Oberlandesgericht Köln Urteil, 23. Juli 2014 - 11 U 104/13
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 12.07.2013 – 1 O 170/13 – wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 12.07.2013 - 1 O 170/13 – abgeändert und die zugrunde liegende Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Die Klägerin nahm an der öffentlichen Ausschreibung Nr. 2039/11 der Beklagten zur Beschaffung von Zimmerarbeiten für das Bauvorhaben „Neubau einer internationalen Kindertagesstätte I 30 in C“ teil, die die Beklagte u.a. im Deutschen Ausschreibungsblatt am 27.10.2011 veröffentlicht hatte. Die Klägerin erhielt die Vergabeunterlagen auf Anfrage übersandt und beteiligte sich mit einem Gebot vom 30.11.2011 über 1.083.878,22 €, das unter den abgegebenen Geboten bei Eröffnung der Angebote am 01.12.2011 das Günstigste war.
4Allerdings teilte die Beklagte mit Schreiben vom 20.01.2012 mit, das Vergabeverfahren werde gemäß § 17 VOB/A wegen schwerwiegender Gründe, namentlich der „Änderung von Positionen zur Sichtqualität“, aufgehoben und das neue Vergabeverfahren 210/12 als freihändige Vergabe eingeleitet. Diese Ausschreibung betraf denselben Beschaffungsvorgang, das Leistungsverzeichnis wurde allerdings in vier Positionen (1.2.20 – 1.2.50) zur Sichtqualität der Brettsperrholzelemente geändert. In dem Verfahren Nr. 210/12 sind die Positionen ausdrücklich mit der Oberflächenanforderung „Wohnsichtqualität“ ausgeschrieben.
5Die Klägerin rügte gegenüber der Vergabestelle der Beklagten und gegenüber der Nachprüfungsstelle bei C2 vor Ablauf der Angebotsfrist erfolglos vergaberechtliche Verfahrensverstöße. Insbesondere die Nachprüfungsstelle des C2 stellte mit Schreiben vom 28.02.2012 fest, dass keine Vergaberechtsverstöße vorlägen.
6Die Klägerin gab sodann ein angepasstes Angebot auch im Vergabeverfahren Nr. 210/12 über nunmehr 1.126.472,00 € ab, unstreitig das in diesem zweiten Vergabeverfahren nicht günstigste. Der Zuschlag wurde ihr nicht erteilt.
7Die Klägerin hat der Ansicht vertreten, die Aufhebung des Vergabeverfahrens Nr. 2039/11 sei rechtswidrig erfolgt. Bereits die ursprüngliche Ausschreibung sei inhaltlich eindeutig dahingehend zu verstehen gewesen, dass in den Positionen 1.20.20 – 50 Industriesichtqualität gefordert gewesen sei. Die Fortführung des ursprünglichen Vergabeverfahrens Nr. 2039/11 im Verfahren Nr. 210/12 sei vergaberechtswidrig; auch sei eine Vergabe im freihändigen Verfahren unzulässig gewesen.
8Die Klägerin begehrt den ihr entgangenen Gewinn, den sie mit 54.193,91 € beziffert. Sie ist der Ansicht, ihr hätte bei einem regelgerechten Verfahren der Zuschlag erteilt werden müssen. Sie begehrt darüber hinaus den Ersatz der Aufwendungen für die Teilnahme an den Ausschreibungen 2039/11 i.H.v. 5.241,50 € und 210/12 in Höhe von 825,00 €, wobei sie teilweise die Kosten ihrer Mitarbeiter, teilweise Arbeitsstunden ihre Geschäftsführers und teilweise Auslagen ansetzt.
9Die Beklagte hat behauptet, die Ausschreibung sei hinsichtlich der Leistungsbeschreibung zur Oberflächenqualität der Brettsperrholzelemente nicht eindeutig gewesen. Denn obwohl die vier Positionen 1.2.20 -1.2.50 irrtümlich nur in „Industriesichtqualität“ beschrieben wurden, habe die Nutzung des Gebäudes als Kindertagesstätte und der Hinweis in der Baubeschreibung, dass die Massivholzwände lediglich mit einem transparenten Schutzanstrich versehen werden sollten, den Schluss zugelassen, dass „Wohnsichtqualität“ erwartet werde. Die Widersprüchlichkeit der Ausschreibung habe zu unterschiedlichen Kalkulationsgrundlagen und -ergebnissen der Bieter geführt, was durch Nachfrage bei zwei Bietern bestätigt worden sei.
10Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass es auf die Frage, ob das Vergabeverfahren 2039/11 gemäß § 17 VOB/A habe aufgehoben werden dürfen, nicht ankomme, da die Klägerin jedenfalls nicht dargelegt habe, dass sie bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens den Zuschlag erhalten hätte. Denn es habe der Beklagte nach Eröffnung der Angebote jedenfalls freigestanden, die Ausschreibung in den streitgegenständlichen Leistungsverzeichnis-Positionen zu verändern und die Bieter erneut zur Angebotsabgabe aufzufordern. Denn „Industriesichtqualität“ der betreffenden Brettsperrholzelemente habe nicht dem Beschaffungswillen der Beklagten entsprochen.
11Dem Anspruch der Klägerin stehe zudem entgegen, dass sie keinen zivilgerichtlichen Primärrechtsschutz in Anspruch genommen habe.
12Die Beklagte hat weiter die Ansicht vertreten, dass es sich bei den Kosten der Klägerin für die Erstellung des ersten Angebots im Verfahren 2039/11 nicht um frustrierte Aufwendungen handele, da hierauf im Vergabeverfahren 210/12 aufgebaut werden konnte. Unabhängig davon könne die Klägerin auch nur dann den Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen, wenn sie darlegen kann, dass die betreffenden Mitarbeiter alternativ für einen anderen Zweck hätten eingesetzt werden können und in diesem Fall Gewinne erzielt worden wären. Ohnehin könne die Klägerin nicht positives und negatives Interesse nebeneinander geltend machen.
13Das Landgericht hat mit Urteil vom 12.07.2013 – 1 O 170/13 –, auf das wegen der Feststellungen Bezug genommen wird (Bl. 127 – 138 d.A.), die Klägerin nach Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 5.241,50 € nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, einen Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses scheide bereits deshalb aus, weil die Klägerin jedenfalls nicht dargelegt habe, dass sie bei ordungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens 2039/11 den Zuschlag hätte erhalten müssen. Die Beklagte sei nach Öffnung der Angebote berechtigt gewesen, das Vergabeverfahren in das Stadium vor Submission zurückzuversetzen und die Bieter erneut zur Angebotsabgabe aufzufordern. Allerdings habe die Beklagte den zur Aufhebung der Ausschreibung führenden Grund zu vertreten und sei der Klägerin zum Ersatz des negativen Interesses verpflichtet.
14Gegen dieses Urteil wenden sich die Parteien jeweils mit ihren Berufungen.
15Die Klägerin verfolgt ihren Antrag auf Zahlung von 54.193,91 € mit der Maßgabe weiter, dass sie hilfsweise begehrt, das Urteil in dem zu ihren Gunsten erkannten Umfang aufrechtzuerhalten.
16Sie rügt, das Landgericht habe einen unrichtigen Sachverhalt hinsichtlich der Aufhebung des ursprünglichen Vergabeverfahrens zugrunde gelegt (Bl. 187 f. d.A.). Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und betont nochmals, dass die Beklagte willkürlich und vergaberechtswidrig den Zuschlag nicht der Klägerin erteilt habe. Auch habe das Landgericht zu Unrecht Vorbringen zur Widersprüchlichkeit des ursprünglichen Leistungsverzeichnisses aus dem (nicht nachgelassenen) Schriftsatz vom 05.06.2013 nicht berücksichtigt.
17Die Beklagte begehrt mit ihrem Rechtsmittel die vollständige Abweisung der Klage und macht weiterhin geltend, der behauptete Schaden sei nicht hinreichend dargelegt.
18II.
19Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB, der auf das positive Interesse in Gestalt des entgangenen Gewinns gerichtet wäre.
201.
21Wohl bestand durch die Teilnahme der Klägerin an der Ausschreibung der Beklagten ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis im Sinne von §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB, was jedenfalls dann, wenn - wie hier - auf der Grundlage der VOB/A ausgeschrieben wird, den Auftraggeber auch dazu verpflichtet, deren Vorgaben einzuhalten. Umgekehrt durfte die Klägerin als Bieterin auf die Einhaltung dieser Regeln vertrauen. Eine Verletzung dieses Vertrauens war grundsätzlich geeignet, auf ihrer Seite Ersatzansprüche auszulösen.
222.
23Inwieweit die Beklagte indes ihre Pflichten aus diesem vorvertraglichen Vertrauensverhältnis durch Missachtung der Vorschriften der VOB/A verletzt hat, kann für die von der Klägerin geltend gemachte Haftung der Beklagten auf das positive Interesse dahinstehen. Denn Ersatz seines entgangenen Gewinns kann ein grundsätzlich ersatzberechtigter übergangener Bieter nur dann verlangen, wenn er ohne den Verstoß und bei auch ansonsten ordnungsgemäßer Vergabe den Zuschlag hätte erhalten müssen (vgl. nur BGH, Urteil vom 3. 4. 2007 - X ZR 19/06 (OLG Dresden), NZBau 2007, 523; BGH, NZBau 2004, NZBau 2004, 517; NZBau 2006, 797; Motzke/ Pietzcker/ Prieß, VOB, Syst V Rdnrn. 211f.) und wenn der ausgeschriebene oder ein diesem wirtschaftlich gleichzusetzender Auftrag vergeben worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2012 – X ZR 108/10, MDR 2013, 136, juris; Urteil vom 08.09.1998 – X ZR 48/97, BGHZ 139, 259, juris; Urteil vom 26.01.2010 – X ZR 86/08, NZBau 2010, 387, juris). Dass die Klägerin allerdings gerade unter diesen Prämissen den Zuschlag hätte erhalten müssen, ergibt bereits ihr eigener Vortrag – entgegen ihrer Einschätzung – nicht:
24Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie den Zuschlag hätte erhalten müssen, weil zum einen die Aufhebung des ursprünglichen Vergabeverfahrens rechtswidrig gewesen sei und daraus zu folgern sei, dass nicht nur die Aufhebung mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nicht hätte erfolgen dürfen, sondern die Beklagte auch – trotz Erkennens des Umstandes, dass das Gebot der Klägerin die tatsächlich erwünschte Wohnsichtqualität des Materials nicht berücksichtigt – den Auftrag an die Klägerin hätte erteilen müssen. Insbesondere die zuletzt genannte Schlussfolgerung der Klägerin ist allerdings aus Rechtsgründen unzutreffend: Denn die Klägerin verkennt, dass ein öffentlicher Auftraggeber durch das Vergaberecht gerade nicht dazu verpflichtet wird, Aufträge für Leistungen zu vergeben, die er nicht oder so nicht haben möchte. Das Vergaberecht soll gewährleisten, dass öffentliche Aufträge nur an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen zu angemessenen Preisen erteilt werden, wobei der Wettbewerb die Regel zu sein hat und ungesunde Begleiterscheinungen wie wettbewerbsbeschränkende Praktiken zu bekämpfen und allen Wettbewerbern gleiche und faire Chancen auf den Erhalt des Zuschlages einzuräumen sind, § 2 Abs. 1, Abs. 2 VOB/A.
