sich in seiner Gastwirtschaft aufhaltenden Gäste wiedergibt (vgl. zu Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 183 bis 207 - Football Association Premier League und Murphy) oder der Betreiber einer Kureinrichtung in Rundfunksendungen wiedergegebene Werke an seine Patienten über in deren Zimmern aufgestellte Fernseh- oder Radioempfänger übermittelt (zu Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG EuGH, GRUR 2014, 473 Rn. 27 bis 30 - OSA/Léčebné lázně). Nicht erfüllt sind diese Voraussetzungen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dagegen bei einer Wiedergabe von Funksendungen durch einen Zahnarzt an die Patienten seiner Praxis. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dazu in seinem Urteil vom 15. März 2012 ausgeführt, die Patienten eines Zahnarztes bildeten üblicherweise eine bestimmte Gesamtheit potentieller Leistungsempfänger , da andere Personen grundsätzlich keinen Zugang zur Behandlung durch den Zahnarzt hätten. Zudem sei die Zahl der Patienten, für die ein Zahnarzt denselben Tonträger hörbar mache, unerheblich oder sogar unbedeutend, da der Kreis der gleichzeitig in der Praxis anwesenden Personen im Allgemeinen sehr begrenzt sei und aufeinander folgende Patienten in aller Regel nicht Hörer derselben Tonträger seien, insbesondere wenn diese über Rundfunk wiedergegeben würden (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 95 und 96 - SCF/Del Corso).
46
Die Revision rügt vergeblich, da regelmäßig jede beliebige Person mit der Bitte um medizinische Behandlung in einer ärztlichen Praxis vorsprechen könne, gebe es dort eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten. Angesichts der erfahrungsgemäß meist vollen Wartezimmer in ärztlichen Praxen könne keine Rede davon sein, dass dortige Werkwiedergaben nur einer unbedeutenden und begrenzten Anzahl von Personen zu Gehör gelangen würden (ebenso Haberstumpf, GRUR Int. 2013, 627, 633). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zwar darauf hingewiesen, dass grundsätzlich die nationalen Gerichte anhand der von ihm aufgestellten Kriterien aufgrund einer umfassenden Beurteilung der gegebenen Situation zu beurteilen haben, ob in einem konkreten Fall ein Zahnarzt, der Tonträger in Gegenwart seiner Patienten als Hintergrundmusik wiedergibt, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG vornimmt (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 93 - SCF/Del Corso). Gleichwohl hat er selbst entschieden, dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG vorliegt. Seiner Beurteilung der Frage, ob die Patienten eines Zahnarztes wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten und recht viele Personen sind, hat er die Feststellung zugrunde gelegt, dass die Patienten eines Zahnarztes üblicherweise eine Gesamtheit von Personen bilden, deren Zusammensetzung weitgehend stabil ist, der Kreis der gleichzeitig in der Praxis eines Zahnarztes anwesenden Personen im Allgemeinen sehr begrenzt ist und die aufeinanderfolgenden Patienten sich in der Anwesenheit abwechseln (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 95 und 96 - SCF/Del Corso). Es ist nicht ersichtlich , dass sich die Situation im Streitfall davon in entscheidungserheblicher Weise unterscheidet. Insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zusammensetzung der Patienten des Beklagten weniger stabil oder der Kreis der gleichzeitig in seiner Praxis anwesenden Personen weniger begrenzt ist als bei Zahnärzten üblich. Deshalb ist auch im vorliegenden Verfahren davon auszugehen , dass die Wiedergabe von Hörfunksendungen in der Zahnarztpraxis nicht öffentlich ist.
47
cc) Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten ist.
48
II. Der von der Klägerin erhobene Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. September 2012 aus 51,93 € ist für den Zeitraum vom 8. September 2012 bis zum 16. De- zember 2012 gemäß § 280 Abs. 1 und 2, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB begründet. Die für den Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis zum 31. Mai 2013 zunächst geschuldete Vergütung in Höhe von insgesamt 113,57 € war nach dem Lizenzvertrag am 1. Juni 2012 im Voraus fällig. Der Beklagte war nach den Feststellungen des Amtsgerichts, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, aufgrund von Mahnungen der Klägerin seit dem 8. September 2012 mit der Zahlung in Verzug (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dieser Verzug hat in Höhe des hier in Rede stehenden Betrages von 51,93 € am 16. Dezember 2012 geendet, weil die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung der auf den Zeitraum vom 17. Dezember 2012 bis zum 31. Mai 2013 entfallenden Vergütung mit der Beendigung des Lizenzvertrags zum 17. Dezember 2012 erloschen ist. Während des Verzuges ist die Geldschuld mit einem Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 247 BGB) zu verzinsen (§ 288 Abs. 1 BGB).
49
C. Danach ist auf die Revision der Klägerin das Berufungsurteil unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abzuändern, soweit hinsichtlich des Zinsanspruchs aus einem Betrag von 51,93 € für den Zeitraum vom 8. September 2012 bis zum 16. Dezember 2012 zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist. Im Umfang der Abänderung ist auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Amtsgerichts aufzuheben und der Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin aus einem Betrag von 51,93 € weitere Zinsen in Höhe von fünf Pro- zentpunkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum vom 8. September 2012 bis zum 16. Dezember 2012 zu zahlen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Büscher Schaffert Kirchhoff
Koch Feddersen

Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 04.04.2013 - 57 C 12732/12 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 08.01.2014 - 23 S 144/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 46/12 Verkündet am:
9. Juli 2015
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Realität II
Die Einbettung eines auf einer Internetseite mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers
für alle Internetnutzer frei zugänglichen Werkes in eine eigene Internetseite
im Wege des "Framing" stellt grundsätzlich keine öffentliche Wiedergabe
im Sinne von § 15 Abs. 2 und 3 UrhG dar.
BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 - I ZR 46/12 - OLG München
LG München I
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Juli 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die
Richter Dr. Kirchhoff, Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler und Feddersen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 16. Februar 2012 aufgehoben, soweit hinsichtlich der Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und Freistellung von Abmahnkosten zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, die Wasserfiltersysteme herstellt und vertreibt, ließ zu Werbezwecken einen etwa zwei Minuten langen Film mit dem Titel „Die Realität“ herstellen, der sich mit der Wasserverschmutzung befasst. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an diesem Film. Der Film war - nach dem Vorbringen der Klägerin ohne ihre Zustimmung - auf der Videoplattform „YouTube“ abrufbar.
2
Die beiden Beklagten sind als selbständige Handelsvertreter für ein mit der Klägerin im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig. Sie unterhalten jeweils eigene Internetseiten, auf denen sie für die von ihnen vertriebenen Produkte werben. Im Sommer 2010 ermöglichten sie Besuchern ihrer Internetseiten , den von der Klägerin in Auftrag gegebenen Film im Wege des „Framing“ abzurufen. Bei einem Klick auf einen elektronischen Verweis („Link“) wurde der Film vom Server der Videoplattform „YouTube“ abgerufen und in einem auf den Webseiten der Beklagten erscheinenden Rahmen („Frame“) abgespielt.
3
Nach Ansicht der Klägerin haben die Beklagten den Film damit unberechtigt im Sinne des § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht. Die Klägerin hat von den Beklagten daher Unterlassung, Schadensersatz und die Freistellung von Abmahnkosten verlangt. Nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung durch die Beklagten haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens übereinstimmend für erledigt erklärt.
4
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin jeweils Schadensersatz in Höhe von je 1.000 € zu zahlen und die Klägerin jeweils von Abmahnkosten in Höhe von je 555,60 € freizustellen; außerdem hat es den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auch hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage auferlegt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage hälftig zwischen den Parteien verteilt (OLG München, ZUM-RD 2013, 398). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
5
Mit Beschluss vom 16. Mai 2013 hat der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwand- ten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft zur Vorabentscheidung vorgelegt (GRUR 2013, 818 = WRP 2013, 1047 - Die Realität I): Stellt die Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite unter Umständen, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dar, auch wenn das fremde Werk damit nicht für ein neues Publikum wiedergegeben wird und die Wiedergabe nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet?
6
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierüber durch Beschluss vom 21. Oktober 2014 (C-348/13, GRUR 2014, 1196 = WRP 2014, 1441 - Best Water International/Mebes und Potsch) wie folgt entschieden: Die Einbettung eines auf einer Website öffentlich zugänglichen geschützten Werkes in eine andere Website mittels eines Links unter Verwendung der Framing -Technik, wie sie im Ausgangsverfahren in Frage steht, allein stellt keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft dar, soweit das betreffende Werk weder für ein neues Publikum noch nach einem speziellen technischen Verfahren wiedergegeben wird, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet.

