Landgericht Mannheim Urteil, 29. Okt. 2010 - 7 O 214/10

bei uns veröffentlicht am29.10.2010

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsklägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

 
Die Verfügungsklägerin sieht durch die Verfügungsbeklagte ihre Rechte aus dem deutschen Patent DE 10 2006 013 970 verletzt und begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung Unterlassung.
Die Verfügungsklägerin und die Verfügungsbeklagte sind auf dem Gebiet der Vakuumtechnologie tätig. Die Verfügungsklägerin entwickelt und vertreibt als Teil ihrer Produktpalette Unterdruckflächengreifvorrichtungen (sog. Sauggreifer). Sie ist Inhaberin des deutschen Patents DE 10 2006 013 970 betreffend eine Unterdruckflächengreifvorrichtung. Das Patent wurde am 15.03.2006 angemeldet, die Erteilung des Patents am 14.08.2008 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft.
Der geltend gemachte Anspruch 1 hat (ohne Bezugsziffern) nachfolgenden Wortlaut:
Unterdruckflächengreifvorrichtung mit einem Strangpressprofil, einer parallel an das Strangpressprofil montierten Saugplatte, wenigstens einer das Strangpressprofil mit der Saugplatte verbindenden Überströmöffnung sowie einem Ejektor als Unterdruckerzeuger, wobei das Strangpressprofil eine einzige Hohlkammer aufweist, und der Ejektor in die Hohlkammer des Strangpressprofils eingeschoben ist und die Ansaugöffnung des Ejektors mit der Überströmöffnung kommuniziert.
Die Verfügungsbeklagte ist das deutsche Unternehmen der französischen Gesellschaft [A.], die ebenfalls Sauggreifer herstellt. Der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten ist zugleich Directeur Général und Mitglied der Geschäftsleitung der [A.].
Die Verfügungsbeklagte stellte auf der Messe Motek 2010, die vom 13.-17.09.2010 in Stuttgart stattfand, einen Sauggreifer der Serie [X.] aus (angegriffene Ausführungsform). Auf dem Messestand lagen Produktkataloge aus. Der ausgestellte Sauggreifer entsprach konstruktiv der als Anlage […] vorgelegten Vorrichtung, die die Verfügungsbeklagte in den USA vertreibt und die die Verfügungsklägerin in den USA von dem amerikanischen Unternehmen [B.] bezogen hatte.
Nachdem die Verfügungsbeklagte das Modell im Jahr 2008 auf Messen in Chicago und Paris ausgestellt hatte, wies die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte bereits im Jahr 2008 darauf hin, dass der entsprechend konstruierte Sauggreifer nach ihrer Auffassung bei einem Vertrieb in Deutschland das deutsche Patent der Verfügungsklägerin verletzen würde.
Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, die Verfügungsbeklagte habe auf der Messe Motek einen patentverletzenden Sauggreifer im Inland angeboten. Die Verfügungsbeklagte habe sich – auf der Messe mit der Patentverletzung konfrontiert – nicht etwa damit verteidigt, der Sauggreifer der Serie [A.] werde im Inland gar nicht angeboten, sondern damit, die Vorrichtung sei nicht patentverletzend. Daran sei erkennbar, dass die Verfügungsbeklagte den Sauggreifer nicht nur im Sinne einer bloßen Leistungsschau auf der Messe ausgestellt habe, sondern gezielt Kunden habe ansprechen wollen. Dies ergebe sich auch daraus, dass in den am Messestand ausliegenden Katalogen auch die patentverletzenden Sauggreifer beworben und [ihnen] die Bestellnummer entnommen werden könne. Die Messe Motek richte sich in erster Linie an den deutschen Markt.
Auch in Deutschland könne die patentverletzende Vorrichtung bestellt werden, was sich daran zeige, dass auch in Deutschland Bestellungen unter der Bestellnummer der patentverletzenden Ausführung des Sauggreifers „[Buchstaben/Zahlenkombination]“ (Hervorhebung diesseits, G2 = Vorrichtung mit einem integrierten Unterdruckerzeuger […]) ausweislich der in der mündlichen Verhandlung übergebenen Rechnung vom 16.07.2009 ausgeführt würden, wenngleich auf die Bestellung eine patentfreie Vorrichtung mit außerhalb des Strangpressprofils liegendem Ejektor geliefert worden sei. Die Verfügungsbeklagte habe nach der Messe begonnen, das Produkt intensiv zu bewerben.
10 
Die Verfügungsklägerin beantragt,
11 
der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an dem gesetzlichen Vertreter der Antragsgegnerin zu vollziehen ist, untersagt in der Bundesrepublik Deutschland eine Unterdruckflächengreifvorrichtung mit einem Strangpressprofil, einer parallel an das Strangpressprofil montierten Saugplatte, wenigstens einer das Strangpressprofil mit der Saugplatte verbindenden Überströmöffnung sowie einem Ejektor als Unterdruckerzeuger, anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, sofern das Strangpressprofil eine einzige Hohlkammer aufweist, und der Ejektor in die Hohlkammer des Strangpressprofils eingeschoben ist und die Ansaugöffnung des Ejektors mit der Überströmöffnung kommuniziert. (Hauptanspruch 1 des DE 10 2006 013 970)
12 
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
13 
den Verfügungsantrag vom […] zurückzuweisen.
14 
Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, aus dem Umstand, dass eine Vorrichtung auf der Messe Motek ausgestellt worden sei, könne auf eine Angebotshandlung i.S.d. § 9 PatG nicht geschlossen werden. Die Messe wende sich an ein internationales Publikum und nicht vorwiegend an den deutschen Markt. Zudem verletze die angegriffene Ausführungsform das Patent nicht, da es an einer Verwirklichung der Merkmale 3 und 7 fehle. Die Verletzungsfrage lasse sich schließlich nicht mit hinreichender Klarheit beantworten, weshalb der Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht in Betracht komme.
15 
Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen, weil es jedenfalls an einem Verfügungsgrund fehlt.
17 
1. Ein Verfügungsgrund ist nur dann gegeben, wenn die antragstellende Partei ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis hat, welches nur durch einen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erstrittenen Vollstreckungstitel befriedigt werden kann. Anders als im Recht des unlauteren Wettbewerbs wird das Bestehen eines Verfügungsgrundes im Patentrecht nicht vermutet. Die Regelung des § 12 Abs. 2 UWG ist einer analogen Anwendung mangels planwidriger Regelungslücke nicht zugänglich (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl. 2010, § 12 Rn. 3.14).
18 
Daher ist auf den jeweiligen Einzelfall bezogen zu prüfen, ob bei Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen der Parteien der antragstellenden Partei ein Zuwarten bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens durch Urteil nicht zugemutet werden kann.
19 
In Patentverletzungsstreitigkeiten sind an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes hohe Anforderungen zu stellen, da eine Unterlassungsverfügung in besonders einschneidender Weise in die gewerbliche Tätigkeit des Antragsgegners eingreift, der sich im einstweiligen Verfügungsverfahren zudem in der schwierigen Situation sieht, die Verletzungsfrage sowie die Frage der Rechtsbeständigkeit des geltend gemachten Verfügungspatents binnen sehr kurzer Zeit überprüfen zu müssen (OLG Düsseldorf InstGE 12, 114 - Harnkatheterset).
20 
Indes dürfen vor dem Hintergrund, dass – der nicht unmittelbar anwendbare, bei der Auslegung jedoch zu beachtende (BGH GRUR 2002, 1046, 1048 - Faxkarte, BGH GRUR 2006, 962, 966 - Restschadstoffentfernung) – Art. 50 Abs.1 lit. a des Übereinkommens der handelsbezogenen Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) vom 15.04.1994 (BGBl. II, S. 1730) ebenso wie die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (vgl. Erwägungsgrund 22, Art. 9 Abs. 1 lit. a) und Abs. 4) die Durchsetzung von Schutzrechten auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes sicherstellen wollen, die Anforderungen an das Vorliegen des Verfügungsgrundes nicht überspannt werden.
21 
Jedoch ist Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung in Patentstreitigkeiten, dass die Verletzungsfrage ohne Schwierigkeiten beurteilt werden kann, sie somit zweifelsfrei ist (OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.09.2010 - 6 U 104/10 - Umdruck, S. 16), und sich keine durchgreifenden Zweifel an der Schutzfähigkeit des Verfügungsschutzrechts aufdrängen (a.a.O., S. 11). Ergänzend müssen die sich gegenüberstehenden Interessen der Parteien bewertet und gegeneinander abgewogen werden (OLG Karlsruhe, Urt. v. 08.07.2009 - 6 U 61/09, InstGE 11, 143).
22 
2.a) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Verletzungsfrage vorliegend nicht mit hinreichender Sicherheit zu beantworten. Denn die Verletzungsfrage muss nach Auffassung der Kammer nicht nur insoweit zweifelsfrei feststehen, als die Verwirklichung sämtlicher Merkmale des geltend gemachten Anspruchs durch die angegriffene Ausführungsform offen zu Tage liegen muss. Vielmehr ist zudem erforderlich, dass zweifelsfrei eine patentverletzende Handlung nach § 9 PatG gegeben ist. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, weil eine einen Unterlassungsanspruch rechtfertigende Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr nicht ohne jeden Zweifel bejaht werden kann.
23 
b) Als Anknüpfungspunkt für eine patentverletzende Handlung kommt allein die Ausstellung des angegriffenen Sauggreifers auf der Messe Motek in Stuttgart in Betracht.
24 
aa) Eine Lieferung einer patentverletzenden Ausführungsform im Inland hat die Verfügungsklägerin nicht dargetan. Sie hat lediglich in der mündlichen Verhandlung eine Rechnung vorgelegt, aus der sich zwar ergibt, dass auf ihr die Bestellnummer eines Sauggreifers mit einem integriertem Ejektor vermerkt ist („CVG620VBF G2 E“, Hervorhebung diesseits) und die Lieferung an die im Inland befindliche Firma [C.] erfolgte. Indes wurde unstreitig eine Vorrichtung mit externem Ejektor geliefert (vgl. die in der mündlichen Verhandlung übergebenen Lichtbilder), die auch die Verfügungsklägerin nicht als patentverletzend ansieht.
25 
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird indes durch das bloße Ausstellen eines Produktes im Inland noch keine Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr dafür begründet, dass das ausgestellte Produkt (alsbald) angeboten oder in den Verkehr gebracht würde (so betreffend das Markenrecht: BGH, Urt. v. 22.04.2010 - I ZR 17/05 - Pralinenform II).
26 
cc) Vorliegend hat die Verfügungsklägerin allein dargetan, dass der von ihr als patentverletzend in Anspruch genommene Sauggreifer auf der Messe ausgestellt wurde. Sie hat indes nicht dargelegt, dass die Vorrichtung konkret Kunden zum Kauf angeboten worden wäre. Aus Sicht der Kammer kann daher nicht ausgeschlossen werden und ist angesichts des Charakters der Messe, die sich als „die Internationale Leitmesse für Montage-, Handhabungstechnik und Automation“ darstellt, auch nicht fernliegend, dass die Verfügungsbeklagte die angegriffene Ausführungsform lediglich im Sinne einer Leistungsschau gemeinsam mit ihrer übrigen Produktpalette auf der Messe ausgestellt hat, ohne dass hierdurch auf einen Absatz des Sauggreifers im Inland abgezielt worden wäre.
27 
Auf eine Angebotshandlung bzw. das Bevorstehen einer solchen im Inland kann nach Auffassung der Kammer auch nicht deshalb mit der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung in Patentsachen hinreichenden Gewissheit geschlossen werden, weil die Verfügungsbeklagte an ihrem Messestand einen Produktkatalog auslegte, aus dem sich neben den Bestellnummern von patentfreien Vorrichtungen auch die Bestellnummer der von der Verfügungsklägerin als patentverletzend in Anspruch genommenen Vorrichtung entnehmen lässt.
28 
Insoweit kann nach Auffassung der Kammer eine (bevorstehende) Angebotshandlung mit guten Gründen abgelehnt werden, weil es bei verständiger Betrachtung durchaus mit der allgemeinen Lebenserfahrung vereinbar erscheint und wirtschaftliche Gründe sogar dafür sprechen, dass die Verfügungsbeklagte auf der Messe schlicht ihren Produktkatalog ausgelegt hat, in dem ihre gesamte Produktpalette dargestellt wird, um nicht einen speziellen Messekatalog erstellen zu müssen, in dem die Bestellnummer der im Inland – möglicherweise – patentverletzenden Vorrichtung sowie entsprechende grafische Abbildungen gelöscht werden. Für ein solches Vorgehen spricht zudem, dass vorliegend Ausstellerin die Verfügungsbeklagte war und nicht die im Impressum des Katalogs genannte [B.] mit Sitz in Raleigh North Carolina, USA. Daher liegt nahe, dass sich die Verfügungsbeklagte lediglich aus Kostengründen des englischsprachigen Katalogs der [B.] bediente. Dem Umstand lässt sich aus Sicht der Kammer jedoch kein Indiz für eine (bevorstehende) Angebotshandlung im Inland entnehmen.
29 
Dass insoweit eine andere rechtliche Würdigung vertretbar sein mag, verkennt die Kammer nicht, jedoch kann die Verletzungsfrage unter diesen Umständen nicht zweifelsfrei bejaht werden.
30 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Gründe

 
16 
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen, weil es jedenfalls an einem Verfügungsgrund fehlt.
17 
1. Ein Verfügungsgrund ist nur dann gegeben, wenn die antragstellende Partei ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis hat, welches nur durch einen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erstrittenen Vollstreckungstitel befriedigt werden kann. Anders als im Recht des unlauteren Wettbewerbs wird das Bestehen eines Verfügungsgrundes im Patentrecht nicht vermutet. Die Regelung des § 12 Abs. 2 UWG ist einer analogen Anwendung mangels planwidriger Regelungslücke nicht zugänglich (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl. 2010, § 12 Rn. 3.14).
18 
Daher ist auf den jeweiligen Einzelfall bezogen zu prüfen, ob bei Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen der Parteien der antragstellenden Partei ein Zuwarten bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens durch Urteil nicht zugemutet werden kann.
19 
In Patentverletzungsstreitigkeiten sind an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes hohe Anforderungen zu stellen, da eine Unterlassungsverfügung in besonders einschneidender Weise in die gewerbliche Tätigkeit des Antragsgegners eingreift, der sich im einstweiligen Verfügungsverfahren zudem in der schwierigen Situation sieht, die Verletzungsfrage sowie die Frage der Rechtsbeständigkeit des geltend gemachten Verfügungspatents binnen sehr kurzer Zeit überprüfen zu müssen (OLG Düsseldorf InstGE 12, 114 - Harnkatheterset).
20 
Indes dürfen vor dem Hintergrund, dass – der nicht unmittelbar anwendbare, bei der Auslegung jedoch zu beachtende (BGH GRUR 2002, 1046, 1048 - Faxkarte, BGH GRUR 2006, 962, 966 - Restschadstoffentfernung) – Art. 50 Abs.1 lit. a des Übereinkommens der handelsbezogenen Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) vom 15.04.1994 (BGBl. II, S. 1730) ebenso wie die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (vgl. Erwägungsgrund 22, Art. 9 Abs. 1 lit. a) und Abs. 4) die Durchsetzung von Schutzrechten auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes sicherstellen wollen, die Anforderungen an das Vorliegen des Verfügungsgrundes nicht überspannt werden.
21 
Jedoch ist Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung in Patentstreitigkeiten, dass die Verletzungsfrage ohne Schwierigkeiten beurteilt werden kann, sie somit zweifelsfrei ist (OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.09.2010 - 6 U 104/10 - Umdruck, S. 16), und sich keine durchgreifenden Zweifel an der Schutzfähigkeit des Verfügungsschutzrechts aufdrängen (a.a.O., S. 11). Ergänzend müssen die sich gegenüberstehenden Interessen der Parteien bewertet und gegeneinander abgewogen werden (OLG Karlsruhe, Urt. v. 08.07.2009 - 6 U 61/09, InstGE 11, 143).
22 
2.a) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Verletzungsfrage vorliegend nicht mit hinreichender Sicherheit zu beantworten. Denn die Verletzungsfrage muss nach Auffassung der Kammer nicht nur insoweit zweifelsfrei feststehen, als die Verwirklichung sämtlicher Merkmale des geltend gemachten Anspruchs durch die angegriffene Ausführungsform offen zu Tage liegen muss. Vielmehr ist zudem erforderlich, dass zweifelsfrei eine patentverletzende Handlung nach § 9 PatG gegeben ist. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, weil eine einen Unterlassungsanspruch rechtfertigende Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr nicht ohne jeden Zweifel bejaht werden kann.
23 
b) Als Anknüpfungspunkt für eine patentverletzende Handlung kommt allein die Ausstellung des angegriffenen Sauggreifers auf der Messe Motek in Stuttgart in Betracht.
24 
aa) Eine Lieferung einer patentverletzenden Ausführungsform im Inland hat die Verfügungsklägerin nicht dargetan. Sie hat lediglich in der mündlichen Verhandlung eine Rechnung vorgelegt, aus der sich zwar ergibt, dass auf ihr die Bestellnummer eines Sauggreifers mit einem integriertem Ejektor vermerkt ist („CVG620VBF G2 E“, Hervorhebung diesseits) und die Lieferung an die im Inland befindliche Firma [C.] erfolgte. Indes wurde unstreitig eine Vorrichtung mit externem Ejektor geliefert (vgl. die in der mündlichen Verhandlung übergebenen Lichtbilder), die auch die Verfügungsklägerin nicht als patentverletzend ansieht.
25 
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird indes durch das bloße Ausstellen eines Produktes im Inland noch keine Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr dafür begründet, dass das ausgestellte Produkt (alsbald) angeboten oder in den Verkehr gebracht würde (so betreffend das Markenrecht: BGH, Urt. v. 22.04.2010 - I ZR 17/05 - Pralinenform II).
26 
cc) Vorliegend hat die Verfügungsklägerin allein dargetan, dass der von ihr als patentverletzend in Anspruch genommene Sauggreifer auf der Messe ausgestellt wurde. Sie hat indes nicht dargelegt, dass die Vorrichtung konkret Kunden zum Kauf angeboten worden wäre. Aus Sicht der Kammer kann daher nicht ausgeschlossen werden und ist angesichts des Charakters der Messe, die sich als „die Internationale Leitmesse für Montage-, Handhabungstechnik und Automation“ darstellt, auch nicht fernliegend, dass die Verfügungsbeklagte die angegriffene Ausführungsform lediglich im Sinne einer Leistungsschau gemeinsam mit ihrer übrigen Produktpalette auf der Messe ausgestellt hat, ohne dass hierdurch auf einen Absatz des Sauggreifers im Inland abgezielt worden wäre.
27 
Auf eine Angebotshandlung bzw. das Bevorstehen einer solchen im Inland kann nach Auffassung der Kammer auch nicht deshalb mit der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung in Patentsachen hinreichenden Gewissheit geschlossen werden, weil die Verfügungsbeklagte an ihrem Messestand einen Produktkatalog auslegte, aus dem sich neben den Bestellnummern von patentfreien Vorrichtungen auch die Bestellnummer der von der Verfügungsklägerin als patentverletzend in Anspruch genommenen Vorrichtung entnehmen lässt.
28 
Insoweit kann nach Auffassung der Kammer eine (bevorstehende) Angebotshandlung mit guten Gründen abgelehnt werden, weil es bei verständiger Betrachtung durchaus mit der allgemeinen Lebenserfahrung vereinbar erscheint und wirtschaftliche Gründe sogar dafür sprechen, dass die Verfügungsbeklagte auf der Messe schlicht ihren Produktkatalog ausgelegt hat, in dem ihre gesamte Produktpalette dargestellt wird, um nicht einen speziellen Messekatalog erstellen zu müssen, in dem die Bestellnummer der im Inland – möglicherweise – patentverletzenden Vorrichtung sowie entsprechende grafische Abbildungen gelöscht werden. Für ein solches Vorgehen spricht zudem, dass vorliegend Ausstellerin die Verfügungsbeklagte war und nicht die im Impressum des Katalogs genannte [B.] mit Sitz in Raleigh North Carolina, USA. Daher liegt nahe, dass sich die Verfügungsbeklagte lediglich aus Kostengründen des englischsprachigen Katalogs der [B.] bediente. Dem Umstand lässt sich aus Sicht der Kammer jedoch kein Indiz für eine (bevorstehende) Angebotshandlung im Inland entnehmen.
29 
Dass insoweit eine andere rechtliche Würdigung vertretbar sein mag, verkennt die Kammer nicht, jedoch kann die Verletzungsfrage unter diesen Umständen nicht zweifelsfrei bejaht werden.
30 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Landgericht Mannheim Urteil, 29. Okt. 2010 - 7 O 214/10