25Der Klägerin ist zuzugeben, dass ein transparenter Wettbewerb wegen der damit verbundenen Manipulationsgefahr nicht mit einer im Belieben des Auftraggebers stehenden Wiederholung der Angebotsabgabe zu vereinbaren ist. Es steht aber gerade nicht im Belieben des Auftraggebers, vor oder nach Submission den Bietern Gelegenheit zu einer Änderung ihrer Angebote einzuräumen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05. Januar 2011 – VII-Verg 46/10, Verg 46/10 –, juris). Insoweit hat auch die Beklagte nicht willkürlich ein Vergabeverfahren wiederholt, sondern nach Erkennen des Umstandes, dass ihre Leistungsbeschreibung zumindest mehrdeutig gewesen sein konnte, weil jedenfalls der günstigste Anbieter – namentlich die Klägerin selbst – die Ausschreibung nicht wie sie seitens der Beklagten gemeint war, verstanden hat, den Bietern einschließlich der Klägerin die gleichen Chancen eingeräumt, ihre Gebote gegebenenfalls an das tatsächlich gewünschte Leistungssoll anzupassen. Ausgehend hiervon kommt eine Haftung der Beklagten auf das positive Interesse vorliegend nicht in Betracht, unabhängig davon ob der behauptete Verfahrensverstoß vorlag oder nicht:
26Wenn nämlich die ursprüngliche Ausschreibung objektiv dahingehend zu verstehen gewesen ist, dass die Positionen 1.2.20 – 50 als Erfordernis von Wohnsichtqualität aufgefasst werden mussten, so entsprach das Gebot der Klägerin bereits nicht der ursprünglichen Ausschreibung und konnte bereits damals keinen Erfolg haben. In der späteren Ausschreibung Nr. 210/12 war das Angebot der Klägerin unstreitig nicht das günstigste.
27War die ursprüngliche Ausschreibung Nr. 2039/11 hingegen objektiv mehrdeutig oder aber bei zutreffender Würdigung durch Adressaten des in Betracht kommenden Bieterkreises eindeutig auf Industriesichtqualität gerichtet, musste die Beklagte nicht dennoch sehenden Auges eine Bestellung tätigen, die sie (zumindest teilweise) in anderer Ausführung haben wollte, als vom wirtschaftlich günstigsten Bieter angeboten. Zwar mag es in solchen Fällen am Maßstab von § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A unzulässig sein, eine Ausschreibung aufzuheben, wenn Fehler der Leistungsbeschreibung, Ungenauigkeiten oder aber Abweichungen von dem tatsächlich Gewünschten in einer der öffentlichen Auftraggeberin zurechenbaren Weise in die Leistungsbeschreibung gelangt sind. Dies darf aber nicht zu dem Missverständnis führen, dass dem Auftraggeber bei einem rechtswidrigen Vergabeverfahren die Aufhebung verwehrt ist. Vielmehr kommt in diesem Fall sogar erst recht eine – wenn auch gegebenenfalls zum Schadensersatz verpflichtende – Aufhebung der Ausschreibung in Betracht (vgl. OLG Nürnberg NJW 1986, 437 f.; Portz in: Ingenstau/Korbion, VOB/A, 18. Auflage 2013, § 17 Rn. 72). Den Auftraggeber trifft kein Kontrahierungszwang, sondern allenfalls eine Schadensersatzpflicht (vgl. OLG Köln, Urteil vom 18. Juni 2010 – 19 U 98/09, I-19 U 98/09 –, juris). Anderes mag in einem solchen Falle gelten, wenn alle Bieter die Klausel in dem gleichen Sinne verstanden haben (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 03.07.2007 – 11 U 54/06, ZfBR 2007, 709 ff.). Insoweit kann allerdings dahinstehen, dass die Klägerin bestritten hat, dass andere Bieter die Klausel anders aufgefasst haben als sie, da jedenfalls sie selbst die Klausel nicht so aufgefasst hat, wie sie vom Ausschreibenden gemeint war.
28Insoweit vermochte die Klägerin auch nicht darzulegen, dass der Auftrag letztlich, im Rahmen des späteren Vergabeverfahrens Nr. 210/ 12, zu den gleichen bzw. wirtschaftlich entsprechenden Konditionen vergeben worden wäre, wie nach ihrem Vortrag im Rahmen des Vergabeverfahrens Nr. 2039/11 ausgeschrieben. Vielmehr unterscheiden sich die tatsächliche Auftragsvergabe und das Gebot der Klägerin im ursprünglichen Vergabeverfahren, so dass nicht davon gesprochen werden kann, dass der ausgeschriebene oder ein diesem wirtschaftlich gleichzusetzender Auftrag tatsächlich vergeben worden ist. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass die Positionen, in denen eine Änderung erfolgte, wirtschaftlich betrachtet lediglich 3-5 % der Auftragssumme ausgemacht haben mögen. Ausschlaggebend ist, dass Änderungen erfolgt sind, die aus Sicht der ausschreibenden Auftraggeberin so maßgeblich waren, dass sie deshalb eine erneute Ausschreibung getätigt hat. Im Rahmen dieser Ausschreibung hatten abermals alle Bieter gleiche Chancen, das günstigste Angebot abzugeben. Unstreitig ist im späteren Vergabeverfahren das Gebot der Klägerin nicht das günstigste gewesen.
29Mit der Rüge, das Landgericht habe in seinem Urteil einen unzutreffenden Sachvortrag unterstellt, indem es von einem vergaberechtskonformen Verhalten der Beklagten ausgegangen sei (Seite 2 der Berufungsbegründung), kann die Klägerin nach dem Vorstehenden schon deshalb nicht obsiegen, weil es insbesondere zur Begründung einer Haftung auf das positive Interesse in vorliegender Sache gar nicht streitentscheidend auf die Frage ankommt, ob der Vergaberechtsverstoß tatsächlich vorlag oder nicht, so dass selbst bei Feststellung anderer Tatsachen keine andere Entscheidung gerechtfertigt gewesen wäre, § 513 Abs. 1 a.E. ZPO. Die Frage ist letztlich vielmehr unerheblich. Ohne Einfluss auf das Ergebnis des Rechtsstreits ist daher auch der Vortrag der Klägerin aus ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 05.06.2013 einschließlich der Ausführungen des Privatgutachters der Klägerin, des Dr.-Ing. T.
303.
31Hinzu kommt, dass, soweit die Klägerin Ersatz entgangenen Gewinns begehrt, die Klage auch aus einem weiteren Grund keinen Erfolg haben konnte: der Schaden der Klägerin ist nämlich insbesondere auch am Maßstab von §§ 249, 252 BGB der Höhe nach nicht schlüssig dargetan:
32Nach § 252 BGB umfasst der (gegebenenfalls) zu ersetzende Schaden zwar grundsätzlich auch den entgangenen Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden könnte. Die Tatsachen, aus denen sich die Prognose eines zukünftigen Gewinns ergibt, muss aber der Geschädigte darlegen und in den durch § 287 ZPO gezogenen Grenzen beweisen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 18. Juni 2010 – 19 U 98/09, I-19 U 98/09 –, juris). Dabei mag er sich zwar auf die Behauptung und den Nachweis derjenigen Tatsachen beschränken, bei deren Vorliegen die Vermutung in § 252 S. 2 eingreift (Anknüpfungstatsachen). Die Klägerin beruft sich zur Begründung der Höhe ihres entgangenen Gewinns aber lediglich pauschal auf eine Analogie zu § 649 S. 3 BGB (Bl. 9 d.A.) und erklärt, ihr stehe entgangener Gewinn in Höhe von 5% ihrer Angebotssumme (1.083.878,22 €) zu, mithin in Höhe von 54.193,91 €. Die Beklagte hat dies jedoch bereits in erster Instanz zu Recht ausdrücklich als unsubstantiiert gerügt und bestritten, dass die Klägerin mit einem Gewinn von 5 % kalkuliert habe (Bl. 53). Hierzu hat sich die Klägerin nicht mehr substantiiert eingelassen.
33Vor dem Hintergrund des wechselseitigen streitigen Vorbringens vermag der Senat nicht zu erkennen, dass § 649 S. 3 BGB einen in der Weise verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken in sich trüge, dass diese Norm analog auf den Fall anzuwenden wäre, dass ein Unternehmer einen Auftrag im Rahmen eines Vergabeverfahrens – zu Recht oder zu Unrecht – nicht erhalten hat (so auch die Beklagte, Bl. 53). Eine solche Analogie liefe darauf hinaus, dass eine allgemeine tatsächliche Vermutung im Werkvertragsrecht dafür entstünde, dass jeder Werkunternehmer mit einem Mindestgewinn von 5% kalkuliert und grundsätzlich auch in der Lage wäre, diesen nach Abzug ersparter Aufwendungen zu erzielen. Dass dies richtig wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es fehlt bereits an einer erkennbaren planwidrigen Regelungslücke im Gesetz. Es hätte der Klägerin ohne Weiteres offen gestanden darzulegen und unter Beweis zu stellen, welche Gewinne sie konkret zu erwarten hatte.
