Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 15. Sept. 2016 - 3 RVs 70/16

ECLI:ECLI:DE:OLGHAM:2016:0915.3RVS70.16.00
bei uns veröffentlicht am15.09.2016

Tenor

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 15. Sept. 2016 - 3 RVs 70/16

Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 15. Sept. 2016 - 3 RVs 70/16

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb
Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 15. Sept. 2016 - 3 RVs 70/16 zitiert 10 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Strafgesetzbuch - StGB | § 69a Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis


(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß

Strafprozeßordnung - StPO | § 246a Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung


(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Ange

Strafgesetzbuch - StGB | § 56a Bewährungszeit


(1) Das Gericht bestimmt die Dauer der Bewährungszeit. Sie darf fünf Jahre nicht überschreiten und zwei Jahre nicht unterschreiten. (2) Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung. Sie kann nachträglich b

Referenzen - Urteile

Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 15. Sept. 2016 - 3 RVs 70/16 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 15. Sept. 2016 - 3 RVs 70/16 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Apr. 2005 - 5 StR 147/05

bei uns veröffentlicht am 20.04.2005

5 StR 147/05 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 20. April 2005 in der Strafsache gegen wegen versuchten schweren Raubes u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. April 2005 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. März 2009 - 3 StR 84/09

bei uns veröffentlicht am 17.03.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 84/09 vom 17. März 2009 in der Strafsache gegen wegen schweren Raubes Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 17. März 2009 einsti

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Aug. 2004 - 5 StR 93/04

bei uns veröffentlicht am 17.08.2004

Nachschlagewerk: ja BGHSt : ja Veröffentlichung : ja StGB § 21 Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf zu verantwortender Trunkenheit, spricht dies in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB, wenn

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Mai 2016 - 1 ARs 21/15

bei uns veröffentlicht am 10.05.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 ARs 21/15 vom 10. Mai 2016 in der Strafsache gegen wegen Totschlags hier: Anfragebeschluss des 3. Strafsenats vom 15. Oktober 2015 – 3 StR 63/15 ECLI:DE:BGH:2016:100516B1ARS21.15.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgeric

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Apr. 2016 - 4 ARs 16/15

bei uns veröffentlicht am 28.04.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 ARs 16/15 vom 28. April 2016 in der Strafsache gegen wegen Totschlags hier: Anfragebeschluss des 3. Strafsenats vom 15. Oktober 2015 – 3 StR 63/15 ECLI:DE:BGH:2016:280416B4ARS16.15.0 Der 4. Strafsenat des Bundes

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. März 2016 - 5 ARs 50/15

bei uns veröffentlicht am 01.03.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 ARs 50/15 vom 1. März 2016 in der Strafsache gegen wegen Totschlags hier: Anfragebeschluss des 3. Strafsenats vom 15. Oktober 2015 – 3 StR 63/15 ECLI:DE:BGH:2016:010316B5ARS50.15.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgeric
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 15. Sept. 2016 - 3 RVs 70/16.

Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 08. Nov. 2016 - 3 RVs 85/16

bei uns veröffentlicht am 08.11.2016

Tenor 1. Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben a) im Einzelstrafenausspruch bezüglich der Tat zu Ziffer 2., b) im Gesamtstrafenausspruch, c) im Maßregelausspruch, auch soweit von der Anordnung der Unterbri

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

5 StR 147/05

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 20. April 2005
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten schweren Raubes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. April 2005

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. Oktober 2004 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten schwe ren Raubes, vorsätzlicher Körperverletzung, vorsätzlichen Vollrauschs und Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Der Senat sieht Anlaß zu folgender Klarstellung: Dem Angeklagten wurde bei allen Taten trotz jeweils erheblicher Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit aufgrund Alkoholisierung eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB versagt. Das Landgericht führt in diesem Zusammenhang aus, der Strafrahmenverschiebung stehe insbesondere entgegen, daß sich für den einschlägig wegen alkoholbestimmten Gewalt- und Eigentumsdelikten vorbestraften Angeklagten durch die alkoholische Enthemmung vorhersehbar das Risiko der Begehung entsprechender Straftaten erhöht habe. Dieser regelmäßig für sich allein tragfähige Ansatz (vgl. BGH NJW 2004, 3350, 3352, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) wird hier durch die Feststellungen der Strafkammer relativiert, daß der Angeklagte seit seinem 20. Lebensjahr jeden Tag bis zu zweieinhalb Flaschen hochprozentiger Al- koholika trinkt und inzwischen alkoholkrank an der Grenze zum chronischen Alkoholismus ist, zudem nach regelmäßigem morgendlichen Trinkbeginn nur noch eingeschränkt seinem Verlangen nach Alkohol widerstehen kann.
Bei der Entscheidung, ob dem Angeklagten eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gewährt wird, können im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Gesichtspunkte zwar auch einem alkoholkranken Straftäter schulderhöhende Verhaltensweisen angelastet werden, die den grundsätzlich schuldmindernden Gesichtspunkt einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufwiegen (vgl. BGH aaO S. 3352; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 29). Voraussetzung ist jedoch nicht nur die Vorhersehbarkeit, sondern auch die Vermeidbarkeit entsprechenden Verhaltens (vgl. BGH NJW 2004, 3350, 3351). Gerade dem Alkoholkranken kann deshalb jedenfalls sein Alkoholkonsum in aller Regel nicht ohne weiteres schulderhöhend vorgeworfen werden.
Die Versagung der Strafrahmenverschiebung ist vorliegend angesichts folgender weiterer Erwägungen nicht zu beanstanden: Sachverständig beraten hat das Landgericht bei dem Angeklagten festgestellt, daß er in seiner Steuerungsfähigkeit im Hinblick auf die Entscheidung, Alkohol zu sich zu nehmen oder dies zu lassen, nur erheblich eingeschränkt ist. Trotz Alkoholgewöhnung ist danach ein Rest von Steuerungsfähigkeit in bezug auf die Alkoholaufnahme erhalten geblieben, der es unter den festgestellten Umständen rechtfertigt, die Alkoholaufnahme dem in alkoholisiertem Zustand häufig gewalttätigen Angeklagten – wenn auch mit minderem Gewicht – als schulderhöhend, weil vermeidbar, anzulasten. In die Gesamtabwägung, bei der dem Tatrichter ein weiter Beurteilungsspielraum zukommt (vgl. BGH aaO S. 3353), konnten hier die übrigen vom Landgericht geschilderten konkret besonders gewichtigen Tatumstände wiederholt einschlägiger Vorerfahrungen schulderhöhend eingestellt werden, so daß von einer Strafrahmenverschiebung abgesehen werden durfte.
Harms Basdorf Gerhardt Raum Brause
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf
zu verantwortender Trunkenheit, spricht dies in der Regel gegen
eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB,
wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse
des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar
signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht hat. Ob
dies der Fall ist, hat der Tatrichter in wertender Betrachtung zu
bestimmen; seine Entscheidung unterliegt nur eingeschränkter
revisionsgerichtlicher Überprüfung.
BGH, Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04
LG Potsdam

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 17. August 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. August
2004, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf
als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt P
als Verteidiger für den Angeklagten G ,
Rechtsanwalt V
als Verteidiger für den Angeklagten M ,
Justizhauptsekretärin N ,
Justizangestellte R
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 22. Juli 2003 in den Strafaussprüchen gegen die Angeklagten G und M mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Revision des Angeklagten M gegen dieses Urteil wird verworfen. Er hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Nötigung jeweils – unter Zubilligung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB aufgrund erheblicher Alkoholisierung – zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Während die Staatsanwaltschaft mit ihren zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen lediglich den Strafausspruch beanstandet, wendet sich der Angeklagte M mit der Sachrüge umfassend gegen seine Verurteilung.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts spricht der Angeklagte G seit dem Jugendalter dem Alkohol zu und ist deutlich alkoholgewöhnt. Er ist mehrfach wegen Eigentums- und Verkehrsdelikten, darunter auch Trunkenheit im Verkehr, vorbestraft. Am Tattag hatte er von den frühen Morgenstunden an über den Tag verteilt mehrere Flaschen Bier getrunken, bevor er mit dem ebenfalls bereits angetrunkenen, bislang unbestraften Angeklagten M den später Geschädigten Pi in der Absicht aufsuchte, diesen zu mißhandeln. Die Angeklagten hatten über Pi das von ihnen nicht weiter überprüfte Gerücht gehört, er habe ein kleines Mädchen vergewaltigt. Gemeinsam wollten beide „ihre Freude an Gewalttätigkeit an ihm ausleben“.
In der Wohnung von Pi schlugen und traten die Angeklagten sogleich auf diesen ein und forderten ihn auf zuzugeben, daß er das Mädchen vergewaltigt habe. Der Geschädigte mußte in einem vom Angeklagten G gesteuerten PKW zu dem wegen Beihilfe an dem strafbaren Geschehen inzwischen rechtskräftig verurteilten K mitkommen. Dort mißhandelten G und M ihr Opfer unter Beschimpfungen weiter, so daß Pi schließlich im Gesicht blutete und sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Anschließend fuhren alle gemeinsam mit dem Auto des G zu einem Imbiß und sodann über Land; der Geschädigte mußte nun in den Kofferraum steigen. An einem Wehr wurde er von den Angeklagten halb entkleidet und in das 15 bis 18 Grad kalte Wasser gestoßen. Nach einiger Zeit zogen die Angeklagten den Geschädigten schließlich wieder an Land, traten auf ihn ein, bis er das Bewußtsein verlor, und ließen ihn halbnackt und bewußtlos liegen. Pi erlitt durch die Mißhandlungen der Angeklagten vielfache Prellungen, eine Rippenfraktur und eine – unbehandelt lebensgefährliche – traumatische Hirnblutung, zudem eine Unterkühlung und Herzrhythmusstörungen. Während des sich über mehrere Stunden hinziehenden Tatgeschehens hatten
beide Angeklagte nicht unerhebliche Mengen Bier und andere alkoholische Getränke zu sich genommen.
Das Landgericht hat den Strafrahmen des § 224 Abs. 1 Nr. 4 (i.V.m. § 52 Abs. 2) StGB nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB aufgrund der Alkoholisierung der Angeklagten und dadurch verursachter erheblicher Verminderung der „Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit“ (richtig: Steuerungsfähigkeit, vgl. Tröndle /Fischer, StGB 52. Aufl. § 21 Rdn. 5 m.w.N.) verschoben. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Trunkenheit desAngeklagten G sei am Tattag nicht verschuldet gewesen, weil er bislang weitgehend vom Alkohol beherrscht wurde; mangels Einlassung des Angeklagten M auch sei zu dessen Gunsten davon auszugehen, daß seine Trunkenheit unverschuldet gewesen sei.

II.


Die auf den jeweiligen Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg.
1. Die Beschwerdeführerin hat ihre Rechtsmittel wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Wie sich aus der Revisionsbegründungsschrift vom 24. September 2003 ergibt, sollen allein die zugunsten der Angeklagten vorgenommenen Strafrahmenverschiebungen und damit die verhängten Rechtsfolgen angegriffen werden; nur insoweit wird die Sachrüge ausgeführt. Ungeachtet der Erhebung einer nicht ausdrücklich beschränkten Sachrüge und eines umfassenden Aufhebungsantrags ist dem Revisionsvortrag deshalb eine Beschränkung der Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch zu entnehmen (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; BGH, Urteil vom 16. März 2004 – 5 StR 364/03). Diese Beschränkung ist auch wirksam, da die Feststellungen des Landgerichts zum Schuldspruch weder widersprüchlich oder lückenhaft und damit ergänzungsbedürftig noch mit den Feststellungen zum Strafausspruch untrennbar verknüpft sind. Für die Frage der
Strafzumessung bilden die Feststellungen zum Schuldspruch eine tragfähige Grundlage, auch wenn sie – was der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend angedeutet hat – eine weitergehende strafrechtliche Bewertung des Geschehens zum Nachteil der Angeklagten hätten rechtfertigen können.
2. Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei aufgrund von plausiblen Trinkmengenangaben des Angeklagten G , von Zeugenbeschreibungen über den Zustand der Angeklagten und eines insgesamt auf erhebliche Enthemmung hindeutenden Tatbildes bei beiden Angeklagten sachverständig beraten zu dem Ergebnis gelangt, daß ihre Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war.
3. Die Staatsanwaltschaft beanstandet gleichwohl zu Recht die zu Gunsten der Angeklagten vorgenommene Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB.

a) Der 3. Strafsenat hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die bisherige – in sich eher uneinheitliche und teils sogar widersprüchliche – Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB bei vorwerfbarer Alkoholisierung grundsätzlich überdacht werden sollte (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31 mit Anmerkungen : Foth NStZ 2003, 597; Frister JZ 2003, 1019; Neumann StV 2003, 527; Scheffler Blutalkohol 2003, 449; Streng NJW 2003, 2963; zustimmend der 2. Strafsenat in BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 32). Der Senat pflichtet diesem Anliegen bei, gelangt indes zu dem folgenden differenzierenden und bisheriger Rechtsprechung nicht tragend widersprechenden Ergebnis:
Über die fakultative Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB entscheidet der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen aufgrund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände. Beruht die
erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf zu verantwortender Trunkenheit , spricht dies in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht hat. Ob dies der Fall ist, hat der Tatrichter in wertender Betrachtung zu bestimmen. Seine Entscheidung unterliegt nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung und ist regelmäßig hinzunehmen , sofern die dafür wesentlichen tatsächlichen Grundlagen hinreichend ermittelt und bei der Wertung ausreichend berücksichtigt worden sind.