Urteilsbesprechungen zu Landgericht Mannheim Urteil, 29. Okt. 2010 - 7 O 214/10

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 12 Einstweiliger Rechtsschutz; Veröffentlichungsbefugnis; Streitwertminderung


(1) Zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung können einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden

Patentgesetz - PatG | § 9


Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung 1. ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzust
Landgericht Mannheim Urteil, 29. Okt. 2010 - 7 O 214/10 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 12 Einstweiliger Rechtsschutz; Veröffentlichungsbefugnis; Streitwertminderung


(1) Zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung können einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden

Patentgesetz - PatG | § 9


Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung 1. ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzust

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Landgericht Mannheim Urteil, 29. Okt. 2010 - 7 O 214/10 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 22. Apr. 2010 - I ZR 17/05

bei uns veröffentlicht am 22.04.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 17/05 Verkündet am: 22. April 2010 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 08. Juli 2009 - 6 U 61/09

bei uns veröffentlicht am 08.07.2009

Tenor 1. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 27. Februar 2009 – 7 O 29/09 – wird zurückgewiesen. 2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gründe
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landgericht Mannheim Urteil, 29. Okt. 2010 - 7 O 214/10.

Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 06. Okt. 2016 - I-2 U 19/16

bei uns veröffentlicht am 06.10.2016

Tenor A.              Auf die Berufung wird – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – das am 17. Dezember 2015 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt gefasst: I.

Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 27. März 2014 - I-15 U 19/14

bei uns veröffentlicht am 27.03.2014

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Juni 2013 – 4a O 179/12 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verurteilung gemäß A. III. des Tenors dieses Urteils zum Rückruf aus de

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Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung

1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten;
3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

(1) Zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung können einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden.

(2) Ist auf Grund dieses Gesetzes Klage auf Unterlassung erhoben worden, so kann das Gericht der obsiegenden Partei die Befugnis zusprechen, das Urteil auf Kosten der unterliegenden Partei öffentlich bekannt zu machen, wenn sie ein berechtigtes Interesse dartut. Art und Umfang der Bekanntmachung werden im Urteil bestimmt. Die Befugnis erlischt, wenn von ihr nicht innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft Gebrauch gemacht worden ist. Der Ausspruch nach Satz 1 ist nicht vorläufig vollstreckbar.

(3) Macht eine Partei in Rechtsstreitigkeiten, in denen durch Klage ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird, glaubhaft, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Gericht auf ihren Antrag anordnen, dass die Verpflichtung dieser Partei zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwerts bemisst. Die Anordnung hat zur Folge, dass

1.
die begünstigte Partei die Gebühren ihres Rechtsanwalts ebenfalls nur nach diesem Teil des Streitwerts zu entrichten hat,
2.
die begünstigte Partei, soweit ihr Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden oder soweit sie diese übernimmt, die von dem Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwalts nur nach dem Teil des Streitwerts zu erstatten hat und
3.
der Rechtsanwalt der begünstigten Partei, soweit die außergerichtlichen Kosten dem Gegner auferlegt oder von ihm übernommen werden, seine Gebühren von dem Gegner nach dem für diesen geltenden Streitwert beitreiben kann.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 kann vor der Geschäftsstelle des Gerichts zur Niederschrift erklärt werden. Er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache anzubringen. Danach ist er nur zulässig, wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert später durch das Gericht heraufgesetzt wird. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner zu hören.

Tenor

1. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 27. Februar 2009 – 7 O 29/09 – wird zurückgewiesen.