34Der verbleibende pauschale Vortrag der Klägerin setzt sich dagegen nicht mit der Einlassung der Beklagten, die den Gewinn der Höhe nach bestritten hat, auseinander. Der Vortrag der Klägerin liefert damit keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen für eine Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO. Eine Schadensschätzung müsste vielmehr mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen (vgl. Oetker in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 252 BGB Rn. 38). Insbesondere fehlt es an einer sinnvollen Auseinandersetzung mit der Frage, welche Kosten für Personal, Material, Betriebsstoffe etc. erspart wurden und welche kalkulatorischen Kosten wegen nicht entstandener auftragsbezogener Wagnisse anfallen.
35III.
36Die Berufung der Beklagten ist hingegen begründet.
37Dahinstehen kann auch insoweit, ob der Klägerin im Hinblick auf von der Beklagten zu vertretende Fehler der Ausschreibung ein auf das negative Interesse gerichteter Anspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB dem Grunde nach zusteht.
38Denn unabhängig hiervon ist die Rüge der Beklagten berechtigt, dass die Klägerin Ersatz von solchen Kosten begehrt, die der Sache nach reine „Sowiesokosten“ sind. Dies betrifft insbesondere die Kosten für die fest angestellten Mitarbeiter der Klägerin, die Zeugin K und den Zeugen T2 (Bl. 7 f.), sowie die Arbeitszeit des Geschäftsführers der Klägerin.
39Soweit die Klägerin den Ersatz von frustrierten Aufwendungen begehrt, die im Vertrauen auf eine berechtigte Aussicht den Zuschlag zu erhalten, getätigt wurden, liegen die nach der Rechtsprechung insoweit erforderlichen Voraussetzungen nicht vor. Jedenfalls wurden sie nicht schlüssig und substantiert dargelegt. Zwar sind Bieter im Falle einer durch den Auftraggeber vorgenommenen rechtswidrigen Aufhebung der Ausschreibung unter Umständen von ihrem Schadensumfang her so zu stellen, als hätten sie das Vertragsverhältnis nicht angebahnt. Dann hätten die Bieter und Bewerber naturgemäß auch keine Kosten für die Beteiligung an der Ausschreibung gehabt, so dass ihnen als Ersatz das negative Interesse einschließlich der Personal- und Sachaufwendungen für die Bearbeitung des Angebots (Angebotskalkulation) zustehen kann (vgl. Portz in: Ingenstau/Korbion, VOB/A, § 17 Rn. 77).
40Doch die Frage, ob und in welcher Höhe ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist, beurteilt sich nach der sog. Differenztheorie, bei der ein Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage des Anspruchsstellers mit derjenigen, die sich ohne dieses schädigende Ereignis eingestellt hätte, anzustellen ist. Bei Anwendung dieses Grundsatzes ist ein Schaden aber grundsätzlich nicht feststellbar, wenn ohne nähere Darlegungen nur die vergebliche Arbeitszeit der von dem Anspruchsteller für die Erstellung des Angebots eingesetzten Mitarbeiter geltend gemacht wird. Denn die bei dem Bieter angestellten Mitarbeiter hätten unabhängig von der Teilnahme an dem Bieterwettbewerb bezahlt werden müssen (Sowieso-Kosten). Damit hat die Klägerin durch den Einsatz der bei ihr angestellten Mitarbeiter keine Kosten aufwenden müssen, die ihr sonst erspart geblieben wären. Ein ersatzfähiger Vermögensschaden wäre der Klägerin nur dann entstanden, wenn sie die Mitarbeiter alternativ für einen anderen Zweck hätte einsetzen können und in diesem Fall Gewinne erzielt worden wären, die ihr nun entgehen (BGH NJW 1977, 1446; OLG Köln, Urteil vom 8. November 1991 – 19 U 50/91 – MDR 1992, 228; KG NZBau 2004, 167). Dazu ist aber nichts vorgetragen, jedenfalls nichts Konkretes und einem nicht lediglich auf Sachverhaltsausforschung angelegten Beweis Zugängliches: die Klägerin hat sich insoweit darauf beschränkt, pauschal vorzutragen, dass die Zeugin K – nur sie, bezüglich des Zeugen T2 und ihres Geschäftsführers fehlt derartiger Vortrag – während der Zeiten der angebotsbezogenen Arbeiten nicht anderweitig gewinnbringend für die Klägerin einsetzbar gewesen sei (Bl. 7). Das ist indes als Vortrag für tatsächlich bestehende und entgangene Möglichkeiten, die Arbeitskraft der Zeugin in der fraglichen Zeit für einen anderen Auftrag gewinnbringend einzusetzen, unzureichend, zumal die Beklagte diesen Vortrag eingehend und unter ausdrücklicher Rüge unzureichenden Sachvortrages bestritten hat (Bl. 21). Soweit die Klägerin sich hierzu nicht mehr eingelassen hat, hat sie die Voraussetzungen ersatzfähigen Schadens nicht in der ihr obliegenden Weise dargetan.
41Auf eine lediglich der sogenannten Frustrationstheorie zugrunde liegende tatsächliche Vermutung, dass sich die Arbeitskraft von Mitarbeitern stets in einer gewinnbringenden Weise rentiert, kann sich die Klägerin nicht berufen, weil die Geltung der Frustrationstheorie in dieser Allgemeinheit in ständiger Rechtsprechung , die auch der Senat folgt, abgelehnt wird.
42IV.
43Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
44Die Revision wird nicht zugelassen, weil der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch im Hinblick auf die Rechtsfortbildung oder die Einheit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO).
45Streitwert:
46Berufung der Klägerin: 54.193,91 €
47Berufung der Beklagten: 5.241,50 €
48Gesamt: 59.435,41 €
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 23. Juli 2014 - 11 U 104/13
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Oberlandesgericht Köln Urteil, 23. Juli 2014 - 11 U 104/13 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 9. September 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin nimmt nach erfolgloser Teilnahme an einem Vergabeverfahren die beklagte Gemeinde auf Schadensersatz wegen des ihr entgangenen Gewinns in Anspruch.
- 2
- Die Beklagte beabsichtigte den Neubau einer Fußgängerüberführung über eine Bundesstraße und schrieb dieses Bauvorhaben im Jahre 2003 öffentlich nach der VOB/A aus. Gegenstand der Ausschreibung und des 19 Seiten umfassenden Leistungsverzeichnisses war eine Stahlbetonbrücke; Änderungsvorschläge und isolierte Nebenangebote waren zugelassen, sollten jedoch ebenfalls nach Mengenangaben und Einzelpreisen aufgegliedert werden, auch bei einem Pauschalpreis. Ein Hauptangebot mit ausgefülltem Leistungsverzeichnis reichte nur die L. GmbH (im Folgenden: L.) ein; der Preis betrug ca. 283.600,-- €. Zusätzlich legte die L. ein als Sondervorschlag bezeichnetes Nebenangebot zum Preis von rund 167.700,-- € vor, das eine Holzbrücke auf Stahlbetonstützen nach einem "System B. " (im Folgenden: System B.) beinhaltete. Dieses Nebenangebot war mit einem sechsseitigen die Vor- und Nebenarbeiten betreffenden Positionsverzeichnis versehen, das sich an den Titeln des Leistungsverzeichnisses orientierte, für den eigentlichen Stahl-Holz-Brückenüberbau einschließlich Treppenlage indes nur eine Pauschale von 82.885,-- € vorsah. Die Klägerin gab ein isoliertes Nebenangebot ab, das ebenfalls eine Stahl-Holz-Konstruktion, jedoch nach dem grundlegend andersartigen Konstruktionsprinzip des Unternehmens S. (im Folgenden : S.) zum Gegenstand hatte und das die S. als Nachunternehmerin für den Brückenüberbau vorsah; der insgesamt nur pauschal angegebene Angebotspreis betrug rund 217.000,-- €. Die Beklagte stellte fest, das Hauptangebot der L. übersteige ihre finanziellen Mittel und sei daher für sie nicht umsetzbar. Das Nebenangebot der Klägerin sei wegen des Pauschalpreises bzw. wegen der fehlenden Angabe von Einzelpreisen und Mengenansätzen von der Wertung auszuschließen und sei auch wohl überhöht. Der Sondervorschlag der L. als das wirtschaftlich günstigere Angebot bedürfe weiterer technischer Abklärung. Auch hinsichtlich der Nebenangebote sei bei der gezeigten geringen Marktbeteiligung ein annehmbarer Preis nicht gefunden worden. Bei Akzeptanz der Holzvariante solle mit der L. die Abklärung betrieben werden. In der Folgezeit nahm die Beklagte mit der L. Verhandlungen auf, die dazu führten, dass die L. ihren Angebotspreis auf 148.589,64 € reduzierte und am 21. Oktober 2003 den Auftrag erhielt, wobei die Vertragsparteien vereinbarten - insoweit abweichend vom ursprünglichen Sondervorschlag der L. -, dass der Brückenüberbau durch die S. als Nachunternehmer errichtet werden solle. Die L. führte den Auftrag aus und verwirklichte dabei, wie im Revisionsverfahren nicht mehr streitig ist, im Wesentlichen die von der Klägerin angebotene Konstruktion.
- 3
- Das Landgericht hat die auf Zahlung von 43.686,-- € gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und gemäß dem Klageantrag erkannt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Landgerichts.