b) Die vom Senat gefundene Lösung beruht insbesondere auf folgenden Erwägungen:
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß eine erhebliche Einschränkung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit grundsätzlich den Schuldgehalt der Tat vermindert (vgl. BGHSt 7, 28, 30; BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4; so auch schon RGSt 69, 314, 317). Dies allein zwingt jedoch nicht zu einer Strafrahmenverschiebung gemäß § 49 Abs. 1 StGB. Dem Tatrichter ist in Fällen erheblich verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB grundsätzlich ein Ermessen bei der Entscheidung eingeräumt , ob er aufgrund dieses Umstandes die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB durch eine Verschiebung des anzuwendenden Strafrahmens mildert oder nicht (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 21). Nach dem Gesetzeswortlaut des § 21 StGB „kann“ die Strafe lediglich gemildert werden; weder „muß“ noch „soll“ der Strafrahmen verschoben werden. Der Gesetzgeber hat damit zu erkennen gegeben, daß auch eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB für sich allein weder zwingend noch in der Regel zu einer durchgreifenden Verringerung des Schuldumfangs führt (vgl. auch Foth in Festschrift für Hannskarl Salger, 1995, S. 31, 37).
Die Minderung der Tatschuld durch Einschränkung der Schuldfähigkeit kann nämlich durch schulderhöhende Umstände kompensiert werden
(st. Rspr., vgl. Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 21 Rdn. 20 ff. m.w.N.; BVerfGE 50, 5, 11 f.). Der 3. Strafsenat sieht einen solchen Umstand generell in jeder vorwerfbar herbeigeführten Alkoholisierung (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31). Dabei kommt indes nicht ausreichend zur Geltung , daß jede Schulderhöhung wenigstens (einfache) Fahrlässigkeit als geringste Schuldform voraussetzt. Notwendige Elemente solcher Fahrlässigkeit sind Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des rechtswidrigen Ergebnisses ganz allgemein (objektiv) und speziell für den Täter (subjektiv). Bezugspunkt des schulderhöhenden Moments muß zudem das konkret begangene Unrecht sein; es bedarf also einer bestimmten subjektiven Beziehung zu der später begangenen rechtswidrigen Handlung (Jähnke in LK 11. Aufl. § 21 Rdn. 22).
Trotz verbreiteten vielfachen Alkoholgebrauchs und -mißbrauchs kommt es nur in einem Bruchteil der Fälle erheblicher Alkoholisierung zu einer rechtswidrigen Tat. Häufig ist eine Gefährdung anderer gänzlich ausgeschlossen (vgl. Spendel in LK 11. Aufl. § 323a Rdn. 224). Andererseits ist nicht zu verkennen, daß Alkohol das Risiko der Begehung strafbarer Handlungen generell erhöht; ein großer Teil der Straftaten gegen Leib und Leben sowie gegen die sexuelle Selbstbestimmung wird unter Alkoholeinfluß begangen. Dieser Befund rechtfertigt indes nicht die Annahme, es sei stets objektiv und subjektiv vorhersehbar, daß bei erheblicher Alkoholisierung in der konkreten Situation die Begehung von Straftaten durch den Betrunkenen drohe. Dies hängt vielmehr von der jeweiligen Person des Täters und von der Situation ab, in der getrunken wird oder in die sich der Täter betrunken begibt.
(1) Schon nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Strafmilderung bei erheblicher Alkoholisierung zu versagen, wenn der Täter die für ihn besonders ungünstige Wirkung des Alkoholgenusses kannte und wußte oder wissen mußte, daß er dann zu Gewalttätigkeiten oder anderen Straftaten neigt (BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4; vgl. Trönd-
le/Fischer aaO § 21 Rdn. 25 m.w.N.). Damit kommt es also darauf an, ob besondere Umstände in der Person des Täters im konkreten Einzelfall vorhersehbar das Risiko der Begehung rechtswidriger Taten signifikant erhöht haben. Soweit in diesem Zusammenhang teilweise zusätzlich gefordert wird, der Täter müsse schon zuvor nach Ausmaß und Intensität mit der jetzigen Tat vergleichbare Straftaten begangen haben (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 6, 14, 16; weitere Nachweise bei Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 21 Rdn. 20), hält der Senat daran nicht fest. An die Vergleichbarkeit sind schon nach bisheriger Rechtsprechung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4). Zu differenzieren ist hier allenfalls nach weit zu fassenden Deliktsgruppen. Wer unter dem Einfluß erheblicher Mengen Alkohol – wie er aufgrund persönlicher Vorerfahrung weiß oder wissen muß – zu gewalttätigen Übergriffen auf andere neigt, den trifft in Hinblick auf die enthemmende Wirkung des Alkohols in Fällen der Gewaltkriminalität grundsätzlich ein schulderhöhender Fahrlässigkeitsvorwurf; anderes gilt nur, wenn die bisher unter Alkoholeinfluß begangenen Straftaten ganz anderer Art waren als die nunmehr zu beurteilende, wenn also die neue Tat so unvergleichbar mit den früheren ist, daß der Täter mit Ähnlichem gar nicht re chnen kann (BGHR aaO). Entscheidend ist somit regelmäßig nicht die äußerliche Vergleichbarkeit der einzelnen Taten, sondern die nämliche Wurzel des jeweiligen deliktischen Verhaltens (Jähnke aaO § 21 Rdn. 22).
Bei alldem müssen die Vorerfahrungen nicht unbedingt zu Vorstrafen oder auch nur Strafverfahren geführt haben. Denn es geht in diesem Zusammenhang um das Wissen des Täters von seiner Gefährlichkeit und nicht notwendig um den – gegebenenfalls hinzutretenden – Gesichtspunkt der Warnfunktion einer früheren Verurteilung.
(2) Die Gefahr der Begehung von Straftaten in erheblich alkoholisiertem Zustand kann indes signifikant und vorhersehbar nicht nur durch die Person des Täters, sondern auch durch die Umstände der jeweiligen Situati-
on erhöht werden. Wer in einer gefahrträchtigen Lage in erheblichem Maße dem Alkohol zuspricht, dem kann schulderhöhend vorgeworfen werden, daß er sich mit einer gewissen Leichtfertigkeit in die Tatsituation gebracht hat (BGH NStZ 1990, 537, 538). Vorwerfbar ist dabei, daß in einer solchen Situation trotz konkreter Vorhersehbarkeit der durch eine weitere Alkoholisierung drohenden Rechtsbrüche getrunken wird (vgl. auch Jähnke aaO). Insbesondere in stark emotional aufgeladenen Krisensituationen wird die Gefahr von Gewalttätigkeiten durch die enthemmende Wirkung erheblicher Alkoholisierung regelmäßig vorhersehbar erhöht (vgl. BGH NStZ 1990, 537, 538). Gleiches gilt für das Trinken in Gruppen, aus denen heraus – gerade auch aufgrund gruppendynamischer Prozesse – leicht Straftaten gegen andere begangen werden. Wer sich etwa in einer Gruppe marodierender Hooligans oder gewaltbereiter Radikaler betrinkt, muß konkret mit der Begehung von Straftaten im trunkenen Zustand rechnen. Die Alkoholisierung kann – wenn nicht bereits die Grundsätze der actio libera in causa eine Strafmilderung ausschließen – auch nicht demjenigen zugute kommen, der sich in Fahrbereitschaft betrinkt, also weiß oder damit rechnen muß, noch als Fahrer am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 316 Rdn. 54; König in LK 11. Aufl. § 316 Rdn. 243).
Es macht für die Versagung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB auch keinen relevanten Unterschied, ob der Täter in einer erkennbar gewaltträchtigen Situation enthemmend dem Alkohol zuspricht oder sich, sofern ihm dies insoweit vorzuwerfen ist, bereits durch Trunkenheit enthemmt, bewußt in eine solche Situation begibt. Wer sich schon angetrunken einer gewaltbereiten Gruppe anschließt, dem kann schulderhöhend vorgeworfen werden, daß er trotz der bekanntermaßen enthemmenden Wirkung seiner Alkoholisierung eine gewaltträchtige Situation aufgesucht hat.
In diesem Zusammenhang muß es auch nicht entscheidend darauf ankommen, ob die Trunkenheit als solche vorwerfbar ist oder nicht, da auch
letzterenfalls andere schulderhöhende Momente die Versagung der Strafmilderung rechtfertigen können (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 29). Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände ist es deshalb nicht ohne weiteres ausgeschlossen, auch einem alkoholabhängigen Täter zwar nicht die Alkoholisierung als solche , aber – bei insoweit noch vorhandener Hemmungsfähigkeit – als schulderhöhend vorzuwerfen, daß er sich bewußt in eine gewaltträchtige Situation begeben hat, obwohl er wußte oder wissen mußte, daß er sich dort infolge seiner Beherrschung durch den Alkohol nur eingeschränkt werde steuern können. Je eher ein alkoholabhängiger Täter von den infolge seines Zustandes von ihm ausgehenden Gefahren für andere weiß – etwa aufgrund früher unter Alkoholeinfluß begangener Straftaten – und je schwererwiegend die Straftaten sind, mit deren Begehung er rechnet oder rechnen muß, desto weniger wird eine Strafmilderung in Betracht kommen, wenn er sich dessen ungeachtet in eine gewaltträchtige Situation begeben hat und ihm dies vorzuwerfen ist (vgl. auch BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 29).
(3) Auch in anderer Weise kann an ein konkret tatbezogenes Verschulden des Täters vor Tatbeginn angeknüpft und eine Strafmilderung trotz Tatbegehung im Zustand verminderter Schuldfähigkeit aufgrund vorhergehender schulderhöhender Momente versagt werden. So hat nach den Grundsätzen der – im Rahmen des § 21 StGB unproblematisch anwendbaren (vgl. Lenckner/Perron aaO § 21 Rdn. 11 m.w.N.) – actio libera in causa eine Strafmilderung regelmäßig auszuscheiden, wenn sich die Vorstellung des Täters in nicht berauschtem Zustand schon auf eine bestimmte Tat bezogen hat (vgl. BGHR StGB § 20 actio libera in causa 3; § 21 Strafrahmenverschiebung 22; BGH NStZ 1999, 448). Wurde der Tatentschluß zu einer Zeit gefaßt, in der eine erhebliche Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens noch nicht vorlag, wird deshalb zumeist für eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB kein Raum sein (vgl. BGHSt 34, 29, 33; BGH, Beschluß vom 15. April 1999 – 4 StR 93/99, zitiert bei Detter NStZ 1999, 495; BGHR StGB § 20 actio libera in causa 3). Verstärkt gilt dies, wenn
der Täter sich gar gezielt berauscht hat, um hierdurch vorhandene Hemmungen gegen eine Tatausführung abzubauen.
(4) Die Wertung, ob im Falle erheblicher Minderung der Steuerungsfähigkeit der Strafrahmen gemildert werden soll oder nicht, hat grundsätzlich der Tatrichter anhand einer Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4 und Strafrahmenverschiebung 21). Ihm obliegt es auch, die Begriffe der objektiven und subjektiven Vorhersehbarkeit strafbaren Verhaltens bei vorwerfbarer Alkoholisierung anhand der besonderen Umstände in der Person des Täters und in der Situation des Tatgeschehens in wertender Betrachtung auszufüllen. Seine Bewertung wird das Revisionsgericht, wenn sie auf einer vollständigen Auswertung der maßgeblichen Tatsachengrundlagen beruht, regelmäßig hinzunehmen haben, auch wenn anderes vertretbar oder gar näherliegend gewesen wäre.
Bei Anwendung der genannten Grundsätze wird bei Gewaltdelikten in vielen Fällen eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB nach vorwerfbarer Alkoholisierung ausscheiden. Zumeist liegen entweder in der Person des Täters oder doch zumindest in der Situation Umstände vor, die in Zusammenhang mit der Alkoholisierung das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant erhöht haben. An die Überzeugungsbildung des Tatrichters dürfen dabei nicht übertrieben hohe Anforderungen gestellt werden; die vielfältig verheerenden Wirkungen übermäßigen Alkoholgebrauchs sind allgemeinkundig.
Im Rahmen der Abwägung aller schuldrelevanten Umstände kann auch von Bedeutung sein, welchen Grad die Enthemmung durch Alkoholisierung innerhalb des durch § 21 StGB abgesteckten Rahmens erreicht hat. Eine solchermaßen differenzierende Bestimmung des Umfangs und der Auswirkungen verminderter Schuldfähigkeit auf die Tatschuld setzt jedoch
nachvollziehbare Darlegungen des Tatrichters voraus (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 2, 17).
Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller schulderhöhenden und schuldmindernden Umstände des Einzelfalls können auch solche schulderhöhenden Momente gegen eine Strafmilderung sprechen, die nicht unmittelbar mit der Berauschung verknüpft sind (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 11; BT-Drucks. IV/650, S. 142 linke Spalte). Hierzu können eine Mehrzahl von Geschädigten oder mitverwirklichte Straftatbestände ebenso zählen wie die näheren Umstände der Tatausführung oder andere Tatmodalitäten (vgl. BT-Drucks. aaO; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 5 und Strafzumessung 18). Auch einem erheblich in seiner Steuerungsfähigkeit verminderten Täter kann nämlich die Art der Tatausführung – etwa eine besonders gefühlskalte, rücksichtslose oder brutale Tatbegehung – schulderhöhend vorgeworfen werden (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 15 und Strafzumessung 4, 18). In diesem Fall wird der Tatrichter jedoch zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zu beachten haben, daß diese Umstände die Tatschuld nicht im gleichen Ausmaß wie bei nicht berauschten Tätern erhöhen, sofern sie ihren Grund in der erheblichen Verminderung der Hemmungsfähigkeit haben (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 28, 33 m.w.N.; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 5); eine Ausnahme hiervon kommt indes in Betracht, wenn dem Täter in Hinblick auf seine bisherigen Erfahrungen unter Alkoholeinfluß vor dem Hintergrund des von ihm weiterhin nicht gezähmten Alkoholgenusses gerade eine derart schwerwiegende Art seines Tatverhaltens zum Vorwurf gemacht werden müßte (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 15).
(5) In Fällen, in denen die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe in Frage steht, wird der Tatrichter besonders darauf Bedacht zu nehmen haben , daß der schuldmindernde Umstand einer erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit angesichts der Absolutheit der Strafdrohung ohne Strafrahmenverschiebung bei der konkreten Strafzumessung nicht berücksichtigt
werden kann; die Frage der Strafrahmenverschiebung gewinnt im Vergleich zur Prüfung bei zeitigen Freiheitsstrafen deshalb ungleich mehr an Gewicht (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 4 StR 54/04). Dies wird zu besonders sorgfältiger Prüfung aller schulderhöhenden und schuldmindernden Umstände sowie zu einer im Zweifel eher zurückhaltenden Gewichtung zu Lasten des Täters Anlaß geben müssen (vgl. BGH StV 2003, 499). Wenn allein die Wahl zwischen lebenslanger Freiheitsstrafe und einer zeitigen Freiheitsstrafe besteht, müssen deshalb besondere erschwerende Gründe vorliegen, um die mit den Voraussetzungen des § 21 StGB verbundene Schuldminderung so auszugleichen, daß die gesetzliche Höchststrafe verhängt werden darf (st. Rspr., vgl. BGHR § 21 Strafrahmenverschiebung 7, 8, 12, 18, 25; vgl. auch BVerfGE 50, 5, 11). Gebieten solche Umstände wie etwa das schuldsteigernde Tatbild die Versagung einer Strafrahmenverschiebung und die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe, wird eine Feststellung besonderer Schuldschwere nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB trotz erheblich verminderter Schuldfähigkeit nur in besonders gravierenden Ausnahmefällen in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschluß vom 14. Juni 1999 – 5 StR 177/99; vgl. auch BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 25).
Bedenklich kann aus entsprechenden Gründen auch die Verhängung der für das Delikt vorgesehenen zeitigen Höchststrafe aus dem nicht nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB geminderten Strafrahmen trotz erheblich eingeschränkter Schuldfähigkeit sein (vgl. RGSt 69, 314, 317).
(6) Der Senat weist vorsorglich darauf hin, daß das, was für Alkohol gilt, nicht ohne weiteres gleichermaßen auf andere Genuß- und Betäubungsmittel übertragen werden kann (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tage – 5 StR 591/03). Die enthemmende und hierdurch teils aggressionsfördernde Wirkung des Alkohols ist allgemein bekannt. Bei Betäubungsmitteln sind die Wirkungsweisen dagegen differenzierter und unter Umständen weniger konkret vorhersehbar, zumal die Dosierung und die individuelle Verträglichkeit meist von Fall zu Fall erheblichen Schwankungen unterliegen.