2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

 
Die Verfügungsklägerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Patentverletzung.
Die Verfügungsklägerin ist weltweit im Bereich der Unterhaltungselektronik tätig. Sie ist Inhaberin des Europäischen Patents ... (im Folgenden: Klagepatent). Zu den benannten Vertragsstaaten gehört Deutschland. Das Schutzrecht ist in Kraft. Die Verfügungsbeklagte hat am 15.06.2009 gegen das Klagepatent Einspruch eingelegt.
Das Klagepatent betrifft eine Anzeigevorrichtung mit vertikal ausgerichtetem Flüssigkristall. Die Ansprüche 1 und 3 lauten wie folgt:
1. Eine Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixel, die Vorrichtung umfassend:
erste und zweite Substrate (16, 17); und eine Flüssigkristallschicht, die zwischen den ersten und den zweiten Substraten (16, 17) platziert ist; wobei das erste Substrat (16) zumindest eine erste Struktur (20A-1) und eine zweite Struktur (20A-2) aufweist, um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren; und das zweite Substrat (17) weist zumindest eine dritte Struktur (20B-3) und eine vierte Struktur (20B-4) auf, um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren; dadurch gekennzeichnet, dass
(a) sich in einem Pixel die erste Struktur (20A-1) und die zweite Struktur (20A-2) linear in unterschiedliche Richtungen zueinander erstrecken;
(b) sich in dem Pixel die dritte Struktur (20B-3) im Wesentlichen parallel zu der ersten Struktur (20A-1) erstreckt und sich in dem Pixel die vierte Struktur (20B-4) im Wesentlichen parallel zu der zweiten Struktur (20A-2) erstreckt;
(c) sich die erste Struktur (20A-1), die zweite Struktur (20A-2), die dritte Struktur (20B-3) und die vierte Struktur (20B-4) in Richtungen erstrecken, die von der Richtung verschieden sind, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt; und
(d) das erste Substrat (16) ferner mindestens eine Struktur (52) für die Kontrolle der Ausrichtung von Flüssigkristallen aufweist, die im Wesentlichen parallel zu dem Rand des Pixels verläuft.
10 
2. …
11 
3. Die Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus nach Anspruch 1 oder 2, worin die Struktur (52), die im Wesentlichen parallel zu dem Rand des Pixels verläuft, in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet ist.
12 
Wegen des weiteren Inhalts der Patentschrift wird auf die deutsche Übersetzung in Anlage ASt 1a und die englische Originalfassung in Anlage ASt 1 Bezug genommen.
13 
Die Verfügungsbeklagte importiert und vertreibt in Deutschland unter anderem folgende Typen von LCD-Fernsehern:
14 
1. bereits in erster Instanz angegriffene Ausführungsformen:
a)...
b) ...
2. in zweiter Instanz zusätzlich angegriffene Ausführungsform:
...
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Die Ausführungsform 1a wird seit Mitte März 2009, die Ausführungsform 1b seit Ende Januar 2009 nicht mehr von der Verfügungsbeklagten ausgeliefert. Beide Ausführungsformen sind noch als Auslaufmodell im Handel erhältlich. Die Ausführungsform 2 wird von der Verfügungsbeklagten seit Ende März 2009 vertrieben.
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Die Parteien sowie die Muttergesellschaft der Verfügungsbeklagten führen in mehreren Staaten patentrechtliche Auseinandersetzungen um die Verletzung von mehreren Patenten für Flüssigkristallanzeigen. Unter anderem ist eine Klage beim Landgericht Mannheim anhängig, mit der sich die Verfügungsklägerin unter anderem auf der Grundlage des Klagepatents gegen die Ausführungsformen 1a und 1b wendet. Vorgerichtlich und parallel zu den Verfahren wurden und werden Verhandlungen über eine Kreuzlizenzvereinbarung geführt.
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Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Verfügungsklägerin, mit der sie ihr Begehren auf die Kombination der Ansprüche 1 und 3 stützt und ergänzend die Ausführungsform 2 angreift.
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Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht das Vorliegen eines Verfügungsgrundes verneint. Aus diesem Grund ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auch insoweit zurückzuweisen, als sich die Verfügungsklägerin gegen die Ausführungsform 2 wendet.
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1. Die Einbeziehung der Ausführungsform 2 in das bereits anhängige Verfahren ist sachdienlich und auch im Übrigen gemäß § 533 ZPO zulässig. Die Ausführungsform 2 unterscheidet sich, soweit es um die Form der Schlitzstrukturen geht, zwar in Details von den Ausführungsformen 1a und 1b. Aus dem Vortrag der Verfügungsbeklagten lässt sich aber nicht entnehmen, dass diese Unterschiede für die patentgemäße Wirkung der Strukturen von Bedeutung sind. Die Verletzungsfrage lässt sich für die Ausführungsform 2 deshalb anhand des Sach- und Streitstandes beurteilen, den der Senat für die Prüfung der Ausführungsformen 1a und 1b ohnehin zu berücksichtigen hat. Der mit der Zulassung der Antragserweiterung verbundene Verlust einer Instanz erscheint vor diesem Hintergrund für die Verfügungsbeklagte zumutbar.
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2. Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass kein Verfügungsgrund vorliegt. Der Begriff „Verfügungsgrund“ bezeichnet das besondere Rechtschutzbedürfnis der klagenden Partei an der Erlangung eines Vollstreckungstitels im summarischen Verfahren der einstweiligen Verfügung. Das Bestehen eines Verfügungsgrundes wird im Patentverletzungsprozess nicht vermutet; § 12 Abs. 2 UWG ist nicht anwendbar. Die besonderen Umstände, die eine Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung rechtfertigen, sind deshalb im Einzelfall festzustellen. Aus der Durchsetzungsrichtlinie ergibt sich nichts anderes. Diese verlangt zwar, dass grundsätzlich die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes durch einstweilige Maßnahmen bestehen muss. Das ändert aber nichts daran, dass im Einzelfall eine Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung nur unter den Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO ergehen darf. Entscheidend ist dabei, ob sich bei Berücksichtigung aller Umstände und der Interessen der Parteien ergibt, dass der klagenden Partei die mit der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens bis zum erstinstanzlichen Urteil immer verbundene Verzögerung nicht zugemutet werden kann.
21 
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung im Patentverletzungsverfahren ist danach, wie das Landgericht im Einzelnen näher ausgeführt hat, dass die Beurteilung der Verletzungsfrage im Einzelfall keine Schwierigkeiten macht und dass sich keine durchgreifenden Zweifel an der Schutzfähigkeit des Klageschutzrechts aufdrängen (Senat GRUR 1988, 900 – Dutralene und GRUR-RR 2002, 278, 279 – DVD-Player). Mit Schwierigkeiten ist die Beurteilung der Verletzungsfrage nicht erst dann verbunden, wenn sie im Hauptsacheverfahren nicht ohne Heranziehung eines Sachverständigen beantwortet werden könnte. Ergänzend ist eine Bewertung und Abwägung der Interessen der Parteien vorzunehmen. Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung im vorliegenden Fall nicht vor. Der Antrag der Verfügungsklägerin erweist sich als unzulässig und ist vom Landgericht zu Recht zurückgewiesen worden.
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a) Die Beurteilung der Verletzungsfragen ist als schwierig zu bezeichnen.
23 
Allerdings spricht auf der Grundlage des Sach- und Streitstandes im Verfügungsverfahren nach Auffassung des Senats viel für die Annahme, dass die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale der Ansprüche 1 und 3 des Klagepatents wortsinngemäß verwirklichen.
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aa) Das Klagepatent betrifft eine Flüssigkeitskristallanzeige (LCD) des vertikalen Ausrichtungsmodus (VA). In der Beschreibung wird dargelegt, dass im Stand der Technik zahlreiche Typen von Flüssigkristallanzeigen bekannt waren. Als besonders geeignet werden Anzeigen mit Dünnschichttransistoren (TFT) hervorgehoben. Als am weitesten verbreiteter Typ von TFT-LCD werden Geräte nach dem TN-Modus (Twisted Nematic) bezeichnet. Diese zeichnen sich durch hohen Kontrast und hohe Farbreproduzierbarkeit aus, weisen aber den Nachteil auf, dass die Qualität der Darstellung stark vom Betrachtungswinkel abhängt. Als Alternative wurden Geräte nach dem IPS-Modus (In Plane Switching) vorgeschlagen. Diese haben eine bessere Betrachtungswinkelcharakteristik, aber längere Schaltzeiten, was vor allem bei der Anzeige von schnellen Bewegungen nachteilig ist.
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Das Klagepatent befasst sich vor diesem Hintergrund mit LCD nach dem VA-Modus (Vertically Aligned). VA-LCD unterscheiden sich von TN-LCD unter anderem durch die Anordnung der Flüssigkristallmoleküle zwischen den zur Ansteuerung dienenden Elektroden. Beim TN-Modus sind die Flüssigkristalle im spannungsfreien Zustand im Wesentlichen parallel zur Anzeigeebene angeordnet. Dies entspricht dem Anzeigezustand „hell“. Beim Anlegen einer Spannung ordnen sich die Flüssigkristallmoleküle im Wesentlichen senkrecht zur Anzeigeebene an. Dies entspricht dem Anzeigezustand „dunkel“. Durch Variation der Spannung können Zwischenzustände erreicht werden. Beim VA-Modus sind die Flüssigkristallmoleküle in spannungsfreiem Zustand im Wesentlichen senkrecht zur Anzeigeebene angeordnet, was auch hier dem Anzeigezustand „dunkel“ entspricht. Bei Anlegen einer Spannung richten sich die Flüssigkristallmoleküle im Wesentlichen parallel zur Anzeigeebene aus, was dem Anzeigezustand „hell“ entspricht. Der VA-Modus bietet nach den Angaben in der Klagepatentschrift einen höheren Kontrast und eine bessere Betrachtungswinkelcharakteristik als der TN-Modus, ist dem IPS-Modus jedoch hinsichtlich der Betrachtungswinkelcharakteristik unterlegen.
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Zur Verbesserung dieser Eigenschaft waren im Stand der Technik Vorschläge bekannt, die Orientierungsrichtung der Flüssigkristallmoleküle innerhalb eines Pixels auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Richtungen einzustellen. Beim TN-Modus führt dies nach den Angaben in der Klagepatentschrift jedoch dazu, dass die Oberfläche des Ausrichtungsfilms beim Herstellungsvorgang beschädigt wird. Entsprechende Lösungsvorschläge waren auch für den VA-Modus bekannt. Die unterschiedliche Ausrichtung der Flüssigkristallmoleküle wurde hierbei durch Öffnungen in einer der Elektroden oder durch Ausbildung von geneigten Flächen auf denselben erreicht. Die zuerst genannte Lösung bietet nach den Darlegungen in der Klagepatentschrift keine ausreichende Schaltgeschwindigkeit, die zweite führt zum gleichen Problem wie der Vorschlag für den TN-Modus.
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Vor diesem Hintergrund betrifft das Klagepatent das technische Problem, eine VA-Flüssigkristallanzeige zu realisieren, die eine mindestens ebenso gute Betrachtungswinkelcharakteristik aufweist wie eine Anzeige nach dem IPS-Modus und denselben Kontrast und dieselbe Operationsgeschwindigkeit zulässt wie eine Anzeige nach dem TN-Modus. Zur Lösung dieses Problems wird in den Ansprüchen 1 und 3 eine Vorrichtung vorgeschlagen, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
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1. Eine Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixel, die Vorrichtung umfassend:
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1.1. ein erstes Substrat (16)
30 
1.1.1 mit zumindest einer ersten Struktur (20A-1) und einer zweiten Struktur (20A-2), um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren;
31 
1.1.2 die erste Struktur (20A-1) und die zweite Struktur (20A-2) erstrecken sich in einem Pixel linear in unterschiedliche Richtungen zueinander;
32 
1.1.3 mit mindestens einer Struktur (52) für die Kontrolle der Ausrichtung von Flüssigkristallen, die im Wesentlichen parallel zu dem Rand des Pixels verläuft
33 
1.1.4. und in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet ist
34 
1.2. ein zweites Substrat (17)
35 
1.2.1 mit zumindest einer dritten Struktur (20B-3) und einer vierten Struktur (20B-4), um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren;
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1.2.2 die dritte Struktur (20B-3) erstreckt sich in dem Pixel im Wesentlichen parallel zu der ersten Struktur (20A-1);
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1.2.3. die vierte Struktur (20B-4) erstreckt sich in dem Pixel im Wesentlichen parallel zu der zweiten Struktur (20A-2);
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1.3. die vier Strukturen (20A-1, 20A-2, 20B-3 und 20B-4) erstrecken sich in Richtungen, die von der Richtung verschieden sind, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt.
39 
1.4. zwischen den ersten und den zweiten Substraten (16, 17) ist eine Flüssigkristallschicht platziert.
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Diese Gliederung weicht von der seitens der Verfügungsklägerin erstellten Gliederung nur insoweit ab, als das zusätzliche Merkmal nach Anspruch 3 des Klagepatents, das die Verfügungsklägerin in zweiter Instanz in den Gliederungspunkt 1.1.3 mit aufgenommen hat, der besseren Übersicht halber in einen eigenen Gliederungspunkt 1.1.4 ausgelagert wurde. Sachliche Änderungen sind damit nicht verbunden.
41 
Ein Ausführungsbeispiel für ein Pixel, das die Merkmale des Anspruchs 1 aufweist, ist in Figur 43 der Klagepatentschrift wie folgt dargestellt:
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In der Beschreibung wird die zusätzliche Struktur (52) als Erhebung bezeichnet, die in der Nähe des Bereichs gebildet ist, in dem eine Schlierenstruktur („schlieren structure“) beobachtet wird. Die Erhebung ist mit einer Erhebung 20A verbunden und einstückig ausgebildet (Anlage ASt 1 und ASt 1a, Abs. 107). Als Ursache für die ohne die Erhebung (52) beobachtete Schlierenstruktur wird ein als „Reverse Tilt“ bezeichnetes Phänomen genannt, das entsteht, weil das elektrische Feld am Rand eine schräge Ausrichtung aufweist, was dazu führt, dass die Flüssigkristallmoleküle in diesem Bereich nicht die gewünschte Richtung einnehmen (Anlage ASt 1 und ASt 1a, Abs. 99 und 100).
43 
Die Anordnung der Erhebung (52) ist nochmals in Figur 44 dargestellt:
44 
In Figur 62 ist eine modifizierte Anordnung dargestellt, bei der die Erhebung (52) so angeordnet ist, dass sie dem Rand der Pixelelektrode (13) zugewandt ist (Anlage ASt 1 und ASt 1a, Abs. 108):
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bb) Vor diesem Hintergrund dürften die angegriffenen Ausführungsformen 1a und 1b nach derzeitiger Einschätzung des Senats, die auf dem Sach- und Streitstand des vorliegenden Verfügungsverfahrens beruht, von allen Merkmalen der Ansprüche 1 und 3 wortsinngemäß Gebrauch machen.
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(1) Die genannten Ausführungsformen stellen unstreitig Flüssigkristallanzeigevorrichtungen des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixeln dar und verwirklichen damit Merkmal 1.
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(2) Die Pixel weisen folgende Struktur auf:
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Ausführungsform 1a:
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Ausführungsform 1b:
50 
Aus den Abbildungen geht hervor, dass die Vorrichtungen ein erstes Substrat (Gegen-Substrat, linke Seite) und ein zweites Substrat (TFT-Substrat, rechte Seite) aufweisen, wie dies die Merkmale 1.1 und 1.2 vorsehen. Zwischen den Substraten ist unstreitig die in Merkmal 1.4 vorgesehene Flüssigkristallschicht platziert. Die Substrate weisen auch schräg verlaufende Strukturen – Schlitze – auf und verwirklichen damit die Merkmale 1.1.1 und 1.2.1. Diese Strukturen verlaufen ferner in einer Richtung, die verschieden ist von der Richtung, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt, so dass auch Merkmal 1.3 verwirklicht ist.
51 
(3) Auf der Grundlage des Sach- und Streitstands im Verfügungsverfahren spricht nach Auffassung des Senats auch viel für die Verwirklichung der Merkmale 1.1.2, 1.2.2 und 1.2.3.
52 
Aus den oben wiedergegebenen Abbildungen geht hervor, dass die Strukturen im oberen Bereich jeweils von rechts oben nach links unten und im unteren Bereich jeweils von links oben nach rechts unten verlaufen, mithin zwei unterschiedliche Richtungen aufweisen, wie dies die genannten Merkmale vorsehen. Die Strukturen verlaufen auch zumindest über bestimmte Teilstrecken linear. Hierbei kann offen bleiben, ob der Verlauf der Strukturen jeweils vom linken bis zum rechten Rand als linear im Sinne des Klagepatents angesehen werden kann. Selbst wenn dies aufgrund der vorhandenen Einkerbungen zu verneinen wäre, wiesen die Strukturen jedenfalls zwischen zwei Einkerbungen jeweils einen linearen Verlauf auf.
53 
Die Lehre des Klagepatents legt sich weder auf die Anzahl noch auf die Länge der Strukturen fest. Schon der Anspruchswortlaut, der von „zumindest“ einer ersten und einer dritten Struktur die Rede ist, lässt ausdrücklich die Möglichkeit offen, dass die Substrate weitere Strukturen aufweisen. Darauf wird auch in der Beschreibung des Klagepatents ausdrücklich hingewiesen (Anlage ASt 1 Seite 6 Zeile 20 f.; Anlage ASt 1a Seite 10 Zeile 46 bis 48). Dort wird auch klargestellt, dass jede Struktur ein oder mehrere Schlitze, Erhebungen, Vertiefungen oder Rillen umfassen und ein unterbrochenes Muster ausbilden kann (Anlage ASt 1 Seite 5 Zeile 17 und 39; Anlage ASt 1a Seite 8 Zeile 36 f. und Seite 9 Zeile 23 f.). Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass es ausreicht, wenn sich die linearen Strukturen zumindest über einen Teil der Pixelfläche erstrecken, ohne dass sie vom einen Rand bis zum anderen reichen.
54 
(4) Aus den oben wiedergegebenen Abbildungen und noch deutlicher aus den farbigen Abbildungen in Anlage ASt 5 geht auch hervor, dass das Gegensubstrat am rechten Rand jeweils Strukturen aufweist, die im Wesentlichen parallel zum Rand des Pixels verlaufen, wie dies in Merkmal 1.1.3 vorgesehen ist, und entsprechend Merkmal 1.1.4 auch in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet sind.
55 
Dass diese Strukturen eine leichte Keilform aufweisen, schließt die Verwirklichung dieses Merkmals nach derzeitiger Einschätzung des Senats nicht aus. Durch die in Anspruch 1 verwendete Formulierung „im Wesentlichen parallel“ kommt zum Ausdruck, dass leichte Abweichungen von einem parallelen Verlauf unschädlich sind. Anhaltspunkte, die dafür sprechen könnten, dass ein leicht keilförmiger Verlauf nicht mehr von der Lehre des Klagepatents umfasst ist, ergeben sich weder aus dem Anspruch noch aus dem sonstigen zur Auslegung heranzuziehenden Inhalt der Klagepatentschrift.
56 
Auf der Grundlage des vorliegenden Sach- und Streitstandes hat der Senat Zweifel daran, dass die durch das Patent unter Schutz gestellte Lösung auf den Fall beschränkt ist, dass jede der Strukturen 52 sowie 20A-1 bis 20B-4 während des Betriebs der Vorrichtung in der Weise wirksam sein muss, dass die Flüssigkristallmoleküle ohne ihr Vorhandensein eine andere Ausrichtung aufweisen würden. Dass die genannten Strukturen ausweislich des Patentanspruchs der Kontrolle der Ausrichtung der (bzw. von) Flüssigkristallen dienen, ist eine Zweckangabe, die der mittelbaren Umschreibung der räumlich-körperlichen Merkmale der Strukturen dient. Sowohl aus dem Anspruchswortlaut als auch aus der Beschreibung ergibt sich somit, dass die Strukturen aufgrund ihrer Bauart und ihrer Anordnung geeignet sein müssen, die Ausrichtung der Flüssigkristallmoleküle zu beeinflussen. Der Senat hält aber für zweifelhaft, ob sich hieraus entnehmen lässt, dass von jeder einzelnen Struktur während des Betriebs der Vorrichtung eine bestimmte Wirkung ausgehen muss. Vielmehr kommt durchaus in Betracht, dass es ausreicht, wenn die Strukturen die erwähnte Eignung zur Ausrichtung der Flüssigkristallmoleküle aufweisen und in ihrer Gesamtheit zu der gewünschten Ausrichtung führen. Der Wortlaut des Anspruchs stellt nicht darauf ab, welche Struktur während des Betriebs hierzu welchen Beitrag leistet. Dass der Erhebung (52) in der Beschreibung des in den Figuren 43 und 44 abgebildeten Ausführungsbeispiels bestimmte Wirkungen beigemessen werden, führt nach derzeitiger Einschätzung des Senats zu keiner anderen Bewertung. Die Erzielung dieser Wirkungen hat in den Ansprüchen 1 und 3 keinen Niederschlag gefunden. Angesichts dessen kann nicht angenommen werden, dass die beanspruchte Lehre über den Wortlaut des Anspruchs hinaus weitere, nur im Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel erwähnte Merkmale umfassen soll.
57 
Auf der Grundlage des Vorbringens der Parteien im Verfügungsverfahren geht der Senat davon aus, dass die bei den angegriffenen Ausführungsformen 1a und 1b im Wesentlichen parallel zum Rand des Pixels verlaufenden, leicht keilförmig ausgebildeten Strukturen ihrer Beschaffenheit nach geeignet sind, die Ausrichtung der Flüssigkeitskristalle zu beeinflussen. Dies reicht für die Verwirklichung der Merkmale 1.1.3 und 1.1.4 aus. Ob die von diesen Strukturen ausgehenden Kräfte beim Betrieb der Fernsehgeräte wirksam werden oder ob sie von anderen Kräften überlagert und deshalb ohne sichtbaren Effekt bleiben, dürfte aus den genannten Gründen unerheblich sein.
58 
Unerheblich ist ferner, dass die Struktur (52) bei dem in der Klagepatentschrift beschriebenen Ausführungsbeispiel als Erhebung, bei den angegriffenen Ausführungsformen hingegen als Schlitz ausgebildet ist. In der Beschreibung der Klagepatentschrift wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach der beanspruchten Lehre jede Struktur auch als Schlitz ausgebildet sein kann (Anlage ASt 1 Seite 7 Zeile 13; Anlage ASt 1a Seite 12 Zeile 26).
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cc) Für die angegriffene Ausführungsform 2 gilt nach derzeitiger Einschätzung des Senats im Ergebnis nichts anderes.
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(1) Auch diese Ausführungsform betrifft unstreitig eine Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixeln im Sinne von Merkmal 1.
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(2) Die Pixel sind wie folgt ausgebildet:
62 
Auch bei dieser Ausführungsform ist ein erstes Substrat (Gegen-Substrat, linke Seite) und ein zweites Substrat (TFT-Substrat, rechte Seite) vorhanden, zwischen denen eine Flüssigkristallschicht platziert ist. Die Substrate weisen schräg verlaufende Schlitze auf, die in einer Richtung verlaufen, die sich von der Richtung unterscheidet, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt. Damit sind die Merkmale 1.1, 1.1.1, 1.2, 1.2.1, 1.3 und 1.4 erfüllt.
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(3) Auch bei dieser Ausführungsform weisen die schräg verlaufenden Schlitze zwei unterschiedliche Richtungen auf, die über bestimmte Teilstrecken linear verlaufen. Zwar wird der lineare Verlauf wiederholt unterbrochen, weil einzelne Teilstücke der Schlitze immer wieder um ein gewisses Maß nach links oder rechts versetzt sind, so dass insgesamt ein leicht mäanderförmiger Verlauf entsteht. Wie bereits im Zusammenhang mit den Ausführungsformen 1a und 1b im Einzelnen dargelegt wurde, reicht es für die Verwirklichung der Merkmale 1.1.2, 1.2.2 und 1.2.3 jedoch aus, wenn die Schlitze zumindest über eine Teilstrecke linear verlaufen. Letzteres ist auch bei der angegriffenen Ausführungsform 2 der Fall.
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(4) Auch bei der Ausführungsform 2 weist das Gegensubstrat am rechten Rand Strukturen auf, die im Wesentlichen parallel zum Rand des Pixels verlaufen und in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet sind. Diese Strukturen sind im Wesentlichen gleich ausgestaltet wie die entsprechenden Strukturen bei den Ausführungsformen 1a und 1b. Die Merkmale 1.1.3 und 1.1.4 sind deshalb auch bei dieser Ausführungsform verwirklicht.
65 
Aus den wiedergegebenen Überlegungen geht nach Auffassung des Senats hervor, dass die Beurteilung der Verletzungsfrage sowohl in technischer als auch in patentrechtlicher Hinsicht erhebliche Probleme aufwirft. Es kann keine Rede davon sein, dass sich das Vorliegen einer Patentverletzung ohne weiteres und mit deutlich geringeren Schwierigkeiten feststellen lässt, als in anderen Fällen behaupteter Patentverletzung. Eine abschließende Beurteilung aller angesprochenen Fragen ist im Rahmen eines Verfügungsverfahrens, das auf eine besonders schnelle Entscheidung zur Schaffung einer vorläufigen Regelung ausgerichtet ist, zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, aber allenfalls unter erheblichen Schwierigkeiten möglich. Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass die Klagepatentschrift in der englischen Originalfassung 92 Seiten umfasst, von denen 23 auf die Beschreibung entfallen. In der Beschreibung wird eine Vielzahl von Ausführungsbeispielen erläutert, von denen nicht ohne weiteres zu erkennen ist, welche davon alle Merkmale der beanspruchten Lehre aufweisen und welche nur Zwischenstufen auf dem Weg zur patentgemäßen Lösung darstellen. Ob und ggfs. mit welchem Ergebnis dies Auswirkungen auf die Auslegung des Klagepatents hat, ist im Rahmen des vorliegenden Verfügungsverfahrens nicht abschließend zu klären.
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b) Zutreffend hat das Landgericht seine Entscheidung, dass kein Verfügungsgrund vorliegt, auch auf den Umstand gestützt, dass die vorliegende Streitigkeit Teil einer umfassenden Auseinandersetzung ist, in deren Rahmen die Parteien Verhandlungen über den Abschluss eines Lizenzvertrages geführt haben. Ob auch das Klagepatent (vor seiner Erteilung) ausdrücklich Gegenstand der Verhandlungen war, ist dabei nicht von entscheidender Bedeutung. Aus dem Umstand, dass die Verfügungsklägerin Verhandlungen über den Abschluss einer Lizenzvereinbarung geführt hat, kann zwar für sich genommen nicht ohne weiteres gefolgert werden, dass ihr die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs unwichtig ist. Der bisherige Verlauf der Auseinandersetzung zeigt aber, dass eine sofortige Unterbindung von Vertriebshandlungen der Verfügungsbeklagten auch aus Sicht der Verfügungsklägerin nicht dringend geboten war. Diese Ausgangslage ist nach Auffassung des Senats durch die Erteilung des Klagepatents nicht wesentlich verändert worden. Das Klagepatent ist nur eines unter mehreren Rechten, auf die die Parteien ihre gegenseitigen Ansprüche stützen. Auch der Umstand, dass die Verfügungsbeklagte nach der Darstellung der Verfügungsklägerin ihre Produkte schnell ändert, lässt sich eine besondere Dringlichkeit nach Auffassung des Senats nicht herleiten. Es ist schon unklar, ob sich solche Änderungen auf Teile beziehen, die für das Vorliegen einer Verletzung des Klagepatents von Bedeutung sein können. Zudem würden durch derartige Änderungen Ansprüche der Klägerin wegen Verletzung des Klagepatents nicht vereitelt. Es ist auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass sich die von der Klägerin behaupteten Markteinbußen auf die (geltend gemachte) Verletzung des Klagepatents zurückführen lassen. Von erheblicher Bedeutung ist bei der Abwägung schließlich der Umstand, dass das vorliegende Verfügungsverfahren und das Hauptsacheverfahren parallel betrieben werden. Angesichts des bereits angesetzten Termins zur mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren bleibt die Verfügungsklägerin, sofern sich ihr Begehren als begründet erweist, nur wenige Wochen ohne Vollstreckungsmöglichkeit. Angesichts der zeitlichen Dauer der Gesamtauseinandersetzung und auch angesichts der Dauer des Verfahrens von der ursprünglichen Anmeldung bis zur Erteilung des Klagepatents erscheint es vor dem aufgezeigten Hintergrund zumutbar, die Verfügungsklägerin auf diesen Weg zu verweisen. Hierdurch wird sie aus den genannten Gründen nicht rechtlos gestellt.
67 
3. Im Ergebnis erscheint das Bedürfnis der Verfügungsklägerin an einer vorläufigen Durchsetzung ihrer Rechte gerade aus diesem Patent nicht derart stark, dass dies die mit dem Erlass einer einstweiligen Verfügung verbundenen Nachteile für die Verfügungsbeklagte rechtfertigen würde. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob die Gründe, auf die die Verfügungsbeklagte ihren Einspruch gegen das Klagepatent stützt, konkrete Zweifel an dessen Schutzfähigkeit zu begründen vermögen.
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4. Nach allem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung

1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten;
3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 17/05 Verkündet am:
22. April 2010
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Pralinenform II

a) Stellt ein Unternehmen ein Erzeugnis im Inland auf einer Messe aus, liegt
eine Benutzung der Produktform im geschäftlichen Verkehr im Inland zu
Werbezwecken vor, ohne dass es darauf ankommt, ob das Produkt in verpacktem
oder unverpacktem Zustand ausgestellt wird.

b) Durch ein solches Ausstellen im Inland wird noch keine Vermutung für ein
Anbieten oder Inverkehrbringen dieses Produktes im Inland begründet.
BGH, Urteil vom 22. April 2010 - I ZR 17/05 - OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. April 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 10. Dezember 2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin vertreibt eine Praline in Kugelform, die mit Nusssplittern und brauner Schokolade umhüllt ist. Die Praline verkauft die Klägerin in Goldfolie verpackt und in eine gold-braune Napfmanschette eingesetzt. Auf der Verpackungsfolie findet sich ein Aufkleber mit der Bezeichnung "Rocher". Mit dem Produkt erzielt die Klägerin seit 1996/97 Umsätze von mehr als 50 Mio. € im Jahr.
2
Die Klägerin ist Inhaberin der nachfolgend abgebildeten farbigen (hellund dunkelbraun) dreidimensionalen Marke Nr. 397 35 468:
3
Die Marke ist mit Priorität vom 26. Juli 1997 aufgrund Verkehrsdurchsetzung für die Ware Pralinen eingetragen. Ein von der Beklagten gegen die Marke eingeleitetes Löschungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Der Senat hat die Beschwerdeentscheidung des Bundespatentgerichts aufgehoben, mit der die Löschung der Marke angeordnet worden war (BGH, Beschl. v. 9.7.2009 - I ZB 88/07, GRUR 2010, 138 = WRP 2010, 260 - ROCHER-Kugel).
4
Die Beklagte stellte auf der Süßwarenmesse 2002 in Köln die im Klageantrag abgebildete Praline " K. T. " aus. Diese ist im oberen Teil gerundet und hat eine glatte Standfläche. Die Praline ist außen von Nusssplittern und einer Schokoladenschicht überzogen. Die Folienverpackung der Praline ist in der Grundfarbe Rot sowie in einem Goldton im oberen Bereich gehalten und mit der Bezeichnung " K. T. " gekennzeichnet. Im Rahmen ihres Internetauftritts in türkischer Sprache zeigte die Beklagte eine Abbildung der unverpackten Praline.
5
Die Klägerin hat die Beklagte wegen Verletzung ihres Markenrechts in Anspruch genommen und - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen,
a) es zu unterlassen, Haselnuss-Pralinen " K. T. " wie nächstehend wiedergegeben anzubieten und/oder zu bewerben und/oder in Verkehr zu bringen:
b) der Klägerin Auskunft zu erteilen, aa) welche Stück- und Betragsumsätze sie mit dem von Ziffer 1 a) erfassten Produkt in Deutschland getätigt und bb) welche Werbemaßnahmen einschließlich ihrer Auftritte im Internet sie in Deutschland für dieses Produkt getätigt hat; 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, den diese durch die in Ziffer 1 a) aufgeführten Verletzungshandlungen erlitten hat; 3. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das vorstehend unter 1 a) beantragte Verbot ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten anzudrohen.
6
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, ihre Pralinen würden ausschließlich in der Folienverpackung angeboten und in Verkehr gebracht. Durch die von der Kugelform abweichende Ausführung ihrer Pralinen und die unterschiedliche Verpackung werde eine Verwechslungsgefahr mit der Klagemarke ausgeschlossen.
7
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte im Wesentlichen nach den vorstehend wiedergegebenen Klageanträgen verurteilt. Es hat lediglich die Verurtei- lung zur Auskunftserteilung und die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung auf den Zeitraum seit Januar 2003 beschränkt.
8
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Der Senat hat das vorliegende Verfahren im Anschluss an die Löschungsanordnung des Bundespatentgerichts ausgesetzt. Nach Aufhebung der Entscheidung, mit der das Bundespatentgericht die Löschung der Klagemarke angeordnet hatte, hat der Senat die Fortsetzung der Verhandlung angeordnet.

Entscheidungsgründe:


9
A. Das Berufungsgericht hat die Ansprüche aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 und 6 MarkenG, § 242 BGB bejaht und zur Begründung ausgeführt:
10
Die Beklagte verwende die beanstandete Pralinenform im geschäftlichen Verkehr, auch wenn die Praline in einer undurchsichtigen Verpackung vertrieben werde. Die Beklagte habe die Praline im Rahmen ihres Internetauftritts unverpackt abgebildet. Den Verbrauchern, die die Praline der Beklagten schon einmal verzehrt hätten, sei die Pralinenform bei dem späteren Erwerb bekannt.
11
Die Beklagte verwende die Pralinenform markenmäßig. Dem Durchschnittsverbraucher stelle sich die äußere Gestaltung der Praline der Beklagten als Kugelform dar. Die Abweichungen von der Kugelform riefen nur den Eindruck hervor, der Versuch, eine runde Form zu erreichen, sei nicht bei allen Exemplaren gelungen. Aufgrund der erheblichen Verkehrsbekanntheit der Mar- ke der Klägerin verbinde der Verkehr mit der äußeren Form der unverpackten Praline der Beklagten Herkunftsvorstellungen.
12
Die Voraussetzungen der Verwechslungsgefahr nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG seien ebenfalls gegeben. Die als verkehrsdurchgesetzt eingetragene Marke verfüge über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Bei bestehender Warenidentität, durchschnittlicher Kennzeichnungskraft und normaler Zeichenähnlichkeit sei von einer Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auszugehen. Die Annexansprüche seien ebenfalls gegeben. Die Beklagte habe schuldhaft gehandelt. Die Ansprüche seien allerdings auf den Zeitpunkt der erstmaligen Verletzungshandlung zu beschränken.
13
B. Die gegen diese Beurteilung des Berufungsgerichts gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit dieses zu Lasten der Beklagten entschieden hat.
14
I. Die Revision ist zulässig.
15
Das Berufungsgericht hat die Revision jedenfalls zugunsten der Beklagten zugelassen. Der Entscheidungssatz des Berufungsurteils enthält keine Beschränkung der Zulassung der Revision. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar anerkannt, dass sich eine Beschränkung der Zulassung der Revision auch aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (BGH, Urt. v. 16.9.2009 - VIII ZR 243/08, NJW 2010, 148 Tz. 11). Dies muss jedoch zweifelsfrei geschehen. Die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision reicht grundsätzlich nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung der Revision auszugehen (BGH, Urt. v. 18.12.2008 - I ZR 63/06, GRUR 2009, 515 Tz. 17 = WRP 2009, 445 - Motorradreiniger; Urt. v. 18.3.2010 - I ZR 158/07, GRUR 2010, 536 Tz. 17 = WRP 2010, 750 - Modulgerüst II).
16
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ergibt sich aus den Gründen des Berufungsurteils keine Beschränkung der Zulassung der Revision zu Lasten der Beklagten. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Frage des Schutzes einer Marke, die aus der Form einer unverpackten Praline bestehe, gegen eine undurchsichtig verpackte Praline, bei der im verpackten Zustand die Ähnlichkeit mit der Marke nicht erkennbar sei, noch nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung gewesen sei. Die Zulassungsfrage betrifft - jedenfalls auch - die vom Berufungsgericht zuerkannten markenrechtlichen Ansprüche der Klägerin, gegen die die Revision der Beklagten gerichtet ist.
17
II. Die Revision ist auch begründet.
18
1. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG nicht bejaht werden.
19
a) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass es als Verletzungsgericht an die Eintragung der Klagemarke gebunden ist. Die Marke steht nach wie vor in Kraft. Das gegen die Marke eingeleitete Löschungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Solange die Löschungsanordnung nicht rechtskräftig ist, besteht die Schutzrechtslage und damit die Bindung des Verletzungsrichters an die Eintragung der Marke unverändert fort (BGH, Urt. v. 5.6.2008 - I ZR 169/05, GRUR 2008, 798 Tz. 14 = WRP 2008, 1202 - POST I).
20
b) Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte die angegriffene Form der unverpackten Praline im geschäftlichen Verkehr in der Werbung benutzt hat. Ein Zeichen wird im geschäftlichen Verkehr benutzt, wenn die Verwendung im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten gewerblichen Tätigkeit und nicht im privaten Bereich erfolgt (vgl. EuGH, Urt. v. 23.3.2010 - C-236-238/08, GRUR 2010, 445 Tz. 50 - Google/Vuitton; BGH, Urt. v. 4.12.2008 - I ZR 3/06, GRUR 2009, 871 Tz. 23 = WRP 2009, 967 - Ohrclips). Davon ist vorliegend schon deshalb auszugehen , weil die Beklagte ihre Praline auf einer Süßwarenmesse in Köln ausgestellt und die beanstandete Produktform damit im Inland im Rahmen ihrer kommerziellen Tätigkeit benutzt hat. Die Beklagte hat dadurch die beanstandete Praline im Inland beworben. Auf die Frage, ob die Beklagte die Praline auf dieser Messe in verpacktem oder unverpacktem Zustand ausgestellt hat, kommt es nicht an. Auch wenn die Beklagte die Praline in verpacktem Zustand dargeboten hat, ist damit auch die in der Verpackung enthaltene Praline Gegenstand der Werbung geworden. Ob darüber hinaus - wie das Berufungsgericht angenommen und die Revision als rechtsfehlerhaft beanstandet hat - auch der Internetauftritt der Beklagten in türkischer Sprache unter einer türkischen Top-Level-Domain ein Handeln im geschäftlichen Verkehr im Inland begründet, kann danach offenbleiben.
21
c) Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch dagegen, dass das Berufungsgericht der Beklagten verboten hat, die Pralinen " K. T. " anzubieten oder in Verkehr zu bringen.
22
aa) Ein auf Wiederholungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch scheidet aus, weil das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen dazu getroffen hat, dass die Beklagte die beanstandeten Pralinen im Inland angeboten oder in Verkehr gebracht hat. Zwar ist das Anbieten i.S. des § 14 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG in einem wirtschaftlichen Sinn zu verstehen; Werbemaßnahmen, bei denen zum Erwerb der beworbenen Produkte aufgefordert wird, können die Anforderungen an das Anbieten erfüllen (vgl. zu § 17 Abs. 1 UrhG BGHZ 171, 151 Tz. 27 - Wagenfeld-Leuchte; zu § 14 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht , § 14 MarkenG Rdn. 468). Das Berufungsgericht hat jedoch nicht festgestellt , dass die Beklagte auf der Süßwarenmesse in Köln oder im Rahmen ihres Internetauftritts zum Erwerb der Pralinen im Inland aufgefordert hat. Auch ein Inverkehrbringen der Pralinen im Inland hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
23
bb) Ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter vorbeugender Unterlassungsanspruch kommt auf der Grundlage der bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht in Betracht. Dieser setzt ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür voraus, der Anspruchsgegner werde sich in naher Zukunft rechtswidrig verhalten. Dabei muss sich die Erstbegehungsgefahr auf eine konkrete Verletzungshandlung beziehen. Die die Erstbegehungsgefahr begründenden Umstände müssen die drohende Verletzungshandlung so konkret abzeichnen, dass sich für alle Tatbestandsmerkmale zuverlässig beurteilen lässt, ob sie verwirklicht sind (vgl. BGH, Urt. v. 13.3.2008 - I ZR 151/05, GRUR 2008, 912 Tz. 17 = WRP 2008, 1353 - Metrosex; Urt. v. 29.10.2009 - I ZR 180/07 Tz. 25 - Stumme Verkäufer II). Davon kann im Streitfall jedoch nicht ausgegangen werden. Das Berufungsgericht hat keine Anhaltspunkte dafür festgestellt, die Beklagte werde in naher Zukunft die beanstandeten Pralinen im Inland anbieten oder in Verkehr bringen. Das Berufungsurteil kann daher hinsichtlich des Verbots des Anbietens und des Inverkehrbringens nicht aufrechterhalten werden. Das Berufungsgericht wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren die erforderlichen Feststellungen dazu zu treffen ha- ben, ob eine Begehungsgefahr für ein Anbieten oder Inverkehrbringen im Inland vorliegt.
24
d) Die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung kann - ungeachtet der bislang fehlenden Feststellungen zu einer Begehungsgefahr für ein Anbieten und Inverkehrbringen der Pralinen im Inland - hinsichtlich sämtlicher beanstandeten Verhaltensweisen (Anbieten, Bewerben, Inverkehrbringen) nicht aufrechterhalten werden. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Form der " K. T. "-Praline markenmäßig verwandt, ist ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern.
25
aa) Eine Verletzungshandlung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn die angegriffene Bezeichnung markenmäßig verwendet wird. Eine markenmäßige Benutzung oder - was dem entspricht - eine Verwendung als Marke setzt voraus, dass die Bezeichnung im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer dient (vgl. EuGH, Urt. v. 12.11.2002 - C-206/01, Slg. 2002, I-10273 = GRUR 2003, 55 Tz. 51 ff. - Arsenal Football Club; BGH, Urt. v. 30.4.2008 - I ZR 123/05, GRUR 2008, 793 Tz. 16 = WRP 2008, 1196 - Rillenkoffer). Die Rechte aus der Marke nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, dessen Anwendung das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr voraussetzt, sind daher auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen die Benutzung des Zeichens durch einen Dritten die Hauptfunktion, das heißt die Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung gegenüber dem Verbraucher, beeinträchtigt oder immerhin beeinträchtigen könnte (zu Art. 5 Abs. 1 lit. b MarkenRL EuGH, Urt. v. 12.6.2008 - C-533/06, Slg. 2008, I-4231 = GRUR 2008, 698 Tz. 57 - O2/Hutchison; Urt. v. 18.6.2009 - C-487/07, GRUR 2009, 756 Tz. 59 = WRP 2009, 930 - L'Oréal/ Bellure; zu § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG BGHZ 171, 89 Tz. 22 - Pralinenform I; BGH, Urt. v. 5.2.2009 - I ZR 167/06, GRUR 2009, 484 Tz. 60 = WRP 2009, 616 - METROBUS).
26
bb) Die Beurteilung, ob der Verkehr eine Bezeichnung als Herkunftshinweis versteht, obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter (BGH, Urt. v. 3.2.2005 - I ZR 45/03, GRUR 2005, 414, 415 = WRP 2005, 610 - Russisches Schaumgebäck ). Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte verwende die beanstandete Pralinenform markenmäßig, hält der rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht stand.
27
(1) Das Berufungsgericht hat bei der Annahme, die beanstandete Pralinenform werde markenmäßig benutzt, auch darauf abgestellt, dass die Klagemarke eingetragen ist. Es hat daraus gefolgert, damit stehe für das Verletzungsverfahren bindend fest, dass die besondere äußere Form der unverpackten Praline Herkunftsfunktion aufweise. Dem kann nicht beigetreten werden.
28
Nach der Senatsrechtsprechung folgt aus der Bindung des Verletzungsrichters an die Eintragung der Klagemarke nicht, dass eine mit der geschützten Klagemarke identische Bezeichnung oder Gestaltung in der konkreten Verletzungsform vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden wird (vgl. BGH GRUR 2005, 414, 416 - Russisches Schaumgebäck; Bergmann, GRUR 2006, 793, 796). Wie der Senat in einem mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbaren Fall entschieden hat, in dem die Klägerin aus derselben Marke gegen eine Pralinenform vorgegangen ist, kann aus der Eintragung der Klagemarke nicht auf eine Funktion der beanstandeten Form als Herkunftshinweis geschlossen werden (vgl. BGHZ 171, 89 Tz. 24 - Pralinenform I).
29
(2) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die beanstandete Pralinenform herkunftshinweisend und damit markenmäßig be- nutzt sein kann, obwohl sie für den Verkehr nicht bereits im Zeitpunkt der Kaufentscheidung wahrnehmbar ist. Die Marke entfaltet ihre Herkunftsfunktion auch gegenüber denen, die das gekennzeichnete Produkt bestimmungsgemäß verwenden. Das aus der Eintragung folgende Markenrecht kann deshalb auch gegen verwechslungsfähige Zeichen, die erst im Stadium des Verbrauchs der Ware wahrgenommen werden, zu schützen sein (vgl. EuGH, Urt. v. 12.1.2006 - C-361/04 P, Slg. 2006, I-643 = GRUR 2006, 237 Tz. 46 - PICASSO/PICARO; Urt. v. 22.6.2006 - C-24/05 P, Slg. 2006, I-5677 = GRUR Int. 2006, 842 Tz. 71 - Storck/HABM; BGHZ 164, 139, 147 f. - Dentale Abformmasse; 171, 89 Tz. 25 - Pralinenform I).
30
(3) Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung, ob die Beklagte die angegriffene Pralinenform markenmäßig benutzt, zutreffend auf das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers abgestellt. Es hat jedoch nicht berücksichtigt , dass der Verkehr nach der Lebenserfahrung die Formgestaltung einer Ware regelmäßig nicht in gleicher Weise wie Wort- und Bildmarken als Herkunftshinweis auffasst, weil es bei der Warenform zunächst um eine funktionelle und ästhetische Ausgestaltung der Ware selbst geht. Auch eine besondere Gestaltung der Ware selbst wird danach eher diesem Umstand zugeschrieben werden als der Absicht, auf die Herkunft der Ware hinzuweisen (vgl. BGHZ 153, 131, 140 - Abschlussstück; 171, 89 Tz. 26 - Pralinenform I).
31
Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass im Warenbereich der Pralinen Abweichendes gilt, insbesondere dass sich in diesem Bereich eine dem Verkehr bekannte Gewohnheit entwickelt hat, die Form der Waren herkunftshinweisend zu gestalten (vgl. BGH GRUR 2005, 414, 416 - Russisches Schaumgebäck; GRUR 2010, 138 Tz. 26 f. - ROCHER-Kugel). Es hat auch keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Form der von der Beklagten vertriebenen Praline in irgendeiner Weise erheblich vom Branchenüblichen abweicht und ihr aus diesem Grund eine herkunftshinweisende Funktion beigemessen werden kann (vgl. EuGH GRUR Int. 2006, 842 Tz. 25 f. - Storck/HABM).
32
Bei der Beurteilung, ob die Beklagte die beanstandete Pralinenform markenmäßig benutzt, sind zudem die Umstände zu berücksichtigen, unter denen die Verbraucher diese Form wahrnehmen. Die Beklagte bietet ihre Praline nur in verpackter Form unter eigenem Kennzeichen zum Verkauf an. Der Verbraucher hat deshalb in aller Regel nur in der kurzen Zeit zwischen Auspacken und Verzehr der Praline Gelegenheit, die Pralinenform als solche wahrzunehmen. Unter solchen Umständen liegt es im Allgemeinen nicht nahe anzunehmen, dass der Verbraucher allein der Erscheinungsform der Ware - unabhängig von deren Verpackung, Bezeichnung und Bewerbung - einen Herkunftshinweis entnimmt (vgl. BGHZ 164, 139, 148 - Dentale Abformmasse; 171, 89 Tz. 29 - Pralinenform I).
33
(4) Bei seiner Beurteilung, ob die Beklagte die beanstandete Pralinenform markenmäßig benutzt, hat das Berufungsgericht allerdings zutreffend geprüft , welche Kennzeichnungskraft die Klagemarke erreicht hat. Denn der Grad der Kennzeichnungskraft einer dreidimensionalen Marke hat Auswirkungen darauf , ob der Verkehr dieser Form einen Herkunftshinweis entnimmt, wenn er ihr als Form einer Ware begegnet (vgl. dazu auch BGHZ 156, 126, 137 f. - Farbmarkenverletzung I; BGH, Urt. v. 7.10.2004 - I ZR 91/02, GRUR 2005, 427, 428 f. = WRP 2005, 616 - Lila-Schokolade). Ungeachtet der Bedenken, die gegen die Fragestellung der von der Klägerin vorgelegten GfK-Umfrage bestehen könnten (vgl. dazu die Entscheidungen BGHZ 171, 89 Tz. 37 - Pralinenform I und BGH GRUR 2010, 138 Tz. 49 ff. - ROCHER-Kugel, in denen es um dieselbe GfK-Umfrage geht), kann deren Ergebnis ein wesentlicher Hinweis auf die Kennzeichnungskraft der Klagemarke zu entnehmen sein. Dies gilt umso mehr, als sich die Umfrage gerade auf die Benutzung der als Marke geschützten Form als Warenform bezogen hat.
34
In diesem Zusammenhang wendet sich die Revisionserwiderung zu Recht dagegen, dass das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Frage, ob die Kennzeichnungskraft der aufgrund Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Klagemarke gesteigert ist, allein auf diejenigen Verkehrskreise abgestellt hat, die den Hersteller der durch die Klagemarke abgebildeten Pralinenform zutreffend angegeben haben. Bei der Feststellung des Umfangs der Kennzeichnungskraft sind auch diejenigen Verkehrskreise zu berücksichtigen, die die Klagemarke zwar als Hinweis auf ein Unternehmen auffassen, es aber keinem namentlich bestimmten Unternehmen zuordnen (vgl. BGH, Urt. v. 20.9.2007 - I ZR 6/05, GRUR 2007, 1071 Tz. 30 = WRP 2007, 1461 - Kinder II; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 14 MarkenG Rdn. 214; Hacker in Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8 Rdn. 397; allgemein Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 14 Rdn. 358).
35
(5) Das Berufungsgericht hat weiterhin dem Umstand keine ausreichende Bedeutung beigemessen, dass sich die vorgelegte GfK-Umfrage nur auf die Frage bezogen hat, ob der Verkehr einer Pralinenform, die der Klagemarke genau entspricht, einen Herkunftshinweis entnimmt. Die beanstandete Pralinenform weicht von dieser Form nicht unerheblich ab. Das Berufungsgericht ist zwar davon ausgegangen, die beanstandete Pralinenform unterscheide sich nur geringfügig von einer Kugelform. Dem Durchschnittsverbraucher werde diese Abweichung kaum auffallen. Diese Annahme erweist sich jedoch als erfahrungswidrig. Die im Rechtsstreit vorgelegten Pralinen der Beklagten haben unübersehbar eine glatte Bodenfläche. Diese Abweichung von der Kugelform ist zwar bei der im Klageantrag abgebildeten Praline nicht mit derselben Deutlichkeit zu erkennen, weil diese Praline schräg von oben aufgenommen worden ist.
Dass die glatte Bodenfläche fehlen würde, lässt sich der Abbildung aber ebenfalls nicht entnehmen. Es war deshalb rechtsfehlerhaft, dass das Berufungsgericht die der Umfrage zu entnehmenden Ergebnisse, inwieweit die als Marke geschützte Form herkunftshinweisend ist, uneingeschränkt auch der Beurteilung zugrunde gelegt hat, ob die beanstandete Pralinenform unter den Umständen , unter denen sie wahrgenommen wird, als herkunftshinweisend aufgefasst wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr bei Pralinen an eine Vielzahl von Gestaltungen - gerade auch in Kugelform - gewöhnt ist und schon aus diesem Grund Abweichungen von der als Marke geschützten Form, die unübersehbar sind, leicht aus dem Schutzbereich der Marke herausführen.
36
e) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, zwischen der Klagemarke und der beanstandeten Pralinenform bestehe Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, beruht ebenfalls auf Rechtsfehlern.
37
aa) Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Frage der Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist und eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren besteht, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 29.7.2009 - I ZR 102/07, GRUR 2010, 235 Tz. 15 = WRP 2010, 381 - AIDA/ AIDU).
38
bb) Das Berufungsgericht hat auch zu Recht eine Warenidentität angenommen.
39
cc) Den Grad der Kennzeichnungskraft der Klagemarke wird das Berufungsgericht jedoch erneut zu prüfen haben.
40
(1) Die Eintragung einer Marke als durchgesetztes Zeichen bedeutet nicht, dass der Marke im Verletzungsverfahren in jedem Fall zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft beizumessen ist. Die Bindung des Verletzungsrichters an die Eintragung der Marke hat nur zur Folge, dass er der Marke nicht jeglichen Schutz versagen darf. Dementsprechend hat der Verletzungsrichter den Grad der Kennzeichnungskraft im Verletzungsverfahren selbständig zu bestimmen. Dies gilt auch für Marken, die aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen sind. Allerdings wird bei diesen regelmäßig von einer mindestens durchschnittlichen Kennzeichnungskraft ausgegangen werden können (vgl. BGHZ 171, 89 Tz. 35 - Pralinenform I). Diese Maßstäbe hat auch das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Die Begründung, mit der es eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft angenommen hat, hält jedoch nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.
41
(2) Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, die Marke sei an sich schutzunfähig, weil die äußere Gestaltung der Warenform i.S. von § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG technisch bedingt sei. Deshalb sei der Schutzbereich der Klagemarke im Verletzungsverfahren an der untersten Grenze anzusiedeln.
42
Der Senat hat die Frage, ob die Klagemarke ausschließlich aus einer Form besteht, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist, bereits im Löschungsverfahren verneint (vgl. BGH GRUR 2010, 138 Tz. 16 ff.
- ROCHER-Kugel). Die Revision zeigt keine Gesichtspunkte auf, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten.
43
Anders als die Revision meint, ist von einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft auch nicht deshalb auszugehen, weil nur 23,5% der angesprochenen Verkehrskreise die Klägerin als Markeninhaberin namentlich bezeichnen konnten. Für die Beurteilung der Kennzeichnungskraft ist nicht erforderlich , dass das angesprochene Publikum den Markeninhaber namentlich angeben kann. Außer Betracht zu lassen sind lediglich diejenigen Teile des Verkehrs , die das Zeichen einem anderen, ausdrücklich benannten Unternehmen zuordnen (vgl. BGH GRUR 2010, 138 Tz. 53 - ROCHER-Kugel).
44
Schließlich sind von dem Ergebnis des vom Berufungsgericht für die Beurteilung der Kennzeichnungskraft herangezogenen GfK-Gutachtens von Juli 1997 - anders als die Revision meint - nicht deshalb Abzüge zu Lasten der Klägerin vorzunehmen, weil sie nach Darstellung der Beklagten zu diesem Zeitpunkt die einzige Anbieterin einer kugelförmigen Haselnusspraline gewesen ist. Aus diesem Umstand ergibt sich im Streitfall kein Anhaltspunkt dafür, dass die Zuordnung der Klagemarke nur zu einem bestimmten Unternehmen nicht auf der Verwendung der Pralinenform als Marke beruhte.
45
(3) Gegen die Fragestellung des GfK-Gutachtens von Juli 1997 bestehen jedoch Bedenken, die der Senat bereits in der Entscheidung "Pralinenform I" (BGHZ 171, 89 Tz. 37) angeführt hat. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung zudem rechtsfehlerhaft das Ergebnis des Gutachtens der an Pralinen interessierten Verkehrskreise zugrunde gelegt, wonach 83,8% der beteiligten Verkehrskreise der Auffassung waren, die Praline stamme aus einem bestimmten Unternehmen. Da Pralinen zu den Waren des Massenkonsums gehören , ist jedoch auf die Gesamtzahl aller Befragten abzustellen. Von diesen ken- nen 72,9% die der Klagemarke entsprechende Pralinenform und ordnen 74,4% sie einem bestimmten Unternehmen zu. Von diesem Wert hatte das Bundespatentgericht aufgrund methodischer Mängel des Gutachtens im Löschungsverfahren Abzüge vorgenommen und war von einem Kennzeichnungsgrad von 66,5% ausgegangen, von dem es weitere Abzüge aufgrund einer Fehlertoleranztabelle vorgenommen hatte (vgl. BGH GRUR 2010, 138 Tz. 49 ff. - ROCHER-Kugel). Andererseits darf bei der Feststellung der Kennzeichnungskraft nicht zu Lasten der Klägerin berücksichtigt werden, dass ein erheblicher Teil des Publikums das Unternehmen der Klägerin nicht namentlich benannt hat (dazu B II 1 d bb (4)).
46
dd) Auch die Zeichenähnlichkeit wird das Berufungsgericht erneut zu beurteilen haben. Denn es ist nicht auszuschließen, dass es der geraden Bodenfläche der angegriffenen Pralinenform für die Frage der Unterschiedlichkeit der kollidierenden Zeichen eine zu geringe Bedeutung beigemessen hat (dazu B II 1 d bb (5)).
47
2. Die Verurteilung nach den Annexanträgen auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung kann ebenfalls keinen Bestand haben, da das Berufungsgericht eine Verletzung des Markenrechts der Klägerin nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat.
48
C. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Bornkamm Pokrant Büscher
Koch Schaffert
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 18.03.2004 - 84 O 46/03 -
OLG Köln, Entscheidung vom 10.12.2004 - 6 U 83/04 -