- 5
- I. Das Berufungsgericht hat sein Urteil wie folgt begründet: Der Klägerin stehe der geltend gemachte Gewinnersatzanspruch gegen die Beklagte nach §§ 311 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo zu. Die Beklagte habe das vorvertragliche Vertrauensverhältnis der Parteien verletzt. Beide Anspruchsvoraussetzungen, dass nämlich der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich erteilt worden sei und dass der auf Schadensersatz klagende Bieter ihn bei rechtmäßigem Abschluss des Vergabeverfahrens zwingend hätte erhalten müssen, seien zu bejahen. Der ausgeschriebene Auftrag sei erteilt worden, weil sowohl das Nebenangebot der Klägerin als auch das ursprüngliche Angebot der L. ausschreibungskonform gewesen seien. Die L. hätte aber den Auftrag zum Bau der Brücke nach dem ursprünglich nur von der Klägerin angebotenen System S. nicht erhalten dürfen, weil die L. innerhalb der Angebotsfrist ein Angebot dieses später verwirklichten Inhalts nicht abgegeben habe. Statt dessen hätte die Klägerin als einziger verbliebener Mitbieter beauftragt werden müssen. Dies setze zwar ein wertungsfähiges Angebot der Klägerin voraus, jedoch brauche nicht abschließend entschieden zu werden, ob das Angebot der Klägerin, weil es nicht die in den Bewerbungsbedingungen grundsätzlich geforderte Aufgliederung nach Mengenansätzen und Einzelpreisen habe erkennen lassen, von der Wertung hätte ausgeschlossen werden müssen. Denn jedenfalls könne sich die Beklagte nach Treu und Glauben auf etwaige formale Defizite des klägerischen Angebots nicht berufen. Sie habe sich nämlich durch diese Defizite nicht daran gehindert gesehen, im Ergebnis die von der Klägerin angebotene Brücke bauen zu lassen, nur eben nicht mit der Klägerin als Auftragnehmer. Die Beklagte habe die konstruktiven und preislichen Einzelheiten über den von ihr beauftragten Erschließungsträger, die L. und/oder die S., besorgt oder besorgen lassen. Auf dieser Basis habe die L. mehr als drei Monate nach Ablauf der Angebotsfrist und in Kenntnis des von der Klägerin kalkulierten Preises ein neues preisgünstigeres Angebot erstellt, das im Wesentlichen inhaltsgleich mit dem der Klägerin gewesen sei, und darauf dann den Auftrag erhalten. Darin liege ein eklatant vergaberechtswidriges Verhalten der Beklagten. Dieser Verstoß stehe dem Einwand der Beklagten, das klägerische Angebot hätte wegen Unvollständigkeit nicht gewertet werden dürfen, um so mehr entgegen, als das neue Angebot der L. für den Brückenüberbau , also für den wertmäßig rund 70 % ausmachenden Leistungsteil der S., wiederum nur einen nicht weiter aufgegliederten Pauschalpreis genannt und somit seinerseits den Bewerbungsbedingungen offenkundig nicht entsprochen habe. Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten sei es nicht mehr hinnehmbar, den Gewinnersatzanspruch der Klägerin an gegebenenfalls fehlenden Angaben in ihrem Angebot scheitern zu lassen.
- 6
- II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen für den von der Klägerin geltend gemachten Ersatzanspruch als gegeben erachtet.
- 7
- 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats entsteht durch die Teilnahme eines Bieters an der Ausschreibung eines öffentlichen Auftraggebers ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis mit Sorgfalts- und Schutzpflichten, zu denen jedenfalls dann, wenn - wie hier - auf der Grundlage der VOB/A ausge- schrieben war, auch gehört, dass der Auftraggeber deren Vorgaben einhält. Umgekehrt darf der Bieter auf die Einhaltung dieser Regeln vertrauen; eine Verletzung dieses Vertrauens kann auf seiner Seite Ersatzansprüche auslösen. Diese Rechtsprechung, die in der Vergangenheit aus dem gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtsinstitut der culpa in contrahendo hergeleitet wurde, ist jetzt auf § 311 Abs. 2 BGB zu stützen, nachdem die Haftung aus culpa in contrahendo mit dieser am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Vorschrift eine normative Grundlage erhalten hat. Der Sache nach ist an der bisherigen Rechtsprechung aber festzuhalten, weil § 311 Abs. 2 BGB an dem bisher angewandten Recht inhaltlich nichts ändern wollte.
- 8
- 2. Ersatz seines entgangenen Gewinns kann nach diesen Grundsätzen ein grundsätzlich ersatzberechtigter übergangener Bieter jedoch nur dann erhalten , wenn er ohne den Verstoß und bei auch ansonsten ordnungsgemäßer Vergabe den Zuschlag hätte erhalten müssen (vgl. nur Urt. v. 03.06.2004 - X ZR 30/03, VergabeR 2004, 604; v. 01.08.2006 - X ZR 115/04, VergabeR 2007, 73; Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB, Syst V Rdn. 211 f.). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Nach dem festgestellten Sachverhalt war die Beklagte nicht gehalten, den Auftrag zum Bau der Fußgängerbrücke der Klägerin zu erteilen; damit scheidet zugleich die Feststellung aus, dass die Klägerin den Auftrag hätte erhalten müssen. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob diese Folgerung bereits deshalb zu ziehen ist, weil das Angebot der Klägerin nicht den Anforderungen der Ausschreibung zur Aufgliederung der Gebote in Nr. 4.4 der "Bewerbungsbedingungen" der Beklagten entsprach. In Nr. 4.5 hatte sich die Beklagte die Entscheidung über die Zulassung solcher Gebote vorbehalten und diese damit - anders als in § 25 Nr. 1 VOB/A vorgesehen - in ihr Ermessen gestellt, wobei hier offen bleiben kann, ob eine solche Abweichung von den Regeln der VOB/A rechtlich zulässig ist. Fehlt es daran, war das Nebenangebot der Klägerin nach der dann einzuhaltenden Vorschrift des § 25 Nr. 1 Abs. 1b VOB/A zwingend zurückzuweisen und konnte daher nicht Grundlage eines Anspruchs auf Ersatz des positiven Interesses sein. Konnte sich die Beklagte hingegen die Entscheidung über eine Zulassung auch unvollständiger Angebote vorbehalten, war diese in ihr pflichtgemäßes Ermessen gestellt, bei dessen Ausübung sie allerdings die diesem gesetzte Grenzen zu beachten hatte, wie das Berufungsgericht in seinem rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte jedoch nicht nur das Angebot der Klägerin wegen dessen formaler Fehler nicht berücksichtigt; es hat auch von dem innerhalb der Angebotsfrist eingegangenen Nebenangebot der L. keinen Gebrauch gemacht. Eine rechtliche Ungleichbehandlung der beiden Bieter ist insoweit daher im Ergebnis nicht zu erkennen; diese tritt erst im Folgenden auf, als die Beklagte - auch insoweit unter Verletzung der Vorgaben durch das Ausschreibungsrecht - in Vertragsverhandlungen allein mit der L. über einen inhaltlich von dem rechtzeitig eingereichten Angebot abweichenden Gegenstand eintrat und die Klägerin auch von diesen Verhandlungen ausschloss. Insoweit fehlt es jedoch bereits wegen ihrer mangelnden Beteiligung an einem berücksichtigungsfähigen Angebot der Klägerin, bei dem eine Rechtspflicht zum Zuschlag hätte bestehen können.
- 9
- Fehler bei der Ausübung des von der Beklagten nach den Bewerbungsbedingungen in Anspruch genommenen Ermessens, von denen das Berufungsgericht im Zuge seiner weiteren Überlegungen ausgegangen ist, führen zudem im Übrigen auch nicht zwangsläufig dazu, dass unter Vernachlässigung aller weiteren für die Ermessensausübung maßgeblichen Umstände die Entscheidung in jedem Fall zugunsten des durch den Fehler betroffenen Bieters ausfallen muss. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die von der Klägerin und der L. eingereichten Nebenangebote gleichwertig waren. Das lässt angesichts der deutlichen Preisunterschiede jedenfalls nicht die Feststellung zu, dass der Zuschlag auf das Gebot der Klägerin erteilt worden wäre oder aus Rechtsgründen hätte erteilt werden müssen.
- 10
- 3. Da nach alledem der Klägerin kein Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns zusteht, war die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts unter Aufhebung des Berufungsurteils zu bestätigen.
Ambrosius Mühlens
Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 09.09.2005 - 13 O 3456/04 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 27.01.2006 - 20 U 1873/05 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 1. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin beteiligte sich an der öffentlichen Ausschreibung der beklagten Gemeinde für eine Friedhofserweiterung mit Neubau der Friedhofsmauer und Aussegnungshalle. Die von der Beklagten gestellten Vordrucke für das Angebotsschreiben wiesen ein Feld für eine "rechtsverbindliche Unterschrift" und einen Stempel des Bieters auf und enthielten daneben den Hinweis: "Wird das Angebotsschreiben nicht an dieser Stelle rechtsverbindlich unterschrieben, gilt das Angebot als nicht abgegeben."
- 2
- Die Klägerin gab ein Angebot ab, das unter Berücksichtigung eines Preisnachlasses mit einer Angebotssumme von 261.368,78 € abschloss. Es war von einer Angestellten ohne einen Vertretungszusatz unterzeichnet und mit dem Firmenstempel der Klägerin versehen.
- 3
- Das Angebot der Klägerin war, nachdem die Beklagte ein verspätet abgegebenes Angebot eines Wettbewerbers aus der Wertung nehmen musste, das preisgünstigste Angebot. Mit der Begründung, die Finanzierung sei nicht gesichert, hob die Beklagte das Vergabeverfahren auf und ging bei identischem Leistungsverzeichnis zur beschränkten Ausschreibung über, ohne die Klägerin daran zu beteiligen. Den Zuschlag erhielt ein Bewerber mit einem Angebotspreis von 242.000 €.
- 4
- Die Klägerin hat Teilklage auf Erstattung ihres positiven Interesses in Höhe von 5.001 € erhoben, die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und widerklagend die Feststellung begehrt, dass der Klägerin auch kein weiterer Schadensersatz zusteht. Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Es hat angenommen, dass der Klägerin zwar kein Anspruch auf Erstattung des positiven Interesses zustehe, wohl aber ein solcher auf Ersatz des negativen Interesses aufgrund der Nichtbeteiligung an der zweiten Ausschreibung. Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Klägerin die Klage insgesamt abgewiesen und nach dem Widerklageantrag erkannt.
