Landgericht Oldenburg (Oldenburg) Beschluss, 7. Feb. 2013 - 5 S 595/12

ECLI:lg-oldenburg-oldenburg
bei uns veröffentlicht am24.06.2022

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Gericht

Landgericht Oldenburg (Oldenburg)

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
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Zusammenfassung des Autors

Die Bezeichnung eines Polizisten als "Wichser", "Scheiss Bullenschwein", " Arschwichser" und "dummes Arschloch" begründet keinen Schmerzengeldanspruch. Zwar handelt es sich hierbei um vulgäre Beleidigungen, die eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen - Ein Schmerzensgeld kommt jedoch nur in Betracht, wenn es sich bei dieser Beleidigung um eine schwerwiegende Beeinträchtigung handelt, die nicht in einer anderen Weise ausgeglichen werden kann. Das OLG Oldenburg sieht in diesen Äußerungen eines alkoholisierten Mannes gegenüber einen Polizisten keinen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. Die Beleidigungen richteten sich nach Ansicht des Gerichts nicht gegen den Polizisten als Person, sondern  gegen seine Eigenschaft als Polizist.

Dirk Streifler - Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin

OLG Oldenburg

Hinweisbeschluss vom 7. Februar 2013

Az.: 5 S 595/12

Entscheidungsgründe

I.

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung durch nicht anfechtbaren einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Für den Kläger dürfte es sich empfehlen, das Rechtsmittel zurückzunehmen, um unnötige Kosten zu vermeiden.

Es wird Gelegenheit gegeben, zu diesem Hinweisbeschluss binnen 2 Wochen Stellung zu nehmen.


II.

Die Kammer lässt sich bei ihrer Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:

Die zur Entscheidung stehende Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Urteilsentscheidung ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO.

Dem Kläger steht schon nach seinem eigenen Vorbringen kein Anspruch auf Schmerzensgeld gemäß §§ 823 Abs. 1, 2 BGB, 185 StGB, Art. 1, 2 GG zu. Die allein auf die Zahlung eines Schmerzensgeldes gerichtete Klage ist nicht begründet.

Der Kläger, welcher Polizeibeamter ist, hatte den alkoholisierten Beklagten zur Blutentnahme mit auf die Dienststelle genommen. Hierbei beleidigte der Beklagte den Kläger mit Äußerungen wie „Wichser“, „Scheiß Bullenschwein“, „Arschwichser“ und „dummes Arschloch“. Dabei handelt es sich unzweifelhaft um Eingriffe in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers.

Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet aber nur dann einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise ausgeglichen werden kann. Das hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (BGHZ, 128, 1 (12), 132, 13 (27)).

Bei der Anwendung der für einen Anspruch auf Geldentschädigung maßgeblichen Tatbestandsmerkmale einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts und der mangelnden Möglichkeit anderweitiger Genugtuung haben die Gerichte die Fundierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Würde des Menschen zu beachten (BVerfGE, Beschluss vom 04.03.2004, Az. 1 BvR 2098/01).

Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, alle Menschen gegen Angriffe auf die Menschenwürde zu schützen; der Schutz der Menschenwürde ist absolut und erstreckt sich auf alle Lebensbereiche (BVerfGE, a. a. O.).

Der sich aus der Menschenwürde ergebende Achtungsanspruch kann verletzt werden, wenn die Diffamierung einer Person Ausdruck ihrer Missachtung ist, etwa durch Leugnung oder Herabsetzung der persönlichen Eigenschaften und Merkmale, die das Wesen des Menschen ausmachen. Die Feststellung einer solchen Verletzung durch eine Äußerung setzt eine deren Wortlaut und Begleitumstände berücksichtigende Deutung voraus.

Die Kammer teilt die Würdigung des Amtsgerichts, dass unter Berücksichtigung des objektiven Angriffs und des subjektiven Verschuldens kein schwerwiegender Eingriff vorliegt.