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung können einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden.

(2) Ist auf Grund dieses Gesetzes Klage auf Unterlassung erhoben worden, so kann das Gericht der obsiegenden Partei die Befugnis zusprechen, das Urteil auf Kosten der unterliegenden Partei öffentlich bekannt zu machen, wenn sie ein berechtigtes Interesse dartut. Art und Umfang der Bekanntmachung werden im Urteil bestimmt. Die Befugnis erlischt, wenn von ihr nicht innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft Gebrauch gemacht worden ist. Der Ausspruch nach Satz 1 ist nicht vorläufig vollstreckbar.

(3) Macht eine Partei in Rechtsstreitigkeiten, in denen durch Klage ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird, glaubhaft, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Gericht auf ihren Antrag anordnen, dass die Verpflichtung dieser Partei zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwerts bemisst. Die Anordnung hat zur Folge, dass

1.
die begünstigte Partei die Gebühren ihres Rechtsanwalts ebenfalls nur nach diesem Teil des Streitwerts zu entrichten hat,
2.
die begünstigte Partei, soweit ihr Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden oder soweit sie diese übernimmt, die von dem Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwalts nur nach dem Teil des Streitwerts zu erstatten hat und
3.
der Rechtsanwalt der begünstigten Partei, soweit die außergerichtlichen Kosten dem Gegner auferlegt oder von ihm übernommen werden, seine Gebühren von dem Gegner nach dem für diesen geltenden Streitwert beitreiben kann.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 kann vor der Geschäftsstelle des Gerichts zur Niederschrift erklärt werden. Er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache anzubringen. Danach ist er nur zulässig, wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert später durch das Gericht heraufgesetzt wird. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner zu hören.

Tenor

1. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 27. Februar 2009 – 7 O 29/09 – wird zurückgewiesen.

