Bundesgerichtshof Urteil, 26. Jan. 2010 - X ZR 86/08

bei uns veröffentlicht am26.01.2010
vorgehend
Landgericht Osnabrück, 5 O 1824/06, 11.05.2007
Oberlandesgericht Oldenburg, 4 U 66/07, 09.07.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 86/08 Verkündet am:
26. Januar 2010
Wermes,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Abfallentsorgung
BGB § 280 Abs. 1; § 311 Abs. 2
Die Rechtsprechung, wonach regelmäßig eine Verurteilung zu Schadensersatz wegen
eines Vergabefehlers des Auftraggebers nur in Betracht kommt, wenn der Kläger
bei in jeder Hinsicht rechtmäßigem Vergabeverfahren den Auftrag hätte erhalten
müssen, gilt auch für Fälle, in denen dem Kläger im fehlerhaften Vergabeverfahren
der Zuschlag erteilt worden ist.
BGH, Urteil vom 26. Januar 2010 - X ZR 86/08 - OLG Oldenburg
LG Osnabrück
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die
Richter Keukenschrijver, Gröning, Dr. Berger und Hoffmann

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das am 9. Juli 2008 verkündete Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg wird zurückgewiesen , soweit ausgesprochen worden ist, der auf § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrags vom 13. Oktober 2003 gestützte Anspruch auf Anpassung der Vergütung der Klägerin sei dem Grunde nach berechtigt, und insoweit die Sache zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe der Forderung an das Landgericht Osnabrück zurückverwiesen worden ist.
Im Übrigen wird das am 9. Juli 2008 verkündete Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten vor dem Bundesgerichtshof - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der beklagte Landkreis schrieb 2003 die Abfallentsorgung im Kreisgebiet europaweit aus. Mit seiner schriftlichen Bieterinformation 3 änderte der Beklagte den Leistungsgegenstand und die Frist zur Abgabe von Angeboten. Das Sammeln und Befördern von Biomüll einerseits und Restmüll andererseits sollte nun nicht wie zunächst vorgesehen in jeweils getrennten Gefäßen (Mülltonnen und Müllsäcken) erfolgen. Die Biotonnen sollten abgeschafft und der Biomüll sollte, soweit er nicht durch Eigenkompostierung verwertet werde, zusammen mit dem Restabfall entsorgt werden. In der Bieterinformation 3 hieß es weiter: "…die für die Leistungserbringung zu Grunde zu legende Restabfallmenge erhöht sich dadurch von 10.600 Mg/a auf 13.250 Mg/a."
2
Nach Nr. 7.2 der Bieterinformation 3 war der Preis gestaffelt nach Gefäßgrößen pro Gefäß und Jahr anzugeben (Nr. 7.2.1), wobei für den Fall, dass sich die Anzahl der zu entsorgenden Gefäße um mehr als 5 % verringere oder erhöhe, auch Preise angegeben werden konnten, die statt dessen gelten sollten (Nr. 7.2.2, 7.2.3). Nr. 7.2.7 der Bieterinformation 3 enthielt ferner eine Formel über die Berechnung einer Preisanpassung im Falle von Änderungen von Indices für bestimmte dem Angebotspreis zu Grunde liegende Kosten. Als Ausgangspreis für diese Berechnung war dort der Preis bei Angebotsabgabe genannt.
3
Die Klägerin erhielt auf ihr Angebot den Zuschlag. Der am 13. Oktober 2003 geschlossene Entsorgungsvertrag benennt in § 3 die Vertragsbestandteile und ihre Rangfolge. Danach geht der Entsorgungsvertrag selbst den Bieterinformationen vor. Hinsichtlich des Entgelts sieht § 7 Abs. 3 vor, dass die Preise für das Jahr 2006 und die Folgejahre auf befristete schriftliche Aufforderung eines Vertragspartners angepasst werden, sofern die Veränderung infolge der Anwendung der Preisanpassungsformel mehr als 2 % ausmacht, und dass für die Anpassung die Preisindices des Monats Mai des abgelaufenen Kalenderjahres in Verbindung mit den Indices für Mai des laufenden Kalenderjahres maßgeblich sind.
4
Der Entsorgungsvertrag enthält ferner in § 15 eine Klausel für höhere Gewalt und Änderung/Wegfall der Geschäftsgrundlage, die nach Absatz 2 folgenden Wortlaut hat: "Sollten sich die technischen, wirtschaftlichen, abfallwirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die für den Abschluss und Vollzug dieses Vertrages maßgebend waren, während der Vertragsdauer gegenüber dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses nachhaltig so wesentlich ändern, dass die Rechte und Pflichten der Vertragspartner nicht mehr in angemessenem Verhältnis zueinander stehen und ein Festhalten an diesem Vertrag in seiner ursprünglichen Fassung eine unbillige Härte bedeuten würde, kann jeder der Vertragspartner nach Treu und Glauben eine Anpassung des Vertrages an die geänderten Verhältnisse nach Vernunft und Billigkeit verlangen. ..."
5
Im Jahre 2004 musste die Klägerin im Entsorgungsgebiet insgesamt 18.175,53 t (= Mg) und im Jahre 2005 insgesamt 18.174,587 t Abfall einsammeln und befördern. Die Gefäßanzahl stieg dagegen nur unwesentlich um jedenfalls weniger als 5 %.
6
Im Hinblick auf § 7 Abs. 3 des Entsorgungsvertrags erkannte der Beklagte mit Schreiben vom 6. Februar 2006 eine Preisanpassung in Höhe von 3,361 % als berechtigt an. Eine weitere Preisanpassung und Ersatz für Mehrkosten in Höhe von 179.669,-- € pro Jahr, welche die Klägerin angesichts der angefallenen Mehrmengen an Restabfällen geltend gemacht hatte, lehnte der Beklagte jedoch ab.
7
Die Klägerin hat deshalb im Klagewege einmal Zahlung von 477.532,50 € nebst Zinsen, zum anderen Feststellung begehrt, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihr aus dem Entsorgungsvertrag vom 13. Oktober 2003 ab dem 1. Juli 2006 bestimmte angepasste Eurobeträge pro Gefäß/Sack pro Jahr zu zahlen.
8
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht dieses Urteil abgeändert und die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
9
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision. Die Klägerin tritt diesem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