Bei Beleidigungen wie „Scheiß Bullenschwein“ oder „dummes Arschloch“ handelt es sich um Beschimpfungen, die sich im Wesentlichen nicht gegen den Kläger als Person, sondern in seiner Eigenschaft als Polizist gerichtet haben. Solche Beschimpfungen, die nicht an die individuellen Eigenschaften des Verletzten anknüpfen und bei denen keine weiteren Elemente hinzutreten - wie etwa Anspucken - reichen für eine eine Geldentschädigung rechtfertigende schwerwiegende Beeinträchtigung grundsätzlich nicht aus (vgl. LG Münster, Urteil vom 29.08.2002, 8 S 210/02), insbesondere unter Berücksichtigung der hier vorliegenden Begleitumstände und des Verschuldens des Beklagten. Es handelte sich lediglich um spontane Äußerungen eines alkoholisierten Tatverdächtigen, die nicht geeignet waren, eine schwerwiegende Beeinträchtigung hervorzurufen. Denn nach dem Vortrag des Klägers beschimpfte der Beklagte ihn, als er den Beklagten zur Dienststelle zur Blutentnahme mitnahm, nachdem er ihn Rad fahrend angetroffen und in seiner Atemluft Alkoholgeruch festgestellt hatte. Nach dem weiteren Vortrag des Klägers wurde bei dem Beklagten eine BAK von 1,49 Promille festgestellt. Mithin machte ein alkoholbedingt enthemmter Tatverdächtiger seinem Ärger über eine polizeiliche Maßnahme Luft. Nach dem eigenen Vortrag behauptet der Kläger im Übrigen auch keine schwerwiegenden körperlichen oder seelischen Beeinträchtigungen aufgrund des Vorfalls.

Konsequenz aus einer Verneinung einer Geldentschädigung in Fällen der vorliegenden Art ist auch nicht, wie der Kläger meint, dass Polizeibeamte beliebig vulgär beleidigt werden dürften. Denn Äußerungen der vorliegenden Art stellen den Straftatbestand einer Beleidigung dar. Vorliegend ist der Beklagte auch mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Oldenburg vom 27.12.2010 zu einer Geldstrafe von 800 EUR verurteilt worden. Zudem besteht ein zivilrechtlicher Unterlassungsanspruch.

Der Kammer ist bei dieser Entscheidung klar, dass es Gerichte gibt, die bei Beleidigungen auch ein Schmerzgeld zusprechen. So hat das AG Böblingen einer Polizeibeamtin ein Schmerzensgeld von 300 € zugesprochen, die von einem angetrunkenen Randalierer auf das Übelste sexuell beschimpft worden war (Urt. vom 16.11.2006 - 3 C 1899/06 - zitiert bei Juris).

Die Kammer entscheidet bei Schmerzensgeldern differenziert und zwar auch unter Berücksichtigung der gesamten Rechtsordnung.

So setzt die Kammer bei körperlichen Verletzungen das vom Gesetzgeber bei der Bemessung von Schmerzensgeldern ins Auge gefasste Ziel um, die verfügbaren Mittel mehr als bisher auf die Fälle schwererer Verletzungen zu konzentrieren (BT-Drs. 14, 7752 S. 25). Nach den Überlegungen des damaligen Gesetzgebers sollten keine Schmerzensgelder zugesprochen werden bei Schäden, die unter Berücksichtigung ihrer Art und Dauer unerheblich sind. Dazu sollten zählen einmal die Bagatellverletzungen, die einen geringen, nur vorübergehenden Einfluss auf das Allgemeinbefinden haben, wie z. B. Kopfschmerzen oder Schleimhautreizungen sowie im Regelfall auch leichtere oberflächliche Weichteilverletzungen, wie Schürfwunden, Schnittwunden und Prellungen, sowie leichtere Verletzungen des Bewegungsapparates, wie Zerrungen und Stauchungen und auch nicht objektivierbare leichte HWS-Verletzungen ersten Grades. Im Gespräch war eine Schwelle von 1.000 DM (BT-Drs., a. a. O.., S. 25, 26).