Entscheidungsgründe:

7
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche seien nicht begründet, weil die Ermöglichung der Wiedergabe fremder Werke auf der eigenen Internetseite in Form eines in dieser Seite aufscheinenden Rahmens („Frames“) keine dem Berechtigten nach §§ 15, 19a UrhG vorbehaltene Nutzungshandlung darstelle. Dazu hat es ausgeführt :
8
Das dem Urheber als Unterfall des Rechts zur öffentlichen Wiedergabe eines Werks in unkörperlicher Form (§ 15 UrhG) vorbehaltene Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) setze voraus, dass sich das Werk in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befinde. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, wenn auf einer Internetseite ein verweisender Link auf eine fremde Seite gesetzt werde, die das geschützte Werk enthalte. Dies gelte auch im - hier in Rede stehenden - Fall eines „framenden“ Links. Bei Verwendung dieser Technik werde die verlinkte Webseite nach Aktivierung des Links unmittelbar in den Computer des Nutzers geladen. Es entscheide daher nicht derjenige, der den Link gesetzt habe, sondern derjenige, der das Werk auf der verlinkten Webseite eingestellt habe, ob das Werk zum Abruf bereitgehalten und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werde. Nehme er das Werk von seiner Webseite, gehe der „framende“ Link ins Leere und bleibe der Rahmen ohne Inhalt. Der Umstand, dass das auf der fremden Webseite wiedergegebene Werk beim „framenden“ Link anders als beim verweisenden Link nicht auf der fremden Sei- te betrachtet, sondern in die eigene Seite eingebunden werde, rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Insbesondere sei unerheblich, ob beim Nutzer dadurch der - tatsächlich unzutreffende - Eindruck erweckt werde, derjenige, der den Link gesetzt habe, halte selbst das Werk zum Abruf bereit.
9
B. Die Revision ist teilweise begründet. Sie hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und Freistellung von Abmahnkosten richtet (dazu B I). Sie hat keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht der Klägerin die Hälfte der Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Unterlassungsantrags auferlegt hat (dazu B II).
10
I. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die von der Klägerin erhobenen Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz (§ 97 Abs. 2 UrhG) und Freistellung von Abmahnkosten (§ 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG aF) nicht verneint werden. Die hier in Rede stehende Wiedergabe eines fremden Werkes auf der eigenen Internetseite im Wege des „Framing“ hat zwar nicht das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) verletzt (da- zu B I 2). Es ist jedoch möglich, dass diese Wiedergabe ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe (§ 15 Abs. 2 UrhG) verletzt hat (dazu B I 3).
11
1. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass der in Rede stehende Film als Filmwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt ist. Die Klägerin verfügt - wie das Berufungsgericht festgestellt hat - über die ausschließlichen Nutzungsrechte an diesem Werk.
12
2. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Wiedergabe des in Rede stehenden Films auf der Internetseite der Beklagten im Wege des „Framing“ kein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des § 19a UrhG dargestellt hat.
13
Die Vorschrift des § 19a UrhG, die Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ins nationale Recht umsetzt, erfordert nach der Rechtsprechung des Senats, dass Dritten der Zugriff auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk eröffnet wird, das sich in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befindet (BGH, GRUR 2013, 818 Rn. 8 - Die Realität I, mwN).
14
Die bloße Verknüpfung eines auf einer fremden Internetseite bereitgehaltenen Werkes mit der eigenen Internetseite im Wege des „Framing“ stellt danach kein öffentliches Zugänglichmachen dar, weil allein der Inhaber der fremden Internetseite darüber entscheidet, ob das auf seiner Internetseite bereitgehaltene Werk für die Öffentlichkeit zugänglich bleibt (vgl. BGH, GRUR 2013, 818 Rn. 9 - Die Realität I, mwN).
15
3. Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob die Wiedergabe des Films auf der Internetseite der Beklagten im Wege des „Framing“ ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe (§ 15 Abs. 2 UrhG) verletzt hat. Die Revision rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen zur Behauptung der Klägerin getroffen hat, der Film sei nicht mit ihrer Zustimmung auf der Vi- deoplattform „YouTube“ eingestellt gewesen, als die Beklagten ihn über ihre Webseite im Wege des Framing zugänglich gemacht haben. Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Behauptung der Klägerin für die Nachprüfung in der Revisionsinstanz als richtig zu unterstellen. Trifft die Behauptung der Klägerin zu, ist die hier in Rede stehende Wiedergabe des Films durch die Beklagten als öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 2 UrhG einzustufen. Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche können daher nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung abgewiesen werden , die Beklagten hätten das Urheberrecht am Film nicht verletzt.
16
a) Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG hat der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Dieses Recht umfasst nach § 15 Abs. 2 Satz 2 UrhG insbesondere das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19 UrhG), das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG), das Senderecht (§ 20 UrhG), das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21 UrhG) sowie das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 22 UrhG). Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 UrhG enthält keine abschließende, sondern eine beispielhafte („insbesondere“) Aufzählung der dem Urheber vorbehaltenen Verwertungsrechte und lässt daher die Anerkennung unbenannter Verwertungsrechte der öffentlichen Wiedergabe zu (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 259/00, BGHZ 156, 1, 13 - Paperboy; v. Ungern-Sternberg in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 19a UrhG Rn. 22).
17
b) Soweit es sich bei dem Recht der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des § 15 Abs. 2 UrhG um nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG harmonisiertes Recht handelt, ist die Bestimmung des § 15 Abs. 2 UrhG richtlinienkonform auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG das Recht der öffentlichen Wiedergabe vollständig harmoni- siert und die Mitgliedstaaten das durch diese Vorschrift begründete Schutzniveau daher weder unterschreiten noch überschreiten dürfen (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - C-466/12, GRUR 2014, 360 Rn. 33 bis 41 - Svensson/ Retriever Sverige). Soweit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG weitergehende Rechte als die in § 15 Abs. 2 Satz 2 UrhG benannten Rechte der öffentlichen Wiedergabe verlangt, ist daher in richtlinienkonformer Auslegung des § 15 Abs. 2 UrhG ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe anzunehmen.
18
c) Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG sehen die Mitgliedstaaten vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
19
aa) Das Recht zur öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG umfasst nur die Wiedergabe an eine Öffentlichkeit, die nicht an dem Ort anwesend ist, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt (vgl. Erwägungsgrund 23 Satz 2 der Richtlinie 2001/29/EG). Nicht erfasst sind daher direkte Aufführungen und Darbietungen von Werken vor einer Öffentlichkeit , die sich in unmittelbarem körperlichen Kontakt mit der Person befindet , die dieses Werk aufführt oder darbietet (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2011 - C-403/08 und C-429/08, Slg. 2011, I-9083 = GRUR 2012, 156 Rn. 200 bis 202 = WRP 2012, 434 - Football Association Premier League und Murphy; Urteil vom 24. November 2011 - C-283/10, Slg. 2011, I-12031 = GRUR Int. 2012, 150 Rn. 35 und 36 - UCMR-ADA/Zirkus Globus).
20
Bei der hier in Rede stehenden Wiedergabe des Films auf der Internetseite der Beklagten hat kein unmittelbarer körperlicher Kontakt zwischen den ein Werk aufführenden oder darbietenden Personen und einer durch diese Wiedergabe erreichten Öffentlichkeit bestanden. Es hat daher eine Wiedergabe an eine Öffentlichkeit vorgelegen, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend gewesen ist. Eine solche Wiedergabe fällt in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG.
21
bb) Der Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG hat zwei Tatbestandsmerkmale, nämlich eine Handlung der Wiedergabe und die Öffentlichkeit dieser Wiedergabe (vgl. EuGH, Urteil vom 7. März 2013 - C-607/11, GRUR 2013, 500 Rn. 21 und 31 - ITV Broadcasting/TVC; EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 16 - Svensson/Retriever Sverige ; zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG [jetzt 2006/115/EG] zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums vgl. EuGH, Urteil vom 15. März 2012 - C-135/10, GRUR 2012, 593 Rn. 70 bis 92 = WRP 2012, 689 - SCF/Del Corso; Urteil vom 15. März 2012 - C-162/10, GRUR 2012, 597 Rn. 25 bis 38 - PPL/Irland; vgl. auch EuGH, Urteil vom 27. Februar 2014 - C-351/12, GRUR 2014, 473 Rn. 34 und 35 = WRP 2014, 418 - OSA/Léčebné lázně).
22
(1) Der Begriff der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ist im Blick auf das Hauptziel der Richtlinie 2001/29/EG, ein hohes Schutzniveau für die Urheber sicherzustellen (vgl. Erwägungsgründe 4 und 9 der Richtlinie 2001/29/EG), weit zu verstehen, und zwar dahin, dass er jede Übertragung geschützter Werke unabhängig vom eingesetzten technischen Mittel oder Verfahren umfasst (vgl. EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 186 und 193 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2013, 500 Rn. 20 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rn. 17 - Svensson/Retriever Sverige ; GRUR 2014, 473 Rn. 23 und 25 - OSA/Léčebné lázně). Eine „Wiedergabe“ setzt voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig wird, um Dritten einen Zugang zum geschützten Werk zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten.
Dabei reicht es aus, wenn Dritte einen Zugang zum geschützten Werk haben, ohne dass es darauf ankommt, ob sie diesen nutzen (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2006 - C-306/05, Slg. 2006, I-11519 = GRUR 2007, 225 Rn. 42 und 43 - SGAE/Rafael; EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 195 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2014, 360 Rn. 19 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 473 Rn. 26 - OSA/Léčebné lázně; Urteil vom 27. März 2014 - C-314/12, GRUR 2014, 468 Rn. 39 = WRP 2014, 540 - UPC Telekabel /Constantin Film und Wega).
23
Danach ist die hier in Rede stehende Bereitstellung von anklickbaren Links zu geschützten Werken als „Zugänglichmachung“ und deshalb als „Handlung der Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG einzustufen (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 20 - Svensson/Retriever Sverige). Die Beklagten sind bei der Einbindung des Films in ihre Internetseiten in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig geworden , um den Nutzern ihrer Internetseiten einen Zugang zu dem Film zu verschaffen , den sie ohne ihr Tätigwerden so nicht gehabt hätten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Nutzer diesen Zugang tatsächlich genutzt haben.
24