10
Die zulässige Revision des Beklagten hat keinen Erfolg, soweit sie sich auch gegen die Feststellung des Berufungsgerichts wendet, dass der auf 477.532,50 € nebst Zinsen gerichtete Zahlungsantrag aufgrund einer wegen § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrags notwendigen Vertragsanpassung dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Im Übrigen hat die Revision Erfolg und führt insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
11
I. Der mit 477.532,50 € zuzüglich Zinsen bezifferte Zahlungsantrag:
12
1. Dieses Begehren hat das Oberlandesgericht in doppelter Hinsicht für grundsätzlich gerechtfertigt erachtet. Obwohl dieser Ausspruch im Hinblick auf denselben Zahlungsbetrag ergangen ist, beinhaltet er eine Entscheidung über zwei verschiedene Streitgegenstände. Denn zur Begründung hat das Berufungsgericht aus dem Vortrag der Klägerin unterschiedliche tatsächliche Umstände herangezogen. Einmal - so das Oberlandesgericht - stehe der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB zu, weil der Beklagte sich nicht vergaberechtsgemäß verhalten habe. Nach § 8 VOL/A sei der Beklagte gehalten gewesen, die nachgefragte Leistung erschöpfend zu beschreiben und den Bietern kein ungewöhnliches Wagnis aufzubürden. Dem habe der Beklagte nicht genügt, weil er die mit 13.250 Mg/a angegebene Menge an zu sammelndem und zur Deponie zu beförderndem Abfall nur grob geschätzt , dies gleichwohl aber nicht hinreichend in den Vergabeunterlagen deutlich gemacht habe. Das zu den Gerichtsakten gereichte Parteigutachten belege auch einen gewissen auf diesen Vergabefehler zurückzuführenden Schaden der Klägerin. Zum anderen sei die bezifferte Zahlungsklage dem Grunde nach gerechtfertigt, weil der Klägerin ein Ausgleichsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrags zustehe. Dies folge aus dem Umstand, dass 2004 bis 2006 jeweils rund 37 % höhere Abfallmengen angefallen seien, als nach der Bieterinformation 3 zu erwarten gewesen sei.
13
2. Das entbehrt der erforderlichen tatsächlichen Feststellungen, soweit hieraus ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen eines Vergabefehlers des Beklagten hergeleitet wird (Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB).
14
Wenn die Klägerin - wie von dem Berufungsgericht ohne Rechtsfehler (s. unter I 3) festgestellt - eine Anpassung der vereinbarten Vergütung gemäß § 15 Abs. 2 des abgeschlossenen Entsorgungsvertrags verlangen kann, kann ihr in Höhe des ihr aufgrund dieser Anpassung zustehenden Mehrbetrags an Vergütung kein Schaden entstanden sein. Ein Schaden der Klägerin kann unter diesen Umständen nur in einem Betrag bestehen, der das der Klägerin aufgrund der Anpassung Zustehende übersteigt. Eine Verurteilung zu Schadensersatz hätte deshalb Ausführungen und Feststellungen erfordert, dass noch ein Defizit im Vermögen der Klägerin verbleibt, das durch den Anspruch auf Vertragsanpassung nicht gedeckt wird. Hierüber verhält sich das angefochtene Urteil jedoch nicht.
15
Auch ansonsten sind die für einen Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB erforderlichen Voraussetzungen nicht hinreichend festgestellt.
16
Als auf Ersatz des Erfüllungsinteresses gerichteter Schadensersatzanspruch kann das Begehren jedenfalls aus Kausalitätsgründen nach der Rechtsprechung des Senats nur gerechtfertigt sein, wenn davon auszugehen ist, dass der Kläger bei in jeder Hinsicht ordnungsgemäßem Vergabeverfahren den Auftrag hätte erhalten müssen (Sen.Urt. v. 18.9.2007 - X ZR 89/04, Tz. 8, VergabeR 2008, 69 m.w.N.).
17
Das setzt im Streitfall die Darlegung und den Nachweis voraus, welchen Preis die Klägerin angeboten hätte, wenn der Beklagte den festgestellten Vergabefehler unterlassen, wenn er also seine tatsächliche Schätzung als bloße Grobschätzung kenntlich gemacht hätte, sowie dass die Klägerin auch auf dieses Angebot den Zuschlag hätte erhalten müssen. Der Streitfall weist zwar insoweit einen Unterschied zu den bisher entschiedenen Fällen auf, als in jenen ein Bieter Schadensersatz verlangte, dessen Angebot nicht zum Zuge gekommen war. Hier hat hingegen die auf Schadensersatz klagende Partei den Auftrag tatsächlich erhalten. Auch in einem solchen Fall greift aber der der bisherigen Rechtsprechung zugrunde liegende Gesichtspunkt, dass die Aussicht, einen bestimmten Vorteil zu realisieren, regelmäßig nur dann zum Vermögen des sich an einer Ausschreibung Beteiligenden gehört haben kann, wenn es bei ordnungsgemäßer Vergabe der Anspruchsteller gewesen wäre, der den diesen Vorteil einschließenden Auftrag hätte erhalten müssen. Dies ergibt sich daraus, dass ein Auftrag nur einmal vergeben werden kann. Dazu, dass die Klägerin bei Offenbarung der minderen Qualität der Schätzung der Abfallmenge durch den Beklagten und einem hierauf ausgerichteten Angebot derjenige Bieter mit dem annehmbarsten Gebot gewesen wäre, verhält sich das angefochtene Urteil jedoch nicht.
18
Auch für einen durch den Vergabefehler bedingten anderen Schaden bietet das angefochtene Urteil keine tragfähige Grundlage. Ersatz von negativem Interesse kommt nach der Rechtsprechung des Senats (Sen.Urt. v. 16.12.2003 - X ZR 282/02, NZBau 2004, 283 m.w.N.) zwar nicht nur unter den soeben erörterten Voraussetzungen in Betracht (vgl. Sen.Urt. v. 27.11.2007 - X ZR 18/07, Tz. 36 ff. VergabeR 2008, 219; BGHZ 173, 33, 39 f., Tz. 13, 14). Kann der Kläger nicht dartun, dass er den Auftrag ohnehin hätte erhalten müssen , so kann er als tatsächlich zum Zuge gekommener Bieter geltend machen, dass es ohne den Vergabefehler nicht zum Vertragsschluss mit ihm gekommen wäre. Dann verbietet sich aber eine Schadensberechnung auf der Grundlage des tatsächlich abgeschlossenen Vertrags. Im Falle einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung durch den Auftragnehmer soll nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar der Auftraggeber als Ersatz seines negativen Interesses unter Aufrechterhaltung des geschlossenen Vertrags den Betrag fordern können, um den er die Leistung zu teuer erworben hat (BGHZ 114, 87, 94). Angesichts der Wettbewerbssituation, die ein dann auf Schadensersatz verklagter Auftraggeber bei einer Ausschreibung ausnutzen will und auf die sich alle Bieter einlassen, ist aber weder für den zum Zuge gekommenen Bieter ein günstigeres Ergebnis vorgezeichnet, noch ein Sachverhalt gegeben, in dem ohne das beanstandete Verhalten typischer Weise (vgl. hierzu BGHZ 69, 53, 58) kein Vertrag zustande gekommen wäre. Eine Einbuße beim negativen Interesse lässt sich hier mithin nur im konkreten Vergleich mit der Vermögenssituation feststellen, die ohne den Vergabefehler des Auftraggebers bestanden hätte. Im Streitfall hätte es deshalb jedenfalls eines Eingehens darauf bedurft, wie sich die angesichts der Vertragsdurchführung bestehende Vermögenslage der Klägerin von der unterscheidet, die sich ergeben hätte, wenn die Klägerin den Auftrag nicht erhalten hätte. Auch dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung insoweit gebrachten bloßen Hinweis auf das mit der Klage eingereichte Parteigutachten lässt sich jedoch nicht einmal entnehmen, dass und gegebenenfalls in welchen Passagen sich dessen Inhalt zu dieser maßgeblichen Vergleichssituation verhält. Das Parteigutachten behandelt ausweislich seines Deckblatts die Mehraufwendungen, die offenbar auf der Grundlage der Kalkulation berechnet sind, die zu dem tatsächlichen Angebot der Klägerin geführt hat.
19
Die vermissten Feststellungen waren auch nicht etwa deshalb entbehrlich , weil der Urteilsausspruch des Berufungsgerichts nur den Grund des Anspruchs aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB umfasst. Ein Grundurteil darf nur ergehen, wenn zumindest wahrscheinlich ist, dass dem Kläger im Betragsverfahren jedenfalls etwas zugesprochen werden muss (z.B. BGH, Urt. v. 16.1.1991 - VIII ZR 14/90, NJW-RR 1991, 599, 600 m.w.N.). Das hängt aber von besagten Voraussetzungen ab. Eine Verurteilung des Beklagten nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB dem Grunde nach setzt deshalb sowohl entsprechende Feststellungen als auch voraus, dass sich über das, was die Klägerin auf Grund der Anpassung nach § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrags erlangen kann, jedenfalls irgendein Betrag als Schaden ergibt.
20
Da sich das Berufungsgericht mit den hiernach entscheidungserheblichen Umständen nicht befasst hat, bietet das angefochtene Urteil keine Grundlage zu abschließender Entscheidung über einen Anspruch nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB. Insbesondere erscheint weder gänzlich ausgeschlossen, dass die Klägerin den Auftrag ohnehin hätte erhalten müssen, da sie, wie ihr tatsächliches Angebot belegt, offenbar in der Lage war, günstig zu kalkulieren, noch kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass kein Restschaden in Betracht kommt, weil für die den Geboten von Treu und Glauben unterliegende Anpassung nach § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrags - anders als bei einem Schadensersatzanspruch - nicht nur die Vermögensinteressen der Klägerin maßgeblich sind. Dies gebietet die Zurückverweisung der Sache in dem erörterten Umfang. Wenn es noch darauf ankommen sollte, bietet die Zurückverweisung dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, der Rüge der Revision nachzugehen , dass es die Anforderungen an eine den Vorgaben insbes. des § 8 VOL/A genügende Leistungsbeschreibung überspannt habe.
21
3. Im Übrigen ist das angefochtene Urteil, was die grundsätzliche Berechtigung des sich über 477.532,50 € zuzüglich Zinsen verhaltenden Zahlungsantrags anbelangt, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
22
Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin könne wegen der Abfallmengen, die tatsächlich zu entsorgen gewesen seien, die in § 15 Abs. 2 des Versorgungsvertrags vertraglich vorgesehene Anpassung der vereinbarten Vergütung verlangen. Bei der Entsorgung seien nicht nur die Anzahl der zu leerenden Gefäße, mit der sich die Nrn. 7.2.1 bis 7.2.3 der Bieterinformation 3 befassten , sondern auch die tatsächlich zu sammelnden und zu transportierenden Abfallmengen kalkulationsrelevant. Da die Beklagte lediglich eine Menge von ca. 13.250 Mg/a (+/- 5 %) angegeben habe, hätten die Bieter davon ausgehen dürfen, dass einer höheren zu entsorgenden Abfallmenge bei der Preiskalkulation nicht habe Rechnung getragen werden müssen. Angesichts des tatsächlichen Anfalls, der rund 37 % höher als angegeben gelegen habe, sei mithin eine nachhaltige und so wesentliche tatsächliche Änderung gegeben, dass die vertraglich vorgesehenen Rechte und Pflichten der Parteien nicht mehr im angemessenen Verhältnis zueinander stünden und eine Anpassung nach Vernunft und Billigkeit beansprucht werden könne.
23
Das ist eine mögliche und nachvollziehbare Bewertung des festgestellten und auch von der Revision als solchen nicht in Zweifel gezogenen Sachverhalts (§ 286 ZPO). Die Schlüsse, welche die Revision aus den Nrn. 7.2.1 bis 7.2.3 der Bieterinformation 3 gezogen wissen will, nämlich insbesondere, hiermit sei zum Ausdruck gekommen, dass Mengenänderungen, die sich nicht auf die Anzahl der zu leerenden Gefäße auswirkten, in den Risikobereich des Auftragnehmers fallen sollten, bedeuten deshalb nur den revisionsrechtlich unerhebli- chen Versuch einer anderen Auslegung des Inhalts des zustande gekommenen Vertragsverhältnisses.
24
Dies gilt auch im Hinblick auf den in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Umstand, dass schon von Anbeginn der Vertragsdurchführung an mehr als 13.250 t/a Abfall zu entsorgen waren. Denn § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrags stellt seinem ausdrücklichen Wortlaut nach auf die Verhältnisse ab, die für den Abschluss des Vertrags maßgeblich waren, so dass durchaus eine nachhaltige Änderung angenommen werden durfte, weil die Verhältnisse beim Abschluss des Vertrags durch die Angabe des Beklagten bestimmt waren, es seien ca. 13.250 t/a Abfall zu entsorgen.
25
4. Da das Grundurteil, soweit es den aus § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrags hergeleiteten Streitgegenstand betrifft, mithin Bestand hat, kann insoweit auch die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur Entscheidung über die Höhe des Anpassungsanspruchs nicht als rechtsfehlerhaft erkannt werden. Sie ist vielmehr durch § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO gedeckt. Über den aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB hergeleiteten Streitgegenstand hat hingegen zunächst noch einmal das Oberlandesgericht zu entscheiden, weil insoweit sein Grundurteil und damit auch die hierauf gestützte Zurückverweisung an das Landgericht rechtsfehlerhaft ist. Das führt zu einem Auseinanderfallen der Zuständigkeiten , das aus prozessökonomischen Gründen unerwünscht sein mag, aber aus dem Rechtsfehler des Berufungsgerichts folgt und nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch in anderen Fällen hingenommen werden muss (vgl. BGH, Urt. v. 20.7.2001 - V ZR 170/00, NJW 2002, 302; v. 24.11.1987 - VI ZR 42/87, NJW 1988, 1984). Der Senat weist allerdings vorsorglich darauf hin, dass eine den Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB ganz oder teilweise zusprechende Entscheidung durch das Berufungsge- richt erst in Betracht kommt, wenn feststeht, welcher Betrag der Klägerin auf Grund von § 15 Abs. 2 des Entsorgungsvertrags zusteht. Das ist bei der weiteren Gestaltung des Verfahrens vor dem Berufungsgericht von diesem und den Parteien zu beachten. Möglichkeiten hierzu bestehen (vgl. Schneider MDR 1974, 624, 626 f.).
26
II. Die Feststellungsklage, ab 1. Juli 2006 bestimmte Mehrvergütung pro Gefäß pro Jahr zu zahlen:
27
1. Dieses Begehren betrifft eine andere Regelung des abgeschlossenen Entsorgungsvertrags als die bereits abgehandelten oder angesprochenen. In Streit stehen hier weder die vertraglich vorgesehenen Folgen der Notwendigkeit , mehr oder weniger Mengen an Müll zu entsorgen, noch die von der Revision insoweit für maßgeblich gehaltene, die Anzahl der Gefäße betreffenden Vorgaben in den Nrn. 7.2.1 bis 7.2.3 der Bieterinformation 3. Hier geht es um § 7 Abs. 3 des Versorgungsvertrags, wonach die Parteien auch eine Anpassung der Vergütung an bestimmte Preisindizes (Lohnkostenindex, Kraftstoffkostenindex , Kostenindex für Lkw mit Selbstzündung) vereinbart haben. Insoweit hatte der Beklagte wegen der Regelung in § 7 Abs. 3 des Entsorgungsvertrags eine Preisanpassung von 3,361 % zugestanden. Da über die Berechtigung jedenfalls dieser Anpassung zwischen den Parteien kein Streit bestand, muss das Berufungsurteil dahin ausgelegt werden, dass nur die grundsätzliche Berechtigung einer diesen Prozentsatz übersteigenden Forderung festgestellt worden ist. Das deckt sich mit dem Vorbringen der Klägerin in der Berufungsbegründung. Hiernach ist das als Feststellungsantrag formulierte Begehren prozentual auf die Zuerkennung weiterer 4,673 % gerichtet.
28
2. Die insoweit einzige Streitfrage der Parteien, welcher Bezugszeitpunkt für die Berechnung dieses Anpassungsanspruches vereinbart worden ist, hat das Berufungsgericht dahin entschieden, dass nicht auf den sich aus § 7 Abs. 3 des Entsorgungsvertrags ergebenden Zeitpunkt Mai 2004 bzw. Mai 2005 abzustellen sei. Da sich anderenfalls ergeben würde, dass die Zeit vom Abschluss des Entsorgungsvertrags bis zu dem Beginn einer eventuellen Änderung "inflationsmäßig völlig außen vor bliebe", müssten sich die Parteien am Wortlaut der Nr. 7.2.7 der Bieterinformation 3 orientieren, wonach ausgehend von dem Zeitpunkt der (früheren) Angebotsabgabe die Preisanpassungsberechnung vorzunehmen sei. Um ein widerspruchsfreies und interessengerechtes Ergebnis zu erreichen, stehe dem und der daraus zu folgernden grundsätzlichen Berechtigung dieser Forderung auch nicht entgegen, dass § 3 Abs. 1 des Entsorgungsvertrags eine Rangfolge vorsehe, wonach die Regelungen dieses Vertrags denen der Bieterinformationen vorgingen, die der Beklagte am Auftrag Interessierten gegeben habe.
29
3. Diese Würdigung bekämpft die Revision zu Recht als nicht mehr mit § 286 ZPO in Einklang stehend. Die Argumentation des Berufungsgerichts läuft letztlich darauf hinaus, dass nur die Interessen der Klägerin entscheiden, auch nicht zeitweise auf einen Inflationsausgleich verzichten zu müssen. Das kann kaum als Auslegung des übereinstimmenden Willens bezeichnet werden, den die Parteien in den verschiedenen Unterlagen zum Ausdruck gebracht haben; jedenfalls liegt ihm aber eine einseitige Sicht zugrunde, die den anerkannten Regeln der Vertragsauslegung nicht gerecht wird. So ist gänzlich unberücksichtigt geblieben, dass bei der Kalkulation von Preisen die Preisentwicklung in der sich unmittelbar anschließenden Zeit leichter einzuschätzen sein und weit eher von vornherein beim Angebotspreis berücksichtigt werden kann, als diejenige, die für spätere Zeiten bevorsteht. Schon das spricht für den ohnehin von § 3 Abs. 1 vorgegebenen Vorrang der Regelung in § 7 Abs. 3 des Entsorgungsvertrags und kann Anlass bieten, Nr. 7.2.7 der Bieterinformation 3 lediglich als ein Beispiel für eine Anpassung auf der Basis der genannten Indices zu verstehen, das im Entsorgungsvertrag dann einvernehmlich dahin konkretisiert worden ist, die betreffende Formel ausgehend von den zu den dort genannten (späteren) Zeitpunkten geltenden Preisen anzuwenden.
30
4. Eine eigene abschließende Entscheidung der Streitfrage der Parteien durch den Senat kommt auch hier nicht in Betracht, weil nicht ausgeschlossen erscheint, dass hierbei tatsächliches Geschehen zu berücksichtigen ist, das sich aus den insoweit bloß kursorischen Angaben des angefochtenen Urteils nicht ergibt. Sollte das Berufungsgericht nach Würdigung aller von den Parteien insoweit vorgetragenen Umstände wieder zu dem Ergebnis gelangen, die Parteien seien übereingekommen, der Änderung von Preisindizes gegenüber denen bei Angebotsabgabe Rechnung zu tragen, wird das Berufungsgericht sich ferner damit zu befassen haben, ob die in dem als Feststellungsantrag formulierten Begehren ausgeworfenen absoluten Beträge dem streitigen Prozentsatz von 4,673 % entsprechen, den allein das Berufungsgericht als von seinem Urteil betroffen erwähnt, und ob, soweit dies nicht der Fall ist, die Klage nicht schon von ihm selbst als teilweise unbegründet abgewiesen werden muss.
Scharen Keukenschrijver Gröning
Berger Hoffmann
Vorinstanzen:
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OLG Oldenburg, Entscheidung vom 09.07.2008 - 4 U 66/07 -

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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 538 Zurückverweisung


(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. (2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an d
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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

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(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

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Oberlandesgericht Köln Urteil, 23. Juli 2014 - 11 U 104/13

bei uns veröffentlicht am 23.07.2014

Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 12.07.2013 – 1 O 170/13 – wird zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 12.07.2013 - 1 O 170/13 – abgeändert und die zugrunde

Landgericht Magdeburg Urteil, 22. Nov. 2013 - 7 O 1504/12

bei uns veröffentlicht am 22.11.2013

Tenor Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 27.111,47 Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.12 zu zahlen. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten der Verweisung, die vorab die Klägeri

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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 89/04 Verkündet am:
18. September 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b
Werden in den Ausschreibungsunterlagen Erklärungen zu den Leistungen, die der
Bieter durch Nachunternehmer erbringen lassen will, gefordert, so ist ein Angebot,
das diese Erklärungen nicht enthält, von der Wertung der Angebote nach § 25 Nr. 1
Abs. 1 Buchst. b VOB/A auszuschließen.
BGH, Urt. v. 18. September 2007 - X ZR 89/04 - OLG Rostock
LG Neubrandenburg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. September 2007 durch die Richter Scharen, Keukenschrijver,
Prof. Dr. Meier-Beck, Asendorf und Gröning

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 19. Mai 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte schrieb 1997 den Neubau eines Alten- und Pflegeheims auf der Grundlage der VOB/A aus. Der klagende Insolvenzverwalter nimmt die Beklagte auf Ersatz des der Gemeinschuldnerin durch die anderweitige Erteilung des Zuschlags entgangenen Gewinns in Anspruch, weil die Gemeinschuldnerin bei der Erteilung des Zuschlags vergaberechtswidrig übergangen worden sei.
2
Die interessierten Unternehmen erhielten von der Beklagten das Angebotsformular "EMV (B) Ang". Dieses enthält eingangs eine Aufzählung von Anlagen, unter denen sich auch ein "Verzeichnis über Art und Umfang der von Nachunterneh- men auszuführenden Leistungen (vgl. Bewerbungsbedingungen Nr. 7)" befindet. Diese Anlage ist - im Unterschied zu anderen in der Aufzählung genannten Anlagen - von der Vergabestelle nicht durch ein Kreuz in dem dafür vorgesehenen Kästchen gekennzeichnet worden. Unter Nr. 6 des Angebotsformulars kann durch Ankreuzen seitens des Bieters erklärt werden, ob die Leistungen im eigenen Betrieb ausgeführt werden, ob die in der beigefügten Liste aufgeführten Leistungen an Nachunternehmer übertragen werden, obwohl der Betrieb des Bieters auf diese Leistungen eingerichtet ist, oder ob die in der beigefügten Liste aufgeführten Leistungen an Nachunternehmer übertragen werden, weil der Betrieb des Bieters auf diese Leistungen nicht eingerichtet ist. In den Bewerbungsbedingungen, die den interessierten Unternehmen mit den Ausschreibungsunterlagen ausgehändigt wurden, heißt es unter Nr. 7: "Nachunternehmer Beabsichtigt der Bieter, Teile der Leistung von Nachunternehmern ausführen zu lassen, muss er in seinem Angebot Art und Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen angeben und die vorgesehenen Nachunternehmer benennen."
3
Die Gemeinschuldnerin hat in ihrem Angebot keines der Kästchen vor den Erklärungen unter Nr. 6 des Angebotsformulars angekreuzt. Eine Liste, in welcher die von Nachunternehmern auszuführenden Leistungen aufgeführt und die Nachunternehmer namentlich benannt werden, war dem Angebot nicht beigefügt. In einem späteren Gespräch erklärte die Gemeinschuldnerin, den Rohbau selbst ausführen und im Übrigen vorwiegend Subunternehmer aus der Region einschalten zu wollen. Den Zuschlag hat nicht die Gemeinschuldnerin erhalten, sondern die B. GmbH .
4
Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers, der die Beklagte entgegengetreten ist.