Dass die ursprüngliche Fassung des § 253 BGB mit der ausdrücklichen Ausnahme von Bagatellfällen letztlich nicht verkündet wurde lag an dem Vorschlag des Rechtsausschusses des Bundestages. Dieser verwies darauf, dass die ausdrückliche Festschreibung einer Bagatellschwelle nicht erforderlich sei, da die Rechtsprechung bereits auf der Grundlage des seinerzeit geltenden Rechts zu angemessenen Ergebnissen käme. Den Gerichten solle die Möglichkeit gegeben werden, die Bagatellschwelle über die Auslegung des Begriffs „billige“ Entschädigung in Geld fortzuentwickeln (BT-Drs 14, 8780 S. 21).

Die Kammer spricht daher Schmerzensgelder unter 500 € nur in besonderen Einzelfällen zu.

Diese Überlegungen gelten auch dann, wenn bei Beleidigungen ein eher geringfügiges Schmerzensgeld in Rede steht.

Zur Rechtsnatur eines Schmerzensgeldes bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, hat der Bundesgerichtshof entschieden (BGHZ 128, 1):

Bei einer Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich im eigentlichen Sinn nicht um ein Schmerzensgeld nach § 847 BGB, sondern um einen Rechtsbehelf, der auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zurückgeht.

Die Zubilligung einer Geldentschädigung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde.

Anders als beim Schmerzensgeldanspruch steht bei dem Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund; hieran hält der Senat trotz der im Schrifttum geäußerten Vorbehalte fest.

Außerdem soll der Rechtsbehelf der Prävention dienen (jew. BGH, a. a. O.).

Soweit bei einem Vergleich der zugesprochenen Entschädigungen ein Ungleichgewicht bei Schmerzensgeldern wegen Körperverletzungen und einer Entschädigung wegen Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts festgestellt werden könnte, hat das Bundesverfassungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass bei Körperverletzungs- bzw. Schockschadensfällen im Zusammenhang mit der Haftung für Verkehrsunfälle der Gedanke der Gewinnerzielungsabsicht keine Rolle spielt, somit ein auf Prävention zielender Ansatzpunkt für eine entsprechende Berücksichtigung als Bemessungsfaktor der Schmerzensgeldhöhe nicht gegeben ist (VersR 00, 897).

Bei Beleidigungen ist daher genauer zu differenzieren, ob die Rechtsverletzung insgesamt sanktionslos bleiben würde, dem Verletzer Vorteile verblieben, wie der Presse bei Rechtsverletzungen zur Gewinnerzielung oder eine tiefgreifende Verletzung der Menschenwürde vorliegt, weil die Diffamierung einer Person Ausdruck ihrer Missachtung ist, etwa durch Leugnung oder Herabsetzung der persönlichen Eigenschaften und Merkmale, die das Wesen des Menschen ausmachen (BVerfG, a. a. O.).

Im Gegenzuge ist sogar zu berücksichtigen, dass Unmutsäußerungen eines Bürgers über staatliche Maßnahmen nicht einmal eine Beleidigung sein müssen (BVerfG AfP 09, 361 - „durchgeknallter Richter“; NJW 07, 2839 - „Sie sind eine Schande für die deutsche Richterschaft“). Das Bundesverfassungsgericht geht daher davon aus, dass sich Staatsbedienstete heftige, auch persönlich gemeinte Kritik gefallen lassen müssen, die sogar die Fähigkeit zum Beruf abspricht.

Unter diesem Blickwinkel sind die hier vorliegenden Fäkalausdrücke gegenüber einem seinen Dienst ordnungsgemäß ausübenden Polizeibeamten nicht nur einfach ungehörig, sondern auch nicht hinnehmbar und zivil- und strafrechtlich verfolgbar. Die Verhängung eines Schmerzensgeldes ist jedoch nicht geboten. Auch wenn in diesen Fällen der Gedanke der Genugtuung bedeutsam ist, im Vordergrund steht die Prävention. Danach gewährt ein - geringes - Schmerzensgeld nicht mehr Schutz vor Wiederholungen als die zivilrechtliche Unterlassungsklage oder die strafrechtliche Verfolgung. Ein höheres Schmerzensgeld bei bloßen Beleidigungen ist ohnehin nicht angezeigt.

Urteilsbesprechung zu Landgericht Oldenburg (Oldenburg) Beschluss, 7. Feb. 2013 - 5 S 595/12

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Landgericht Oldenburg (Oldenburg) Beschluss, 7. Feb. 2013 - 5 S 595/12 zitiert 8 §§.