c) Dem gefundenen Ergebnis widersprechen weder die historischen Absichten des Gesetzgebers noch der Rechtsgedanke des § 323a StGB.
(1) Die Überlegungen des historischen Gesetzgebers sprechen nicht für einen Grundsatz, wonach im Falle vorwerfbarer Alkoholisierung eine Strafmilderung stets zu versagen ist (Neumann StV 2003, 527, 528 m.w.N.; vgl. aber BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31; Foth DRiZ 1990, 417, 418 ff.; ders. NStZ 2003, 597, 598; zur historischen Entwicklung ausführlich : Rautenberg, Verminderte Schuldfähigkeit, 1984, S. 9 ff. m.w.N.; Schnarr in: Hettinger [Hrsg.], Reform des Sanktionenrechts, 2001, Band 1, S. 7 ff.). Eine dem heutigen § 21 StGB entsprechende Vorschrift wurde erstmals durch das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. November 1933 (RGBl. I, 995) in das deutsche Strafgesetzbuch eingeführt. Aus der amtlichen Gesetzesbegründung ergeben sich für die aufgeworfene Frage keine tragfähigen Hinweise (vgl. ReichsAnz 1933, Nr. 277, Erste Beilage, S. 1, linke Spalte). Die Gesetzesänderung fußte indes auf der umfangreichen kriminalpolitischen Reformdiskussion der Zwanziger Jahre (hierzu näher Foth, jeweils aaO; Rautenberg aaO). Dabei wurde zwar auch eine gesetzliche Ausnahme der vorgesehenen Milderung bei vorwerfbarer Alkoholisierung vorgeschlagen (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 2 des Amtlichen Entwurfs eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs von 1925; ebenso bereits § 18 Abs. 2 des Entwurfs zu einem Deutschen Strafgesetzbuch von 1919 und § 63 Abs. 2 des Vorentwurfs zu einem Deutschen Strafgesetzbuch von 1909; ausführlich hierzu Rautenberg aaO). Gegen diese Vorschläge wurden jedoch auch zur damaligen Zeit gewichtige Bedenken geltend gemacht (vgl. Alsberg in Aschrott/Kohlrausch [Hrsg.], Reform des Strafrechts, 1926, S. 51, 73 ff.). Letztlich sind die in den Entwürfen verschiedentlich vorgesehenen ausdrücklichen Ausnahmen bei vorwerfbarer Alkoholisierung nicht Gesetz geworden. In den Beratungen der Reichstagsvorlage von 1927 wurde hierzu erklärt, den Reichsrat hätten zwei Gründe veranlaßt, den vorgesehenen Ausschluß einer Strafmilderung bei Trunkenheit (§ 17 Abs. 2 Satz 2 des Amtlichen Entwurfs von 1925) zu strei-
chen und statt der obligatorischen eine fakultative Milderung vorzuschlagen: Zum einen erscheine die Konsequenz unerträglich, dem ganz betrunkenen Täter eine Milderung zu gewähren, nicht aber dem nur halb betrunkenen; zum anderen sei nicht einzusehen, warum die Frage der Selbstverschuldung nur bei der Trunkenheit berücksichtigt werden sollte (vgl. Rautenberg DtZ 1997, 45, 47 m.w.N.). Dies legt nahe anzunehmen, daß der Gesetzgeber in Kenntnis entgegenstehender Vorschläge bewußt auf eine solche Regelung verzichtet hat, also gerade keine zwingende Versagung der Strafmilderung in diesen Fällen wollte (Neumann StV 2003, 527, 528). In der Gesetzesbegründung von 1933 heißt es lediglich, die Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit sei Grundlage für eine Strafmilderung, wobei das Gesetz von den Beschlüssen der Reichstagsausschüsse insoweit abweiche, als die Milderung nicht zwingend sei, sondern in das Ermessen des Richters gestellt werde (ReichsAnz aaO).
Die Gesetzesmaterialien zur Reform des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs in den Sechziger Jahren, die zur Formulierung des § 21 StGB in der heutigen Form geführt hat, sprechen gleichermaßen für eine differenzierende Lösung. § 21 StGB wurde einerseits als Kann-Vorschrift konzipiert , um dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die Verminderung der Schuldfähigkeit nicht notwendig zu einer Minderung der Schuld in ihrer Gesamtheit führt; im Rahmen einer Gesamtwürdigung sollten außer dem Grad der Schuldfähigkeit auch andere schuldrelevante Umstände berücksichtigt werden können (BT-Drucks. IV/650, S. 142 linke Spalte). Hierzu gehören nach Auffassung des Gesetzgebers nicht nur unmittelbar der Tat anhaftende Schuldumstände wie etwa eine große Anzahl getöteter Menschen, sondern auch schuldrelevante Umstände vor der Tat wie insbesondere die schuldhafte Herbeiführung der verminderten Schuldfähigkeit (ebd.). Ausdrücklich sprach sich der Gesetzgeber andererseits gegen eine Vorschrift aus, wonach die Strafmilderung – entsprechend den Vorschlägen in den Entwürfen von 1909 und 1925 – bei vorwerfbarer Alkoholisierung stets zu versagen sei (BT-Drucks. IV/650, S. 142 rechte Spalte). Zu der entsprechenden Regelung
in § 7 WStG, wonach bei selbstverschuldeter Trunkenheit eine Strafmilderung ausscheidet, wenn die Tat eine militärische Straftat ist, gegen das Kriegsvölkerrecht verstößt oder in Ausübung des Dienstes begangen wurde, wird dabei auf die besonderen Anforderungen an militärische Disziplin verwiesen. In das allgemeine Strafrecht könne dieser Rechtsgrundsatz nicht ohne weiteres übertragen werden (ebd.).
Gerade die Vorschrift des § 7 WStG läßt sich systematisch stimmig eher erklären, wenn es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, wonach bei vorwerfbarer Alkoholisierung grundsätzlich mangels Minderung der Gesamtschuld von einer Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB Abstand zu nehmen ist. Gäbe es nämlich einen solchen Grundsatz, wäre § 7 WStG überflüssig. Unverständlich wäre in diesem Fall auch die Beschränkung des Milderungsverbots auf militärische Straftaten und solche, die gegen das Kriegsvölkerrecht verstoßen oder in Ausübung des Dienstes begangen werden. Aus § 7 WStG folgt vielmehr im Umkehrschluß, daß „selbstverschuldete“ Trunkenheit in anderen Fällen durchaus die Strafe mildern kann, also nicht stets jede Strafmilderung aufgrund des Umstandes ausscheidet, daß der Rauschzustand vorwerfbar herbeigeführt wurde.
Schließlich hat der Gesetzgeber auch im Rahmen der Reformdiskussion anläßlich der deutschen Wiedervereinigung trotz entsprechender Vorschläge gerade nicht diejenigen Normen des Strafrechts der DDR übernommen , wonach eine Strafmilderung bei erheblich verminderter Schuldfähigkeit ausscheidet, wenn sich der Täter schuldhaft in einen die Zurechnungsfähigkeit vermindernden Rauschzustand versetzt hat (§ 16 Abs. 2 Satz 3 StGBDDR; vgl. auch § 15 Abs. 3 StGB-DDR; dazu näher Neumann StV 2003, 527 mit Fn. 3; Rautenberg DtZ 1997, 45).
(2) Auch die Vorschrift des § 323a StGB spricht nicht für eine Versagung der Strafmilderung in allen Fällen schuldhafter Alkoholisierung. Das Vergehen des Vollrauschs ist von allen anderen Straftatbeständen tatsäch-
lich und rechtlich verschieden (BGHSt 1, 275, 277). Es handelt sich zudem bei dieser Strafnorm um „eine der umstrittensten, wenn nicht die strittigste des ganzen Strafgesetzbuchs“ (Spendel in LK 11. Aufl. § 323a Rdn. 1). Auch der Bundesgerichtshof ist deshalb bislang nicht zu einem durchgehend einheitlichen Verständnis dieser Vorschrift gelangt (vgl. etwa BGHSt 10, 247 einerseits, BGHSt 16, 124 andererseits). Der Ort, den – in den Schwierigkeiten der Sache angelegten (vgl. Spendel aaO § 323a Rdn. 2) – Streit zum Verständnis des § 323a StGB zu klären, kann indes nicht die hier zur Entscheidung stehende Frage sein, ob bei zu verantwortender Alkoholisierung eine Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB grundsätzlich ausgeschlossen sein sollte oder nicht (vgl. Streng NJW 2003, 2963, 2965).
Die Anwendung des Vollrauschtatbestandes setzt stets voraus, daß der Täter aufgrund nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit wegen seines rechtswidrigen Tuns ansonsten überhaupt nicht bestraft werden könnte. Für eine solche Regelung gibt es unzweifelhaft ein kriminalpolitisches Bedürfnis (vgl. BGHSt [GS] 9, 390, 395; Spendel aaO § 323a Rdn. 2). Diese Frage stellt sich im Rahmen des § 21 StGB jedoch nicht, weil es hier nicht um die Alternative völliger Straflosigkeit, sondern lediglich um die Strafrahmenwahl geht (vgl. Neumann StV 2003, 527, 529). Bei § 21 StGB spielen deshalb Gesichtspunkte eine Rolle, die im Rahmen des § 323a StGB aufgrund der notwendigen Struktur des Vollrauschtatbestandes keine Berücksichtigung finden können.
Zudem geht es bei § 21 StGB nicht wie bei § 323a StGB um Rauschzustände, die (zumindest nicht ausschließbar) wegen aufgehobener Schuldfähigkeit den Schuldvorwurf bezüglich des rechtswidrigen Tuns vollständig entfallen lassen. Der Vorschrift des § 323a StGB läßt sich nicht der Rechtsgedanke entnehmen, jeder Rausch, wie stark er auch sei, werde von der Rechtsordnung mißbilligt; aus § 323a StGB läßt sich lediglich folgern, daß ein Rausch dann als rechtswidrig angesehen werden kann, wenn er (zumindest nicht ausschließbar) zur völligen Aufhebung der Steuerungsfä-
higkeit führt, sich der Täter also im Umgang mit seiner Umwelt zu einem völlig unberechenbaren Risiko macht.
Die Ansicht, eine die Steuerungsfähigkeit lediglich vermindernde Alkoholisierung sei für sich schon rechtswidrig oder zumindest schulderhöhend , würde zudem zu Spannungen mit anderen Rechtsgrundsätzen führen. Im Zusammenhang mit der Gastwirtshaftung hat der Bundesgerichtshof etwa festgestellt, daß der Ausschank und Genuß alkoholischer Getränke in Gastwirtschaften zu den allgemein als sozial üblich anerkannten Verhaltensweisen gehört, auch wenn dies nicht selten zu körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen bis zur Grenze der rechtlichen Verantwortlichkeit führt (BGHSt 19, 152, 154). Die Verabreichung alkoholischer Getränke wird als sozial übliches und von der Allgemeinheit gebilligtes Verhalten deshalb auch nicht als pflichtwidrig oder rechtswidrig angesehen (BGHSt 26, 35, 37 f.; vgl. auch Streng NJW 2003, 2963, 2965 m.w.N.). Dies gilt solange, als der Trinkende, sei es auch nur eingeschränkt, rechtlich verantwortlich ist. Anders verhält es sich nur, wenn die Trunkenheit offensichtlich einen solchen Grad erreicht, daß der Trunkene nicht mehr Herr seiner Entschlüsse ist und nicht mehr eigenverantwortlich handeln kann (BGHSt 26, 35, 38).
Hinzu kommt folgendes: Das Spannungsverhältnis zwischen § 323a StGB einerseits und §§ 21, 49 Abs. 1 StGB andererseits läßt sich aufgrund der derzeitigen Gesetzesfassung nicht ohne jeden Wertungswiderspruch lösen (Neumann StV 2003, 527, 528 ff.; Streng NJW 2003, 2963, 2965). Ungereimt erscheint es einerseits, wenn bei Straftaten mit einer Höchststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe dem vermindert schuldfähigen Betrunkenen eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gewährt wird und ihm dann eine geringere Strafe droht als demjenigen, der rauschbedingt (zumindest nicht ausschließbar) schuldunfähig handelt (vgl. BGH StV 1997, 73, 75; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31). Dem wird freilich dadurch Rechnung zu tragen sein, daß bei der Strafzumessung im Rahmen des § 323a StGB auf Grundlage des in § 323a Abs. 2 StGB zum Ausdruck ge-
kommenen Rechtsgedankens darauf Bedacht genommen wird, welcher Strafrahmen sich dem weniger Betrunkenen öffnen würde (vgl. BGHR StGB § 323a Strafzumessung 5). Die Auflösung des Widerspruchs durch die generelle Versagung einer Strafrahmenverschiebung bei vorwerfbarer Alkoholisierung (so BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31) geht in Fällen schwererer, den Strafrahmen des § 323a Abs. 1 StGB überschreitender Delikte über das Gebotene hinaus und führt sogleich zu anderen, weit gewichtigeren Wertungswidersprüchen (vgl. Neumann StV 2003, 527, 529). Diese ergeben sich augenfällig bei schwerwiegenden Verbrechen, etwa Tötungsdelikten , wenn dem Täter bei verschuldeter Alkoholisierung jede Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB versagt wird, bei noch höherer Alkoholisierung , die nicht ausschließbar zur Schuldunfähigkeit führt, dann anstelle lebenslanger Freiheitsstrafe oder eines Strafrahmens von Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren nur noch Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren gemäß § 323a Abs. 1 StGB angedroht ist (Neumann aaO; vgl. hierzu auch die Gesetzgebungsvorschläge zur Änderung des § 323a StGB in BT-Drucks. 14/545 und 14/759, ablehnend BT-Drucks. 14/9148).