Entscheidungsgründe:


5
Die zulässige Revision bleibt ohne Erfolg.
6
I. Das Berufungsgericht hat das Schadensersatzbegehren des Klägers schon deshalb für unbegründet gehalten, weil das Angebot der jetzigen Gemeinschuldnerin nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A von der Wertung der Angebote hätte ausgeschlossen werden müssen, nachdem die ausdrücklich geforderten Angaben über Art und Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen nicht erfolgt seien. Bereits nach Nr. 6 des Angebotsformulars seien Angaben dazu zu machen gewesen, ob die Leistungen im eigenen Betrieb ausgeführt werden oder welche Leistungen Nachunternehmern übertragen werden sollten, obwohl oder weil der Betrieb auf diese Leistungen eingerichtet oder nicht eingerichtet sei. Des weiteren sei in den Bewerbungsbedingungen , die den Ausschreibungsunterlagen beilagen, ausdrücklich gefordert, dass der Bewerber, der beabsichtige, Teile der Leistung von Nachunternehmern ausführen zu lassen, in seinem Angebot Art und Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen angeben und die vorgesehenen Nachunternehmer benennen müsse. Diesen eindeutigen Vorgaben habe das Angebot der Gemeinschuldnerin nicht entsprochen. Angaben zu Nachunternehmern habe diese überhaupt nicht gemacht. Wettbewerbsrelevant sei insofern nicht nur, dass Teile der Leistung nicht vom Bieter selbst erbracht werden sollten; entscheidend für die Auswahlentscheidung sei auch, welche Leistungen welcher Nachunternehmer erbringen solle und welche Leistungen der Bieter in welchem Umfang selbst ausführen wolle. Selbst wenn die B. GmbH zu Unrecht den Zuschlag erhalten habe, ergebe sich daraus ein Anspruch auf Schadensersatz mangels eigenen zuschlagsfähigen Angebots der Gemeinschuldnerin nicht.
7
II. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
8
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Ersatzpflicht des öffentlichen Auftraggebers aus culpa in contrahendo (c.i.c.) nach der Rechtsprechung des Senats ihren Grund in der Verletzung des Vertrauens der Bieter oder Bewerber darauf hat, dass das Vergabeverfahren nach den einschlägigen Vorschriften des Vergaberechts abgewickelt wird (BGHZ 139, 280, 283; Sen.Urt. v. 26.10.1999 - X ZR 30/98, NJW 2000, 661; Sen.Urt. v. 1.8.2006 - X ZR 146/03, VergabeR 2007, 93). Dabei setzt der geltend gemachte, auf das positive Interesse gerichtete Schadensersatzanspruch voraus, dass das Vergabeverfahren an einem Vergabefehler leidet, der Zuschlag einem Dritten tatsächlich erteilt worden ist und der Schadensersatz begehrende Bieter den Zuschlag hätte erhalten müssen (BGHZ 139, 259, 272; Sen.Urt. v. 5.11.2002 - X ZR 232/00, VergabeR 2003, 163; Sen.Urt. v. 16.12.2003 - X ZR 282/02, VergabeR 2004, 480; Sen.Urt. v. 3.6.2004 - X ZR 30/03, VergabeR 2004, 813). An der zuletzt genannten Voraussetzung fehlt es, wenn das Angebot des Schadensersatz begehrenden Bieters zwingend von der Wertung der Angebote auszuschließen war (Sen.Urt. v. 8.9.1998 - X ZR 85/97, NJW 1998, 3634 unter II.; Sen.Urt. v. 7.6.2005 - X ZR 19/02, VergabeR 2005, 617).
9
2. Das Berufungsgericht ist weiter in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, dass der öffentliche Auftraggeber ein Angebot , das die in zumutbarer Weise vom Bieter "geforderten Erklärungen" (§ 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A in der bis 2006 geltenden Fassung, § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A Ausgabe 2006) nicht enthält, zwingend von der Wertung der Angebote auszuschlie- ßen hat (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOL/A), damit die gebotene Gleichbehandlung aller Bieter in einem transparenten Vergabeverfahren gewährleistet ist (BGHZ 154, 32, 45; BGHZ 159, 186, 192).
10
a) Entgegen der Auffassung der Revision sind unter "Erklärungen" nicht nur solche Angaben zu verstehen, die die ausgeschriebenen Leistungspositionen selbst betreffen. Wie der Senat bereits entschieden hat, gehören zu den "Erklärungen" auch sonstige Erklärungen wie Angaben nach den Formblättern EFB-Preis (Sen.Urt. v. 7.6.2005 - X ZR 19/02, VergabeR 2005, 617), die Vorlage von Mustern (Sen.Beschl. v. 26.9.2006 - X ZB 14/06 zu § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A, BGHZ 169, 131), aber auch Angaben dazu, welche Leistungen der Bieter nicht selbst erbringen, sondern durch Nachunternehmer erbringen lassen will (Sen.Beschl. v. 16.3.2004 - X ZR 23/03, nicht im Druck veröffentlicht).
11
b) Die Revision kann auch mit ihrer Auffassung nicht durchdringen, die Ausschreibungsunterlagen seien hinsichtlich der Forderung nach Angabe der durch Nachunternehmer zu erbringenden Leistungen widersprüchlich, diese Angaben seien daher nicht gefordert gewesen.
12
Das Berufungsgericht hat aus Nr. 6 des den interessierten Unternehmen übermittelten Auftragsformulars hergeleitet, dass von den Bietern die verschiedenen in dieser Nummer aufgeführten Erklärungen gefordert werden, nämlich ob der Bieter die ausgeschriebenen Leistungen im eigenen Betrieb ausführt, ob er Leistungen durch Nachunternehmer ausführen lässt, obwohl sein Betrieb auf diese Leistungen eingerichtet ist, und ob er Leistungen durch Nachunternehmer ausführen lässt, weil sein Betrieb auf diese Leistungen nicht eingerichtet ist, wobei im zweiten und dritten Fall die durch Nachunternehmer zu erbringenden Leistungen "in der beigefügten Liste" aufzuführen sind. Das ist eine mögliche, wenn nicht sogar die naheliegende Auslegung dieses Teils des Auftragsformulars. Aus dem Umstand, dass nach den Fest- stellungen im Tatbestand des Berufungsurteils die Anlage "Verzeichnis über Art und Umfang der von Nachunternehmern auszuführenden Leistungen (vgl. Bewerbungsbedingungen Nr. 7)" nicht angekreuzt und die Anlage den Ausschreibungsunterlagen auch nicht beigefügt war, lässt sich allenfalls ableiten, dass dann, wenn die ausgeschriebenen Leistungen nicht im eigenen Betrieb des Bieters ausgeführt werden, die erste geforderte Erklärung also nicht abgegeben werden kann, entweder das "Verzeichnis über Art und Umfang der von Nachunternehmern auszuführenden Leistungen (vgl. Bewerbungsbedingungen Nr. 7)" anzufordern oder die in der zweiten und dritten Frage nach Nr. 6 des Angebotsformulars geforderte Liste über die von Nachunternehmern ausgeführten Leistungen vom Bieter selbst zu erstellen und dem Angebot beizufügen ist. Aus dem genannten Umstand ergibt sich daher weder ein Widerspruch in den Ausschreibungsunterlagen noch lässt sich aus ihm ableiten, die fraglichen Erklärungen seien nicht gefordert. Rügen, dass im Übrigen für das Verständnis und die Auslegung der Ausschreibungsunterlagen wesentlicher Streitstoff übergangen sei, werden von der Revision nicht erhoben.
13
3. Eine Nachholung der nach den Ausschreibungsunterlagen mit dem Angebot abzugebenden Erklärungen darüber, welche Leistungen der Bieter selbst ausführt und welche durch Nachunternehmer ausgeführt werden, in einem Aufklärungsgespräch nach § 24 VOB/A kam entgegen der Auffassung der Revision nicht in Betracht. Ein transparentes und die Bieter gleich behandelndes Vergabeverfahren ist nur zu erreichen, wenn lediglich in jeder Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden. Dies erfordert beispielsweise, dass hinsichtlich jeder Position der Leistungsbeschreibung alle zur Kennzeichnung der insoweit angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet und die ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert waren, so dass sie als Umstände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen; der Ausschlusstatbestand ist nicht erst dann gegeben, wenn das betreffende Angebot wegen fehlender Angaben im Ergebnis nicht mit anderen Angeboten verglichen werden kann (BGHZ 154, 32, 45; 159, 186, 192). Deshalb ist die Berücksichtigung einer späteren Änderung oder Ausgestaltung der Gebote nach § 23 Nr. 1 VOB/A ausgeschlossen. Eine solche ist immer dann gegeben, wenn sich die nachträgliche Erklärung nicht lediglich auf die inhaltliche Klärung eines an sich festgelegten Gebotes beschränkt (vgl. § 24 VOB/A, vgl. Sen.Urt. v. 26.10.1999 - X ZR 30/98, NJW 2000, 661). An der notwendigen Festlegung fehlte es hier, weil offen geblieben ist, welche Leistungen angebotsgemäß durch Nachunternehmer auszuführen sind. Auch fehlende Angaben der hier fraglichen Art können mithin vom Bieter nicht nachgeholt werden (vgl. auch Kratzenberg in Ingenstau/Korbion, VOB, 16. Aufl., § 24 VOB/A Rdn. 7).
14
4. Da das Angebot der jetzigen Gemeinschuldnerin wegen der fehlenden Erklärungen zu den von Nachunternehmern zu erbringenden Leistungen zwingend von der Wertung auszuschließen war, hat das angefochtene Urteil schon aus diesem Grunde Bestand. Auf die Frage, ob das Angebot auch deshalb von der Wertung auszuschließen war, weil die Nachunternehmer mit dem Angebot nicht namentlich benannt worden sind, kommt es deshalb nicht an.
15
III. Die Revision ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Scharen Keukenschrijver Meier-Beck
Asendorf Gröning
Vorinstanzen:
LG Neubrandenburg, Entscheidung vom 01.02.2001 - 5 O 455/99 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 19.05.2004 - 2 U 15/02 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 282/02 Verkündet am:
16. Dezember 2003
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VOB/A § 26; VOL/A § 26; BGB § 276 Fc

a) Wird eine Ausschreibung aufgehoben, ohne daß einer der in § 26
VOB/A, § 26 VOL/A genannten Gründe vorliegt, so setzt der auf Ersatz auch
des entgangenen Gewinns gerichtete Schadensersatzanspruch aus culpa in
contrahendo nicht nur voraus, daß dem Bieter bei Fortsetzung des Verfahrens
der Zuschlag hätte erteilt werden müssen, weil er das annehmbarste
Angebot abgegeben hat; er setzt vielmehr darüber hinaus auch voraus, daß
der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich erteilt worden ist.

b) Nimmt die öffentliche Hand von der Vergabe des ausgeschriebenen Auftrags
Abstand und bleibt sie bei der vor der Ausschreibung praktizierten Art
des Betriebs eines Gebäudes oder des zu seinem Betrieb erforderlichen Leistungsbezugs
, ohne daß dieser von der Ausschreibung miterfaßt worden ist,
liegt bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise in der Fortsetzung
oder Wiederaufnahme der vor der Ausschreibung geübten Praxis keine
zum Ersatz des positiven Interesses verpflichtende Vergabe des ausgeschriebenen
Auftrags.
BGH, Urt. v. 16. Dezember 2003 - X ZR 282/02 - Kammergericht
LG Berlin
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 27. Zivilsenats des Kammergerichts vom 27. August 2002 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin begehrt von der beklagten Bundesrepublik Deutschland (nachfolgend Beklagte) Schadensersatz wegen der Aufhebung einer Ausschreibung und der nachfolgenden Auftragserteilung an einen mitbietenden Konkurrenten.
Die Klägerin betreibt unter anderem Anlagen zur dezentralen Energiegewinnung. Die Beklagte betreibt auf dem Grundstück S. in
B. ein Bundeswehrkrankenhaus, das zuvor zunächst von der Volkspolizei und danach als Lazarett des Ministeriums für Abrüstung und Verteidigung der vormaligen DDR genutzt wurde. Nachdem zunächst unklar war, ob das Grundstück der Bundesrepublik Deutschland oder dem Land B. vermögensrechtlich zuzuordnen war, hat die Oberfinanzdirektion B. am 3. April 1998 das Grundstück als Verwaltungsvermögen der Bundesrepublik Deutschland zugeordnet. Die Versorgung des Bundeswehrkrankenhauses mit Elektrizität und Wärme erfolgte durch die BE. . Die Versorgung des Krankenhauses mit Kälte wurde von der Beklagten in Eigenleistung erbracht.
Noch während der laufenden Auseinandersetzung um die vermögensrechtliche Zuordnung des Grundstücks ließ das Bundesministerium der Verteidigung durch das Bundesbauamt B. III die Errichtung einer Technikzentrale als Blockheizkraftwerk zur Versorgung des Krankenhauses mit Wärme, Strom und Kälte in einem nichtoffenen Verfahren parallel als Generalunternehmerleistung für den betriebsfertigen Bau einer Technikzentrale mit den genannten Leistungen (Bekanntmachung der Ausschreibung Teil A) und als Betreiberleistungen zur Lieferung der genannten Energie (Betreibermodell, Laufzeit 20 Jahre , Bekanntmachung der Ausschreibung Teil B) ausschreiben. Daneben waren andere Varianten sowie Nebenangebote - von den Parteien als "Teil C" der Ausschreibung bezeichnet - ausdrücklich zugelassen (Amtsblatt von Berlin Nr. 63, Seite 4972). Auf die Ausschreibung gab auch die BE. ein Nebenangebot ab, das die Versorgung mit Strom aus dem B. Mittelspannungsnetz , mit Fernwärme aus dem Netz B. -Mitte und mit Kälte aus drei Kälteaggregaten vorsah und die Kosten für die Errichtung der Energieversorgungsanlage mit 5 bis 10 Millionen DM angab. Nach Ablauf der Ausschreibungsfrist erklärte die BE. in einem Schreiben vom 15. Mai 1996 gegenüber der Wehrbereichsverwaltung , daß nicht wie in ihrem Angebot 5 bis 10 Millionen DM zu-
sätzlich zu den Energiepreisen für die Errichtung der Technikzentrale verlangt würden, sondern dieser Betrag in den Energiepreisen "mitkalkuliert" sei.
Die Auswertung der Angebote ergab, daß das Angebot der Klägerin in Teil B, Version 2, das wirtschaftlichste war, so daß die Vergabestelle der Wehrbereichsverwaltung vorschlug, der Klägerin auf dieses Angebot den Zuschlag zu erteilen. Die Einbeziehung des Schreibens der BE. vom 15. Mai 1996 lehnte die Vergabestelle ab, weil sie darin ein unzulässiges Nachverhandeln im Sinne von § 24 Nr. 2 VOL/A sah. Die Wehrbereichsverwaltung erteilte den Zuschlag nicht, sondern teilte der Klägerin mit Schreiben vom 11. September 1996 die Aufhebung der Ausschreibung mit.
Die Klägerin hat bei der Vergabeprüfstelle des Bundes die Überprüfung der Aufhebung der Ausschreibung beantragt. Die Vergabeprüfstelle hielt die Aufhebung der Ausschreibung für rechtmäßig. Auf Beschwerde der Klägerin hat der Vergabeüberwachungsausschuß des Bundes mit Beschluß vom 14. April 1997 - 1 VÜ 27/96 - festgestellt, daß die Entscheidung der Vergabeprüfstelle rechtswidrig war.
Am 9. Januar 1997 hat die Beklagte einen Vertrag zur Versorgung des Bundeswehrkrankenhauses mit Elektroenergie und Wärme mit der BE. abgeschlossen, der durch eine Vereinbarung vom 23. Januar 1998 ergänzt wurde. Am 17. September 1998 hat die Beklagte einen mit dem genannten Versorgungsvertrag im wesentlichen identischen Vertrag mit der BE. abgeschlossen. Die Versorgung des Krankenhauses mit Kälte führt die Beklage in Eigenleistung durch, wofür sie Elektroenergie von der BE. bezieht.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die von der Beklagten nach Aufhebung der Ausschreibung mit der BE. geschlossenen Verträge entsprächen einer der Varianten der Ausschreibung. Deshalb stehe ihr - der Klägerin - Schadensersatz zu, der auch den Ersatz entgangenen Gewinns umfasse.
Das Landgericht hat den Klageanträgen im Umfang der eingetretenen Entscheidungsreife durch Teilurteil entsprochen. Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht.
I. 1. Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, daß mit der Ausschreibung und der Beteiligung des Bieters am Ausschreibungsverfahren ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis zustande kommt, das die Parteien zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet und auf beiden Seiten Sorgfaltspflichten begründet , deren Verletzung Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo auslösen kann (BGHZ 120, 281; Sen.Urt. v. 26.10.1999 - X ZR 30/98, NJW 2000, 661; Sen.Urt. v. 16.10.2001 - X ZR 100/99, ZfBR 2002, 184 m.w.N.). Diese Ersatzpflicht findet ihren Grund in der Verletzung des Vertrauens der Bieter darauf, daß das Vergabeverfahren nach den einschlägigen Vorschriften des
Vergaberechts abgewickelt wird und dementsprechend regelmäßig mit der Erteilung des Zuschlags an einen der Teilnehmer an dem Verfahren endet.
Das Berufungsgericht ist weiter in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, daß Schadensersatzansprüche des sich an einer Ausschreibung beteiligenden Bieters aus culpa in contrahendo auch dann in Betracht kommen, wenn die öffentliche Hand eine Ausschreibung aufhebt, ohne daß einer der in § 26 VOB/A oder § 26 VOL/A genannten Aufhebungsgründe vorliegt (BGHZ 139, 259, 261; 139, 280, 283). Nach dieser Rechtsprechung steht dem Bieter, der bei Fortsetzung des Verfahrens und Vergabe des Auftrags den Zuschlag erhalten hätte, grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz der mit der Teilnahme am Verfahren verbundenen Aufwendungen zu (Ersatz des negativen Interesses). Demgegenüber setzt der weitergehende Anspruch auf Ersatz auch des entgangenen Gewinns nicht nur voraus, daß dem Bieter bei Fortsetzung des Verfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen , weil er das annehmbarste Angebot abgegeben hat; er setzt darüber hinaus vielmehr auch voraus, daß der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich erteilt worden ist (BGHZ 139, 259, 268; 139, 280, 284). Dieser Ausgangspunkt des Berufungsgerichts läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision nicht in Zweifel gezogen.
2. Auch der weitere Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die Aufhebung der Ausschreibung rechtswidrig war, läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Wie der Vergabeüberwachungsausschuß des Bundes mit Beschluß vom 14. April 1997 festgestellt hat, lag ein Aufhebungsgrund im Sinne der § 26 VOB/A, § 26 VOL/A nicht vor. Die Revision zieht dies nicht in Zweifel; auch insoweit tritt ein Rechtsfehler nicht zutage.
II. Demgegenüber sind die weiteren Erwägungen, mit denen das Beru- fungsgericht einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Ersatz des entgangenen Gewinns bejaht hat, nicht frei von Rechtsfehlern.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der von der Beklagten mit der BE. nach Aufhebung der Ausschreibung abgeschlossene Versorgungsvertrag sei aus den Gründen des landgerichtlichen Urteils mit einer der ausgeschriebenen Varianten der Energieversorgung für das Bundeswehrkrankenhaus bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung identisch. Da die Klägerin im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens das annehmbarste Angebot abgegeben habe, hätte sie den Zuschlag erhalten müssen. Der Klägerin stehe daher Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses zu.
2. Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Revision rügt zu Recht, daß die Feststellungen des Berufungsgerichts den von den Vorinstanzen gezogenen Schluß, die von der Beklagten nach der Aufhebung der Ausschreibung geschlossenen Versorgungsverträge beträfen bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise den gleichen Auftragsgegenstand wie die ausgeschriebenen Leistungen, nicht tragen.