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Tenor 1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.03.2006 zu zahlen. 2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von vorgeric
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Landgericht Oldenburg (Oldenburg) Beschluss, 7. Feb. 2013 - 5 S 595/12

bei uns veröffentlicht am 24.06.2022

Die Bezeichnung eines Polizisten als "Wichser", "Scheiss Bullenschwein", " Arschwichser" und "dummes Arschloch" begründet keinen Schmerzengeldanspruch. Zwar handelt es sich hierbei um vulgäre Beleidigungen, die eine Persönlichkeitsrech

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.03.2006 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 26,39 EUR freizustellen.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des schriftlichen Sachverständigengutachtens trägt die Klägerin. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 3/5 und der Beklagte 2/5.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages, wenn nicht die jeweils andere Partei vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert: 1.000 EUR

Tatbestand

 
Die klagende Polizeimeisterin verlangt vom Beklagten Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung.
Am 19.07.2005 widersetzte sich der damals 20-jährige Beklagte in angetrunkenem Zustand einer polizeilichen Kontrolle wegen vorausgegangenen Randalierens. Im Verlauf der Festnahme und danach auf dem Polizeirevier S. bedachte der Beklagte die insoweit tätige Klägerin, eine damals 25-jährige Polizeimeisterin, teilweise zusammen mit ihren Kollegen, mit den folgenden und weiteren, sinngleichen Äußerungen, die er durch entsprechende Hüftbewegungen unterstützte:
- „Hure, Nutte, Schlampe“
- „Ich fick euch alle, ich mach euch kalt, ihr Drecksbullen, ich fick eure Mutter, ihr dreckigen Bullen.“
- „Ich kenne dein Gesicht, du Schlampe, ich mach dich draußen kalt.“
- „ Votze , Schlampe, Hure, ich fick dich schön tief in den Arsch.“
- „Bevor ich dich kalt mache, sollst du mir zuschauen, wie ich dich langsam und tief in den Arsch ficke.“
- „Ich fick dich dann tot.“
Die Klägerin behauptet, sie sei durch diese massiven Beleidigungen und Bedrohungen als Polizistin, aber auch als Privatperson zutiefst in ihrer Ehre verletzt worden. Die Äußerungen hätten bei ihr Ekel und Übelkeit hervorgerufen. Sie sei deswegen bis heute verängstigt.
10 
Die Klägerin beantragt,
11 
den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.03.2006 sowie weitere 76,91 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 16.03.2006 zu bezahlen.
12 
Der Beklagte beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Er behauptet, er habe alkoholbedingt so gut wie keine Erinnerung mehr an den Vorgang, weil er vor dem Vorfall zusammen mit anderen Jugendlichen bzw. Heranwachsenden eine Flasche Wodka konsumiert habe. Er verweist auf die schriftliche Entschuldigung, die während des Ermittlungsverfahrens gegen ihn abgegeben wurde, und ist der Meinung, es fehle an der nötigen Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung; derartige Beleidigungen müssten Polizisten eben hinnehmen können. Er trägt weiter vor, er sei bei der Festnahme u.a. durch die Klägerin geschlagen worden, was ihm in Verbindung mit einer bestehenden Schulterverletzung erhebliche Schmerzen bereitet und ihn daher zu solchen Reaktionen gebracht habe.