(2) Der Begriff der Öffentlichkeit ist nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt (vgl. EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 32 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rn. 21 - Svensson/ Retriever Sverige; GRUR 2014, 473 Rn. 27 - OSA/Léčebné lázně). Hinsichtlich des letztgenannten Kriteriums ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 38 - SGAE/Rafael; GRUR 2013, 500 Rn. 33 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 473 Rn. 28 - OSA/Léčebné lázně).
25
Eine Handlung der Wiedergabe wie die hier in Rede stehende, die der Betreiber einer Internetseite mit anklickbaren Links vornimmt, betrifft sämtliche potentiellen Nutzer der von ihm betriebenen Seite und damit eine unbestimmte und ziemlich große Zahl von Adressaten (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 22 - Svensson/Retriever Sverige). Danach haben die Beklagten eine Wiedergabe für eine Öffentlichkeit vorgenommen.
26
cc) Für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ist es weiterhin erforderlich, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder - ansonsten - für ein neues Publikum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte. Erfolgt die nachfolgende Wiedergabe nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet , braucht nicht geprüft zu werden, ob das Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird; in einem solchen Fall bedarf die Wiedergabe ohne Weiteres der Erlaubnis des Urhebers (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 40 und 41 - SGAE/Rafael; EuGH, Beschluss vom 18. März 2010 - C-136/09, MR-Int 2010, 123 Rn. 38 - OSDD/Divani Akropolis; EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 197 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2013, 500 Rn. 39 und 24 bis 26 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rn. 24 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rn. 14 - BestWater International/Mebes und Potsch).
27
Soweit das betreffende Werk weder nach einem speziellen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet , noch für ein neues Publikum wiedergegeben wird, stellt die Einbettung eines auf einer Webseite öffentlich zugänglichen geschützten Werkes in eine andere Webseite mittels eines Links unter Verwendung der Framing-Technik, wie sie hier in Frage steht, allein keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dar (EuGH, GRUR 2014, 1196 Rn. 19 - BestWater International/Mebes und Potsch). Insoweit kommt es - entgegen der vom Senat in seinem Vorlagebeschluss geäußerten Auffassung (vgl. BGH, GRUR 2013, 818 Rn. 26 - Die Realität I) - nicht darauf an, dass sich derjenige, der - wie im vorliegenden Fall die Beklagten - ein auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachtes fremdes Werk im Wege des „Framing“ zum integralen Bestandteil seiner eigenen Internetseite macht, das fremde Werk durch eine solche Einbettung in seine eigene Internetseite zu eigen macht und sich damit das eigene Bereithalten des Werkes erspart, für das er die Zustimmung des Urhebers benötigte.
28
(1) Die Wiedergabe des Films über die Internetseite der Beklagten erfolgte nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterschied.
29
Stellt ein Dritter auf einer Webseite ein geschütztes Werk, das bereits auf einer anderen Webseite frei öffentlich wiedergegeben wurde, mittels eines Internetlinks ein, bedient sich eine solche Wiedergabehandlung desselben technischen Verfahrens, das schon für die Wiedergabe des Werkes auf der anderen Webseite verwendet wurde (EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 24 - Svensson/ Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rn. 15 - BestWater International/Mebes und Potsch). Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich der Dritte bei einer solchen Wiedergabehandlung der Framing-Technik bedient und das der anderen Webseite entstammende Werk mittels eines „eingebetteten“ Internetlinks in einem Rahmen auf seiner Webseite angezeigt wird, so dass den Nutzern seines Webauftritts die ursprüngliche Umgebung dieses Werkes verborgen bleibt (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 29 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rn. 17 - BestWater International/Mebes und Potsch). Erfolgt die nachfolgende Wiedergabe wie die ursprüngliche Wiedergabe im Internet, erfolgt sie nach demselben technischen Verfahren (EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 24 - Svensson/Retriever Sverige).
30
Die Beklagten haben auf ihrer Webseite den Film, der bereits auf der Webseite von „YouTube“ öffentlich wiedergegeben wurde, mittels eines Internetlinks eingestellt. Sie haben sich bei dieser Wiedergabehandlung damit desselben technischen Verfahrens bedient, das schon für die Wiedergabe des Werkes auf einer anderen Webseite verwendet wurde.
31
(2) Die Revision macht zutreffend geltend, dass die Beklagten den Film für ein neues Publikum wiedergegeben haben, wenn er zum Zeitpunkt der Wiedergabe durch die Beklagten nicht mit Zustimmung des Rechtsinhabers im Internet frei zugänglich war (dazu sogleich unter Rn. 34). Die Revision rügt daher mit Erfolg, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen zur Behauptung der Klägerin getroffen hat, der Film sei nicht mit ihrer Zustimmung auf der Videoplattform „YouTube“ eingestellt und damit nicht im Internet frei zugänglich gewesen , als die Beklagten ihn über ihre Webseite im Wege des Framing zugänglich gemacht haben. Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Behauptung der Klägerin für die Nachprüfung in der Revisionsinstanz als richtig zu unterstellen. Trifft die Behauptung der Klägerin zu, ist die hier in Rede stehende Wiedergabe des Films als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtline 2001/29/EG - und damit auch im Sinne von § 15 Abs. 2 UrhG - einzustufen. Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche können daher nicht mit der Begründung verneint werden, die Beklagten hätten das Urheberrecht am Film nicht verletzt.
32
Werden auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt , die auf einer anderen Internetseite mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich sind, führt dies nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht zu einer Wiedergabe der fraglichen Werke für ein neues Publikum. Unterlag der Zugang zu den Werken auf der anderen Internetseite keiner beschränkenden Maßnahme, waren die Werke für sämtliche Internetnutzer frei zugänglich. Werden die betreffenden Werke den Nutzern einer Internetseite über einen anklickbaren Link zugänglich gemacht, sind diese Nutzer potentielle Adressaten der ursprünglichen Wiedergabe. Sie sind Mitglieder der Öffentlichkeit, die die Inhaber des Urheberrechts erfassen wollten, als sie die ursprüngliche Wiedergabe erlaubten. Eine solche Wiedergabe erfolgt nicht gegenüber einem neuen Publikum. Sie ist daher keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und bedarf keiner Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 25 bis 28 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rn. 15 und 16 - BestWater International/Mebes und Potsch).
33
Erscheint das Werk bei Anklicken eines bereitgestellten Links durch die Internetnutzer in einer Art und Weise, die den Eindruck vermittelt, dass es auf der Seite erscheint, auf der sich dieser Link befindet, obwohl es in Wirklichkeit einer anderen Seite entstammt, auf der es frei zugänglich ist, ändert dies nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nichts daran, dass es für eine solche öffentliche Wiedergabe kein neues Publikum gibt und keine Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber erforderlich ist (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 29 und 30 - Svensson/Retriever Sverige). Zwar kann diese Framing -Technik verwendet werden, um ein Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ohne es kopieren zu müssen und damit dem Anwendungsbereich der Vorschriften über das Vervielfältigungsrecht zu unterfallen. Gleichwohl führt aber ihre Verwendung nicht dazu, dass das betreffende Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird. Soweit dieses Werk auf der Webseite, auf die der Internetlink verweist, frei zugänglich ist, ist davon auszugehen, dass die Inhaber des Urheberrechts, als sie diese Wiedergabe erlaubten, an alle Internetnutzer als Publikum dachten (vgl. EuGH, GRUR 2014, 1196 Rn. 17 und 18 - BestWater International/Mebes und Potsch).
34
Werden - wie im Streitfall - auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt, die auf einer anderen Internetseite für alle Internetnutzer frei zugänglich sind, führt dies nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union demnach nur dann nicht zu einer Wiedergabe der fraglichen Werke für ein neues Publikum, wenn die Werke auf der anderen Internetseite mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich sind (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 25 bis 28 - Svensson/Retriever Sverige ; GRUR 2014, 1196 Rn. 15 und 16 - BestWater International/Mebes und Potsch). Der Senat versteht diese Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dahin, dass die fraglichen Werke in derartigen Fällen für ein neues Publikum wiedergegeben werden, wenn keine entsprechende Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber vorliegt. Dafür spricht auch der Gesichtspunkt, dass es sich bei dem „neuen Publikum“ nach der vom Gerichtshof der Europäischen Union gegebenen Begriffsbestimmung um ein Publikum handelt, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte. Hat der Urheberrechtsinhaber die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe nicht erlaubt, konnte er dabei zwangsläufig nicht an ein Publikum denken, an das sich diese Wiedergabe richtet. In einem solchen Fall richtet sich daher jede Wiedergabe des Werkes durch einen Dritten an ein neues Publikum im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. Leistner, GRUR 2014, 1145, 1154; Höfinger, ZUM 2014, 293, 295; Jani/Leenen, GRUR 2014, 362, 363; Solmecke, MMR 2015, 48; Jahn/Palzer, K&R 2015, 1, 4; Reinauer, MDR 2015, 252, 254; Fuchs/Farkas, ZUM 2015, 110, 117 f.; aA Abrar, GRUR-Prax 2014, 506; vgl. auch Rauer/Ettig, WRP 2014, 1443, 1444; Dietrich, GRUR Int. 2014, 1162; Ernst, jurisPR-WettbR 1/2015 Anm. 2; Schmidt-Wudy, EuZW 2015, 28, 30; unterscheidend danach, ob die Rechtswidrigkeit des ohne Zustimmung des Rechtsinhabers erfolgten Zugänglichmachens offensichtlich ist Grünberger, ZUM 2015, 273, 280 ff.).
35
(3) Es kann offenbleiben, ob ein Urheberrechtsinhaber, der es erlaubt, dass das Werk auf einer Internetseite für alle Internetnutzer frei zugänglich gemacht und damit öffentlich wiedergegeben wird, seine Zustimmung durch entsprechende Hinweise auf diese öffentliche Wiedergabe beschränken kann, so dass sich öffentliche Wiedergaben auf anderen Internetseiten an ein neues Publikum wenden und grundsätzlich nur mit seiner Erlaubnis zulässig sind (vgl. Walter, MR-Int. 2014, 122, 124; vgl. auch Schulze, ZUM 2015, 106, 108; aA wohl Grünberger, ZUM 2015, 273, 279). Im Streitfall gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Rechtsinhaber, soweit er einer öffentlichen Wiedergabe des Films auf der Videoplattform „YouTube“ zugestimmt haben sollte, diese Zustimmung durch entsprechende Hinweise beschränkt haben könnte. Für eine Befugnis des Rechtsinhabers zur Beschränkung seiner Zustimmung spricht allerdings , dass ansonsten das Recht zur öffentlichen Wiedergabe eines Werkes im Internet faktisch erschöpft wäre, sobald das Werk mit Zustimmung des Rechtsinhabers auf einer Internetseite für alle Internetnutzer frei zugänglich gemacht worden ist. Das könnte dem in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG niedergelegten Grundsatz widersprechen, wonach sich die in Art. 3 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie bezeichneten Rechte der öffentlichen Wiedergabe und der öffentlichen Zugänglichmachung nicht mit den in deren Art. 3 genannten Handlungen der öffentlichen Wiedergabe oder der öffentlichen Zugänglichmachung erschöpfen (vgl. ALAI, Opinion vom 17. September 2014 on the criterion „New Public”, S. 15, abrufbar unter: http://www.alai.org/en/assets/files/resolutions/ 2014-opinion-new-public.pdf; aA Grünberger, ZUM 2015, 273, 278; vgl. auch EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 23 - ITV Broadcasting/TVC). Eine Beschränkung der Zustimmung sollte dem Rechtsinhaber auch deshalb gestattet sein, weil er nur auf diese Weise die wirtschaftliche Verwertung seines Werkes steuern und eine angemessene Beteiligung an der wirtschaftlichen Nutzung seines Werkes sicherstellen kann.