a) Dem Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt darin beizupflichten, daß zur Beurteilung der Frage, ob die ausgeschriebenen Leistungen nach Aufhebung der Ausschreibung unter Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften an einen anderen Auftragnehmer - sei es auf der Grundlage einer neuen Ausschreibung oder freihändig - vergeben worden sind, eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten ist (Sen.Urt. v. 8.9.1998 - X ZR 99/96, NJW 1998, 3640 unter II, 2 der Gründe, insoweit in BGHZ 139, 280 nicht abgedruckt). Auf dieser Grundlage sind die ausgeschriebenen und die tatsächlich in Auftrag ge-
gebenen Leistungen zu vergleichen, nicht dagegen die vor der Ausschreibung bestehenden Verhältnisse mit denen, die sich durch die Auftragsvergabe ergeben. Denn der Bieter wird in dem Vertrauen geschützt, daß der ausgeschriebe- ne Auftrag nach den Regelungen des Vergaberechts vergeben wird. Nimmt die öffentliche Hand von der Vergabe des ausgeschriebenen Auftrags Abstand und bleibt sie bei der vor der Ausschreibung praktizierten Art des Betriebs eines Gebäudes oder des zu seinem Betrieb erforderlichen Leistungsbezugs, ohne daß dieser von der Ausschreibung miterfaßt worden ist, dann liegt bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise in der bloßen Fortsetzung oder Wiederaufnahme der vor der Ausschreibung geübten Praxis keine zum Ersatz des positiven Interesses verpflichtende Vergabe der ausgeschriebenen Leistungen , sondern die - möglicherweise vergaberechtswidrige - Erteilung eines anderen als des ausgeschriebenen Auftrags. Wie der Senat bereits ausgesprochen hat, ist mit der Ausschreibung kein Kontrahierungszwang verbunden. Den Vorschriften der VOB kann in gleicher Weise wie den Vorschriften der VOL weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Regelungszusammenhang ein allgemeiner Anspruch auf Erteilung des Zuschlags in allen Fällen, in denen ein Aufhebungsgrund nach § 26 VOB/A, § 26 VOL/A nicht gegeben ist, entnommen werden (Sen.Urt. v. 8.9.1998 - X ZR 99/96, NJW 1998, 3640 unter II, 1 der Gründe). Die öffentliche Hand ist daher nicht gehalten, den Betrieb eines Gebäudes und/oder den Bezug der zu seinem Betrieb erforderlichen Leistungen in der bis zur Ausschreibung geübten Praxis einzustellen, um Schadensersatzansprüche auf das positive Interesse zu vermeiden, wenn und solange die bis zur Ausschreibung geübte Praxis nicht zum Gegenstand der Ausschreibung und der auf sie abzugebenden Gebote, zu denen auch Nebenangebote rechnen, gemacht worden ist.

b) Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsurteil nach diesen Maßstäben keinen Bestand haben kann.
Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß Gegenstand der von der Beklagten mit der BE. nach Aufhebung der Ausschreibung geschlossenen Verträge die einheitliche Versorgung des Bundeswehrkrankenhauses mit elektrischer Energie, Fernwärme und Kälte ist. Es hat lediglich unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Urteil des Landgerichts gemeint, der Vertragsgegenstand sei mit der Ausschreibung identisch, wobei das Landgericht davon ausgegangen ist, daß die Beklagte von der BE. lediglich mit Fernwärme und elektrischer Energie versorgt wird und der Bezug von Elektroenergie auch dazu dient, mit Hilfe der bereits vor der Ausschreibung vorhandenen Aggregate Kälte in Eigenleistung zu erzeugen. Dabei hat das Landgericht dem Umstand, daß die Beklagte das Krankenhaus mit Hilfe der vorhandenen Aggregate die Kälteversorgung in Eigenregie erbringt und es damit bei der vor der Ausschreibung geübten Praxis verblieben ist, ausdrücklich keine Bedeutung für die Entscheidung der Frage beigemessen, ob die nach Aufhebung der Ausschreibung mit der BE. geschlossenen Verträge den gleichen Auftrag betreffen wie die ausgeschriebenen Leistungen. Das Landgericht hat zwar zu der Frage Beweis erhoben, ob die von der Beklagten mit der BE. geschlossenen Verträge inhaltlich das gleiche Vorhaben und den gleichen Auftragsgegenstand betreffen wie die Ausschreibung; nach seinem Beweisbeschluß sollte der Sachverständige jedoch unberücksichtigt lassen, daß in der Ausschreibung die Belieferung des Krankenhauses auch mit Kälte vorgesehen ist, diese jedoch gegenwärtig von der Beklagten selbst erzeugt wird. Dem ist das Berufungsgericht gefolgt, indem es einerseits davon ausgegangen ist, daß Gegenstand der Ausschreibung die Versorgung des Bundeswehrkrankenhauses mit Wärme, Elektroenergie und Kälte gewesen sei, und dem ohne weiteres den Bezug von Wärme und
Elektroenergie von Dritten und die Erzeugung von Kälte mit Hilfe der vorhandenen Aggregate in Eigenleistung nach der bis zur Ausschreibung geübten Praxis der Beklagten gleichgestellt hat.
Damit fehlt dem vom Berufungsgericht gezogenen Schluß, der nach Aufhebung der Ausschreibung erteilte Auftrag entspreche auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise dem ausgeschriebenen Auftrag, die tatsächliche Grundlage. Die Klägerin macht zwar zu Recht geltend, daß der Wortlaut der Bekanntmachung der Ausschreibung die Annahme nahelegen kann, daß der Abgabe von Nebenangeboten erheblicher Raum eingeräumt worden sei, so daß auch die Abgabe von Nebenangeboten von der Ausschreibung zugelassen worden sein könnte, die eine Fortsetzung der Energiebelieferung nach der bis zur Ausschreibung geübten Praxis zum Gegenstand haben. Solange jedoch nicht anhand der Ausschreibungsunterlagen festgestellt ist, welche Art von Nebenangeboten zugelassen war und daß auch Nebenangebote abgegeben werden konnten, die die Belieferung des Bundeswehrkrankenhauses nach Art und Umfang der bis zur Ausschreibung geübten Praxis zum Gegenstand haben, kann die Fortsetzung der bis zur Ausschreibung geübten Praxis des Leistungsbezugs nach Aufhebung der Ausschreibung nicht ohne weiteres als Erteilung eines bei wirtschaftlicher Betrachtung der Ausschreibung entsprechenden Auftrags gewertet werden.
Mangels der danach erforderlichen Feststellungen zum Gegenstand der ausgeschriebenen Leistung ist für das Revisionsverfahren das - bestrittene - Vorbringen der Beklagten zugrunde zu legen, daß Gegenstand der Ausschreibung auch bezüglich anderer Varianten und Nebenangebote (von den Parteien als "Teil C" der Ausschreibung bezeichnet) nicht die weitere Belieferung des Bundeswehrkrankenhauses mit Elektroenergie und Wärme nach der bis zur
Ausschreibung geübten Praxis war, sondern die einheitliche Belieferung mit Elektroenergie, Wärme und Kälte, wobei diese Leistungen zum Betrieb des Krankenhauses "gebrauchsfertig" an der Gebäudegrenze in das Verteilersystem der Liegenschaft einzuspeisen waren. Hatte die Ausschreibung einen solchen Inhalt, dann entspricht der nach der Aufhebung der Ausschreibung erteilte Auftrag nicht dem ausgeschriebenen Auftrag, so daß der Klägerin zwar Ansprüche auf Ersatz des negativen Interesses zustehen können, nicht jedoch Ansprüche auf Schadensersatz unter Einbeziehung des entgangenen Gewinns (positives Interesse).
III. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen ist dem Senat eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Der Rechtsstreit ist daher unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird anhand der Ausschreibungsunterlagen und gegebenenfalls ergänzendem Sachvortrag der Parteien die Frage zu prüfen haben, mit welchem Inhalt Nebenangebote nach den von den Parteien als "Teil C" der Ausschreibung bezeichneten Unterlagen der Ausschreibung zugelassen waren. Sollte sich ergeben, daß die Ausschreibung den von der Klägerin behaupteten Inhalt hatte und Nebenangebote zugelassen hat, die die Belieferung des Bundeswehrkrankenhauses auf der Grundlage der bis zur Ausschreibung geübten Praxis zum Gegenstand haben - Lieferung von Wärme und Energie ohne Lieferung von Kälte und ohne Errichtung oder Betrieb einer Technikzentrale - wird weiter zu prüfen sein, ob der Klägerin auch unter dieser Voraussetzung als günstigster Bieterin der Zuschlag hätte erteilt werden müssen. Sollte sich in dem erneuten Berufungsverfahren ergeben, daß der der BE. nach Aufhebung der Ausschreibung erteilte Auftrag bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung nicht den ausgeschriebenen Leistungen entsprochen hat, wird den Parteien Gelegenheit zu geben sein, zu dem hilfsweise geltend
gemachten Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses ergänzend vorzutragen.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 18/07 Verkündet am:
27. November 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ nein
BGHR ja
GWB § 126 Satz 1; VOB/A § 1a (jetzt: § 3 Abs. 1 VgV); BGB § 276 Fa

a) Der Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens in § 126 Satz 1 GWB setzt
kein Verschulden beim Verstoß gegen bieterschützende Bestimmungen voraus.

b) Ein Angebot hätte i. S. von § 126 Satz 1 GWB eine echte Chance auf den Zuschlag
gehabt, wenn es innerhalb des Wertungsspielraums der Vergabestelle
gelegen hätte, darauf den Zuschlag zu erteilen.

c) Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der
für die Auftragserteilung vorgesehenen Wertungskriterien und deren Gewichtung
, zu denen der öffentliche Auftraggeber ggf. nach den Grundsätzen der
sekundären Darlegungslast vorzutragen hat, zu prüfen.

d) Die vom Auftraggeber vorzunehmende Schätzung des Gesamtauftragswerts
i. S. von § 1a VOB/A (§ 3 Abs. 1 VgV) bezieht sich auf die unter Wettbewerbsbedingungen
voraussichtlich entstehende Gesamtvergütung.

e) Ein Anspruch aus culpa in contrahendo auf Erstattung der Kosten für die Teilnahme
am Vergabeverfahren kann einem Bieter zustehen, wenn er sich ohne
Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens (hier: Schätzung der
Gesamtvergütung unterhalb des einschlägigen Schwellenwerts) nicht oder
nicht so, wie geschehen, daran beteiligt hätte (Weiterführung von Sen.Urt. v.
27.6.2007 - X ZR 34/04, NZBau 2007, 727, zur Veröffentl. in BGHZ vorgesehen
).
BGH, Urt. v. 27. November 2007 - X ZR 18/07 - OLG Koblenz
LG Koblenz
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Ambrosius und die Richter Asendorf und
Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das am 15. Januar 2007 verkündete Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin verlangt als Teilnehmerin eines später aufgehobenen Vergabeverfahrens von dem beklagten Land Schadensersatz.
2
Die Vergabestelle des Beklagten schrieb im Juni 1999 in öffentlicher Ausschreibung nach Abschnitt 1 der VOB/A Arbeiten für den Bau einer Hochwasserschutzanlage in der Ortslage O. aus. Im Submissionstermin lagen vier Angebote vor, von denen sich das preiswerteste auf 9.969.165 DM brutto (rd. 8.594.108 DM netto) belief. Die Klägerin hatte mit 10.733.990 DM brutto (rd.