- 5
- Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf das positive Interesse und den Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter.
Entscheidungsgründe:
- 6
- I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung sinngemäß im Wesentlichen wie folgt begründet: Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin setze die Abgabe eines formal wirksamen Angebots voraus. Daran fehle es vor dem Hintergrund des von der Beklagten aufgestellten Erfordernisses einer rechtswirksamen Unterschrift. Dieses stelle klar, dass das Angebot wirksam zu sein habe und so gefasst sein müsse, dass es nur noch angenommen zu werden brauche , um den Auftraggeber von Ungewissheiten und Verzögerungen freizustellen , die mit der Unterzeichnung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht verbunden sein könnten. Es sei zu respektieren, wenn der Auftraggeber sich den daraus möglicherweise erwachsenden Schwierigkeiten nicht stellen wolle und deshalb über ein lediglich "unterschriebenes" Angebot hinaus die Rechtsverbindlichkeit der Angebotserklärung fordere. Für die Klägerin habe demgegenüber die Angestellte ohne Geschäftsführerin oder Prokuristin zu sein und ohne Vertretungskennzeichen gehandelt. Dass sie als Sekretärin mit der Bearbeitung von Ausschreibungsunterlagen betraut gewesen und nach dem Ergebnis der landgerichtlichen Beweisaufnahme intern auch zur Unterschriftsleistung ermächtigt gewesen sei, genüge den Vorgaben der Beklagten nicht. Dieser sei nicht zuzumuten, erst durch weitere Nachforschungen zu klären, ob Vertretungsmacht vorgelegen habe.
- 7
- II. Diese Begründung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Klägerin hatte ein wirksames Angebot abgegeben.
- 8
- 1. Das Berufungsgericht hat Inhalt und Bedeutung der Unterschriftsklausel nicht rechtsfehlerfrei ermittelt.
- 9
- a) Mit der Unterschriftsklausel hat die Beklagte als Vergabestelle eine vorformulierte Vergabebedingung gestellt. Welcher Erklärungswert dem Inhalt von Vergabeunterlagen zukommt, ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) unter Berücksichtigung des Umstands zu ermitteln, dass die Vergabeunterlagen von der Vergabestelle vorformuliert sind (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 Rn. 10 - Nachunternehmererklärung). Maßgeblich für das Verständnis ist dabei der objektive Empfängerhorizont der potenziellen Bieter (BGH, Urteil vom 11. November 1993 - VII ZR 47/93, BGHZ 124, 64; BGH, VergabeR 2008, 782 Rn. 10; BGH, Urteil vom 3. April 2012 - X ZR 130/10, VergabeR 2012, 724 Rn. 10 - Straßenausbau).
- 10
- b) Dem Berufungsurteil ist nicht zu entnehmen, dass das Berufungsgericht geprüft hat, wie das Erfordernis einer "rechtsverbindlichen Unterschrift" aus Sicht der potenziellen Bieter zu verstehen war. Es scheint die Klausel dahin zu verstehen, dass sie nicht nur eine wirksame, den Bieter rechtlich bindende Unterzeichnung des Angebots verlangt, sondern dass auch nachgewiesen oder zumindest erkennbar sein muss, dass der Unterzeichner über gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt. Denn seine Feststellung, dass die Unterzeichnerin des von der Klägerin abgegebenen Angebots "intern zur Unterschrift berechtigt" gewesen sei, kann nicht anders verstanden werden, als dass die Unterzeichnerin des Angebots die Klägerin kraft ihr erteilter Vollmacht vertreten konnte. Seine Annahme, dass dies den Vorgaben der ausschreibenden Stelle nicht genüge, begründet das Berufungsgericht jedoch nur mit der Erwägung, es sei der Beklagten nicht zuzumuten, die Vertretungsberechtigung des Unterzeichners erst durch weitere Nachforschungen zu klären. Entscheidend ist jedoch nicht, was der Beklagten zuzumuten ist, sondern welche Erklärungen die Bieter den Vergabeunterlagen als ihnen abverlangt entnehmen konnten.
- 11
- 2. Da weitere Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten sind, kann der Senat die Auslegung der Unterschriftsklausel selbst vornehmen (vgl. BGH, VergabeR 2012, 724 Rn. 10 - Straßenausbau). Nach den maßgeblichen Verständnismöglichkeiten der mit der Ausschreibung angesprochenen Bieterkreise ist ihr der Erklärungsgehalt beizulegen, dass der Unterzeichner bei Angebotsabgabe über die erforderliche Vertretungsmacht verfügt haben muss (in diesem Sinne bereits OLG Naumburg, NZBau 2008, 789, 791; ebenso Beck'scher VOB/A-Komm./Prieß § 21 Rn. 6 ff.). Der Gesichtspunkt einer interessengerechten Auslegung rechtfertigt kein abweichendes Ergebnis.
- 12
- Soweit das Berufungsgericht das Risiko vollmachtloser Vertretung bei Handeln einer Person, deren Vertretungsmacht nicht dem Inhalt des Handelsregisters entspreche und die sich auch nicht durch eine Vollmachtsurkunde legitimiere , für den öffentlichen Auftraggeber anspricht, ist schon fraglich, inwieweit die etwaige Erhebung dieses Einwands eines Bieters, der den Vertrag nicht erfüllen will, bei wirklichkeitsnaher Betrachtung erfolgversprechend und wahrscheinlich wäre. Jedenfalls wäre es mit dem Gebot der klaren und eindeutigen Abfassung von Vergabeunterlagen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - X ZR 78/07, VergabeR 2008, 782 Rn. 10 - Nachunternehmererklärung; BGH, VergabeR 2012, 724 Rn. 9) unvereinbar, der Klausel aufgrund der Hinzufügung des Attributs "rechtsverbindlich" (unterschrieben) nach dem Empfängerhorizont den Erklärungsgehalt beizulegen, mit dem Angebot müsse die Bevollmächtigung des Unterzeichners dokumentiert werden, wenn nicht die gesetzlichen Vertreter oder Prokuristen des bietenden Unternehmens unterschrieben haben (dagegen auch Prieß, aaO Rn. 12).
- 13
- Der mit der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. Dezember 2004 (VergabeR 2005, 222) entschiedene Fall wies die Besonderheit auf, dass sich die Vertretungsbefugnis des Bieters, eines städtischen Eigenbetriebs, aus einer gesetzlichen Vorschrift, der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen, ergab und das Angebot nicht von der danach vertretungsberechtigten Person unterschrieben war. Für die Schlussfolgerung, dass das Angebot eines Formkaufmanns (§ 6 HGB) nur dann im Sinne der Unterschriftsklausel "rechtsverbindlich" unterschrieben ist, wenn es die Unterschrift des gesetzlichen Vertreters oder eines Prokuristen aufweist, oder ein Dritter seiner Unterschrift zumindest einen Vertretungszusatz hinzugefügt hat, bietet die Entscheidung dieses Falles keine Grundlage. Das Gesetz sieht bei Formkaufleuten eine "rechtswirksame", nicht aus dem Handelsregister ersichtliche Vertretung durch andere Personen als die gesetzlichen Vertreter und Prokuristen vor (§ 54 Abs. 1 HGB) und unterscheidet generell zwischen dem Bestehen von Vertretungsmacht und deren Nachweis. Der vom Berufungsgericht erwähnte Vertretungszusatz ist nicht konstitutiv für die Wirksamkeit der Erklärung einer zur Vertretung bevollmächtigten Person, sondern allenfalls für die Frage von Bedeutung, ob ihr Vertretungswille hinreichend hervortritt. Im Streitfall war der Wille, für die Klägerin zu handeln, nach den Umständen (Firmenstempel im Unterschriftsfeld einer die Klägerin als Bieterin benennenden Urkunde) offensichtlich (§ 164 Abs. 1 BGB).
- 15
- IV. Für die erneute Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
- 16
- Ein auf das positive Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch eines Bieters setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass dem Bieter bei ordnungsgemäßem Verlauf des Vergabeverfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen und dass der ausgeschriebene oder ein diesem wirtschaftlich gleichzusetzender Auftrag vergeben worden ist (BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 48/97, BGHZ 139, 259; Urteil vom 26. Januar 2010 - X ZR 86/08, VergabeR 2010, 855 Rn. 16 - Abfallentsorgung I). Die letztere Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Danach kann die Klägerin ihr positives Interesse erstattet verlangen, wenn die Beklagte das erste Vergabeverfahren nicht vergaberechtskonform hätte aufheben dürfen, weil die Voraussetzungen aus § 26 Nr. 1 Buchst. c VOB/A aF nicht vorlagen.
- 17
- 1. Ob es sich so verhält, wird nach Lage des Falles in erster Linie davon abhängen, ob die Differenz zwischen den geschätzten Kosten einerseits und den Angebotspreisen der ersten Ausschreibung andererseits eine Aufhebung nach § 26 Nr. 1 Buchst. c VOB/A 2006 gestatteten.
- 18
- a) Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, kann es einen schwerwiegenden Grund zur Aufhebung darstellen, wenn die vor der Ausschreibung vorgenommene Kostenschätzung der Vergabestelle aufgrund der bei ihrer Aufstellung vorliegenden und erkennbaren Daten als vertretbar erscheint und die im Vergabeverfahren abgegebenen Gebote deutlich darüber liegen (BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 99/96, BGHZ 139, 280).
- 19
- b) Für die Schätzung muss die Vergabestelle oder der von ihr gegebenenfalls beauftragte Fachmann Methoden wählen, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis ernsthaft erwarten lassen.
- 20
- Die Gegenstände der Schätzung und der ausgeschriebenen Maßnahme müssen deckungsgleich sein. Maßgeblich dafür sind im Ausgangspunkt die Positionen des Leistungsverzeichnisses, das der konkret durchgeführten Ausschreibung zugrunde liegt. Das Ergebnis der Schätzung ist verwertbar, soweit sie mit diesem Leistungsverzeichnis übereinstimmt. Es ist gegebenenfalls anzupassen , soweit die der Schätzung zugrunde gelegten Preise oder Preisbe- messungsfaktoren im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Vergabeverfahrens nicht mehr aktuell waren und sich nicht unerheblich verändert hatten.