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen und auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2006 (Bl. 23/24 d.A.) und 13.03.2007 (Bl. 82/83 d.A.) verwiesen. Der Beklagte ist wegen der streitgegenständlichen Vorfälle vom Amtsgericht Böblingen - Jugendschöffengericht - unter Aktenzeichen 5 Ls 45 Js 80764/05 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung, Bedrohung und Sachbeschädigung HW inzwischen rechtskräftig zu einer 6-monatigen Jugendstrafe verurteilt worden, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafakten waren zu Informationszwecken beigezogen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Klägerin hat nach §§ 823 Abs. 1, 2 BGB i.V.m. § 185 StGB und Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG Anspruch auf Geldentschädigung wegen der vom Beklagten begangenen Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Der vom Beklagten letztlich unstreitig gestellte äußere Sachverhalt nach Darstellung der Klägerseite rechtfertigt die Annahme einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin unter Berücksichtigung des objektiven Angriffs und des subjektiven Verschuldens auf Seiten des Beklagten.
17 
1. Dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine „einfache“, aus dem Affekt heraus begangene und letztlich oberflächliche Polizistenbeleidigung handelt wie z.B. die Betitelung als „ Scheissbulle “, die nicht notwendigerweise zu einem Geldentschädigungsanspruch wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung führen muss, zeigt sich an der Intensität der ausgesprochenen Beleidigungen und Drohungen, die außergewöhnlich vulgär und ordinär sind. Es zeigt sich weiter an der Wiederholung und Dauer der Äußerungen, die der Beklagte nicht nur bei der Festnahme in der Öffentlichkeit, sondern auch nach der Zäsur durch die Verbringung aufs Polizeirevier und die dadurch zwangsläufig eintretende „Denkpause“ begangen hat. Daraus wird deutlich, dass es dem Beklagten darum ging, der gegen ihn angewendete Polizeigewalt das entgegenzusetzen, was ihm alleine blieb, nämlich die diensttuenden Polizeibeamten wenn schon nicht körperlich, dann wenigstens in der Ehre zu treffen. Dabei hatte sich der Beklagte unter den Anwesenden die junge Polizeimeisterin, eine Frau, als am leichtesten zu treffendes Opfer herausgesucht. Die Äußerungen lassen eindeutig erkennen, dass der Beklagte die Klägerin nicht allein in ihrer Eigenschaft als Polizeibeamtin treffen wollte, sondern in ihrer Ehre als Frau, indem er sie gleichsam verbal auszog, um sie vor den Augen der Zuschauer und Zuhörer am Ort der Festnahme und auf dem Polizeirevier durch fiktive sexuelle Handlungen so weit wie möglich zu erniedrigen, zum bloßen Objekt seiner Befriedigung zu machen und sie sogar fiktiv zu vernichten, wie er mehrmals deutlich machte.
18 
In solchen Äußerungen liegt nach den in jüngster Zeit bestätigten Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2004, S. 2371, 2372) eine besonders schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung, denn in ihnen manifestiert sich der Ausdruck abgrundtiefer Verachtung. Die anzunehmende alkoholbedingte Enthemmung, die vorgelegen haben dürfte, schließt die Annahme einer erheblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung keinesfalls aus. Maßgeblich ist, ob der Beklagte erkennen konnte, was er mit seinen Taten anrichtete, und davon geht das Gericht aus, da es dem Beklagten ja gerade um die Erniedrigung der Klägerin ging.
19 
Zu einer solchen Vorgehensweise gehört auch eine besondere Rohheit und Gefühllosigkeit, die die Annahme schweren Verschuldens rechtfertigt. Ein Fall des Ausschlusses oder der Minderung der Verantwortlichkeit nach § 827 BGB liegt nicht vor, weil zivilrechtlich insofern nur Zustände eine Rolle spielen würden, die einer die freie Willensbildung ausschließenden krankhaften Störung vergleichbar sind. Der gemeinsame Konsum einer Falsch Wodka mit mehreren anderen Jugendlichen rechtfertigt eine solche Annahme jedenfalls nicht, und ein Schuldausschluss ist auch bei der Verurteilung des Beklagten durch das Jugendschöffengericht nicht angenommen worden. Eine zunächst vorliegende Alkoholisierung mag die Vorgänge im direkten Zusammenhang mit der Festnahme als weniger gravierend und irgendwie erklärlich erscheinen lassen. Dass der Beklagte aber auch danach, bereits auf der Polizeiwache und sogar noch in der Zelle die Klägerin immer wieder verbal attackiert hat, hat nach Überzeugung des Gerichts nichts mit einer rauschhaften Fehlreaktion zu tun, sondern mit gezielten, von niedrigen Beweggründen wie Ärger und Rache geleiteten „Tiefschlägen“ zum Nachteil der Klägerin.