9.253.440 DM netto) das zweitgünstigste Angebot abgegeben. Die mit einem Angebotspreis von 11.012.507 DM brutto (rd. 9.493.401 DM netto) an dritter Stelle liegende Bietergemeinschaft W. u. a. stellte einen Nachprüfungsantrag, den die Vergabekammer wegen Unterschreitung des Schwellenwerts als unzulässig verwarf. Auf die sofortige Beschwerde dieses Bieters verlängerte der Vergabesenat des OLG Koblenz die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB (Beschl. v. 16.12.1999 - 1 Verg 1/99) und stellte in seiner instanzbeendenden Entscheidung - sachverständig beraten - fest, dass der maßgebliche Schwellenwert von 9.606.331 DM überschritten sei (Beschl. v. 6.7.2000 - 1 Verg 1/99). Daraufhin hob die Vergabestelle die Ausschreibung auf und schrieb das Vorhaben im Jahre 2002 gemeinschaftsweit aus. Die Klägerin beteiligte sich an diesem Wettbewerb, den Zuschlag erhielt aber die Bietergemeinschaft W. u. a.
3
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Erstattung der Aufwendungen für die Ausarbeitung ihres im ersten Vergabeverfahren eingereichten Angebots, die sie auf 47.495,88 € beziffert und die sie nach ihren Behauptungen für die Erstellung des Angebots im Rahmen der Folgeausschreibung nicht hat nutzen können. Das Landgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben (OLG Koblenz IBR 2007, 272). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

5
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
6
Der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 126 Satz 1 GWB dem Grunde nach zu. Der hier in Rede stehende Vergaberechtsverstoß, das Vorhaben nicht europaweit ausgeschrieben zu haben, sei nicht vom Anwendungsbereich der Norm ausgenommen.
7
Die Vergabestelle habe gegen eine im Sinne von § 97 Abs. 7 GWB den Schutz von Unternehmen bezweckende Bestimmung verstoßen, indem sie das Vorhaben entgegen § 17a VOB/A nicht gemeinschaftsweit ausgeschrieben habe. Das stattdessen nach Abschnitt 1 der VOB/A durchgeführte Vergabeverfahren sei von vornherein mit einem schweren Verfahrensfehler behaftet gewesen, der, sobald er erkannt wurde, zur Aufhebung des Vergabeverfahrens habe führen müssen. Auch bei solchen, die Aufhebung des Verfahrens rechtfertigenden Fehlern sei § 126 Satz 1 GWB entgegen der Ansicht des Beklagten anwendbar.
8
Der Prüfung, ob die echte Chance eines Bieters beeinträchtigt worden sei, sei der Sachverhalt zugrunde zu legen, der sich ergäbe, wenn die rechtswidrige beeinträchtigende Maßnahme hinweggedacht werde. Im Streitfall hätte die Beklagte den Auftrag dann europaweit ausgeschrieben und der Klägerin wäre dabei die Chance gesichert gewesen, die sie sich mit der Qualität ihres Angebots habe erarbeiten können.
9
Die Klägerin gehöre deshalb zum Kreis der nach § 126 Satz 1 GWB Anspruchsberechtigten , weil sie als Zweitplatzierte zur Spitze der Bieterliste gehört habe.

10
Der Anspruch aus § 126 Satz 1 GWB setze ein Verschulden der Vergabestelle nicht voraus, stünde der Klägerin aber selbst dann zu, wenn die Norm als verschuldensabhängige Regelung zu verstehen wäre. Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte mangels sorgfältiger Kostenberechnung die Fehlerhaftigkeit der Ausschreibung zu vertreten habe.
11
Die Klägerin könne wegen der vom Beklagten zu vertretenden fehlerhaften Ausschreibung Schadensersatzanspruch auch aus culpa in contrahendo verlangen. Bei einem Verfahrensfehler, der, wie hier, die Einleitung des Vergabeverfahrens selbst betreffe, werde das Vertrauen jedes teilnehmenden Bieters darauf verletzt , dass seine Aufwendungen nicht von vornherein nutzlos seien.
12
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen entscheidungserheblichen Punkten stand.
13
1. Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Zuerkennung des Klageanspruchs nach § 126 Satz 1 GWB nicht.
14
Nach dieser Bestimmung kann ein Unternehmen Schadensersatz für die Kosten der Vorbereitung seines Angebots oder der Teilnahme an einem Vergabeverfahren verlangen, wenn der Auftraggeber gegen eine den Schutz von Unternehmen bezweckende Vorschrift verstoßen hat und das Unternehmen ohne diesen Verstoß bei der Wertung der Angebote eine echte Chance gehabt hätte, den Auftrag zu erhalten, die aber durch den Rechtsverstoß beeinträchtigt wurde.
15
a) Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Vergabestelle gegen eine i. S. von § 126 Satz 1 GWB den Schutz von Unternehmen bezweckende Vorschrift verstoßen hat. Der herangezogene § 17a VOB/A ist allerdings nicht einschlägig. Die Bestimmung schützt die Unternehmen vor unzulänglicher Publizität der Planung von öffentlichen Bauvorhaben und ihrer Ausschreibung. Weiter reicht ihr Schutzbereich nicht. Der Verstoß der Vergabestelle gegen diese Bestimmung ist nicht ursächlich für die Beeinträchtigung der Zuschlagschancen der Klägerin geworden, weil diese von der durchgeführten Ausschreibung Kenntnis erhalten und sich daran beteiligt hat. Der im Streitfall maßgebliche Verstoß gegen Schutzvorschriften liegt in der Verletzung von § 2 Abs. 1 der zur Zeit des Vergabeverfahrens (weiterhin) einschlägigen Vergabeverordnung (VgV) vom 22. Februar 1994 (BGBl. I S. 321; vgl. dazu Beck'scher VOB/AKomm. /Marx, § 100 GWB Rdn. 6). Danach war die Vergabestelle verpflichtet, ein den in § 1a VOB/A genannten Schwellenwert erreichendes Bauvorhaben gemeinschaftsweit auszuschreiben.
16
b) Der Verstoß gegen die Pflicht zur gemeinschaftsweiten Ausschreibung wird entgegen der Ansicht der Revision vom Schutzzweck des § 126 Satz 1 GWB erfasst. Die Revision meint, bei einem fälschlicherweise auf nationaler Ebene eingeleiteten Verfahren könne zwar im Primärrechtsschutz die gemeinschaftsweite Vergabe durchgesetzt werden, jedoch sei einem Teilnehmer des nationalen Vergabeverfahrens der Weg, über § 126 Satz 1 GWB Schadensersatz zu verlangen, verschlossen. Für ein solches einschränkendes Verständnis der Bestimmung bieten indes ihre Stellung im Gesetz, ihr Wortlaut, die Entstehungsgeschichte der Norm und ihr Sinn und Zweck keinen Raum. Die Bestimmung ist Bestandteil des Vierten Teils des GWB, der - vorbehaltlich des hier nicht einschlägigen Ausnahmekatalogs in § 100 Abs. 2 GWB - für alle von § 100 Abs. 1 GWB i. V. mit der Verordnung nach § 127 GWB erfassten Aufträge gilt. Der Wortlaut von § 126 Satz 1 GWB bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vorschrift bei bestimmten Verstößen gegen bieterschützende Vergabebestimmungen nicht eingreifen und dass insbesondere die Durchführung eines gemeinschaftsweiten Vergabeverfah- rens Voraussetzung für ihre Anwendung sein soll. Dahinstehen kann, inwieweit die Bestimmung zur Umsetzung von Gemeinschaftsrecht zwingend erforderlich war. Die Mitgliedstaaten haben nach Art. 2 Abs. 1 lit. c der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG vom 21. Dezember 1989 (ABl. Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 33) lediglich sicherzustellen, dass den durch einen Vergaberechtsverstoß Geschädigten Schadensersatz zuerkannt werden kann, was, wie die Revision zutreffend bemerkt , durch das Institut der culpa in contrahendo gewährleistet ist. Nur im - hier nicht berührten - Sektorenbereich sind Beweiserleichterungen zugunsten der Auftragnehmerseite vorgesehen (vgl. Art. 2 Abs. 7 der Sektorenüberwachungsrichtlinie 92/13/EWG v. 25.2.1992, ABl. Nr. L 76 v. 23.3.1992, S. 14). Da die Vergaberichtlinien des Gemeinschaftsrechts generell dem Schutz der Bieter gelten, verstößt es nicht gegen Gemeinschaftsrecht, wenn der deutsche Gesetzgeber eine bieterschützende Bestimmung wie § 126 Satz 1 GWB weiter fasst, als es gemeinschaftsrechtlich möglicherweise veranlasst war.
17
c) Die Revision hält § 126 Satz 1 GWB nach seinem Wortlaut ("bei Wertung der Angebote") nicht für anwendbar, wenn das Vergabeverfahren, wie hier, infolge eines beanstandeten Verstoßes gegen eine bieterschützende Bestimmung aufgehoben und die Wertungsphase deshalb gar nicht erreicht wird. Die fehlerhafte Ausschreibung hinweggedacht, läge überhaupt kein Vergabewettbewerb vor. Ein hypothetischer Sachverhalt dürfe nicht hinzugedacht werden. Dagegen habe das Berufungsgericht mit seiner Annahme verstoßen, die Vergabestelle hätte das Vorhaben , wenn sie den Fehler erkannt hätte, gemeinschaftsweit ausgeschrieben. Diese Reaktionsmöglichkeit sei nicht die einzige gewesen, die dem Auftraggeber zu Gebote gestanden hätte. Diese Einwände, die sich gleichermaßen gegen die Auslegung von § 126 Satz 1 GWB durch das Berufungsgericht wie gegen die Schadenszurechnung richten, sind nicht begründet.

18
aa) Richtig ist, dass das Berufungsgericht bei seiner Prüfung, ob die Klägerin "bei der Wertung" eine echte Chance gehabt hätte, hypothetisch angenommen hat, dass die Vergabestelle eine gemeinschaftsweite Ausschreibung durchgeführt hätte, wenn sie deren Erforderlichkeit rechtzeitig erkannt hätte. Des Weiteren liegt dem Berufungsurteil die hypothetische Annahme zugrunde, dass das konkret in der nationalen Ausschreibung abgegebene Angebot der Klägerin bei der gedachten Wertung in dem hypothetischen gemeinschaftsweiten Verfahren eine echte Chance gehabt hätte. Diese Auslegung steht mit § 126 Satz 1 GWB in Einklang. Ob ein erstattungsfähiger Schaden entstanden ist, setzt nach dessen Wortlaut ("…und hätte das Unternehmen ohne diesen Verstoß…") eine hypothetische Ermittlung des Handlungsverlaufs voraus, der sich ohne den Verstoß zugetragen hätte. Wenn die Vergabestelle bei korrekter Handhabung gemeinschaftsweit ausgeschrieben hätte, ist es mit dem Wortlaut von § 126 Satz 1 GWB vereinbar, darauf abzustellen, ob das abgegebene Gebot in diesem hypothetischen Verfahren eine echte Chance gehabt hätte.
19
bb) Mit seiner Annahme, die Vergabestelle hätte bei richtiger Schätzung des Auftragswertes gemeinschaftsweit ausgeschrieben, hat das Berufungsgericht nicht gegen die Grundsätze der Schadenszurechnung verstoßen. Deren Grundvoraussetzung ist die Verursachung des Schadens im logisch-naturwissenschaftlichen Sinn. Nach der Äquivalenztheorie ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (allgemeine Ansicht; vgl. nur BGHZ 96, 157; BGH, Urt. v. 4.7.1994 - II ZR 162/93, NJW 1995, 127). In diesem Zusammenhang gilt der Grundsatz, dass zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs nur die pflichtwidrige Handlung hinweggedacht, aber kein weiterer Umstand hinzugedacht werden darf. Damit sind hypothetische Handlungen des Geschädigten (vgl. BGH NJW 1995, 126, 127) oder des Schädigers (vgl. BGHZ 96, 157, 172) gemeint, deren Hinzudenken den Erfolg bei ansonsten gegebener Kausalität des schadenstiftenden Verhaltens entfallen ließe.
20
Gegen diesen Grundsatz hat das Berufungsgericht nicht verstoßen. Es hat vielmehr dem Umstand Rechnung getragen, dass ein Schadensersatzanspruch ausgeschlossen sein kann, wenn der Schaden bei gedachtem rechtmäßigem Alternativverhalten ebenfalls entstanden wäre, und deshalb geprüft, wie sich der Auftraggeber verhalten hätte, wenn ihm die Notwendigkeit der gemeinschaftsweiten Ausschreibung bewusst gewesen wäre. Mit seiner Annahme, die Vergabestelle hätte ein gemeinschaftsweites Vergabeverfahren durchgeführt, hat das Berufungsgericht keine im vorgenannten Sinne hypothetische Handlung hinzugefügt. Wie die Revision selbst nicht verkennt, entspräche es nicht der Lebenswirklichkeit, die schadenstiftende Durchführung der Ausschreibung auf nationaler Ebene im Rahmen der Prüfung des Kausalzusammenhangs in schlichter Negation ersatzlos hinwegzudenken, weil der Auftraggeber, wenn er die Notwendigkeit gemeinschaftsweiter Ausschreibung rechtzeitig erkannt hätte, zwangsläufig auf die eine oder andere Weise reagiert hätte. Deshalb hat das Berufungsgericht zu Recht Feststellungen darüber getroffen, wie die Vergabestelle sich verhalten hätte, wenn sie sich der Verpflichtung zur gemeinschaftsweiten Ausschreibung bewusst gewesen wäre. Das vom Oberlandesgericht in tatrichterlicher Würdigung gefundene Ergebnis, in diesem Fall wäre gemeinschaftsweit ausgeschrieben worden, bindet das Revisionsgericht. Damit hat das Berufungsgericht weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze verstoßen, sondern einen zumindest naheliegenden Verlauf angenommen, der im Übrigen auch dem späteren Vorgehen der Vergabestelle entsprach.
21
d) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Haftung des Auftraggebers aus § 126 Satz 1 GWB kein Verschulden voraussetzt.