d) Die vom Tatgericht vorgenommene Zubilligung der Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB begegnet hier letztlich durchgreifenden Bedenken.
(1) In Anwendung der oben genannten Grundsätze hätte sich das Landgericht bei der notwendigen Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände bei dem Angeklagten G nicht zur Begründung der Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB mit der Überlegung begnügen dürfen, dessen Alkoholisierung sei unverschuldet, weil er weitgehend vom Alkohol beherrscht werde. Es hätte auch erwägen müssen, ob dem etwa schulderhöhend entgegensteht, daß dieser Angeklagte sich zu dem späteren Opfer in der festen Absicht begeben hat, an diesem seine Freude an Gewalttätigkeiten auszuleben, und dabei ersichtlich in Kauf nahm, infolge seiner Alkoholisierung besonders enthemmt zu sein, zudem durch weitere
Alkoholisierung zunehmend enthemmt zu werden. Auch demjenigen, der weitgehend durch Alkohol beherrscht wird, kann unter Umständen schulderhöhend vorgeworfen werden, daß er sich trotz Vorhersehbarkeit – zumal weiterer – alkoholischer Enthemmung bewußt in eine gewaltträchtige Situation begeben hat. Aus den vom Tatrichter getroffenen Feststellungen zu dem schon in der Ausgangssituation gewaltträchtigen Tatgeschehen erschließt sich zwanglos, daß für ihn bei Beginn des Tatgeschehens ohne weiteres vorhersehbar war, daß seine vorhandene und weiter drohende Alkoholisierung das Risiko erheblicher Gewalttaten signifikant erhöht hat; vieles spricht auch dafür, daß er das Aufsuchen dieser gewaltträchtigen Situation ohne weiteres vermeiden konnte.
Es ist zudem nicht ausgeschlossen, daß einer Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB bereits die oben genannten Grundsätze der actio libera in causa entgegenstehen. Hierfür reichen indes die bisherigen Feststellungen nicht aus, zumal angesichts des sich über mehrere Stunden hinziehenden Tatgeschehens; es bleibt nämlich unklar, ob der Angeklagte G , als er den Entschluß faßte, das Opfer zu mißhandeln, bereits in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war oder nicht (vgl. BGHR StGB § 20 actio libera in causa 3).
(2) Bei dem Angeklagten M entbehrt die Annahme, auch dessen Trunkenheit sei unverschuldet gewesen, bereits jeder tatsächlichen Grundlage. Das Landgericht hat diese Feststellung ohne nähere Angaben allein auf die Anwendung des Zweifelsatzes gestützt. Der Zweifelsatz bedeutet indes nicht, daß das Gericht von der dem Angeklagten günstigsten Fallkonstellation auch dann ausgehen muß, wenn hierfür – wie vorliegend – keine Anhaltspunkte bestehen (BGH NJW 2003, 2179 m.w.N.). Ohne weitere tatsächliche Anhaltspunkte wird der neue Tatrichter dem Angeklagten M nicht unterstellen dürfen, daß seine Trunkenheit unverschuldet ist; die Feststellungen zu seinem Vorleben bieten hierfür keinerlei Anlaß. Bei der etwaigen Prüfung einer erneuten Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wird
die Strafkammer in Anwendung der oben genannten Grundsätze einerseits zwar bedenken müssen, daß M nach den bisherigen Feststellungen bislang nicht durch Gewalttaten unter Alkoholeinfluß auffällig geworden ist. Gegen eine Strafrahmenverschiebung dürfte andererseits aber sprechen, daß er sich bewußt in eine gewaltträchtige Situation begeben und in dieser weiter dem Alkohol zugesprochen hat.
(3) Es läßt sich auch nicht ausschließen, daß der Rechtsfolgenausspruch auf einer etwa fehlerhaft zugebilligten Strafrahmenverschiebung beruht. Die Höhe der verhängten Strafen erscheint zwar für die von der Staatsanwaltschaft noch beim Schöffengericht angeklagte Tat im Ergebnis nicht unangemessen. Angesichts des gesamten Tatbildes läßt sich von Seiten des Revisionsgerichts aber auch nicht etwa feststellen, daß eine etwas schwerere Bestrafung nicht mehr schuldangemessen wäre.
(4) Die Feststellungen des Tatgerichts zum Strafausspruch – und damit auch diejenigen zu den Voraussetzungen des § 21 StGB – sind insgesamt aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter wird danach (sachverständig beraten) die bisherigen Befunde zur Alkoholisierung der Angeklagten , namentlich in Hinblick auf die Fahrfähigkeiten G s und fehlende Angaben bei M , kritisch zu hinterfragen haben. Gegebenenfalls wird zumindest bei dem Angeklagten G zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) vorliegen und diese Maßregel deshalb neben der Strafe anzuordnen ist.

III.


Die Revision des Angeklagten M ist offensichtlich unbegründet. Die tatgerichtlichen Feststellungen zu seiner sicheren Identifizierung als Mittäter – bei mißlungenem Alibibeweis – sind sachlichrechtlich nicht zu beanstanden. Zulässige verfahrensrechtliche Beanstandungen im Zusammenhang mit Wiedererkennungsleistungen sind nicht erhoben worden.
Basdorf Häger Gerhardt Raum Brause

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf
zu verantwortender Trunkenheit, spricht dies in der Regel gegen
eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB,
wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse
des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar
signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht hat. Ob
dies der Fall ist, hat der Tatrichter in wertender Betrachtung zu
bestimmen; seine Entscheidung unterliegt nur eingeschränkter
revisionsgerichtlicher Überprüfung.
BGH, Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04
LG Potsdam

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 17. August 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. August
2004, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf
als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt P
als Verteidiger für den Angeklagten G ,
Rechtsanwalt V
als Verteidiger für den Angeklagten M ,
Justizhauptsekretärin N ,
Justizangestellte R
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 22. Juli 2003 in den Strafaussprüchen gegen die Angeklagten G und M mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Revision des Angeklagten M gegen dieses Urteil wird verworfen. Er hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Nötigung jeweils – unter Zubilligung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB aufgrund erheblicher Alkoholisierung – zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Während die Staatsanwaltschaft mit ihren zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen lediglich den Strafausspruch beanstandet, wendet sich der Angeklagte M mit der Sachrüge umfassend gegen seine Verurteilung.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts spricht der Angeklagte G seit dem Jugendalter dem Alkohol zu und ist deutlich alkoholgewöhnt. Er ist mehrfach wegen Eigentums- und Verkehrsdelikten, darunter auch Trunkenheit im Verkehr, vorbestraft. Am Tattag hatte er von den frühen Morgenstunden an über den Tag verteilt mehrere Flaschen Bier getrunken, bevor er mit dem ebenfalls bereits angetrunkenen, bislang unbestraften Angeklagten M den später Geschädigten Pi in der Absicht aufsuchte, diesen zu mißhandeln. Die Angeklagten hatten über Pi das von ihnen nicht weiter überprüfte Gerücht gehört, er habe ein kleines Mädchen vergewaltigt. Gemeinsam wollten beide „ihre Freude an Gewalttätigkeit an ihm ausleben“.
In der Wohnung von Pi schlugen und traten die Angeklagten sogleich auf diesen ein und forderten ihn auf zuzugeben, daß er das Mädchen vergewaltigt habe. Der Geschädigte mußte in einem vom Angeklagten G gesteuerten PKW zu dem wegen Beihilfe an dem strafbaren Geschehen inzwischen rechtskräftig verurteilten K mitkommen. Dort mißhandelten G und M ihr Opfer unter Beschimpfungen weiter, so daß Pi schließlich im Gesicht blutete und sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Anschließend fuhren alle gemeinsam mit dem Auto des G zu einem Imbiß und sodann über Land; der Geschädigte mußte nun in den Kofferraum steigen. An einem Wehr wurde er von den Angeklagten halb entkleidet und in das 15 bis 18 Grad kalte Wasser gestoßen. Nach einiger Zeit zogen die Angeklagten den Geschädigten schließlich wieder an Land, traten auf ihn ein, bis er das Bewußtsein verlor, und ließen ihn halbnackt und bewußtlos liegen. Pi erlitt durch die Mißhandlungen der Angeklagten vielfache Prellungen, eine Rippenfraktur und eine – unbehandelt lebensgefährliche – traumatische Hirnblutung, zudem eine Unterkühlung und Herzrhythmusstörungen. Während des sich über mehrere Stunden hinziehenden Tatgeschehens hatten
beide Angeklagte nicht unerhebliche Mengen Bier und andere alkoholische Getränke zu sich genommen.
Das Landgericht hat den Strafrahmen des § 224 Abs. 1 Nr. 4 (i.V.m. § 52 Abs. 2) StGB nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB aufgrund der Alkoholisierung der Angeklagten und dadurch verursachter erheblicher Verminderung der „Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit“ (richtig: Steuerungsfähigkeit, vgl. Tröndle /Fischer, StGB 52. Aufl. § 21 Rdn. 5 m.w.N.) verschoben. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Trunkenheit desAngeklagten G sei am Tattag nicht verschuldet gewesen, weil er bislang weitgehend vom Alkohol beherrscht wurde; mangels Einlassung des Angeklagten M auch sei zu dessen Gunsten davon auszugehen, daß seine Trunkenheit unverschuldet gewesen sei.