20 
Andere Abwehrmöglichkeiten, die eine Geldentschädigung überflüssig machen würden, bestehen nach den vorliegenden Umständen nicht.
21 
2. Die Taten bewirkten bei der Klägerin eine innere Getroffenheit, Ekel und Abscheu. Das Gericht glaubt der Klägerin aufgrund ihrer ruhigen und sachlichen Schilderung in der mündlichen Verhandlung, dass sie als Person tief getroffen und verletzt war. Aus ihren Angaben ist auch glaubhaft, dass sie bis heute immer wieder unfreiwillig an die Vorgänge mit dem Beklagten zurückdenken muss. Die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben hat auch die psychologische Sachverständige bestätigt.
22 
Mehr ist aber auch nicht passiert. Nach dem Ergebnis des überaus sorgfältig erstellten Gutachtens der Sachverständigen Reichwald ist der 19.07.2005 für die Klägerin ohne eine bleibende psychische Folgestörung geblieben. Vielmehr hat die eingehende Untersuchung ergeben, dass die Klägerin durch ihre stabile seelische und emotionale Verfassung - die sie für ihren Beruf sehr geeignet macht - in der Lage war, die Vorgänge angemessen zu verarbeiten, so dass auch in Zukunft keine langfristigen Störungen zu erwarten sind.
23 
3. Bei der Bemessung der Höhe der Geldentschädigung berücksichtigt das Gericht zu Gunsten der Klägerin die Art und Weise der Tatbegehung und den Umstand, dass die Klägerin seit der Tat mehr als ein Jahr auf ihr Geld warten und sich im vorliegenden Zivilverfahren einer erneuten Parteianhörung unterziehen musste. Zu Gunsten des Beklagten sprechen der Umstand, dass der Beklagte sich, wenngleich lapidar und schriftlich, im Ermittlungsverfahren bei der Klägerin entschuldigt hat und für die Taten strafrechtlich empfindlich belangt wurde, außerdem sein Alter, sein Entwicklungsstand, der das Strafgericht zur Anwendung von Jugendstrafrecht bewogen hat und seine das Verschulden in gewissen Grenzen mildernde Alkoholisierung, schließlich auch, dass die Herabsetzungen im Wesentlichen von Kollegen der Klägerin wahrgenommen werden konnten, deren Achtung vor der Klägerin nicht schon durch Obszönitäten eines betrunkenen Randalierers in Frage gestellt werden konnte. Insofern erscheint eine Geldentschädigung von 300 EUR angemessen, etwas oberhalb der Beträge, wie sie in den Fällen zugesprochen wurden, in denen zu bloß verbalen Polizistenbeleidigungen Tätlichkeiten wie etwa Anspucken hinzutraten (vgl. z.B. LG Münster NJW-RR 2002, S. 1677). Denn das Gericht ist der Auffassung, dass die vorliegende Art der verbalen Angriffe anderen, „greifbaren“ Bezeugungen von Ekel wie Anspucken durchaus vergleichbar sind und keine mildere Behandlung rechtfertigen. Andererseits muss die Geldentschädigung deutlich unterhalb der Größenordnungen liegen, in denen Persönlichkeitsrechtsverletzungen weitreichende persönliche und berufliche Folgen über längere Zeit in einer großen Öffentlichkeit nach sich gezogen haben, so dass vierstellige Beträge und mehr zuzusprechen wären.
24 
4. Wegen der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten kann nur Freistellung verlangt werden, weil die Bezahlung dieser Kosten an den Klägervertreter nicht vorgetragen sind, was als (kostenmäßig nicht ins Gewicht fallendes ) Minus gegenüber dem Zahlungsantrag anzusehen und insoweit zuzusprechen war.
25 
5. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 92 ZPO unter besonderer Berücksichtigung von Abs. 2 Nr. 2 (Ermessenspielraum). Das Gericht hat von der Möglichkeit der Kostentrennung nach § 96 ZPO Gebrauch gemacht, weil das allein wegen der behaupteten langfristigen Folgen der Angriffe eingeholte, teure Gutachten die Behauptungen der Klägerin nicht bestätigt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.11, 711 Satz 1 ZPO.