22
aa) Diese Auffassung entspricht der in der Fachliteratur überwiegenden Meinung (Beck'scher VOB/A-Komm./Marx, § 126 GWB Rdn. 2; Ingenstau/Korbion/ Müller-Wrede, VOB Komm., 15. Aufl., § 126 Satz 1 GWB Rdn. 3; Verfürth in: Kulartz/Kus/Portz, Komm. zum GWB-Vergaberecht, § 126, Rdn. 24 ff.; Boesen, Vergaberecht, § 126 Rdn. 6, 13; Heiermann/Riedl/Rusam/Kullack, VOB, 10. Aufl., § 126 GWB Rdn. 3; Dippel in: jurisPK-Vergaberecht, § 126 Rdn. 22; Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff/Bungenberg, Kartellrecht Bd. 2, GWB, § 126 Rdn. 10; Bechtold, GWB, 4. Aufl., § 126 Rdn. 4; Niebuhr in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Komm. zum Vergaberecht, § 126 Rdn. 10 ff.). Die Gegenauffassung stellt im Wesentlichen darauf ab, der Gesetzgeber hätte eine etwa gewollte verschuldensunabhängige Haftung eindeutig zum Ausdruck bringen müssen, weil es sich dabei um eine weder europarechtlich vorgegebene noch im Gesetzgebungsverfahren auch nur angesprochene Verschärfung der Haftung des Auftraggebers handele (Immenga/Mestmäcker/Stockmann, GWB, 4. Aufl., § 126 Rdn. 9) bzw. weil eine Schadensersatzhaftung nach deutschem Recht grundsätzlich Verschulden voraussetze (Byok/Jaeger/Gronstedt, Komm. zum Vergaberecht, 2. Aufl., Rdn. 1301; Jebens, DB 1999, 1741, 1743; vgl. auch Korbion, VgRÄG 1999, § 126 Rdn. 2).
23
bb) Der Senat tritt der ersteren Ansicht bei. § 126 Satz 1 GWB erfordert seinem Wortlaut nach, wie z. T. auch von der Gegenauffassung eingeräumt wird (vgl. Gronstedt, aaO), kein Verschulden. Die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung entspricht mit Blick auf die Verschuldensunabhängigkeit derjenigen in gesetzlichen Bestimmungen, in denen eine solche Haftungsverschärfung des Schuldners angeordnet ist (vgl. § 833 BGB, § 7 Abs. 1 StVG; §§ 1, 2 HPflG, § 1 ProdHaftG; § 1 UmweltHaftG).
24
Die Entstehungsgeschichte der Norm zeigt zudem, dass der Gesetzgeber von Anfang an eine verschuldensunabhängig konzipierte spezialgesetzliche Regelung schaffen wollte. Nach § 135 des Regierungsentwurfs für das Vergaberechts- änderungsgesetzt (VgRÄG), aus dem § 126 Satz 1 GWB hervorgegangen ist, sollte ein Schadensersatz für die Kosten des Angebots oder die Teilnahme am Vergabeverfahren verlangendes Unternehmen lediglich nachweisen müssen, dass eine seinen Schutz bezweckende Vergabevorschrift verletzt worden ist und dass es ohne diesen Rechtsverstoß bei der Wertung der Angebote in die engere Wahl gekommen wäre (vgl. BT-Drucks. 13/9340, S. 9). Soweit die Bestimmung im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens umformuliert worden ist, diente das dem Zweck, den eigentlichen Charakter der Norm als Anspruchsgrundlage zum Ausdruck zu bringen (vgl. BT-Drucks. 13/9340, S. 44 zu Nr. 36) und, worauf noch zurückzukommen sein wird (nachstehend II. 1. e) bb)), dazu, den Begriff der engeren Wahl durch den der echten Chance zu ersetzen. Dass der Nachweis des Verschuldens der Auftraggeberseite nicht vorgesehen war, wurde dagegen nicht infrage gestellt und nicht korrigiert.
25
e) Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht das Tatbestandsmerkmal der echten Chance auf den Zuschlag bejaht hat, begegnen dagegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
26
aa) Wie dieses Tatbestandsmerkmal zu konkretisieren ist, beurteilt die Fachliteratur unterschiedlich. Eine Gleichsetzung mit dem aus der Angebotswertung nach der VOB/A bekannten Begriff der engeren Wahl wird überwiegend abgelehnt (vgl. Stockmann, aaO, § 126 Rdn. 14; Gronstedt, aaO Rdn. 1287 ff., Reidt/Stickler/ Glahs, Vergaberecht, 2. Aufl., § 126 Rdn. 18 ff., jew. m.w.N.; anders Marx, aaO, § 126 Rdn. 5; zum Streitstand auch Sen.Urt. v. 1.8.2006 - X ZR 146/03, VergabeR 2007, 194 Tz. 12). Zum Teil wird vertreten, es reiche aus, wenn das fragliche Angebot zu einer nahe zusammenliegenden Spitzengruppe gehört (vgl. Glahs, aaO Rdn. 24). Vielfach wird darauf abgestellt, ob das Angebot nach dem dem Auftraggeber zustehenden Wertungsspielraum den Zuschlag hätte erhalten können (KG, Urt. v. 14.8.2003 - 27 U 264/02, VergabeR 2004, 496; Stockmann, aaO; Gronstedt, aaO Rdn. 1294; Bungenberg, aaO, § 126 Rdn. 7; Dippel, aaO, § 126 Rdn. 13 f.; Verfürth, aaO, § 126 Rdn. 17; ähnlich Schnorbus, BauR 1999, 77, 93).
27
bb) Der Senat tritt der letzteren Auffassung bei. Mit dem Attribut "echt" bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass das Angebot besonders qualifizierte Aussichten auf die Zuschlagserteilung hätte haben müssen. Dafür reicht es nicht aus, wenn das fragliche Angebot in die engere Wahl gelangt wäre. Das ergibt bereits die historische Auslegung. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf für das VgRÄG vorgeschlagen, diesen Begriff durch den der echten Chance zu ersetzen, weil Ersterer darüber hinausgehe, was Art. 2 Abs. 7 der Sektorenüberwachungsrichtlinie verlange (vgl. BT-Drucks. 13/9340, S. 44 zu Nr. 37). Dem hatte die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung bezüglich des Tatbestandsmerkmals der echten Chance zugestimmt (vgl. BT-Drucks. 13/9340, S. 51 zu Nr. 37) und mit dieser Änderung ist der Gesetzentwurf verabschiedet worden. Hinzu kommt, dass das Kriterium der engeren Wahl sich zwar in § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A findet, nicht aber in den entsprechenden Regelungen der anderen Verdingungsordnungen VOL/A und VOF, was ersichtlich damit zusammenhängt, dass es sich nicht überall als eigenständige Wertungsstufe eignet. Selbst nach der Systematik des Wertungsprozesses nach der VOB/A (vgl. BGHZ 139, 273) handelt es sich bei der engeren Wahl erst um eine Vorsichtung, die noch keinen Rückschluss darauf zulässt, ob jedes darin einbezogene Angebot große Aussichten auf den Zuschlag hat. Die Zugehörigkeit zu einer nahe zusammenliegenden Spitzengruppe ist generell wenig aussagekräftig dafür, ob tatsächlich die vom Gesetz vorausgesetzten Aussichten auf den Zuschlag bestehen. In Verfahren mit - wie im Streitfall - wenigen Teilnehmern ist dieses Kriterium schon von seinen Voraussetzungen her unpassend. Dass ein Angebot eine echte Chance auf den Zuschlag gehabt hätte, kann vielmehr erst dann angenommen werden, wenn der Auftraggeber dar- auf im Rahmen des ihm zustehenden Wertungsspielraums den Zuschlag hätte erteilen dürfen.
28
cc) Ob die Erteilung des Zuschlags an den Schadensersatz begehrenden Bieter innerhalb des dem Auftraggeber eröffneten Wertungsspielraums gelegen hätte, ist eine Frage des Einzelfalls, die nur unter Berücksichtigung der für die Auftragserteilung vorgesehenen Wertungskriterien (§ 25 Nr. 3 Abs. 3 i. V. mit § 10a lit. a VOB/A 2006, § 11 Nr. 1 Abs. 1 i. V. mit § 7 Nr. 2 Abs. 2 lit. i VOB/A-SKR 2006, § 25 Nr. 3, § 25a Nr. 1, § 25b Nr. 1 VOL/A 2006, § 11 Nr. 1 VOL/A-SKR 2006, § 16 Abs. 2, 3 VOF 2006) und deren Gewichtung (Marge, Matrix, Punktsystem , o. Ä.) beantwortet werden kann. Erst durch die Wertungsmaßstäbe und ihre ermessensfehlerfreie Anwendung kann der wirkliche Rang der einzelnen Angebote bestimmt und zuverlässig festgestellt werden, welches davon eine echte Chance auf den Zuschlag gehabt hätte.
29
dd) Das Berufungsgericht hat die echte Chance des Angebots der Klägerin allein deswegen bejaht, weil es an zweiter Stelle hinter dem "rein preislich gesehen günstigsten Anbieter" gelegen und damit zur Spitze der Bieterliste gehört habe. Da das Berufungsgericht zu den Wertungskriterien keine weiteren Feststellungen getroffen hat, ist im Revisionsverfahren davon auszugehen, dass allein der Angebotspreis maßgeblich war. Danach aber wäre es in Anbetracht des preislichen Abstands zu dem an erster Stelle liegenden Angebot nicht vom Wertungsspielraum der Vergabestelle gedeckt gewesen, der Klägerin den Zuschlag zu erteilen. Die im Berufungsurteil in Bezug genommenen Unterlagen (Anlage K 1, Seite 15 der Faxkennung) weisen im Übrigen allerdings darauf hin, dass der Zuschlag auf das unter Berücksichtigung aller technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte annehmbarste Angebot erteilt werden sollte.

30
Soweit das Berufungsgericht an anderer Stelle ausgeführt hat, es hätte noch im Ermessen der Vergabestelle gelegen, der Klägerin den Zuschlag zu erteilen, handelt es sich entgegen der von der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung nicht um eine autonome und das Revisionsgericht bindende Feststellung, sondern um ein rechtliches Resümee, welches das allein den Preis berücksichtigende Wertungsergebnis mit anderen Worten wiederholt, aber nicht den Schluss zulässt, dem klägerischen Angebot sei unter Berücksichtigung der gesamten geltenden , lediglich nicht in den Entscheidungsgründen mitgeteilten Wertungskriterien eine echte Chance auf den Zuschlag zugemessen worden.
31
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, dass das Berufungsgericht den Klageanspruch aus culpa in contrahendo für gerechtfertigt angesehen hat.
32
a) Zu Recht hat das Berufungsgericht diese Anspruchsgrundlage allerdings neben § 126 Satz 1 GWB angewendet. Mit § 126 Satz 2 GWB, wonach weitergehende Ansprüche auf Schadensersatz unberührt bleiben, stellt das Gesetz nur deklaratorisch klar, dass der im Vergabeverfahren benachteiligte Bieter nicht auf die Geltendmachung des negativen Interesses beschränkt ist. Eine wie auch immer zu verstehende Exklusivität des Satzes 1 der Bestimmung für Ansprüche auf Ersatz des Vertrauensschadens ist der Regelung nicht zu entnehmen.
33
b) Zutreffend hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass bei einem Verfahrensfehler, der, wie hier, die Einleitung des Vergabeverfahrens als solche betrifft, ein in seinem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit dieses Schrittes enttäuschter Bieter Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Angebotskosten auch dann verlangen kann, wenn er nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben oder zumindest eine echte Chance auf den Zuschlag i. S. von § 126 Satz 1 GWB gehabt hat.

34
aa) Die Unternehmen, die sich an einer Ausschreibung beteiligen, bei der die Regeln der VOB/A anzuwenden sind, können erwarten, dass dies schon bei den im Vorfeld der Ausschreibung liegenden Schritten geschehen ist (Sen.Urt. v. 12.6.2001 - X ZR 150/99, BB 2001, 1119; v. 5.11.2002 - X ZR 232/00, VergabeR 2003, 163). Vom Schutzbereich des Anspruchs aus culpa in contrahendo ist demnach auch die richtige Wahl der Verfahrensart umfasst.
35
bb) Allerdings kommt ein Anspruch aus culpa in contrahendo aus Gründen, die in der Natur der Sache liegen, regelmäßig allein für den Bieter in Betracht, der ohne den Verstoß den Zuschlag erhalten hätte. Das Ausschreibungsverfahren ist seinem Gegenstand nach ein Wettbewerbsverfahren, bei dem sich die unter Umständen beträchtlichen Aufwendungen der Bieter für die Erstellung der Angebotskosten nur beim Gewinner amortisieren, während sie bei den übrigen Teilnehmern regelmäßig kompensationslos verloren sind (vgl. Sen.Urt. v. 27.6.2007 - X ZR 34/04 Tz. 13, NZBau 2007, 727, zur Veröffentl. in BGHZ vorgesehen). Ein Verstoß gegen bieterschützende Bestimmungen zum Nachteil eines nachrangigen Bewerbers wird deshalb regelmäßig nicht kausal für den bei ihm durch die Angebotsaufwendungen zu verzeichnenden Vermögensverlust sein. Dies gilt aber nicht ausnahmslos.
36
cc) Der Senat hat im Urteil vom 27. Juni 2007 entschieden, dass einem Bieter , der den Zuschlag nicht erhalten hat, gleichwohl ein Anspruch auf Ersatz solcher Aufwendungen zustehen kann, die er nicht getätigt hätte, wenn die Vergabestelle ihm rechtzeitig bestimmte Informationen erteilt hätte (aaO Tz. 14 f.).
37
Vergleichbar verhält es sich nach Art des in Rede stehenden Verstoßes hier. Der Einwand, die einem Bieter entstandenen Angebotskosten wären nur dann nicht nutzlos gewesen, wenn er als Sieger aus dem Vergabewettbewerb hervorgegangen wäre, so dass Ersatz des Vertrauensschadens auch nur unter dieser Prämisse verlangt werden kann, greift nicht, wenn der Bieter ohne Vertrauen auf die - nicht gegebene - Rechtmäßigkeit der Einleitung gar kein Angebot oder ein solches nur unter anderen Voraussetzungen eingereicht hätte. In einer solchen Fallgestaltung wären die Angebotskosten bei hinweggedachtem Vertrauenstatbestand unabhängig vom Ausgang des Wettbewerbs nicht entstanden. Deshalb kommen bei einer solchen Sachlage auch solche Bieter als Gläubiger eines auf das negative Interesse gerichteten Schadensersatzanspruchs in Betracht, die den Zuschlag nicht erhalten oder keine echte Chance darauf gehabt hätten.
38
dd) Dieser Anspruch steht einem Bieter - seiner Ableitung entsprechend - aber nur dann zu, wenn er die Kosten ohne Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit nicht oder nicht so wie geschehen aufgewendet hätte. Die Haftung des Auftraggebers knüpft an das schutzwürdige Vertrauen des Bieter in den rechtmäßigen Ablauf des Vergabeverfahrens an (vgl. Sen.Urt., NZBau 2007, 727 Tz. 8 m.w.N). Das Berufungsgericht hat dies im Ausgangspunkt nicht verkannt und ausgeführt, einem in seinem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Einleitung enttäuschten Bieter, der sich bei Kenntnis der Sachlage am Verfahren nicht beteiligt hätte, stehe ein Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo zu.
39
Dass die Klägerin sich in Kenntnis der Umstände nicht am ersten Vergabeverfahren beteiligt hätte, hat das Berufungsgericht indes nicht festgestellt. Dies verstünde sich auch nicht von selbst, so dass explizite Feststellungen dazu nicht entbehrlich waren. Nach Lebenserfahrung und wirtschaftlicher Vernunft ist nämlich kaum zu erwarten, dass ein Bieter gänzlich von der Bewerbung um einen Auftrag Abstand nehmen wird, wenn und bloß weil er erkennt, dass dieser fälschlicherweise nach Abschnitt 1 der VOB/A ausgeschrieben worden ist anstatt gemeinschaftsweit. Als naheliegende hypothetische Reaktionsmöglichkeit ist vielmehr zum einen in Erwägung zu ziehen, dass der Bieter die "Vorteile" des Verstoßes, etwa eine mangels internationaler Publizität erhoffte Abwesenheit ausländischer Konkurrenz, gegen Nachteile wie Defizite im Rechtsschutz und geringere Verfahrenstransparenz abwägen und sich - ggf. unter Spekulation auf die Möglichkeit einer nachträglichen Rüge - auf den nationalen Wettbewerb einlassen könnte. Dann vertraute er aber nicht mehr auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens und würde, wenn dieses wegen des von ihm erkannten Mangels nicht mit der Zuschlagserteilung endet, keinen Schaden im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens erleiden. Zum anderen kommt als Reaktion infrage, dass der Bieter die als falsch erkannte nationale Ausschreibung im Nachprüfungsverfahren angreifen könnte. Nur wenn hypothetisch davon ausgegangen werden kann, dass er sich - abgesehen von der, wie ausgeführt, unwahrscheinlichen Möglichkeit der völligen Abstandnahme vom Vergabeverfahren - so verhält, kommt ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens infrage.
40
Da das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat, kann die auf culpa in contrahendo gestützte Verurteilung der Beklagten keinen Bestand haben.
41
c) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen ferner die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht einen schuldhaften, dem Beklagten zuzurechnenden Vergaberechtsverstoß bejaht hat.
42
aa) Zweifelhaft erscheint bereits die verfahrensrechtlich einwandfreie Feststellung des objektiven Pflichtenverstoßes. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang auf die Bindungswirkung des § 124 Abs. 1 GWB verwiesen, obwohl die Klägerin nicht Antragstellerin des Nachprüfungsverfahrens, sondern nur einfache Beigeladene war. Ob der Auftraggeber sich als Beklagter im Schadensersatzprozess in einem solchen Fall die Bindungswirkung der im Nachprüfungsverfahren gegen einen anderen Antragsteller rechtskräftig ergangenen Entscheidung entgegenhalten lassen muss, wird in der Fachliteratur unterschiedlich beur- teilt (vgl. einerseits Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, Rdn. 1725; Beck'scher VOB/A-Komm./Gröning, § 124 GWB Rdn. 6; andererseits Byok/Jaeger, Komm. zum Vergaberecht, 2. Aufl. Rdn. 1243 mit Fn. 7; Summa in: jurisPKVergaberecht , § 124 Rdn. 9). Die Frage bedarf indes hier keiner abschließenden Entscheidung, weil das Berufungsgericht jedenfalls das subjektive Verschulden nicht rechtsfehlerfrei bejaht hat.
43
bb) Soweit sich das Berufungsgericht für die Sorgfaltswidrigkeit der Vergabestelle auf den Beschluss des Vergabesenats vom 16. Dezember 1999 gestützt hat, hat es nicht hinreichend berücksichtigt, dass diese Entscheidung in einem Eilverfahren ergangen ist, in welchem der Vergabesenat nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde des erstinstanzlich unterlegenen Antragstellers verlängert (§ 118 Abs. 2 Satz 1 GWB). Zur Schwellenwertproblematik ergibt sich aus dieser Entscheidung lediglich , dass die Vergabestelle den im Planfeststellungsverfahren ermittelten Wert von rd. 6,6 Mio. DM fortgeschrieben und vor der Einleitung des Vergabeverfahrens auf 8,03 Mio. DM netto beziffert, dazu aber im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens keine den Vergabesenat bei der summarischen Prüfung, ob die Vergabestelle zu Recht einen unterhalb des Schwellenwertes liegenden Betrag angenommen hatte, substanziell überzeugenden schriftlichen Unterlagen vorgelegt hatte. Daraus, dass nur unzulängliche Unterlagen zur Schätzung des Auftragswertes eingereicht worden waren, kann nicht ohne Weiteres auf eine vorsätzlich oder fahrlässig falsche Fehleinschätzung des Auftragswerts unterhalb des Schwellenwerts geschlossen werden.
44
cc) Im Übrigen hat das Berufungsgericht das Verschulden der Vergabestelle allein daraus hergeleitet, dass der vom Vergabesenat bestellte Sachverständige den Gesamtauftragswert auf mindestens 12.100.000 DM geschätzt hat. Auch das ist nach den gesamten Umständen nicht tragfähig.