II.


Die auf den jeweiligen Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg.
1. Die Beschwerdeführerin hat ihre Rechtsmittel wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Wie sich aus der Revisionsbegründungsschrift vom 24. September 2003 ergibt, sollen allein die zugunsten der Angeklagten vorgenommenen Strafrahmenverschiebungen und damit die verhängten Rechtsfolgen angegriffen werden; nur insoweit wird die Sachrüge ausgeführt. Ungeachtet der Erhebung einer nicht ausdrücklich beschränkten Sachrüge und eines umfassenden Aufhebungsantrags ist dem Revisionsvortrag deshalb eine Beschränkung der Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch zu entnehmen (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; BGH, Urteil vom 16. März 2004 – 5 StR 364/03). Diese Beschränkung ist auch wirksam, da die Feststellungen des Landgerichts zum Schuldspruch weder widersprüchlich oder lückenhaft und damit ergänzungsbedürftig noch mit den Feststellungen zum Strafausspruch untrennbar verknüpft sind. Für die Frage der
Strafzumessung bilden die Feststellungen zum Schuldspruch eine tragfähige Grundlage, auch wenn sie – was der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend angedeutet hat – eine weitergehende strafrechtliche Bewertung des Geschehens zum Nachteil der Angeklagten hätten rechtfertigen können.
2. Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei aufgrund von plausiblen Trinkmengenangaben des Angeklagten G , von Zeugenbeschreibungen über den Zustand der Angeklagten und eines insgesamt auf erhebliche Enthemmung hindeutenden Tatbildes bei beiden Angeklagten sachverständig beraten zu dem Ergebnis gelangt, daß ihre Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war.
3. Die Staatsanwaltschaft beanstandet gleichwohl zu Recht die zu Gunsten der Angeklagten vorgenommene Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB.

a) Der 3. Strafsenat hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die bisherige – in sich eher uneinheitliche und teils sogar widersprüchliche – Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB bei vorwerfbarer Alkoholisierung grundsätzlich überdacht werden sollte (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31 mit Anmerkungen : Foth NStZ 2003, 597; Frister JZ 2003, 1019; Neumann StV 2003, 527; Scheffler Blutalkohol 2003, 449; Streng NJW 2003, 2963; zustimmend der 2. Strafsenat in BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 32). Der Senat pflichtet diesem Anliegen bei, gelangt indes zu dem folgenden differenzierenden und bisheriger Rechtsprechung nicht tragend widersprechenden Ergebnis:
Über die fakultative Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB entscheidet der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen aufgrund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände. Beruht die
erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf zu verantwortender Trunkenheit , spricht dies in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht hat. Ob dies der Fall ist, hat der Tatrichter in wertender Betrachtung zu bestimmen. Seine Entscheidung unterliegt nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung und ist regelmäßig hinzunehmen , sofern die dafür wesentlichen tatsächlichen Grundlagen hinreichend ermittelt und bei der Wertung ausreichend berücksichtigt worden sind.

b) Die vom Senat gefundene Lösung beruht insbesondere auf folgenden Erwägungen:
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß eine erhebliche Einschränkung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit grundsätzlich den Schuldgehalt der Tat vermindert (vgl. BGHSt 7, 28, 30; BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4; so auch schon RGSt 69, 314, 317). Dies allein zwingt jedoch nicht zu einer Strafrahmenverschiebung gemäß § 49 Abs. 1 StGB. Dem Tatrichter ist in Fällen erheblich verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB grundsätzlich ein Ermessen bei der Entscheidung eingeräumt , ob er aufgrund dieses Umstandes die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB durch eine Verschiebung des anzuwendenden Strafrahmens mildert oder nicht (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 21). Nach dem Gesetzeswortlaut des § 21 StGB „kann“ die Strafe lediglich gemildert werden; weder „muß“ noch „soll“ der Strafrahmen verschoben werden. Der Gesetzgeber hat damit zu erkennen gegeben, daß auch eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB für sich allein weder zwingend noch in der Regel zu einer durchgreifenden Verringerung des Schuldumfangs führt (vgl. auch Foth in Festschrift für Hannskarl Salger, 1995, S. 31, 37).
Die Minderung der Tatschuld durch Einschränkung der Schuldfähigkeit kann nämlich durch schulderhöhende Umstände kompensiert werden
(st. Rspr., vgl. Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 21 Rdn. 20 ff. m.w.N.; BVerfGE 50, 5, 11 f.). Der 3. Strafsenat sieht einen solchen Umstand generell in jeder vorwerfbar herbeigeführten Alkoholisierung (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31). Dabei kommt indes nicht ausreichend zur Geltung , daß jede Schulderhöhung wenigstens (einfache) Fahrlässigkeit als geringste Schuldform voraussetzt. Notwendige Elemente solcher Fahrlässigkeit sind Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des rechtswidrigen Ergebnisses ganz allgemein (objektiv) und speziell für den Täter (subjektiv). Bezugspunkt des schulderhöhenden Moments muß zudem das konkret begangene Unrecht sein; es bedarf also einer bestimmten subjektiven Beziehung zu der später begangenen rechtswidrigen Handlung (Jähnke in LK 11. Aufl. § 21 Rdn. 22).
Trotz verbreiteten vielfachen Alkoholgebrauchs und -mißbrauchs kommt es nur in einem Bruchteil der Fälle erheblicher Alkoholisierung zu einer rechtswidrigen Tat. Häufig ist eine Gefährdung anderer gänzlich ausgeschlossen (vgl. Spendel in LK 11. Aufl. § 323a Rdn. 224). Andererseits ist nicht zu verkennen, daß Alkohol das Risiko der Begehung strafbarer Handlungen generell erhöht; ein großer Teil der Straftaten gegen Leib und Leben sowie gegen die sexuelle Selbstbestimmung wird unter Alkoholeinfluß begangen. Dieser Befund rechtfertigt indes nicht die Annahme, es sei stets objektiv und subjektiv vorhersehbar, daß bei erheblicher Alkoholisierung in der konkreten Situation die Begehung von Straftaten durch den Betrunkenen drohe. Dies hängt vielmehr von der jeweiligen Person des Täters und von der Situation ab, in der getrunken wird oder in die sich der Täter betrunken begibt.
(1) Schon nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Strafmilderung bei erheblicher Alkoholisierung zu versagen, wenn der Täter die für ihn besonders ungünstige Wirkung des Alkoholgenusses kannte und wußte oder wissen mußte, daß er dann zu Gewalttätigkeiten oder anderen Straftaten neigt (BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4; vgl. Trönd-
le/Fischer aaO § 21 Rdn. 25 m.w.N.). Damit kommt es also darauf an, ob besondere Umstände in der Person des Täters im konkreten Einzelfall vorhersehbar das Risiko der Begehung rechtswidriger Taten signifikant erhöht haben. Soweit in diesem Zusammenhang teilweise zusätzlich gefordert wird, der Täter müsse schon zuvor nach Ausmaß und Intensität mit der jetzigen Tat vergleichbare Straftaten begangen haben (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 6, 14, 16; weitere Nachweise bei Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 21 Rdn. 20), hält der Senat daran nicht fest. An die Vergleichbarkeit sind schon nach bisheriger Rechtsprechung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4). Zu differenzieren ist hier allenfalls nach weit zu fassenden Deliktsgruppen. Wer unter dem Einfluß erheblicher Mengen Alkohol – wie er aufgrund persönlicher Vorerfahrung weiß oder wissen muß – zu gewalttätigen Übergriffen auf andere neigt, den trifft in Hinblick auf die enthemmende Wirkung des Alkohols in Fällen der Gewaltkriminalität grundsätzlich ein schulderhöhender Fahrlässigkeitsvorwurf; anderes gilt nur, wenn die bisher unter Alkoholeinfluß begangenen Straftaten ganz anderer Art waren als die nunmehr zu beurteilende, wenn also die neue Tat so unvergleichbar mit den früheren ist, daß der Täter mit Ähnlichem gar nicht re chnen kann (BGHR aaO). Entscheidend ist somit regelmäßig nicht die äußerliche Vergleichbarkeit der einzelnen Taten, sondern die nämliche Wurzel des jeweiligen deliktischen Verhaltens (Jähnke aaO § 21 Rdn. 22).
Bei alldem müssen die Vorerfahrungen nicht unbedingt zu Vorstrafen oder auch nur Strafverfahren geführt haben. Denn es geht in diesem Zusammenhang um das Wissen des Täters von seiner Gefährlichkeit und nicht notwendig um den – gegebenenfalls hinzutretenden – Gesichtspunkt der Warnfunktion einer früheren Verurteilung.
(2) Die Gefahr der Begehung von Straftaten in erheblich alkoholisiertem Zustand kann indes signifikant und vorhersehbar nicht nur durch die Person des Täters, sondern auch durch die Umstände der jeweiligen Situati-
on erhöht werden. Wer in einer gefahrträchtigen Lage in erheblichem Maße dem Alkohol zuspricht, dem kann schulderhöhend vorgeworfen werden, daß er sich mit einer gewissen Leichtfertigkeit in die Tatsituation gebracht hat (BGH NStZ 1990, 537, 538). Vorwerfbar ist dabei, daß in einer solchen Situation trotz konkreter Vorhersehbarkeit der durch eine weitere Alkoholisierung drohenden Rechtsbrüche getrunken wird (vgl. auch Jähnke aaO). Insbesondere in stark emotional aufgeladenen Krisensituationen wird die Gefahr von Gewalttätigkeiten durch die enthemmende Wirkung erheblicher Alkoholisierung regelmäßig vorhersehbar erhöht (vgl. BGH NStZ 1990, 537, 538). Gleiches gilt für das Trinken in Gruppen, aus denen heraus – gerade auch aufgrund gruppendynamischer Prozesse – leicht Straftaten gegen andere begangen werden. Wer sich etwa in einer Gruppe marodierender Hooligans oder gewaltbereiter Radikaler betrinkt, muß konkret mit der Begehung von Straftaten im trunkenen Zustand rechnen. Die Alkoholisierung kann – wenn nicht bereits die Grundsätze der actio libera in causa eine Strafmilderung ausschließen – auch nicht demjenigen zugute kommen, der sich in Fahrbereitschaft betrinkt, also weiß oder damit rechnen muß, noch als Fahrer am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 316 Rdn. 54; König in LK 11. Aufl. § 316 Rdn. 243).
Es macht für die Versagung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB auch keinen relevanten Unterschied, ob der Täter in einer erkennbar gewaltträchtigen Situation enthemmend dem Alkohol zuspricht oder sich, sofern ihm dies insoweit vorzuwerfen ist, bereits durch Trunkenheit enthemmt, bewußt in eine solche Situation begibt. Wer sich schon angetrunken einer gewaltbereiten Gruppe anschließt, dem kann schulderhöhend vorgeworfen werden, daß er trotz der bekanntermaßen enthemmenden Wirkung seiner Alkoholisierung eine gewaltträchtige Situation aufgesucht hat.
In diesem Zusammenhang muß es auch nicht entscheidend darauf ankommen, ob die Trunkenheit als solche vorwerfbar ist oder nicht, da auch
letzterenfalls andere schulderhöhende Momente die Versagung der Strafmilderung rechtfertigen können (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 29). Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände ist es deshalb nicht ohne weiteres ausgeschlossen, auch einem alkoholabhängigen Täter zwar nicht die Alkoholisierung als solche , aber – bei insoweit noch vorhandener Hemmungsfähigkeit – als schulderhöhend vorzuwerfen, daß er sich bewußt in eine gewaltträchtige Situation begeben hat, obwohl er wußte oder wissen mußte, daß er sich dort infolge seiner Beherrschung durch den Alkohol nur eingeschränkt werde steuern können. Je eher ein alkoholabhängiger Täter von den infolge seines Zustandes von ihm ausgehenden Gefahren für andere weiß – etwa aufgrund früher unter Alkoholeinfluß begangener Straftaten – und je schwererwiegend die Straftaten sind, mit deren Begehung er rechnet oder rechnen muß, desto weniger wird eine Strafmilderung in Betracht kommen, wenn er sich dessen ungeachtet in eine gewaltträchtige Situation begeben hat und ihm dies vorzuwerfen ist (vgl. auch BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 29).
(3) Auch in anderer Weise kann an ein konkret tatbezogenes Verschulden des Täters vor Tatbeginn angeknüpft und eine Strafmilderung trotz Tatbegehung im Zustand verminderter Schuldfähigkeit aufgrund vorhergehender schulderhöhender Momente versagt werden. So hat nach den Grundsätzen der – im Rahmen des § 21 StGB unproblematisch anwendbaren (vgl. Lenckner/Perron aaO § 21 Rdn. 11 m.w.N.) – actio libera in causa eine Strafmilderung regelmäßig auszuscheiden, wenn sich die Vorstellung des Täters in nicht berauschtem Zustand schon auf eine bestimmte Tat bezogen hat (vgl. BGHR StGB § 20 actio libera in causa 3; § 21 Strafrahmenverschiebung 22; BGH NStZ 1999, 448). Wurde der Tatentschluß zu einer Zeit gefaßt, in der eine erhebliche Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens noch nicht vorlag, wird deshalb zumeist für eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB kein Raum sein (vgl. BGHSt 34, 29, 33; BGH, Beschluß vom 15. April 1999 – 4 StR 93/99, zitiert bei Detter NStZ 1999, 495; BGHR StGB § 20 actio libera in causa 3). Verstärkt gilt dies, wenn
der Täter sich gar gezielt berauscht hat, um hierdurch vorhandene Hemmungen gegen eine Tatausführung abzubauen.
(4) Die Wertung, ob im Falle erheblicher Minderung der Steuerungsfähigkeit der Strafrahmen gemildert werden soll oder nicht, hat grundsätzlich der Tatrichter anhand einer Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4 und Strafrahmenverschiebung 21). Ihm obliegt es auch, die Begriffe der objektiven und subjektiven Vorhersehbarkeit strafbaren Verhaltens bei vorwerfbarer Alkoholisierung anhand der besonderen Umstände in der Person des Täters und in der Situation des Tatgeschehens in wertender Betrachtung auszufüllen. Seine Bewertung wird das Revisionsgericht, wenn sie auf einer vollständigen Auswertung der maßgeblichen Tatsachengrundlagen beruht, regelmäßig hinzunehmen haben, auch wenn anderes vertretbar oder gar näherliegend gewesen wäre.
Bei Anwendung der genannten Grundsätze wird bei Gewaltdelikten in vielen Fällen eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB nach vorwerfbarer Alkoholisierung ausscheiden. Zumeist liegen entweder in der Person des Täters oder doch zumindest in der Situation Umstände vor, die in Zusammenhang mit der Alkoholisierung das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant erhöht haben. An die Überzeugungsbildung des Tatrichters dürfen dabei nicht übertrieben hohe Anforderungen gestellt werden; die vielfältig verheerenden Wirkungen übermäßigen Alkoholgebrauchs sind allgemeinkundig.
Im Rahmen der Abwägung aller schuldrelevanten Umstände kann auch von Bedeutung sein, welchen Grad die Enthemmung durch Alkoholisierung innerhalb des durch § 21 StGB abgesteckten Rahmens erreicht hat. Eine solchermaßen differenzierende Bestimmung des Umfangs und der Auswirkungen verminderter Schuldfähigkeit auf die Tatschuld setzt jedoch
nachvollziehbare Darlegungen des Tatrichters voraus (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 2, 17).
Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller schulderhöhenden und schuldmindernden Umstände des Einzelfalls können auch solche schulderhöhenden Momente gegen eine Strafmilderung sprechen, die nicht unmittelbar mit der Berauschung verknüpft sind (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 11; BT-Drucks. IV/650, S. 142 linke Spalte). Hierzu können eine Mehrzahl von Geschädigten oder mitverwirklichte Straftatbestände ebenso zählen wie die näheren Umstände der Tatausführung oder andere Tatmodalitäten (vgl. BT-Drucks. aaO; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 5 und Strafzumessung 18). Auch einem erheblich in seiner Steuerungsfähigkeit verminderten Täter kann nämlich die Art der Tatausführung – etwa eine besonders gefühlskalte, rücksichtslose oder brutale Tatbegehung – schulderhöhend vorgeworfen werden (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 15 und Strafzumessung 4, 18). In diesem Fall wird der Tatrichter jedoch zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zu beachten haben, daß diese Umstände die Tatschuld nicht im gleichen Ausmaß wie bei nicht berauschten Tätern erhöhen, sofern sie ihren Grund in der erheblichen Verminderung der Hemmungsfähigkeit haben (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 28, 33 m.w.N.; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 5); eine Ausnahme hiervon kommt indes in Betracht, wenn dem Täter in Hinblick auf seine bisherigen Erfahrungen unter Alkoholeinfluß vor dem Hintergrund des von ihm weiterhin nicht gezähmten Alkoholgenusses gerade eine derart schwerwiegende Art seines Tatverhaltens zum Vorwurf gemacht werden müßte (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 15).
(5) In Fällen, in denen die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe in Frage steht, wird der Tatrichter besonders darauf Bedacht zu nehmen haben , daß der schuldmindernde Umstand einer erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit angesichts der Absolutheit der Strafdrohung ohne Strafrahmenverschiebung bei der konkreten Strafzumessung nicht berücksichtigt
werden kann; die Frage der Strafrahmenverschiebung gewinnt im Vergleich zur Prüfung bei zeitigen Freiheitsstrafen deshalb ungleich mehr an Gewicht (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 4 StR 54/04). Dies wird zu besonders sorgfältiger Prüfung aller schulderhöhenden und schuldmindernden Umstände sowie zu einer im Zweifel eher zurückhaltenden Gewichtung zu Lasten des Täters Anlaß geben müssen (vgl. BGH StV 2003, 499). Wenn allein die Wahl zwischen lebenslanger Freiheitsstrafe und einer zeitigen Freiheitsstrafe besteht, müssen deshalb besondere erschwerende Gründe vorliegen, um die mit den Voraussetzungen des § 21 StGB verbundene Schuldminderung so auszugleichen, daß die gesetzliche Höchststrafe verhängt werden darf (st. Rspr., vgl. BGHR § 21 Strafrahmenverschiebung 7, 8, 12, 18, 25; vgl. auch BVerfGE 50, 5, 11). Gebieten solche Umstände wie etwa das schuldsteigernde Tatbild die Versagung einer Strafrahmenverschiebung und die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe, wird eine Feststellung besonderer Schuldschwere nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB trotz erheblich verminderter Schuldfähigkeit nur in besonders gravierenden Ausnahmefällen in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschluß vom 14. Juni 1999 – 5 StR 177/99; vgl. auch BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 25).
Bedenklich kann aus entsprechenden Gründen auch die Verhängung der für das Delikt vorgesehenen zeitigen Höchststrafe aus dem nicht nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB geminderten Strafrahmen trotz erheblich eingeschränkter Schuldfähigkeit sein (vgl. RGSt 69, 314, 317).
(6) Der Senat weist vorsorglich darauf hin, daß das, was für Alkohol gilt, nicht ohne weiteres gleichermaßen auf andere Genuß- und Betäubungsmittel übertragen werden kann (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tage – 5 StR 591/03). Die enthemmende und hierdurch teils aggressionsfördernde Wirkung des Alkohols ist allgemein bekannt. Bei Betäubungsmitteln sind die Wirkungsweisen dagegen differenzierter und unter Umständen weniger konkret vorhersehbar, zumal die Dosierung und die individuelle Verträglichkeit meist von Fall zu Fall erheblichen Schwankungen unterliegen.