36
dd) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist es schließlich nicht unerheblich, ob eine Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG Erwerbszwecken dient (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 44 - SGAE/Rafael; GRUR 2012, 156 Rn. 204 - Football Association Premier League und Murphy). Der Erwerbszweck ist allerdings keine zwingende Voraussetzung einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 44 - SGAE/Rafael) und kann für die Einstufung einer Weiterverbreitung als Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG unter Umständen auch unerheblich sein (EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 42 und 43 - ITV Broadcasting/TVC).
37
Es kann offenbleiben, ob der Erwerbszweck für die Einstufung einer Weiterverbreitung wie der hier in Rede stehenden als Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG unerheblich ist. Eine öffentliche Wiedergabe ist im Streitfall jedenfalls nicht wegen Fehlens eines Erwerbszwecks ausgeschlossen. Die Wiedergabe des Films durch die Beklagten hat Erwerbszwecken gedient, da sie den Absatz der von den Beklagten vertriebenen Produkte fördern sollte.
38
II. Die Revision hat keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht die Kosten erster Instanz, soweit sie auf den bereits in der ersten Instanz übereinstimmend für erledigt erklärten Unterlassungsantrag entfallen , nach § 91a ZPO zur Hälfte der Klägerin auferlegt hat.
39
1. Die Revision macht insoweit geltend, die Berufung sei bezüglich der auf § 91a ZPO beruhenden erstinstanzlichen Kostenentscheidung unzulässig. Das Landgericht habe seine Entscheidung, die Kosten hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage den Beklagten aufzuerlegen, mit der Vermutung der Wiederholungsgefahr und dem Fehlen einer Unterlassungserklärung begründet. Mit diesen tragenden Erwägungen habe sich die Berufungsbegründung der Beklagten nicht auseinandergesetzt.
40
2. Die Zulässigkeit der Berufung ist in jeder Lage des Verfahrens und daher auch noch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2013 - I ZR 65/12, GRUR 2014, 494 Rn. 11 = WRP 2014, 559 - Diplomierte Trainerin, mwN). Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Diesen Anforderungen wird genügt, wenn die Berufungsbegründung erkennen lässt, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält und zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit die Umstände mitteilt, die das Urteil aus seiner Sicht in Frage stellen. Enthält die Berufungsbegründung zumindest zu einem Streitpunkt eine diesen Anforderungen genügende Begründung, ist die Berufung insgesamt zulässig, wenn die bezeichneten Umstände geeignet sind, der angegriffenen Entscheidung insgesamt die Grundlage zu entziehen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 - I ZR 146/12, GRUR 2013, 950 Rn. 10 = WRP 2013, 1332 - auch zugelassen am OLG Frankfurt , mwN). Dies ist hier der Fall. Die Beklagten haben in der Berufungsbegründung in einer diesen Anforderungen genügenden Weise dargelegt, dass sie das landgerichtliche Urteil für unrichtig halten, weil das von der Klägerin beanstandete Verhalten aus ihrer Sicht das Urheberrecht am Film nicht verletzt. Sie haben damit einen Umstand bezeichnet, der dem angefochtenen Urteil auch hinsichtlich des auf § 91a ZPO beruhenden Teils der Kostenentscheidung die Grundlage entziehen konnte.
41
3. Im Übrigen ist zwar bei einer unbeschränkt zugelassenen Revision die Anfechtung einer gemischten Kostenentscheidung neben der Anfechtung der Hauptsacheentscheidung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sie kann hinsichtlich des auf § 91a ZPO beruhenden Teils der Kostenentscheidung aber nur darauf gestützt werden, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen dieser Bestimmung verkannt hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - I ZR 20/10, GRUR 2011, 1140 Rn. 30 = WRP 2011, 1606 - Schaumstoff Lübke, mwN). Das macht die Revision nicht geltend.
42
C. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin aufzuheben , soweit das Berufungsgericht hinsichtlich der Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und Freistellung von Abmahnkosten zum Nachteil der Klägerin erkannt hat. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden, da sie wegen des Fehlens von Feststellungen zu der Frage, ob der Film mit Zustimmung des Rechtsinhabers auf der Videoplattform „YouTube“ eingestellt war, als die Beklagten ihn über ihre Webseite zugänglich machten, nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
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D. Eine der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache vorgehende - erneute - Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union durch den Bundesgerichtshof kommt nicht in Betracht .
44
I. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union muss ein innerstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, seiner Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV nachkommen, wenn in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts gestellt wird, es sei denn, es hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die gerichtliche Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.). Vom Vorliegen der letztgenannten Voraussetzung darf das innerstaatliche Gericht nur ausgehen, wenn es überzeugt ist, dass für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.).
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II. Im Streitfall stellt sich die - vom Senat bejahte - Frage, ob eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vorliegt, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Internetseite für alle Internetnutzer frei zugänglich sind, ohne dass die Urheberrechtsinhaber einer öffentlichen Wiedergabe dieser Werke auf der anderen Internetseite zugestimmt haben.
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Diese Frage ist für die Entscheidung des Senats über die Revision der Klägerin erheblich und durch die Entscheidungen „Svensson/Retriever Sverige“ (GRUR 2014, 360) und „BestWater International/Mebes und Potsch“ (GRUR 2014, 1196) des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht unmittelbar beantwortet. Der Senat ist im Blick auf das am 7. April 2015 beim Gerichtshof der Europäischen Union eingereichte Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden in der Rechtssache C-160/15 - GS Media BV/Sanoma Media Netherlands BV u.a. (Beschluss vom 3. April 2015 - 14/01158) auch nicht restlos davon überzeugt, dass diese Frage vom Gerichtshof der Europäischen Union bejaht wird. Der Hoge Raad der Nederlanden hat dem Gerichtshof der Europäischen
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Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. a) Liegt eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vor, wenn eine andere Person als der Urheberrechtsinhaber mittels eines Hyperlinks auf einer von ihr betriebenen Website auf eine von einem Dritten betriebene, für das allgemeine Internetpublikum zugängliche Website verweist, auf der das Werk ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zugänglich gemacht worden ist? 1. b) Macht es dabei einen Unterschied, ob das Werk auch anderweitig zuvor nicht mit Zustimmung des Rechtsinhabers öffentlich wiedergegeben wurde ? 1. c) Ist es von Belang, ob der „Hyperlinker“ von der fehlenden Zustimmung des Rechtsinhabers zum Einstellen des Werks auf der in Frage 1. a) genannten Website des Dritten und gegebenenfalls dem Umstand, dass das Werk auch anderweitig zuvor nicht mit Zustimmung des Rechtsinhabers öffentlich wiedergegeben wurde, weiß oder wissen muss? 2. a) Sofern Frage 1. a) verneint wird: Liegt in diesem Fall gleichwohl eine öffentliche Wiedergabe vor oder kann eine solche vorliegen, wenn die Website, auf die der Hyperlink verweist, und damit das Werk, für das allgemeine Internetpublikum auffindbar ist, wenn auch nicht leicht, so dass das Setzen des Hyperlinks das Auffinden des Werks in hohem Maß erleichtert ? 2. b) Ist es bei der Beantwortung von Frage 2. a) von Belang, ob der „Hyperlinker“ den Umstand kennt oder kennen muss, dass die Website, auf die der Hyperlink verweist, für das allgemeine Internetpublikum nicht leicht auffindbar ist? 3. Gibt es andere Umstände, denen bei der Beantwortung der Frage Rechnung zu tragen ist, ob eine öffentliche Wiedergabe vorliegt, wenn mittels eines Hyperlinks Zugang zu einem Werk verschafft wird, das zuvor nicht mit Zustimmung des Rechtsinhabers öffentlich wiedergegeben wurde?
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Die Vorlage dieser Fragen an den Gerichtshof der Europäischen Union durch den Hoge Raad der Nederlanden zeigt, dass es Raum für einen vernünftigen Zweifel an deren Entscheidung gibt. Jedenfalls die Frage 1. a) deckt sich weitgehend mit der sich im vorliegenden Rechtsstreit stellenden Frage.
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III. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union durch den Bundesgerichtshof ist gleichwohl nicht geboten, da der Bundesgerichtshof insoweit keine abschließende Entscheidung trifft und es derzeit noch offen ist, ob die in Rede stehende Frage für eine abschließende Entscheidung von Bedeutung ist. Bevor geklärt ist, ob der Film ohne Zustimmung des Rechtsinhabers auf der Videoplattform „YouTube“ eingestellt war, als die Beklagten ihn über ihre Webseite zugänglich machten, ist es aus prozessökonomischen Gründen nicht sinnvoll, dem Gerichtshof der Europäischen Union diese Frage vorzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1999 - I ZR 86/91, GRUR 2000, 727, 729 = WRP 2000, 628 - Lorch Premium I, mwN; Urteil vom 9. Februar 2012 - I ZR 43/11, GRUR 2012, 1017 Rn. 54 = WRP 2012, 1413 - Digitales Druckzentrum ).
50
E. Eine Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden in der Rechtssache C-160/15 ist gleichfalls nicht veranlasst.
51
Die Aussetzung des Verfahrens ist in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO zwar auch ohne gleichzeitiges Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union grundsätzlich zulässig, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von der Beantwortung derselben Frage abhängt, die bereits in einem anderen Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorgelegt wurde (BGH, Beschluss vom 11. April 2013 - I ZR 76/11, ZUM-RD 2013, 633 Rn. 5 mwN).
52
Auch einer Aussetzung des Verfahrens steht jedoch entgegen, dass derzeit noch offen ist, ob diese Frage im vorliegenden Rechtsstreit für eine abschließende Entscheidung von Bedeutung ist (BGH, GRUR 2012, 1017 Rn. 55 - Digitales Druckzentrum). Büscher Kirchhoff Koch Löffler Feddersen
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 02.02.2011 - 37 O 1577/10 -
OLG München, Entscheidung vom 16.02.2012 - 6 U 1092/11 -