45
(1) Für die Frage, ob es schuldhaft war, den Auftragswert unterhalb des Schwellenwertes anzunehmen, ist davon auszugehen, dass seinerzeit nach § 2 Abs. 1 VgV i. V. mit § 1a VOB/A in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 1992 der Gesamtauftragswert ohne Umsatzsteuer zu schätzen war. Die Vergabestelle musste eine ernsthafte Prognose über den voraussichtlichen Auftragswert anstellen oder erstellen lassen (Beck'scher VOB/A-Komm./Marx § 100 GWB Rdn. 7). Diese Prognose hat zum Gegenstand, zu welchem Preis die in den Verdingungsunterlagen beschriebene Leistung voraussichtlich unter Wettbewerbsbedingungen beschafft werden kann. Da öffentliche Auftraggeber Bau-, Liefer- und Dienstleistungen im Wettbewerb beschaffen - und zwar nicht nur im Geltungsbereich des Vierten Teils des GWB (vgl. § 97 Abs. 1 GWB), sondern auch im Unterschwellenbereich (vgl. Beck'scher VOB/A-Komm./Prieß, § 2 VOB/A Rdn. 48, 50; Vavra in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Komm. zur VOL/A § 2 Rdn. 13) - kann der Wettbewerb als preisbeeinflussender Faktor bei der Schätzung nicht unberücksichtigt bleiben.
46
(2) Wie der Vergabesenat und das ihm folgende Berufungsgericht zu Recht angenommen haben, ist Stichtag für die Schätzung des Auftragswertes bei unterbliebener gemeinschaftsweiter Ausschreibung die Einleitung des Vergabeverfahrens. Dass die späteren Angebotspreise naturgemäß noch nicht in die Schätzung eingehen konnten, beantwortet indes noch nicht die Frage, ob das anschließende Wettbewerbsergebnis im nachträglichen Streit um die richtige Schätzung des Auftragswertes prozessual unberücksichtigt zu bleiben hat. Der Vergabesenat hat dem beauftragten Sachverständigen dieses Ergebnis vorenthalten und den von ihm ohne Kenntnis dieser Daten ermittelten Schätzwert seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Diese betrifft unbeschadet der Frage der förmlichen Bindungswirkung i. S. von § 124 Abs. 1 GWB aber, worauf die Revision zutreffend hinweist, jedenfalls nur den objektiven Verstoß.

47
(3) Der Verwertung des Wettbewerbsergebnisses für die Prüfung des subjektiven , dem Auftraggeber zuzurechnenden Verschuldens stand kein prozessuales Hindernis entgegen. Dieses Ergebnis zu berücksichtigen lag hier auch in der Sache nahe, weil bestimmte, in anderen Segmenten des Baubereichs verfügbare Erkenntnisquellen hier für die Schätzung nicht zur Verfügung standen. Die vom Sachverständigen über den mutmaßlichen Auftragswert erstellte Prognose war dadurch mit zusätzlichen Ungewissheiten behaftet. Der zeitnah nach dem für die Schätzung maßgeblichen Stichtag durchgeführte Vergabewettbewerb lieferte demgegenüber gewichtige Daten, mit denen kontrolliert und erhärtet werden konnte , ob der Schätzwert zutreffend prognostiziert worden war.
48
(4) Das günstigste im Wettbewerb abgegebene Angebot lag mit nicht ganz 8,6 Mio. DM netto um rd. 3,5 Mio. DM bzw. fast 29 % unter dem vom Sachverständigen angenommenen Mindestauftragswert von 12.100.000 DM netto und um rd. eine Mio. DM unter dem einschlägigen Schwellenwert von 9.606.331 DM. Noch das an dritter Stelle liegende Angebot der - die Überschreitung des Schwellenwertes geltend machenden - Bietergemeinschaft W. u. a. unterschritt diesen Wert um über 100.000 DM und nur das mit großem Abstand an letzter Stelle liegende vierte Angebot lag über dem vom Sachverständigen geschätzten Wert.
49
In Anbetracht dieses im Wettbewerb um die ausgeschriebene Leistung zustande gekommenen Preisniveaus und -gefüges, bei dem nur eines von vier Angeboten den Schwellenwert überschritt, dabei aber einen sehr großen Abstand zu den übrigen Geboten aufwies, während die übrigen diesen Wert zum Teil deutlich unterschritten, war es rechtsfehlerhaft, allein aus dem vom Sachverständigen ermittelten Schätzwert auf eine schuldhafte Fehlschätzung des Gesamtauftragswertes zu schließen. Dies hätte vielmehr näherer eigener Prüfung durch das Berufungsgericht bedurft.

50
III. Für das weitere Verfahren, in dem das Berufungsgericht auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben wird, weist der Senat auf Folgendes hin:
51
Im Rahmen des Anspruchs aus § 126 Satz 1 GWB hat die Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen darzulegen und zu beweisen, dass die Zuschlagserteilung an sie innerhalb des Bewertungsspielraums der Vergabestelle gelegen hätte. Den öffentlichen Auftraggeber trifft aber nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast (vgl. BGHZ 140, 156, 158 f.) die Pflicht, die zugrunde gelegten Wertungskriterien , sofern sie nicht in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen mitgeteilt worden sind, sowie ggf. deren Gewichtung vorzutragen und ggf. substanziiert darzulegen, warum sie dem Angebot des nach § 126 Satz 1 GWB Schadensersatz begehrenden Bieters den Zuschlag nicht wertungsfehlerfrei hätte erteilen können.
52
Sofern es für die Entscheidung darauf ankommt, ob der Klägerin ein Anspruch aus culpa in contrahendo zusteht, wird das Berufungsgericht zunächst nach entsprechendem Vortrag festzustellen haben, wie die Klägerin sich hypothetisch verhalten hätte, wenn sie nicht auf die Rechtmäßigkeit der nationalen Ausschreibung vertraut hätte (oben II. 2. b) dd)). Im Rahmen der Verschuldensprüfung wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass das Verschulden nicht schon dann bejaht werden kann, wenn der Vergabestelle oder ihren Erfüllungsgehilfen bei der Ermittlung des bisher vom Beklagten genannten Schätzwertes Fahrlässigkeit oder Vorsatz zur Last fällt. Eine Fehleinschätzung der Gesamtkosten gereicht der Vergabestelle erst dann zum Verschulden, wenn jegliche Schätzung unterhalb des Schwellenwertes vorwerfbar war.
Melullis Keukenschrijver Richterin am Bundesgerichtshof Ambrosius ist urlaubsbedingt gehindertzuunterschrei - ben. Melullis Asendorf Gröning
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 14.06.2005 - 1 HKO 23/04 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 15.01.2007 - 12 U 1016/05 -

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 170/00 Verkündet am:
20. Juli 2001
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei Verbindung einer Zahlungs- mit einer Feststellungsklage kann eine Zurückverweisung
nach § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht auf die Feststellungsklage erstreckt
werden (Anschluß an BGH, Urt. v. 21. November 1961, VI ZR 87/61, VersR 1962,
252, 253 f; Urt. v. 24. November 1987, VI ZR 42/87, NJW 1988, 1984 f).
BGH, Urt. v. 20. Juli 2001- V ZR 170/00 - OLG Köln
LG Köln
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter
Schneider, Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. Gaier

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 31. März 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Mit notariellem Vertrag vom 23. Januar 1997 verkaufte die Zeugin K. an die Klägerin zum Preis von 1.400.000 DM, zahlbar in zwei Raten, ein Grundstück in B. G. Die Klägerin zahlte die erste Kaufpreisrate von 700.000 DM; die Zahlung der zweiten Rate unterblieb. Daraufhin ging die Beklagte, an die die Verkäuferin ihre Ansprüche abgetreten hatte, aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern, die von der Klägerin für die Restkaufpreisschuld vereinbarungsgemäß gestellt worden war, vor und forderte die Bürgin mit Schreiben vom 23. April 1998 zur Zahlung auf. Am 4. Mai 1998 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 200.000 DM. Zwei Tage später zahlte die Bürgin an die Beklagte
700.000 DM sowie weitere 26.950 DM für Zinsen. Mit der Summe belastete die Bürgin das bei ihr geführte Konto der Klägerin.
Zur Begründung des zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruchs hat die Klägerin behauptet, unter der Erdoberfläche des verkauften Grundstücks seien massive Fundamente sowie Reste von Mauern, Brennöfen, Kaminen und anderen Baukörpern vorhanden gewesen. Für deren Beseitigung sei mit Kosten in Höhe von 191.000 DM zu rechnen. Die Verkäuferin habe die aus einer früheren Bebauung mit Fabrikanlagen herrührenden Bauwerksreste arglistig verschwiegen.
Die Klägerin verlangt - in zweiter Instanz auch aus abgetretenem Recht der Bürgin - von der Beklagten Zahlung von zuletzt 191.000 DM nebst Zinsen sowie die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr einen weiteren Schaden wegen der Entsorgung der Bauwerksreste bis zu höchstens 9.000 DM nebst Zinsen zu erstatten.
In erster Instanz ist die Klage ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Sache zur Verhandlung und Entscheidung über den Betrag des Anspruchs und über die Feststellungsklage an das Landgericht zurückverwiesen (OLG Köln, NJWRR 2000, 1264 mit Anm. Simon, EWiR 2000, 765). Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie das Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Klägerin stehe ein Rückforderungsanspruch zu, soweit die Beklagte die Bürgin zu Unrecht in Anspruch genommen habe. Dieser ergebe sich aus der Sicherungsabrede, die der Bürgschaft zugrunde liege, und aus dem von der Bürgin abgetretenen Bereicherungsanspruch. Die Beklagte habe aus der Bürgschaft nicht vorgehen dürfen, soweit die Klägerin gegenüber der Kaufpreisforderung mit einem Schadensersatzanspruch wegen des von der Verkäuferin arglistig verschwiegenen Grundstücksmangels mit Erfolg aufgerechnet habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, daß sich im Boden des verkauften Grundstücks Fundament -, Mauer-, Brennofen- und Kaminreste befunden hätten. Erwiesen sei auch, daß diese baulichen Altlasten jedenfalls dem Ehemann der Verkäuferin bei Abschluß des Kaufvertrags bekannt gewesen seien. Da er für sie die Vertragsverhandlungen mit der Klägerin geführt habe, müsse sich die Verkäuferin seine Kenntnis zurechnen lassen. Die schwerwiegende und kostenträchtige Belastung des Erdreichs hätte der Klägerin mitgeteilt werden müssen. Dies sei nicht geschehen; denn der Ehemann der Verkäuferin habe auf Fragen nach der zu erwartenden Bodenbeschaffenheit lediglich von Bauschutt, nicht aber von den tatsächlich vorhandenen massiven Überresten alter Fabrikbauten gesprochen. Der Leistungsantrag sei allerdings noch nicht entscheidungsreif, weil der Aufwand der Klägerin für die Beseitigung der Fundamente noch durch Beweisaufnahme geklärt werden müsse. Deshalb sei der Rechtsstreit nach § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen. Aus Gründen der Prozeßökonomie und wegen des Interesses der Parteien an dem Erhalt
zweier Tatsacheninstanzen sei eine Zurückverweisung auch hinsichtlich des Feststellungsantrags zulässig und sachgerecht.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

II.


