Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 30. Nov. 2018 - 6 UF 96/18
Tenor
I. Auf die Beschwerden der Antragsgegner vom 28.06.2018 und 09.07.2018 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Rheinberg vom 11.06.2018 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1.
Der Schluss-Versäumnisbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Rheinberg vom 02.12.2014 (16 F 13/14) wird dahin abgeändert, dass der Antragsteller verpflichtet wird, Unterhalt
für den Antragsgegner zu 1. (A.)
- für März - Juni 2017 in Höhe von jeweils monatlich 210,00 €
- Juli - Dezember 2017 in Höhe von jeweils monatlich 202,00 €
- Januar - Juli 2018 in Höhe von jeweils monatlich 204,00 €
ab August 2018 in Höhe von monatlich 31,00 €
zukünftig monatlich im Voraus bis zum dritten Werktag eines jeden Monats zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin zu zahlen.
für die Antragsgegnerin zu 2. (B.)
- für März - Juni 2017 in Höhe von jeweils monatlich 142,00 €
- Juli - Dezember 2017 in Höhe von jeweils monatlich 165,00 €
- Januar - Juli 2018 in Höhe von jeweils monatlich 167,00 €
- ab August 2018 in Höhe von monatlich 221,00 €
zukünftig monatlich im Voraus bis zum dritten Werktag eines je-
den Monats zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin zu zahlen.
2.
Der vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Rheinberg in dem Verfahren9 F 13/12 am 26.04.2012 geschlossene Vergleich wird dahin abgeändert, dass der Antragsteller verpflichtet ist, Unterhalt für die Antragsgegnerin zu 3. (C.) für Oktober 2016 – Juni 2017 jeweils monatlich 171,00 €, für Juli - Dezember 2017 jeweils monatlich 165,00 € und ab August 2018 in Höhe von 221,00 € jeweils monatlich im Voraus zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin zu zahlen.
Im Übrigen werden die weitergehenden Beschwerden zurückgewiesen.
II. Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu ½ und die Antragsgegner zu 1.- 3. zu je 1/6. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder selbst.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
IV. Der Verfahrenswert (§ 51 FamGKG) wird für die Beschwerden
des Antragsgegners zu 1. auf 2.231 €
[(355 € - 192 €) x 3 + (364 € - 193 €) x 6 + (364 € - 185 €) x 4],
der Antragsgegnerin zu 2. auf 1.610 €
[(240 € - 130 €) x 3 + (246 € - 130 €) x 6 + (297 € - 151 €) x 4],
der Antragsgegnerin zu 3. auf 1.901 €[(289 € - 157 €) x 3 + (297 € - 157 €) x 6 + ( 297 € - 151 €) x 4],insgesamt auf 5.742 €festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Der Antragsteller begehrt unter Hinweis auf seine nur noch eingeschränkt bestehende Leistungsfähigkeit die Abänderung zweier Unterhaltstitel, die die Antragsgegner gegen ihn erwirkt haben.
4Der Antragsteller verpflichtete sich am 26.04.2012 vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Rheinberg durch Vergleich, für die am 10.07.2007 geborene Antragsgegnerin zu 3. Unterhalt i.H.v. 100% des Mindestunterhalts abzüglich des hälftig anzurechnen Kindergeldes zu Händen der Kindesmutter zu zahlen.
5Durch Schluss-Versäumnisbeschluss vom 02.12.2014 ( 16 F 13/14) wurde der Antragsteller darüber hinaus verpflichtet, für den am 16.03.2002 geborenen Antragsgegner zu 1. und die am 30.07.2011 geborene Antragsgegnerin zu 2. für den Zeitraum ab März 2014 jeweils einen Unterhalt i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftig anzurechnen Kindergeldes zu zahlen.
6Neben den Antragsgegnern ist der Antragsteller auch dem am Verfahren nicht beteiligten Kind D., geboren am 16.02.2004, unterhaltsverpflichtet. Zwar ist D. mutmaßlich nicht sein leiblicher Sohn. Der Antragsteller gilt jedoch als sein rechtlicher Vater, da dieser zum Zeitpunkt der Geburt von D. noch mit dessen Mutter verheiratet war. Erst im Jahre 2011 versuchte der Antragsteller beim Amtsgericht - Familiengericht - Rheinberg, seine Vaterschaft für D. anzufechten (16 F 8/11). Aufgrund des Ablaufs der Anfechtungsfristen (§ 1600b Abs. 1 S. 1 BGB) nahm der Antragsteller jedoch seinen Antrag zurück.
7Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 263-264R d.A.) Bezug genommen.
8Das Amtsgericht – Familiengericht – Rheinberg hat mit Beschluss vom 11.06.2018 den Schluss-Versäumnisbeschluss des Amtsgerichts Rheinberg vom 02.12.2014 (16 F 13/14) und den Vergleich des Amtsgerichts Rheinberg vom 26.04.2012 (9 F 13/12) teilweise abgeändert und eine Mangelberechnung vorgenommen, unter Berücksichtigung eines Einkommens des Antragstellers mit dem er den Unterhaltsbedarf bezogen auf verschiedene Zeiträume mit 51 % bis zu 67 % leisten kann.
9Hierzu hat es ausgeführt, dass eine Abänderung zulässig sei, da sich die Einkommensverhältnisse des Antragstellers gegenüber der Situation bei Errichtung der beiden Titel nachhaltig verschlechtert hätten. Während er bei der Errichtung der Titel aufgrund seiner tatsächlichen Einkommensverhältnisse noch in der Lage gewesen sei, für den titulierten Unterhalt vollständig oder zumindest weitgehend aufzukommen, sei nunmehr selbst bei Anrechnung eines fiktiven Einkommens von einer nur noch eingeschränkt bestehenden Leistungsfähigkeit des Antragstellers auszugehen. Bei der Berechnung sei nicht auf die tatsächlichen Einkünfte des Antragstellers abzustellen, da der Antragsteller bei entsprechenden Bemühungen durchaus in der Lage wäre, ein höheres fiktives Grundeinkommen zu erzielen. Er verfüge über einen Lkw-Führerschein, der es ihm ermögliche, als Kraftfahrer z.B. im Bereich des Bäckerhandwerks tätig zu sein, so dass ein Einkommen i.H.v. 2250 € brutto nicht unangemessen erscheine. Da auch dieses Einkommen nicht reiche, um allen Unterhaltsansprüchen seiner Kinder zu entsprechen, sei der Antragsteller weiter gehalten, einer Nebentätigkeit nachzugehen. Auch unter Berücksichtigung des berechtigten Interesses, Umgangskontakte mit seinen Kindern wahrzunehmen, sei von ihm zu erwarten, mindestens an jedem zweiten Wochenende im Umfang von 8 Stunden/Wochenende tätig zu sein. Dies entspreche einem Tätigkeitsumfang von ca. 17,42 Stunden/Monat. Bei einer realistisch erscheinenden Vergütungshöhe von 9 €/Stunde ergebe sich ein zusätzliches Einkommen i.H.v. 156,78 €, was nach Abzug von berufsbedingten Aufwendungen i.H.v. 25,00 € zusätzliches Einkommen i.H.v. 131,78 € ergebe. Bei Zugrundelegung einer fiktiven Haupt- und Nebentätigkeit würde sich sodann die tenorierte Mangelverteilung ergeben.
10Entgegen der Auffassung der Antragsgegner sei bei der Unterhaltsberechnung auch das vierte Kind D. zu berücksichtigen, da dies ungeachtet seiner tatsächlichen biologischen Abstammung rechtlich als Kind des Antragstellers gelte. Selbst wenn die Versäumung der Vaterschaftsanfechtung eine unterhaltsrechtliche Obliegenheitsverletzung darstellen würde, könne der Unterhaltsanspruch von D. nicht außer Betracht bleiben, da er andernfalls gegenüber seinen Halbgeschwistern in einer nicht hinzunehmenden Weise benachteiligt würde.
11Hiergegen richten sich die Beschwerden der Antragsgegner.
12Die Antragsgegner zu 1. und zu 2. wenden ein, dass bereits die Voraussetzungen für eine Abänderung des Versäumnisbeschlusses vom 02.12.2014 nicht gegeben seien. Es hätte dem Antragsteller bereits 2014 oblegen, zu seinen Einkommensverhältnissen vorzutragen. Da er dies versäumt habe, sei er schon vor diesem Hintergrund mit dem Einwand präkludiert, seine Einkünfte hätten sich reduziert.
13Gleiches gelte für den bei Erlass des Versäumnisbeschlusses bekannten Umstand der Geburt und der bestehenden Unterhaltsverpflichtung für den weiteren Sohn D.. Zum Zeitpunkt der Versäumnisentscheidung sei bereits bekannt gewesen, dass der Antragsteller aufgrund des Ablaufs der Vaterschaftsanfechtungsfristen auch gegenüber D. unterhaltspflichtig sei. Er hätte sich daher im Ursprungsverfahren bereits darauf berufen können. Im Übrigen hätte es dem Antragsteller oblegen, für eine rechtzeitige Anfechtung der Ehelichkeit von D. zu sorgen, um seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber den drei leiblichen Kindern sicherzustellen.
14Das Amtsgericht Rheinberg habe darüber hinaus die Höhe der fiktiven Einkünfte als auch die Nebeneinkünfte zu niedrig angesetzt. Dies gelte insbesondere für den Stundenlohn i.H.v. 9 € für den auszuübenden Nebenjob. Auch Umgangskontakte mit den Kindern stünden einer Nebentätigkeitsausübung im weiteren Umfang nicht entgegen, da solche nicht mehr stattfinden würden.
15Auch die Antragsgegnerin zu 3. wendet ein, dass die besonderen Voraussetzungen für eine Abänderung des Vergleichs nicht gegeben seien. Dies gelte insbesondere für den Einwand, einem weiteren im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bereits vorhandenen Kind Unterhalt zu schulden. Im Übrigen könne ein Abänderungsbegehren zulasten der Antragsgegnerin zu 3. nicht vor November 2016 erfolgen, da sie erst dann vom Abänderungsbegehren durch Zugang des Verfahrenskostenhilfegesuchs des Antragstellers Kenntnis davon erlangt habe.
16Der Antragsteller habe im Übrigen - wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt habe - gegen seine Obliegenheit, einen entsprechend gut dotierten Arbeitsplatz zu finden, in dem er seiner Mindestunterhaltspflicht gegenüber allen Kindern gerecht werde, verstoßen. Entgegen der Schätzung des Amtsgerichts müssten die zu unterstellenden fiktiven Verdienstmöglichkeiten aber höher ausgefallen. Weshalb das Gericht auf das geringere Gehalt des Kraftfahrers im Bäckerhandwerk abgestellt habe, sei im angefochtenen Beschluss nicht erläutert worden. Wenn es schon Kraftfahrer-Verdienste als Maßstab für eine mögliche Schätzung heranziehe, hätten wenigstens solche im mittleren, wenn nicht gehobenen Bereich zugrundegelegt werden müssen. Gerade in der heutigen Zeit würden Kraftfahrer an allen Ecken fehlen, so dass Arbeitnehmer es in der Hand hätten, durch Verhandlungen die Höhe ihres Gehaltes zu bestimmen. Die Antragsgegnerin zu 3. Ist daher der Ansicht, dass dem Antragsteller wenigstens ein Bruttoeinkommen von 3000 € zugerechnet werden könne. Darüber hinaus wären auch noch übliche Spesen einkommenserhöhend zu berücksichtigen. Letztlich sei auch der Nebenverdienst sei mit 9 €/ Stunde zu gering angesetzt. Hier sei mindestens 10 € /Stunde zu unterstellen.
17Jedenfalls hätte das Amtsgericht bei der Berechnung der Gesamtunterhaltslast des Antragstellers nicht das Kind D. die Berechnung mit einbeziehen dürfen. Der Antragsteller habe sich dadurch unterhaltsschädlich verhalten, dass er nicht rechtzeitig dafür gesorgt habe, die Vaterschaft anzufechten. Aufgrund der gesteigerten Unterhaltsverpflichtung hätte es ihm oblegen, Unterhaltsansprüche des nicht leiblichen Kindes abzuwehren und die verfügbaren Mittel zum Unterhalt der berechtigten Minderjährigen einzusetzen. Es sei nicht einzusehen, dass der Antragsteller aus dieser Leichtfertigkeit heraus Unterhaltsansprüche der Antragsgegner beschneiden könne.
18Die Antragsgegner zu 1. und zu 2. beantragen,
19den Unterhaltsabänderungsantrag des Antragstellers bezüglich des Unterhalts gegenüber den Antragsgegnern zu 1. und zu 2. unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses abzuweisen.
20Der Antragsgegner zu 3. beantragt,
21den Unterhaltsabänderungsantrag des Antragstellers bezüglich des Unterhaltes gegenüber den Antragsgegnern zu 3. unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses abzuweisen.
22Der Antragsteller beantragt,
23die Beschwerden zurückzuweisen.