c) Dem gefundenen Ergebnis widersprechen weder die historischen Absichten des Gesetzgebers noch der Rechtsgedanke des § 323a StGB.
(1) Die Überlegungen des historischen Gesetzgebers sprechen nicht für einen Grundsatz, wonach im Falle vorwerfbarer Alkoholisierung eine Strafmilderung stets zu versagen ist (Neumann StV 2003, 527, 528 m.w.N.; vgl. aber BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31; Foth DRiZ 1990, 417, 418 ff.; ders. NStZ 2003, 597, 598; zur historischen Entwicklung ausführlich : Rautenberg, Verminderte Schuldfähigkeit, 1984, S. 9 ff. m.w.N.; Schnarr in: Hettinger [Hrsg.], Reform des Sanktionenrechts, 2001, Band 1, S. 7 ff.). Eine dem heutigen § 21 StGB entsprechende Vorschrift wurde erstmals durch das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. November 1933 (RGBl. I, 995) in das deutsche Strafgesetzbuch eingeführt. Aus der amtlichen Gesetzesbegründung ergeben sich für die aufgeworfene Frage keine tragfähigen Hinweise (vgl. ReichsAnz 1933, Nr. 277, Erste Beilage, S. 1, linke Spalte). Die Gesetzesänderung fußte indes auf der umfangreichen kriminalpolitischen Reformdiskussion der Zwanziger Jahre (hierzu näher Foth, jeweils aaO; Rautenberg aaO). Dabei wurde zwar auch eine gesetzliche Ausnahme der vorgesehenen Milderung bei vorwerfbarer Alkoholisierung vorgeschlagen (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 2 des Amtlichen Entwurfs eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs von 1925; ebenso bereits § 18 Abs. 2 des Entwurfs zu einem Deutschen Strafgesetzbuch von 1919 und § 63 Abs. 2 des Vorentwurfs zu einem Deutschen Strafgesetzbuch von 1909; ausführlich hierzu Rautenberg aaO). Gegen diese Vorschläge wurden jedoch auch zur damaligen Zeit gewichtige Bedenken geltend gemacht (vgl. Alsberg in Aschrott/Kohlrausch [Hrsg.], Reform des Strafrechts, 1926, S. 51, 73 ff.). Letztlich sind die in den Entwürfen verschiedentlich vorgesehenen ausdrücklichen Ausnahmen bei vorwerfbarer Alkoholisierung nicht Gesetz geworden. In den Beratungen der Reichstagsvorlage von 1927 wurde hierzu erklärt, den Reichsrat hätten zwei Gründe veranlaßt, den vorgesehenen Ausschluß einer Strafmilderung bei Trunkenheit (§ 17 Abs. 2 Satz 2 des Amtlichen Entwurfs von 1925) zu strei-
chen und statt der obligatorischen eine fakultative Milderung vorzuschlagen: Zum einen erscheine die Konsequenz unerträglich, dem ganz betrunkenen Täter eine Milderung zu gewähren, nicht aber dem nur halb betrunkenen; zum anderen sei nicht einzusehen, warum die Frage der Selbstverschuldung nur bei der Trunkenheit berücksichtigt werden sollte (vgl. Rautenberg DtZ 1997, 45, 47 m.w.N.). Dies legt nahe anzunehmen, daß der Gesetzgeber in Kenntnis entgegenstehender Vorschläge bewußt auf eine solche Regelung verzichtet hat, also gerade keine zwingende Versagung der Strafmilderung in diesen Fällen wollte (Neumann StV 2003, 527, 528). In der Gesetzesbegründung von 1933 heißt es lediglich, die Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit sei Grundlage für eine Strafmilderung, wobei das Gesetz von den Beschlüssen der Reichstagsausschüsse insoweit abweiche, als die Milderung nicht zwingend sei, sondern in das Ermessen des Richters gestellt werde (ReichsAnz aaO).
Die Gesetzesmaterialien zur Reform des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs in den Sechziger Jahren, die zur Formulierung des § 21 StGB in der heutigen Form geführt hat, sprechen gleichermaßen für eine differenzierende Lösung. § 21 StGB wurde einerseits als Kann-Vorschrift konzipiert , um dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die Verminderung der Schuldfähigkeit nicht notwendig zu einer Minderung der Schuld in ihrer Gesamtheit führt; im Rahmen einer Gesamtwürdigung sollten außer dem Grad der Schuldfähigkeit auch andere schuldrelevante Umstände berücksichtigt werden können (BT-Drucks. IV/650, S. 142 linke Spalte). Hierzu gehören nach Auffassung des Gesetzgebers nicht nur unmittelbar der Tat anhaftende Schuldumstände wie etwa eine große Anzahl getöteter Menschen, sondern auch schuldrelevante Umstände vor der Tat wie insbesondere die schuldhafte Herbeiführung der verminderten Schuldfähigkeit (ebd.). Ausdrücklich sprach sich der Gesetzgeber andererseits gegen eine Vorschrift aus, wonach die Strafmilderung – entsprechend den Vorschlägen in den Entwürfen von 1909 und 1925 – bei vorwerfbarer Alkoholisierung stets zu versagen sei (BT-Drucks. IV/650, S. 142 rechte Spalte). Zu der entsprechenden Regelung
in § 7 WStG, wonach bei selbstverschuldeter Trunkenheit eine Strafmilderung ausscheidet, wenn die Tat eine militärische Straftat ist, gegen das Kriegsvölkerrecht verstößt oder in Ausübung des Dienstes begangen wurde, wird dabei auf die besonderen Anforderungen an militärische Disziplin verwiesen. In das allgemeine Strafrecht könne dieser Rechtsgrundsatz nicht ohne weiteres übertragen werden (ebd.).
Gerade die Vorschrift des § 7 WStG läßt sich systematisch stimmig eher erklären, wenn es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, wonach bei vorwerfbarer Alkoholisierung grundsätzlich mangels Minderung der Gesamtschuld von einer Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB Abstand zu nehmen ist. Gäbe es nämlich einen solchen Grundsatz, wäre § 7 WStG überflüssig. Unverständlich wäre in diesem Fall auch die Beschränkung des Milderungsverbots auf militärische Straftaten und solche, die gegen das Kriegsvölkerrecht verstoßen oder in Ausübung des Dienstes begangen werden. Aus § 7 WStG folgt vielmehr im Umkehrschluß, daß „selbstverschuldete“ Trunkenheit in anderen Fällen durchaus die Strafe mildern kann, also nicht stets jede Strafmilderung aufgrund des Umstandes ausscheidet, daß der Rauschzustand vorwerfbar herbeigeführt wurde.
Schließlich hat der Gesetzgeber auch im Rahmen der Reformdiskussion anläßlich der deutschen Wiedervereinigung trotz entsprechender Vorschläge gerade nicht diejenigen Normen des Strafrechts der DDR übernommen , wonach eine Strafmilderung bei erheblich verminderter Schuldfähigkeit ausscheidet, wenn sich der Täter schuldhaft in einen die Zurechnungsfähigkeit vermindernden Rauschzustand versetzt hat (§ 16 Abs. 2 Satz 3 StGBDDR; vgl. auch § 15 Abs. 3 StGB-DDR; dazu näher Neumann StV 2003, 527 mit Fn. 3; Rautenberg DtZ 1997, 45).
(2) Auch die Vorschrift des § 323a StGB spricht nicht für eine Versagung der Strafmilderung in allen Fällen schuldhafter Alkoholisierung. Das Vergehen des Vollrauschs ist von allen anderen Straftatbeständen tatsäch-
lich und rechtlich verschieden (BGHSt 1, 275, 277). Es handelt sich zudem bei dieser Strafnorm um „eine der umstrittensten, wenn nicht die strittigste des ganzen Strafgesetzbuchs“ (Spendel in LK 11. Aufl. § 323a Rdn. 1). Auch der Bundesgerichtshof ist deshalb bislang nicht zu einem durchgehend einheitlichen Verständnis dieser Vorschrift gelangt (vgl. etwa BGHSt 10, 247 einerseits, BGHSt 16, 124 andererseits). Der Ort, den – in den Schwierigkeiten der Sache angelegten (vgl. Spendel aaO § 323a Rdn. 2) – Streit zum Verständnis des § 323a StGB zu klären, kann indes nicht die hier zur Entscheidung stehende Frage sein, ob bei zu verantwortender Alkoholisierung eine Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB grundsätzlich ausgeschlossen sein sollte oder nicht (vgl. Streng NJW 2003, 2963, 2965).
Die Anwendung des Vollrauschtatbestandes setzt stets voraus, daß der Täter aufgrund nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit wegen seines rechtswidrigen Tuns ansonsten überhaupt nicht bestraft werden könnte. Für eine solche Regelung gibt es unzweifelhaft ein kriminalpolitisches Bedürfnis (vgl. BGHSt [GS] 9, 390, 395; Spendel aaO § 323a Rdn. 2). Diese Frage stellt sich im Rahmen des § 21 StGB jedoch nicht, weil es hier nicht um die Alternative völliger Straflosigkeit, sondern lediglich um die Strafrahmenwahl geht (vgl. Neumann StV 2003, 527, 529). Bei § 21 StGB spielen deshalb Gesichtspunkte eine Rolle, die im Rahmen des § 323a StGB aufgrund der notwendigen Struktur des Vollrauschtatbestandes keine Berücksichtigung finden können.
Zudem geht es bei § 21 StGB nicht wie bei § 323a StGB um Rauschzustände, die (zumindest nicht ausschließbar) wegen aufgehobener Schuldfähigkeit den Schuldvorwurf bezüglich des rechtswidrigen Tuns vollständig entfallen lassen. Der Vorschrift des § 323a StGB läßt sich nicht der Rechtsgedanke entnehmen, jeder Rausch, wie stark er auch sei, werde von der Rechtsordnung mißbilligt; aus § 323a StGB läßt sich lediglich folgern, daß ein Rausch dann als rechtswidrig angesehen werden kann, wenn er (zumindest nicht ausschließbar) zur völligen Aufhebung der Steuerungsfä-
higkeit führt, sich der Täter also im Umgang mit seiner Umwelt zu einem völlig unberechenbaren Risiko macht.
Die Ansicht, eine die Steuerungsfähigkeit lediglich vermindernde Alkoholisierung sei für sich schon rechtswidrig oder zumindest schulderhöhend , würde zudem zu Spannungen mit anderen Rechtsgrundsätzen führen. Im Zusammenhang mit der Gastwirtshaftung hat der Bundesgerichtshof etwa festgestellt, daß der Ausschank und Genuß alkoholischer Getränke in Gastwirtschaften zu den allgemein als sozial üblich anerkannten Verhaltensweisen gehört, auch wenn dies nicht selten zu körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen bis zur Grenze der rechtlichen Verantwortlichkeit führt (BGHSt 19, 152, 154). Die Verabreichung alkoholischer Getränke wird als sozial übliches und von der Allgemeinheit gebilligtes Verhalten deshalb auch nicht als pflichtwidrig oder rechtswidrig angesehen (BGHSt 26, 35, 37 f.; vgl. auch Streng NJW 2003, 2963, 2965 m.w.N.). Dies gilt solange, als der Trinkende, sei es auch nur eingeschränkt, rechtlich verantwortlich ist. Anders verhält es sich nur, wenn die Trunkenheit offensichtlich einen solchen Grad erreicht, daß der Trunkene nicht mehr Herr seiner Entschlüsse ist und nicht mehr eigenverantwortlich handeln kann (BGHSt 26, 35, 38).
Hinzu kommt folgendes: Das Spannungsverhältnis zwischen § 323a StGB einerseits und §§ 21, 49 Abs. 1 StGB andererseits läßt sich aufgrund der derzeitigen Gesetzesfassung nicht ohne jeden Wertungswiderspruch lösen (Neumann StV 2003, 527, 528 ff.; Streng NJW 2003, 2963, 2965). Ungereimt erscheint es einerseits, wenn bei Straftaten mit einer Höchststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe dem vermindert schuldfähigen Betrunkenen eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gewährt wird und ihm dann eine geringere Strafe droht als demjenigen, der rauschbedingt (zumindest nicht ausschließbar) schuldunfähig handelt (vgl. BGH StV 1997, 73, 75; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31). Dem wird freilich dadurch Rechnung zu tragen sein, daß bei der Strafzumessung im Rahmen des § 323a StGB auf Grundlage des in § 323a Abs. 2 StGB zum Ausdruck ge-
kommenen Rechtsgedankens darauf Bedacht genommen wird, welcher Strafrahmen sich dem weniger Betrunkenen öffnen würde (vgl. BGHR StGB § 323a Strafzumessung 5). Die Auflösung des Widerspruchs durch die generelle Versagung einer Strafrahmenverschiebung bei vorwerfbarer Alkoholisierung (so BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 31) geht in Fällen schwererer, den Strafrahmen des § 323a Abs. 1 StGB überschreitender Delikte über das Gebotene hinaus und führt sogleich zu anderen, weit gewichtigeren Wertungswidersprüchen (vgl. Neumann StV 2003, 527, 529). Diese ergeben sich augenfällig bei schwerwiegenden Verbrechen, etwa Tötungsdelikten , wenn dem Täter bei verschuldeter Alkoholisierung jede Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB versagt wird, bei noch höherer Alkoholisierung , die nicht ausschließbar zur Schuldunfähigkeit führt, dann anstelle lebenslanger Freiheitsstrafe oder eines Strafrahmens von Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren nur noch Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren gemäß § 323a Abs. 1 StGB angedroht ist (Neumann aaO; vgl. hierzu auch die Gesetzgebungsvorschläge zur Änderung des § 323a StGB in BT-Drucks. 14/545 und 14/759, ablehnend BT-Drucks. 14/9148).