- 21
- c) Wann ein vertretbar geschätzter Auftragswert so "deutlich" überschritten ist, dass eine sanktionslose Aufhebung der Ausschreibung nach § 26 Nr. 1 Buchst. c VOB/A aF/§ 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nF gerechtfertigt ist, lässt sich nicht durch allgemeinverbindliche Werte nach Höhe oder Prozentsätzen festlegen. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine alle Umstände des Einzelfalls einbeziehende Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 - X ZR 150/99, VergabeR 2001, 293, 298). Dabei ist davon auszugehen, dass einerseits den öffentlichen Auftraggebern nicht das Risiko einer deutlich überhöhten Preisbildung weit jenseits einer vertretbaren Schätzung der Auftragswerte zugewiesen werden darf, sondern sie in solchen Fällen zur sanktionsfreien Aufhebung des Vergabeverfahrens berechtigt sein müssen, dass andererseits das Institut der Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht zu einem für die Vergabestellen latent verfügbaren Instrument zur Korrektur der in öffentlichen Ausschreibungen bzw. offenen Verfahren erzielten Submissionsergebnisse geraten darf. Außerdem ist zu berücksichtigen , dass § 26 Nr. 1 VOB/A aF (§ 17 Abs. 1 VOB/A nF) nach Sinn und Zweck der Regelung eng auszulegen ist (BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 48/97, BGHZ 139, 259, 263) und dass auch mit angemessener Sorgfalt durchgeführte Schätzungen nur Prognoseentscheidungen sind, von denen die nachfolgenden Ausschreibungsergebnisse erfahrungsgemäß mitunter nicht unerheblich abweichen. Das Ausschreibungsergebnis muss deshalb in der Regel ganz beträchtlich über dem Schätzungsergebnis liegen, um die Aufhebung zu rechtfertigen.
- 22
- Dass der Auftrag nach der beschränkten Ausschreibung zu einer Auftragssumme von 242.000 € vergeben werden konnte, ist für die Frage, ob das wertungsfähige Submissionsergebnis der ersten Ausschreibung deutlich über- teuert war, nur von eingeschränktem Erkenntniswert. Denn dabei ist zu bedenken , dass das Submissionsergebnis der vorangegangenen öffentlichen Ausschreibung nach Maßgabe von § 22 VOB/A aF, § 14 VOB/A nF publik geworden ist und dass dies die Preisbildung im zweiten Vergabeverfahren beeinflussen konnte. Nach den Mechanismen des Marktes wird für einen Bieter, der das Ergebnis der ersten Ausschreibung kennt, die Annahme naheliegen, diesen Preis unterbieten zu müssen, um eine realistische Chance auf den Zuschlag zu haben, auch wenn das Angebot mit dem geringsten Preis (rd. 244.000 €) letztlich nicht gewertet werden durfte. Dass die Baumaßnahme zum Preis von 242.000 € durchgeführt wurde, rechtfertigt unter diesen Voraussetzungen nicht die Annahme, dass dieser Preis der Marktpreis (vgl. OLG Karlsruhe, VergabeR 2010, 96, 100) war.
- 23
- d) Erweist sich der geschätzte Auftragswert schon im Ausgangspunkt als nicht vertretbar, kommt es für die Rechtmäßigkeit der Aufhebung auf die Differenz zwischen dem angemessenen Wert und dem wertungsfähigen Submissionsergebnis an.
- 24
- 2. Soweit die Beklagte die Aufhebungsentscheidung mit der nicht gewährleisteten Sicherung der Finanzierung begründet hat, bemerkt der Senat, dass eine Aufhebung der Ausschreibung regelmäßig dann nicht vergaberechtskonform ist, wenn die fehlende Finanzierung auf Fehler des Auftraggebers bei der Ermittlung des Finanzierungsbedarfs und der daran anschließenden Einwerbung der benötigten Mittel zurückzuführen ist (BGHZ 139, 280, 286). Zur Vermeidung irregulärer Vergabeentscheidungen kann dem Auftraggeber darüber hinaus auch nicht gestattet sein, nach Gutdünken eine bestimmte Auftragssumme nachträglich für allein noch finanzierbar zu erklären. Im Streitfall hat die Beklagte nach ihrem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen erstinstanzlichen Vorbringen den günstigsten Angebotspreis aus der beschränkten Ausschreibung als letztlich finanzierbar bezeichnet. Dies reicht nicht aus, um den Anspruch auf entgangenen Gewinn eines Bieters mit einem höheren, aber den vertretbar geschätzten Auftragswert nicht deutlich übersteigenden Preis erfolgreich infrage zu stellen.
Gröning Schuster
Vorinstanzen:
LG Ingolstadt, Entscheidung vom 04.11.2009 - 52 O 1231/08 -
OLG München, Entscheidung vom 05.07.2010 - 21 U 5466/09 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Übrigen wird das am 9. Juli 2008 verkündete Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten vor dem Bundesgerichtshof - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der beklagte Landkreis schrieb 2003 die Abfallentsorgung im Kreisgebiet europaweit aus. Mit seiner schriftlichen Bieterinformation 3 änderte der Beklagte den Leistungsgegenstand und die Frist zur Abgabe von Angeboten. Das Sammeln und Befördern von Biomüll einerseits und Restmüll andererseits sollte nun nicht wie zunächst vorgesehen in jeweils getrennten Gefäßen (Mülltonnen und Müllsäcken) erfolgen. Die Biotonnen sollten abgeschafft und der Biomüll sollte, soweit er nicht durch Eigenkompostierung verwertet werde, zusammen mit dem Restabfall entsorgt werden. In der Bieterinformation 3 hieß es weiter: "…die für die Leistungserbringung zu Grunde zu legende Restabfallmenge erhöht sich dadurch von 10.600 Mg/a auf 13.250 Mg/a."
- 2
- Nach Nr. 7.2 der Bieterinformation 3 war der Preis gestaffelt nach Gefäßgrößen pro Gefäß und Jahr anzugeben (Nr. 7.2.1), wobei für den Fall, dass sich die Anzahl der zu entsorgenden Gefäße um mehr als 5 % verringere oder erhöhe, auch Preise angegeben werden konnten, die statt dessen gelten sollten (Nr. 7.2.2, 7.2.3). Nr. 7.2.7 der Bieterinformation 3 enthielt ferner eine Formel über die Berechnung einer Preisanpassung im Falle von Änderungen von Indices für bestimmte dem Angebotspreis zu Grunde liegende Kosten. Als Ausgangspreis für diese Berechnung war dort der Preis bei Angebotsabgabe genannt.
- 3
- Die Klägerin erhielt auf ihr Angebot den Zuschlag. Der am 13. Oktober 2003 geschlossene Entsorgungsvertrag benennt in § 3 die Vertragsbestandteile und ihre Rangfolge. Danach geht der Entsorgungsvertrag selbst den Bieterinformationen vor. Hinsichtlich des Entgelts sieht § 7 Abs. 3 vor, dass die Preise für das Jahr 2006 und die Folgejahre auf befristete schriftliche Aufforderung eines Vertragspartners angepasst werden, sofern die Veränderung infolge der Anwendung der Preisanpassungsformel mehr als 2 % ausmacht, und dass für die Anpassung die Preisindices des Monats Mai des abgelaufenen Kalenderjahres in Verbindung mit den Indices für Mai des laufenden Kalenderjahres maßgeblich sind.
- 4
- Der Entsorgungsvertrag enthält ferner in § 15 eine Klausel für höhere Gewalt und Änderung/Wegfall der Geschäftsgrundlage, die nach Absatz 2 folgenden Wortlaut hat: "Sollten sich die technischen, wirtschaftlichen, abfallwirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die für den Abschluss und Vollzug dieses Vertrages maßgebend waren, während der Vertragsdauer gegenüber dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses nachhaltig so wesentlich ändern, dass die Rechte und Pflichten der Vertragspartner nicht mehr in angemessenem Verhältnis zueinander stehen und ein Festhalten an diesem Vertrag in seiner ursprünglichen Fassung eine unbillige Härte bedeuten würde, kann jeder der Vertragspartner nach Treu und Glauben eine Anpassung des Vertrages an die geänderten Verhältnisse nach Vernunft und Billigkeit verlangen. ..."
- 5
- Im Jahre 2004 musste die Klägerin im Entsorgungsgebiet insgesamt 18.175,53 t (= Mg) und im Jahre 2005 insgesamt 18.174,587 t Abfall einsammeln und befördern. Die Gefäßanzahl stieg dagegen nur unwesentlich um jedenfalls weniger als 5 %.
- 6
- Im Hinblick auf § 7 Abs. 3 des Entsorgungsvertrags erkannte der Beklagte mit Schreiben vom 6. Februar 2006 eine Preisanpassung in Höhe von 3,361 % als berechtigt an. Eine weitere Preisanpassung und Ersatz für Mehrkosten in Höhe von 179.669,-- € pro Jahr, welche die Klägerin angesichts der angefallenen Mehrmengen an Restabfällen geltend gemacht hatte, lehnte der Beklagte jedoch ab.
- 7
- Die Klägerin hat deshalb im Klagewege einmal Zahlung von 477.532,50 € nebst Zinsen, zum anderen Feststellung begehrt, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihr aus dem Entsorgungsvertrag vom 13. Oktober 2003 ab dem 1. Juli 2006 bestimmte angepasste Eurobeträge pro Gefäß/Sack pro Jahr zu zahlen.