2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

 
Die Verfügungsklägerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Patentverletzung.
Die Verfügungsklägerin ist weltweit im Bereich der Unterhaltungselektronik tätig. Sie ist Inhaberin des Europäischen Patents ... (im Folgenden: Klagepatent). Zu den benannten Vertragsstaaten gehört Deutschland. Das Schutzrecht ist in Kraft. Die Verfügungsbeklagte hat am 15.06.2009 gegen das Klagepatent Einspruch eingelegt.
Das Klagepatent betrifft eine Anzeigevorrichtung mit vertikal ausgerichtetem Flüssigkristall. Die Ansprüche 1 und 3 lauten wie folgt:
1. Eine Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixel, die Vorrichtung umfassend:
erste und zweite Substrate (16, 17); und eine Flüssigkristallschicht, die zwischen den ersten und den zweiten Substraten (16, 17) platziert ist; wobei das erste Substrat (16) zumindest eine erste Struktur (20A-1) und eine zweite Struktur (20A-2) aufweist, um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren; und das zweite Substrat (17) weist zumindest eine dritte Struktur (20B-3) und eine vierte Struktur (20B-4) auf, um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren; dadurch gekennzeichnet, dass
(a) sich in einem Pixel die erste Struktur (20A-1) und die zweite Struktur (20A-2) linear in unterschiedliche Richtungen zueinander erstrecken;
(b) sich in dem Pixel die dritte Struktur (20B-3) im Wesentlichen parallel zu der ersten Struktur (20A-1) erstreckt und sich in dem Pixel die vierte Struktur (20B-4) im Wesentlichen parallel zu der zweiten Struktur (20A-2) erstreckt;
(c) sich die erste Struktur (20A-1), die zweite Struktur (20A-2), die dritte Struktur (20B-3) und die vierte Struktur (20B-4) in Richtungen erstrecken, die von der Richtung verschieden sind, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt; und
(d) das erste Substrat (16) ferner mindestens eine Struktur (52) für die Kontrolle der Ausrichtung von Flüssigkristallen aufweist, die im Wesentlichen parallel zu dem Rand des Pixels verläuft.
10 
2. …
11 
3. Die Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus nach Anspruch 1 oder 2, worin die Struktur (52), die im Wesentlichen parallel zu dem Rand des Pixels verläuft, in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet ist.
12 
Wegen des weiteren Inhalts der Patentschrift wird auf die deutsche Übersetzung in Anlage ASt 1a und die englische Originalfassung in Anlage ASt 1 Bezug genommen.
13 
Die Verfügungsbeklagte importiert und vertreibt in Deutschland unter anderem folgende Typen von LCD-Fernsehern:
14 
1. bereits in erster Instanz angegriffene Ausführungsformen:
a)...
b) ...
2. in zweiter Instanz zusätzlich angegriffene Ausführungsform:
...
15 
Die Ausführungsform 1a wird seit Mitte März 2009, die Ausführungsform 1b seit Ende Januar 2009 nicht mehr von der Verfügungsbeklagten ausgeliefert. Beide Ausführungsformen sind noch als Auslaufmodell im Handel erhältlich. Die Ausführungsform 2 wird von der Verfügungsbeklagten seit Ende März 2009 vertrieben.
16 
Die Parteien sowie die Muttergesellschaft der Verfügungsbeklagten führen in mehreren Staaten patentrechtliche Auseinandersetzungen um die Verletzung von mehreren Patenten für Flüssigkristallanzeigen. Unter anderem ist eine Klage beim Landgericht Mannheim anhängig, mit der sich die Verfügungsklägerin unter anderem auf der Grundlage des Klagepatents gegen die Ausführungsformen 1a und 1b wendet. Vorgerichtlich und parallel zu den Verfahren wurden und werden Verhandlungen über eine Kreuzlizenzvereinbarung geführt.
17 
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Verfügungsklägerin, mit der sie ihr Begehren auf die Kombination der Ansprüche 1 und 3 stützt und ergänzend die Ausführungsform 2 angreift.
18 
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht das Vorliegen eines Verfügungsgrundes verneint. Aus diesem Grund ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auch insoweit zurückzuweisen, als sich die Verfügungsklägerin gegen die Ausführungsform 2 wendet.
19 
1. Die Einbeziehung der Ausführungsform 2 in das bereits anhängige Verfahren ist sachdienlich und auch im Übrigen gemäß § 533 ZPO zulässig. Die Ausführungsform 2 unterscheidet sich, soweit es um die Form der Schlitzstrukturen geht, zwar in Details von den Ausführungsformen 1a und 1b. Aus dem Vortrag der Verfügungsbeklagten lässt sich aber nicht entnehmen, dass diese Unterschiede für die patentgemäße Wirkung der Strukturen von Bedeutung sind. Die Verletzungsfrage lässt sich für die Ausführungsform 2 deshalb anhand des Sach- und Streitstandes beurteilen, den der Senat für die Prüfung der Ausführungsformen 1a und 1b ohnehin zu berücksichtigen hat. Der mit der Zulassung der Antragserweiterung verbundene Verlust einer Instanz erscheint vor diesem Hintergrund für die Verfügungsbeklagte zumutbar.
20 
2. Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass kein Verfügungsgrund vorliegt. Der Begriff „Verfügungsgrund“ bezeichnet das besondere Rechtschutzbedürfnis der klagenden Partei an der Erlangung eines Vollstreckungstitels im summarischen Verfahren der einstweiligen Verfügung. Das Bestehen eines Verfügungsgrundes wird im Patentverletzungsprozess nicht vermutet; § 12 Abs. 2 UWG ist nicht anwendbar. Die besonderen Umstände, die eine Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung rechtfertigen, sind deshalb im Einzelfall festzustellen. Aus der Durchsetzungsrichtlinie ergibt sich nichts anderes. Diese verlangt zwar, dass grundsätzlich die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes durch einstweilige Maßnahmen bestehen muss. Das ändert aber nichts daran, dass im Einzelfall eine Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung nur unter den Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO ergehen darf. Entscheidend ist dabei, ob sich bei Berücksichtigung aller Umstände und der Interessen der Parteien ergibt, dass der klagenden Partei die mit der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens bis zum erstinstanzlichen Urteil immer verbundene Verzögerung nicht zugemutet werden kann.
21 
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung im Patentverletzungsverfahren ist danach, wie das Landgericht im Einzelnen näher ausgeführt hat, dass die Beurteilung der Verletzungsfrage im Einzelfall keine Schwierigkeiten macht und dass sich keine durchgreifenden Zweifel an der Schutzfähigkeit des Klageschutzrechts aufdrängen (Senat GRUR 1988, 900 – Dutralene und GRUR-RR 2002, 278, 279 – DVD-Player). Mit Schwierigkeiten ist die Beurteilung der Verletzungsfrage nicht erst dann verbunden, wenn sie im Hauptsacheverfahren nicht ohne Heranziehung eines Sachverständigen beantwortet werden könnte. Ergänzend ist eine Bewertung und Abwägung der Interessen der Parteien vorzunehmen. Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung im vorliegenden Fall nicht vor. Der Antrag der Verfügungsklägerin erweist sich als unzulässig und ist vom Landgericht zu Recht zurückgewiesen worden.
22 
a) Die Beurteilung der Verletzungsfragen ist als schwierig zu bezeichnen.
23 
Allerdings spricht auf der Grundlage des Sach- und Streitstandes im Verfügungsverfahren nach Auffassung des Senats viel für die Annahme, dass die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale der Ansprüche 1 und 3 des Klagepatents wortsinngemäß verwirklichen.
24 
aa) Das Klagepatent betrifft eine Flüssigkeitskristallanzeige (LCD) des vertikalen Ausrichtungsmodus (VA). In der Beschreibung wird dargelegt, dass im Stand der Technik zahlreiche Typen von Flüssigkristallanzeigen bekannt waren. Als besonders geeignet werden Anzeigen mit Dünnschichttransistoren (TFT) hervorgehoben. Als am weitesten verbreiteter Typ von TFT-LCD werden Geräte nach dem TN-Modus (Twisted Nematic) bezeichnet. Diese zeichnen sich durch hohen Kontrast und hohe Farbreproduzierbarkeit aus, weisen aber den Nachteil auf, dass die Qualität der Darstellung stark vom Betrachtungswinkel abhängt. Als Alternative wurden Geräte nach dem IPS-Modus (In Plane Switching) vorgeschlagen. Diese haben eine bessere Betrachtungswinkelcharakteristik, aber längere Schaltzeiten, was vor allem bei der Anzeige von schnellen Bewegungen nachteilig ist.
25 
Das Klagepatent befasst sich vor diesem Hintergrund mit LCD nach dem VA-Modus (Vertically Aligned). VA-LCD unterscheiden sich von TN-LCD unter anderem durch die Anordnung der Flüssigkristallmoleküle zwischen den zur Ansteuerung dienenden Elektroden. Beim TN-Modus sind die Flüssigkristalle im spannungsfreien Zustand im Wesentlichen parallel zur Anzeigeebene angeordnet. Dies entspricht dem Anzeigezustand „hell“. Beim Anlegen einer Spannung ordnen sich die Flüssigkristallmoleküle im Wesentlichen senkrecht zur Anzeigeebene an. Dies entspricht dem Anzeigezustand „dunkel“. Durch Variation der Spannung können Zwischenzustände erreicht werden. Beim VA-Modus sind die Flüssigkristallmoleküle in spannungsfreiem Zustand im Wesentlichen senkrecht zur Anzeigeebene angeordnet, was auch hier dem Anzeigezustand „dunkel“ entspricht. Bei Anlegen einer Spannung richten sich die Flüssigkristallmoleküle im Wesentlichen parallel zur Anzeigeebene aus, was dem Anzeigezustand „hell“ entspricht. Der VA-Modus bietet nach den Angaben in der Klagepatentschrift einen höheren Kontrast und eine bessere Betrachtungswinkelcharakteristik als der TN-Modus, ist dem IPS-Modus jedoch hinsichtlich der Betrachtungswinkelcharakteristik unterlegen.
26 
Zur Verbesserung dieser Eigenschaft waren im Stand der Technik Vorschläge bekannt, die Orientierungsrichtung der Flüssigkristallmoleküle innerhalb eines Pixels auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Richtungen einzustellen. Beim TN-Modus führt dies nach den Angaben in der Klagepatentschrift jedoch dazu, dass die Oberfläche des Ausrichtungsfilms beim Herstellungsvorgang beschädigt wird. Entsprechende Lösungsvorschläge waren auch für den VA-Modus bekannt. Die unterschiedliche Ausrichtung der Flüssigkristallmoleküle wurde hierbei durch Öffnungen in einer der Elektroden oder durch Ausbildung von geneigten Flächen auf denselben erreicht. Die zuerst genannte Lösung bietet nach den Darlegungen in der Klagepatentschrift keine ausreichende Schaltgeschwindigkeit, die zweite führt zum gleichen Problem wie der Vorschlag für den TN-Modus.
27 
Vor diesem Hintergrund betrifft das Klagepatent das technische Problem, eine VA-Flüssigkristallanzeige zu realisieren, die eine mindestens ebenso gute Betrachtungswinkelcharakteristik aufweist wie eine Anzeige nach dem IPS-Modus und denselben Kontrast und dieselbe Operationsgeschwindigkeit zulässt wie eine Anzeige nach dem TN-Modus. Zur Lösung dieses Problems wird in den Ansprüchen 1 und 3 eine Vorrichtung vorgeschlagen, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
28 
1. Eine Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixel, die Vorrichtung umfassend:
29 
1.1. ein erstes Substrat (16)
30 
1.1.1 mit zumindest einer ersten Struktur (20A-1) und einer zweiten Struktur (20A-2), um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren;
31 
1.1.2 die erste Struktur (20A-1) und die zweite Struktur (20A-2) erstrecken sich in einem Pixel linear in unterschiedliche Richtungen zueinander;
32 
1.1.3 mit mindestens einer Struktur (52) für die Kontrolle der Ausrichtung von Flüssigkristallen, die im Wesentlichen parallel zu dem Rand des Pixels verläuft
33 
1.1.4. und in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet ist
34 
1.2. ein zweites Substrat (17)
35 
1.2.1 mit zumindest einer dritten Struktur (20B-3) und einer vierten Struktur (20B-4), um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren;
36 
1.2.2 die dritte Struktur (20B-3) erstreckt sich in dem Pixel im Wesentlichen parallel zu der ersten Struktur (20A-1);
37 
1.2.3. die vierte Struktur (20B-4) erstreckt sich in dem Pixel im Wesentlichen parallel zu der zweiten Struktur (20A-2);
38 
1.3. die vier Strukturen (20A-1, 20A-2, 20B-3 und 20B-4) erstrecken sich in Richtungen, die von der Richtung verschieden sind, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt.
39 
1.4. zwischen den ersten und den zweiten Substraten (16, 17) ist eine Flüssigkristallschicht platziert.
40 
Diese Gliederung weicht von der seitens der Verfügungsklägerin erstellten Gliederung nur insoweit ab, als das zusätzliche Merkmal nach Anspruch 3 des Klagepatents, das die Verfügungsklägerin in zweiter Instanz in den Gliederungspunkt 1.1.3 mit aufgenommen hat, der besseren Übersicht halber in einen eigenen Gliederungspunkt 1.1.4 ausgelagert wurde. Sachliche Änderungen sind damit nicht verbunden.
41 
Ein Ausführungsbeispiel für ein Pixel, das die Merkmale des Anspruchs 1 aufweist, ist in Figur 43 der Klagepatentschrift wie folgt dargestellt:
42 
In der Beschreibung wird die zusätzliche Struktur (52) als Erhebung bezeichnet, die in der Nähe des Bereichs gebildet ist, in dem eine Schlierenstruktur („schlieren structure“) beobachtet wird. Die Erhebung ist mit einer Erhebung 20A verbunden und einstückig ausgebildet (Anlage ASt 1 und ASt 1a, Abs. 107). Als Ursache für die ohne die Erhebung (52) beobachtete Schlierenstruktur wird ein als „Reverse Tilt“ bezeichnetes Phänomen genannt, das entsteht, weil das elektrische Feld am Rand eine schräge Ausrichtung aufweist, was dazu führt, dass die Flüssigkristallmoleküle in diesem Bereich nicht die gewünschte Richtung einnehmen (Anlage ASt 1 und ASt 1a, Abs. 99 und 100).
43 
Die Anordnung der Erhebung (52) ist nochmals in Figur 44 dargestellt:
44 
In Figur 62 ist eine modifizierte Anordnung dargestellt, bei der die Erhebung (52) so angeordnet ist, dass sie dem Rand der Pixelelektrode (13) zugewandt ist (Anlage ASt 1 und ASt 1a, Abs. 108):
45 
bb) Vor diesem Hintergrund dürften die angegriffenen Ausführungsformen 1a und 1b nach derzeitiger Einschätzung des Senats, die auf dem Sach- und Streitstand des vorliegenden Verfügungsverfahrens beruht, von allen Merkmalen der Ansprüche 1 und 3 wortsinngemäß Gebrauch machen.
46 
(1) Die genannten Ausführungsformen stellen unstreitig Flüssigkristallanzeigevorrichtungen des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixeln dar und verwirklichen damit Merkmal 1.
47 
(2) Die Pixel weisen folgende Struktur auf:
48 
Ausführungsform 1a:
49 
Ausführungsform 1b:
50 
Aus den Abbildungen geht hervor, dass die Vorrichtungen ein erstes Substrat (Gegen-Substrat, linke Seite) und ein zweites Substrat (TFT-Substrat, rechte Seite) aufweisen, wie dies die Merkmale 1.1 und 1.2 vorsehen. Zwischen den Substraten ist unstreitig die in Merkmal 1.4 vorgesehene Flüssigkristallschicht platziert. Die Substrate weisen auch schräg verlaufende Strukturen – Schlitze – auf und verwirklichen damit die Merkmale 1.1.1 und 1.2.1. Diese Strukturen verlaufen ferner in einer Richtung, die verschieden ist von der Richtung, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt, so dass auch Merkmal 1.3 verwirklicht ist.
51 
(3) Auf der Grundlage des Sach- und Streitstands im Verfügungsverfahren spricht nach Auffassung des Senats auch viel für die Verwirklichung der Merkmale 1.1.2, 1.2.2 und 1.2.3.
52 
Aus den oben wiedergegebenen Abbildungen geht hervor, dass die Strukturen im oberen Bereich jeweils von rechts oben nach links unten und im unteren Bereich jeweils von links oben nach rechts unten verlaufen, mithin zwei unterschiedliche Richtungen aufweisen, wie dies die genannten Merkmale vorsehen. Die Strukturen verlaufen auch zumindest über bestimmte Teilstrecken linear. Hierbei kann offen bleiben, ob der Verlauf der Strukturen jeweils vom linken bis zum rechten Rand als linear im Sinne des Klagepatents angesehen werden kann. Selbst wenn dies aufgrund der vorhandenen Einkerbungen zu verneinen wäre, wiesen die Strukturen jedenfalls zwischen zwei Einkerbungen jeweils einen linearen Verlauf auf.
53 
Die Lehre des Klagepatents legt sich weder auf die Anzahl noch auf die Länge der Strukturen fest. Schon der Anspruchswortlaut, der von „zumindest“ einer ersten und einer dritten Struktur die Rede ist, lässt ausdrücklich die Möglichkeit offen, dass die Substrate weitere Strukturen aufweisen. Darauf wird auch in der Beschreibung des Klagepatents ausdrücklich hingewiesen (Anlage ASt 1 Seite 6 Zeile 20 f.; Anlage ASt 1a Seite 10 Zeile 46 bis 48). Dort wird auch klargestellt, dass jede Struktur ein oder mehrere Schlitze, Erhebungen, Vertiefungen oder Rillen umfassen und ein unterbrochenes Muster ausbilden kann (Anlage ASt 1 Seite 5 Zeile 17 und 39; Anlage ASt 1a Seite 8 Zeile 36 f. und Seite 9 Zeile 23 f.). Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass es ausreicht, wenn sich die linearen Strukturen zumindest über einen Teil der Pixelfläche erstrecken, ohne dass sie vom einen Rand bis zum anderen reichen.
54 
(4) Aus den oben wiedergegebenen Abbildungen und noch deutlicher aus den farbigen Abbildungen in Anlage ASt 5 geht auch hervor, dass das Gegensubstrat am rechten Rand jeweils Strukturen aufweist, die im Wesentlichen parallel zum Rand des Pixels verlaufen, wie dies in Merkmal 1.1.3 vorgesehen ist, und entsprechend Merkmal 1.1.4 auch in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet sind.
55 
Dass diese Strukturen eine leichte Keilform aufweisen, schließt die Verwirklichung dieses Merkmals nach derzeitiger Einschätzung des Senats nicht aus. Durch die in Anspruch 1 verwendete Formulierung „im Wesentlichen parallel“ kommt zum Ausdruck, dass leichte Abweichungen von einem parallelen Verlauf unschädlich sind. Anhaltspunkte, die dafür sprechen könnten, dass ein leicht keilförmiger Verlauf nicht mehr von der Lehre des Klagepatents umfasst ist, ergeben sich weder aus dem Anspruch noch aus dem sonstigen zur Auslegung heranzuziehenden Inhalt der Klagepatentschrift.
56 
Auf der Grundlage des vorliegenden Sach- und Streitstandes hat der Senat Zweifel daran, dass die durch das Patent unter Schutz gestellte Lösung auf den Fall beschränkt ist, dass jede der Strukturen 52 sowie 20A-1 bis 20B-4 während des Betriebs der Vorrichtung in der Weise wirksam sein muss, dass die Flüssigkristallmoleküle ohne ihr Vorhandensein eine andere Ausrichtung aufweisen würden. Dass die genannten Strukturen ausweislich des Patentanspruchs der Kontrolle der Ausrichtung der (bzw. von) Flüssigkristallen dienen, ist eine Zweckangabe, die der mittelbaren Umschreibung der räumlich-körperlichen Merkmale der Strukturen dient. Sowohl aus dem Anspruchswortlaut als auch aus der Beschreibung ergibt sich somit, dass die Strukturen aufgrund ihrer Bauart und ihrer Anordnung geeignet sein müssen, die Ausrichtung der Flüssigkristallmoleküle zu beeinflussen. Der Senat hält aber für zweifelhaft, ob sich hieraus entnehmen lässt, dass von jeder einzelnen Struktur während des Betriebs der Vorrichtung eine bestimmte Wirkung ausgehen muss. Vielmehr kommt durchaus in Betracht, dass es ausreicht, wenn die Strukturen die erwähnte Eignung zur Ausrichtung der Flüssigkristallmoleküle aufweisen und in ihrer Gesamtheit zu der gewünschten Ausrichtung führen. Der Wortlaut des Anspruchs stellt nicht darauf ab, welche Struktur während des Betriebs hierzu welchen Beitrag leistet. Dass der Erhebung (52) in der Beschreibung des in den Figuren 43 und 44 abgebildeten Ausführungsbeispiels bestimmte Wirkungen beigemessen werden, führt nach derzeitiger Einschätzung des Senats zu keiner anderen Bewertung. Die Erzielung dieser Wirkungen hat in den Ansprüchen 1 und 3 keinen Niederschlag gefunden. Angesichts dessen kann nicht angenommen werden, dass die beanspruchte Lehre über den Wortlaut des Anspruchs hinaus weitere, nur im Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel erwähnte Merkmale umfassen soll.
57 
Auf der Grundlage des Vorbringens der Parteien im Verfügungsverfahren geht der Senat davon aus, dass die bei den angegriffenen Ausführungsformen 1a und 1b im Wesentlichen parallel zum Rand des Pixels verlaufenden, leicht keilförmig ausgebildeten Strukturen ihrer Beschaffenheit nach geeignet sind, die Ausrichtung der Flüssigkeitskristalle zu beeinflussen. Dies reicht für die Verwirklichung der Merkmale 1.1.3 und 1.1.4 aus. Ob die von diesen Strukturen ausgehenden Kräfte beim Betrieb der Fernsehgeräte wirksam werden oder ob sie von anderen Kräften überlagert und deshalb ohne sichtbaren Effekt bleiben, dürfte aus den genannten Gründen unerheblich sein.
58 
Unerheblich ist ferner, dass die Struktur (52) bei dem in der Klagepatentschrift beschriebenen Ausführungsbeispiel als Erhebung, bei den angegriffenen Ausführungsformen hingegen als Schlitz ausgebildet ist. In der Beschreibung der Klagepatentschrift wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach der beanspruchten Lehre jede Struktur auch als Schlitz ausgebildet sein kann (Anlage ASt 1 Seite 7 Zeile 13; Anlage ASt 1a Seite 12 Zeile 26).
59 
cc) Für die angegriffene Ausführungsform 2 gilt nach derzeitiger Einschätzung des Senats im Ergebnis nichts anderes.
60 
(1) Auch diese Ausführungsform betrifft unstreitig eine Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixeln im Sinne von Merkmal 1.
61 
(2) Die Pixel sind wie folgt ausgebildet:
62 
Auch bei dieser Ausführungsform ist ein erstes Substrat (Gegen-Substrat, linke Seite) und ein zweites Substrat (TFT-Substrat, rechte Seite) vorhanden, zwischen denen eine Flüssigkristallschicht platziert ist. Die Substrate weisen schräg verlaufende Schlitze auf, die in einer Richtung verlaufen, die sich von der Richtung unterscheidet, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt. Damit sind die Merkmale 1.1, 1.1.1, 1.2, 1.2.1, 1.3 und 1.4 erfüllt.
63 
(3) Auch bei dieser Ausführungsform weisen die schräg verlaufenden Schlitze zwei unterschiedliche Richtungen auf, die über bestimmte Teilstrecken linear verlaufen. Zwar wird der lineare Verlauf wiederholt unterbrochen, weil einzelne Teilstücke der Schlitze immer wieder um ein gewisses Maß nach links oder rechts versetzt sind, so dass insgesamt ein leicht mäanderförmiger Verlauf entsteht. Wie bereits im Zusammenhang mit den Ausführungsformen 1a und 1b im Einzelnen dargelegt wurde, reicht es für die Verwirklichung der Merkmale 1.1.2, 1.2.2 und 1.2.3 jedoch aus, wenn die Schlitze zumindest über eine Teilstrecke linear verlaufen. Letzteres ist auch bei der angegriffenen Ausführungsform 2 der Fall.
64 
(4) Auch bei der Ausführungsform 2 weist das Gegensubstrat am rechten Rand Strukturen auf, die im Wesentlichen parallel zum Rand des Pixels verlaufen und in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet sind. Diese Strukturen sind im Wesentlichen gleich ausgestaltet wie die entsprechenden Strukturen bei den Ausführungsformen 1a und 1b. Die Merkmale 1.1.3 und 1.1.4 sind deshalb auch bei dieser Ausführungsform verwirklicht.
65 
Aus den wiedergegebenen Überlegungen geht nach Auffassung des Senats hervor, dass die Beurteilung der Verletzungsfrage sowohl in technischer als auch in patentrechtlicher Hinsicht erhebliche Probleme aufwirft. Es kann keine Rede davon sein, dass sich das Vorliegen einer Patentverletzung ohne weiteres und mit deutlich geringeren Schwierigkeiten feststellen lässt, als in anderen Fällen behaupteter Patentverletzung. Eine abschließende Beurteilung aller angesprochenen Fragen ist im Rahmen eines Verfügungsverfahrens, das auf eine besonders schnelle Entscheidung zur Schaffung einer vorläufigen Regelung ausgerichtet ist, zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, aber allenfalls unter erheblichen Schwierigkeiten möglich. Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass die Klagepatentschrift in der englischen Originalfassung 92 Seiten umfasst, von denen 23 auf die Beschreibung entfallen. In der Beschreibung wird eine Vielzahl von Ausführungsbeispielen erläutert, von denen nicht ohne weiteres zu erkennen ist, welche davon alle Merkmale der beanspruchten Lehre aufweisen und welche nur Zwischenstufen auf dem Weg zur patentgemäßen Lösung darstellen. Ob und ggfs. mit welchem Ergebnis dies Auswirkungen auf die Auslegung des Klagepatents hat, ist im Rahmen des vorliegenden Verfügungsverfahrens nicht abschließend zu klären.
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b) Zutreffend hat das Landgericht seine Entscheidung, dass kein Verfügungsgrund vorliegt, auch auf den Umstand gestützt, dass die vorliegende Streitigkeit Teil einer umfassenden Auseinandersetzung ist, in deren Rahmen die Parteien Verhandlungen über den Abschluss eines Lizenzvertrages geführt haben. Ob auch das Klagepatent (vor seiner Erteilung) ausdrücklich Gegenstand der Verhandlungen war, ist dabei nicht von entscheidender Bedeutung. Aus dem Umstand, dass die Verfügungsklägerin Verhandlungen über den Abschluss einer Lizenzvereinbarung geführt hat, kann zwar für sich genommen nicht ohne weiteres gefolgert werden, dass ihr die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs unwichtig ist. Der bisherige Verlauf der Auseinandersetzung zeigt aber, dass eine sofortige Unterbindung von Vertriebshandlungen der Verfügungsbeklagten auch aus Sicht der Verfügungsklägerin nicht dringend geboten war. Diese Ausgangslage ist nach Auffassung des Senats durch die Erteilung des Klagepatents nicht wesentlich verändert worden. Das Klagepatent ist nur eines unter mehreren Rechten, auf die die Parteien ihre gegenseitigen Ansprüche stützen. Auch der Umstand, dass die Verfügungsbeklagte nach der Darstellung der Verfügungsklägerin ihre Produkte schnell ändert, lässt sich eine besondere Dringlichkeit nach Auffassung des Senats nicht herleiten. Es ist schon unklar, ob sich solche Änderungen auf Teile beziehen, die für das Vorliegen einer Verletzung des Klagepatents von Bedeutung sein können. Zudem würden durch derartige Änderungen Ansprüche der Klägerin wegen Verletzung des Klagepatents nicht vereitelt. Es ist auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass sich die von der Klägerin behaupteten Markteinbußen auf die (geltend gemachte) Verletzung des Klagepatents zurückführen lassen. Von erheblicher Bedeutung ist bei der Abwägung schließlich der Umstand, dass das vorliegende Verfügungsverfahren und das Hauptsacheverfahren parallel betrieben werden. Angesichts des bereits angesetzten Termins zur mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren bleibt die Verfügungsklägerin, sofern sich ihr Begehren als begründet erweist, nur wenige Wochen ohne Vollstreckungsmöglichkeit. Angesichts der zeitlichen Dauer der Gesamtauseinandersetzung und auch angesichts der Dauer des Verfahrens von der ursprünglichen Anmeldung bis zur Erteilung des Klagepatents erscheint es vor dem aufgezeigten Hintergrund zumutbar, die Verfügungsklägerin auf diesen Weg zu verweisen. Hierdurch wird sie aus den genannten Gründen nicht rechtlos gestellt.
67 
3. Im Ergebnis erscheint das Bedürfnis der Verfügungsklägerin an einer vorläufigen Durchsetzung ihrer Rechte gerade aus diesem Patent nicht derart stark, dass dies die mit dem Erlass einer einstweiligen Verfügung verbundenen Nachteile für die Verfügungsbeklagte rechtfertigen würde. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob die Gründe, auf die die Verfügungsbeklagte ihren Einspruch gegen das Klagepatent stützt, konkrete Zweifel an dessen Schutzfähigkeit zu begründen vermögen.
68 
4. Nach allem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung

1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten;
3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 17/05 Verkündet am:
22. April 2010
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Pralinenform II

a) Stellt ein Unternehmen ein Erzeugnis im Inland auf einer Messe aus, liegt
eine Benutzung der Produktform im geschäftlichen Verkehr im Inland zu
Werbezwecken vor, ohne dass es darauf ankommt, ob das Produkt in verpacktem
oder unverpacktem Zustand ausgestellt wird.

b) Durch ein solches Ausstellen im Inland wird noch keine Vermutung für ein
Anbieten oder Inverkehrbringen dieses Produktes im Inland begründet.
BGH, Urteil vom 22. April 2010 - I ZR 17/05 - OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. April 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 10. Dezember 2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin vertreibt eine Praline in Kugelform, die mit Nusssplittern und brauner Schokolade umhüllt ist. Die Praline verkauft die Klägerin in Goldfolie verpackt und in eine gold-braune Napfmanschette eingesetzt. Auf der Verpackungsfolie findet sich ein Aufkleber mit der Bezeichnung "Rocher". Mit dem Produkt erzielt die Klägerin seit 1996/97 Umsätze von mehr als 50 Mio. € im Jahr.
2
Die Klägerin ist Inhaberin der nachfolgend abgebildeten farbigen (hellund dunkelbraun) dreidimensionalen Marke Nr. 397 35 468:
3
Die Marke ist mit Priorität vom 26. Juli 1997 aufgrund Verkehrsdurchsetzung für die Ware Pralinen eingetragen. Ein von der Beklagten gegen die Marke eingeleitetes Löschungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Der Senat hat die Beschwerdeentscheidung des Bundespatentgerichts aufgehoben, mit der die Löschung der Marke angeordnet worden war (BGH, Beschl. v. 9.7.2009 - I ZB 88/07, GRUR 2010, 138 = WRP 2010, 260 - ROCHER-Kugel).
4
Die Beklagte stellte auf der Süßwarenmesse 2002 in Köln die im Klageantrag abgebildete Praline " K. T. " aus. Diese ist im oberen Teil gerundet und hat eine glatte Standfläche. Die Praline ist außen von Nusssplittern und einer Schokoladenschicht überzogen. Die Folienverpackung der Praline ist in der Grundfarbe Rot sowie in einem Goldton im oberen Bereich gehalten und mit der Bezeichnung " K. T. " gekennzeichnet. Im Rahmen ihres Internetauftritts in türkischer Sprache zeigte die Beklagte eine Abbildung der unverpackten Praline.
5
Die Klägerin hat die Beklagte wegen Verletzung ihres Markenrechts in Anspruch genommen und - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen,
a) es zu unterlassen, Haselnuss-Pralinen " K. T. " wie nächstehend wiedergegeben anzubieten und/oder zu bewerben und/oder in Verkehr zu bringen:
b) der Klägerin Auskunft zu erteilen, aa) welche Stück- und Betragsumsätze sie mit dem von Ziffer 1 a) erfassten Produkt in Deutschland getätigt und bb) welche Werbemaßnahmen einschließlich ihrer Auftritte im Internet sie in Deutschland für dieses Produkt getätigt hat; 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, den diese durch die in Ziffer 1 a) aufgeführten Verletzungshandlungen erlitten hat; 3. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das vorstehend unter 1 a) beantragte Verbot ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten anzudrohen.
6
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, ihre Pralinen würden ausschließlich in der Folienverpackung angeboten und in Verkehr gebracht. Durch die von der Kugelform abweichende Ausführung ihrer Pralinen und die unterschiedliche Verpackung werde eine Verwechslungsgefahr mit der Klagemarke ausgeschlossen.
7
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte im Wesentlichen nach den vorstehend wiedergegebenen Klageanträgen verurteilt. Es hat lediglich die Verurtei- lung zur Auskunftserteilung und die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung auf den Zeitraum seit Januar 2003 beschränkt.
8
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Der Senat hat das vorliegende Verfahren im Anschluss an die Löschungsanordnung des Bundespatentgerichts ausgesetzt. Nach Aufhebung der Entscheidung, mit der das Bundespatentgericht die Löschung der Klagemarke angeordnet hatte, hat der Senat die Fortsetzung der Verhandlung angeordnet.

Entscheidungsgründe:


9
A. Das Berufungsgericht hat die Ansprüche aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 und 6 MarkenG, § 242 BGB bejaht und zur Begründung ausgeführt:
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Die Beklagte verwende die beanstandete Pralinenform im geschäftlichen Verkehr, auch wenn die Praline in einer undurchsichtigen Verpackung vertrieben werde. Die Beklagte habe die Praline im Rahmen ihres Internetauftritts unverpackt abgebildet. Den Verbrauchern, die die Praline der Beklagten schon einmal verzehrt hätten, sei die Pralinenform bei dem späteren Erwerb bekannt.
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Die Beklagte verwende die Pralinenform markenmäßig. Dem Durchschnittsverbraucher stelle sich die äußere Gestaltung der Praline der Beklagten als Kugelform dar. Die Abweichungen von der Kugelform riefen nur den Eindruck hervor, der Versuch, eine runde Form zu erreichen, sei nicht bei allen Exemplaren gelungen. Aufgrund der erheblichen Verkehrsbekanntheit der Mar- ke der Klägerin verbinde der Verkehr mit der äußeren Form der unverpackten Praline der Beklagten Herkunftsvorstellungen.
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Die Voraussetzungen der Verwechslungsgefahr nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG seien ebenfalls gegeben. Die als verkehrsdurchgesetzt eingetragene Marke verfüge über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Bei bestehender Warenidentität, durchschnittlicher Kennzeichnungskraft und normaler Zeichenähnlichkeit sei von einer Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auszugehen. Die Annexansprüche seien ebenfalls gegeben. Die Beklagte habe schuldhaft gehandelt. Die Ansprüche seien allerdings auf den Zeitpunkt der erstmaligen Verletzungshandlung zu beschränken.
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B. Die gegen diese Beurteilung des Berufungsgerichts gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit dieses zu Lasten der Beklagten entschieden hat.
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I. Die Revision ist zulässig.
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Das Berufungsgericht hat die Revision jedenfalls zugunsten der Beklagten zugelassen. Der Entscheidungssatz des Berufungsurteils enthält keine Beschränkung der Zulassung der Revision. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar anerkannt, dass sich eine Beschränkung der Zulassung der Revision auch aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (BGH, Urt. v. 16.9.2009 - VIII ZR 243/08, NJW 2010, 148 Tz. 11). Dies muss jedoch zweifelsfrei geschehen. Die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision reicht grundsätzlich nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung der Revision auszugehen (BGH, Urt. v. 18.12.2008 - I ZR 63/06, GRUR 2009, 515 Tz. 17 = WRP 2009, 445 - Motorradreiniger; Urt. v. 18.3.2010 - I ZR 158/07, GRUR 2010, 536 Tz. 17 = WRP 2010, 750 - Modulgerüst II).
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Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ergibt sich aus den Gründen des Berufungsurteils keine Beschränkung der Zulassung der Revision zu Lasten der Beklagten. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Frage des Schutzes einer Marke, die aus der Form einer unverpackten Praline bestehe, gegen eine undurchsichtig verpackte Praline, bei der im verpackten Zustand die Ähnlichkeit mit der Marke nicht erkennbar sei, noch nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung gewesen sei. Die Zulassungsfrage betrifft - jedenfalls auch - die vom Berufungsgericht zuerkannten markenrechtlichen Ansprüche der Klägerin, gegen die die Revision der Beklagten gerichtet ist.
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II. Die Revision ist auch begründet.
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1. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG nicht bejaht werden.
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a) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass es als Verletzungsgericht an die Eintragung der Klagemarke gebunden ist. Die Marke steht nach wie vor in Kraft. Das gegen die Marke eingeleitete Löschungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Solange die Löschungsanordnung nicht rechtskräftig ist, besteht die Schutzrechtslage und damit die Bindung des Verletzungsrichters an die Eintragung der Marke unverändert fort (BGH, Urt. v. 5.6.2008 - I ZR 169/05, GRUR 2008, 798 Tz. 14 = WRP 2008, 1202 - POST I).
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b) Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte die angegriffene Form der unverpackten Praline im geschäftlichen Verkehr in der Werbung benutzt hat. Ein Zeichen wird im geschäftlichen Verkehr benutzt, wenn die Verwendung im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten gewerblichen Tätigkeit und nicht im privaten Bereich erfolgt (vgl. EuGH, Urt. v. 23.3.2010 - C-236-238/08, GRUR 2010, 445 Tz. 50 - Google/Vuitton; BGH, Urt. v. 4.12.2008 - I ZR 3/06, GRUR 2009, 871 Tz. 23 = WRP 2009, 967 - Ohrclips). Davon ist vorliegend schon deshalb auszugehen , weil die Beklagte ihre Praline auf einer Süßwarenmesse in Köln ausgestellt und die beanstandete Produktform damit im Inland im Rahmen ihrer kommerziellen Tätigkeit benutzt hat. Die Beklagte hat dadurch die beanstandete Praline im Inland beworben. Auf die Frage, ob die Beklagte die Praline auf dieser Messe in verpacktem oder unverpacktem Zustand ausgestellt hat, kommt es nicht an. Auch wenn die Beklagte die Praline in verpacktem Zustand dargeboten hat, ist damit auch die in der Verpackung enthaltene Praline Gegenstand der Werbung geworden. Ob darüber hinaus - wie das Berufungsgericht angenommen und die Revision als rechtsfehlerhaft beanstandet hat - auch der Internetauftritt der Beklagten in türkischer Sprache unter einer türkischen Top-Level-Domain ein Handeln im geschäftlichen Verkehr im Inland begründet, kann danach offenbleiben.
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c) Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch dagegen, dass das Berufungsgericht der Beklagten verboten hat, die Pralinen " K. T. " anzubieten oder in Verkehr zu bringen.
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aa) Ein auf Wiederholungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch scheidet aus, weil das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen dazu getroffen hat, dass die Beklagte die beanstandeten Pralinen im Inland angeboten oder in Verkehr gebracht hat. Zwar ist das Anbieten i.S. des § 14 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG in einem wirtschaftlichen Sinn zu verstehen; Werbemaßnahmen, bei denen zum Erwerb der beworbenen Produkte aufgefordert wird, können die Anforderungen an das Anbieten erfüllen (vgl. zu § 17 Abs. 1 UrhG BGHZ 171, 151 Tz. 27 - Wagenfeld-Leuchte; zu § 14 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht , § 14 MarkenG Rdn. 468). Das Berufungsgericht hat jedoch nicht festgestellt , dass die Beklagte auf der Süßwarenmesse in Köln oder im Rahmen ihres Internetauftritts zum Erwerb der Pralinen im Inland aufgefordert hat. Auch ein Inverkehrbringen der Pralinen im Inland hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
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bb) Ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter vorbeugender Unterlassungsanspruch kommt auf der Grundlage der bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht in Betracht. Dieser setzt ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür voraus, der Anspruchsgegner werde sich in naher Zukunft rechtswidrig verhalten. Dabei muss sich die Erstbegehungsgefahr auf eine konkrete Verletzungshandlung beziehen. Die die Erstbegehungsgefahr begründenden Umstände müssen die drohende Verletzungshandlung so konkret abzeichnen, dass sich für alle Tatbestandsmerkmale zuverlässig beurteilen lässt, ob sie verwirklicht sind (vgl. BGH, Urt. v. 13.3.2008 - I ZR 151/05, GRUR 2008, 912 Tz. 17 = WRP 2008, 1353 - Metrosex; Urt. v. 29.10.2009 - I ZR 180/07 Tz. 25 - Stumme Verkäufer II). Davon kann im Streitfall jedoch nicht ausgegangen werden. Das Berufungsgericht hat keine Anhaltspunkte dafür festgestellt, die Beklagte werde in naher Zukunft die beanstandeten Pralinen im Inland anbieten oder in Verkehr bringen. Das Berufungsurteil kann daher hinsichtlich des Verbots des Anbietens und des Inverkehrbringens nicht aufrechterhalten werden. Das Berufungsgericht wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren die erforderlichen Feststellungen dazu zu treffen ha- ben, ob eine Begehungsgefahr für ein Anbieten oder Inverkehrbringen im Inland vorliegt.
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d) Die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung kann - ungeachtet der bislang fehlenden Feststellungen zu einer Begehungsgefahr für ein Anbieten und Inverkehrbringen der Pralinen im Inland - hinsichtlich sämtlicher beanstandeten Verhaltensweisen (Anbieten, Bewerben, Inverkehrbringen) nicht aufrechterhalten werden. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Form der " K. T. "-Praline markenmäßig verwandt, ist ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern.
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aa) Eine Verletzungshandlung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn die angegriffene Bezeichnung markenmäßig verwendet wird. Eine markenmäßige Benutzung oder - was dem entspricht - eine Verwendung als Marke setzt voraus, dass die Bezeichnung im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer dient (vgl. EuGH, Urt. v. 12.11.2002 - C-206/01, Slg. 2002, I-10273 = GRUR 2003, 55 Tz. 51 ff. - Arsenal Football Club; BGH, Urt. v. 30.4.2008 - I ZR 123/05, GRUR 2008, 793 Tz. 16 = WRP 2008, 1196 - Rillenkoffer). Die Rechte aus der Marke nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, dessen Anwendung das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr voraussetzt, sind daher auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen die Benutzung des Zeichens durch einen Dritten die Hauptfunktion, das heißt die Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung gegenüber dem Verbraucher, beeinträchtigt oder immerhin beeinträchtigen könnte (zu Art. 5 Abs. 1 lit. b MarkenRL EuGH, Urt. v. 12.6.2008 - C-533/06, Slg. 2008, I-4231 = GRUR 2008, 698 Tz. 57 - O2/Hutchison; Urt. v. 18.6.2009 - C-487/07, GRUR 2009, 756 Tz. 59 = WRP 2009, 930 - L'Oréal/ Bellure; zu § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG BGHZ 171, 89 Tz. 22 - Pralinenform I; BGH, Urt. v. 5.2.2009 - I ZR 167/06, GRUR 2009, 484 Tz. 60 = WRP 2009, 616 - METROBUS).
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bb) Die Beurteilung, ob der Verkehr eine Bezeichnung als Herkunftshinweis versteht, obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter (BGH, Urt. v. 3.2.2005 - I ZR 45/03, GRUR 2005, 414, 415 = WRP 2005, 610 - Russisches Schaumgebäck ). Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte verwende die beanstandete Pralinenform markenmäßig, hält der rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht stand.
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(1) Das Berufungsgericht hat bei der Annahme, die beanstandete Pralinenform werde markenmäßig benutzt, auch darauf abgestellt, dass die Klagemarke eingetragen ist. Es hat daraus gefolgert, damit stehe für das Verletzungsverfahren bindend fest, dass die besondere äußere Form der unverpackten Praline Herkunftsfunktion aufweise. Dem kann nicht beigetreten werden.
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Nach der Senatsrechtsprechung folgt aus der Bindung des Verletzungsrichters an die Eintragung der Klagemarke nicht, dass eine mit der geschützten Klagemarke identische Bezeichnung oder Gestaltung in der konkreten Verletzungsform vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden wird (vgl. BGH GRUR 2005, 414, 416 - Russisches Schaumgebäck; Bergmann, GRUR 2006, 793, 796). Wie der Senat in einem mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbaren Fall entschieden hat, in dem die Klägerin aus derselben Marke gegen eine Pralinenform vorgegangen ist, kann aus der Eintragung der Klagemarke nicht auf eine Funktion der beanstandeten Form als Herkunftshinweis geschlossen werden (vgl. BGHZ 171, 89 Tz. 24 - Pralinenform I).
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(2) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die beanstandete Pralinenform herkunftshinweisend und damit markenmäßig be- nutzt sein kann, obwohl sie für den Verkehr nicht bereits im Zeitpunkt der Kaufentscheidung wahrnehmbar ist. Die Marke entfaltet ihre Herkunftsfunktion auch gegenüber denen, die das gekennzeichnete Produkt bestimmungsgemäß verwenden. Das aus der Eintragung folgende Markenrecht kann deshalb auch gegen verwechslungsfähige Zeichen, die erst im Stadium des Verbrauchs der Ware wahrgenommen werden, zu schützen sein (vgl. EuGH, Urt. v. 12.1.2006 - C-361/04 P, Slg. 2006, I-643 = GRUR 2006, 237 Tz. 46 - PICASSO/PICARO; Urt. v. 22.6.2006 - C-24/05 P, Slg. 2006, I-5677 = GRUR Int. 2006, 842 Tz. 71 - Storck/HABM; BGHZ 164, 139, 147 f. - Dentale Abformmasse; 171, 89 Tz. 25 - Pralinenform I).
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(3) Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung, ob die Beklagte die angegriffene Pralinenform markenmäßig benutzt, zutreffend auf das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers abgestellt. Es hat jedoch nicht berücksichtigt , dass der Verkehr nach der Lebenserfahrung die Formgestaltung einer Ware regelmäßig nicht in gleicher Weise wie Wort- und Bildmarken als Herkunftshinweis auffasst, weil es bei der Warenform zunächst um eine funktionelle und ästhetische Ausgestaltung der Ware selbst geht. Auch eine besondere Gestaltung der Ware selbst wird danach eher diesem Umstand zugeschrieben werden als der Absicht, auf die Herkunft der Ware hinzuweisen (vgl. BGHZ 153, 131, 140 - Abschlussstück; 171, 89 Tz. 26 - Pralinenform I).
31
Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass im Warenbereich der Pralinen Abweichendes gilt, insbesondere dass sich in diesem Bereich eine dem Verkehr bekannte Gewohnheit entwickelt hat, die Form der Waren herkunftshinweisend zu gestalten (vgl. BGH GRUR 2005, 414, 416 - Russisches Schaumgebäck; GRUR 2010, 138 Tz. 26 f. - ROCHER-Kugel). Es hat auch keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Form der von der Beklagten vertriebenen Praline in irgendeiner Weise erheblich vom Branchenüblichen abweicht und ihr aus diesem Grund eine herkunftshinweisende Funktion beigemessen werden kann (vgl. EuGH GRUR Int. 2006, 842 Tz. 25 f. - Storck/HABM).
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Bei der Beurteilung, ob die Beklagte die beanstandete Pralinenform markenmäßig benutzt, sind zudem die Umstände zu berücksichtigen, unter denen die Verbraucher diese Form wahrnehmen. Die Beklagte bietet ihre Praline nur in verpackter Form unter eigenem Kennzeichen zum Verkauf an. Der Verbraucher hat deshalb in aller Regel nur in der kurzen Zeit zwischen Auspacken und Verzehr der Praline Gelegenheit, die Pralinenform als solche wahrzunehmen. Unter solchen Umständen liegt es im Allgemeinen nicht nahe anzunehmen, dass der Verbraucher allein der Erscheinungsform der Ware - unabhängig von deren Verpackung, Bezeichnung und Bewerbung - einen Herkunftshinweis entnimmt (vgl. BGHZ 164, 139, 148 - Dentale Abformmasse; 171, 89 Tz. 29 - Pralinenform I).
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(4) Bei seiner Beurteilung, ob die Beklagte die beanstandete Pralinenform markenmäßig benutzt, hat das Berufungsgericht allerdings zutreffend geprüft , welche Kennzeichnungskraft die Klagemarke erreicht hat. Denn der Grad der Kennzeichnungskraft einer dreidimensionalen Marke hat Auswirkungen darauf , ob der Verkehr dieser Form einen Herkunftshinweis entnimmt, wenn er ihr als Form einer Ware begegnet (vgl. dazu auch BGHZ 156, 126, 137 f. - Farbmarkenverletzung I; BGH, Urt. v. 7.10.2004 - I ZR 91/02, GRUR 2005, 427, 428 f. = WRP 2005, 616 - Lila-Schokolade). Ungeachtet der Bedenken, die gegen die Fragestellung der von der Klägerin vorgelegten GfK-Umfrage bestehen könnten (vgl. dazu die Entscheidungen BGHZ 171, 89 Tz. 37 - Pralinenform I und BGH GRUR 2010, 138 Tz. 49 ff. - ROCHER-Kugel, in denen es um dieselbe GfK-Umfrage geht), kann deren Ergebnis ein wesentlicher Hinweis auf die Kennzeichnungskraft der Klagemarke zu entnehmen sein. Dies gilt umso mehr, als sich die Umfrage gerade auf die Benutzung der als Marke geschützten Form als Warenform bezogen hat.
34
In diesem Zusammenhang wendet sich die Revisionserwiderung zu Recht dagegen, dass das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Frage, ob die Kennzeichnungskraft der aufgrund Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Klagemarke gesteigert ist, allein auf diejenigen Verkehrskreise abgestellt hat, die den Hersteller der durch die Klagemarke abgebildeten Pralinenform zutreffend angegeben haben. Bei der Feststellung des Umfangs der Kennzeichnungskraft sind auch diejenigen Verkehrskreise zu berücksichtigen, die die Klagemarke zwar als Hinweis auf ein Unternehmen auffassen, es aber keinem namentlich bestimmten Unternehmen zuordnen (vgl. BGH, Urt. v. 20.9.2007 - I ZR 6/05, GRUR 2007, 1071 Tz. 30 = WRP 2007, 1461 - Kinder II; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 14 MarkenG Rdn. 214; Hacker in Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8 Rdn. 397; allgemein Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 14 Rdn. 358).
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(5) Das Berufungsgericht hat weiterhin dem Umstand keine ausreichende Bedeutung beigemessen, dass sich die vorgelegte GfK-Umfrage nur auf die Frage bezogen hat, ob der Verkehr einer Pralinenform, die der Klagemarke genau entspricht, einen Herkunftshinweis entnimmt. Die beanstandete Pralinenform weicht von dieser Form nicht unerheblich ab. Das Berufungsgericht ist zwar davon ausgegangen, die beanstandete Pralinenform unterscheide sich nur geringfügig von einer Kugelform. Dem Durchschnittsverbraucher werde diese Abweichung kaum auffallen. Diese Annahme erweist sich jedoch als erfahrungswidrig. Die im Rechtsstreit vorgelegten Pralinen der Beklagten haben unübersehbar eine glatte Bodenfläche. Diese Abweichung von der Kugelform ist zwar bei der im Klageantrag abgebildeten Praline nicht mit derselben Deutlichkeit zu erkennen, weil diese Praline schräg von oben aufgenommen worden ist.
Dass die glatte Bodenfläche fehlen würde, lässt sich der Abbildung aber ebenfalls nicht entnehmen. Es war deshalb rechtsfehlerhaft, dass das Berufungsgericht die der Umfrage zu entnehmenden Ergebnisse, inwieweit die als Marke geschützte Form herkunftshinweisend ist, uneingeschränkt auch der Beurteilung zugrunde gelegt hat, ob die beanstandete Pralinenform unter den Umständen , unter denen sie wahrgenommen wird, als herkunftshinweisend aufgefasst wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr bei Pralinen an eine Vielzahl von Gestaltungen - gerade auch in Kugelform - gewöhnt ist und schon aus diesem Grund Abweichungen von der als Marke geschützten Form, die unübersehbar sind, leicht aus dem Schutzbereich der Marke herausführen.
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e) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, zwischen der Klagemarke und der beanstandeten Pralinenform bestehe Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, beruht ebenfalls auf Rechtsfehlern.
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aa) Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Frage der Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist und eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren besteht, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 29.7.2009 - I ZR 102/07, GRUR 2010, 235 Tz. 15 = WRP 2010, 381 - AIDA/ AIDU).
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bb) Das Berufungsgericht hat auch zu Recht eine Warenidentität angenommen.
39
cc) Den Grad der Kennzeichnungskraft der Klagemarke wird das Berufungsgericht jedoch erneut zu prüfen haben.
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(1) Die Eintragung einer Marke als durchgesetztes Zeichen bedeutet nicht, dass der Marke im Verletzungsverfahren in jedem Fall zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft beizumessen ist. Die Bindung des Verletzungsrichters an die Eintragung der Marke hat nur zur Folge, dass er der Marke nicht jeglichen Schutz versagen darf. Dementsprechend hat der Verletzungsrichter den Grad der Kennzeichnungskraft im Verletzungsverfahren selbständig zu bestimmen. Dies gilt auch für Marken, die aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen sind. Allerdings wird bei diesen regelmäßig von einer mindestens durchschnittlichen Kennzeichnungskraft ausgegangen werden können (vgl. BGHZ 171, 89 Tz. 35 - Pralinenform I). Diese Maßstäbe hat auch das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Die Begründung, mit der es eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft angenommen hat, hält jedoch nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.
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(2) Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, die Marke sei an sich schutzunfähig, weil die äußere Gestaltung der Warenform i.S. von § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG technisch bedingt sei. Deshalb sei der Schutzbereich der Klagemarke im Verletzungsverfahren an der untersten Grenze anzusiedeln.
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Der Senat hat die Frage, ob die Klagemarke ausschließlich aus einer Form besteht, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist, bereits im Löschungsverfahren verneint (vgl. BGH GRUR 2010, 138 Tz. 16 ff.
- ROCHER-Kugel). Die Revision zeigt keine Gesichtspunkte auf, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten.
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Anders als die Revision meint, ist von einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft auch nicht deshalb auszugehen, weil nur 23,5% der angesprochenen Verkehrskreise die Klägerin als Markeninhaberin namentlich bezeichnen konnten. Für die Beurteilung der Kennzeichnungskraft ist nicht erforderlich , dass das angesprochene Publikum den Markeninhaber namentlich angeben kann. Außer Betracht zu lassen sind lediglich diejenigen Teile des Verkehrs , die das Zeichen einem anderen, ausdrücklich benannten Unternehmen zuordnen (vgl. BGH GRUR 2010, 138 Tz. 53 - ROCHER-Kugel).
44
Schließlich sind von dem Ergebnis des vom Berufungsgericht für die Beurteilung der Kennzeichnungskraft herangezogenen GfK-Gutachtens von Juli 1997 - anders als die Revision meint - nicht deshalb Abzüge zu Lasten der Klägerin vorzunehmen, weil sie nach Darstellung der Beklagten zu diesem Zeitpunkt die einzige Anbieterin einer kugelförmigen Haselnusspraline gewesen ist. Aus diesem Umstand ergibt sich im Streitfall kein Anhaltspunkt dafür, dass die Zuordnung der Klagemarke nur zu einem bestimmten Unternehmen nicht auf der Verwendung der Pralinenform als Marke beruhte.
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(3) Gegen die Fragestellung des GfK-Gutachtens von Juli 1997 bestehen jedoch Bedenken, die der Senat bereits in der Entscheidung "Pralinenform I" (BGHZ 171, 89 Tz. 37) angeführt hat. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung zudem rechtsfehlerhaft das Ergebnis des Gutachtens der an Pralinen interessierten Verkehrskreise zugrunde gelegt, wonach 83,8% der beteiligten Verkehrskreise der Auffassung waren, die Praline stamme aus einem bestimmten Unternehmen. Da Pralinen zu den Waren des Massenkonsums gehören , ist jedoch auf die Gesamtzahl aller Befragten abzustellen. Von diesen ken- nen 72,9% die der Klagemarke entsprechende Pralinenform und ordnen 74,4% sie einem bestimmten Unternehmen zu. Von diesem Wert hatte das Bundespatentgericht aufgrund methodischer Mängel des Gutachtens im Löschungsverfahren Abzüge vorgenommen und war von einem Kennzeichnungsgrad von 66,5% ausgegangen, von dem es weitere Abzüge aufgrund einer Fehlertoleranztabelle vorgenommen hatte (vgl. BGH GRUR 2010, 138 Tz. 49 ff. - ROCHER-Kugel). Andererseits darf bei der Feststellung der Kennzeichnungskraft nicht zu Lasten der Klägerin berücksichtigt werden, dass ein erheblicher Teil des Publikums das Unternehmen der Klägerin nicht namentlich benannt hat (dazu B II 1 d bb (4)).
46
dd) Auch die Zeichenähnlichkeit wird das Berufungsgericht erneut zu beurteilen haben. Denn es ist nicht auszuschließen, dass es der geraden Bodenfläche der angegriffenen Pralinenform für die Frage der Unterschiedlichkeit der kollidierenden Zeichen eine zu geringe Bedeutung beigemessen hat (dazu B II 1 d bb (5)).
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2. Die Verurteilung nach den Annexanträgen auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung kann ebenfalls keinen Bestand haben, da das Berufungsgericht eine Verletzung des Markenrechts der Klägerin nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat.
48
C. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Bornkamm Pokrant Büscher
Koch Schaffert
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 18.03.2004 - 84 O 46/03 -
OLG Köln, Entscheidung vom 10.12.2004 - 6 U 83/04 -

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.