24Der Antragsteller verteidigt die angefochtene Entscheidung, insbesondere soweit das Amtsgericht alle vier Kinder bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt habe. Dass er aus Rechtsgründen dem Kind D. zum Unterhalt verpflichtet sei, könne ihm im Rahmen der übrigen Unterhaltsverpflichtung nicht zum Nachteil gereichen. Wenn man die gesetzliche Regelung so ausgestalte, dass unterhaltsrechtliche Verpflichtungen bedient werden müssten und zwar unabhängig von der biologischen Vaterschaft, könne dies nicht gleichzeitig ein Einwand gegenüber dem Antragsteller bei seinen übrigen Kindern sein. Im Ergebnis würde dies nämlich darauf hinauslaufen, dass ein Unterhaltspflichtiger zu Leistungen verpflichtet würde, zu denen er unstreitig keine ausreichende Leistungsfähigkeit besitze oder die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen auf andere Abkömmlinge verteilt würde und diese damit überproportionale Berücksichtigung finden würden. Dies widerspräche grundsätzlichen gesetzlichen Erwägungen.
25Ihm könne auch nicht vorgeworfen werden, von der bestehen Unterhaltsverpflichtung gegenüber D. Kenntnis gehabt zu haben. Viele Jahre nach der Geburt seien erstmalig Ansprüche durch das Jobcenter erhoben worden. Erst hierdurch sei er überhaupt darauf aufmerksam geworden, dass er gegebenenfalls auch für ein Kind Unterhalt leisten müsste, welches nicht von ihm abstamme. Erst daraufhin habe er das bereits verfristete Anfechtungsverfahren eingeleitet.
26Die Akten des Amtsgerichts Rheinberg 9 F 13/12 und 16 F 13/14 lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
27II.
28Die Beschwerden der Antragsgegner sind gemäß §§ 58 FamFG zulässig, im Ergebnis aber nur teilweise begründet.
29Die auf Abänderung gerichteten Anträge des Antragstellers sind gemäß §§ 238 Abs. 1 Satz 1, 239 Abs. 1 Satz 1 FamFG zulässig und führen im tenorierten Umfang zu einer Abänderung der Unterhaltstitel.
30A. Zulässigkeit:
311.
32Nach § 238 Abs. 1 FamFG kann jeder Teil die Abänderung einer in der Hauptsache ergangenen Endentscheidung des Gerichts beantragen, die eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen enthält. Der Antrag ist zulässig, sofern der Antragsteller Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zu Grunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt. Gemäß § 238 Abs. 2 FamFG kann der Antrag nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war. Die Zulässigkeit des Abänderungsantrags wegen tatsächlicher Änderungen setzt daher den Vortrag von grundsätzlich unterhaltsrelevanten Tatsachen voraus, die erst nach Schluss der Tatsachenverhandlung des letzten Verfahrens eingetreten sind. Erweist sich das Vorbringen des Antragstellers als unrichtig oder ist die sich daraus ergebende Änderung nur unwesentlich, so folgt daraus erst die Unbegründetheit des Abänderungsantrages.
33a.
34Danach beurteilt, ist der Abänderungsantrag des Antragstellers bezogen auf den Schluss-Versäumnisbeschluss vom 02.12.2014 (Rechtskraft: 09.01.2015) zulässig. Denn der Antragsteller stützt sich hinsichtlich der veränderten tatsächlichen Verhältnisse auf eine - im Gegensatz zu den zugrunde zu legenden finanziellen Verhältnissen bei Erlass des Versäumnisbeschlusses – Minderung seiner Einkünfte und damit nur noch eingeschränkt bestehende Leistungsfähigkeit.
35Zwar hat der Antragsteller in dem im Jahre 2014 geführten Hauptsacheverfahren der Mutter der Antragsgegner zu 1. und zu 2. gegen ihn (16 F 13/14) keine konkreten Angaben zu seinen Einkommens-und Vermögensverhältnisse getätigt. Durch das zuvor gegen ihn geführte einstweilige Anordnungsverfahren (16 F 69/14) war indes bekannt, dass er seit dem 24.02.2014 krankgeschrieben und seine Beschäftigung bei der pflegebedürftigen Privatperson (mit einem Einkommen zwischen 1800 € - 2500 €) gekündigt worden war. Dementsprechend hat sich der Antragsteller unter Berücksichtigung eines voraussichtlichen Krankengeldes in Höhe von 1235 € unter Abzug des Selbstbehalts i.H.v. 800,00 € und unter Zugrundelegung von drei anspruchsberechtigten Kindern (Antragsgegner zu 1.-3.) durch Vergleich vom 10.04.2014 (BA 16 F 69/14) dazu verpflichtet, für den Zeitraum ab April 2014 für den Antragsgegner zu 1. 175 € und für die Antragsgegnerin zu 2. 118 € zu zahlen. Dabei sollte die endgültige Festlegung dem Hauptsacheverfahren 16 F 13/14 vorbehalten bleiben. Im maßgeblichen Hauptsacheverfahren 16 F 13/14 stützten die Antragsgegner zu 1. und zu 2. ihren Mindestunterhaltsanspruch sodann darauf, dass der Antragsteller im Hinblick auf seine gesteigerte Erwerbsobliegenheit nunmehr in der Lage sein müsse, den Mindestunterhalt für die minderjährigen Kinder sicherzustellen. Dagegen verteidigte sich der Antragsteller, der nunmehr Arbeitslosengeld in Höhe von 1750,00 € bezog, nicht.
36Demgegenüber hat sich - nach dem Vortrag des Antragstellers - seit der Entscheidung Ende 2014 seine Einkommenssituation wesentlich verändert, da er seit dem Verlust der früheren Anstellung selbst bei Zugrundelegung hinreichender Bemühungen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr so viel Einkommen erzielen kann, dass er für den Mindestunterhalt der drei (zum Zeitpunkt der Ausgangsentscheidung berücksichtigten) Unterhaltsberechtigten aufkommen kann.
37b.
38Der Umstand, dass der Antragsteller einem vierten Kind gegenüber unterhaltspflichtig ist, hat keinen Eingang in das genannte Vorverfahren gefunden, so dass er nicht Grundlage der Ausgangsentscheidung war. Für sich genommen kann dieser Umstand daher keine Abänderung der Entscheidung eröffnen (BGH XII ZB 369/14 FamRZ 2015, 1694 Rn. 19), da dieser Umstand seit der Ausgangsentscheidung unverändert ist (vgl. § 238 Abs. 2 FamFG).
39Der Antragsteller kann sich in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht darauf stützen, er habe erst zu einem späteren Zeitpunkt „Kenntnis von dem maßgeblichen Umstand“ erlangt, trotz fehlender biologische Abstammung für das Kind D. unterhaltspflichtig zu sein. Denn er war bereits vor der Versäumnisentscheidung, nämlich mit Anschreiben des Jobcenters des Kreises E. vom 06.10.2014 (Anlage A5, Bl. 12 d.A.) ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass ein Unterhaltsanspruch des Kindes D. gegen ihn auf das Jobcenters E. übergegangen sei und inzwischen Unterhaltsrückstände i.H. v. 13.348,20 € aufgelaufen seien. Seine Unterhaltspflicht gegenüber D. war ihm daher nicht nur aufgrund der versäumten Vaterschaftsanfechtung im Jahre 2011 sondern insbesondere aufgrund der Geltendmachung der übergegangenen Unterhaltsansprüche durch das Jobcenter sehr wohl bekannt. Ob die Unterhaltsverpflichtung auch bei auch bei einer Neuberechnung außer Ansatz zu bleiben hat, wird erst im Rahmen der Begründetheit relevant.
402.
41Nach § 239 Abs. 1 FamFG kann jeder Teil auch die Abänderung eines Vergleichs über eine Verpflichtung zu zukünftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen beantragen, wenn der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die die Abänderung rechtfertigen. Die weiteren Voraussetzungen und der Umfang der Abänderung richten sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, §§ 239 Abs. 2 FamFG, 323a ZPO, 313 BGB. Der Antrag ist daher nur zulässig, wenn eine Änderung der Umstände, die dem Vergleichsschluss zugrundelagen, vorgetragen wird.
42Die Voraussetzungen liegen hier ebenfalls vor. Die Grundlagen des Vergleichs vom 26.04.2012 (9 F 13/12), in dem der Mindestunterhalt für die Antragsgegnerin zu 3. festgelegt worden ist, sind zwar im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.04.2012 (Bl. 77 der Beiakte 9 F 13/12) nicht im Einzelnen aufgeführt. Sie ergeben sich jedoch aus dem Gegenstand der Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten. Darin waren das Einkommen des Antragstellers im Rahmen der Pflege der bedürftigen Privatperson sowie die drei unterhaltsberechtigten Kinder (abgesehen von der unterhaltsberechtigten Kindesmutter der Antragsgegnerin zu 3.) erörtert worden. Eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem vierten Kind wurde hingegen nicht berücksichtigt.
43Da der Antragsteller die Pflegestelle inzwischen verloren hat und der Antragsteller sich darauf stützt, aufgrund fehlender Ausbildung keine gleichwertige Stelle finden zu können, haben sich die finanziellen Verhältnisse deutlich verschlechtert, so dass die Änderung der Umstände zum Zeitpunkt des Vergleichs ebenfalls hinreichend dargelegt ist.
44B. Begründetheit:
451.
46a.
47Gemäß § 238 Abs. 3 S. 1 FamFG ist eine Abänderung nur für die Zeit ab Rechtshängigkeit des Antrages zulässig. Ist der Antrag jedoch - wie hier - auf Herabsetzung des Unterhalts gerichtet, ist er auch für die Zeit ab dem ersten des auf ein entsprechendes Auskunfts- oder Verzichtsverlangen des Antragstellers folgenden Monats möglich. Für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit kann eine Herabsetzung allerdings nicht verlangt werden, § 238 Abs. 3 S. 3 und 4 FamFG.
48Vorliegend wurde das Abänderungsbegehren des Antragstellers den Antragsgegnern zu 1. und zu 2. bereits im Oktober 2016 im Rahmen des Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahrens zur Kenntnis zugeleitet, jedoch erst im Februar 2018 mit dem Verfahrenskostenhilfebeschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Rheinberg vom 12.02.2018 zugestellt (Bl. 108 d.A.). Die Rechtshängigkeit tritt erst mit der förmlichen Zustellung des Antrages ein (§ 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 ZPO), so dass die Regelung des § 238 Abs. 3 Satz 4 FamFG greift, in dem eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit keine Berücksichtigung finden kann. Eine Abänderung ist damit erst ab März 2017 möglich.
49b.
50Eine gleichlautende gesetzliche Regelung existiert für die Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs nicht. Vergleiche und vollstreckbare Urkunden sind demnach grundsätzlich rückwirkend unbeschränkt abänderbar (MüKoFamFG/ Pasche § 239 Rn. 8 m.w.N.). Der Einwand der Antragsgegnerin zu 3., sie habe erst im November 2016 Kenntnis von dem Abänderungsverlangen des Antragstellers erlangt, ist deshalb nicht entscheidungserheblich.
512.
52Für das Ausmaß der Abänderung kommt es darauf an, welche Umstände für die Bemessung der Unterhaltsrente seinerzeit maßgebend waren und welches Gewicht ihnen dabei zugekommen ist. Auf dieser durch Auslegung zu ermittelnden Grundlage ist im Abänderungsverfahren unter Berücksichtigung der neuen Verhältnisse festzustellen, welche Veränderungen in diesen Umständen eingetreten sind und welche Auswirkungen sich daraus für die Höhe des Unterhalts ergeben (BGH XII ZB 369/14, FamRZ 2015, 1694 ff Rn. 20).
53a. Bzgl. Antragsgegner zu 1. und 2.
54Grundlage des Schluss-Versäumnisbeschlusses vom 02.12.2014 (zugestellt am 04.12.2014) war der unwidersprochene Vortrag der Antragsgegner zu 1. und zu 2., der Antragsteller sei im Hinblick auf seine gesteigerte Erwerbsobliegenheit verpflichtet, für den Mindestunterhalt seiner minderjährigen Kinder zu sorgen (vgl. Bl. 19 d.BA 16 F 13/14). Obwohl mangels Verteidigung im Ausgangsverfahren nicht konkret bekannt war, welches Einkommen der Antragsteller tatsächlich hatte und ob er nach dem Abschluss des Vergleichs vom 10.04.2014 in dem einstweiligen Anordnungsverfahren schon im Bezug von Arbeitslosengeld war oder bereits eine neue Stelle angetreten hatte, kann die Grundlage des Versäumnisbeschlusses durch Auslegung ermittelt werden. Aufgrund des fehlenden Widerspruchs seitens des Antragstellers konnte davon ausgegangen werden, dass er in der Lage war - sei es durch Erhalt von Arbeitslosengeld/ Lohn und ggfls. zusätzlicher Nebentätigkeit -, so viel Einkommen zu erzielen, um den Unterhalt für seine (drei) unterhaltsberechtigten minderjährigen Kinder sicherstellen zu können.
55Wie der Antragsteller durch Vorlage der Bewilligungsbescheide der Bundesagentur für Arbeit …. vom 26.09.2014 und 03.11.2014 (Anlage A 11, Bl. 68 ff d.A.) im hiesigen Verfahren belegt hat, hat er tatsächlich Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 1754,40 € erhalten, so dass er jedenfalls in der Lage war, für den Mindestunterhalt der damals drei berücksichtigten minderjährigen Kindern aufzukommen:
56Einkünfte 1.754,40 €
57Selbstbehalt - 800,00 €
58Leistungsfähigkeit: 954,40 €
59A., 12 Jahre alt - 334,00 €
60C., 7 Jahre - 272,00 €
61B., 3 Jahre - 225,00 €
62Verblieben 123,40 €
63b. Bzgl. Antragsgegnerin zu 3.