- 8
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht dieses Urteil abgeändert und die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
- 9
- Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision. Die Klägerin tritt diesem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
- 10
- Die zulässige Revision des Beklagten hat keinen Erfolg, soweit sie sich auch gegen die Feststellung des Berufungsgerichts wendet, dass der auf 477.532,50 € nebst Zinsen gerichtete Zahlungsantrag aufgrund einer wegen § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrags notwendigen Vertragsanpassung dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Im Übrigen hat die Revision Erfolg und führt insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 11
- I. Der mit 477.532,50 € zuzüglich Zinsen bezifferte Zahlungsantrag:
- 12
- 1. Dieses Begehren hat das Oberlandesgericht in doppelter Hinsicht für grundsätzlich gerechtfertigt erachtet. Obwohl dieser Ausspruch im Hinblick auf denselben Zahlungsbetrag ergangen ist, beinhaltet er eine Entscheidung über zwei verschiedene Streitgegenstände. Denn zur Begründung hat das Berufungsgericht aus dem Vortrag der Klägerin unterschiedliche tatsächliche Umstände herangezogen. Einmal - so das Oberlandesgericht - stehe der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB zu, weil der Beklagte sich nicht vergaberechtsgemäß verhalten habe. Nach § 8 VOL/A sei der Beklagte gehalten gewesen, die nachgefragte Leistung erschöpfend zu beschreiben und den Bietern kein ungewöhnliches Wagnis aufzubürden. Dem habe der Beklagte nicht genügt, weil er die mit 13.250 Mg/a angegebene Menge an zu sammelndem und zur Deponie zu beförderndem Abfall nur grob geschätzt , dies gleichwohl aber nicht hinreichend in den Vergabeunterlagen deutlich gemacht habe. Das zu den Gerichtsakten gereichte Parteigutachten belege auch einen gewissen auf diesen Vergabefehler zurückzuführenden Schaden der Klägerin. Zum anderen sei die bezifferte Zahlungsklage dem Grunde nach gerechtfertigt, weil der Klägerin ein Ausgleichsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrags zustehe. Dies folge aus dem Umstand, dass 2004 bis 2006 jeweils rund 37 % höhere Abfallmengen angefallen seien, als nach der Bieterinformation 3 zu erwarten gewesen sei.
- 13
- 2. Das entbehrt der erforderlichen tatsächlichen Feststellungen, soweit hieraus ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen eines Vergabefehlers des Beklagten hergeleitet wird (Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB).
- 14
- Wenn die Klägerin - wie von dem Berufungsgericht ohne Rechtsfehler (s. unter I 3) festgestellt - eine Anpassung der vereinbarten Vergütung gemäß § 15 Abs. 2 des abgeschlossenen Entsorgungsvertrags verlangen kann, kann ihr in Höhe des ihr aufgrund dieser Anpassung zustehenden Mehrbetrags an Vergütung kein Schaden entstanden sein. Ein Schaden der Klägerin kann unter diesen Umständen nur in einem Betrag bestehen, der das der Klägerin aufgrund der Anpassung Zustehende übersteigt. Eine Verurteilung zu Schadensersatz hätte deshalb Ausführungen und Feststellungen erfordert, dass noch ein Defizit im Vermögen der Klägerin verbleibt, das durch den Anspruch auf Vertragsanpassung nicht gedeckt wird. Hierüber verhält sich das angefochtene Urteil jedoch nicht.
- 15
- Auch ansonsten sind die für einen Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB erforderlichen Voraussetzungen nicht hinreichend festgestellt.
- 16
- Als auf Ersatz des Erfüllungsinteresses gerichteter Schadensersatzanspruch kann das Begehren jedenfalls aus Kausalitätsgründen nach der Rechtsprechung des Senats nur gerechtfertigt sein, wenn davon auszugehen ist, dass der Kläger bei in jeder Hinsicht ordnungsgemäßem Vergabeverfahren den Auftrag hätte erhalten müssen (Sen.Urt. v. 18.9.2007 - X ZR 89/04, Tz. 8, VergabeR 2008, 69 m.w.N.).
- 17
- Das setzt im Streitfall die Darlegung und den Nachweis voraus, welchen Preis die Klägerin angeboten hätte, wenn der Beklagte den festgestellten Vergabefehler unterlassen, wenn er also seine tatsächliche Schätzung als bloße Grobschätzung kenntlich gemacht hätte, sowie dass die Klägerin auch auf dieses Angebot den Zuschlag hätte erhalten müssen. Der Streitfall weist zwar insoweit einen Unterschied zu den bisher entschiedenen Fällen auf, als in jenen ein Bieter Schadensersatz verlangte, dessen Angebot nicht zum Zuge gekommen war. Hier hat hingegen die auf Schadensersatz klagende Partei den Auftrag tatsächlich erhalten. Auch in einem solchen Fall greift aber der der bisherigen Rechtsprechung zugrunde liegende Gesichtspunkt, dass die Aussicht, einen bestimmten Vorteil zu realisieren, regelmäßig nur dann zum Vermögen des sich an einer Ausschreibung Beteiligenden gehört haben kann, wenn es bei ordnungsgemäßer Vergabe der Anspruchsteller gewesen wäre, der den diesen Vorteil einschließenden Auftrag hätte erhalten müssen. Dies ergibt sich daraus, dass ein Auftrag nur einmal vergeben werden kann. Dazu, dass die Klägerin bei Offenbarung der minderen Qualität der Schätzung der Abfallmenge durch den Beklagten und einem hierauf ausgerichteten Angebot derjenige Bieter mit dem annehmbarsten Gebot gewesen wäre, verhält sich das angefochtene Urteil jedoch nicht.
- 18
- Auch für einen durch den Vergabefehler bedingten anderen Schaden bietet das angefochtene Urteil keine tragfähige Grundlage. Ersatz von negativem Interesse kommt nach der Rechtsprechung des Senats (Sen.Urt. v. 16.12.2003 - X ZR 282/02, NZBau 2004, 283 m.w.N.) zwar nicht nur unter den soeben erörterten Voraussetzungen in Betracht (vgl. Sen.Urt. v. 27.11.2007 - X ZR 18/07, Tz. 36 ff. VergabeR 2008, 219; BGHZ 173, 33, 39 f., Tz. 13, 14). Kann der Kläger nicht dartun, dass er den Auftrag ohnehin hätte erhalten müssen , so kann er als tatsächlich zum Zuge gekommener Bieter geltend machen, dass es ohne den Vergabefehler nicht zum Vertragsschluss mit ihm gekommen wäre. Dann verbietet sich aber eine Schadensberechnung auf der Grundlage des tatsächlich abgeschlossenen Vertrags. Im Falle einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung durch den Auftragnehmer soll nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar der Auftraggeber als Ersatz seines negativen Interesses unter Aufrechterhaltung des geschlossenen Vertrags den Betrag fordern können, um den er die Leistung zu teuer erworben hat (BGHZ 114, 87, 94). Angesichts der Wettbewerbssituation, die ein dann auf Schadensersatz verklagter Auftraggeber bei einer Ausschreibung ausnutzen will und auf die sich alle Bieter einlassen, ist aber weder für den zum Zuge gekommenen Bieter ein günstigeres Ergebnis vorgezeichnet, noch ein Sachverhalt gegeben, in dem ohne das beanstandete Verhalten typischer Weise (vgl. hierzu BGHZ 69, 53, 58) kein Vertrag zustande gekommen wäre. Eine Einbuße beim negativen Interesse lässt sich hier mithin nur im konkreten Vergleich mit der Vermögenssituation feststellen, die ohne den Vergabefehler des Auftraggebers bestanden hätte. Im Streitfall hätte es deshalb jedenfalls eines Eingehens darauf bedurft, wie sich die angesichts der Vertragsdurchführung bestehende Vermögenslage der Klägerin von der unterscheidet, die sich ergeben hätte, wenn die Klägerin den Auftrag nicht erhalten hätte. Auch dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung insoweit gebrachten bloßen Hinweis auf das mit der Klage eingereichte Parteigutachten lässt sich jedoch nicht einmal entnehmen, dass und gegebenenfalls in welchen Passagen sich dessen Inhalt zu dieser maßgeblichen Vergleichssituation verhält. Das Parteigutachten behandelt ausweislich seines Deckblatts die Mehraufwendungen, die offenbar auf der Grundlage der Kalkulation berechnet sind, die zu dem tatsächlichen Angebot der Klägerin geführt hat.
- 19
- Die vermissten Feststellungen waren auch nicht etwa deshalb entbehrlich , weil der Urteilsausspruch des Berufungsgerichts nur den Grund des Anspruchs aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB umfasst. Ein Grundurteil darf nur ergehen, wenn zumindest wahrscheinlich ist, dass dem Kläger im Betragsverfahren jedenfalls etwas zugesprochen werden muss (z.B. BGH, Urt. v. 16.1.1991 - VIII ZR 14/90, NJW-RR 1991, 599, 600 m.w.N.). Das hängt aber von besagten Voraussetzungen ab. Eine Verurteilung des Beklagten nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB dem Grunde nach setzt deshalb sowohl entsprechende Feststellungen als auch voraus, dass sich über das, was die Klägerin auf Grund der Anpassung nach § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrags erlangen kann, jedenfalls irgendein Betrag als Schaden ergibt.
- 20
- Da sich das Berufungsgericht mit den hiernach entscheidungserheblichen Umständen nicht befasst hat, bietet das angefochtene Urteil keine Grundlage zu abschließender Entscheidung über einen Anspruch nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB. Insbesondere erscheint weder gänzlich ausgeschlossen, dass die Klägerin den Auftrag ohnehin hätte erhalten müssen, da sie, wie ihr tatsächliches Angebot belegt, offenbar in der Lage war, günstig zu kalkulieren, noch kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass kein Restschaden in Betracht kommt, weil für die den Geboten von Treu und Glauben unterliegende Anpassung nach § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrags - anders als bei einem Schadensersatzanspruch - nicht nur die Vermögensinteressen der Klägerin maßgeblich sind. Dies gebietet die Zurückverweisung der Sache in dem erörterten Umfang. Wenn es noch darauf ankommen sollte, bietet die Zurückverweisung dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, der Rüge der Revision nachzugehen , dass es die Anforderungen an eine den Vorgaben insbes. des § 8 VOL/A genügende Leistungsbeschreibung überspannt habe.