Das angefochtene Urteil hat wegen der von der Revision erhobenen Verfahrensrügen keinen Bestand.
1. Mit Erfolg rügt die Revision als Verfahrensfehler, daß das Berufungsgericht den Rechtsstreit nach § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch hinsichtlich des Feststellungsantrags an das erstinstanzliche Gericht zurückverweist.

a) Die Zurückverweisung des Feststellungsantrags an das erstinstanzliche Gericht kann weder auf eine unmittelbare noch auf eine analoge Anwendung des vom Berufungsgericht herangezogenen § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gestützt werden. Der Bundesgerichtshof hat schon wiederholt entschieden, daß nach Abweisung einer mit einer Zahlungsklage verbundenen Feststellungsklage in erster Instanz auch dann keine Zurückverweisung des Feststellungsantrags in Betracht kommt, wenn hinsichtlich des Zahlungsantrags der Erlaß eines Grundurteils nach § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO möglich ist (BGH, Urt. v. 21. November 1961, VI ZR 87/61, VersR 1962, 252, 253 f; Urt. v. 24. November 1987, VI ZR 42/87, NJW 1988, 1984 f). Diese Auffassung ist in der Literatur auf Zustimmung (vgl. Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 538 Rdn. 19;
MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, 2. Aufl., § 538 Rdn. 20; Wieczorek/Rössler , ZPO, 2. Aufl., § 538 Anm. D I; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 23. Aufl., § 538 Rdn. 13; Grunsky, EWiR 1988, 413, 414; wohl auch Musielak/Ball, ZPO, 2. Aufl., § 538 Rdn. 10), aber auch - wie in der Rechtsprechung von Oberlandesgerichten (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 1986, 61; OLG Hamm, OLGR 1995, 249, 250) - auf Ablehnung (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 538 Rdn. 20; Schneider, MDR 1977, 624, 626 f; wohl auch Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 59. Aufl., § 538 Rdn. 13) gestoßen.

b) Der Senat schließt sich der zuerst genannten Auffassung an.
aa) Schon der Wortlaut des § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO schließt die Möglichkeit der Zurückverweisung eines Feststellungsantrags an das Gericht der ersten Instanz aus. Das Gesetz verlangt einen nach Grund und Betrag streitigen Anspruch, der aber mit einem lediglich auf Feststellung gerichteten Antrag im Regelfall nicht geltend gemacht wird (vgl. BGH, Urt. v. 24. November 1987, aaO; Grunsky, aaO). Deshalb ist anerkannt, daß auch ein Grundurteil nach § 304 ZPO bei einer Feststellungsklage im allgemeinen nicht ergehen kann (vgl. BGHZ 7, 331, 333; Senat, Urt. v. 22. Januar 1993, V ZR 165/91, NJW 1993, 1641, 1642; Urt. v. 28. Januar 2000, V ZR 402/98, NJW 2000, 1405, 1406; BGH, Urt. v. 9. November 1982, VI ZR 23/81, insoweit in NJW 1983, 332 nicht abgedruckt; Urt. v. 19. Februar 1991, X ZR 90/89, NJW 1991, 1896; Urt. v. 7. November 1991, III ZR 118/90, NJW-RR 1992, 531; Urt. v. 13. Mai 1997, VI ZR 145/96, NJW 1997, 3176, 3177; Urt. v. 4. Oktober 2000, VIII ZR 109/99, NJW 2001, 155). Eine Ausnahme mag dann gelten, wenn der Feststellungsantrag auch zu einem Ausspruch über die Höhe des Anspruchs führen soll (vgl. BGH, Urt. v. 9. Juni 1994, IX ZR 125/93, NJW 1994, 3295,
3296, insoweit in BGHZ 126, 217 nicht abgedruckt). Hier ist das jedoch nicht der Fall; denn die Klägerin hat ihren Antrag lediglich der Höhe nach begrenzt, erstrebt aber nicht die Feststellung eines bestimmten Betrages.
bb) Auch mit dem von § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO verfolgten Zweck läßt sich eine Zurückverweisung des Feststellungsantrags grundsätzlich nicht vereinbaren. Da erreicht werden soll, daß über den gesamten Prozeßstoff zunächst in erster Instanz entschieden wird (vgl. Musielak/Ball, aaO, § 538 Rdn. 1), kann die Vorschrift nicht eingreifen, wenn das mit der Berufung angefochtene Urteil diesen bereits umfaßt, wie das bei der Abweisung eines Feststellungsantrags als unbegründet der Fall ist (vgl. BGH, Urt. v. 24. November 1987, aaO; Grunsky , aaO). Zwar erlangt dieser Gesichtspunkt im vorliegenden Fall keine Bedeutung , weil der Feststellungsantrag in erster Instanz als unzulässig abgewiesen worden ist. Zu beachten ist aber auch hier, daß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als Ausnahme vom Regelfall der eigenen Sachentscheidung des Berufungsgerichts (§ 537 ZPO; vgl. dazu BGH, Urt. v. 7. Juni 1993, II ZR 141/92, NJW 1993, 2318, 2319) eng auszulegen ist. Rein kassatorische Entscheidungen des Berufungsgerichts sind nicht schon dann zulässig, wenn die Zurückverweisung lediglich zweckmäßig erscheint (vgl. RG HRR 1931, Nr. 1255; BGH, Urt. v. 21. November 1961 und v. 24. November 1987, beide aaO; Urt. v. 21. Februar 1991, III ZR 169/88, NJW 1991, 1893; Stein/Jonas/Grunsky, aaO, § 538 Rdn. 1; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 538 Rdn. 3).
cc) Gründe der Prozeßökonomie stehen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht entgegen. Hierzu führt die Gegenmeinung aus, bei einer unterlassenen Zurückverweisung des Feststellungsantrags dürfe einer der Prozesse zeitweilig nicht betrieben werden, damit eine Zersplitterung der Be-
weisaufnahme vermieden werde. Ein solches Vorgehen widerspreche aber dem Interesse der Parteien an einer Beschleunigung des Verfahrens und an der Erhaltung zweier Tatsacheninstanzen (vgl. OLG Hamm aaO; Schneider aaO). Dies überzeugt nicht. Ein allgemeines Recht der Parteien darauf, daß über jeden sachlichen Streitpunkt in zwei Tatsacheninstanzen entschieden wird, ist dem Zivilprozeßrecht fremd (BGH, Urt. v. 21. Februar 1991, aaO). Eine Zersplitterung der Beweisaufnahme ist daher ohne weiteres auszuschließen , wenn das Berufungsgericht von der Möglichkeit Gebrauch macht, nach § 540 ZPO eine umfassende eigene Sachentscheidung zu treffen (vgl. BGH, Urt. v. 24. November 1987, aaO). Seit Einfügung dieser Bestimmung im Jahre 1950 ist die Zurückverweisung nach § 538 ZPO keine notwendige mehr. Das Berufungsgericht muß deshalb ohnehin auch im Anwendungsbereich des § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erwägen, ob nicht eine eigene Entscheidung sachdienlich erscheint, weil das Interesse an einer schnelleren Erledigung des Rechtsstreits gegenüber dem Verlust einer Tatsacheninstanz überwiegt (vgl. Senat, Urt. v. 30. März 2001, V ZR 461/99, WM 2001, 1155, 1156).

c) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung handelt es sich beim Antrag zu 2 um eine Feststellungs- und nicht um eine Leistungsklage. Der Wortlaut des Antrags ist eindeutig darauf gerichtet, die Verpflichtung der Beklagten zu weiterem Schadensersatz lediglich festzustellen. Danach ist die Erklärung gemäß den entsprechend anwendbaren Regeln des materiellen Rechts (vgl. MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, Einl. Rdn. 280) schon nicht auslegungsbedürftig (vgl. BGHZ 25, 318, 319). Im übrigen wäre der Antrag als Leistungsklage auch nicht zulässig. Ein unbezifferter Zahlungsantrag wird als Ausnahme vom Bestimmtheitserfordernis (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) insbesondere dann zugelassen, wenn das Gericht den Betrag durch Leistungsbestim-
mung, durch Schätzung nach § 287 ZPO (vgl. BGHZ 4, 138, 142) oder nach billigem Ermessen nach § 847 BGB (vgl. BGHZ 132, 341, 350) zu ermitteln hat. So liegt der Fall hier nicht. Die Klägerin hat sich lediglich mangels Rechnungsstellung der von ihr beauftragten Unternehmen außer Stande gesehen, einen Schadensersatzanspruch über 191.000 DM hinaus zu beziffern.
2. Ob die Zurückverweisung des Feststellungsantrags auf den - vom Berufungsgericht nicht herangezogenen - § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO hätte gestützt werden können, bedarf bereits deshalb keiner Entscheidung, weil auch in diesem Fall das Berufungsurteil keinen Bestand haben könnte. Die Revision rügt nämlich zu Recht, daß das Berufungsgericht wegen der Gefahr widersprechender Entscheidungen über den Leistungsantrag nicht gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO befinden konnte.
Soweit das Berufungsgericht ein Grundurteil erlassen hat, liegt ein Teilurteil vor. Dieses ist wegen der Gefahr widersprechender Entscheidungen unzulässig (vgl. BGHZ 107, 236, 242; 120, 376, 380; Senat, Urt. v. 13. Oktober 2000, V ZR 356/99, NJW 2001, 78, 79; vgl. auch § 301 Abs. 1 ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000, BGBl. I S. 330). Widersprechende Entscheidungen sind insbesondere zu befürchten, wenn - wie hier - in einem Fall objektiver Klagehäufung von Leistungs - und Feststellungsansprüchen, die aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitet werden, durch Teilurteil nur über einen der Ansprüche entschieden wird (vgl. Senat, Urt. v. 28. Januar 2000, aaO; Urt. v. 30. März 2001, aaO; BGH, Urt. v. 27. Mai 1992, IV ZR 42/91, NJW-RR 1992, 1053; Urt. v. 4. Februar 1997, VI ZR 69/96, NJW 1997, 1709, 1710; Urt. v. 13. Mai 1997, VI ZR 181/96, NJW 1997, 3447, 3448; Urt. v. 11. März 1999, VII ZR 465/97,
NJW-RR 1999, 893, 894; Urt. v. 4. Oktober 2000, aaO; Urt. v. 5. Dezember 2000, VI ZR 275/99, NJW 2001, 760). Das Grundurteil bindet nach § 318 ZPO nämlich nur hinsichtlich des Zahlungsantrags, über den es ergangen ist. Das erstinstanzliche Gericht und - falls eine Zurückverweisung unterblieben wäre - das Berufungsgericht sind daher nicht gehindert, auf Grund neuen Vortrags oder auf Grund geänderter Rechtsauffassung hinsichtlich des Feststellungsantrags zu einer anderen Einschätzung als hinsichtlich des durch Teilurteil bereits entschiedenen Leistungsantrags zu gelangen (vgl. Senat, Urt. v. 28. Januar 2000, aaO). Hieraus folgt ferner, daß nach Aufhebung des (Teil )Grundurteils die angefochtene Entscheidung auch hinsichtlich der Zurückverweisung des Feststellungsantrags nicht bestehen bleiben kann (vgl. Senat, Urt. v. 13. Oktober 2000, aaO).

III.


1. Wegen der festgestellten prozessualen Mängel kann das angefochtene Urteil insgesamt keinen Bestand haben (§ 564 Abs. 1 ZPO), ohne daß es auf die weiteren Revisionsrügen ankommt.
Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif und daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 ZPO). Dies gilt auch hinsichtlich des Feststellungsantrags. Da er auf die Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich eines Schadens gerichtet ist, der über die zum Gegenstand der Leistungsklage gemachten 191.000 DM hinausgeht, kann über seine Begründetheit nicht ohne Feststellungen zur Schadenshöhe entschieden werden. Bedenken gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrags bestehen nach dem für den
Senat gemäß § 561 Abs. 1 ZPO maßgeblichen Parteivorbringen nicht. Der im Schriftsatz vom 7. Oktober 1999 angekündigte Vortrag, mit dem die Klägerin nach Abschluß der Beseitigungsarbeiten die ihr entstandenen Kosten "umfassend und abschließend" mit 189.105,63 DM beziffert, hat im Tatbestand des Berufungsurteils keine Berücksichtigung gefunden. Hiernach könnten allerdings künftige - und seien es auch nur entfernte - Schadensfolgen über das Leistungsbegehren hinaus ausgeschlossen und damit das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse entfallen sein (vgl. BGH, Urt. v. 23. April 1991, X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2708). In diesem Fall hätte das Berufungsgericht die Abweisung der Feststellungsklage durch Teilendurteil bestätigen können.
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, daß gegen das Berufungsurteil, soweit es sich mit der Prüfung des materiellen Rechts befaßt, aufgrund der bisherigen Feststellungen rechtliche Bedenken nicht bestehen.

a) Soweit die Beklagte die Bürgschaft zu Unrecht in Anspruch genommen hat, kann die Klägerin die Leistungen jedenfalls aus abgetretenem Recht der Bürgin herausverlangen. Der Bürgin steht im gegebenen Fall einer Bürgschaft auf erstes Anfordern im Hinblick auf § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Bereicherungsanspruch (§ 812 BGB) gegen den Gläubiger, hier also die Beklagte, insbesondere dann zu, wenn die gesicherte Hauptforderung nicht (mehr) besteht (vgl. BGHZ 74, 244, 248; BGH, Urt. v. 9. März 1989, IX ZR 64/88, NJW 1989, 1606, 1607; Urt. v. 23. Januar 1997, IX ZR 297/95, NJW 1997, 1435, 1437). Die Restkaufpreisforderung ist erloschen, wenn und soweit die Klägerin am 4. Mai 1998 gegenüber der Beklagten erfolgreich mit einer Gegenforderung aufgerechnet hat (§ 389 BGB). Die Abtretung des gesicherten Restkauf-
preisanspruchs von der Verkäuferin an die Beklagte, steht nach § 406 BGB der Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch gegen die Zedentin nicht entgegen.

b) Den zur Aufrechnung gestellten Anspruch hat das Berufungsgericht zutreffend aus § 463 Satz 2 BGB bejaht. Die Verkäuferin hat einen Fehler des an die Klägerin veräußerten Grundstücks arglistig verschwiegen.
aa) Da das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, welche Beschaffenheit des Grundstücks die Vertragsparteien vorausgesetzt haben, kann der Senat die unterlassene Auslegung des Kaufvertrags nachholen (BGHZ 65, 107, 112; 124, 39, 45; Senat, Urt. v. 18. Februar 2000, V ZR 334/98, NJW-RR 2000, 894, 895). Diese ergibt, daß die Parteien des Kaufvertrags übereinstimmend davon ausgegangen sind, die Klägerin erwerbe das Grundstück, um es zu bebauen. Das folgt aus den Regelungen unter III. 3. bis 6. der notariellen Urkunde, die die Erschließung des Anwesens betreffen, wobei - unter III. 4. - auch ausdrücklich auf eine "geplante Neubaumaßnahme" der Klägerin hingewiesen wird. Bei einem Grundstück, das zum Zwecke der Bebauung erworben wird, stellen aber die Bebauung störende Bauwerksreste einen Sachmangel dar (RG SeuffA 83, 300).
bb) Diesen hatte die Verkäuferin der Klägerin zu offenbaren. Auch bei Vertragsverhandlungen, bei denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, besteht für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen über solche Umstände aufzuklären, die den von der anderen Seite verfolgten Vertragszweck vereiteln können und daher für seinen Entschluß von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwar-
ten konnte (Senat, BGHZ 132, 30, 34; Senat, Urt. v. 2. März 1979, V ZR 157/77, NJW 1979, 2243; Urt. v. 10. Juni 1988, V ZR 125/87, NJW-RR 1988, 1290). Bei Kauf eines Hausgrundstücks besteht danach regelmäßig eine Offenbarungspflicht wegen verborgener, nicht unerheblicher Mängel (Senat, Urt. v. 8. April 1994, V ZR 178/92, NJW-RR 1994, 907). Daß der Klägerin die Bauwerksreste unterhalb der Erdoberfläche nicht bekannt waren, während zumindest der Ehemann der Verkäuferin von diesen wußte, hat das Berufungsgericht aufgrund rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Beweiswürdigung festgestellt. Frei von Rechtsfehlern ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Verkäuferin müsse sich die Kenntnis ihres Ehemannes, der für sie die Verhandlungen führte, entsprechend § 166 Abs. 1 BGB nach den Regeln der Wissensvertretung zurechnen lassen (vgl. Senat, BGHZ 117, 104, 106 f m.w.N.).
cc) Mit dem "kleinen" Schadensersatzanspruch aus § 463 Satz 2 BGB kann die Klägerin verlangen, so gestellt zu werden, als habe sie ein fehlerfreies Grundstück erworben. Ihr steht daher ein Anspruch auf Erstattung der Kosten zu, die sie für die Beseitigung der Bauwerksreste aufwenden mußte (vgl. Senat, Urt. v. 12. Juli 1991, V ZR 121/90, NJW 1991, 2900, 2901). Zu bejahen ist
auch die hohe Wahrscheinlichkeit, daß der Klägerin ein solcher Schaden in irgendeiner Höhe entstand (vgl. Senat, BGHZ 79, 45, 46).
Wenzel Schneider Klein Lemke Gaier

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.