64Eine Abänderung von Vergleichen kann dann verlangt werden, wenn die Geschäftsgrundlage des Vergleichs weggefallen oder so schwerwiegend verändert worden ist, dass ein Festhalten an dem Vergleich unter Beachtung der beiderseitigen Interessen unbillig im Sinne des § 242 BGB wäre (BGH NJW 2004, 3106; OLG Köln FamRZ 2005, 1755).
65Die Grundlagen des Vergleichs sind - wie bereits oben ausgeführt - im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.04.2012 (Bl. 77 der Beiakte 9 F 13/12) nicht im Einzelnen aufgeführt. Bei Zugrundelegung der Schriftsätze der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten ergibt sich jedoch, dass das frühere Einkommen im Rahmen der Pflege der bedürftigen Privatperson sowie die drei Unterhaltsberechtigten bei den Berechnungen in Ansatz gebracht wurden. Aus der Beiakte (9 F 13/12) ergab sich ausweislich der Lohnsteuerbescheinigung 2011 ein Nettoeinkommen des Antragstellers i.H.v. monatlich 2.485,55 € (Bl. 41 d.BA; 43.245,38 Jahresbruttoeinkommen - Lohnsteuer 4.491,80 € - Solidaritätszuschlag 55,06 € - Rentenversicherung 4.302,93 € - Krankenversicherung 3.503,59 - Pflegeversicherung 416,56 € - Arbeitslosenversicherung 648,78 € = 29.826,66 € : 12 = 2.485,55 €).
66Einkünfte 2.485,55 €
67Selbstbehalt - 950,00 €
68Leistungsfähigkeit: 1.535,55 €
69A., 2. Altersgruppe - 272,00 €
70C., 1. Altersgruppe - 225,00 €
71B., 1. Altersgruppe - 225,00 €
72Verblieben 813,55 €
73Die Leistungsfähigkeit des Antragstellers hat sich durch den Verlust seiner Pflegetätigkeit nach Abschluss des Vergleichs inzwischen nachhaltig verschlechtert, so dass sich die Geschäftsgrundlage des Vergleichs weggefallen ist.
74c.
75Bei der Bewertung der neuen Verhältnisse kommt es darauf an, ob der Unterhaltsanspruch des weiteren Sohns D. (als 4. Kind) ebenfalls bei der Unterhaltsberechnung einkommensmindernd berücksichtigt werden kann. Dies ist entgegen der Auffassung der Antragsgegner zu bejahen. Der Bundesgerichtshof hat hinsichtlich der Abänderbarkeit eines Unterhaltstitels wegen eines im vorausgegangenen Verfahren nicht berücksichtigten („übersehenen“) Umstandes entschieden, dass dann, wenn eine Abänderung aus anderen Gründen eröffnet ist, auch eine sog. Alttatsache bei der Neubewertung einbezogen werden kann, wenn sie nicht bereits im Ausgangsverfahren entscheidungserheblich war, d.h. die übersehene Alttatsache für sich genommen noch nicht zu einer anderen Entscheidung hätte führen müssen (vgl. BGH XII ZB 369/14, Beschluss vom 15.07.2015, FamRZ 2015, 1694 ff Rn. 24).
76Auch wenn schon fraglich erscheint, ob die Unterhaltspflicht gegenüber einem nach § 1592 Nr. 1 BGB zu berücksichtigenden Kind aufgrund seines grundgesetzlich verankerten Schutzes (Art. 6 GG) überhaupt als eine „übersehene Alttatsache“ gewertet werden kann, liegen jedenfalls die Voraussetzungen einer solchen Berücksichtigungsfähigkeit vor.
77(1)
78Wäre D. schon bei den Versäumnisentscheidungen vom 02.12.2014 mit einbezogen worden, hätte dies zu keiner anderen Entscheidung geführt. Auch wenn mit den oben aufgeführten Berechnungen (Ziffer 2. A. S. 13/14) bei Berücksichtigung von drei unterhaltsberechtigten Kindern dem Antragsteller lediglich noch 123,40 € blieben, hätte ihm aufgrund seiner gesteigerten Erwerbsverpflichtung fiktiv eine Nebentätigkeit zugerechnet werden müssen, um den im Jahre 2014 geltenden Mindestunterhalt von 272 € an D. bzw. das Jobcenter E. sicherzustellen. Es wäre daher nach wie vor zu keiner Mangelberechnung gekommen. Eine Nebentätigkeit in dem erforderlichen Umfang wäre neben dem Bezug von Arbeitslosengeld auch anrechnungsfrei möglich gewesen.
79(2)
80Wird D. auch bei den ursprünglichen Einkommensgrundlagen des Vergleichs vom 26.04.2012 berücksichtigt, ergibt sich kein anderes Bild. Dem Antragsteller verblieben unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes noch 813,55 €, so dass für den am 16.02.2004 (8 Jahre alt, 2. Altersstufe) geborenen D. der Mindestunterhalt in Höhe von 272 € gesichert gewesen wäre.
81(3)
82In diesem Zusammenhang können die Antragsgegner dem Antragsteller nicht entgegen halten, er sei unterhaltsrechtlich verpflichtet gewesen, für eine rechtzeitige Anfechtung der Vaterschaft von D. zu sorgen, um seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen drei leiblichen Kindern sicherzustellen, zu denen D. nicht gehöre. Zwar besteht die Möglichkeit einer Vaterschaftsanfechtung nach den §§ 1600, 1600a, 1600b ,1599 Abs. 1 BGB, wenn der nach § 1592 Nr. 1 BGB gesetzlich vermutete Vater nicht der leibliche Vater des Kindes ist. Dazu besteht jedoch keine rechtliche Verpflichtung, da aus den unterschiedlichsten Gründen der rechtliche Vater ein (schützenswertes) Interesse daran haben kann, weiterhin als Vater zu gelten (z.B. weil er sich als sozialer Vater fühlt und rechtlicher Vater bleiben möchte; der leibliche Vater nicht bekannt ist und er für das Kind ein rechtlicher Vater sein will). Dem Vater kann auch keine rechtlich zulässige Adoption (§ 1741 BGB) mit der Begründung verweigert werden, dadurch würden die Unterhaltsansprüche weiterer leiblicher Kinder beschnitten. Die gesetzlichen Vorschriften der Vaterschaftsanfechtung schützen vielmehr allein die (finanziellen) Interessen des Vaters gegenüber dem nicht von ihm abstammenden Kind und entfalten keine Schutzwirkung gegenüber weiteren Unterhaltsberechtigten. Die finanziellen Interessen der leiblichen Kinder stehen nicht über denen des rechtlichen Kindes.
83Die Nichtberücksichtigung rechtlicher, aber nicht leiblicher Kinder bei der Unterhaltsberechnung würde darüber hinaus auch grundsätzlichen gesetzlichen Erwägungen widersprechen. Nach §§ 1603 Abs. 1, 1601 BGB ist der Kindesvater nämlich nur insoweit zum Unterhalt verpflichtet, wie er ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren in der Lage ist. Müsste ein rechtliches, aber nicht leibliches Kind bei dem Unterhaltsberechnungen außer Betracht bleiben, würde dies im Ergebnis dazu führen, dass die leiblichen Kinder überproportional berücksichtigt würden, da das unterhaltsrelevante Einkommen nur auf sie verteilt würde. Das rechtliche Kind hätte aber - je nach Rangfolge - weiterhin Ansprüche gegenüber den Unterhaltsverpflichteten. Dies könnte im Ergebnis dazu führen, dass der Unterhaltsverpflichtete zu Leistungen verpflichtet werden könnte, zu den er ggfls. keine ausreichende Leistungsfähigkeit besäße. Damit verbliebe entweder dem rechtlichen Kind zu wenig, um seine Unterhaltsansprüche zu decken oder dem Unterhaltsverpflichteten nicht genug, um seinen eigenen Unterhalt sicherstellen.
84Auch aus den in diesem Zusammenhang von den Antragsgegnern zitierten BGH-Entscheidungen vom 16.04.2008 (BGH XII ZR 144/06, NJW 2008, 2433 ff) und 25.06.2008 (BGH ZB 163/06) zur Durchbrechung der Rechtsausübungssperre des§ 1600d Abs. 4 BGB kann nichts zu ihren Gunsten hergeleitet werden. Danach ist im Regressprozess zwischen dem Scheinvater und dem vermuteten Erzeuger des Kindes eine inzidente Feststellung der Vaterschaft unter Durchbrechung des § 1600d Abs. 4 BGB in eingeschränkten Fällen möglich. Dies ist jedoch davon abhängig, dass die für die Vaterschaftsanfechtung vorgesehene Frist gemäß § 1600b BGB noch nicht abgelaufen ist (vgl. BGH XII ZR 194/09, NJW 2012, 852 ff), was hier aber gerade der Fall ist. Der Regressprozess zwischen den beiden Vätern ist im Ergebnis aber auch nicht mit einem Unterhaltsprozess zwischen leiblichen Kindern und ihrem unstreitig unterhaltsverpflichteten Vater zu vergleichen, so dass Parallelen hierzu nicht gezogen werden können.
853.
86Bei der Neuverteilung ist - wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat - ein fiktives Einkommen anzusetzen. Soweit sie Antragsgegner zu 1. und 2. die Höhe der in der angefochtenen Entscheidung unterstellten fiktiven Einkünfte als auch den angesetzten Stundenlohn für Nebeneinkünfte als zu niedrig monieren, sind die Erwägungen des Amtsgerichts hierzu jedoch nicht zu beanstanden.
87(1)
88Zutreffend hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Antragsteller seiner Darlegungs- und Beweislast nicht hinreichend nachgekommen ist, trotz entsprechender Bemühungen keinen besser dotierten Arbeitsplatz gefunden zu haben. Dem Antragsteller sind zwar mangels entsprechender Ausbildung keine Einkünfte aus Pflegeberufen zuzurechnen, ebenso wie aus einer (eher gering vergüteten) Verkäufertätigkeit, da er diese seit 20 Jahren nicht mehr ausgeübt. Positiv vorzuweisen hat der Antragsteller lediglich einen Lkw-Führerschein (der Klasse 2/C). Da aber gerade im Bereich des Lebensmittel-/Dienstleistungssektors Fahrer gesucht werden, ist es dem Antragsteller zur Verbesserung seines finanziellen Einkommens zuzumuten, in diesen besser bezahlten Bereich zu wechseln. Es ist daher auch aus Sicht des Senats angemessen, eine Tätigkeit als Kraftfahrer im Bereich des Bäckerhandwerks oder auch im Unfall-Sanitäterdienst anzusetzen. In beiden Bereichen liegen die Einkommen bei monatlich ca.2.250 € brutto im unteren mittleren Bereich (gehalt.de: 2.044 – 2.780 €). Auch wenn entsprechende Fahrer zum Teil händeringend gesucht werden, ist ein höheres Bruttoeinkommen derzeit nicht realistisch. Ein höheres Einkommen würde erst nach entsprechender mehrjähriger Berufserfahrung oder bei Vorhandensein einer (3-jährigen) Berufskraftfahrerausbildung zu erzielen sein, über die der Antragsteller nicht verfügt. Um konkurrenzfähig zu bleiben, versuchen vielmehr im Fahrerbereich viele Arbeitgeber, die Einkommen so niedrig wie möglich zu halten. Gleichfalls sind auch keine Spesen aufzuschlagen. Es gibt keine gesicherten Erfahrungswerte, dass bei der in Ansatz gebrachten Berufsgruppe Spesen gezahlt werden.
89(2)
90Was die Nebentätigkeit anbelangt, ist es aus Sicht des Senats zwar durchaus möglich einen höheren Stundenlohn zu erhalten. Eine realistische Chance für eine Nebentätigkeit sieht der Senat für den Antragsteller indes nur im Restaurant/ Handel oder Fahrerbereich, der überwiegend nur etwas oberhalb des Mindestlohns, d.h. also 9 €/ Stunde zahlt.
91In der mündlichen Verhandlung am 09.11.2018 vor dem Senat hat sich jedoch ergeben, dass der Antragsteller inzwischen schon seit längerem keine Umgangskontakte mehr wahrnimmt und solche auch nicht anstrebt. Der Senat setzt demgemäß einen höheren Umfang bei der Nebentätigkeit an. Unter Berücksichtigung eines notwendigen Erholungswochenendes ist eine Nebentätigkeit an drei Wochenenden im Monat im Umfang von 8 Stunden/Wochenende angemessen. Nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen 25 € ergäbe das bei 9 €-Stundenlohn einen Nebenverdienst in Höhe von monatlich 191 € (216 € – 25 €).