d) Die vom Tatgericht vorgenommene Zubilligung der Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB begegnet hier letztlich durchgreifenden Bedenken.
(1) In Anwendung der oben genannten Grundsätze hätte sich das Landgericht bei der notwendigen Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände bei dem Angeklagten G nicht zur Begründung der Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB mit der Überlegung begnügen dürfen, dessen Alkoholisierung sei unverschuldet, weil er weitgehend vom Alkohol beherrscht werde. Es hätte auch erwägen müssen, ob dem etwa schulderhöhend entgegensteht, daß dieser Angeklagte sich zu dem späteren Opfer in der festen Absicht begeben hat, an diesem seine Freude an Gewalttätigkeiten auszuleben, und dabei ersichtlich in Kauf nahm, infolge seiner Alkoholisierung besonders enthemmt zu sein, zudem durch weitere
Alkoholisierung zunehmend enthemmt zu werden. Auch demjenigen, der weitgehend durch Alkohol beherrscht wird, kann unter Umständen schulderhöhend vorgeworfen werden, daß er sich trotz Vorhersehbarkeit – zumal weiterer – alkoholischer Enthemmung bewußt in eine gewaltträchtige Situation begeben hat. Aus den vom Tatrichter getroffenen Feststellungen zu dem schon in der Ausgangssituation gewaltträchtigen Tatgeschehen erschließt sich zwanglos, daß für ihn bei Beginn des Tatgeschehens ohne weiteres vorhersehbar war, daß seine vorhandene und weiter drohende Alkoholisierung das Risiko erheblicher Gewalttaten signifikant erhöht hat; vieles spricht auch dafür, daß er das Aufsuchen dieser gewaltträchtigen Situation ohne weiteres vermeiden konnte.
Es ist zudem nicht ausgeschlossen, daß einer Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB bereits die oben genannten Grundsätze der actio libera in causa entgegenstehen. Hierfür reichen indes die bisherigen Feststellungen nicht aus, zumal angesichts des sich über mehrere Stunden hinziehenden Tatgeschehens; es bleibt nämlich unklar, ob der Angeklagte G , als er den Entschluß faßte, das Opfer zu mißhandeln, bereits in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war oder nicht (vgl. BGHR StGB § 20 actio libera in causa 3).
(2) Bei dem Angeklagten M entbehrt die Annahme, auch dessen Trunkenheit sei unverschuldet gewesen, bereits jeder tatsächlichen Grundlage. Das Landgericht hat diese Feststellung ohne nähere Angaben allein auf die Anwendung des Zweifelsatzes gestützt. Der Zweifelsatz bedeutet indes nicht, daß das Gericht von der dem Angeklagten günstigsten Fallkonstellation auch dann ausgehen muß, wenn hierfür – wie vorliegend – keine Anhaltspunkte bestehen (BGH NJW 2003, 2179 m.w.N.). Ohne weitere tatsächliche Anhaltspunkte wird der neue Tatrichter dem Angeklagten M nicht unterstellen dürfen, daß seine Trunkenheit unverschuldet ist; die Feststellungen zu seinem Vorleben bieten hierfür keinerlei Anlaß. Bei der etwaigen Prüfung einer erneuten Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wird
die Strafkammer in Anwendung der oben genannten Grundsätze einerseits zwar bedenken müssen, daß M nach den bisherigen Feststellungen bislang nicht durch Gewalttaten unter Alkoholeinfluß auffällig geworden ist. Gegen eine Strafrahmenverschiebung dürfte andererseits aber sprechen, daß er sich bewußt in eine gewaltträchtige Situation begeben und in dieser weiter dem Alkohol zugesprochen hat.
(3) Es läßt sich auch nicht ausschließen, daß der Rechtsfolgenausspruch auf einer etwa fehlerhaft zugebilligten Strafrahmenverschiebung beruht. Die Höhe der verhängten Strafen erscheint zwar für die von der Staatsanwaltschaft noch beim Schöffengericht angeklagte Tat im Ergebnis nicht unangemessen. Angesichts des gesamten Tatbildes läßt sich von Seiten des Revisionsgerichts aber auch nicht etwa feststellen, daß eine etwas schwerere Bestrafung nicht mehr schuldangemessen wäre.
(4) Die Feststellungen des Tatgerichts zum Strafausspruch – und damit auch diejenigen zu den Voraussetzungen des § 21 StGB – sind insgesamt aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter wird danach (sachverständig beraten) die bisherigen Befunde zur Alkoholisierung der Angeklagten , namentlich in Hinblick auf die Fahrfähigkeiten G s und fehlende Angaben bei M , kritisch zu hinterfragen haben. Gegebenenfalls wird zumindest bei dem Angeklagten G zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) vorliegen und diese Maßregel deshalb neben der Strafe anzuordnen ist.

III.


Die Revision des Angeklagten M ist offensichtlich unbegründet. Die tatgerichtlichen Feststellungen zu seiner sicheren Identifizierung als Mittäter – bei mißlungenem Alibibeweis – sind sachlichrechtlich nicht zu beanstanden. Zulässige verfahrensrechtliche Beanstandungen im Zusammenhang mit Wiedererkennungsleistungen sind nicht erhoben worden.
Basdorf Häger Gerhardt Raum Brause

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 ARs 50/15
vom
1. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
hier: Anfragebeschluss des 3. Strafsenats vom 15. Oktober 2015
– 3 StR 63/15
ECLI:DE:BGH:2016:010316B5ARS50.15.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. März 2016 beschlossen:
Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach es im Falle selbst zu verantwortender Trunkenheit in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung spricht, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls infolge der Alkoholisierung das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant erhöht hat.