(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Urheber, Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70), Lichtbildner (§ 72) und ausübende Künstler (§ 73) können auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht.

(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:

1.
Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme;
2.
Werke der Musik;
3.
pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst;
4.
Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke;
5.
Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden;
6.
Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden;
7.
Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen.

(2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.

(1) Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten; das Recht umfaßt insbesondere

1.
das Vervielfältigungsrecht (§ 16),
2.
das Verbreitungsrecht (§ 17),
3.
das Ausstellungsrecht (§ 18).

(2) Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere

1.
das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19),
2.
das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a),
3.
das Senderecht (§ 20),
4.
das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21),
5.
das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22).

(3) Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 46/12 Verkündet am:
9. Juli 2015
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Realität II
Die Einbettung eines auf einer Internetseite mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers
für alle Internetnutzer frei zugänglichen Werkes in eine eigene Internetseite
im Wege des "Framing" stellt grundsätzlich keine öffentliche Wiedergabe
im Sinne von § 15 Abs. 2 und 3 UrhG dar.
BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 - I ZR 46/12 - OLG München
LG München I
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Juli 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die
Richter Dr. Kirchhoff, Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler und Feddersen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 16. Februar 2012 aufgehoben, soweit hinsichtlich der Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und Freistellung von Abmahnkosten zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, die Wasserfiltersysteme herstellt und vertreibt, ließ zu Werbezwecken einen etwa zwei Minuten langen Film mit dem Titel „Die Realität“ herstellen, der sich mit der Wasserverschmutzung befasst. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an diesem Film. Der Film war - nach dem Vorbringen der Klägerin ohne ihre Zustimmung - auf der Videoplattform „YouTube“ abrufbar.
2
Die beiden Beklagten sind als selbständige Handelsvertreter für ein mit der Klägerin im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig. Sie unterhalten jeweils eigene Internetseiten, auf denen sie für die von ihnen vertriebenen Produkte werben. Im Sommer 2010 ermöglichten sie Besuchern ihrer Internetseiten , den von der Klägerin in Auftrag gegebenen Film im Wege des „Framing“ abzurufen. Bei einem Klick auf einen elektronischen Verweis („Link“) wurde der Film vom Server der Videoplattform „YouTube“ abgerufen und in einem auf den Webseiten der Beklagten erscheinenden Rahmen („Frame“) abgespielt.
3
Nach Ansicht der Klägerin haben die Beklagten den Film damit unberechtigt im Sinne des § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht. Die Klägerin hat von den Beklagten daher Unterlassung, Schadensersatz und die Freistellung von Abmahnkosten verlangt. Nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung durch die Beklagten haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens übereinstimmend für erledigt erklärt.
4
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin jeweils Schadensersatz in Höhe von je 1.000 € zu zahlen und die Klägerin jeweils von Abmahnkosten in Höhe von je 555,60 € freizustellen; außerdem hat es den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auch hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage auferlegt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage hälftig zwischen den Parteien verteilt (OLG München, ZUM-RD 2013, 398). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
5
Mit Beschluss vom 16. Mai 2013 hat der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwand- ten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft zur Vorabentscheidung vorgelegt (GRUR 2013, 818 = WRP 2013, 1047 - Die Realität I): Stellt die Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite unter Umständen, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dar, auch wenn das fremde Werk damit nicht für ein neues Publikum wiedergegeben wird und die Wiedergabe nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet?
6
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierüber durch Beschluss vom 21. Oktober 2014 (C-348/13, GRUR 2014, 1196 = WRP 2014, 1441 - Best Water International/Mebes und Potsch) wie folgt entschieden: Die Einbettung eines auf einer Website öffentlich zugänglichen geschützten Werkes in eine andere Website mittels eines Links unter Verwendung der Framing -Technik, wie sie im Ausgangsverfahren in Frage steht, allein stellt keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft dar, soweit das betreffende Werk weder für ein neues Publikum noch nach einem speziellen technischen Verfahren wiedergegeben wird, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet.

Entscheidungsgründe:

7
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche seien nicht begründet, weil die Ermöglichung der Wiedergabe fremder Werke auf der eigenen Internetseite in Form eines in dieser Seite aufscheinenden Rahmens („Frames“) keine dem Berechtigten nach §§ 15, 19a UrhG vorbehaltene Nutzungshandlung darstelle. Dazu hat es ausgeführt :
8
Das dem Urheber als Unterfall des Rechts zur öffentlichen Wiedergabe eines Werks in unkörperlicher Form (§ 15 UrhG) vorbehaltene Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) setze voraus, dass sich das Werk in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befinde. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, wenn auf einer Internetseite ein verweisender Link auf eine fremde Seite gesetzt werde, die das geschützte Werk enthalte. Dies gelte auch im - hier in Rede stehenden - Fall eines „framenden“ Links. Bei Verwendung dieser Technik werde die verlinkte Webseite nach Aktivierung des Links unmittelbar in den Computer des Nutzers geladen. Es entscheide daher nicht derjenige, der den Link gesetzt habe, sondern derjenige, der das Werk auf der verlinkten Webseite eingestellt habe, ob das Werk zum Abruf bereitgehalten und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werde. Nehme er das Werk von seiner Webseite, gehe der „framende“ Link ins Leere und bleibe der Rahmen ohne Inhalt. Der Umstand, dass das auf der fremden Webseite wiedergegebene Werk beim „framenden“ Link anders als beim verweisenden Link nicht auf der fremden Sei- te betrachtet, sondern in die eigene Seite eingebunden werde, rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Insbesondere sei unerheblich, ob beim Nutzer dadurch der - tatsächlich unzutreffende - Eindruck erweckt werde, derjenige, der den Link gesetzt habe, halte selbst das Werk zum Abruf bereit.
9
B. Die Revision ist teilweise begründet. Sie hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und Freistellung von Abmahnkosten richtet (dazu B I). Sie hat keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht der Klägerin die Hälfte der Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Unterlassungsantrags auferlegt hat (dazu B II).
10
I. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die von der Klägerin erhobenen Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz (§ 97 Abs. 2 UrhG) und Freistellung von Abmahnkosten (§ 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG aF) nicht verneint werden. Die hier in Rede stehende Wiedergabe eines fremden Werkes auf der eigenen Internetseite im Wege des „Framing“ hat zwar nicht das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) verletzt (da- zu B I 2). Es ist jedoch möglich, dass diese Wiedergabe ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe (§ 15 Abs. 2 UrhG) verletzt hat (dazu B I 3).
11
1. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass der in Rede stehende Film als Filmwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt ist. Die Klägerin verfügt - wie das Berufungsgericht festgestellt hat - über die ausschließlichen Nutzungsrechte an diesem Werk.
12
2. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Wiedergabe des in Rede stehenden Films auf der Internetseite der Beklagten im Wege des „Framing“ kein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des § 19a UrhG dargestellt hat.
13
Die Vorschrift des § 19a UrhG, die Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ins nationale Recht umsetzt, erfordert nach der Rechtsprechung des Senats, dass Dritten der Zugriff auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk eröffnet wird, das sich in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befindet (BGH, GRUR 2013, 818 Rn. 8 - Die Realität I, mwN).
14
Die bloße Verknüpfung eines auf einer fremden Internetseite bereitgehaltenen Werkes mit der eigenen Internetseite im Wege des „Framing“ stellt danach kein öffentliches Zugänglichmachen dar, weil allein der Inhaber der fremden Internetseite darüber entscheidet, ob das auf seiner Internetseite bereitgehaltene Werk für die Öffentlichkeit zugänglich bleibt (vgl. BGH, GRUR 2013, 818 Rn. 9 - Die Realität I, mwN).
15
3. Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob die Wiedergabe des Films auf der Internetseite der Beklagten im Wege des „Framing“ ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe (§ 15 Abs. 2 UrhG) verletzt hat. Die Revision rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen zur Behauptung der Klägerin getroffen hat, der Film sei nicht mit ihrer Zustimmung auf der Vi- deoplattform „YouTube“ eingestellt gewesen, als die Beklagten ihn über ihre Webseite im Wege des Framing zugänglich gemacht haben. Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Behauptung der Klägerin für die Nachprüfung in der Revisionsinstanz als richtig zu unterstellen. Trifft die Behauptung der Klägerin zu, ist die hier in Rede stehende Wiedergabe des Films durch die Beklagten als öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 2 UrhG einzustufen. Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche können daher nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung abgewiesen werden , die Beklagten hätten das Urheberrecht am Film nicht verletzt.
16
a) Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG hat der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Dieses Recht umfasst nach § 15 Abs. 2 Satz 2 UrhG insbesondere das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19 UrhG), das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG), das Senderecht (§ 20 UrhG), das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21 UrhG) sowie das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 22 UrhG). Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 UrhG enthält keine abschließende, sondern eine beispielhafte („insbesondere“) Aufzählung der dem Urheber vorbehaltenen Verwertungsrechte und lässt daher die Anerkennung unbenannter Verwertungsrechte der öffentlichen Wiedergabe zu (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 259/00, BGHZ 156, 1, 13 - Paperboy; v. Ungern-Sternberg in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 19a UrhG Rn. 22).
17
b) Soweit es sich bei dem Recht der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des § 15 Abs. 2 UrhG um nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG harmonisiertes Recht handelt, ist die Bestimmung des § 15 Abs. 2 UrhG richtlinienkonform auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG das Recht der öffentlichen Wiedergabe vollständig harmoni- siert und die Mitgliedstaaten das durch diese Vorschrift begründete Schutzniveau daher weder unterschreiten noch überschreiten dürfen (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - C-466/12, GRUR 2014, 360 Rn. 33 bis 41 - Svensson/ Retriever Sverige). Soweit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG weitergehende Rechte als die in § 15 Abs. 2 Satz 2 UrhG benannten Rechte der öffentlichen Wiedergabe verlangt, ist daher in richtlinienkonformer Auslegung des § 15 Abs. 2 UrhG ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe anzunehmen.
18
c) Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG sehen die Mitgliedstaaten vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
19
aa) Das Recht zur öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG umfasst nur die Wiedergabe an eine Öffentlichkeit, die nicht an dem Ort anwesend ist, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt (vgl. Erwägungsgrund 23 Satz 2 der Richtlinie 2001/29/EG). Nicht erfasst sind daher direkte Aufführungen und Darbietungen von Werken vor einer Öffentlichkeit , die sich in unmittelbarem körperlichen Kontakt mit der Person befindet , die dieses Werk aufführt oder darbietet (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2011 - C-403/08 und C-429/08, Slg. 2011, I-9083 = GRUR 2012, 156 Rn. 200 bis 202 = WRP 2012, 434 - Football Association Premier League und Murphy; Urteil vom 24. November 2011 - C-283/10, Slg. 2011, I-12031 = GRUR Int. 2012, 150 Rn. 35 und 36 - UCMR-ADA/Zirkus Globus).
20
Bei der hier in Rede stehenden Wiedergabe des Films auf der Internetseite der Beklagten hat kein unmittelbarer körperlicher Kontakt zwischen den ein Werk aufführenden oder darbietenden Personen und einer durch diese Wiedergabe erreichten Öffentlichkeit bestanden. Es hat daher eine Wiedergabe an eine Öffentlichkeit vorgelegen, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend gewesen ist. Eine solche Wiedergabe fällt in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG.
21
bb) Der Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG hat zwei Tatbestandsmerkmale, nämlich eine Handlung der Wiedergabe und die Öffentlichkeit dieser Wiedergabe (vgl. EuGH, Urteil vom 7. März 2013 - C-607/11, GRUR 2013, 500 Rn. 21 und 31 - ITV Broadcasting/TVC; EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 16 - Svensson/Retriever Sverige ; zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG [jetzt 2006/115/EG] zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums vgl. EuGH, Urteil vom 15. März 2012 - C-135/10, GRUR 2012, 593 Rn. 70 bis 92 = WRP 2012, 689 - SCF/Del Corso; Urteil vom 15. März 2012 - C-162/10, GRUR 2012, 597 Rn. 25 bis 38 - PPL/Irland; vgl. auch EuGH, Urteil vom 27. Februar 2014 - C-351/12, GRUR 2014, 473 Rn. 34 und 35 = WRP 2014, 418 - OSA/Léčebné lázně).
22
(1) Der Begriff der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ist im Blick auf das Hauptziel der Richtlinie 2001/29/EG, ein hohes Schutzniveau für die Urheber sicherzustellen (vgl. Erwägungsgründe 4 und 9 der Richtlinie 2001/29/EG), weit zu verstehen, und zwar dahin, dass er jede Übertragung geschützter Werke unabhängig vom eingesetzten technischen Mittel oder Verfahren umfasst (vgl. EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 186 und 193 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2013, 500 Rn. 20 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rn. 17 - Svensson/Retriever Sverige ; GRUR 2014, 473 Rn. 23 und 25 - OSA/Léčebné lázně). Eine „Wiedergabe“ setzt voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig wird, um Dritten einen Zugang zum geschützten Werk zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten.
Dabei reicht es aus, wenn Dritte einen Zugang zum geschützten Werk haben, ohne dass es darauf ankommt, ob sie diesen nutzen (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2006 - C-306/05, Slg. 2006, I-11519 = GRUR 2007, 225 Rn. 42 und 43 - SGAE/Rafael; EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 195 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2014, 360 Rn. 19 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 473 Rn. 26 - OSA/Léčebné lázně; Urteil vom 27. März 2014 - C-314/12, GRUR 2014, 468 Rn. 39 = WRP 2014, 540 - UPC Telekabel /Constantin Film und Wega).
23
Danach ist die hier in Rede stehende Bereitstellung von anklickbaren Links zu geschützten Werken als „Zugänglichmachung“ und deshalb als „Handlung der Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG einzustufen (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 20 - Svensson/Retriever Sverige). Die Beklagten sind bei der Einbindung des Films in ihre Internetseiten in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig geworden , um den Nutzern ihrer Internetseiten einen Zugang zu dem Film zu verschaffen , den sie ohne ihr Tätigwerden so nicht gehabt hätten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Nutzer diesen Zugang tatsächlich genutzt haben.
24
(2) Der Begriff der Öffentlichkeit ist nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt (vgl. EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 32 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rn. 21 - Svensson/ Retriever Sverige; GRUR 2014, 473 Rn. 27 - OSA/Léčebné lázně). Hinsichtlich des letztgenannten Kriteriums ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 38 - SGAE/Rafael; GRUR 2013, 500 Rn. 33 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 473 Rn. 28 - OSA/Léčebné lázně).
25
Eine Handlung der Wiedergabe wie die hier in Rede stehende, die der Betreiber einer Internetseite mit anklickbaren Links vornimmt, betrifft sämtliche potentiellen Nutzer der von ihm betriebenen Seite und damit eine unbestimmte und ziemlich große Zahl von Adressaten (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 22 - Svensson/Retriever Sverige). Danach haben die Beklagten eine Wiedergabe für eine Öffentlichkeit vorgenommen.
26
cc) Für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ist es weiterhin erforderlich, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder - ansonsten - für ein neues Publikum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte. Erfolgt die nachfolgende Wiedergabe nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet , braucht nicht geprüft zu werden, ob das Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird; in einem solchen Fall bedarf die Wiedergabe ohne Weiteres der Erlaubnis des Urhebers (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 40 und 41 - SGAE/Rafael; EuGH, Beschluss vom 18. März 2010 - C-136/09, MR-Int 2010, 123 Rn. 38 - OSDD/Divani Akropolis; EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 197 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2013, 500 Rn. 39 und 24 bis 26 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rn. 24 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rn. 14 - BestWater International/Mebes und Potsch).
27
Soweit das betreffende Werk weder nach einem speziellen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet , noch für ein neues Publikum wiedergegeben wird, stellt die Einbettung eines auf einer Webseite öffentlich zugänglichen geschützten Werkes in eine andere Webseite mittels eines Links unter Verwendung der Framing-Technik, wie sie hier in Frage steht, allein keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dar (EuGH, GRUR 2014, 1196 Rn. 19 - BestWater International/Mebes und Potsch). Insoweit kommt es - entgegen der vom Senat in seinem Vorlagebeschluss geäußerten Auffassung (vgl. BGH, GRUR 2013, 818 Rn. 26 - Die Realität I) - nicht darauf an, dass sich derjenige, der - wie im vorliegenden Fall die Beklagten - ein auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachtes fremdes Werk im Wege des „Framing“ zum integralen Bestandteil seiner eigenen Internetseite macht, das fremde Werk durch eine solche Einbettung in seine eigene Internetseite zu eigen macht und sich damit das eigene Bereithalten des Werkes erspart, für das er die Zustimmung des Urhebers benötigte.
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(1) Die Wiedergabe des Films über die Internetseite der Beklagten erfolgte nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterschied.
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Stellt ein Dritter auf einer Webseite ein geschütztes Werk, das bereits auf einer anderen Webseite frei öffentlich wiedergegeben wurde, mittels eines Internetlinks ein, bedient sich eine solche Wiedergabehandlung desselben technischen Verfahrens, das schon für die Wiedergabe des Werkes auf der anderen Webseite verwendet wurde (EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 24 - Svensson/ Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rn. 15 - BestWater International/Mebes und Potsch). Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich der Dritte bei einer solchen Wiedergabehandlung der Framing-Technik bedient und das der anderen Webseite entstammende Werk mittels eines „eingebetteten“ Internetlinks in einem Rahmen auf seiner Webseite angezeigt wird, so dass den Nutzern seines Webauftritts die ursprüngliche Umgebung dieses Werkes verborgen bleibt (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 29 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rn. 17 - BestWater International/Mebes und Potsch). Erfolgt die nachfolgende Wiedergabe wie die ursprüngliche Wiedergabe im Internet, erfolgt sie nach demselben technischen Verfahren (EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 24 - Svensson/Retriever Sverige).
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Die Beklagten haben auf ihrer Webseite den Film, der bereits auf der Webseite von „YouTube“ öffentlich wiedergegeben wurde, mittels eines Internetlinks eingestellt. Sie haben sich bei dieser Wiedergabehandlung damit desselben technischen Verfahrens bedient, das schon für die Wiedergabe des Werkes auf einer anderen Webseite verwendet wurde.
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(2) Die Revision macht zutreffend geltend, dass die Beklagten den Film für ein neues Publikum wiedergegeben haben, wenn er zum Zeitpunkt der Wiedergabe durch die Beklagten nicht mit Zustimmung des Rechtsinhabers im Internet frei zugänglich war (dazu sogleich unter Rn. 34). Die Revision rügt daher mit Erfolg, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen zur Behauptung der Klägerin getroffen hat, der Film sei nicht mit ihrer Zustimmung auf der Videoplattform „YouTube“ eingestellt und damit nicht im Internet frei zugänglich gewesen , als die Beklagten ihn über ihre Webseite im Wege des Framing zugänglich gemacht haben. Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Behauptung der Klägerin für die Nachprüfung in der Revisionsinstanz als richtig zu unterstellen. Trifft die Behauptung der Klägerin zu, ist die hier in Rede stehende Wiedergabe des Films als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtline 2001/29/EG - und damit auch im Sinne von § 15 Abs. 2 UrhG - einzustufen. Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche können daher nicht mit der Begründung verneint werden, die Beklagten hätten das Urheberrecht am Film nicht verletzt.