92(3)
93Bei Zugrundelegung der Steuerklasse 1 und 1,5 Kinderbeiträgen ergibt dies für die Jahre 2016-2018 (vgl. auch hierzu Seite 8 des angefochtenen Beschlusses) ein fiktives Einkommen wie folgt:
942016 2017 2018
95fiktive Haupttätigkeit: 1.511,51 € 1.512,43 € 1.521,79 €
96fiktive Nebentätigkeit: 191,00 € 191,00 € 91,00 €
97Gesamt: 1.702,51 € 1.703,43 € 1.712,79 €
98Unter Berücksichtigung eines reduzierten Selbstbehaltes aufgrund Zusammenlebens mit seiner Lebensgefährtin i.H.v. 972 € (90 % von 1080 €) ergibt sich eine Leistungsfähigkeit für das Jahr 2016- 2018 in Höhe von
992016 2017 2018
1001.702,51 € 1.703,43 € 1.712,79 €
101- 972,00 € - 972,00 € - 972,00 €
102730,51 € 731,43 € 740,79 €
103(4)
104Dabei ist ab August 2018 zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner zu 1. eine Ausbildungsvergütung i.H.v. 950 € brutto erzielt, die einem Nettoeinkommen von 756,44 € entspricht. Bei einem Abzug eines ausbildungsbedingten Mehrbedarfs i.H.v. 100 € (vgl. Anmerkung A.8 zur Düsseldorfer Tabelle) ist dem Antragsgegner zu 1. im Hinblick auf seine Minderjährigkeit (noch 16 Jahre alt) auf dessen Barbedarf die Hälfte seiner Vergütung anzurechnen (Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis 9. Aufl. § 2 Rn. 118 m.w.N.), so dass zu seinen Gunsten ab August 2018 noch ein Bedarf i.H.v. 42 € (370 € - 328,22 €) = aufgerundet 42 € besteht. Da der Antragsgegner zu 1. noch minderjährig ist, ergibt sich auch keinerlei Änderung in der Rangfolge der Unterhaltsberechtigten (§ 1609 Nr. 1 BGB).
105(5)
106Unter Berücksichtigung des nach der Düsseldorfer Tabelle jeweils geltenden Mindestunterhalts (unter Abzug des hälftigen Kindergeldes) ergibt sich daher folgende Mangelverteilung:
107Oktober 2016 – Dezember 2016
108A. (geb. 16.03.2002, Altersstufe 3) 355 €
109D. (geb.16.02.2004, Altersstufe 3) 355 €
110C. (geb.10.07.2007, Altersstufe 2) 289 €
111B. (geb. am 30.07.2011, Altersstufe 1) 240 €
112Gesamt: 1.239 €
113Mangelquote: 59 %
114Zeitraum Januar 2017 – Juni 2017
115A. (geb. 16.03.2002, Altersstufe 3) 364 €
116D. (geb.16.02.2004, Altersstufe 3) 364 €
117C. (geb.10.07.2007, Altersstufe 2) 297 €
118B. (geb. am 30.07.2011, Altersstufe 1) 246 €
119Gesamt: 1.271 €
120Mangelquote: 57,5 %
121Zeitraum Juli - Dezember 2017 (Wechsel der Altersstufe für B.)
122A. (geb. 16.03.2002, Altersstufe 3) 364 €
123D. (geb.16.02.2004, Altersstufe 3) 364 €
124C. (geb.10.07.2007, Altersstufe 2) 297 €
125B. (geb. am 30.07.2011, Altersstufe 2) 297 €
126Gesamt: 1.322 €
127Mangelquote: 55,3 %
128Zeitraum Januar bis Juli 2018:
129A. (geb. 16.03.2002, Altersstufe 3) 370 €
130D. (geb.16.02.2004, Altersstufe 3) 370 €
131C. (geb.10.07.2007, Altersstufe 2) 302 €
132B. (geb. am 30.07.2011, Altersstufe 2) 302 €
133Gesamt: 1.344 €
134Mangelquote: 55,1 %
135Zeitraum ab August 2018:
136A. (geb. 16.03.2002, Altersstufe 3) 42 €
137D. (geb.16.02.2004, Altersstufe 3) 370 €
138C. (geb.10.07.2007, Altersstufe 2) 302 €
139B. (geb. am 30.07.2011, Altersstufe 2) 302 €
140Gesamt: 1.016 €
141Mangelquote: 72,9 %
142Daraus ergeben sich folgende Zahlbeträge (gemäß § 1612a Abs. 2 Satz 2 BGB aufgerundet):
143Zeitraum |
10-12/16 |
01-06/17 |
07-12/17 |
01-07/18 |
ab 08/18 |
Mangelquote |
59,0 % |
57,5% |
55,3 % |
55,1 % |
72,9 % |
A. |
je 210,00 |
210,00 |
202,00 |
204,00 |
31,00 |
D. |
je 210,00 |
210,00 |
202,00 |
204,00 |
270,00 |
C. |
je 171,00 |
171,00 |
165,00 |
167,00 |
221,00 |
B. |
je 142,00 |
142,00 |
165,00 |
167,00 |
221,00 |
Dementsprechend waren die Unterhaltstitel abzuändern.
145III.
146Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 Abs. 1 FamFG.
147Im Hinblick auf die rechtlich relevante Frage, ob einem Vater eine unterhaltsrechtliche Pflicht obliegt, zur Sicherung der Unterhaltsansprüche seiner leiblichen Kinder die Vaterschaft gegenüber einem nicht vom ihm abstammenden, aber als rechtliches Kind geltenden Abkömmling anzufechten und die daraus erwachsenen unterhaltsrechtlichen Folgen, hat der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Sie erscheint zur Fortbildung des Rechts erforderlich, § 70 Abs. 2 FamFG.
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 30. Nov. 2018 - 6 UF 96/18
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Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 30. Nov. 2018 - 6 UF 96/18 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) In Unterhaltssachen und in sonstigen den Unterhalt betreffenden Familiensachen, soweit diese jeweils Familienstreitsachen sind und wiederkehrende Leistungen betreffen, ist der für die ersten zwölf Monate nach Einreichung des Antrags geforderte Betrag maßgeblich, höchstens jedoch der Gesamtbetrag der geforderten Leistung. Bei Unterhaltsansprüchen nach den §§ 1612a bis 1612c des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist dem Wert nach Satz 1 der Monatsbetrag des zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags geltenden Mindestunterhalts nach der zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Altersstufe zugrunde zu legen.
(2) Die bei Einreichung des Antrags fälligen Beträge werden dem Wert hinzugerechnet. Der Einreichung des Antrags wegen des Hauptgegenstands steht die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe gleich, wenn der Antrag wegen des Hauptgegenstands alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird. Die Sätze 1 und 2 sind im vereinfachten Verfahren zur Festsetzung von Unterhalt Minderjähriger entsprechend anzuwenden.
(3) In Unterhaltssachen, die nicht Familienstreitsachen sind, beträgt der Wert 500 Euro. Ist der Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren Wert festsetzen.
(1) Die Vaterschaft kann binnen zwei Jahren gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen; das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 2 erste Alternative hindert den Lauf der Frist nicht.
(1a) (weggefallen)
(2) Die Frist beginnt nicht vor der Geburt des Kindes und nicht, bevor die Anerkennung wirksam geworden ist. In den Fällen des § 1593 Satz 4 beginnt die Frist nicht vor der Rechtskraft der Entscheidung, durch die festgestellt wird, dass der neue Ehemann der Mutter nicht der Vater des Kindes ist.
(3) Hat der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Kindes die Vaterschaft nicht rechtzeitig angefochten, so kann das Kind nach dem Eintritt der Volljährigkeit selbst anfechten. In diesem Falle beginnt die Frist nicht vor Eintritt der Volljährigkeit und nicht vor dem Zeitpunkt, in dem das Kind von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen.
(4) Hat der gesetzliche Vertreter eines Geschäftsunfähigen die Vaterschaft nicht rechtzeitig angefochten, so kann der Anfechtungsberechtigte nach dem Wegfall der Geschäftsunfähigkeit selbst anfechten. Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend.
(5) Die Frist wird durch die Einleitung eines Verfahrens nach § 1598a Abs. 2 gehemmt; § 204 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Frist ist auch gehemmt, solange der Anfechtungsberechtigte widerrechtlich durch Drohung an der Anfechtung gehindert wird. Im Übrigen sind § 204 Absatz 1 Nummer 4, 8, 13, 14 und Absatz 2 sowie die §§ 206 und 210 entsprechend anzuwenden.
(6) Erlangt das Kind Kenntnis von Umständen, auf Grund derer die Folgen der Vaterschaft für es unzumutbar werden, so beginnt für das Kind mit diesem Zeitpunkt die Frist des Absatzes 1 Satz 1 erneut.
(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(2) Der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegen auch die nicht selbständig anfechtbaren Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgegangen sind.
(1) Enthält eine in der Hauptsache ergangene Endentscheidung des Gerichts eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil die Abänderung beantragen. Der Antrag ist zulässig, sofern der Antragsteller Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt.
(2) Der Antrag kann nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war.
(3) Die Abänderung ist zulässig für die Zeit ab Rechtshängigkeit des Antrags. Ist der Antrag auf Erhöhung des Unterhalts gerichtet, ist er auch zulässig für die Zeit, für die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts Unterhalt für die Vergangenheit verlangt werden kann. Ist der Antrag auf Herabsetzung des Unterhalts gerichtet, ist er auch zulässig für die Zeit ab dem Ersten des auf ein entsprechendes Auskunfts- oder Verzichtsverlangen des Antragstellers folgenden Monats. Für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit kann eine Herabsetzung nicht verlangt werden.
(4) Liegt eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse vor, ist die Entscheidung unter Wahrung ihrer Grundlagen anzupassen.
(1) Enthält ein Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung oder eine vollstreckbare Urkunde eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil die Abänderung beantragen. Der Antrag ist zulässig, sofern der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die die Abänderung rechtfertigen.
(2) Die weiteren Voraussetzungen und der Umfang der Abänderung richten sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts.
(1) Enthält eine in der Hauptsache ergangene Endentscheidung des Gerichts eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil die Abänderung beantragen. Der Antrag ist zulässig, sofern der Antragsteller Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt.
(2) Der Antrag kann nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war.
(3) Die Abänderung ist zulässig für die Zeit ab Rechtshängigkeit des Antrags. Ist der Antrag auf Erhöhung des Unterhalts gerichtet, ist er auch zulässig für die Zeit, für die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts Unterhalt für die Vergangenheit verlangt werden kann. Ist der Antrag auf Herabsetzung des Unterhalts gerichtet, ist er auch zulässig für die Zeit ab dem Ersten des auf ein entsprechendes Auskunfts- oder Verzichtsverlangen des Antragstellers folgenden Monats. Für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit kann eine Herabsetzung nicht verlangt werden.
(4) Liegt eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse vor, ist die Entscheidung unter Wahrung ihrer Grundlagen anzupassen.
(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).
(2) Die Klageschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; - 2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.
(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; - 2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; - 3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.
(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.
(1) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet.
(2) Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 entsprechender Schriftsatz zugestellt wird.
(3) Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen:
(1) Enthält eine in der Hauptsache ergangene Endentscheidung des Gerichts eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil die Abänderung beantragen. Der Antrag ist zulässig, sofern der Antragsteller Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt.
(2) Der Antrag kann nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war.
(3) Die Abänderung ist zulässig für die Zeit ab Rechtshängigkeit des Antrags. Ist der Antrag auf Erhöhung des Unterhalts gerichtet, ist er auch zulässig für die Zeit, für die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts Unterhalt für die Vergangenheit verlangt werden kann. Ist der Antrag auf Herabsetzung des Unterhalts gerichtet, ist er auch zulässig für die Zeit ab dem Ersten des auf ein entsprechendes Auskunfts- oder Verzichtsverlangen des Antragstellers folgenden Monats. Für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit kann eine Herabsetzung nicht verlangt werden.
(4) Liegt eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse vor, ist die Entscheidung unter Wahrung ihrer Grundlagen anzupassen.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Vater eines Kindes ist der Mann,
- 1.
der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, - 2.
der die Vaterschaft anerkannt hat oder - 3.
dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 182 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerichtlich festgestellt ist.
(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:
- 1.
der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht, - 2.
der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, - 3.
die Mutter und - 4.
das Kind.
(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.
(3) Eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.
(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.
(1) Die Anfechtung kann nicht durch einen Bevollmächtigten erfolgen.
(2) Die Anfechtungsberechtigten im Sinne von § 1600 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 können die Vaterschaft nur selbst anfechten. Dies gilt auch, wenn sie in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind; sie bedürfen hierzu nicht der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters. Sind sie geschäftsunfähig, so kann nur ihr gesetzlicher Vertreter anfechten.
(3) Für ein geschäftsunfähiges oder in der Geschäftsfähigkeit beschränktes Kind kann nur der gesetzliche Vertreter anfechten.
(4) Die Anfechtung durch den gesetzlichen Vertreter ist nur zulässig, wenn sie dem Wohl des Vertretenen dient.
(5) Ein geschäftsfähiger Betreuter kann die Vaterschaft nur selbst anfechten.
(1) Die Vaterschaft kann binnen zwei Jahren gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen; das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 2 erste Alternative hindert den Lauf der Frist nicht.
(1a) (weggefallen)
(2) Die Frist beginnt nicht vor der Geburt des Kindes und nicht, bevor die Anerkennung wirksam geworden ist. In den Fällen des § 1593 Satz 4 beginnt die Frist nicht vor der Rechtskraft der Entscheidung, durch die festgestellt wird, dass der neue Ehemann der Mutter nicht der Vater des Kindes ist.
(3) Hat der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Kindes die Vaterschaft nicht rechtzeitig angefochten, so kann das Kind nach dem Eintritt der Volljährigkeit selbst anfechten. In diesem Falle beginnt die Frist nicht vor Eintritt der Volljährigkeit und nicht vor dem Zeitpunkt, in dem das Kind von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen.
(4) Hat der gesetzliche Vertreter eines Geschäftsunfähigen die Vaterschaft nicht rechtzeitig angefochten, so kann der Anfechtungsberechtigte nach dem Wegfall der Geschäftsunfähigkeit selbst anfechten. Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend.