- 21
- 3. Im Übrigen ist das angefochtene Urteil, was die grundsätzliche Berechtigung des sich über 477.532,50 € zuzüglich Zinsen verhaltenden Zahlungsantrags anbelangt, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
- 22
- Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin könne wegen der Abfallmengen, die tatsächlich zu entsorgen gewesen seien, die in § 15 Abs. 2 des Versorgungsvertrags vertraglich vorgesehene Anpassung der vereinbarten Vergütung verlangen. Bei der Entsorgung seien nicht nur die Anzahl der zu leerenden Gefäße, mit der sich die Nrn. 7.2.1 bis 7.2.3 der Bieterinformation 3 befassten , sondern auch die tatsächlich zu sammelnden und zu transportierenden Abfallmengen kalkulationsrelevant. Da die Beklagte lediglich eine Menge von ca. 13.250 Mg/a (+/- 5 %) angegeben habe, hätten die Bieter davon ausgehen dürfen, dass einer höheren zu entsorgenden Abfallmenge bei der Preiskalkulation nicht habe Rechnung getragen werden müssen. Angesichts des tatsächlichen Anfalls, der rund 37 % höher als angegeben gelegen habe, sei mithin eine nachhaltige und so wesentliche tatsächliche Änderung gegeben, dass die vertraglich vorgesehenen Rechte und Pflichten der Parteien nicht mehr im angemessenen Verhältnis zueinander stünden und eine Anpassung nach Vernunft und Billigkeit beansprucht werden könne.
- 23
- Das ist eine mögliche und nachvollziehbare Bewertung des festgestellten und auch von der Revision als solchen nicht in Zweifel gezogenen Sachverhalts (§ 286 ZPO). Die Schlüsse, welche die Revision aus den Nrn. 7.2.1 bis 7.2.3 der Bieterinformation 3 gezogen wissen will, nämlich insbesondere, hiermit sei zum Ausdruck gekommen, dass Mengenänderungen, die sich nicht auf die Anzahl der zu leerenden Gefäße auswirkten, in den Risikobereich des Auftragnehmers fallen sollten, bedeuten deshalb nur den revisionsrechtlich unerhebli- chen Versuch einer anderen Auslegung des Inhalts des zustande gekommenen Vertragsverhältnisses.
- 24
- Dies gilt auch im Hinblick auf den in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Umstand, dass schon von Anbeginn der Vertragsdurchführung an mehr als 13.250 t/a Abfall zu entsorgen waren. Denn § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrags stellt seinem ausdrücklichen Wortlaut nach auf die Verhältnisse ab, die für den Abschluss des Vertrags maßgeblich waren, so dass durchaus eine nachhaltige Änderung angenommen werden durfte, weil die Verhältnisse beim Abschluss des Vertrags durch die Angabe des Beklagten bestimmt waren, es seien ca. 13.250 t/a Abfall zu entsorgen.
- 25
- 4. Da das Grundurteil, soweit es den aus § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrags hergeleiteten Streitgegenstand betrifft, mithin Bestand hat, kann insoweit auch die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur Entscheidung über die Höhe des Anpassungsanspruchs nicht als rechtsfehlerhaft erkannt werden. Sie ist vielmehr durch § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO gedeckt. Über den aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB hergeleiteten Streitgegenstand hat hingegen zunächst noch einmal das Oberlandesgericht zu entscheiden, weil insoweit sein Grundurteil und damit auch die hierauf gestützte Zurückverweisung an das Landgericht rechtsfehlerhaft ist. Das führt zu einem Auseinanderfallen der Zuständigkeiten , das aus prozessökonomischen Gründen unerwünscht sein mag, aber aus dem Rechtsfehler des Berufungsgerichts folgt und nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch in anderen Fällen hingenommen werden muss (vgl. BGH, Urt. v. 20.7.2001 - V ZR 170/00, NJW 2002, 302; v. 24.11.1987 - VI ZR 42/87, NJW 1988, 1984). Der Senat weist allerdings vorsorglich darauf hin, dass eine den Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB ganz oder teilweise zusprechende Entscheidung durch das Berufungsge- richt erst in Betracht kommt, wenn feststeht, welcher Betrag der Klägerin auf Grund von § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrags zusteht. Das ist bei der weiteren Gestaltung des Verfahrens vor dem Berufungsgericht von diesem und den Parteien zu beachten. Möglichkeiten hierzu bestehen (vgl. Schneider MDR 1974, 624, 626 f.).
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- II. Die Feststellungsklage, ab 1. Juli 2006 bestimmte Mehrvergütung pro Gefäß pro Jahr zu zahlen:
- 27
- 1. Dieses Begehren betrifft eine andere Regelung des abgeschlossenen Entsorgungsvertrags als die bereits abgehandelten oder angesprochenen. In Streit stehen hier weder die vertraglich vorgesehenen Folgen der Notwendigkeit , mehr oder weniger Mengen an Müll zu entsorgen, noch die von der Revision insoweit für maßgeblich gehaltene, die Anzahl der Gefäße betreffenden Vorgaben in den Nrn. 7.2.1 bis 7.2.3 der Bieterinformation 3. Hier geht es um § 7 Abs. 3 des Versorgungsvertrags, wonach die Parteien auch eine Anpassung der Vergütung an bestimmte Preisindizes (Lohnkostenindex, Kraftstoffkostenindex , Kostenindex für Lkw mit Selbstzündung) vereinbart haben. Insoweit hatte der Beklagte wegen der Regelung in § 7 Abs. 3 des Entsorgungsvertrags eine Preisanpassung von 3,361 % zugestanden. Da über die Berechtigung jedenfalls dieser Anpassung zwischen den Parteien kein Streit bestand, muss das Berufungsurteil dahin ausgelegt werden, dass nur die grundsätzliche Berechtigung einer diesen Prozentsatz übersteigenden Forderung festgestellt worden ist. Das deckt sich mit dem Vorbringen der Klägerin in der Berufungsbegründung. Hiernach ist das als Feststellungsantrag formulierte Begehren prozentual auf die Zuerkennung weiterer 4,673 % gerichtet.
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- 2. Die insoweit einzige Streitfrage der Parteien, welcher Bezugszeitpunkt für die Berechnung dieses Anpassungsanspruches vereinbart worden ist, hat das Berufungsgericht dahin entschieden, dass nicht auf den sich aus § 7 Abs. 3 des Entsorgungsvertrags ergebenden Zeitpunkt Mai 2004 bzw. Mai 2005 abzustellen sei. Da sich anderenfalls ergeben würde, dass die Zeit vom Abschluss des Entsorgungsvertrags bis zu dem Beginn einer eventuellen Änderung "inflationsmäßig völlig außen vor bliebe", müssten sich die Parteien am Wortlaut der Nr. 7.2.7 der Bieterinformation 3 orientieren, wonach ausgehend von dem Zeitpunkt der (früheren) Angebotsabgabe die Preisanpassungsberechnung vorzunehmen sei. Um ein widerspruchsfreies und interessengerechtes Ergebnis zu erreichen, stehe dem und der daraus zu folgernden grundsätzlichen Berechtigung dieser Forderung auch nicht entgegen, dass § 3 Abs. 1 des Entsorgungsvertrags eine Rangfolge vorsehe, wonach die Regelungen dieses Vertrags denen der Bieterinformationen vorgingen, die der Beklagte am Auftrag Interessierten gegeben habe.
- 29
- 3. Diese Würdigung bekämpft die Revision zu Recht als nicht mehr mit § 286 ZPO in Einklang stehend. Die Argumentation des Berufungsgerichts läuft letztlich darauf hinaus, dass nur die Interessen der Klägerin entscheiden, auch nicht zeitweise auf einen Inflationsausgleich verzichten zu müssen. Das kann kaum als Auslegung des übereinstimmenden Willens bezeichnet werden, den die Parteien in den verschiedenen Unterlagen zum Ausdruck gebracht haben; jedenfalls liegt ihm aber eine einseitige Sicht zugrunde, die den anerkannten Regeln der Vertragsauslegung nicht gerecht wird. So ist gänzlich unberücksichtigt geblieben, dass bei der Kalkulation von Preisen die Preisentwicklung in der sich unmittelbar anschließenden Zeit leichter einzuschätzen sein und weit eher von vornherein beim Angebotspreis berücksichtigt werden kann, als diejenige, die für spätere Zeiten bevorsteht. Schon das spricht für den ohnehin von § 3 Abs. 1 vorgegebenen Vorrang der Regelung in § 7 Abs. 3 des Entsorgungsvertrags und kann Anlass bieten, Nr. 7.2.7 der Bieterinformation 3 lediglich als ein Beispiel für eine Anpassung auf der Basis der genannten Indices zu verstehen, das im Entsorgungsvertrag dann einvernehmlich dahin konkretisiert worden ist, die betreffende Formel ausgehend von den zu den dort genannten (späteren) Zeitpunkten geltenden Preisen anzuwenden.
- 30
- 4. Eine eigene abschließende Entscheidung der Streitfrage der Parteien durch den Senat kommt auch hier nicht in Betracht, weil nicht ausgeschlossen erscheint, dass hierbei tatsächliches Geschehen zu berücksichtigen ist, das sich aus den insoweit bloß kursorischen Angaben des angefochtenen Urteils nicht ergibt. Sollte das Berufungsgericht nach Würdigung aller von den Parteien insoweit vorgetragenen Umstände wieder zu dem Ergebnis gelangen, die Parteien seien übereingekommen, der Änderung von Preisindizes gegenüber denen bei Angebotsabgabe Rechnung zu tragen, wird das Berufungsgericht sich ferner damit zu befassen haben, ob die in dem als Feststellungsantrag formulierten Begehren ausgeworfenen absoluten Beträge dem streitigen Prozentsatz von 4,673 % entsprechen, den allein das Berufungsgericht als von seinem Urteil betroffen erwähnt, und ob, soweit dies nicht der Fall ist, die Klage nicht schon von ihm selbst als teilweise unbegründet abgewiesen werden muss.
Berger Hoffmann
Vorinstanzen:
LG Osnabrück, Entscheidung vom 11.05.2007 - 5 O 1824/06 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 09.07.2008 - 4 U 66/07 -
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grund kündigt, nur der im § 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch zu.
(2) Ist eine solche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.