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Werden auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt , die auf einer anderen Internetseite mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich sind, führt dies nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht zu einer Wiedergabe der fraglichen Werke für ein neues Publikum. Unterlag der Zugang zu den Werken auf der anderen Internetseite keiner beschränkenden Maßnahme, waren die Werke für sämtliche Internetnutzer frei zugänglich. Werden die betreffenden Werke den Nutzern einer Internetseite über einen anklickbaren Link zugänglich gemacht, sind diese Nutzer potentielle Adressaten der ursprünglichen Wiedergabe. Sie sind Mitglieder der Öffentlichkeit, die die Inhaber des Urheberrechts erfassen wollten, als sie die ursprüngliche Wiedergabe erlaubten. Eine solche Wiedergabe erfolgt nicht gegenüber einem neuen Publikum. Sie ist daher keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und bedarf keiner Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 25 bis 28 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rn. 15 und 16 - BestWater International/Mebes und Potsch).
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Erscheint das Werk bei Anklicken eines bereitgestellten Links durch die Internetnutzer in einer Art und Weise, die den Eindruck vermittelt, dass es auf der Seite erscheint, auf der sich dieser Link befindet, obwohl es in Wirklichkeit einer anderen Seite entstammt, auf der es frei zugänglich ist, ändert dies nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nichts daran, dass es für eine solche öffentliche Wiedergabe kein neues Publikum gibt und keine Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber erforderlich ist (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 29 und 30 - Svensson/Retriever Sverige). Zwar kann diese Framing -Technik verwendet werden, um ein Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ohne es kopieren zu müssen und damit dem Anwendungsbereich der Vorschriften über das Vervielfältigungsrecht zu unterfallen. Gleichwohl führt aber ihre Verwendung nicht dazu, dass das betreffende Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird. Soweit dieses Werk auf der Webseite, auf die der Internetlink verweist, frei zugänglich ist, ist davon auszugehen, dass die Inhaber des Urheberrechts, als sie diese Wiedergabe erlaubten, an alle Internetnutzer als Publikum dachten (vgl. EuGH, GRUR 2014, 1196 Rn. 17 und 18 - BestWater International/Mebes und Potsch).
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Werden - wie im Streitfall - auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt, die auf einer anderen Internetseite für alle Internetnutzer frei zugänglich sind, führt dies nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union demnach nur dann nicht zu einer Wiedergabe der fraglichen Werke für ein neues Publikum, wenn die Werke auf der anderen Internetseite mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich sind (vgl. EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 25 bis 28 - Svensson/Retriever Sverige ; GRUR 2014, 1196 Rn. 15 und 16 - BestWater International/Mebes und Potsch). Der Senat versteht diese Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dahin, dass die fraglichen Werke in derartigen Fällen für ein neues Publikum wiedergegeben werden, wenn keine entsprechende Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber vorliegt. Dafür spricht auch der Gesichtspunkt, dass es sich bei dem „neuen Publikum“ nach der vom Gerichtshof der Europäischen Union gegebenen Begriffsbestimmung um ein Publikum handelt, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte. Hat der Urheberrechtsinhaber die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe nicht erlaubt, konnte er dabei zwangsläufig nicht an ein Publikum denken, an das sich diese Wiedergabe richtet. In einem solchen Fall richtet sich daher jede Wiedergabe des Werkes durch einen Dritten an ein neues Publikum im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. Leistner, GRUR 2014, 1145, 1154; Höfinger, ZUM 2014, 293, 295; Jani/Leenen, GRUR 2014, 362, 363; Solmecke, MMR 2015, 48; Jahn/Palzer, K&R 2015, 1, 4; Reinauer, MDR 2015, 252, 254; Fuchs/Farkas, ZUM 2015, 110, 117 f.; aA Abrar, GRUR-Prax 2014, 506; vgl. auch Rauer/Ettig, WRP 2014, 1443, 1444; Dietrich, GRUR Int. 2014, 1162; Ernst, jurisPR-WettbR 1/2015 Anm. 2; Schmidt-Wudy, EuZW 2015, 28, 30; unterscheidend danach, ob die Rechtswidrigkeit des ohne Zustimmung des Rechtsinhabers erfolgten Zugänglichmachens offensichtlich ist Grünberger, ZUM 2015, 273, 280 ff.).
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(3) Es kann offenbleiben, ob ein Urheberrechtsinhaber, der es erlaubt, dass das Werk auf einer Internetseite für alle Internetnutzer frei zugänglich gemacht und damit öffentlich wiedergegeben wird, seine Zustimmung durch entsprechende Hinweise auf diese öffentliche Wiedergabe beschränken kann, so dass sich öffentliche Wiedergaben auf anderen Internetseiten an ein neues Publikum wenden und grundsätzlich nur mit seiner Erlaubnis zulässig sind (vgl. Walter, MR-Int. 2014, 122, 124; vgl. auch Schulze, ZUM 2015, 106, 108; aA wohl Grünberger, ZUM 2015, 273, 279). Im Streitfall gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Rechtsinhaber, soweit er einer öffentlichen Wiedergabe des Films auf der Videoplattform „YouTube“ zugestimmt haben sollte, diese Zustimmung durch entsprechende Hinweise beschränkt haben könnte. Für eine Befugnis des Rechtsinhabers zur Beschränkung seiner Zustimmung spricht allerdings , dass ansonsten das Recht zur öffentlichen Wiedergabe eines Werkes im Internet faktisch erschöpft wäre, sobald das Werk mit Zustimmung des Rechtsinhabers auf einer Internetseite für alle Internetnutzer frei zugänglich gemacht worden ist. Das könnte dem in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG niedergelegten Grundsatz widersprechen, wonach sich die in Art. 3 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie bezeichneten Rechte der öffentlichen Wiedergabe und der öffentlichen Zugänglichmachung nicht mit den in deren Art. 3 genannten Handlungen der öffentlichen Wiedergabe oder der öffentlichen Zugänglichmachung erschöpfen (vgl. ALAI, Opinion vom 17. September 2014 on the criterion „New Public”, S. 15, abrufbar unter: http://www.alai.org/en/assets/files/resolutions/ 2014-opinion-new-public.pdf; aA Grünberger, ZUM 2015, 273, 278; vgl. auch EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 23 - ITV Broadcasting/TVC). Eine Beschränkung der Zustimmung sollte dem Rechtsinhaber auch deshalb gestattet sein, weil er nur auf diese Weise die wirtschaftliche Verwertung seines Werkes steuern und eine angemessene Beteiligung an der wirtschaftlichen Nutzung seines Werkes sicherstellen kann.
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dd) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist es schließlich nicht unerheblich, ob eine Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG Erwerbszwecken dient (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 44 - SGAE/Rafael; GRUR 2012, 156 Rn. 204 - Football Association Premier League und Murphy). Der Erwerbszweck ist allerdings keine zwingende Voraussetzung einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 44 - SGAE/Rafael) und kann für die Einstufung einer Weiterverbreitung als Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG unter Umständen auch unerheblich sein (EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 42 und 43 - ITV Broadcasting/TVC).
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Es kann offenbleiben, ob der Erwerbszweck für die Einstufung einer Weiterverbreitung wie der hier in Rede stehenden als Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG unerheblich ist. Eine öffentliche Wiedergabe ist im Streitfall jedenfalls nicht wegen Fehlens eines Erwerbszwecks ausgeschlossen. Die Wiedergabe des Films durch die Beklagten hat Erwerbszwecken gedient, da sie den Absatz der von den Beklagten vertriebenen Produkte fördern sollte.
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II. Die Revision hat keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht die Kosten erster Instanz, soweit sie auf den bereits in der ersten Instanz übereinstimmend für erledigt erklärten Unterlassungsantrag entfallen , nach § 91a ZPO zur Hälfte der Klägerin auferlegt hat.
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1. Die Revision macht insoweit geltend, die Berufung sei bezüglich der auf § 91a ZPO beruhenden erstinstanzlichen Kostenentscheidung unzulässig. Das Landgericht habe seine Entscheidung, die Kosten hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage den Beklagten aufzuerlegen, mit der Vermutung der Wiederholungsgefahr und dem Fehlen einer Unterlassungserklärung begründet. Mit diesen tragenden Erwägungen habe sich die Berufungsbegründung der Beklagten nicht auseinandergesetzt.
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2. Die Zulässigkeit der Berufung ist in jeder Lage des Verfahrens und daher auch noch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2013 - I ZR 65/12, GRUR 2014, 494 Rn. 11 = WRP 2014, 559 - Diplomierte Trainerin, mwN). Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Diesen Anforderungen wird genügt, wenn die Berufungsbegründung erkennen lässt, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält und zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit die Umstände mitteilt, die das Urteil aus seiner Sicht in Frage stellen. Enthält die Berufungsbegründung zumindest zu einem Streitpunkt eine diesen Anforderungen genügende Begründung, ist die Berufung insgesamt zulässig, wenn die bezeichneten Umstände geeignet sind, der angegriffenen Entscheidung insgesamt die Grundlage zu entziehen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 - I ZR 146/12, GRUR 2013, 950 Rn. 10 = WRP 2013, 1332 - auch zugelassen am OLG Frankfurt , mwN). Dies ist hier der Fall. Die Beklagten haben in der Berufungsbegründung in einer diesen Anforderungen genügenden Weise dargelegt, dass sie das landgerichtliche Urteil für unrichtig halten, weil das von der Klägerin beanstandete Verhalten aus ihrer Sicht das Urheberrecht am Film nicht verletzt. Sie haben damit einen Umstand bezeichnet, der dem angefochtenen Urteil auch hinsichtlich des auf § 91a ZPO beruhenden Teils der Kostenentscheidung die Grundlage entziehen konnte.
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3. Im Übrigen ist zwar bei einer unbeschränkt zugelassenen Revision die Anfechtung einer gemischten Kostenentscheidung neben der Anfechtung der Hauptsacheentscheidung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sie kann hinsichtlich des auf § 91a ZPO beruhenden Teils der Kostenentscheidung aber nur darauf gestützt werden, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen dieser Bestimmung verkannt hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - I ZR 20/10, GRUR 2011, 1140 Rn. 30 = WRP 2011, 1606 - Schaumstoff Lübke, mwN). Das macht die Revision nicht geltend.
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C. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin aufzuheben , soweit das Berufungsgericht hinsichtlich der Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und Freistellung von Abmahnkosten zum Nachteil der Klägerin erkannt hat. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden, da sie wegen des Fehlens von Feststellungen zu der Frage, ob der Film mit Zustimmung des Rechtsinhabers auf der Videoplattform „YouTube“ eingestellt war, als die Beklagten ihn über ihre Webseite zugänglich machten, nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
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D. Eine der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache vorgehende - erneute - Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union durch den Bundesgerichtshof kommt nicht in Betracht .
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I. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union muss ein innerstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, seiner Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV nachkommen, wenn in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts gestellt wird, es sei denn, es hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die gerichtliche Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.). Vom Vorliegen der letztgenannten Voraussetzung darf das innerstaatliche Gericht nur ausgehen, wenn es überzeugt ist, dass für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.).
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II. Im Streitfall stellt sich die - vom Senat bejahte - Frage, ob eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vorliegt, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Internetseite für alle Internetnutzer frei zugänglich sind, ohne dass die Urheberrechtsinhaber einer öffentlichen Wiedergabe dieser Werke auf der anderen Internetseite zugestimmt haben.
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Diese Frage ist für die Entscheidung des Senats über die Revision der Klägerin erheblich und durch die Entscheidungen „Svensson/Retriever Sverige“ (GRUR 2014, 360) und „BestWater International/Mebes und Potsch“ (GRUR 2014, 1196) des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht unmittelbar beantwortet. Der Senat ist im Blick auf das am 7. April 2015 beim Gerichtshof der Europäischen Union eingereichte Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden in der Rechtssache C-160/15 - GS Media BV/Sanoma Media Netherlands BV u.a. (Beschluss vom 3. April 2015 - 14/01158) auch nicht restlos davon überzeugt, dass diese Frage vom Gerichtshof der Europäischen Union bejaht wird. Der Hoge Raad der Nederlanden hat dem Gerichtshof der Europäischen
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Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. a) Liegt eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vor, wenn eine andere Person als der Urheberrechtsinhaber mittels eines Hyperlinks auf einer von ihr betriebenen Website auf eine von einem Dritten betriebene, für das allgemeine Internetpublikum zugängliche Website verweist, auf der das Werk ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zugänglich gemacht worden ist? 1. b) Macht es dabei einen Unterschied, ob das Werk auch anderweitig zuvor nicht mit Zustimmung des Rechtsinhabers öffentlich wiedergegeben wurde ? 1. c) Ist es von Belang, ob der „Hyperlinker“ von der fehlenden Zustimmung des Rechtsinhabers zum Einstellen des Werks auf der in Frage 1. a) genannten Website des Dritten und gegebenenfalls dem Umstand, dass das Werk auch anderweitig zuvor nicht mit Zustimmung des Rechtsinhabers öffentlich wiedergegeben wurde, weiß oder wissen muss? 2. a) Sofern Frage 1. a) verneint wird: Liegt in diesem Fall gleichwohl eine öffentliche Wiedergabe vor oder kann eine solche vorliegen, wenn die Website, auf die der Hyperlink verweist, und damit das Werk, für das allgemeine Internetpublikum auffindbar ist, wenn auch nicht leicht, so dass das Setzen des Hyperlinks das Auffinden des Werks in hohem Maß erleichtert ? 2. b) Ist es bei der Beantwortung von Frage 2. a) von Belang, ob der „Hyperlinker“ den Umstand kennt oder kennen muss, dass die Website, auf die der Hyperlink verweist, für das allgemeine Internetpublikum nicht leicht auffindbar ist? 3. Gibt es andere Umstände, denen bei der Beantwortung der Frage Rechnung zu tragen ist, ob eine öffentliche Wiedergabe vorliegt, wenn mittels eines Hyperlinks Zugang zu einem Werk verschafft wird, das zuvor nicht mit Zustimmung des Rechtsinhabers öffentlich wiedergegeben wurde?
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Die Vorlage dieser Fragen an den Gerichtshof der Europäischen Union durch den Hoge Raad der Nederlanden zeigt, dass es Raum für einen vernünftigen Zweifel an deren Entscheidung gibt. Jedenfalls die Frage 1. a) deckt sich weitgehend mit der sich im vorliegenden Rechtsstreit stellenden Frage.
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III. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union durch den Bundesgerichtshof ist gleichwohl nicht geboten, da der Bundesgerichtshof insoweit keine abschließende Entscheidung trifft und es derzeit noch offen ist, ob die in Rede stehende Frage für eine abschließende Entscheidung von Bedeutung ist. Bevor geklärt ist, ob der Film ohne Zustimmung des Rechtsinhabers auf der Videoplattform „YouTube“ eingestellt war, als die Beklagten ihn über ihre Webseite zugänglich machten, ist es aus prozessökonomischen Gründen nicht sinnvoll, dem Gerichtshof der Europäischen Union diese Frage vorzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1999 - I ZR 86/91, GRUR 2000, 727, 729 = WRP 2000, 628 - Lorch Premium I, mwN; Urteil vom 9. Februar 2012 - I ZR 43/11, GRUR 2012, 1017 Rn. 54 = WRP 2012, 1413 - Digitales Druckzentrum ).
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E. Eine Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden in der Rechtssache C-160/15 ist gleichfalls nicht veranlasst.
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Die Aussetzung des Verfahrens ist in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO zwar auch ohne gleichzeitiges Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union grundsätzlich zulässig, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von der Beantwortung derselben Frage abhängt, die bereits in einem anderen Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorgelegt wurde (BGH, Beschluss vom 11. April 2013 - I ZR 76/11, ZUM-RD 2013, 633 Rn. 5 mwN).
52
Auch einer Aussetzung des Verfahrens steht jedoch entgegen, dass derzeit noch offen ist, ob diese Frage im vorliegenden Rechtsstreit für eine abschließende Entscheidung von Bedeutung ist (BGH, GRUR 2012, 1017 Rn. 55 - Digitales Druckzentrum). Büscher Kirchhoff Koch Löffler Feddersen
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 02.02.2011 - 37 O 1577/10 -
OLG München, Entscheidung vom 16.02.2012 - 6 U 1092/11 -