(5) Die Frist wird durch die Einleitung eines Verfahrens nach § 1598a Abs. 2 gehemmt; § 204 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Frist ist auch gehemmt, solange der Anfechtungsberechtigte widerrechtlich durch Drohung an der Anfechtung gehindert wird. Im Übrigen sind § 204 Absatz 1 Nummer 4, 8, 13, 14 und Absatz 2 sowie die §§ 206 und 210 entsprechend anzuwenden.
(6) Erlangt das Kind Kenntnis von Umständen, auf Grund derer die Folgen der Vaterschaft für es unzumutbar werden, so beginnt für das Kind mit diesem Zeitpunkt die Frist des Absatzes 1 Satz 1 erneut.
(1) § 1592 Nr. 1 und 2 und § 1593 gelten nicht, wenn auf Grund einer Anfechtung rechtskräftig festgestellt ist, dass der Mann nicht der Vater des Kindes ist.
(2) § 1592 Nr. 1 und § 1593 gelten auch nicht, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wird und ein Dritter spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses die Vaterschaft anerkennt; § 1594 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Neben den nach den §§ 1595 und 1596 notwendigen Erklärungen bedarf die Anerkennung der Zustimmung des Mannes, der im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist; für diese Zustimmung gelten § 1594 Abs. 3 und 4, § 1596 Abs. 1 Satz 1 bis 3, Abs. 3 und 4, § 1597 Abs. 1 und 2 und § 1598 Abs. 1 entsprechend. Die Anerkennung wird frühestens mit Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses wirksam.
Vater eines Kindes ist der Mann,
- 1.
der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, - 2.
der die Vaterschaft anerkannt hat oder - 3.
dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 182 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerichtlich festgestellt ist.
(1) Die Annahme als Kind ist zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Wer an einer gesetzes- oder sittenwidrigen Vermittlung oder Verbringung eines Kindes zum Zwecke der Annahme mitgewirkt oder einen Dritten hiermit beauftragt oder hierfür belohnt hat, soll ein Kind nur dann annehmen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.
(2) Wer nicht verheiratet ist, kann ein Kind nur allein annehmen. Ein Ehepaar kann ein Kind nur gemeinschaftlich annehmen. Ein Ehegatte kann ein Kind seines Ehegatten allein annehmen. Er kann ein Kind auch dann allein annehmen, wenn der andere Ehegatte das Kind nicht annehmen kann, weil er geschäftsunfähig ist oder das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.
(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt den Beklagten auf gemäß § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB übergegangenen Kindesunterhalt in Anspruch und verlangt im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft über die Einkünfte des Beklagten.
- 2
- Während der 1989 geschlossenen und am 10. August 2004 geschiedenen Ehe des Klägers mit Petra T. hat diese drei Kinder geboren, nämlich 1992 die Tochter Rebecca, 1994 die Tochter Nina und 1995 den Sohn Jan. Mit rechtskräftigem Urteil des Familiengerichts vom 23. Dezember 2003 wurde festgestellt, dass der Kläger nicht deren Vater ist. Die Vaterschaft zu den drei Kindern ist bisher weder anerkannt noch gerichtlich festgestellt.
- 3
- Der Beklagte ist der Lebensgefährte der Kindesmutter. Der Kläger behauptet , außer ihm selbst habe nur dieser während der gesetzlichen Empfängniszeiten Geschlechtsverkehr mit der Kindesmutter gehabt.
- 4
- Der Kläger vertritt die Auffassung, seiner Klage stehe nicht entgegen, dass die Vaterschaft des Beklagten nicht feststehe. Denn sowohl der Beklagte als auch die Kindesmutter, die die alleinige Vertreterin der Kinder ist, weigerten sich, die gerichtliche Klärung der Vaterschaft herbeizuführen; auch sei der Beklagte nicht bereit, auf Kosten des Klägers an einem außergerichtlichen DNATest mitzuwirken. Unter diesen Umständen sei § 1600d Abs. 4 BGB, demzufolge die Rechtswirkungen der Vaterschaft erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden können, nicht anwendbar. Vielmehr sei die Vaterschaft des Beklagten im vorliegenden Verfahren zu klären.
- 5
- Das Amtsgericht hat die Klage - in der Auskunftsstufe - insgesamt abgewiesen. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FuR 2006, 574 ff. und OLGR Celle 2007, 138 ff. veröffentlicht ist, hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
- 6
- Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
- 7
- 1. Das Oberlandesgericht hat - ebenso wie die Vorinstanz - dahinstehen lassen, ob der Beklagte der biologische Vater der drei während der Ehe der Kindesmutter mit dem Kläger geborenen Kinder ist, und der Stufenklage insgesamt den Erfolg versagt. Der Kläger sei nämlich nach § 1600d Abs. 4 BGB gehindert , den Beklagten auf gemäß § 1607 Abs. 3 BGB übergegangenen Kindesunterhalt in Anspruch zu nehmen, solange die Vaterschaft des Beklagten weder anerkannt noch mit Wirkung für und gegen alle gerichtlich festgestellt sei.
- 8
- Dem stehe nicht entgegen, dass der Beklagte seine Vaterschaft für die drei Kinder nicht ausdrücklich in Abrede gestellt, sondern lediglich vorgetragen habe, diese sei nicht geklärt. Das genüge nicht, die Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB zu überwinden. Weder könne die Vaterschaft im vorliegenden Regressprozess als Vorfrage inzident festgestellt werden, noch sei es unter den gegebenen Umständen rechtsmissbräuchlich, wenn der Beklagte sich auf diese Vorschrift berufe. Aus den gleichen Gründen komme auch ein Anspruch aus § 826 BGB nicht in Betracht, weil es nicht sittenwidrig sei, wenn der Beklagte seine Vaterschaft weder anerkenne noch deren gerichtliche Feststellung betreibe.
- 9
- Das hält der revisionsrechtlichen Prüfung und den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.
- 10
- 2. Mangels entsprechender Feststellungen ist revisionsrechtlich davon auszugehen, dass die drei Kinder vom Beklagten abstammen und der Kläger ihnen über Jahre hinweg als vermeintlicher Vater Unterhalt gewährt hat. Folglich ist für das Revisionsverfahren davon auszugehen, dass dem Kläger der mit seiner Stufenklage geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten zusteht (vgl. Erman/Hammermann BGB 12. Aufl. § 1600d Rdn. 38; Staudinger /Rauscher BGB [2004] § 1600d Rdn. 90) und lediglich zu entscheiden ist, ob der Kläger auch dann gemäß § 1600d Abs. 4 BGB gehindert ist, den Anspruch vor Rechtskraft eines die Vaterschaft des Beklagten feststellenden Urteils im Sinne des § 1600d Abs. 1 BGB geltend zu machen, wenn das Kind, seine Mutter oder ein seine eigene Vaterschaft behauptender Mann, die nach § 1600e Abs. 1 Satz 1 BGB allein zur Erhebung einer Vaterschaftsfeststellung befugt sind, die Einleitung eines solchen Verfahrens ablehnen.
- 11
- a) Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass § 1600d Abs. 4 BGB eine Inzidentfeststellung der Vaterschaft im Regressprozess zwischen dem Scheinvater und dem von ihm vermuteten Erzeuger des Kindes grundsätzlich ausschließt, wie der Senat bereits entschieden hat (Senatsurteil BGHZ 121, 299 = FamRZ 1993, 696 f. zu §§ 1600a, 1615b Abs. 2 BGB a.F.). Dem ist die herrschende Meinung weitgehend gefolgt (vgl. Schwonberg FamRZ 2008, 449, 450 m.N. in Fn. 19).
- 12
- b) An dieser Entscheidung hält der Senat jedoch aufgrund inzwischen veränderter Gesetzeslage nicht mehr uneingeschränkt fest:
- 13
- aa) Soweit er darin offen gelassen hat, ob eine Durchbrechung der Rechtsausübungssperre des § 1600a Satz 2 BGB a.F. in Betracht kommt, wenn der Scheinvater seinen Anspruch auf Delikt, namentlich auf § 826 BGB, stützen kann, bedarf dies auch hier keiner Entscheidung.
- 14
- bb) In der vorgenannten Entscheidung hat der Senat sich bereits mit Stimmen in der Literatur auseinander gesetzt, die eine Durchbrechung der Rechtsausübungssperre und eine Zulassung einer Inzidentfeststellung in besonders gelagerten Fällen befürworten (vgl. MünchKomm/Mutschler BGB 3. Aufl. § 1600a Rdn. 15; Raiser FamRZ 1986, 942, 945), und auch darauf hingewiesen , dass die Ausübungssperre nicht uneingeschränkt gilt, sondern § 1600d Abs. 4 BGB Ausnahmen hiervon zulässt, namentlich "soweit sich … aus dem Gesetz anderes ergibt", so etwa im Sozialversicherungsrecht sowie zur Regelung dringender, zeitlich begrenzter Unterhaltsansprüche des Kindes oder der Mutter im Wege einstweiliger Verfügung (§1615o BGB, § 641d ZPO). Eine weitere Ausnahme hatte der Bundesgerichtshof bereits zuvor für den Fall des Regresses gegen den Rechtsanwalt bejaht, der die Frist zur Erhebung der Vaterschaftsanfechtungsklage versäumt hat (BGHZ 72, 299 ff. = FamRZ 1979, 112 ff.).
- 15
- Der Senat hat sich seinerzeit gleichwohl gehindert gesehen, angesichts der Problematik einer "Anspruchsvereitelung trotz bestehender Anspruchsnorm" (Raiser aaO S. 945) von dem Grundsatz der Unzulässigkeit einer Inzidentfeststellung und dem klaren Wortlaut des § 1600a Satz 2 BGB a.F. abzuweichen , und zwar unter anderem aus folgenden Erwägungen:
- 16
- Erstens dürfe aus den aufgezeigten Ausnahmen von dieser Vorschrift nicht auf einen allgemeinen Grundsatz geschlossen werden. Zweitens liefe dies dem in § 1600a BGB a.F. als Teil der Reform des Nichtehelichenrechts zum Ausdruck gekommenen Bestreben des Gesetzgebers zuwider, dem nichtehelichen Kind durch die Notwendigkeit eines Abstammungsverfahrens nach § 1600d Abs. 1 BGB, § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO einen für und gegen alle wirkenden Status zu geben und seine Zuordnung zum Vater im Sinne eines echten Verwandtschaftsverhältnisses herbeizuführen. Drittens sei das finanzielle Interesse des Scheinvaters nicht höher zu bewerten als die anerkennenswerten und verfassungsrechtlich geschützten Gründe des Kindes, seine Abstammung zu einem Dritten nicht feststellen zu lassen.
- 17
- cc) Diese Erwägungen gelten im Grundsatz nach wie vor, stehen hier aber wegen der besonderen Umstände des Falles einer Durchbrechung der Rechtsausübungssperre nicht entgegen.
- 18
- Zum einen wird damit nicht in unzulässiger Weise aus einer Ausnahmevorschrift auf einen allgemeinen Grundsatz geschlossen. Der Rechtsprechung ist es unbenommen, den Anwendungsbereich einer gesetzlichen Vorschrift im Wege teleologischer Reduktion einzuschränken, wenn und soweit dies erforderlich erscheint, in besonders gelagerten Fällen, deren Auswirkungen der Gesetzgeber offensichtlich nicht in vollem Umfang bedacht hat, schlechthin untragbare Ergebnisse zu vermeiden. Dazu bedarf es keiner analogen Erweiterung etwa bestehender Ausnahmevorschriften; deren Existenz kann aber bei der Beurteilung der Frage herangezogen werden, ob der Gesetzgeber die in der grundlegenden Norm aufgestellte Regelung als unabdingbar angesehen hat oder jedenfalls bestimmte Ausnahmen für möglich hielt.
- 19
- Zum anderen kann eine Durchbrechung der Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 4 BGB dem Bestreben, dem nichtehelichen Kind einen für und gegen alle wirkenden Status zu geben und seine Zuordnung zum biologischen Vater im Sinne eines echten Verwandtschaftsverhältnisses herbeizuführen, ausnahmsweise dann nicht zuwiderlaufen, wenn dieses Ziel aufgrund besonderer Umstände auf lange Zeit ohnehin faktisch nicht erreicht werden kann. Das ist hier beispielsweise der Fall, weil weder die die Kinder allein vertretende Mutter noch der Beklagte als möglicher biologischer Vater bereit sind, dessen Vaterschaft gerichtlich feststellen zu lassen.
- 20
- Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht inzwischen Zweifel geäußert , ob und in welchem Umfang ein Kind ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Nichtkenntnis der eigenen Abstammung hat (BVerfGE FamRZ 2007, 441, 444 unter B I 3 b aa [1]), wie der Senat bislang angenommen hatte (vgl. Senatsurteile BGHZ 121, 299, 303 f. = FamRZ 1993, 696, 697 und BGHZ 162, 1, 5 = FamRZ 2005, 340, 341). Der Senat hält deshalb nicht mehr daran fest, dass demgegenüber das finanzielle Interesse des Scheinvaters gegenüber dem ihm möglicherweise regresspflichtigen Erzeuger stets zurückzustehen habe.
- 21
- dd) Inzwischen hat sich die Rechtslage, vor deren Hintergrund 1993 die Senatsentscheidung BGHZ 121, 299 (= FamRZ 1993, 696 f.) getroffen worden war, in zwei Punkten entscheidend geändert.