Gründe

 
16 
Die Klägerin hat nach §§ 823 Abs. 1, 2 BGB i.V.m. § 185 StGB und Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG Anspruch auf Geldentschädigung wegen der vom Beklagten begangenen Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Der vom Beklagten letztlich unstreitig gestellte äußere Sachverhalt nach Darstellung der Klägerseite rechtfertigt die Annahme einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin unter Berücksichtigung des objektiven Angriffs und des subjektiven Verschuldens auf Seiten des Beklagten.
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1. Dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine „einfache“, aus dem Affekt heraus begangene und letztlich oberflächliche Polizistenbeleidigung handelt wie z.B. die Betitelung als „ Scheissbulle “, die nicht notwendigerweise zu einem Geldentschädigungsanspruch wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung führen muss, zeigt sich an der Intensität der ausgesprochenen Beleidigungen und Drohungen, die außergewöhnlich vulgär und ordinär sind. Es zeigt sich weiter an der Wiederholung und Dauer der Äußerungen, die der Beklagte nicht nur bei der Festnahme in der Öffentlichkeit, sondern auch nach der Zäsur durch die Verbringung aufs Polizeirevier und die dadurch zwangsläufig eintretende „Denkpause“ begangen hat. Daraus wird deutlich, dass es dem Beklagten darum ging, der gegen ihn angewendete Polizeigewalt das entgegenzusetzen, was ihm alleine blieb, nämlich die diensttuenden Polizeibeamten wenn schon nicht körperlich, dann wenigstens in der Ehre zu treffen. Dabei hatte sich der Beklagte unter den Anwesenden die junge Polizeimeisterin, eine Frau, als am leichtesten zu treffendes Opfer herausgesucht. Die Äußerungen lassen eindeutig erkennen, dass der Beklagte die Klägerin nicht allein in ihrer Eigenschaft als Polizeibeamtin treffen wollte, sondern in ihrer Ehre als Frau, indem er sie gleichsam verbal auszog, um sie vor den Augen der Zuschauer und Zuhörer am Ort der Festnahme und auf dem Polizeirevier durch fiktive sexuelle Handlungen so weit wie möglich zu erniedrigen, zum bloßen Objekt seiner Befriedigung zu machen und sie sogar fiktiv zu vernichten, wie er mehrmals deutlich machte.
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In solchen Äußerungen liegt nach den in jüngster Zeit bestätigten Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2004, S. 2371, 2372) eine besonders schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung, denn in ihnen manifestiert sich der Ausdruck abgrundtiefer Verachtung. Die anzunehmende alkoholbedingte Enthemmung, die vorgelegen haben dürfte, schließt die Annahme einer erheblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung keinesfalls aus. Maßgeblich ist, ob der Beklagte erkennen konnte, was er mit seinen Taten anrichtete, und davon geht das Gericht aus, da es dem Beklagten ja gerade um die Erniedrigung der Klägerin ging.
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Zu einer solchen Vorgehensweise gehört auch eine besondere Rohheit und Gefühllosigkeit, die die Annahme schweren Verschuldens rechtfertigt. Ein Fall des Ausschlusses oder der Minderung der Verantwortlichkeit nach § 827 BGB liegt nicht vor, weil zivilrechtlich insofern nur Zustände eine Rolle spielen würden, die einer die freie Willensbildung ausschließenden krankhaften Störung vergleichbar sind. Der gemeinsame Konsum einer Falsch Wodka mit mehreren anderen Jugendlichen rechtfertigt eine solche Annahme jedenfalls nicht, und ein Schuldausschluss ist auch bei der Verurteilung des Beklagten durch das Jugendschöffengericht nicht angenommen worden. Eine zunächst vorliegende Alkoholisierung mag die Vorgänge im direkten Zusammenhang mit der Festnahme als weniger gravierend und irgendwie erklärlich erscheinen lassen. Dass der Beklagte aber auch danach, bereits auf der Polizeiwache und sogar noch in der Zelle die Klägerin immer wieder verbal attackiert hat, hat nach Überzeugung des Gerichts nichts mit einer rauschhaften Fehlreaktion zu tun, sondern mit gezielten, von niedrigen Beweggründen wie Ärger und Rache geleiteten „Tiefschlägen“ zum Nachteil der Klägerin.