(1) Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten; das Recht umfaßt insbesondere

1.
das Vervielfältigungsrecht (§ 16),
2.
das Verbreitungsrecht (§ 17),
3.
das Ausstellungsrecht (§ 18).

(2) Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere

1.
das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19),
2.
das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a),
3.
das Senderecht (§ 20),
4.
das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21),
5.
das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22).

(3) Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher für den Geschäftsherrn die Besorgung eines der im Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Geschäfte durch Vertrag übernimmt.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Urheber, Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70), Lichtbildner (§ 72) und ausübende Künstler (§ 73) können auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht.

(1) Wenn sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, beträgt bei einem Gegenstandswert bis 500 Euro die Gebühr 49 Euro. Die Gebühr erhöht sich bei einem

Gegen-
standswert
bis ... Euro
für jeden
angefangenen
Betrag von
weiteren ... Euro
um
... Euro
2 00050039
10 0001 00056
25 0003 00052
50 0005 00081
200 00015 00094
500 00030 000132
über
500 000

50 000

165


Eine Gebührentabelle für Gegenstandswerte bis 500 000 Euro ist diesem Gesetz als Anlage 2 beigefügt.

(2) Bei der Geschäftsgebühr für eine außergerichtliche Inkassodienstleistung, die eine unbestrittene Forderung betrifft (Absatz 2 der Anmerkung zu Nummer 2300 des Vergütungsverzeichnisses), beträgt bei einem Gegenstandswert bis 50 Euro die Gebühr abweichend von Absatz 1 Satz 1 30 Euro.

(3) Der Mindestbetrag einer Gebühr ist 15 Euro.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Wird rechtzeitig Widerspruch erhoben und beantragt eine Partei die Durchführung des streitigen Verfahrens, so gibt das Gericht, das den Mahnbescheid erlassen hat, den Rechtsstreit von Amts wegen an das Gericht ab, das in dem Mahnbescheid gemäß § 692 Abs. 1 Nr. 1 bezeichnet worden ist, wenn die Parteien übereinstimmend die Abgabe an ein anderes Gericht verlangen, an dieses. Der Antrag kann in den Antrag auf Erlass des Mahnbescheids aufgenommen werden. Die Abgabe ist den Parteien mitzuteilen; sie ist nicht anfechtbar. Mit Eingang der Akten bei dem Gericht, an das er abgegeben wird, gilt der Rechtsstreit als dort anhängig. § 281 Abs. 3 Satz 1 gilt entsprechend.

(2) Ist das Mahnverfahren maschinell bearbeitet worden, so tritt, sofern die Akte nicht elektronisch übermittelt wird, an die Stelle der Akten ein maschinell erstellter Aktenausdruck. Für diesen gelten die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden entsprechend. § 298 findet keine Anwendung.

(3) Die Streitsache gilt als mit Zustellung des Mahnbescheids rechtshängig geworden, wenn sie alsbald nach der Erhebung des Widerspruchs abgegeben wird.

(4) Der Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens kann bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Antragsgegners zur Hauptsache zurückgenommen werden. Die Zurücknahme kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Mit der Zurücknahme ist die Streitsache als nicht rechtshängig geworden anzusehen.

(5) Das Gericht, an das der Rechtsstreit abgegeben ist, ist hierdurch in seiner Zuständigkeit nicht gebunden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.