- 22
- (1) Zum einen weist das Berufungsgericht zu Recht darauf hin, dass bis zum 30. Juni 1998 in den alten Bundesländern die alleinsorgeberechtigte Mutter ihr nichteheliches Kind nicht vertreten konnte, soweit es um die Feststellung der Vaterschaft ging; insoweit stand die gesetzliche Vertretung gemäß §§ 1706, 1709 BGB a.F. dem Jugendamt als Pfleger zu, das in aller Regel im Interesse des Kindes ein solches Verfahren einleitete. Mit Rücksicht darauf schien es vertretbar , den Scheinvater wegen der Rechtsausübungssperre des § 1600a Satz 2 BGB a.F. darauf zu verweisen, den rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens abzuwarten, bevor er den als Vater festgestellten Erzeuger des Kindes gemäß § 1615b Abs. 2 BGB a.F. auf Kindesunterhalt in Anspruch nehmen konnte. Denn dies führte, von extremen Ausnahmefällen abgesehen, allenfalls zu einer Verzögerung der Durchsetzung seines bereits bestehenden gesetzlichen Anspruchs, nicht aber zu dessen dauernder Vereitelung.
- 23
- Durch das am 1. Juli 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Abschaffung der gesetzlichen Amtspflegschaft und Neuregelung des Rechts der Beistandschaft (BeistandschaftsG) vom 4. Dezember 1997 (BGBl. I 2846) ist jedoch die gesetzliche Amtspflegschaft für nichteheliche Kinder abgeschafft und zugleich für bestimmte Aufgaben, zu denen gemäß § 1712 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch die Feststellung der Vaterschaft gehört, eine freiwillige Beistandschaft des Jugendamtes eingeführt worden. Dies hat zur Folge, dass es, solange der potentielle Erzeuger des Kindes nicht selbst Vaterschaftsfeststellungsklage erhebt, bis zur Volljährigkeit des Kindes allein vom Willen der Mutter abhängt, ob sie ihrerseits Vaterschaftsfeststellungsklage erhebt oder nicht. Unterlässt sie dies, kann ihr die Vertretung des Kindes auch nicht nach § 1796 BGB durch das Familiengericht entzogen werden, § 1629 Abs. 2 Satz 3 2. Halbs. BGB. Der Scheinvater selbst ist für eine Klage auf Feststellung der Vaterschaft nicht klagebefugt, § 1600e Abs. 1 BGB.
- 24
- Damit würde sich bei der vom Senat in BGHZ 121, 299 = FamRZ 1993, 696 f. bislang vertretenen Auffassung zu § 1600d Abs. 4 BGB der Rückgriffsanspruch des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes nunmehr in einer Vielzahl von Fällen als undurchsetzbar erweisen, nämlich immer dann, wenn weder dieser noch die Kindesmutter - aus welchen Motiven auch immer - von dem ihnen allein zustehenden Recht, die Vaterschaft gerichtlich feststellen zu lassen, keinen Gebrauch machen.
- 25
- (2) Zum anderen ist diese Entscheidung des Senats vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Frage der Abstammung eines Kindes seinerzeit allein in dem dafür vorgesehenen besonderen Verfahren in Kindschaftssachen (§ 640 ZPO) zu klären war und der Grundsatz der Statuswahrheit es verlangte, alles zu vermeiden, was die Übereinstimmung von statusmäßiger und tatsächlicher biologischer Abstammung hätte beeinträchtigen können. Auch dies gilt inzwischen nicht mehr uneingeschränkt. Durch das am 1. April 2008 in Kraft getretene Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren vom 26. März 2008 (BGBl. I 441) hat der Gesetzgeber ein Verfahren zur Verfügung gestellt, das der Klärung der Abstammung dient und es gleichwohl zulässt , die sich gegebenenfalls als unzutreffend erweisende statusrechtliche Zuordnung des Kindes unverändert zu lassen. Allerdings steht dieses Verfahren nur dem Kind und seinen Eltern zu, nicht aber einem Dritten.
- 26
- In diesem neuartigen Verfahren wird zwar keine gerichtliche Feststellung über die Abstammung getroffen; sie ermöglicht aber eine gutachterliche Feststellung , deren Beweiswert bei Befolgung der anerkannten Regeln der DNAAnalyse regelmäßig keinen vernünftigen Zweifel mehr zulässt. Es handelt sich mithin um ein gerichtsförmiges Verfahren, das Gewissheit über die tatsächliche Abstammung herbeiführen soll, einen dieser Erkenntnis entgegenstehenden Status des Kindes aber unberührt lässt.
- 27
- Angesichts dieser neuen Rechtslage erscheint es gerechtfertigt, Bedenken gegen eine Inzidentfeststellung zurückzustellen, die sich darauf gründen, dass ein bestehender Status des Kindes nicht außerhalb eines Statusverfahrens durch Feststellungen zur biologischen Abstammung hinterfragt werden soll. Denn auch eine Inzidentfeststellung der Abstammung im Regressprozess des Scheinvaters gegen den Erzeuger erwächst nicht in Rechtskraft, nicht einmal zwischen den Parteien dieses Prozesses, und führt deshalb auch nicht zur Feststellung einer "relativen Vaterschaft" (entgegen OLG Hamm FamRZ 2003, 401, 402). Sie ist vielmehr lediglich Vorfrage für das Bestehen des Anspruchs (vgl. Schwonberg aaO S. 453).
- 28
- c) Nach alledem ist eine Inzidentfeststellung der Vaterschaft im Regressprozess des Scheinvaters nicht schlechthin ausgeschlossen. Sie ist jedoch nur unter engen Voraussetzungen zulässig.
- 29
- aa) Eine Ausnahme kommt insbesondere in Betracht, wenn - wie hier - davon auszugehen ist, dass ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren auf längere Zeit nicht stattfinden wird, weil die zur Erhebung einer solchen Klage Befugten dies ausdrücklich ablehnen oder von einer solchen Möglichkeit seit längerer Zeit keinen Gebrauch gemacht haben. Wird eine solche Vaterschaftsfeststel- lungsklage allerdings während der Rechtshängigkeit des Scheinvaterregresses des Scheinvaters erhoben, wird das Regressverfahren auszusetzen sein.
- 30
- Hingegen ist auch unter diesen Umständen eine Durchbrechung der Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 4 BGB nicht schon dann gerechtfertigt , wenn der Kläger die Vaterschaft des Beklagten "ins Blaue hinein" behauptet und sie erst durch ein Vaterschaftsgutachten bewiesen werden soll. Vielmehr werden zumindest die Voraussetzungen darzulegen sein, an die § 1600d Abs. 2 BGB die Vermutung der Vaterschaft knüpft. Darüber wird gegebenenfalls Beweis zu erheben sein, ehe die Einholung eines Vaterschaftsgutachtens in Betracht kommt. Sind diese Voraussetzungen unstreitig oder reicht die Beweisaufnahme aus, das Gericht gemäß § 286 ZPO von ihrem Vorliegen zu überzeugen , dürfte sich die Einholung eines solchen Gutachtens erübrigen, es sei denn, dass nunmehr der Beklagte die Einholung eines solchen Gutachtens beantragt , um die Vermutung seiner Vaterschaft zu entkräften. Denn an den Beweis sind im Rahmen einer solchen Zahlungsklage nicht die Anforderungen zu stellen, die eine inter omnes wirkende Vaterschaftsfeststellung erfordert.
- 31
- Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts setzt eine solche Klage regelmäßig auch nicht die Mitwirkung der Mutter und des Kindes an einem (weiteren ) DNA-Test voraus. Ist dem Verfahren - wie hier - ein erfolgreiches Vaterschaftsanfechtungsverfahren vorausgegangen, liegen die insoweit erforderlichen Untersuchungsergebnisse regelmäßig bereits vor, so dass sich eine etwa erforderliche weitere Begutachtung auf die Analyse der entsprechenden Merkmale des Beklagten und deren Vergleich mit den bereits vorliegenden Ergebnissen beschränken kann.
- 32
- bb) Die Beweisaufnahme in einem solchen Regressprozess berührt zwar auch die verfassungsrechtlich geschützten Interessen Dritter, hier der Mutter und des Kindes bzw. der Kinder, sowie Interessen des Beklagten selbst.
- 33
- Das Interesse des Beklagten, nicht auf Erstattung des Unterhalts in Anspruch genommen zu werden, ist allerdings nach der gesetzlichen Wertung des § 1607 Abs. 3 BGB nicht schutzwürdig (vgl. Schwonberg aaO S. 452). Sein Interesse , im Falle der Anordnung eines Sachverständigengutachtens seine genetischen Daten nicht preisgeben zu müssen, ist hinreichend dadurch geschützt , dass er die Mitwirkung an der Begutachtung verweigern und die Rechtmäßigkeit seiner Weigerung nach §§ 372a Abs. 2 Satz 1, 387 Abs. 1 ZPO in einem Zwischenstreit geltend machen kann (vgl. Senatsurteil BGHZ 166, 283, 290 = FamRZ 2006, 686, 688 und Senatsbeschluss vom 4. Juli 2007 - XII ZB 199/05 - FamRZ 2007, 1728, 1729).
- 34
- Ein schützenswertes Interesse der Kindesmutter, eine eheliche Untreue nicht offenbaren zu müssen, kommt in Fällen der vorliegenden Art schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Untreue bereits durch den Erfolg des vorausgegangenen Vaterschaftsanfechtungsverfahrens offenbar geworden ist. Ihr Interesse , einem Dritten keinen weitergehenden Einblick in ihr Sexualleben zu gewähren, kann die Kindesmutter bereits dadurch wahren, dass sie als frühere Ehefrau des Klägers von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 2 ZPO Gebrauch macht. Für ein Interesse, im Falle der Zeugung des Kindes durch Inzest oder Vergewaltigung eine Feststellung des biologischen Vaters zu vermeiden (vgl. Staudinger/Peschel-Gutzeit BGB [2007] § 1629 Rdn. 95), werden regelmäßig keine Anhaltspunkte vorliegen.
- 35
- Nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung geht das Interesse des Kindes regelmäßig auf Kenntnis seines wirklichen Erzeugers (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 1972 - IV ZR 53/71 - NJW 1972, 1708) und nicht auf Beibehaltung eines "vaterlosen" Zustandes. Eine Inzidentfeststellung der Vaterschaft (oder auch der Nichtvaterschaft) des Beklagten steht dem Interesse des Kindes somit in aller Regel nicht entgegen. Etwas anderes könnte sich allerdings ergeben, wenn der Beklagte - wie hier - mit der Kindesmutter zusammenlebt und beide mit dem Kind eine Familie bilden. Hier könnte eine Inzidentfeststellung mit dem Ergebnis, dass der Beklagte nicht der Erzeuger des Kindes ist, dessen Interesse an der Wahrung der neuen sozial-familiären Bindung zum Beklagten beeinträchtigen , vor allem, wenn bereits das Vaterschaftsanfechtungsverfahren das Vertrauen des Kindes in den Fortbestand seiner Bindung zu dem Kläger als bisherigem rechtlichen Vater erschüttert hatte und nunmehr seine danach aufgebaute Bindung zu dem Lebensgefährten der Mutter erneut erschüttert zu werden droht.
- 36
- Sollten sich im Einzelfall Anhaltspunkte dafür ergeben, dass durch die Inzidentfeststellung der Vaterschaft in höherrangige verfassungsrechtlich geschützte Rechte Dritter eingegriffen werden könnte, wird das Gericht diesen Bedenken aber von Amts wegen nachgehen können und müssen. Denn die Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 4 BGB ist von Amts wegen zu beachten (vgl. OLG Koblenz NJW-RR 2004, 146 f.; Schwonberg aaO S. 453). Ob sie im Einzelfall ausnahmsweise durchbrochen werden kann, ist daher ebenfalls von Amts wegen unter Berücksichtigung aller hierfür maßgeblichen Umstände zu prüfen.
- 37
- 3. Die angefochtene Entscheidung kann daher nicht bestehen bleiben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen zum Grund und zur Höhe des geltend gemachten Anspruchs und insbesondere zur Passivlegitimation des Beklagten getroffen hat. Die erneute Verhandlung gibt dem Berufungsge- richt Gelegenheit, dies nachzuholen, sofern nicht im Rahmen der erneuten Amtsprüfung Umstände im Sinne des vorstehenden Absatzes bekannt werden, die der hier grundsätzlich bejahten Durchbrechung der Rechtsausübungssperre im vorliegenden Einzelfall entgegenstehen.
Vorinstanzen:
AG Uelzen, Entscheidung vom 10.01.2006 - 3b F 1022/05 -
OLG Celle, Entscheidung vom 09.08.2006 - 15 UF 46/06 -
(1) Besteht keine Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593, so ist die Vaterschaft gerichtlich festzustellen.
(2) Im Verfahren auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft wird als Vater vermutet, wer der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat. Die Vermutung gilt nicht, wenn schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft bestehen.
(3) Als Empfängniszeit gilt die Zeit von dem 300. bis zu dem 181. Tage vor der Geburt des Kindes, mit Einschluss sowohl des 300. als auch des 181. Tages. Steht fest, dass das Kind außerhalb des Zeitraums des Satzes 1 empfangen worden ist, so gilt dieser abweichende Zeitraum als Empfängniszeit.
(4) Ist das Kind durch eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung in einer Einrichtung der medizinischen Versorgung im Sinne von § 1a Nummer 9 des Transplantationsgesetzes unter heterologer Verwendung von Samen gezeugt worden, der vom Spender einer Entnahmeeinrichtung im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 des Samenspenderregistergesetzes zur Verfügung gestellt wurde, so kann der Samenspender nicht als Vater dieses Kindes festgestellt werden.