Gründe:

1
1. Der 3. Strafsenat hat über die Revision eines Angeklagten zu entscheiden , der wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt worden ist. Das Landgericht hat dem Angeklagten eine Strafrahmenmilderung nach § 213 bzw. §§ 21, 49 Abs. 1 StGB versagt und dies auf den Umstand gestützt, der Angeklagte habe die bei ihm festgestellte erheblich verminderte Schuldfähigkeit durch verschuldete Trunkenheit selbstverantwortlich herbeigeführt. Feststellungen zu einer vorhersehbar signifikanten alkoholbedingten Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten aufgrund persönlicher oder situativer Verhältnisse des Einzelfalls hat das Landgericht nicht getroffen und solche Umstände bei seiner Strafrahmenwahl nicht berücksichtigt.
2
Der 3. Strafsenat beabsichtigt, die Revision des Angeklagten zu verwerfen und zu entscheiden: „Der Tatrichter übt sein Ermessen bei der Entscheidungüber die Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB grundsätzlich nicht rechtsfehlerhaft aus, wenn er im Rahmen einer Gesamtwürdigung der schuldmindernden Umstände die Versagung der Strafmilderung allein auf den Umstand stützt, dass die erhebliche Verminderung der Schuld- fähigkeit des Täters auf von diesem verschuldeter Trunkenheit beruht.“
3
Er fragt gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG bei den anderen Senaten an, ob deren Rechtsprechung dem entgegensteht und ob – sollte dies der Fall sein – daran festgehalten wird.
4
2. Der beabsichtigten Entscheidung des 3. Strafsenats steht Rechtsprechung des 5. Strafsenats entgegen (Urteile vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04, BGHSt 49, 239; vom 11. Juni 2008 – 5 StR 612/07, NStZ 2008, 619; vom 29. Oktober 2008 – 5 StR 456/08, NStZ 2009, 202; vom 7. Mai 2009 – 5 StR 64/09, NStZ 2009, 496; sowie Beschlüsse vom 13. Januar 2010 – 5StR 510/09, NStZ-RR 2010, 234; vom 10. März 2010 – 5 StR 62/10 und Urteil vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 360/11).
5
Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest, wonach es im Falle selbst zu verantwortender Trunkenheit in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung spricht, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht hat.
6
Zur Begründung bezieht sich der Senat auf seine Ausführungen im Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04, BGHSt 49, 239 (240 bis 253).
Sander Schneider König
Berger Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 ARs 16/15
vom
28. April 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
hier: Anfragebeschluss des 3. Strafsenats vom 15. Oktober 2015 – 3 StR 63/15
ECLI:DE:BGH:2016:280416B4ARS16.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. April 2016 gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
1. Der Senat versteht die Anfrage des 3. Strafsenats wie folgt:
a) Die Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB ist eine Ermessensentscheidung des Tatrichters.

b) Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung kann im Einzelfall die selbstverschuldete Trunkenheit die Versagung der Strafmilderung tragen, auch wenn eine vorhersehbare signifikante Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse nicht festgestellt ist.
2. Soweit der so verstandenen Anfrage Rechtsprechung des 4. Strafsenats entgegensteht, hält er daran nicht fest.

Gründe:


I.


1
Der 3. Strafsenat hat über die Revision eines Angeklagten zu entscheiden , der wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt worden ist. Das Landgericht hat dem Angeklagten eine Strafrahmenmilderung nach § 213 bzw. §§ 21, 49 Abs. 1 StGB versagt und dies damit begründet, dass die Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten auf einer von ihm selbst zu verantwortenden, verschuldeten Trunkenheit beruhe. Feststellungen zu einer vorhersehbar signifikanten Erhöhung des Risikos der Begehung vonStraftaten infolge der Alkoholisierung aufgrund persönlicher oder situativer Verhältnisse des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04, BGHSt 49, 239, 241) hat das Landgericht nicht getroffen.
2
Der 3. Strafsenat beabsichtigt, die Revision des Angeklagten zu verwerfen und zu entscheiden: „Der Tatrichter übt sein Ermessen beider Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB grundsätzlich nicht rechtsfehlerhaft aus, wenn er im Rahmen einer Gesamtwürdigung der schuldmindernden Umstände die Versagung der Strafmilderung allein auf den Umstand stützt, dass die erhebliche Verminderung der Schuldfä- higkeit des Täters auf von diesem verschuldeter Trunkenheit beruht.“
3
Er hat gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG bei den übrigen Strafsenaten angefragt, ob deren Rechtsprechung entgegensteht und ob – sollte dies der Fall sein – daran festgehalten wird.

II.


4
Der Senat versteht die Anfrage des 3. Strafsenats wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich. Soweit der so verstandenen beabsichtigten Entscheidung des 3. Strafsenats Rechtsprechung des 4. Strafsenats entgegensteht (Beschluss vom 7. September 1989 – 4 StR 433/89, BGHR StGB § 21 Vorverschulden 1; vgl. auch – wenngleich hinsichtlich der Vorlagefrage nicht tragend – Urteile vom 15. Dezember 2005 – 4 StR 314/05, NStZ 2006, 274 f. und vom 23. Februar 2006 – 4 StR 444/05, NStZ-RR 2006, 185, 186), hält der Senat an dieser Rechtsprechung nicht fest.
5
Bei der Entscheidung, ob dem Angeklagten die Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zugute kommen soll, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des Tatrichters (BGH, Beschluss vom 24. September 1990 – 4 StR 369/90, BGHR § 21 Strafrahmenverschiebung 21; Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04, BGHSt 49, 239, 241), die revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist (BGH, Urteile vom 29. Oktober 2008 – 5 StR 456/08, NStZ 2009, 202, 203 und vom 7. Mai 2009 – 5 StR 64/09, NStZ 2009, 496, 497). Es ist Aufgabe des Tatrichters, auf Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen (BGH, Urteile vom 24. März 2015 – 5 StR 6/15 Rn. 7 und vom 31. Juli 2014 – 4 StR 216/14 Rn. 4). Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Urteil vom 2. August 2012 – 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336 f.; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 146 mwN).
6
Im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände ist dabei die selbst zu verantwortende Trunkenheit ein zu berücksichtigender Umstand unter anderen (vgl. BGH, Urteile vom 15. Dezember 2005 – 4 StR 314/05, vom 23. Februar 2006 – 4 StR 444/05, jeweils aaO, und vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04, BGHSt 49, 239, 241). Feste Regeln, die der Tatrichter bei dieser Abwägung zu beachten hätte, und insbesondere, welches Gewicht er einzelnen Umständen beizumessen hätte, befürwortet der Senat nicht. Im Rahmen der vom Tatrichter zu treffenden Ermessensentscheidung kann deshalb auch die selbst zu verantwortende Trunkenheit den Ausschlag dafür geben, im Einzelfall die Strafmilderung nach §§ 21, 49 StGB zu versagen.
Das Revisionsgericht prüft diese Ermessensentscheidung lediglich daraufhin nach, ob dem Tatrichter ein Rechtsfehler unterlaufen ist.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 ARs 21/15
vom
10. Mai 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
hier: Anfragebeschluss des 3. Strafsenats vom 15. Oktober 2015 – 3 StR 63/15
ECLI:DE:BGH:2016:100516B1ARS21.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2016 beschlossen:
Der Umstand, dass die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters auf von diesem zu verantwortender Trunkenheit beruht, rechtfertigt für sich allein die Versagung einer Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB nicht.

Gründe:


1
1. Der 3. Strafsenat hat über die Revision eines Angeklagten zu entscheiden , der wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt worden ist. Das Landgericht hat eine Strafrahmenverschiebung nach § 213 bzw. §§ 21, 49 Abs. 1 StGB mit der Begründung versagt, der Angeklagte habe die bei ihm festgestellte erheblich verminderte Schuldfähigkeit durch verschuldete Trunkenheit selbstverantwortlich herbeigeführt. Es ist sachverständig beraten davon ausgegangen, dass der Angeklagte aufgrund einer mittelgradigen Berauschung bei erhalten gebliebener Unrechtseinsicht nicht ausschließbar in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war. Eine Alkoholkrankheit oder Alkoholüberempfindlichkeit, die ein Verschulden hinsichtlich der Trunkenheit ausgeschlossen hätte, hat das Landgericht verneint. Feststellungen zu einer vorhersehbar alkoholbedingten Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten aufgrund persönlicher oder situativer Verhältnisse des Einzelfalls hat das Landgericht nicht getroffen.
2
Der 3. Strafsenat beabsichtigt, die Revision des Angeklagten zu verwerfen und zu entscheiden: „Der Tatrichter übt sein Ermessen bei der Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB grundsätzlich nicht rechtsfehlerhaft aus, wenn er im Rahmen einer Gesamtwürdigung der schuldmindernden Umstände die Versagung der Strafmilderung allein auf den Umstand stützt, dass die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters auf von die- sem verschuldeter Trunkenheit beruht.“
3
Er fragt gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG bei den anderen Senaten an, ob deren Rechtsprechung dem entgegensteht und ob – sollte dies der Fall sein – daran festgehalten wird.
4
2. Der beabsichtigten Entscheidung des 3. Strafsenats steht Rechtsprechung des 1. Strafsenats entgegen.
5
Der Senat stimmt dem anfragenden Senat darin zu, dass es in der Regel gegen eine Verschiebung des Strafrahmens gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB spricht, wenn die erheblich verminderte Schuldfähigkeit auf zu verantwortender Trunkenheit beruht. Dies setzt allerdings voraus, dass sich dabei aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant erhöht hat (Senat, Urteil vom 19. Oktober 2004 – 1 StR 254/04, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 37 unter Verweisung auf BGH, Beschluss vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04, BGHSt 49, 239; vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. August 2003 – 1 StR 302/03). Denn Umstände, die die Schuld erhöhen, können dann zur Versagung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB führen, wenn sie die infolge der Herabsetzung der Schuldfähigkeit verminderte Tatschuld aufwiegen (vgl. Senat, Beschluss vom 23. April 2013 – 1 StR 105/13). Über die fakultative Strafrahmenverschiebung entscheidet der Tatrichter aufgrund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Gesichtspunkte. Einer revisionsrechtlichen Überprüfung ist die Entscheidung über die fakultative Strafrahmenverschiebung nur eingeschränkt zugänglich; insoweit steht dem Tatrichter ein weiter Ermessensspielraum zu (vgl. Senat, Urteil vom 19. Oktober 2004 – 1 StR 254/04, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 37).
6
Somit rechtfertigt nach der Rechtsprechung des Senats der Umstand der selbst verschuldeten Trunkenheit des Täters eine Versagung der Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB nicht, wenn sich nicht zugleich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant infolge zu verantwortender Trunkenheit erhöht hat. Hierfür genügt etwa das Wissen des Täters, dass er unter Alkoholeinfluss zu strafbaren Verhaltensweisen neigt, aber trotzdem Alkohol trinkt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 23. April 2013 – 1 StR 105/13 und vom 25. März 2014 – 1 StR 65/14, NStZ-RR 2014, 238; vgl. auch Senat, Urteile vom 16. September 2004 – 1 StR 233/04, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 36, vom 29. April 1997 – 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 78 und vom 6. Mai 1993 – 1 StR 136/93, BGHR StGB § 21 Vorverschulden 4; Beschluss vom 2. März 1993 – 1 StR 26/93, StV 1993, 421; Urteile vom 6. Oktober 1992 – 1 StR 574/92 und vom 15. Dezember 1987 – 1 StR 498/87, BGHSt 35, 143). Einschlägiger Vorverurteilungen bedarf es jedoch nicht (Senat, Urteil vom 19. Oktober 2004 – 1 StR 254/04, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 37).
7
3. An dieser Rechtsprechung, die an den Beschluss des 5. Strafsenats vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04, BGHSt 49, 239 anknüpft, hält der Senat fest. Den Ausführungen des 5. Strafsenats in der genannten Entscheidung schließt sich der Senat an.
Raum Jäger Cirener
Fischer Bär

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 84/09
vom
17. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 17. März 2009 einstimmig beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Lüneburg vom 13. November 2008 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349
Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Senat, dass die den Angeklagten nicht beschwerende Nichtanordnung
der Maßnahme nach § 64 StGB zur Unzulässigkeit eines Rechtsmittels
des Angeklagten führt, mit dem dieser allein die Nichtanordnung der
Maßregel beanstandet (st. Rspr.). Dies hindert das Revisionsgericht indes
nicht, auf eine zulässig erhobene - und die Nichtanwendung des
§ 64 StGB nicht ausdrücklich vom Angriff ausnehmende - Revision des
Angeklagten, die sonstige Rechtsfehler rügt, das Urteil aufzuheben,
wenn eine Prüfung der Maßregel unterblieben ist, obwohl die tatrichterlichen
Feststellungen dazu gedrängt haben (BGH, Beschl. vom 7. Januar
2009 - 3 StR 458/08 m. w. N.).
Becker Miebach von Lienen
Sost-Scheible Schäfer

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Das Gericht bestimmt die Dauer der Bewährungszeit. Sie darf fünf Jahre nicht überschreiten und zwei Jahre nicht unterschreiten.

(2) Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung. Sie kann nachträglich bis auf das Mindestmaß verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf das Höchstmaß verlängert werden.

(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.

(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.

(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.

(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.