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Andere Abwehrmöglichkeiten, die eine Geldentschädigung überflüssig machen würden, bestehen nach den vorliegenden Umständen nicht.
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2. Die Taten bewirkten bei der Klägerin eine innere Getroffenheit, Ekel und Abscheu. Das Gericht glaubt der Klägerin aufgrund ihrer ruhigen und sachlichen Schilderung in der mündlichen Verhandlung, dass sie als Person tief getroffen und verletzt war. Aus ihren Angaben ist auch glaubhaft, dass sie bis heute immer wieder unfreiwillig an die Vorgänge mit dem Beklagten zurückdenken muss. Die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben hat auch die psychologische Sachverständige bestätigt.
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Mehr ist aber auch nicht passiert. Nach dem Ergebnis des überaus sorgfältig erstellten Gutachtens der Sachverständigen Reichwald ist der 19.07.2005 für die Klägerin ohne eine bleibende psychische Folgestörung geblieben. Vielmehr hat die eingehende Untersuchung ergeben, dass die Klägerin durch ihre stabile seelische und emotionale Verfassung - die sie für ihren Beruf sehr geeignet macht - in der Lage war, die Vorgänge angemessen zu verarbeiten, so dass auch in Zukunft keine langfristigen Störungen zu erwarten sind.
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3. Bei der Bemessung der Höhe der Geldentschädigung berücksichtigt das Gericht zu Gunsten der Klägerin die Art und Weise der Tatbegehung und den Umstand, dass die Klägerin seit der Tat mehr als ein Jahr auf ihr Geld warten und sich im vorliegenden Zivilverfahren einer erneuten Parteianhörung unterziehen musste. Zu Gunsten des Beklagten sprechen der Umstand, dass der Beklagte sich, wenngleich lapidar und schriftlich, im Ermittlungsverfahren bei der Klägerin entschuldigt hat und für die Taten strafrechtlich empfindlich belangt wurde, außerdem sein Alter, sein Entwicklungsstand, der das Strafgericht zur Anwendung von Jugendstrafrecht bewogen hat und seine das Verschulden in gewissen Grenzen mildernde Alkoholisierung, schließlich auch, dass die Herabsetzungen im Wesentlichen von Kollegen der Klägerin wahrgenommen werden konnten, deren Achtung vor der Klägerin nicht schon durch Obszönitäten eines betrunkenen Randalierers in Frage gestellt werden konnte. Insofern erscheint eine Geldentschädigung von 300 EUR angemessen, etwas oberhalb der Beträge, wie sie in den Fällen zugesprochen wurden, in denen zu bloß verbalen Polizistenbeleidigungen Tätlichkeiten wie etwa Anspucken hinzutraten (vgl. z.B. LG Münster NJW-RR 2002, S. 1677). Denn das Gericht ist der Auffassung, dass die vorliegende Art der verbalen Angriffe anderen, „greifbaren“ Bezeugungen von Ekel wie Anspucken durchaus vergleichbar sind und keine mildere Behandlung rechtfertigen. Andererseits muss die Geldentschädigung deutlich unterhalb der Größenordnungen liegen, in denen Persönlichkeitsrechtsverletzungen weitreichende persönliche und berufliche Folgen über längere Zeit in einer großen Öffentlichkeit nach sich gezogen haben, so dass vierstellige Beträge und mehr zuzusprechen wären.
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4. Wegen der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten kann nur Freistellung verlangt werden, weil die Bezahlung dieser Kosten an den Klägervertreter nicht vorgetragen sind, was als (kostenmäßig nicht ins Gewicht fallendes ) Minus gegenüber dem Zahlungsantrag anzusehen und insoweit zuzusprechen war.
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5. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 92 ZPO unter besonderer Berücksichtigung von Abs. 2 Nr. 2 (Ermessenspielraum). Das Gericht hat von der Möglichkeit der Kostentrennung nach § 96 ZPO Gebrauch gemacht, weil das allein wegen der behaupteten langfristigen Folgen der Angriffe eingeholte, teure Gutachten die Behauptungen der Klägerin nicht bestätigt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.11, 711 Satz 1 ZPO.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.