(5) Die Rechtswirkungen der Vaterschaft können, soweit sich nicht aus dem Gesetz anderes ergibt, erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden.
(1) Die Vaterschaft kann binnen zwei Jahren gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen; das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 2 erste Alternative hindert den Lauf der Frist nicht.
(1a) (weggefallen)
(2) Die Frist beginnt nicht vor der Geburt des Kindes und nicht, bevor die Anerkennung wirksam geworden ist. In den Fällen des § 1593 Satz 4 beginnt die Frist nicht vor der Rechtskraft der Entscheidung, durch die festgestellt wird, dass der neue Ehemann der Mutter nicht der Vater des Kindes ist.
(3) Hat der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Kindes die Vaterschaft nicht rechtzeitig angefochten, so kann das Kind nach dem Eintritt der Volljährigkeit selbst anfechten. In diesem Falle beginnt die Frist nicht vor Eintritt der Volljährigkeit und nicht vor dem Zeitpunkt, in dem das Kind von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen.
(4) Hat der gesetzliche Vertreter eines Geschäftsunfähigen die Vaterschaft nicht rechtzeitig angefochten, so kann der Anfechtungsberechtigte nach dem Wegfall der Geschäftsunfähigkeit selbst anfechten. Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend.
(5) Die Frist wird durch die Einleitung eines Verfahrens nach § 1598a Abs. 2 gehemmt; § 204 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Frist ist auch gehemmt, solange der Anfechtungsberechtigte widerrechtlich durch Drohung an der Anfechtung gehindert wird. Im Übrigen sind § 204 Absatz 1 Nummer 4, 8, 13, 14 und Absatz 2 sowie die §§ 206 und 210 entsprechend anzuwenden.
(6) Erlangt das Kind Kenntnis von Umständen, auf Grund derer die Folgen der Vaterschaft für es unzumutbar werden, so beginnt für das Kind mit diesem Zeitpunkt die Frist des Absatzes 1 Satz 1 erneut.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger begehrt von dem Beklagten Ersatz geleisteten Kindesunterhalts.
- 2
- Nach der Heirat im Februar 1974 gebar die Ehefrau des Klägers im Juli 1974 einen Sohn, der in der Folgezeit in der Familie aufwuchs. Spätestens am 8. September 2003 erfuhr der Kläger, dass der Sohn nicht von ihm, sondern von dem Beklagten abstammt. Im Dezember 2003 erhob der Kläger gegen den Beklagten eine Klage mit dem Antrag festzustellen, dass der Beklagte der leibliche Vater des Kindes ist. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, das den Kläger als Vater des Kindes ausschließt und die Vaterschaft des Beklagten als "praktisch erwiesen" bezeichnet, gab das Amtsgericht der Klage in vollem Umfang statt. Die Entscheidung wurde nach Rücknahme der Berufung des Beklagten am 9. August 2004 rechtskräftig. In einer nachfolgenden Personenstandssache entschied das Oberlandesgericht München am 2. Mai 2006, dass die Eintragung eines entsprechenden Randvermerks im Geburtenbuch des Standesamts unterbleibt, weil der Streitgegenstand des rechtskräftigen Feststellungsurteils kein Statusverfahren betreffe und die Entscheidung in diesem Umfang nur zwischen den Parteien wirke.
- 3
- Eine Klage gegen die Mutter des Kindes auf Schadensersatz wurde mit Urteil vom 29. November 2006 rechtskräftig abgewiesen. In einem am 25. Januar 2007 eingeleiteten und gegen den Sohn gerichteten Statusverfahren wies das Amtsgericht die Klage mit Urteil vom 5. Juli 2007 wegen Versäumung der Anfechtungsfrist ab. Die dagegen eingelegte Berufung nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 26. November 2007 zurück.
- 4
- Im vorliegenden Rechtsstreit auf Unterhaltsregress sind die früheren Rechtsanwälte des Klägers nach Streitverkündung dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beigetreten. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger weiterhin als rechtlicher Vater gelte. Auf die Berufung der Streithelfer des Klägers hat das Oberlandesgericht das Urteil aufgehoben und das Verfahren an das Amtsgericht zurückverwiesen. Dagegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Beklagten, mit der er eine Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückweisung der Berufung begehrt.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des klagabweisenden erstinstanzlichen Urteils.
- 6
- Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100).
- 7
- Über die Revision ist trotz Säumnis des Klägers in der Revisionsverhandlung durch streitiges Urteil zu entscheiden, weil seine dem Rechtsstreit unbeanstandet beigetretenen Streithelfer in der Verhandlung aufgetreten sind und ihre Revisionsanträge gestellt haben (vgl. BGH Urteil vom 13. April 1994 - II ZR 196/93 - NJW 1994, 2022, 2023).
I.
- 8
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger ein Anspruch auf Unterhaltsregress gegen den Beklagten dem Grund nach zu. Der Unterhaltsanspruch des Sohnes gegen den Beklagten sei gemäß § 1607 Abs. 3 BGB auf den Kläger übergegangen, weil der Kläger dem Kind Unterhalt geleistet habe , obwohl der Beklagte unterhaltspflichtig gewesen sei. Die Unterhaltspflicht des Beklagten ergebe sich aus den §§ 1601 ff. BGB, weil der Sohn ihm gegenüber unterhaltsberechtigt sei.
- 9
- Die Vaterschaft des Beklagten sei zwar nicht gemäß § 1600 d BGB festgestellt. Sie könne jedoch ausnahmsweise im vorliegenden Verfahren inzident festgestellt werden. Die Rechtsanwendungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB bzw. § 1599 BGB stehe dem nicht entgegen.
- 10
- Die Vaterschaft des Beklagten ergebe sich allerdings nicht bereits aus dem zwischen den Parteien ergangenen Feststellungsurteil. Die Vorschrift des § 1600 d BGB betreffe die Vaterschaftsfeststellung mit Statuswirkung. Das Feststellungsurteil wirke hingegen lediglich zwischen den Parteien und entfalte keine Statuswirkung, weshalb die Beischreibung der Vaterschaft des Beklagten zum Geburtseintrag nicht erfolgt sei.
- 11
- Die Feststellung der Vaterschaft des biologischen Vaters könne nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Regressprozess des Scheinvaters jedoch ausnahmsweise inzident erfolgen. Die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hierfür geforderten Voraussetzungen lägen vor. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass dadurch das Kindesinteresse oder der Familienfriede betroffen werde. Die biologische Vaterschaft des Beklagten sei nach Einholung eines Abstammungsgutachtens bereits mit Wirkung zwischen den Parteien festgestellt und auch dem Sohn sowie der Mutter längst bekannt. Dies ergebe sich aus dem Inhalt des abgewiesenen Vaterschaftsanfechtungsverfahrens. Das Interesse des Beklagten, nicht auf Erstattung des Unterhalts in Anspruch genommen zu werden, sei nach der gesetzlichen Wertung des § 1607 Abs. 3 BGB nicht schutzwürdig.
- 12
- Zwar sei in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen früheren Verfahren die rechtliche Vaterschaft erfolgreich angefochten gewesen. Der Entscheidung lasse sich aber nicht entnehmen, dass dies eine Voraussetzung für die inzidente Vaterschaftsfeststellung gewesen sei. Der Bundesgerichtshof fordere für die Durchbrechung der Rechtsanwendungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB die Darlegung der Voraussetzungen für die Vermutung der Vaterschaft. Sei die rechtliche Vaterschaft bereits erfolgreich angefochten, komme dem nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs lediglich beweiserleichternde Funktion zu. Hier bestehe aufgrund des vorliegenden Abstammungsgutachtens ebenfalls kein Zweifel an der Vaterschaft des Beklagten. Die Anforderungen an die Darlegungen für eine Durchbrechung der Rechtsanwendungssperre seien damit erfüllt. Schließlich habe der Bundesgerichtshof in einem weiteren Verfahren auch allgemeine Grundsätze für eine inzidente Vaterschaftsfeststellung formuliert.
- 13
- Einer inzidenten Vaterschaftsfeststellung stehe nicht entgegen, dass der Kläger die Frist des § 1600 b BGB für eine Vaterschaftsanfechtung versäumt habe. Die Frist beziehe sich auf die Vaterschaftsanfechtung mit Statuswirkung. Sie bezwecke, dass der rechtliche Familienstatus des Kindes nach Ablauf der Anfechtungsfrist nicht mehr in Frage gestellt werde. Die Inzidentfeststellung wirke dagegen nur zwischen den Parteien des Regressprozesses und kollidiere deswegen nicht mit der Anfechtungsfrist des § 1600 b BGB. Dem entspreche, dass die seit dem 1. April 2008 mögliche Klärung der biologischen Abstammung ohne Statuswirkung unbefristet möglich sei und der Kläger zu den Klärungsberechtigten gemäß § 1598 a BGB zähle. Entsprechend habe auch der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass die inzidente Vaterschaftsfeststellung bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen möglich sei, auch wenn die Frist zur Anfechtung der Vaterschaft verstrichen sei. Die Versäumung der Anfechtungsfrist stehe danach einer inzidenten Vaterschaftsfeststellung ohne Statuswirkung nicht entgegen.
- 14
- Die biologische Vaterschaft des Beklagten stehe aufgrund des im Feststellungsverfahren eingeholten Abstammungsgutachtens und des darauf gründenden Urteils vom 5. Mai 2004 zwischen den Parteien fest. Hieraus folge, dass der Beklagte dem Sohn zum Unterhalt verpflichtet war. Damit seien die Voraussetzungen für einen gesetzlichen Forderungsübergang gemäß § 1607 Abs. 3 BGB erfüllt. Weil der Anspruch der Höhe nach streitig sei, sei das Verfahren zur weiteren Klärung an das Familiengericht zurückzuverweisen.
II.
- 15
- Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision nicht stand. Dem Kläger steht gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Ersatz der an seinen Sohn geleisteten Unterhaltszahlungen zu.
- 16
- 1. Nach § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB geht der Unterhaltsanspruch eines Kindes gegen einen Elternteil in dem Umfang auf einen Dritten über, in dem der Dritte dem Kind als Vater Unterhalt gewährt hat. Die Voraussetzungen dieses Anspruchsübergangs liegen entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts nicht vor, weil der Kläger den Unterhalt an seinen Sohn nicht als Dritter im Sinne des § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB, sondern als unterhaltspflichtiger Vater geleistet hat.
- 17
- a) Der Kläger ist nach § 1592 Nr. 1 BGB Vater des Kindes, weil dieses während seiner Ehe mit der Mutter geboren wurde. Diese Statuswirkung der ehelichen Geburt kann zwar nach § 1599 Abs. 1 BGB rückwirkend auf den Zeitpunkt der Geburt (ex tunc) aufgehoben werden. Eine solche Statusentscheidung liegt allerdings nicht vor.
- 18
- Nach den insoweit zutreffenden Ausführungen des Oberlandesgerichts führt das rechtskräftige Feststellungsurteil vom 5. Mai 2004 nicht zu einer wirksamen Anfechtung der Vaterschaft im Sinne von § 1599 Abs. 1 BGB. Die Entscheidung ist nicht in einem Statusverfahren über die Anfechtung der Vater- schaft ergangen, das nach § 1600 e Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F. (vgl. jetzt § 172 FamFG) auf Klage des Mannes gegen das Kind einzuleiten gewesen wäre. Im Hinblick auf die davon abweichenden Prozessparteien und den nur eingeschränkten Streitgegenstand wirkt das rechtskräftige Urteil nicht gemäß § 640 h Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F. (vgl. jetzt § 184 Abs. 2 FamFG) für und gegen alle, sondern nur zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits. Das Feststellungsurteil lässt deswegen den Status der ehelichen Geburt des Kindes unberührt. Zu Recht hat das Oberlandesgericht München deswegen die Eintragung eines Randvermerks im Geburtenbuch abgelehnt.
- 19
- Auch in dem späteren Statusverfahren hat der Kläger seineVaterschaft nicht wirksam nach § 1599 Abs. 1 BGB angefochten. Denn diese Klage ist vom zuständigen Amtsgericht rechtskräftig abgewiesen worden, weil bei Eingang der Klage die zweijährige Anfechtungsfrist des Klägers nach § 1600 b Abs. 1 Satz 1 BGB bereits abgelaufen war.
- 20
- Der Kläger ist somit nach wie vor gemäß § 1592 Nr. 1 BGB Vater seines Kindes mit Wirkung für und gegen alle. Auch aus heutiger Sicht hat er den Kindesunterhalt auf der Grundlage der gesetzlichen Unterhaltspflicht nach den §§ 1601 ff. BGB und nicht als Dritter im Sinne des § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB erbracht.
- 21
- b) Die Wirkungen der Vaterschaft des Klägers sind auch nicht durch eine andere Vaterschaftsfeststellung im Verhältnis der Parteien entfallen.
- 22
- aa) § 1600 d BGB, der die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft regelt , besagt in dessen Absatz 4 ausdrücklich, dass Rechtswirkungen der Vaterschaft , soweit sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt, erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden können. Dabei handelt es sich um die statusrechtliche Feststellung im Sinne von § 1600 d BGB, die einem sonstigen für und gegen alle wirkenden Familienstatus nicht widersprechen darf. Grundsätzlich schließt die Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB, die von Amts wegen zu beachten ist (Senatsurteil BGHZ 176, 327 = FamRZ 2008, 1424 Rn. 36), deswegen auch eine Inzidentfeststellung der Vaterschaft im Regressprozess zwischen dem Scheinvater und dem von ihm vermuteten Erzeuger des Kindes aus (Senatsurteil BGHZ 121, 299 = FamRZ 1993, 696 f.). Von diesem Grundsatz hatte der Senat zunächst nur in besonders gelagerten Fällen Ausnahmen zugelassen, etwa für den Fall des Regresses gegen den Rechtsanwalt, der die Frist zur Erhebung der Vaterschaftsanfechtungsklage versäumt hat (Senatsurteil BGHZ 72, 299 = FamRZ 1979, 112 ff.).
- 23
- bb) In seiner neueren Rechtsprechung hat der Senat weitere Ausnahmen von der Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB zugelassen, die im Wesentlichen auf gesetzliche Neuregelungen zurückzuführen sind.
- 24
- (1) Durch das am 1. Juli 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Abschaffung der gesetzlichen Amtspflegschaft und Neuregelung des Rechts der Beistandschaft (BeistandschaftsG) vom 4. Dezember 1997 (BGBl. I 2846) ist die gesetzliche Amtspflegschaft für nichtehelich geborene Kinder abgeschafft und zugleich für bestimmte Aufgaben, zu denen gemäß § 1712 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch die Feststellung der Vaterschaft gehört, eine freiwillige Beistandschaft des Jugendamtes eingeführt worden. Solange der potenzielle Erzeuger des Kindes nicht selbst Vaterschaftsfeststellungsklage erhebt, hängt es bis zur Volljährigkeit des Kindes nun allein vom Willen der Mutter ab, ob sie ihrerseits Vaterschaftsfeststellungsklage erhebt oder nicht. Wenn sie dies unterlässt, kann das Familiengericht ihr nach § 1629 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz BGB nicht die Vertretungsmacht für diese Angelegenheit entziehen.
- 25
- Weil der Scheinvater selbst nach § 1600 e Abs. 1 BGB a.F. (vgl. jetzt § 172 FamFG) für eine Klage auf Feststellung der Vaterschaft nicht klagebefugt ist, sondern nur die Anfechtungsklage erheben kann (§ 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 169 Abs. 4 FamFG), würde sich der Rückgriffsanspruch des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes bei strikter Anwendung der Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB in einer Vielzahl von Fällen als undurchsetzbar erweisen. Wenn weder mutmaßlicher Erzeuger noch Kindesmutter noch Kind von ihrem Recht, die Vaterschaft gerichtlich feststellen zu lassen, Gebrauch machen, steht kein Vater fest, gegen den der Scheinvater seinen Rückgriffsanspruch richten kann (Senatsurteil BGHZ 176, 327 = FamRZ 2008, 1424 Rn. 23 f.).
- 26
- (2) Zum anderen hat der Gesetzgeber mit dem zum 1. April 2008 in Kraft getretenen Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren vom 26. März 2008 (BGBl. I 441) ein Verfahren zur Verfügung gestellt , das der Klärung der Abstammung dient und es gleichwohl zulässt , die sich gegebenenfalls als unzutreffend erweisende statusrechtliche Zuordnung des Kindes unverändert zu lassen. Dabei handelt es sich um ein gerichtsförmiges Verfahren, das Gewissheit über die tatsächliche Abstammung herbeiführen soll, einen dieser Erkenntnis entgegenstehenden Status des Kindes aber unberührt lässt.
- 27
- (3) Angesichts dieser neuen Rechtslage hat es der Senat für gerechtfertigt gehalten, in besonders gelagerten Einzelfällen Bedenken gegen eine Inzidentfeststellung der Vaterschaft zurückzustellen. Denn eine Inzidentfeststellung der Abstammung im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger erwächst nicht in Rechtskraft, als bloße Vorfrage nicht einmal zwischen den Parteien dieses Prozesses (Senatsurteil BGHZ 176, 327 = FamRZ 2008, 1424 Rn. 25 ff.).
- 28
- cc) Allerdings wollte der Gesetzgeber durch die Neuregelung zur Klärung der Vaterschaft nicht unmittelbar in das statusrechtliche Verhältnis eingreifen. Auch die Frist für eine Anfechtung der Vaterschaft nach § 1600 b BGB hat er ausdrücklich fortgelten lassen. Die im Entwurf eines Gesetzes zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren ursprünglich vorgesehene Regelung, wonach die Anfechtungsfrist durch eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung nach § 1598 a BGB erneut beginnen sollte (BT-Drucks. 16/6561 S. 14), ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens bewusst gestrichen worden. Denn Sinn und Zweck der Anfechtungsfrist ist das Interesse des Kindes und der Allgemeinheit an Rechtssicherheit. Wer Kenntnis von Umständen hat, die gegen die Vaterschaft sprechen, soll sich innerhalb der zweijährigen Anfechtungsfrist entscheiden müssen, ob er die Vaterschaft anfechten möchte oder nicht (BT-Drucks. 16/8219 S. 7). Bei der Neuregelung des Anspruchs auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung nach § 1598 a BGB hat der Gesetzgeber mithin deutlich darauf hingewiesen, dass der familienrechtliche Status des Kindes von der Klärung der leiblichen Abstammung unberührt bleibt und auch der Lauf der Anfechtungsfrist des § 1600 b BGB dadurch nicht beeinflusst wird.
- 29
- dd) Hat der rechtliche Vater seine Vaterschaft - wie hier - nicht im Statusverfahren nach § 1599 BGB angefochten, gilt seine Vaterschaft für und gegen alle, auch gegenüber einem mutmaßlichen Erzeuger, fort. Eine gerichtliche Entscheidung darf dieser Wirkung nicht widersprechen und zwar unabhängig davon, ob über die Vaterschaft unmittelbar oder lediglich als Vorfrage zu entscheiden wäre. Für das Statusverfahren ist dies ausdrücklich in § 1600 d Abs. 1 BGB geregelt, wonach eine gerichtliche Feststellung der Vaterschaft voraussetzt , dass keine andere Vaterschaft nach §§ 1592 Nr. 1 und 2, 1593 BGB besteht. Auch die Vorschriften der §§ 1593 Satz 4, 1600 Abs. 2 BGB stellen si- cher, dass durch die Änderung der statusrechtlichen Wirkung keine doppelte Vaterschaft entstehen kann.
- 30
- Nichts anderes gilt für Fälle, in denen an Stelle einer Vaterschaftsfeststellung nach § 1600 d BGB trotz der grundsätzlichen Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB ausnahmsweise als Vorfrage eine inzidente Vaterschaftsfeststellung geboten wäre. Weil die statusrechtlichen Folgen der Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 BGB für und gegen jedermann wirken, würde auch eine davon abweichende inzidente Vaterschaftsfeststellung auf eine doppelte Vaterschaft hinauslaufen. Die für und gegen alle geltende Wirkung des § 1592 Nr. 1 BGB bliebe unberührt und daneben würde das Gericht seiner weiteren Entscheidung eine zwischen den Parteien geltende abweichende inzidente Vaterschaftsfeststellung zugrunde legen. Auch für eine Vorfrage des Folgeprozesses ist dies mit dem Gesetz nicht vereinbar. Insoweit unterscheidet sich die gesetzliche Wirkung der rechtlichen Vaterschaft nicht von der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen (vgl. insoweit BGH Urteile vom 14. Februar 2006 - VI ZR 322/04 - NJW-RR 2006, 712 Rn. 15; vom 26. Juli 2005 - X ZR 109/03 - NJW 2006, 63 Rn. 12 f. und vom 29. September 1994 - III ZR 57/94 - NVwZ 1995, 412).
- 31
- Darin liegt zugleich der Unterschied zu den vom Senat in der Vergangenheit zugelassenen Ausnahmen von der Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB. Ist eine rechtliche Vaterschaft gemäß § 1599 BGB wirksam angefochten, kann durch die inzidente Vaterschaftsfeststellung keine doppelte Vaterschaft mehr entstehen. Eine im Einzelfall zulässige Durchbrechung der Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB setzt deswegen voraus, dass zuvor eine dem widersprechende Vaterschaft wirksam nach § 1599 BGB angefochten worden ist (vgl. auch Senatsurteile vom 9. November 2011 - XII ZR 136/09 - zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt Rn. 15; BGHZ 176, 327 = FamRZ 2008, 1424 Rn. 31; vom 22. Oktober 2008 - XII ZR 46/07 - FamRZ 2009, 32 Rn. 14 und BGHZ 14, 358, 360 ff.).
- 32
- ee) Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts lässt sich die Zulässigkeit einer inzidenten Vaterschaftsfeststellung ohne vorangegangene Anfechtung einer widersprechenden rechtlichen Vaterschaft auch nicht auf der Grundlage des Senatsbeschlusses vom 25. Juni 2008 (XII ZB 163/06 - FamRZ 2008, 1836 Rn. 20 ff.) herleiten. In dieser Entscheidung hatte der Senat im Rahmen des Versorgungsausgleichs zwischen den geschiedenen Eltern eines ehelich geborenen Kindes darüber zu entscheiden, ob die lange Trennungszeit einem vollständigen Versorgungsausgleich nach § 1587 c Nr. 1 BGB a.F. (vgl. jetzt § 27 VersAusglG) entgegensteht. Im Rahmen der dabei gebotenen Billigkeitsentscheidung unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten kam es nicht darauf an, neben der statusrechtlichen Vaterschaft inzident eine weitere Vaterschaft festzustellen. Die im Rahmen der Billigkeitsentscheidung allein zu beantwortende Frage, unter welchen Voraussetzungen die Folgen der statusrechtlichen Vaterschaft bei unstreitig nichtehelicher Abstammung ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben können, lässt sich auf die vorliegende Rechtsfrage nicht übertragen.
- 33
- 2. Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten ergibt sich auch nicht aus bereicherungsrechtlichen Vorschriften. Entgegen der Auffassung des Klägers hat dieser seine Leistungen an das Kind nicht ohne Rechtsgrund, sondern auf der Grundlage seiner rechtlichen Vaterschaft gemäß § 1592 Nr. 1 BGB erbracht. Diese Vaterschaft besteht wegen Versäumung der Anfechtungsfrist des § 1600 b BGB fort und begründet den Unterhaltsanspruch des Kindes gemäß den §§ 1601 ff. BGB. Auch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch gegen den mutmaßlichen leiblichen Vater kommt somit erst dann in Betracht, wenn der rechtliche Vater seine Vaterschaft nach § 1599 BGB wirksam angefochten hat (vgl. auch Senatsurteil BGHZ 78, 201 = FamRZ 1981, 30 f.).
- 34
- 3. Weil der Kläger die Anfechtungsfrist des § 1600 b BGB versäumt und seine rechtliche Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 BGB nicht wirksam angefochten hat, scheidet ein Rückgriff gegen den Beklagten aus. Dem Kläger verbleibt auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats allenfalls ein Regressanspruch gegen seine Streithelfer als frühere Prozessbevollmächtigte, weil es insoweit auf die Anfechtung der Ehelichkeit nicht ankommt (BGHZ 72, 299 = FamRZ 1979, 112).
Vorinstanzen:
AG Straubing, Entscheidung vom 16.04.2009 - 1 F 352/06 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 17.11.2009 - 9 UF 573/09 -
Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, gilt folgende Rangfolge:
- 1.
minderjährige Kinder und Kinder im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2, - 2.
Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Fall einer Scheidung wären, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer; bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile im Sinne des § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 zu berücksichtigen, - 3.
Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nummer 2 fallen, - 4.
Kinder, die nicht unter Nummer 1 fallen, - 5.
Enkelkinder und weitere Abkömmlinge, - 6.
Eltern, - 7.
weitere Verwandte der aufsteigenden Linie; unter ihnen gehen die Näheren den Entfernteren vor.
(1) Ein minderjähriges Kind kann von einem Elternteil, mit dem es nicht in einem Haushalt lebt, den Unterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts verlangen. Der Mindestunterhalt richtet sich nach dem steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimum des minderjährigen Kindes. Er beträgt monatlich entsprechend dem Alter des Kindes
- 1.
für die Zeit bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahrs (erste Altersstufe) 87 Prozent, - 2.
für die Zeit vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahrs (zweite Altersstufe) 100 Prozent und - 3.
für die Zeit vom 13. Lebensjahr an (dritte Altersstufe) 117 Prozent
(2) Der Prozentsatz ist auf eine Dezimalstelle zu begrenzen; jede weitere sich ergebende Dezimalstelle wird nicht berücksichtigt. Der sich bei der Berechnung des Unterhalts ergebende Betrag ist auf volle Euro aufzurunden.
(3) Der Unterhalt einer höheren Altersstufe ist ab dem Beginn des Monats maßgebend, in dem das Kind das betreffende Lebensjahr vollendet.
(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat den Mindestunterhalt erstmals zum 1. Januar 2016 und dann alle zwei Jahre durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, festzulegen.
(5) (weggefallen)
Abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenverteilung entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Es hat hierbei insbesondere zu berücksichtigen:
- 1.
das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten, einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung, - 2.
den Umstand, dass ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einer Aufforderung des Gegners zur Erteilung der Auskunft und Vorlage von Belegen über das Einkommen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, es sei denn, dass eine Verpflichtung hierzu nicht bestand, - 3.
den Umstand, dass ein Beteiligter einer Aufforderung des Gerichts nach § 235 Abs. 1 innerhalb der gesetzten Frist nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, sowie - 4.
ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 der Zivilprozessordnung.
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.